242 96 13MB
German Pages 358 Year 1881
Jahrbücher
für die
deutsche
Armee
und
Marine.
Verantwortlich redigiert
von
G.
von
MARÉES Major.
Vierzigster Band . Juli bis September 1881 .
BERLIN ,
1881 .
F. SCHNEIDER
&
(Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.
Printed in Germany
Oo.
1
Inhalts -Verzeichnis.
Seite I.
II.
Die Erstürmung von Kars , unter Zugrundelegung des Tagebuches eines russischen Generalstabsoffiziers der Armee in Armenien 1877/78 III. Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder der Feldgeschütze (Schlufs) . IV. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. Von A. v. Crousaz, Major z. D. . . V. Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. Von C. v. Bruchhausen VI. Aus ausländischen militärischen Zeitschriften VII. Umschau in der Militär-Litteratur : Militärische Essay's I. Untersuchungen über den Wert der Kavalllerie in den Kriegen der Neuzeit. Von R. V. . . . Die Ehrentage des Königlich bayerischen 13. Infanterieregiments Kaiser Franz Joseph von Österreich im Feldzuge 1870-71 . Von Adolf Hoenig, Hauptmann und Compagniechef . . . VIII. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften ( 15. Mai bis 15. Juni) IX. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen • Bücher u. s . w. ( 15. Mai bis 15. Juni) X. Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann . (Fortsetzung) XI. Freicorps und Kavalleriedivisionen . XII. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. · Von A. v. Crousaz, Major z . D. (Fortsetzung) . XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII.
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens des Gefechts als Friedrich? .
1
28
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann (Fortsetzung) •
20 38
53 71 101
109
114
116
121
123 143 160
177
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel. Von F. 187 Hentsch, Hauptmann a. D. • Topographische Erörterungen . Von Reichert , Hauptmann (Schluſs) 198 207 Die Reorganisation der englischen Armee 212 Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge 217 Tassaert . P )
(RECA
496240
IV
Inhalts-Verzeichnis
Seite XIX .
Umschau in der Militär-Litteratur :
Jahresberrichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen. VII. Jahrgang 1870. Herausgegeben von H. v. Löbell, Oberst z. D. XX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften (15. Juni bis 15. Juli) XXI. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Juni bis 15. Juli) . XXII. Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Von E. Keller , Hauptmann (Fortsetzung) . XXIII. Gerhard David v. Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild. Von A. v. Crousaz, Major z. D. (Schlufs) XXIV. Parallele zwischen dem Balkanübergang des General Gurko im Winter 1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829 . XXV. Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte an der französischen Grenze. (Autorisierte Übersetzung aus dem • Journal des sciences militaires) .
227 231 236
239 257 282
298
XXVI.
Über die Kämpfe am Lom während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877 . ·
315
XXVII.
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe Umschau in der Militär-Litteratur :
331
XXVIII.
Geschichte des 3. Garde-Grenadier-Regiments Königin Elisabeth im deutsch-französischen Kriege 1870/71 . Nebst Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880
342
Kurzgefafste Geschichte des 8. Westfälischen Infanterie- Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments von Hilken , Hauptmann und Com343 pagniechef.. Das Königlich Bayerische 4. Infanterie-Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806 von C. 344 v. Hoffmann, Oberst und Kommandeur des Regiments . Memoiren des Freiherrn Dubislav Gneomar v. Natzmer , Königl. preufs. Feldmarschalls u. s . w. - Mit spezieller Erlaubnis des Besitzers herausgegeben, bearbeitet und mit Erläuterungen 345 . versehen von Eufemia Gräfin Ballestrem XXIX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen • 347 Zeitschriften (15. Juli bis 15. August) XXX .
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Juli bis 15. August) .
353
1
I.
Die historische Entwickelung
der Gefechts-
formen der Infanterie in ihrer Bedeutung für
die Gegenwart.
Von E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Militärische Ausbildung war zur Zeit des Lehenswesens weder vorhanden noch notwendig einzurichten .
Jeder, der überhaupt
Soldat wurde, war es eigentlich von Jugend auf gewesen, oder, wie er hierzu die Waffen und Ausrüstungsstücke vom Vater ererbte ,
so
erhielt er auch zu deren Gebrauch durch seine Erziehung im Schofse der Familie die erforderliche Anleitung.
Das ganze Heerwesen war
so wenig in der Hand einer höchsten militärischen Autorität centralisiert ,
dafs von einer gleichmässigen Ausrüstung keine Rede war.
Ein jeder versah sich damit nach Gewohnheit, zufälligem Besitz oder individueller Neigung , und wie darin jeder einzelne Soldat vom anderen verschieden war , so war Hantierung.
Die Taktik
er es auch in
seiner militärischen
selbst kannte keine bestimmten Formen ,
das Heer, zum überwiegenden Teile aus Reiterei bestehend, focht im Schwarm , wobei im Einzeln kampfe die persönlichen Eigenschaften. also die Resultate der Erziehung , den Ausschlag gaben. Dies gi auch für die wenig zahlreiche Infanterie , welche lediglich in zerstreuter Ordnung focht. Die Sache tritt in ein weiteres Stadium mit Einführung 1 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
2
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
der Pike und der Kolonne -
letztere in ihrer primitivsten Er-
scheinungsform des gevierten Haufens . Es war jetzt nicht mehr gleichgültig, welche Waffen der Mann und wie er sie führte. Zwar brauchte die Führung in Bezug auf die Beschaffung der Bewaffnung , die nach wie vor dem Individuum überlassen
blieb ,
nicht autoritativ einzu-
greifen, aber doch geschah etwas derartiges, indem durch das Söldnerwesen , welches die ganze Heeresergänzung auf das wirtschaftliche Gebiet von Angebot und Nachfrage verpflanzte , die Annahme zum Diensteintritte von dem Besitze solcher Waffen abhängig gemacht werden konnte , wie sie dem taktischen Gebrauche der Truppe entsprachen. Dafs gleichwohl die Führung , insbesondere bezüglich der Schutz- und Feuerwaffen, sich mitunter den thatsächlich mitgebrachten Verhältnissen anbequemen musste, war ihr nur durch äuſsere Gründe auferlegt.
Der Gebrauch der Waffen erfuhr jedoch durch die Ko-
lonnenform mindestens die Einschränkung, dafs jeder auf eine solche Führung seiner Waffe angewiesen war, welche jene der anderen nicht beeinträchtigte . Es war also notwendig, die Mannschaften im Waffengebrauch innerhalb der geschlossenen Form zu üben . Aus diesem Grunde bilden die Hand- und Ladungsgriffe, und die hiermit in nächster Verbindung stehenden Bewegungen (Öffnen und Schliefsen der Rotten und Glieder), die ersten Gegenstände des taktischen Exerzierens.
Um hierbei ein genügendes Resultat
es nicht viel ;
die Heere
zu erzielen , bedurfte
bestanden ja zum gröfsten Teile aus ge-
die Manipulationen waren so einfach und so allbekannte , dafs sie durch die blofse Dienstpraxis der Soldaten und deren gegenseitigen Verkehr sich genügend verbreiteten . Zudem löste dienten Leuten ,
auch die Kolonne im eigentlichen Kampfe sich zum Melée auf und blieb bis zu diesem Augenblicke eine rein defensive , auf Erhalten der eingenommenen Gestalt angewiesene Form. Die Formenbildung der taktischen Einheiten war aber noch kein Gegenstand der militärischen Abrichtung, weder bei Moritz von Oranien, dem Begründer des Exercierens, noch auch anderwärts . Allerdings wurden die Formen gebildet, aber nicht auf dem Wege der Evolution , sondern des thätigen Eingreifens der Führer und ihrer Organe, welche die ihnen zu gehte stehenden Kräfte dem jedesmaligen Bedarf und ihren taken Ansichten entsprechend, gruppierten und zerlegten . War ein Bataillon zersprengt oder durcheinander gekommen , so war , wenn nicht zufällig die Leute sich wieder in eine quadratische Form zusammenfanden, die Wiederformierung ohne die thätliche Intervention eines Führers kaum zu erwarten. Die Dinge gingen noch an, so lange man groſse Fähnlein , wenige Regimenter zählte und nur drei groſse
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Haufen zu bilden hatte ,
damit liefs sich doch in ein paar Stunden
die Schlachtordnung herstellen .
Mifslich fing die Sache aber zu wer-
den an , wie sowohl die administrativen Einheiten als auch die taktischen sich vermehrten. Da die Umstände , welche ein taktisches Exercieren verhinderten , nämlich der Vertragscharakter des ganzen Kriegsdienstes und der Mangel an einer eigentlichen Übungspräsenz, nach wie vor bestehen blieben , blieb der Mangel an Ausbildung bestehen , begann
der Taktik selbst nun Schwierigkeiten zu bereiten
und legte insbesondere der zeitgemäfsen Tendenz nach Zerlegung der grofsen Kolonnen in kleinere Fesseln an . Eine Ausnahme fand nur statt, wo obige Hemmnisse wegfielen, wo also eine fester begründete Herrschaft der Führung
über die Truppen bestand und es Zeit zu
Übungen gab, so bei den kleinen stehenden Truppenkörpern einzelner Monarchen ; Adolfs ,
ganz besonders
aber
in Schweden
zur
welchem sein taktisches Genie ebensosehr wie
Zeit
Gustav
seine könig-
liche Macht, sein organisatorisches Geschick und die eigenthümliche Heeresverfassung die
Durchführung
eines Ausbildungssystems und
infolge dessen die Annahme einer Taktik ermöglichte, an deren verhältnismässigen Komplikation die Routine aller Oberwachtmeister des Erdkreises gescheitert wäre . Es wäre unmöglich gewesen, die Gustav Adolf'sche Lineartaktik, selbst in der sehr vereinfachten Gestalt, zu welcher sie bis Ende des 30jährigen Krieges gerathen war, anderwärts weiter zu führen , wären nicht um die gleiche Zeit (zum Teile ja auch durch die gleichen Ereignisse) Verhältnisse in Europa eingetreten, welche eine militärische Ausbildung
ins Werk
zu setzen gestatteten ,
militärischen Centralgewalt an walten und die Einführung und
strengerer
die
die Übertragung
der
politischen und absoluten Ge-
stehender Heere mit langer Dienstzeit
Form der Verpflichtung.
Diese Ereignisse
allerwärts der Friedens ausbildung auch in Formen und Evolutionen Eingang
verschafft.
haben
den taktischen Betrachtet man
die Sache so , so wird man wohl vor dem Irrthum mancher Autoren bewahrt bleiben , welche das Exercieren nur für eine böswillige Erfindung eines
freiheitsmörderischen Absolutismus erklärt ,
letztere hat nur das Verdienst ,
allen Zeiten vorher ebenso erwünscht erreichbar war. In welcher Weise
denn der
möglich gemacht zu haben , was in aber mehr oder weniger un-
nun nach Methode
Intensität und Geist in
militärischer Ausbildung sich gestalteten, das war selbst wieder vollständig abhängig von den Verhältnissen der abrichtenden und abzurichtenden Elementen , und zwar so sehr, dafs man erst in Berück1*
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
4
sichtigung dieser die eigentümlichen Erscheinungsformen des Dienstes und der Übungen von damals versteht. Es mag genügen , ohne weiteres Eingehen auf die Heeresergänzungsverhältnisse jener Zeit als deren charakteristischen Unterschied vom Kriegsdienste in der Söldnerzeit das zu bezeichnen , daſs, wähdas Bindemittel rend hier der persönliche Vorteil, dort der Zwang . Es kam daher dem Bedürfnisse nach für den Heereskörper war. Ausbildung und Übung der Umstand noch besonders entgegen , dafs es nicht blos reichlich Zeit gab, sondern es in disciplinarer Hinsicht geradezu Problem wurde, das Übermafs an Zeit entsprechend auszufüllen . Überliefs man den Soldaten seinen eigenen Passionen und Gedanken , so war gröfste Wahrscheinlichkeit dafür , dafs diese sich in einem dem Dienste nicht förderlichen Sinne geltend machten . Für die Art und Weise, in welcher jene „ Ausfüllung der Präsenz66 zeit
vor sich ging, sind die Verhältnisse jener Zeit , und zwar ins-
besondere die eigenthümliche Gestaltung des Offizierstandes , bestimmend gewesen.
Ohne auf die
letztere ,
besonderen Gegenstand bilden müfste ,
deren Entwickelung
einzugehen,
einen
mag es genügen
zu konstatieren , dafs in den meisten Ländern die Soldaten vorwiegend in den Händen der Unteroffiziere waren, welche ihnen wohl das Formelle, mehr aber nicht, beizubringen und sonst in allen übrigen kleinen aber zahlreichen Dienstobliegenheiten die nötige Aufsicht auszuüben vermochten. Endlich aber war die eigentliche Kriegswissenschaft noch in der Wiege ihrer Kindheit.
Alles , was man unter diesen Begriff brachte,
bezog sich hauptsächlich auf die technischen Hülfsmittel der Kriegführung ; Lagereinrichtung, Brückenschlag, Ballistik und Konstruktion der Feuerwaffen, Befestigung u. s. w. Die Taktik participierte daran nur mit ihrer Formenbildung , welche bis zu dem gröfsten Truppenkörper hinauf elementarer Natur war , regeln eine Armee zu ernähren .
die Strategie
mit den Mafs-
Ein in das Wesen und die Grund-
1 bedingungen der Taktik
und ihrer Aufgabe
eindringendes
und die
Konsequenzen hieraus auf die Formenbildung und Formenverwendung übertragendes Studium gab es nicht, es war weder in der Zeit noch in den Personen gelegen.
Man muss diese Verhältnisse vor Augen behalten , um sich vor dem Irrtum zu bewahren, über die uns gewifs höchst wunderlich erscheinende Taktik am Ende des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu lächeln ; und es wird gut sein, sich stets zu erinnern , dafs die Taktik einer jeden Zeit ein Ergebnis von Thatsachen und Zuständen und nur so weit von dem Einflusse der Per-
5
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
sonen berührbar ist, als in diesen die Erkenntnis der Thatsachen und ihrer Folgen das Eingreifen bestimmt. Personen , welche gegen die unerbittliche Logik der Umstände, und sei es aus den besten Motiven , ankämpfen, werden zum mindesten von den Thatsachen desavouiert, in schlimmeren Fällen vernichtet. Dies ist eine Lehre der Geschichte, die sich zu Herzen zu nehmen auch heute zu tage und insbesondere bei der Betrachtung der Neugestaltung der Taktik von Nutzen sein wird. Um die Taktik jener Zeit in
dem Geiste dieser und zugleich
nach ihrer Bedeutung für unsere Verhältnisse richtig zu beurteilen , ist vor allem festzuhalten, dafs sie entstanden war durch und für die Tendenz der Ausnutzung des Infanteriegewehres als Feuerwaffe . definitive
Herrschaft
der linearen Form
ebenso Konsequenz als Symbol
im Infanteriegefechte
Die ist
des vollständigen Sieges der Feuer-
über die Stofsnatur der Infanteriewaffe . Alle anderen Erscheinungen an jener Taktik sind - zunächst wenigstens - nebensächlicher Art, als sie entweder als absolut unvermeidliche Konsequenzen der linearen Form in den Kauf genommen oder dem Gebrauche der letzteren als Schranken auferlegt werden mussten, weil eben das Feuergewehr die Voraussetzungen, auf welchen die Taktik sich aufzubauen versuchte , nur zum Teile erfüllte und damit gewisse Berücksichtigung des Stofsund Widerstandsmomentes unerlässlich machte . Diese Nebenerscheinungen werden zum mindesten indirekt uns auch in der Folge noch beschäftigen ; augenblicklich aber genügt es , aus der Erfahrung des 17 . und 18. Jahrhunderts festzustellen,
dafs die Tendenz der Aus-
nutzung des Infanterie feuers der elementaren Taktik die Linie als Kampfform aufzwingt , und zwar in dem Mafse , als diese Tendenz eine ausschliefsliche und das Feuer als Universalkampfmittel geeignet ist. Daneben bleibt für das Gefecht auch die Kolonne ,
allerdings
wie später erörtert, nur die Marschkolonne, in Gebrauch, jedoch lediglich als Evolutionsform vor dem Eintritte in die Feuersphäre des Gegners. Die Linie hätte nun
allerdings höchstens dreigliedrig zu sein
mehr als drei Glieder können wohl nicht feuern. Dafs sie anfänglich sechs Glieder zählte und auch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht weiter als auf vier herunterging, hat seinen
gebraucht ,
denn
Grund darin, dafs das Infanteriegewehr als Stofswaffe erheblich minderwertig geworden war , ohne dieses Deficit durch ein rasches Feuer auf die kürzesten Distancen decken zu können. Die Empfindung dieses Übelstandes war
es ,
welche die Taktiker jener Zeit immer
6
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
wieder zu Versuchen mit tieferen Aufstellungen
veranlafste .
Die
nämlichen Gründe trugen gleichfalls bei zur Herbeiführung einer auch von anderer Seite her verursachten Erscheinung, nämlich der Starrheit der
Form .
Denn wenn
die
Stofs- und Widerstandskraft der In-
fanterie durch die Annahme der Lineartaktik überhaupt zurückgegangen war, so galt dies ganz besonders für die Flanken und für etwaige Lücken der Aufstellung. hierzu aufgestellte Infanterie
Während man erstere durch eigens
zu
schliefsen und durch Kavallerie zu
schützen vermochte, konnte man der Entstehung gefährlicher Lücken nur dadurch vorbeugen, dafs man die Teile der Schlachtlinie so nahe als möglich aneinander fügte und jede eigene Absonderung, jede selbständige Unternehmung
derselben
ausschlofs.
Eine Gliederung der
Schlachtlinie in taktisch selbständige Unterabteilungen war dadurch ganz gegenstandslos , die ganze Schlachtenordnung bildete ein untrennbares, ungegliedertes Ganze.
Es zeigt sich hieraus die Starrheit als
eine Konsequenz der linearen Form , jedoch nicht als eine absolute, sondern als
eine bedingungsweise ,
abhängig von dem Grade
der
Nähewaffenwirkung der Infanterie und ihrer Fähigkeit , sich auch in der Flanke zu schützen . Ganz besonders ist aber diese Starrheit durch andere Rücksichten herbeigeführt ;
sie ist der Ausdruck
des Willens der
Führung , sich durch die einmal für notwendig gehaltene lineare Taktik die Herrschaft über das Ganze , heitliche Leitung
nicht schmälern zu lassen.
die
ein-
Mehr noch
als der Schutz der Schlachtordnung ist es das Prinzip der Führung, welches das Ganze auch als lenkbare Einheit zu formen und zu erhalten strebt durch festes Zusammenschliefsen
aller Teile in Einen
Befehlsverband. Dafs nun allerdings die Führung das Mittel zur Erhaltung ihres Einflusses nur in der Starrheit suchte, mag uns, die wir theoretisch und praktisch mit der Gliederung des Befehles wie der Truppen so vertraut sind ,
befremdend vorkommen ,
seits
dafs
daraus ,
die
es
erklärt sich aber einer-
Beschaffenheit der höheren
und
Truppenführer zu dieser Einrichtung nicht gerade einlud ,
niederen anderseits
daraus , dafs diese Starrheit auch von anderer Seite her , nämlich durch die Rücksicht auf die Sicherheit des Ganzen , geboten schien. Aus den letzten Erklärungen ergiebt sich, dafs auch vom Standpunkte der Führung
die Starrheit der linearen Form nur eine be-
dingungsweise Forderung ist.
Allein sie kann auch in unseren Ver-
hältnissen zur absoluten werden :
überall da , wo bei weiterer Glie-
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. derung des Befehls die Einheit des Zusammenwirkens nicht mehr genügend gewährleistet erscheint. Infolgedessen war in dem durch die Infanterie gebildeten Centrum der Schlachtordnung eine taktische Gliederung gar nicht vorhanden.
Wohl gab es Flügel , Brigaden , Regimenter und Bataillone ,
und es ist deutlich ,
dafs im Vergleiche zur früheren Zeit die Glie-
derung der Truppe schon sehr erheblich fortgeschritten war.
Aber
diese ganze Einteilung hatte im Frieden nur Ausbildungs- , Administrations- und Kontrolzwecke, im Kriege nur die Aufgabe , die Aufsicht zu üben und gutes Beispiel zu geben, wozu jetzt, bei den sehr verlängerten Fronten, wenige Führer nicht mehr ausreichten . Darum ist auch die die Idee einer taktischen Einheit völlig untergegangen ; wie früher im Haufen, so bildete jetzt in Linie das ganze Heer eine einzige taktische Einheit, in welcher die Brigade, das Regiment, das Bataillon nur als Beaufsichtigungseinheit und nur das Bataillon soweit noch als taktische Einheit figurierte , als der Feldherr seine Infanterie nach Bataillonen summierte und innerhalb des Bataillons die Feuerthätigkeit der Infanterie zur Ausführung gelangte. Die Feuerform hatte sich indessen , gleicherweise unter dem Einfluss der für sie bestimmenden Momente grofsmöglichster Wirksamkeit und vollster Beherrschung durch die Führung , stetig dahin entwickelt , dafs die Salve die einzige Art des Feuers geworden war.
Sie gelangte zu dieser Ausschliefslichkeit auch noch durch
die Rücksicht darauf, dafs in der geschlossenen Linienformation eine gleichmässige Ausführung der Ladegriffe, sohin auch eine gleiche Ladeund Feuergeschwindigkeit notwendige Folge war. war verschiedenartig :
Die Art der Salve
man feuerte mit ganzen Gliedern , mit Teilen
solcher, dann mit ganzen Bataillonen oder mit Unterabteilungen (Pelotons) derselben.
Für letztere Art der Salve , welche die gebräuch-
lichste war, wurde das Bataillon , ohne Rücksicht auf seine sonstige administrative Gliederung in Compagnieen , in eine Anzahl von Unterabteilungen geteilt ; derart ab ,
dieselben lösten sich in der Regel flügelweise
dafs zuerst das erste Peloton eines jeden Flügels , dann
das zweite u. s. f. seine Salve abgab.
Alle gebräuchlichen und ver-
suchten Arten der Salve gehorchten der Grundtendenz, ein ununterbrochenes und unter voller Aufsicht und Leitung der Chargen stehendes Feuer hervorzubringen . Diese Starrheit in der Form als Konsequenz des Bedürfnisses der Führung erklärt es denn auch , dafs die Marschkolonne die einzige Evolutionsform war. Sie allein ermöglichte, unter steter Erhaltung der Aufsicht, die Armee als ein Ganzes an den Ort ihrer
8
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
Wirksamkeit heranzubringen , sie bis zu dem gewählten Augenblicke aufser dem Kontakte mit dem Feinde zu erhalten ,
sie in dem ge-
wählten Momente in ihre Gefechts- und Kampfform, die Linie , überzuführen. Ein Zwischenstadium , ein Aufmarsch in Kolonnenlinie als Bereitschaftsform existierte nicht, es sei denn, dafs man die Teilung der Armee in mehrere nebeneinander vorrückende Marschkolonnen als einen solchen ansehen will. Allein diese Teilung ging in der Regel nicht sehr weit ; meistens bildete die Infanterie eine oder zwei (flügelweise) Kolonnen, die Kavallerie flügelweise zwei, die Artillerie eine .
Märsche in mehreren Kolonnen, die einem Vormarsch in Ko-
lonnenlinie gleichen , waren selten, was schon daraus hervorgeht, dafs solche, wie z. B. der Marsch Luxemburgs von Jandrain nach St. Tronc in 11 , oder der Anmarsch des Prinzen Eugen zur Schlacht von Höchstädt in 13 Kolonnen als Wunderwerke der Heeresleitung angesehen. wurden . Es nahm übrigens
der Marschkolonne viel
von ihrer Schwer-
fälligkeit, dafs sie nicht mehr wie früher aus der tieferen Rangierung, als Reihenkolonne, sondern mit Frontunterabteilungen , Sektionen , Pelotons, selbst Divisionen gebildet war. Die Wahl der Kolonnenbreite richtete sich nach dem
gegebenen Raume ,
doch ermöglichte gerade
das Terrain, wie es die Linienform aufzusuchen nötigte, in dem dem Aufmarsche unmittelbar vorhergehenden Stadium die Annahme breiter Marschkolonnen . Endlich ist noch zu erwägen, dafs der Aufmarsch in die Linie aufserhalb der feindlichen Feuerwirkung erfolgte , so dafs in dieser Hinsicht der Nachteil so tiefer Kolonnen nicht ,
son-
dern nur ihr Vorteil gröfserer Leistungsfähigkeit fühlbar war. Vom Aufmarsche ab , also durch die ganze feindliche Wirkungssphäre hindurch ,
war
die Linie auch einzige Bewegungsform .
Die
Unbequemlichkeiten , Schwierigkeiten und Verzögerungen , die sie verursachte, entsprangen weniger der Linie als solcher, als ihrer Starrheit, die unter den damaligen Umständen ein notwendiges Übel war. Alle anderen reglementarischen Formen ,
soweit
sie nicht blos
für Parade und Besichtigungen , sondern für den wirklichen Gefechtsgebrauch bestimmt und geeignet waren, bezogen sich auf Herstellung der Marschkolonne, Veränderung der Breite derselben , Aufmarsch zur Linie , Vormarsch derselben unter Überwindung von Defileen und Hindernissen, endlich die Bildung des Carrés .
Doch wurde die letztere
Form praktisch nur wenig verwendet, ihre Herstellung aus der Linie erforderte zu viel Zeit und beschränkte die Macht des Feuers zu sehr, als dafs man nicht vorgezogen hätte , in der Linie zu verbleiben und diese durch Dublieren der Rotten zu verdichten.
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Wie
aber schon
zu Ende
9
der Pikenzeit bemerkbar geworden
war, dafs die lineare Form das Schwergewicht des Kampfes in das so kam dies nunmehr in vollem Mafse zur Geltung, als die definitive und vollständige Durchführung der Linear-
erste Treffen verlege ,
taktik
dazu genötigt hatte, die Intervalle auf ein Minimum zu reduzieren. Dem entsprechend zeigt sich, dafs allenthalben das zweite Treffen schwächer als das erste gemacht und auf die Aufgabe, dieses
stets in kampffähigem Zustande zu erhalten, beschränkt wird. Das erste Treffen aber ficht die Schlacht von Anfang bis zu Ende durch, auf ihm ruht die ganze Aufgabe des Tages , in seinem Erfolge der des Ganzen . Diese Entwickelung der Taktik hätte das zerstreute Gefecht der Infanterie
vollständig beseitigt,
wenn es sich nicht fast gegen den
Willen, jedenfalls aber ohne das Zuthun der Führung, gewissermassen zufällig selbst wieder eingeführt und erhalten hätte . Seine Stätte war die sogenannte Frei - Infanterie, die ihren Ausgang von Oesterreich her nahm ,
wo die Besitzergreifung bedeutender, den Türken
abgenommener Gebiete dem kaiserlichen Heere ein zahlreiches und durch die frühere türkische Herrschaft kriegerisch geartetes Heermaterial zuführte .
Auf die Verwertung desselben mochte man um-
soweniger verzichten,
als dasselbe durch seine Vertrautheit mit der
eigentümlichen osmanischen Kriegführung in gewisser Beziehung ausserordentlich brauchbar schien, und in den eroberten Provinzen die Inanspruchnahme der lebenden Kräfte der kaiserlichen Regierung nicht die Schwierigkeiten verursachte , auf welche sie in den Erblanden zu stofsen gewöhnt war. Da man aber dieses Heermaterial nicht nach der Art der regulären Truppen ausbilden konnte, so verwandte man es nach seiner eigentümlichen Eigenschaft aufserhalb der regulären Truppen, in deren diffiziles Gefüge diese naturalistisch kämpfenden Schaaren nur Störung gebracht haben würden .
Man or-
ganisierte daraus die Panduren- (später Kroaten- *) Bataillone ,
und
verwendete
zur
diese
sowohl aufserhalb der rangierten
Deckung der eigenen ,
Gefechte
Störung der feindlichen Verbindungen, Deta-
chierungen, Sicherheitsdienst,
als
auch innerhalb desselben in zer-
streuter Ordnung zur Besetzung der Oertlichkeiten. Von diesen beiden Verwendungsarten schlägt nur die zweite in den vorliegenden Gegenstand ein.
Sie bietet jedoch für sich allein
schon eine interessante Wahrnehmung.
Sie zeigt ,
dafs
selbst für
*) Diese Bezeichnung kam während des 30 jährigen Krieges nur der irregulären Kavallerie zu, ging aber nunmehr auf die irreguläre Infanterie über.
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
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Formationen, welche ganz auf maximale Feuerwirkung eingerichtet sind, die Zuhülfenahme der zerstreuten Gefechtsform unerlässlich ist, und zwar in dem Grade,
in welchem die geschlossene,
oder besser
die normale Gefechtsform die Forderung der Verwendbarkeit im Terrain unerfüllt läfst.
Vorgeschobene Punkte,
seitwärts gelegene De-
fileeen u. s. w. aus dem ersten Treffen zu besetzen, die Beobachtung und Störung des
feindlichen Aufmarsches,
die Einleitung
fechtes durch aus der Front detachierte Abteilungen
des Ge-
vornehmen zu
lassen , wäre eine Anomalie gegen die normale Gefechtsform gewesen. Da aber gleich wohl alle diese Dinge nicht zu ignorieren waren, so bediente man sich gerne hiezu jener irregulären Truppen, die auf solche Weise erspriefsliche Verwendung
fanden ,
ohne dafs
sie in die rangierte Schlachtordnung aufgenommen zu werden brauchten. Diese Frei-Infanterie ist dem Sinne nach als ein Vortreffen oder als Detachierung der Schlachtordnung anzusehen . zerstreuter Ordnung, im Schwarm ,
Sie kämpft nur in
nur in und um Oertlichkeiten ,
welche die Verwendung geschlossener Formen erschweren, bekämpfen den feindlichen Aufmarsch, beschäftigen seine Front, treten aber im Stadium der Entscheidung hinter der regulären Infanterie zurück . Dafs aber die Existenz dieser Freitruppen und ihr zerstreutes Gefecht ein wirkliches Bedürfnifs der Taktik war und nicht blofs ein Accidenz der speziell österreichischen Verhältnisse, das beweist die Erfahrung,
dafs
nun auch Freibataillone und Freikompagnieen
in allen anderen Ländern entstanden ,
selbst in
solchen ,
die be-
züglich des Materials hierfür durchaus nicht die in Oesterreich bestehenden Voraussetzungen in sich fanden. dafs an diesen Truppen nicht
Es geht daraus hervor,
die Irregulärität,
streute Gefecht es war, was die Taktik begehrte.
sondern das
zer-
Sie bedurfte eines
Vortreffens, dessen Thätigkeit an jenen Punkten und in jenen Stadien des Gefechtes,
wo nicht der Entscheidungskampf sich vollzog ,
ein-
trat und dem Haupttreffen es erleichtert, in die Entscheidung möglichst ungeschwächt in Zahl und Form einzutreten. Dafs eine Art von zerstreuter Ordnung auch in diesem eintrat , namentlich am Ende des Entscheidungskampfes, ist selbstverständlich . Aber dies war so wenig beabsichtigt und wurde für eine solche Gefahr gehalten, dafs die Wiederherstellung der geschlossenen Ordnung für ein höheres Interesse galt, als die Ausnutzung des Erfolges .
Der
um seiner Wiederrangierung willen auf die Verfolgung wenigstens durch die Infanterie, da eine solche durch blofses Feuer nicht möglich war, und gestattete so dem Besiegten, den zur
Sieger
verzichtete
Wiederherstellung seiner Ordnung nöthigen Vorsprung zu finden.
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
11
Durch die Abschaffung der Pike und die damit in Zusammenhang stehende Weiterbildung der Gefechtsform hatte das Ganze der Infanterie im Vergleiche zu der unmittelbar vorhergegangenen Zeit soviel an eigener Kraft gewonnen , Kavallerie
entraten ,
die
dafs sie des Schutzes durch die
unnatürliche
und Schwadronen aufgeben konnte .
Vermischung der Bataillone
Kam dies einerseits wieder der
Festigkeit des Gefüges, der Führung der Infanterielinien , der Leitung ihres Feuers zu Gute, so
ermöglichte es auch anderseits, wie dies
im spanischen Erbfolgekriege auch wirklich eintrat , wieder
die Kavallerie
auf den Flügeln zu massieren und sie ihrer ursprünglichen
Bestimmung wieder
zurückzugeben.
Wenn die Reiterei sich dieser
nicht gleich mit allem Nachdrucke zuwandte, so lag dies teils darin, dafs
die
geringe Tiefe der ganzen Schlachtordnung es sehr wichtig
erscheinen liefs , die Flanke nicht zu früh und zu sehr zu entblöfsen, teils darin, dafs die Kavallerie, von der allgemeinen Feuermanie mitergriffen, das Feuergewehr in einem Umfang annahm und kultivierte , wie bisher noch nie. Der erstere Grund lag in der Taktik und war deshalb so ohne weiteres nicht aus der Welt zu schaffen, wenngleich immer noch möglich blieb,
den Schutz der Flanke
offensiv zu be-
wirken ; der zweite aber war nicht durch die Verhältnisse ,
sondern
mehr durch ihr Mifsverstehen entstanden und konnte und musste gehoben werden. Dazu trug denn auch zum Teile schon die Erfahrung bei, die doch stets wieder den Beweis lieferte, dafs die eigentlichen Waffen der Reiterei Pferd, Sporen und Säbel seien ; hauptsächlich aber mufste die Korrektur dem Auftreten von Persönlichkeiten vorbehalten bleiben, die mit der Erkenntnis des Fehlers auch die Macht zu dessen Bekämpfung besafsen .
Solche Männer waren Carl XII. und
der grofse Kurfürst ; aber der damalige Einfluss ihrer Erfolge war nicht von genügendem Gewichte, um die im Methodismus der Zeit befangene Reiterwaffe dies
im Allgemeinen
blieb Friedrich dem Grossen
die Kräftigung,
zur Bekehrung
vorbehalten.
zu bringen ;
Infolgedessen
fiel
welche die Taktik im Allgemeinen von der Kaval-
lerie hätte erwarten können , nicht sehr ausgiebig aus , und diese beschäftigt sich im Verbande mit der Infanterie vorwiegend damit, die feindliche Kavallerie ohne
sich dabei
zu beschiefsen,
zu beschäftigen,
zu bedrohen,
zu weit von dem angewiesenen Platze im ganzen
der Schlachtordnung zu entfernen .
Der Säbel kam erst, wenn es mit
dem Schiefsen nicht mehr ging, d. h. in der Regel nicht früh genug. Das Verhältnis der Infanterie zur Artillerie war , nach gleich bleibend, zum besseren fortgeschritten . Adolf angebahnte Verwandlung
dem Wesen
Die durch Gustav
der Zunft zur Waffe
war bis zum
12
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
Anfang des 18. Jahrhunderts allenthalben zur Durchführung gelangt, wenigstens in der Feldartillerie .
Nicht allein waren jedem Bataillon
zwei leichte Geschütze zugewiesen , welche von Mannschaften der Infanterie bedient wurden, sondern auch die nicht regimentierte Artillerie war mit regulären Mannschaften und Bespannungen versehen . Insoweit konnte also sicher sein .
die Infanterie der Unterstützung der Artillerie
Dafür sorgte auch die Taktik, welche offenbar mit Rück-
sicht auf Verstärkung des Infanteriefeuers , auf der ganzen Front verteilte .
die Geschütze möglichst
Aber gerade dieser Umstand, ferner
die geringe Feuergeschwindigkeit und endlich die geringe Beweglichkeit der Geschütze , die zum Teile durch eine weitgehende Schonung der Bespannungen herbeigeführt wirkung der Artillerie gute kam.
mehr
war,
verursachten ,
der Defensive
dafs
die Mit-
als der Offensive
zu
Unter diesen Umständen änderte auch die Abschaffung der Pike nichts an dem Gesamttypus der Taktik. Der Verlauf der Schlacht blieb nach wie vor ein frontaler , ein gegenseitiges Sichmüderingen, nach welchem der Sieger erschöpft das Feld behauptet. Der Angrift war der Vertheidigung gegenüber so im Nachteile, dafs die Strategie eine wesentliche Aufgabe darin fand , ihn dem Gegner zuzuschieben , und dafs , nachdem der Versuch, taktisch zu flankieren , doch immer wieder zum Frontalkampfe führte, wofern der Gegner nicht aus anderen Gründen aus dem Wege ging, die Strategie ihr Problem darin suchte , den Erfolg , den durch den Kampf zu erreichen man zu schwierig fand , auf dem billigeren Wege des Manövrierens zu langen. Die Bilder, wie sie jene Strategie darstellte, sind bekannt, dieses Stellungsuchen, Schanzen, Umgehen , Vorlegen, Drücken auf die Verbindungslinien , Bedrohen der Magazine, die langen befestigten Linien zum Schutze einer Belagerung
oder der Grenzen .
Ihre eingehende
Schilderung ist für den vorliegenden Gegenstand erlässlich .
Aber es
ist doch gut, sich zu vergegenwärtigen, zu welcher Sorte von Kriegführung man
kommt ,
wenn man die Opfer des Angriffes
scheut,
wenn man nicht die Kraft fühlt , der vermeintlichen Übermacht der Defensive zu begegnen .
Ob die damalige Ansicht von der Schwie-
rigkeit der taktischen Offensive wirklich begründet war oder nicht, genug, sie existierte und herrschte und dies hat eine Kriegführung erzeugt, in welcher zwar Erfolge , aber keine Entscheidungen errungen, Terrain gewonnen und verloren , aber keine Niederwerfung des Gegners erreicht wurde.
Dahin
wird man immer wieder kommen
müssen, sobald man anfängt, den Angriff im Prinzipe für bedenklich
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. zu halten.
13
Wer jenes nicht will, mufs sich entschliefsen, die mate-
riellen und moralischen Bedingungen zu erfüllen , unter welchen der Angriff seine Bedenken, seine Gefahr zu vermindern verspricht. Wie weit dies auf die Gefechtsform der Infanterie Bezug hatte,
ist aus den vorangegangenen Schilderungen zu ihnen ergeben sich auch die Punkte , wickelung anzuknüpfen hatte .
an welcher
entnehmen .
Aus
die weitere Ent-
Schon an früherer Stelle ist angeführt, dass man die Schwierigkeiten der Form am vollständigsten mit dieser selbst beseitigt hätte, d . h. indem man die lineare Form abschaffte und durch die Kolonne ersetzte . Aber aus dieser war ja erst alles mit Mühe und in langer Zeiten-Entwickelung hervorgegangen , und bevor man die Lineartaktik einfach abschaffte , war doch erst noch die Erkenntnis notwendig, dafs diese an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sei. Denn ein Entwickelungsgang ,
den die Geschichte unter dem zwingenden Gebote der Umstände eingeschlagen hat , kann nicht nach Belieben verlassen werden , den Menschen ist seine Weiterbildung gegeben , seine Veränderung aber den Ereignissen und Umständen vorbehalten . Die Lineartaktik hat in der That eine Epoche hoher Blüte erlebt.
Ohne ihren Sinn und ihre Tendenz zu ändern ,
ohne sie mit
neuen Formen auszustatten , lediglich durch eine vollkommenere Erfüllung ihrer Bedingungen, sind mit ihr Erfolge errungen worden, die unerhört waren und in vieler Beziehung
unerrreicht geblieben sind.
Es giebt nicht leicht einen glänzenderen Beweis dafür, dafs es nicht auf die äufsere formelle Gestaltung der Taktik, sondern auf ihr Verständnis ankommt , und dass dieses Verständnis , welches mehr noch als in der Menge der Ausführenden , in der Einheit des Organisators wirksam werden mufs, darin besteht , dafs es die Voraussetzungen und Konsequenzen der taktischen Formen genau erkennt. Eben deshalb ist es auch so schwierig, ja unmöglich, ein konkretes Reglement blos aus den darin enthaltenen Formen zu beurteilen , weil die Brauchbarkeit der letzteren durch die geistige Klarheit
und die
moralische Konsequenz
Ein und
der Organisation bestimmt wird.
dasselbe Reglement kann in diesen Händen zu guten , in jenen zu schlimmen Resultaten führen; es ist eine Pflanze , die in dem einen Boden gedeiht , im anderen verkümmert, je nachdem derselbe die Bedingungen ihrer Existenz und ihres Wachstums erfüllt. Die reglementaren Formen der Infanterie waren in Preufsen so
ziemlich die gleichen wie anderwärts, Kolonnenbildungen, Abmärsche , Aufmärsche, Staffel- und Carréformationen unterschieden sich von
14
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
jenen anderer Armeeen sicher nicht so viel , deres taktisches Übergewicht herzuleiten .
um daraus ein beson-
Diese hat nicht das Regle-
ment, sondern dessen Verwirklichung hervorgebracht. Die glänzendsten taktischen Erfolge der linearen Form knüpfen sich an Friedrich des Grofsen sogenannte schräge Schlachtordnung. Sie ist allbekannt :
gleichwohl dürfte es erspriefslich sein ,
dieselbe
näher zu analysieren , teils um den Beweis für die Herrschaft des organisatorischen Elements in der formalen Taktik perfekt zu machen, teils um aus der historischen Umgebung jene Ursachen
zu abstra-
hieren, welche nicht für jene Zeit , sondern für immer bestimmende Einwirkung aufweisen. Nach ihrer geometrischen Grundlage bestand die schräge Schlachtordnung darin, dafs die angreifende Armee nicht in einer zur feindlichen Front parallelen, sondern in einer solchen Linie aufmarschierte , welche mit der Verlängerung der feindlichen Aufstellung einen Winkel bildete ,
und
sonach
durch
ein einfaches gerades Vorrücken einen vorausgesetzt , dafs
feindlichen Flügel überragte und eindrückte , die feindliche Front dabei
stets
die
gleiche blieb.
Der mit Über-
macht und in verwandter Front angegriffene feindliche Flügel wird geworfen und nun die feindliche Stellung von hier aus aufgerollt, während der zurückgehaltene Flügel des Angreifers durch sein successives Eintreten ins Gefecht die übrigen Teile der feindlichen Stellung beschäftigt und festhält. Diese geometrische Konstruktion ist so aufserordentlich einfach und repräsentiert Flankenangriffes
so sehr die
einzige Lösung
mit der linearen Form ,
dafs
des Problems
eines
man sich wundern
müfste, warum davon überhaupt so viel Aufhebens gemacht worden ist und warum nicht andere Heerführer sich ihrer auch bedient haben. Aber das Verdienst liegt nicht in der geometrischen Idee ,
die
weder neu war noch auch von anderen unversucht geblieben ist . Allein Turenne , der sie bei Sinzheim und Ensisheim anzuwenden versucht hatte, war dies nicht gelungen, Friedrich dem Groſsen aber gelang die Ausführung, - darin liegt der Unterschied und der Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung. Sollte nämlich der Angriff der schrägen Schlachtordnung in der That auf eine feindliche Flanke treffen , so mufste zwischen dem
Momente , in welchem der Angegriffene den feindlichen Aufmarsch in welchem der entscheidende Stofs auf den
erkannte , und jenem ,
angegriffenen Flügel erfolgte , eine so geringe Spanne Zeit liegen , dafs es innerhalb derselben dem Angegriffenen nicht mehr möglich war, eine neue der feindlichen parallele Front zu bilden.
Unter den
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
15
Verhältnissen der Lineartaktik mit ihrem starren Gefüge und ihren schwachen Reserven war diese Frist nicht allzu karg bemessen, denn eine neue Front war nur herzustellen durch Abmarsch und abermaligen Aufmarsch, zwei gerade damals ziemlich langwierige Prozeduren. Gleichwohl ist ersichtlich, dafs die Chancen des Verteidigers mit jeder ihm gegönnten Minute erster Linie das Grundgesetz
sich besserten
des
und dafs
also in
schrägen Angriffes auf äusserste
Zeitbenutzung lautete. Zum Teil war dies welche dahin abzielten ,
nun wohl
lichst lange zu verbergen. bringen, musste
dieselbe
zu erreichen durch Mafsregeln,
dem Feinde den An- und Aufmarsch mögUm die Armee in die schräge Front zu meistens
erst im Flankenmarsche an der
feindlichen Front vorbeiziehen. In den Fällen , in welchen dies gelang , trat allerdings der Angriff noch im Bunde mit der Überraschung ein. In jedem Falle aber war erforderlich , dafs der Angreifer die Zeitdauer seines An- und Aufmarsches selbst nach Möglichkeit kürzte ; und hierfür war nun wieder bestimmend die Raschheit , mit welcher der Angriffspunkt bestimmt wurde und von der Schnelligkeit , in welcher die Herstellung der Front sich vollzog .
Die Wahl des An-
griffspunktes und der neuen Frontrichtung lag lediglich beim Oberfeldherrn, dem Könige ; sie war dadurch vereinfacht, dafs sie nur zwischen zwei Flügeln zu wählen hatte, daſs zu jener Zeit die Armeeen offene Schlachtfelder aufzusuchen genötigt waren und dafs sie hier stets in Schlachtordnung zu lagern pflegten.
Die Rekognoszierung der feind-
lichen Stellung und ihrer Flügel und die Würdigung des Terrains waren demnach nicht allzu zeitraubend und die erforderliche Têtenschwenkung konnte bald begonnen werden . Aber es ist nicht zu übersehen , dafs von nun ab der Angriffspunkt absolut fixiert war, so dafs jede Änderung des Entschlusses, jedes Stocken, jedes Schwanken Zeitverlust verursacht , die Aussicht auf den Erfolg geschmälert haben würde .
Konsequent an dem ein-
mal gewählten Angriffsobjekte festhalten, war eine weitere Bedingung des Gelingens .
Nicht immer hat der König gerade
den Punkt er-
rathen, wo der Angriff wirklich die meisten Chancen geboten hätte . Aber gerade die Konsequenz , mit welcher er das einmal begonnene Werk durchführte, brachte ihn regelmässig einer feindlichen Schwäche näher, als dies eine Änderung des Entschlusses und der Disposition vermocht hätte und
die unvermutet auftauchenden Schwierigkeiten
wurden dadurch leichter überwunden ,
weil sie die Willenskraft des
Führers nicht ab-, sondern höher spannten.
Die Schlacht bei Prag
16
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
( 1757) , in welcher die bei der Rekognoszierung für günstig gehaltenen Wiesen vor dem linken Flügel sich schliefslich als Moräste entpuppten, ohne dafs dies jedoch zu einer Änderung der einmal begonnenen Angriffsbewegung führte , bildet ein beredtes Zeugnifs
für jenes so
bedeutende Moment der schrägen Schlachtordnung - die Klarheit , Festigkeit und Beharrlichket in dem Entschlusse. Die Schnelligkeit des An- und Aufmarsches ist ausschliesslich Es ist bekannt , ein Produkt der Evolutionsfähigkeit der Truppen. was hierin
die Friedericianische Infanterie in
ihrer besseren Zeit
zu leisten vermochte ; es ist aber auch von Belang, die Quellen dieser Leistungsfähigkeit kennen zu lernen . Die Formen, die hierfür bestanden , bieten , wie schon bemerkt, nichts neues . Es sind dieselben , die auch den Gegnern Friedrichs zu Gebote standen. diente ,
Die geöffnete Kolonne ,
war zugleich einzige Evolutionsform .
welche Sie
dem Marsche
eignete
sich zu
einer solchen, weil sie die Möglichkeit gab, das Ganze bis zum letzten Augenblicke in der Hand des obersten Führers und leitungsfähig zu erhalten, und doch im Bedarfsfalle sofort die Linie, d . h. die Kampfform , herzustellen.
Darin also, dafs die Marschkolonne der damaligen
Zeit ebenso den Anforderungen des Gefechtes als des Marsches entsprach, lag der Grund, warum eine Zwischenform zwischen ihr und der Linie nicht existierte. Aber von ganz entscheidender Bedeutung war dabei das Verhalten der Marschkolonne . Es ist schon an früherer Stelle darauf hingewiesen worden , dafs die Herstellung der Linie durch gleichzeitiges Einschwenken sich sehr rasch vollziehen konnte ,
dabei aber
von der Form eine sehr vollendete Ausführung zur Bedingung machte. Es war erforderlich, dafs die Unterabteilungen genau ihre Abstände , die nebeneinander marschierenden Kolonnen ihre Zwischenräume einhielten ,
dafs im Augenblicke
des Einschwenkens Alles schleunigst
das neue Alignement nahm und endlich auch gröfsere Truppenkörper im stande waren, in Linie sich ohne Störung des Gefüges vorwärts zu bewegen . Diese Fähigkeit war nun speziell der preussischen Infanterie durch eine gründliche , von den Offizieren unter eigener Verantwortung geleitete , von dem Könige sorgfältig überwachte Detailansbildung zu eigen gemacht, die schon unter Friedrich Wilhelm I. durch Leopold von Dessau eingeführt und gehandhabt, seit langer Zeit die preufsische Infanterie imprägniert hatte , als dieselbe nun auch auf dem Schlachtfelde sie zu erweisen Gelegenheit fand . tigkeit, Schnelligkeit und Präzision ,
mit
Die grofse Fer-
welcher die Bildung der
1
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
17
Marschkolonnen, der Linien , die Bewegungen in beiden Formen vo sich gingen, waren speziell Produkte einer vorangegangenen Exerzierplatzleistung .
für
Die Rücksicht auf diese Hauptevolutionen giebt eine Erklärung die eigentümliche Verschiedenheit zwischen der Kriegs- und
Friedenseinteilung des Bataillons.
Dasselbe hatte eine Gefechts- und
eine compagnieweise Formation .
Zu ersterer zerlegte es sich unter
Ignorierung des Compagnieverbandes in vier Divisionen à zwei Pelotons ; zu letzterer in seine fünf Compagnieen . Für den Marsch aufserhalb der Feindesnähe
war die
compagnieweise ,
für den An-
marsch zum Gefechte die Gefechtsformation gewählt worden . Aber diese Verschiedenheit der Formation bestand nur im Frieden ; sowohl 7jährigen Kriege , als auch im baierischen Erbfolgekriege führt die eingetretene Augmentation der Bataillone dazu , dass diese sich
im
in je fünf Divisionen zerlegen , Division mit Compagnie also identisch wird. Wenn nun gleichwohl jedesmal nach der Beendigung des Krieges wieder die Doppelformation angenommen wurde , so lag darin nicht etwa eine unnötige Komplikation des Reglements . Die Schnelligkeit der Evolutionen erforderte eine genaue Einhaltung der Distanzen in der Marschkolonne, die demnach durch die Friedensübung den Leuten geläufig und zur Gewohnheit werden mufsten. Diese Distanzen hinsondern von der Stärke der Divisionen Würde diese in ihrem Friedens- und Kriegsstande bedeutende
gen nicht von der Zahl , ab.
Differenzen aufgewiesen haben ,
so
hätten
sich
bei allen Friedens-
übungen die Teile der Kolonnen auf kürzere Distanze zu folgen gehabt, als der Kriegsstand erforderte, - oder hätten andernfalls eine geschlossene Linie rasch herzustellen nicht vermocht. Diese Doppelformation war also offenbar eine Konzession an die kriegsmässige Ausbildung der Infanterie bei geringerem Friedensstande. Dieselbe gründliche Detailausbildung war es auch, welche selbst in jenen Fällen ,
wo
die Bildung
der Linie
früher
hatte
erfolgen
müssen , als dies der Lage des feindlichen Flügels nach notwendig war, es ermöglichte , durch die Art des Vormarsches noch die Umfassung des Angriffsobjektes zu ermöglichen.
Bei Rofsbach und bei
Leuthen ging die Infanterie nicht im Frontmarsche vor, sondern mit im Schrägmarsche vorrückenden Staffeln von Bataillonen , eine Formation, die, im feindlichen Feuer ausgeführt ,
kaum anwendbar ge-
wesen wäre bei einer Truppe, welche nicht diesen Grad von Detailausbildung und innerem Zusammenhalte besafs . Dieser Teil also in der Ausführung des Gedankens der schrägen 2 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XL.
18
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
Schlachtordnung ist das Ergebnis einer organisatorischen Thätigkeit, welche für die Forderungen
der Taktik die Bedingungen schon in
Friedenszeit erfüllte . Nicht allein die Genauigkeit und Peinlichkeit der Detaildressur an sich hat diese so wertvoll gemacht , sondern der Umstand , dafs ebenso das Ziel wie die Gründlichkeit der Ausbildung im Einklange mit den augenblicklichen Forderungen der Taktik standen. Es kennzeichnet sich also nach Vorstehendem das Wesen des schrägen Angriffes als das Bestreben, mit einem ― durch die Avantgarde verstärkten Teile der Front eine Flanke , d . h . einen für das Ganze entscheidenden Punkt der feindlichen Schlachtlinie zu überwinden , während gleichzeitig der zurückgehaltene Teil der angreifenden Linie durch sein successives Eintreten in den Kampf die übrigen feindlichen Kräfte von Punktes abhalten sollte.
einer Unterstützung des entscheidenden
In dieser Auffassung wird das Wesen der
schiefen Schlachtordnung heute noch , wie für alle Zeiten seine Bedeutung behalten . diese Bedeutung
Allein es ist immerhin nicht zu verkennen , dafs nur sehr allgemeiner Natur ist.
An und für sich
schon fällt sie nur in das Gebiet der höheren Führung und Organisation ,
deren Leistungen ja ausschliesslich die Früchte dieser Ver-
fahrungsweise gezeitigt haben , und hat nichts gemein mit dem Einflusse der Form .
Das Gelingen des schrägen Angriffes, soweit dieses
wirklich eintrat, war lediglich ein Erfolg jener zielbewussten Klarheit , Konsequenz Heeres,
und Energie in der Führung und Heranbildung des
welche es möglich gemacht hatte ,
sich einer Angriffsweise
zu bedienen, die sonst und anderwärts eben an der Schwierigkeit ihrer Ausführung gescheitert war. Die Angriffsform aber als solche war so sehr ein Ergebnis der augenblicklichen starren Lineartaktik und der damaligen Kriegführung , dafs eine Wiederverwendung derselben sich lediglich im Falle einer Wiederholung aller andern begleitenden Umstände gewärtigen liefse . Dies ist wohl für heute und in der nächsten Zukunft ausgeschlossen . Dagegen bietet für uns,
und gerade
in
Beziehung
auf die
Formenlehre, die fridericianische Taktik spezielleres Interesse , wenn man die schräge Angriffsform statt in ihrer ideellen Konstruktion , in ihrer praktischen Gestalt, wirklich gewann ,
betrachtet.
wie sie solche auf den Schlachtfeldern Thatsächlich ist die einfache Flügel-
aufrollung nie eingetreten, auch nicht in der Schlacht bei Leuthen, welche doch für diejenige gilt , in der sich der Typus der schrägen Schlachtordnung am prägnantesten ausspricht.
Es war ja bei aller
Raschheit des preufsischen Anmarsches doch nie zu vermeiden, dafs
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. der Feind
mindestens
19
an dem bedrohten Flügel Gegenanstalten zu
treffen im Stande war, deren Ausgiebigkeit sich nach der verfügbaren Zeit bemafs . Meist wurde ein Haken von dem bedrohten Flügel gebildet,
dieser dann aus dem zweiten Treffen, aus der Re-
serve, aus Teilen des anderen Flügels verlängert und verstärkt.
Es
stand also dem Angriffsflügel nicht eine reine Flanke, sondern immer wieder eine Art Front gegenüber. Der Widerstand, den diese leistete, war entscheidend dafür , ob derselben noch weitere Verstärkung zugeführt , oder ob sie in ihrer vorerst improvisierten Verfassung allmählich gefestigt werden konnte. Damit veränderte sich der Flankenangriff zum Flügelangriff, die Umfassung wurde erst durch das Eindrücken des Flügels erreicht ; der Kampf am Entscheidungspunkte war Frontalkampf. In dieser Weise haben sich alle Schlachten des siebenjährigen Krieges (Rofsbach ausgenommen ,
wo
völlige Überraschung eintrat)
gestaltet. Von dem Erfolge des Frontalkampfes des preussischen Angriffsflügels hing es ab, ob die Idee der schiefen Schlachtordnung auch in der Praxis sich verwirklichen konnte. Damit nun traten andere Faktoren in Wirksamkeit ; vornehmlich die Zahl und das was ein
Äquivalent
für diese
Gefechtskraft der Truppen.
zu schaffen geeignet war ,
Terrain und
In dem Mafse, in welchem der besseren
Kampftüchtigkeit der preufsischen Truppen der Gegner numerische Überlegenheit und Gunst des Terrains zum Ausdruck zu bringen Zeit und Mittel fand , verminderten sich die Chancen der schrägen Schlachtordnung.
Alles kam
darauf an , den Frontalkampf in der
möglichst kurzen Zeit und mit nachdrücklichstem Erfolge zu beenligen. Wo dies nicht gelang , endete die Schlacht besten Falles in einem verlustreichen und taktisch resultatlosen Müderingen beider Teile - (Zorndorf) , schlimmeren Falles aber mit einer Niederlage der Preufsen
(Kolin, Kunersdorf) .
So kam es , dafs der Erfolg des Ganzen sich stützte auf den Erfolg eines Teiles , den dieser im frontalen Kampfe zu erringen hatte ,
und in welchem vom Augenblick des Beginnes ab,
nicht mehr die höhere Führung , sondern die Kampfestüchtigkeit der Truppe das entscheidende Wort sprach . Und hierin ist es, wo sich weiter nachforschen und lernen läfst. Denn da nicht blos innerhalb der ganzen Heere, sondern auch oft an den entscheidenden Angriffspunkten die preufsischen Truppen gegen eine Überlegenheit an Zahl oder im Terrain anzukämpfen hatten , ist es von Belang , die Mittel kennen zu lernen , womit sie den Teilsieg zu erringen vermochten . (Fortsetzung folgt.) 2*
20
Die Erstürmung von Kars.
II.
Die Erstürmung von Kars, unter Zugrundelegung des Tagebuches eines russischen Generalstabsoffiziers der Armee in Armenien 1877/78 .
Am 17. November 1877 befanden sich 391/2 Bataillone , 40 Schwadronen (bezw. Sotnien) und 124 Geschütze vor Kars.
Diesen 26 377
Mann standen nach russischen Berechnungen in Kars und seinem befestigten Lager an 30 000 Türken gegenüber, zum grofsen Teil Flüchtlinge der bei Wisinkiöi geschlagenen Feldarmee . Das hier zu grunde liegende Tagebuch berechnet die Stärke der Türken wie folgt : „ 17 000 Mann wurden mit den Waffen gefangen , 5000 fand man in den Lazareten , 5000 waren gefallen und wenigstens 3000 Einwohner nahmen an dem Kampfe teil. " Der Sturm war ursprünglich auf den 13. November festgesetzt . An diesem Tage trat aber ein so heftiges Schlackenwetter ein , dafs im
letzten Augenblick das Unternehmen aufgegeben werden musste. Da der Feldtelegraph in Unordnung
geraten war (! ) ,
erhielten
die Truppen des Generals Roop den Gegenbefehl erst, als sie bereits in ein Gefecht verwickelt waren, welches nunmehr abgebrochen wurde . Der Zufall begünstigte übrigens die Russen .
Die Türken hatten
nämlich ihre Absichten erfahren und infolgedessen die ganze Nacht unter dem Gewehr gestanden . Die Nacht zum 18. November wurde bestimmt.
nunmehr für den Sturm
Am Abend vorher standen die Russen in 11 verschiede-
nen Kolonnen vor Kars bereit : 1. Generalmajor Komaroff mit 6 Bataillonen, 16 Geschützen beim Dorfe Tatlidscha zur Demonstration gegen Fort Tochmals und zum Sturm auf Fort Tschim . 2. Oberst Tscheremissinoff mit 31½ Bataillonen und 4 Geschützen beim Dorfe Komk zur Demonstration gegen Fort LasTepessi und Fort Muchlifs . 3. Generalmajor Scheremetjeff mit 15 Schwadronen und 8 Geschützen beim Dorfe Tschachmaur zur Beobachtung der Strafs e von Kars über Samawat auf Erzerum.
Die Erstürmung von Kars. 4. Generalmajor Fürst
21
Tscherbatoff mit
1912
Schwadro-
nen beim Dorfe Kümbet zur Deckung der grofsen Strafse nach Erzerum . 5. Oberstlieutenant Fürst Melikoff mit 3 Bataillonen
beim
Dorfe Tschiftlik zum Sturm auf die Forts Ssuwari und Tschim . 6. Generalmajor Graf Grabbe mit 5 Bataillonen, 8 Geschützen beim Dorfe Ober-Karadjören zum Sturm auf Fort Kanly. 7. Generalmajor Alcha soff mit 7 Bataillonen , bei den Belagerungsbatterieen Fort Chafiz-Pascha.
des rechten Flügels
(Von dieser Kolonne waren 2 Bataillone , Oberst Kosselkoff zur Reserne bestimmt.)
16 Geschützen zum Sturm
8 Geschütze
auf
unter
8. Generallieutenant Fürst Tschawtschawadse mit 4 Schwadr. 8 Geschützen beim Dorfe Ober-Karadjören zur Besetzung der Brücke von Kütschük-Köi und zur Verbindung mit dem die ersten vier Kolonnen kommandierenden General Roop. 9. Generallieutenant Schatiloff und Generalmajor Rüdsewsky mit 5 Bataillonen ,
24 Geschützen beim Dorfe Mazra zur Demon-
stration gegen die Forts Karadagh und Arab . 10. Generalmajor Dehn
mit
2
24 Geschützen beim Dorfe Komanur kolonnen.
Bataillonen ,
2
Schwadronen,
als Hauptreserve
der Sturm-
11. 2 Bataillone, 8 Geschütze bei Beran Kale und die Belagerungsbatterieen auf dem rechten Ufer des Kars - Tschai zur Deckung des Hauptquartiers und der Belagerungsbatterieen . Ausserdem war das 3. kaukasische Sappeurbataillon in einzelnen Kommandos mit Dynamit und Instrumenten bei den Sturmkolonnen vertheilt. Über die Kolonnen 1 bis 4 führte der Generallieutenant Roop, über die Kolonnen 5 bis 8 Generallieutenant Lazarew den Oberbefehl . Hören wir nunmehr den Bericht des Generalstabs offiziers dieses Generals :
", Vom frühen Morgen des 5./17 . November waren alle Mitglieder des Stabes mit der Abschrift der Disposition beschäftigt , da man nur auf diese Weise hoffen durfte , das Geheimnis des Unternehmens ganz zu bewahren. Um Mittag befand sich die erstere in den Händen aller Truppenteile . Einige Stunden vergingen mit der Verteilung des Proviants und der Patronen und der Einrichtung des Hauptverbandplatzes
im Dorfe
Ober-Karadjören ,
woselbst
General
Lazarew bereits seit länger als einer Woche sein Stabsquartier hatte und wo
auch der Corpskommandeur
eintraf.
Die Befehle
wurden
22
Dio Erstürmung von Kars.
so unbemerkt erlassen , dafs die Abteilung des
roten Kreuzes " *)
von Beran-Kale aus nicht den Hauptverbandplatz rechtzeitig zu erreichen vermochte. Den ganzen Tag blieb das Wetter klar und kalt. Nach dem
Untergang der Sonne schien der Vollmond.
Im feierlichen Schweigen
die Truppen vor ihren Zelten um 7 Uhr abends . General Lazarew ritt noch ein letztes mal vor die Front der Truppen und begrüfste dieselben mit lauter Stimme, ihnen "" zum kommenden rangierten
sich
Siege " Glück wünschend. wagten Aktion ,
wie
Diese Selbstgewifsheit vor
einer so ge-
es doch ein nächtlicher Sturm immerhin war,
Aber General Lazarew beerschien Vielen als eine Übertreibung. dafs bei ihm eine derartige Sprache
wies noch in derselben Nacht ,
wirklich das Resultat innerer Überzeugung und der unerschütterlichen Entschiedenheit zu siegen sei . **) Um 812 Uhr rückten die Kolonnen vor ;
General Lazarew mit
seinem Stabe ritt unter der Bedeckung von 2 Sotnien Kosaken in den Raum zwischen den Forts Kanly und Chafiz- Pascha . Wir blieben
anfänglich weit von der Infanterie
ab.
Vor uns
war nichts sichtbar. Es glänzten nur die mit silbernem Reife bedeckten Felder im Mondscheine und in der Ferne sah man die mächtigen Umrisse der Festung .
Plötzlich fiel ein Schufs, bald meh-
rere und weit nach dem linken Flügel hin begann ein lebhaftes Feuergefecht. Es waren dies welche
die Truppen der Generale Roop und Komaroff,
zum Angriff gegen Tochmals vorgingen ,
Melikoff, welche Ssuwari angriffen. tiger, vor uns blieb noch alles still. etwas von dem Gefecht zu sehen ,
und des
Fürsten
Der Kampf wurde immer hefWir ritten langsam weiter, um
welches
sich nun auch vor uns
entwickelte. Doch das Terrain verdeckte uns den gröfsten Teil des Gefechtsfeldes . Graf Grabbe griff Kanly an . Allein , während hier das Feuer
sehr heftig wurde,
hörte
man aus der Richtung von Chafiz-Pascha-
Tabia, welches zu gleicher Zeit angegriffen werden sollte, noch nichts . Inzwischen begannen uns die Kugeln um die Ohren zu pfeifen . Endlich trat auch General Alchasoff in das Gefecht ein. Nach
*) Hülfskomite zur Pflege der Kranken und Verwundeten . **) Zur Charakteristik russischer Verhältnisse sei hier erwänt , dafs im Laufe des 16. und während des Vormittags des 17. Novembers General Lazarew nicht weniger als 1000 Georgskreuze für „frühere " Verdienste unter den Truppen verteilen liefs mit dem Wunsche , dafs ein jeder neue Georgsritter sich die höhere Klasse beim Sturme verdienen möge.
23
Die Erstürmung von Kars.
einem lauten Hurrah von Chafiz her, erschallte von dort her heftiges Gewehrfeuer , ein Zeichen , dass die Türken energischer als gewöhnlich Widerstand leisteten. General Lazarew schickte
mich nun vor , die Sachlage so weit
wie möglich aufzuklären, da trotz des immer heftiger werdenden Feuers von keiner Seite Meldungen eintrafen. Ich ritt bis zu dem letzten hohen Punkte , von welchem man das
ganze Terrain
zwischen
Kanly
und
Chafiz-Pascha
übersehen
konnte . Von hier konnte ich deutlich erkennen , dafs die Türken starke Reserven zwischen der Stadt und den bedrohten Forts heranführten .
Ob aber eins und welches von diesen Forts genommen sei ,
war mir unmöglich festzustellen . Ein grofser Zug Verwundeter begegnete mir, welche
die
un-
glaublichsten Räubergeschichten erzählten . Bei dieser Gelegenheit sah
ich auch das
erste Beispiel von
Panik in unseren Truppen. Das Nachtgefecht that seine Wirkung. Ungefähr 20 unbewaffnete Sanitätssoldaten stürzten sich nach rückwärts mit dem Rufe : „ Die Türken kommen hinter uns " . reden vermochte sie zum Frontmachen
zu bewegen.
Kein Zu-
Erst der An-
blick ihrer ruhig auf dem Verbandplatze und in den Laufgräben wartenden Kameraden brachte sie zur Besinnung. in die Gefechtslinie zurück .
Sie kehrten sogleich
Nun schickte General Lazarew Freiwillige nach Kanly ,
um
über die Gefechtslage Nachrichten einzuholen. Auch sie kehrten nicht zurück. Doch kamen inzwischen Nachrichten von verschiedenen Seiten. Leute der Kolonne des Fürsten Melikoff sagten aus , dafs derselbe Ssuwari genommen
und hierauf Fort Tschim
im Rücken an-
gegriffen hätte . Hierbei sei er in der Vorstadt tödlich verwundet worden. Seine Kolonne wäre nach dem Fall ihres Führers in Verwirrung geraten und hätte nicht allein den Angriff auf Fort Tschim aufgegeben, sondern sei sogar aus Ssuwari zurückgegangen . Jüngere Offiziere , auch Hauptleute und Bataillonskommandeure teilten mit , nierte
dafs Graf Grabbe gefallen wäre ,
General Woschdjänin genötigt sei ,
dafs
der kontusio-
das Schlachtfeld
zu verlassen, dafs ihre Kräfte erschöpft seien und ohne rechtzeitige Unterstützung durch die Reserven es für sie unmöglich sein würde , sich auf den von ihnen genommenen Stellungen zu halten . Endlich ging eine Meldung von Oberst Karaseff ein , welcher den Befehl nach dem Grafen Grabbe übernommen hatte , dafs er sich bemühe die Ordnung wiederherzustellen ,
dafs alle hintenoffenen Vorwerke des
24
Die Erstürmung von Kars.
Forts Kanly von
uns besetzt
seien und die Türken nur noch eine
Defensionskaserne mit Erfolg verteidigten. Ohne starke Unterstützungen würde man hier mit ihnen kaum fertig werden . So wurde es klar, dafs auf der ganzen linken Flanke die Krisis herannahte. Vom Fort Chafiz- Pascha war noch keine Meldung eingegangen . Daher schickte mich General Lazarew nach diesem Festungswerk, um über die Lage der Dinge zu berichten. Auf dem kürzesten Wege dorthin eilend, traf ich bald auf einen langen Zug unserer vom Fort Chafiz zurückströmenden Verwundeten . Bei dieser Gelegenheit war ich Zeuge einer Panik.
Denn einzelne dieser Leute schossen auf
50 Schritt nach uns (ich war von meinem Kasaken begleitet), andere ihnen ein Pferd zu überlassen . Bald geriet ich auch in das
baten ,
so dafs ich einen grofsen Bogen beschrieb , um die östliche Seite des Forts zu erreichen, auf welcher ich nach meiner Berechnung unsere Truppen vermutete. Ich traf auch wirklich hier Feuer der Türken ,
in einem türkischen Vorwerk eine russische Infanterieabteilung, welche mich auf meine Frage nach dem General Alchasoff nach dem Innern des Forts wies. Als ich in den Graben hinunter kletterte, fand ich eine Abteilung des Regiments Kutaïs, welche, vom Kapitän Lewinsky kommandiert , an der äufseren Böschung der Brustwehr mit einer Abteilung Infanterie an der anderen Seite des Forts über dieses hinweg ein lebhaftes Feuergefecht führte.
Da ich befürchtete ,
dafs in
der Dunkelheit die eigenen Truppen auf einander schössen, ritt ich Ein wilan den vermeintlichen Gegner heran, rief denselben an. des Geschrei, aus welchem ich nur die Worte : „ Kasak, Kasak ! " heraushörte und eine Salve in nächster Nähe gaben mir die beste Antwort. Mit grofsen Schwierigkeiten kam ich zurück, mein Kasak, welcher mit dem Pferde stürzte, wurde im Gesicht verwundet . Ich rief den Kutaïszen (populäre russische Bezeichnung für Soldaten vom Regiment Kutaïs) zu, dafs vor uns wirklich ein Haufen Türken sei. Doch war dies überflüssig, denn unser Soldat läfst ungern seinen Offizier allein.
Die
Kutaïszen , unter Kapitän Lewinsky , waren mir gefolgt , und als hinter ihnen die Wladikawkaszen erschienen, welche General Alchasoff persönlich heranführte , erschallte ein lautes Hurrah und die Brustwehr bedeckte sich mit den attackierenden Kutaïszen. Unter ihren Fülsen flammten auf der Brustwehr auf. Man hielt sie für Flatterminen .
1/2 Arschine hohe * ) Feuerchen
Im Augenblick war das ganze Fort in unseren Händen .
*) Eine Arschine = 0,7 m.
Die
25
Die Erstürmung von Kars . Türken flüchteten eiligst nach der Stadt, Kutaïszen .
auf ihren Fersen unsere
Ich kehrte durch den gedeckten Weg zurück und begegnete hier den schon kontusionierten General Alchasoff , welcher , auf einem Gewehr gestützt , vom Glacis in den gedeckten Weg herunterstieg (sein Pferd war verwundet). Er hatte einige Bataillone gerade zur rechten Zeit herangeführt und gab mir den Auftrag , dem General Lazarew zu melden, dafs er den Chafiz unter keinen Umständen wieder aufgeben würde. Ich ritt eiligst zu meinem General und überbrachte ihm diese Meldung, die erste willkommene an jenem schweren Abend . Es mochte 11 Uhr abends geworden sein. Diese gute Nachricht war auch wirklich sehr notwendig. Auf allen anderen Punkten hatte sich noch nichts zum besseren gewendet.
Von allen Seiten nur Hiobsposten und Bitten um Unter-
stützung.
Aber
der General
Lazarew war,
in dem Bewusstsein ,
„ dafs ein guter Führer geizig mit Reserven sein taub gegen solche Bitten. "
mufs ,
Zwei Schritte von ihm wurde sein
Lieblingsneffe tödlich verwundet, ein junger Artillerist, ein hoffnungsvoller Soldat, welcher den Angriff als Freiwilliger mitmachte . - - Der General hatte soeben den Befehl erhalten ,
den Rückzug anzutreten,
wenn er an dem Erfolge des Sturmes zweifeln sollte . Aber der General, dessen energischen Geist auch der Fall seines Neffen nicht zu erschüttern vermochte , von neuem stürmen.
erwiderte, er werde immer
Es bedarf wohl nicht der Versicherung, dafs unter solchen Umständen die
Nachricht von der Einnahme eines Forts mit grofser
Freude aufgenommen wurde . Nun erst verstand zu verwenden . dem
Befehl
sich General Lazarew dazu , seine Reserven
Er sandte mich sogleich zum General Alchasoff mit
zur Absendung
zweier Bataillone gegen Fort Kanly.
Dann sollte ich zu den anderen Forts reiten , um eingehende Nachrichten über den Stand der Dinge einzuziehen. Ich bestieg ein frisches Pferd und sprengte von neuem nach dem Fort Chafiz . Ich fand den General Alchasoff mit einem Bataillon im Lager zwischen dem Chafiz und der Stadt.
Zwei Bataillone konnte
er mir nicht geben , da er nur noch eins bei sich hatte . Daher bat er mich, in die Stadt zu reiten und diesen Befehl in seinem Namen an den Oberst Fadejew zu überbringen, welcher nach seiner Ansicht dort mit seinem Regiment und einem anderen Bataillon der Wladikawkaszen sein mufste . Als ich durch das genommene Lager ritt,
26
Die Erstärmung von Kars.
traf ich in jeder Minute auf Schauspiele der erbarmungslosesten Niedermetzelung von Türken . Ich hielt an und fragte die Soldaten , warum sie die Türken töteten, anstatt zu Gefangenen zu machen ? Die Soldaten salutierten und ein recht gutmütiger Kerl erwiderte : „ Man mufs sie schlagen ,
nieder-
denn sowie man sich umdreht , jagen sie einem das Ba-
jonett oder eine Kugel durch den Leib ". Zwei Schüsse aus nächster Nähe bestätigten seine Worte . Die Türken , welche dieselben verräterisch ― mein Gespräch benutzend abgefeuert, wurden sofort zu Boden geschlagen. Unmittelbar an der Stadt, vor einem türkischen Lazarete, wogten einige Tausend unserer Soldaten hin und her, vermischt mit Türken . Auch dort fand dasselbe Gemetzel derjenigen
feindlichen Soldaten
statt, welche es verweigerten sich zu ergeben. Geschrei , Lachen , Witze , Freudenschreie , Flintenschüsse , alles dies gab zusammen ein Bild von solcher Schaurigkeit , dafs man es gesehen haben mufs, um sich einen Begriff von seiner Furchtbarkeit zu machen. Zwei in Flammen stehende hölzerne Gebäude , welche, am Bazar stehend, von unseren Freiwilligen angezündet waren, warfen ein phantastisches Licht auf diese wogende Masse. Mit Mühe untersagte ich ein weiteres Anzünden ,
indem ich
ihnen klar
unsere Winterquartiere schonen müsse .
machte ,
dafs man
Da ich nirgends einen höhe-
ren Offizier sah und glaubte , dafs der Oberst Fadejew schon weiter in die Stadt vorgedrungen sei und die Brücken besetzt hätte , so ritt ich die breite Strafse hinunter, welche mich wie ich hoffte - zum Flusse führen
sollte . -
Mein Kasak blieb auf seinem ermüdeten
Pferde weit hinter mir zurück, so dafs ich ganz allein bei einer Biegung der Strafse auf einen Türken stiefs, welcher aber sein auf mich gerichtetes Bajonett fallen liefs und die Flucht ergriff, hierdurch mich allerdings überzeugend , dafs hier Oberst Fadejew nicht sein konnte. Ich ritt nun zum Lazaret zurück. Eine Abteilung Freiwilliger vom Regiment Sewastopol, unter dem Premierlieutenant Statkewitsch, dirigierte ich nach den Brücken . Dann suchte ich Offiziere zu finden , um mit ihrer Hülfe
die Mannschaften
zu sammeln und zu ordnen ,
welche ich nach Fort Kanly zur Unterstützung senden könnte .
Dieser Aufgabe unterzogen sich auch Hauptmann Lewinsky vom Regiment Kutaïs und Hauptmann Araktschejeff vom Regiment Imeretien . Es glückte ihnen auch nach grofser Anstrengnug , zwei Bataillone zu formieren und dorthin zu führen. Kurze Zeit hierauf erhielt ich vom General Lazarew einen Be-
27
Die Erstürmung von Kars. fehl, in dessen Ausführung
ich
die Batterie Fezi - Pascha berührte ,
welche sich zwischen den Forts Chafiz und Kanly befand.
Ich fand
sie von dem Regiment Sewastopol besetzt, welches bei der Ungewifsheit des Ausganges des Sturmes die Verschlüsse von den türkischen Kanonen abgenommen und in die Erde gegraben hatte.
Zum Fort
Kanly vermochte ich nicht durchzudringen, da ich von den drei Seiten , von
denen her ich mich ihnen zu nähern suchte ,
stets Feuer
erhielt, so dafs ich nicht feststellen konnte, von welchem Truppenteil es besetzt war. Hierbei traf ich auf freiem Felde den General Rerberg, welchem es ebenfalls nicht gelungen war, nach Kanly hineinzukommen . Den General Lazarew fand ich nicht auf seinem früheren Standpunkte . Dieser hatte nach der inzwischen eingegangenen Meldung des Oberst Fadejew von der Wegnahme des Karadagh nicht mehr an dem Gelingen des Sturmes auf Kars gezweifelt und sich, ohne auf den noch immer dauernden Widerstand der Garnison des Forts Kanly zu achten , über Fort Chafiz in die Stadt begeben , um dort selbst
die beim
Sturm beteiligten Regimenter wieder zu ordnen . Der General erhielt aber aus den Fenstern eines dicht an der Stadt liegenden, mit dem ,,roten Halbmonde " bezeichneten Lazarets ein sehr starkes welches das Pferd eines seiner Ordonanzen tötete . Er gab dem Oberst Baum , lons ,
den Befehl ,
Feuer,
Kommandeur des 3. Sappeurbatail-
das Lazaret von bewaffneten Türken zu säubern .
Dann ritt der General nach Fort Kanly , in welchem die Besatzung der Defensionskaserne zwar das Feuer nicht mehr erwiderte, aber noch immer standhaft jede Aufforderung weigerte . Als ich den General wiederfand ,
zur Übergabe
ver-
war er gerade mit der per-
sönlichen Unterhandlung mit den Türken beschäftigt (gegen 5 Uhr morgens), deren Resultat die endliche Ergebung der Besatzung war. In der Stadt und in den noch nicht von uns besetzten Forts währte indessen das Feuer fort , ja während der Verhandlungen des Generals wurde ganz in seiner Nähe das Pferd des Obersten Malama verwundet. " -
Soweit unser Tagebuch. Wir vervollständigen seinen Bericht durch die Darstellung , welche russische Quellen verschiedener Art von den Ereignissen der denkwürdigen Nacht gaben . Die erstere ist vielleicht deshalb nicht ohne Interesse, weil sie in wesentlichen Punkten die bisher und berichtigt. -
erschienenen
Die Kolonne des Generals Komaroff begann
Berichte
ergänzt
ihren Vormarsch,
28
Die Erstürmung von Kars .
durch die
Terrainverhältnisse gezwungen,
von
einem entfernteren
Punkte als die anderen und brach auch dementsprechend fast eine Stunde früher auf. Aber der erste Schufs fiel nicht auf diese Kolonne, sondern auf diejenige des Grafen Grabbe, welche Kanly angriff. Kaum waren die ersten vereinzelten Schüsse der türkischen Vorposten gefallen, als die russischen Batterieen, welche gegenüber den Höhen von Schorachs errichtet waren, sogleich das Feuer eröffneten, um die Türken glauben
zu machen ,
es würde wieder von dort ein
Angriff vorbereitet , wie sie in den letzten Tagen gewöhnlich stattfanden. Russischerseits hoffte man , durch diese Mafsregel nach jenen Höhen einen Teil der feindlichen Streitkräfte abzuziehen. Aus den Verhältnissen bei der Kolonne Komaroff scheint hervorzugehen, dafs die Türken sich in der That beeilten , einen Teil ihrer Reserven auf das linke Ufer des Kars-Tschai hinüberzuwerfen. Die zur Demonstration gegen die Forts
dieses Ufers
bereit stehenden
Kolonnen gingen nun auch sogleich vor. Schon jetzt sei bemerkt (obwohl dies eigentlich erst in einer späteren Stunde geschah) , dafs besonders die Kolonne des Oberst Tscheremissoff so gewissenhaft ihre Aufgabe erfüllte , dafs sie wirklich
die Türken
zu
dem Irrtum zu verleiten vermochte ,
sie führe
den Hauptangriff aus. Sie erstürmte
die
Laufgräben
zwischen Muchliss
und
Lass-
Tepessi. An die Eroberung der übrigen geschlossenen Schanzen war natürlich nicht zu denken, Von den Sturmkolonnen erreichte zuerst die Kolonne des Oberstlieutenant Fürst Melikoff ihr Ziel, das Fort Ssuwari . Es gelang ihr, im Flufsthal des Kars-tschai unbemerkt in den Rücken des Forts zu gelangen und fast ohne Verlust in die offene Kehle einzudringen . *) Die schlaftrunkene Besatzung wurde zum Teil niedergemacht , zum Teil gelang es ihr, in gröfster Verwirrung in die Stadt zu flüchten. Fürst Melikoff liefs nur eine unbedeutende Abteilung im Fort Ssuwari zurück und ging sofort weiter vor, um durch die armenische Vorstadt dem Fort Tschim in den Rücken zu kommen, welches nach der entworfenen Disposition zur selben Zeit Generals Komaroff angegriffen werden sollte.
von der Kolonne des
Auf seinem Wege traf Fürst Melikoff ein bereits durch das Gefecht alarmiertes Kavallerielager , sprengte nach kurzem Gefecht die Kavallerie auseinander und drang ohne Aufenthalt nach dem Kars-
*) Übrigens hatten die Türken in allen an der Kehle offenen Werken diese durch eine Brustwehr von Feldsteinen zu schliefsen gesucht.
Die Erstürmung von Kars.
tschai vor.
29
Ein Teil seiner Kolonne durchwatete in einer Fuhrt den
Flufs , dessen dünne Eisdecke zerschlagen werden musste , ein andeglücklicher als der erstere , traf auf eine den Russen bis dahin unbekannte Schiffbrücke und ersparte sich so das eisige Bad . Ungeachtet des Feuers von den Dächern und aus den Häusern der armenischen Vorstadt , in welche Fürst Melikoff nun eindrang , ging rer Teil ,
er sofort auf die Kehle von Fort Tschim vor, um General Komaroff zu unterstützen . Zwei Kugeln trafen ihn fast vor diesem Fort . Der Oberstlieutenant Matschkanin übernahm nunmehr den Befehl über die Kolonne , gab jedoch bald das weitere Vorgehen auf, als er sah, dafs der General Komaroff noch nicht heran war. Ja , er ging , um nicht allein mit seinem Bataillon auf dem linken Ufer abgeschnitten zu
werden , zunächst
auf das rechte Ufer
zurück und gab selbst in Folge eines Mifsverständnisses das Fort Ssuwari auf, in welchem nur ein Kommando Freiwilliger zurückblieb .
Doch Seine Hoheit ( der Grofs-
fürst ? ) dirigierte , sobald er hiervon Meldung erhielt , persönlich die Kolonne in das Fort zurück , in welchem Oberst lieutenant Matschkanin nun bis zum Ende des Kampfes verblieb und von dort aus mit der Stadt ein lebhaftes Feuergefecht unterhielt . Auch bei der Kolonne des Generals Komaroff kam es zu schweren Mifsverständnissen.
Diese
Kolonne
war der
grofsen Strafse
nach
Erzerum gefolgt und gerade auf Fort Tschim vorgegangen. Nach der ursprünglichen Disposition sollte sie nicht in einer Höhe mit der Kolonne des Oberstlieutenants Fürsten Melikoff, sondern etwas hinter derselben bleiben und war das Verhältnis der beiden Kolonnen anfänglich auch satzung
dem entsprechend.
Als aber Fürst Melikoff die Be-
von Ssuwari und des hinter diesem Fort liegenden Lagers
in die Flucht trieb und auch der gleichzeitige Angriff auf die anderen Forts die Masse der Flüchtlinge derart vermehrte ,
dafs
am Fort Tschim und Tochmass
sie in grofsen Haufen von diesem Fort zur
Chaussee nach Erzerum herabdrängten , da glaubte sich Komaroff in seiner linken Flanke bedroht. Er unterbrach sein Vorgehen auf Fort Tschim ,
General
und warf den
Oberst Butschkieff mit dem Regiment Pjätigorsk nach dieser Flanke gegen den Feind heraus. Der Angriff des Obersten Butschkieff wurde mit der nach russischen Autoren alle Angriffe in jener denkwürdigen Nacht charakterisierenden Bravour ausgeführt .*) *) Wir möchten freilich glauben, dafs eine ungeregelte flüchtende Masse, welche auf den vorgehenden Feind stöfst, meist ohne Widerstand " der Panik “ anheimfällt.
Die Erstürmung von Kars.
30
Die Türken stürzten, so schnell wie sie erschienen waren , wieder zu den Laufgräben zurück, hinter denselben sich niederwerfend. ,,Doch die Pjätigorzen begnügten sich mit diesem Resultate
nicht. "
Sie warfen sich ohne Rücksicht auf das Feuer, welches von
drei Seiten (Fort Tochmass, Tschim und aus den Verbindungslinien) auf sie gerichtet wurde , unter Führung ihres heldenmütigen Kommandeurs , der hierbei fiel, nicht nur auf die Laufgräben, sondern auch auf das Fort Tochmass . Doch an diesem scheiterte ihr Angriff und das Regiment mufste mit Verlust von mehreren hundert Mann zurück. Nach der
Rückkehr der Pjätigorzen bildete General Komaroff
eine neue Sturmkolonne
aus
frischen Bataillonen und den weniger mitgenommenen Compagnieen der Pjätigorzen zum Angriff auf Fort Tschim . Um seinen Angriff zu verstärken , liefs er auch seine Artillerie mitwirken. Inzwischen war aber auch die Besatzung von Fort Tschim durch
all'
die
Fliehenden verstärkt ,
Strafse der Gefangenschaft zu
welche
auf der grofsen Erzerumer
entgehen versuchten ,
und
es fand
General Komaroff einen nicht zu bewältigenden Widerstand . Vier Berggeschütze, die einzigen , welche in dem felsigen Terrain manövrieren konnten , fuhren auf einem niedrigen Hügel - ca. 100 Saschenen (= 210 m) vom türkischen Fort
entfernt auf.
Doch
bald mufsten sie dem Kreuzfeuer der Festungsgeschütze weichen . Ein Versuch, welcher von Freiwilligen gemacht wurde, sich des Forts zu bemächtigen , und von dem die am andern Morgen gefundenen halbverbrannten und schrecklich verstümmelten Leichen zeugten , hatte auch keinen Erfolg . General Komaroff führte seine Kolonne daher aus dem Bereiche des Gewehrfeuers zurück und erwartete hier den Anbruch des Tages . Für den Sturm auf Fort Kanly waren 10 Bataillone bestimmt, welche in zwei gleich starken
Kolonnen
die Laufgräben
an
den
Seiten des Festungswerks nahmen und dann dasselbe vom Rücken aus angreifen sollten . Das
eigentliche Fort bestand
mit angehängten Flanken .
aus
zwei bastionierten Fronten
Es war in der Kehle offen mit Ausnahme
des mittleren Bastions , welches durch sehr feste Defensions -Kasernen geschlossen war.
Vorgeschoben waren noch zwei Redouten .
Beide Kolonnen gelangten fast zu gleicher Zeit an das Fort . Die Imeretintzen und Freiwillige vom Regiment Sewastopol - die Kolonne des Generals Woschdjanin --- drangen zuerst in die vorgeschobene Redoute
der linken Flanke ein und setzten sich sogleich
31
Die Erstürmung von Kars. in ihren Besitz ,
trotz
des
verzweifelten Widerstandes
seiner Be-
satzung .
Die andern Bataillone des Regiments Sewastopol griffen mehr rechts die an die linke Flanke des Forts sich anschliefsenden Laufgräben an.
Sie geriethen hierbei in das heftige Feuer der verhält-
nismäfsig unbedeutenden Batterie Fezi - Pascha , noch in letzter Zeit
zwischen
welche
die Türken
den Forts Kanly und Chafiz- Pascha
gebaut hatten, so dafs ihre Existenz fast ganz unbekannt geblieben war, da man sie von weitem kaum erkennen konnte. Die Bataillone schwenkten in Folge dieses Feuers sofort gegen Fezi-Pascha ein, nahmen die Batterie und setzten sich in derselben fest, um das Eingreifen der Kolonne des Obersten Karasseff (welcher nach der Kontusion des Generals Woschdjanin den Befehl übernommen hatte) gegen die Kehle von Fort Kanly abzuwarten. Doch dieser hielt ganz getrennt hatten , ihm
sich,
nachdem die Bataillone sich von ihm
zu schwach, das eigentliche Fort mit dem
verbleibenden Reste
seiner Kolonne
anzugreifen und beschlofs
daher , sich für die erste Zeit auf die Verteidigung der gewonnenen Redoute gegen die Offensivstöfse der Türken zu beschränken . — Zu dieser Zeit schickten beide getrennten Teile der Kolonne Meldungen mit der Bitte um Unterstützung an den General Lazarew, weil jede einzelne in ihrer Isoliertheit sich für die Fortsetzung des Angriffes zu schwach fühlte. Inzwischen hatte auf dem linken Flügel das Gefecht eine etwas andere Wendung genommen . Die Kolonne des Grafen Grabbe hielt sich mehr an den ihr gewordenen Auftrag, umging die vorgeschobene Redoute vollständig und drang im ersten Anlauf in den Graben des Hauptwalles . Graf Grabbe dirigierte das Schützenbataillon in den Rücken des Feindes und ging mit den anderen Bataillonen zum Angriff gegen die Flanken vor. Doch fiel er vor Beginn des eigentlichen Sturmes . Der Oberst Bjälinsky übernahm das Kommando und bemächtigte sich gleichzeitig mit den Schützen des Majors Geritsch der Brustwehr des Forts . Hier kam es zu einem entsetzlichen Chaos . In einem
verzweifelten Handgemenge
Innern des Forts einander.
und teilweise
auf der Brustwehr ,
im
sogar im Graben kam alles durch
Haufen von Türken kämpften vermischt mit Russen, ohne
sich darum zu kümmern, wer ihre Nachbarn wären . Auf diese Weise
fiel der tapfere Major Geritsch.
Er war an
der Spitze seiner Jäger in das Fort gedrungen und bemüht , dieselben wieder zu
ordnen ,
als er eine vereinzelte Gruppe neben sich
32
Die Erstürmung von Kars.
bemerkte. -
Er eilte auf dieselbe zu , um sie in der Meinung, es seien Leute seines Bataillons - zu sammeln, als er zu spät er-
kannte, dafs
es Türken waren.
Einige Säbelhiebe ins Gesicht und
mehrere Bajonettstiche in die Brust machten dem Leben dieses braven Offiziers ein Ende. Nach einem heftigen Kampfe wurden alle nach der Kehle offenen Teile dieser Flanke von Türken gesäubert.
Doch war es
den von der harten Blutarbeit ermüdeten
Pernowzen und Sewastopolzen
(populäre Bezeichnung für Soldaten
vom Regiment Pernow und Sewastopol) nicht möglich, auch das durch eine Defensionskaserne verstärkte Centralbastion zu stürmen . Oberst Bjälinsky hatte zwar seine Leute sogleich zum Sturm gegen dasselbe vorgeführt und war auch hinein gedrungen . An
ein Festhalten des Bastions ,
so lange als die Defensions-
kaserne noch nicht genommen , war aber nicht zu denken . zunächst das sehr feste Thor derselben zu erbrechen.
Es galt Oberst
Bjälinsky versuchte dies persönlich zu thun , das Thor widerstand aber und er selbst fiel # als Opfer seiner Aufopferung. Dieser Mifserfolg brachte die sehr geschwächte Kolonne in eine kritische Lage. — Auch sie mufste um Verstärkung bitten . Dies
war ungefähr
zu der
Zeit,
als
in der oben gegebenen
Schilderung des russischen Generalstabsoffiziers dieser beim General Lazarew mit der Meldung von der Wegnahme des Chafiz -Pascha eintraf. General Lazarew wollte nicht
seine Reserven
verwenden und
befahl zunächst dem General Alchasoff, die im Fort Kanly kämpfenden Truppen zu unterstützen . durch
die
in
der
Dies geschah
erst
ziemlich spät
Stadt gesammelten Bataillone der Hauptleute
Araktschejeff und Lewinsky. Doch bereits vor Ankunft derselben hatte General Lazarew aus der Reserve des Generals Alchasoff das erste Bataillon des Regiments Wladikawkas und zwei Compagnieen des Regiments Imeretin ― welche letzteren zur Bedeckung der Belagerungsbatterieen gehörten - dorthin gesendet. Der Corpskommandeur (General Loris - Melikoff , dem auch das Herannahen der Krisis des Gefechts im Fort Kanly und das Schicksal der drei Kommandeure gemeldet war, schickte sogleich ein Bataillon des Regiments Pernow , 2 Sotnien des Regiments Jeïsch und eine Sotnie Dagesthaner unter dem Obersten Bulmering zu Hülfe . Der General Tschawtschawadse wurde mit dem Kommando aller im Fort kämpfenden Truppen betraut . Zunächst eilte die Kavallerie Kameraden Hilfe
zu
bringen.
vor,
um den fast erliegenden
Bald darauf trafen auch die ersten
33
Die Erstürmung von Kars.
Verstärkungen an Infanterie ein. Der Oberst Karaseff bemächtigte sich nun endlich der Brustwehr auf der linken Flanke des Forts und der Oberst Bulmering erneuerte den Versuch zur Wegnahme des Central- Bastions. Aber wiederum scheiterten alle Anstrengungen an der festen Kaserne .
Endlich knüpfte Oberst Bulmering russischer
neue Verhandlungen
Seite aufgehört hatte
tapfern Besatzung
an ,
nachdem das Feuer von
infolgederen
dieselbe ,
mit der
aber auch erst nach
Tagesanbruch, die Waffen niederlegte, als sie sich überzeugen konnte, dafs sie allein von den Vertheidigern aller angegriffenen Forts Widerstand leistete . Zum Angriff auf das Fort Chafiz - Pascha
waren
noch
nach
der Disposition 3 Bataillone des Regiments Kutaïs und 2 Bataillone des Regiments Wladikawkas mit einer speziellen Reserve von 2 anderen Bataillonen dieses Regiments bestimmt . *) Da
aber das
1. Bataillon
des
Regiments Kutaïs
an diesem
Tage die Vorposten hatte und nicht rechtzeitig auf dem Rendezvous eintreffen konnte, so nahm General Atchasoff noch ein Bataillon Regiments Wladikawkas aus der Reserve und theilte dafür das 1. Bataillon des Regiments Kutaïs der letzteren zu. So wurden im Ganzen für die erste Linie 5 Bataillone bestimmt . Oberst Fadejeff mit
2 Bataillonen Kutaïszen
und
1 Bataillon
Wladikawkaszen griff die nordöstliche Face an, während 2 Bataillone Wladikawkaszen gegen die südlichen Facen des Forts vorgingen . So bildeten die Kutaïszen .
die Wladikawkaszen naturgemäfs das Echelon für
Auch den Oberst Fadejeff gelang es , unbemerkt bis an die türkischen Vorposten zu kommen, dieselben zurückzuwerfen und trotz des starken Feuers
schnell gegen
die
ihm bestimmte Face vorzu-
dringen. Aber noch bevor er dieselbe erreichte , bemerkte
er zwei erst
vor kurzem erbaute kleine Batterieen zwischen Chafiz und Karadagh . Da er glaubte , dafs sein Angriff durch das Flankenfeuer derselben zu sehr erschwert würde, entschlofs er sich zuerst die Batterieen zu nehmen und dann erst seinen Angriff auf das Fort fortzusetzen. Mit Hurrahgeschrei warfen sich die Kutaïszen auf das neue Angriffsobjekt und im ersten Anlauf nahmen sie die Batterieen. *) Die Infanterie- Regimenter der kaukasischen Armee und der Garderegimenter waren schon seit früherer Zeit zu 4 Bataillonen formiert. Für die übrigen 3 Grenadier- und 35 Armee Infanterie - Divisionen ist dies erst durch Ukas Nr. 75 vom Jahre 1879 befohlen worden. 3 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Die Erstürmung von Kars .
34 Das
dieselben
verteidigende
türkische
grofsen Kampf in die Flucht gejagt.
Bataillon
wurde
ohne
Ein Teil desselben wandte sich
nach der Stadt, ein anderer flüchtete auf dem engen und schwierigen Pfade zum festen Turm Siaret hinauf. Es gelang dem Obersten Fadejeff nicht,
seine Truppen in der
Hand zu behalten, ja er selbst liefs sich verführen , sein ihm angewiesenes Angriffsobjekt aus dem Auge zu verlieren . Der gröfsere Teil seiner Leute
verfolgte
die
nach
der Stadt
flüchtenden Türken und alarmierte die an derselben liegenden Läger. Der Oberst Fadejeff sammelte
persönlich 2 Compagnieen und
folgte den nach dem festen Turm Siaret Fliehenden so schnell, dafs es ihm gelang, unbemerkt mit denselben einzudringen, gerade als von einer anderen Seite Freiwillige *) den Turm erklettert hatten und ein Kommando Sappeure noch damit beschäftigt war, ein Thor mit Dynamit zu sprengen. Das Innere des Siarets bot nur Raum für einen Teil der Kolonne des Obersten Fadejeff.
Er
setzte daher sogleich
die Verfolgung der Türken nach Fort Karadagh fort, drang in die offene Kele desselben ein und nahm es. Was von den Türken entkam, floh nach Fort Arab . Inzwischen hatten sich auch die 2 Bataillone des Regiments Wladikawkas durch das auf ihre linke Flanke gerichtete Feuer der Batterie Fezi-Pascha verführen lassen, sich gegen dieselbe zu wenden. Es blieb dem General Alchasoff mithin nichts übrig, als die noch in seiner Hand verbliebenen 2 Bataillone Wladikawkas zum Sturme gegen Fort Chafiz
zu verwenden .
Diese
Bataillone
drangen
mit
grofser Tapferkeit in das Fort ein, welches seine Besatzung sogleich flüchtend verliefs . Doch zwangen Reserven, welche von der Stadt her vorrückten, sie, sich mit der Besetzung der der Stadt zugewandten Brustwehr zu begnügen . Die Wladikawkaszen wurden hierdurch nicht nur an der Ausbeutung ihres anfänglichen Erfolges verhindert, sie vermochten sich sogar nicht einmal in dem Fort zu halten ; sondern mussten mit Verlust von mehr als 150 Mann dasselbe räumen , um „ die Ordnung wieder aufserhalb desselben herzustellen " . Kaum war der Chafiz auf diese Weise nach kurzer Besetzung von den Russen verlassen worden, als zur rechten Zeit das 1. Bataillon der Kutaïszen herbeikam . Die Türken wagten nicht das Fort von neuem zu besetzen, in
*) Die russische Armee hat noch die Einrichtung, zu besonders schwierigen Aufträgen 99 Freiwillige " aus den Regimentern aufzurufen . Solche Freiwilligen-Kommandos scheinen beim Sturm auf Kars in umfangreicher Weise zur Verwendung gekommen zu sein.
35
Die Erstürmung von Kars.
welchem auch die Defensionskaserne
von
den russischen 24 - pfün-
digen Belagerungsgeschützen zerstört war . General Alchasoff besetzte es daher wieder.
Der Oberst Fade-
jeff begnügte
sich nach der Einnahme des Forts Karadagh damit, dasselbe gegen die ― wohl nur zur Deckung des Rückzugs in die Citadelle - von Fort Arab her unternommenen türkischen Offensivstöfse zu halten.
Auf seine Meldung schickte ihm General Alchasoff
ein Bataillon zur Verstärkung mit dem Befehl ,
nichts
mehr gegen
Fort Arab zu unternehmen , da dies die Sache der Kolonne des Generals Schatiloff sei,
Dieser General hatte
den Befehl
erhalten,
gegen die Forts
Arab und Karadagh zu demonstrieren . Auf eine sehr originelle Weise löste er diese Aufgabe. Die Infanterie wurde aufserhalb der Schufsweite des Feindes versammelt und starke Batterieen vorgeschoben. Diese eröffneten ein lebhaftes Feuer gegen die türkische Stellung. Dann brachen sie das Feuer auf einmal ab. Der Feind sah in dieser Feuerpause das Zeichen für den Beginn des Sturmes durch die Inund feuerte nun seinerseits lebhaft ins Blaue hinein , ohne
fanterie
an eine Unterstützung denken.
der in
der Ebene liegenden Nebenforts
Sobald aber das Feuer des Feindes nachliefs, von russischer Seite das erwähnte Verfahren.
zu
wiederholte sich
Der General Schatiloff erreichte aber hierdurch einen doppelten Zweck: 1) Die Besatzungen der beiden Forts lahm zu legen. 2) Seinen eigenen Angriff vorzubereiten und wesentlich durch die Täuschung des Feindes zu erleichtern, so dafs seine Kolonne fast
ohne Verlust Fort Arab wegnehmen konnte. Haben wir so die sämtlichen Forts des rechten Ufers des KarsTschai in die Hände der Russen fallen gesehen, so erübrigt noch ein Blick auf den Zustand der beiderseitigen Armeeen beim Anbruch des Tages. Das erste Licht des Morgens liefs deutlich
erkennen ,
wie der
Teil der Garnison , welcher nicht den Russen in die Hände gefallen war, sich instinktmäfsig auf den schneebedeckten Höhen des linken Ufers zusammengedrängt hatte .
Die Türken ihrerseits fanden auf
der allein ihre Rettung ermöglichenden Strafse nach Erzerum nur die drei Bataillone des Regiments Rostow vor sich und warfen sich in dichten Schwärmen auf dieselben, um sich durchzuschlagen. Das Regiment „ im Gefühl seiner numerischen Unterlegenheit “ 3*
36
Die Erstürmung von Kars.
wich diesem Angriffe aus und so
strömten
die Scharen
fliehender
Türken ungehindert an ihnen vorbei. Doch bald gelang
es
der von allen Seiten herbeieilenden rus-
sischen Kavallerie, die Flüchtigen
zum Stehen
zu bringen - und sie
mit Ausnahme weniger gut berittener Leute , meist Offiziere und unter diesen auch der Kommandant der Festung , zur Ergebung zu zwingen. - Nun ergaben sich auch die noch von den Türken besetzten Forts und die Citadelle . So Nacht.
endeten die kriegerischen Ereignisse
dieser denkwürdigen
Am Morgen des 18. November n. St. zog der Corpskommandeur in die Stadt ein. Diese schien wie ausgestorben. Nur einige kleine Deputationen Armenier und Türken mit kläglichem Brod und Salz *) wagten sich auf die Strafsen .
Sechs fremdländische Ärzte ,
unter denen ein Preusse , Dr. Schöps , wurden in den Hospitälern vorgefunden. Der letztere hatte sich bemüht, fünf gefangenen Russen das Leben zu erhalten . Dafs die Türken häufig
in liebenswürdigster Weise ihren bis-
herigen Gegnern entgegenkamen , beweist folgendes von unserm russischen Gewährsmann erzählte Erlebnis .
Als er beim Durchreiten der Stadt die Häuserreihen musterte , um sich ein gutes Winterquartier auszuwählen , traten aus einem Häuschen am Kars-Tschai zwei Türken auf ihn zu und baten mit Zeichen recht eindringlich, bei ihnen Quartier zu nehmen . Er nahm dies ihm zu seinem grofsen Erstaunen gemachte Anerbieten mit grofser Freude an . erhaben .
Die Aufnahme war auch wirklich über alles Lob
Die beiden Türken
bemühten sich , alle Wünsche ihrer russischen Gäste zu erfüllen, ja sie kamen denselben zuvor. Der Schlüssel zu diesem etwas rätselhaften Benehmen wurde erst gegeben , als nach dem Einzuge des Grofsfürsten Michael am 20. November den Einwohnern durch Ausrufer verkündet wurde, dass sie ohne Furcht ihre gewöhnlichen Beschäftigungen fortsetzen könnten und sich die Strafsen und Plätze wie mit einem Zauberschlage von neuem belebten . Da krochen aus dem Kellerraum
zwei Dutzend Frauen heraus
und entfernten sich mit unseren beiden Türken , welche die russischen
*) Brod und Salz " ist bei den Ostslaven , ją bei den meisten der SlavenChljäbossolstämme , das Zeichen des Willkommens , der Gastfreundschaft. stwo (Chljäb = Brod, Ssol = Salz) heisst sogar die Gastfreiheit.
37
Die Erstürmung von Kars.
Offiziere natürlich nur deshalb so freundlich aufgenommen, damit sie das Haus nicht durchsuchen und ihnen zum Schutze gegen die Belästigung durch Andere dienen sollten . Die Eroberung von Kars brachte den Russen ausser dieser wichtigen Position in Armenien an 17,000 Gefangene und 303 Geschütze in die Hände. Der Verlust der Türken
an Toten ist
schwer zu bestimmen.
Während einer ganzen Woche waren 100 Arben (Wagen) mit der Wegschaffung von Leichen beschäftigt, obwohl man am ersten Tage mehr als 2500 beerdigt hatte.
Der russische Verlust war verhältnismäfsig gering.
Er betrug
im ganzen 2100 Mann (etwa 10 Prozent der Gesamtstärke) , von denen fast die Hälfte ( 1000 Mann ) bei der Einnahme von Fort Kanly gefallen oder verwundet war. Die Kolonne des Generals Komaroff verlor 350 , die des Generals Alchasoff 300 Mann . Von höheren Offizieren
waren Generalmajor Graf Grabbe und
die Obersten Butschkiäjeff und Bjälinskij gefallen. Das Schicksal der Verwundeten auf beiden Seiten war zum Teil ein äusserst trauriges . Wie schon oben erwähnt, war die Abteilung nicht oriendes roten Kreuzes der freiwilligen Krankenpflege tiert worden, und beteiligte dieselbe sich gar nicht an der Sorge für die Verwundeten, welche nach dem Berichte von Augenzeugen einer russischen Marketenderin " mit dem Beinamen Madame Pierre fast ausschliesslich zufiel . Dafs es an warmen Unterkunftsräumen mangelte , dafs die türkischen Lazarete ein Heerd aller Infektionskrankheiten waren , versteht sich von selbst .
Der deutsche Leser wird aus der vorliegenden ,
ausschliesslich
aus russischen, also mehr oder weniger nicht unparteiischen Quellen geschöpften Schilderung
und
aus der lebensvollen Erzählung
des
russischen Offiziers ein Urteil gewonnen haben, wie leicht die Türken den Russen den Sieg machten, der gewifs einem anderen Gegner gegenüber bei den Erscheinungen, welche uns in der Gefechtsleitung und in der
Ausführung
der Dispositionen
entgegentraten , nicht
möglich gewesen wäre . Für die Russen war aber die Eroberung von Kars vor Eintritt des
härtesten Armenischen Winters
ein grofser Glückszufall .
Sie
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
38
erhielten mit derselben nicht allein für die Beherrschung des eroberten Landes einen strategischen Punkt erster Ordnung , hatten für die ferneren Operationen deutung.
sondern sie
einen Rückhalt von hoher Be-
Wie der russische Soldat denselben schätzte , glauben wir
nicht besser schildern zu können, als mit der Wiedergabe der Worte eines russischen Offiziers : „Unsere Gefühle in der Zeit ,
welche der Eroberung von Kars
folgte, sind schwer zu beschreiben . Aber eine Empfindung machte das Gefühl der Wärme. Ein uns fast wahnsinnig vor Freude Fufsboden , Wände , Fenster , eine Decke und sogar - ein Ofen! Welcher Luxus für Leute , welche ein halbes Jahr lang etwas ähnliches nicht gesehen hatten !
Man mufs so frieren , wie wir in der
letzten Zeit gefroren hatten, um eine solche Wohlthat ganz würdigen zu können . Wir genossen die Wärme mit eisernen Ofen bis zur Glühhitze ! "
vollen Zügen und heizten den
III.
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder der Feldgeschütze . Nach dem Französischen des Obersten Mercier. (Schlufs.)
Bei den in Versuch befindlichen Arten von Granaten wechselt der Streuungswinkel zwischen 140 bis 60 °.
Dieser sehr bedeutende Unterschied zeigt zur Genüge, wie wenig noch die Ansicht über diesen Punkt feststeht. Wir wollen deshalb für die Streuungswinkel
von 14 °, 20 °, 30 °, 40 °, 50 °, 60 ° unter der Annahme, dafs die Granate beim Krepieren 300 Kugeln oder Sprengstücke liefert in der ersten Tabelle die bestrichenen Wandlängen , sowie die Gesamtsumme der stellen.
direkt
treffenden Kugeln
vergleichsweise
zusammen-
und Zeitzünder der Feldgeschütze.
39
Tabelle Nr. 1. L = 140
L
200
L = 30°
L = 500
L = 40°
L - 60º
W n
1,8 3,5 5,0 7,0 9,0 10,5 12,0 14,0 16,0 17,5 21,0 24,5 28,0 31,5 35,5
300 218 153 109 85 73 64 55 48 43 36 31 27 24 21
21 53,0 16 72,0 12 88,0 10 105,0
14 11 9 7
150 200 250 300
37,0 49,0 61,0 74,0
18880
100
1,2 300 2,0 300 3,5 218 4,5 169 5,5 139 6,5 118 95 8,0 9,0 85 76 10,0 11,0 69 13,5 57 16,0 48 42 18,0 38 20,0 31 24,5
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 60 70
L Meter
n
2,7 283 5,5 139 8,0 95 10,5 73 13,5 57 16,0 48 41 18,5 35 21,5 24,0 32 28 27,0 32,0 24 37,5 21 43,0 18 16 48,0 14 53,5 9 80,0 107,0 7 134,0 6 161,0 5
n
L Meter
L Meter
3,6 212 7,5 102 11,0 69 14,5 53 42 18,0 22,0 35 25,5 30 26 29,0 23 32,5 21 36,5 18 43,5 51,0 15 58,0 13 11 65,0 10 73,0 109,0 145,0 182,0 218,0
7 5 4 3
n
L Meter
4,7 9,5 14,0 18,5 23,5 28,0 32,5 36,5 41,0 46,5 56,0 65,5 74,5 84,0 93,0
163 5,8 80 11,5 55 17,5 41 23,0 33 29,0 27 34,5 23 40,5 21 46,0 19 52,0 16 57,5 14 69,5 11 81,0 10 92,5 9 104,0 8 115,5
140,0 186,0 233,0 280,0
5 173,0 4 231,0 3 288,0 3346,0
n
132 67 43 33 26 22 19 16 14
1310876
L Meter
n
4332
L Meter Meter
Aus dieser Tabelle ziehen wir als erste Folgerung die, dafs die Zahl der direkten Treffer (die Wirkung der aufschlagenden und abprallenden Stücke wird später besprochen) bei einer gröfseren Sprengweite als 100 m so klein ist, dafs man sie vernachlässigen kann und soll .
Ist es schon
deshalb nicht erforderlich , die Untersuchung der
Garbe über diese Länge hinaus auszudehnen, so berechtigt uns hierzu auch
noch die früher gemachte Annahme ,
dafs
unsere Zeitzünder
alle Sprengpunkte in einen Raum von 100 m Länge bringen. Eine Vergleichung der bestrichenen Frontlängen bei derselben Sprengweite führt aussetzung ,
uns zu einer zweiten Folgerung . Unserer Vordafs die Achse des Kegels die Mitte der Scheibenwand
in halber Höhe trifft , wird nur bei mathematisch genauer Lage des Sprengpunktes entsprochen . Erleidet diese nun eine Verschiebung nach der Höhe , ist,
die gleich der Hälfte der bestrichenen Frontlänge
so wird auch die Garbe parallel mit sich selbst um ebensoviel
nach der Höhe 30 m
an ,
gerückt.
Nehmen wir
z. B.
welche ausgezeichnete Resultate
die
Sprengweite von
zu versprechen scheint ;
sie giebt bei der Garbe von 14 Grad Öffnung 6,5 m bestrichene Frontlänge . Es wird also eine Granate, welche 30 m vor der Wand und in einer Höhe von 3,25 m über der theoretischen Sprenghöhe
40
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
krepiert ,
nicht
eine einzige Kugel in dieselbe bringen ;
die ganze
Garbe geht vielmehr über die Wand hinweg. Ehe ein gleiches Resultat mit der Garbe von 60 Grad Öffnung eintritt ,
müfste
eine Abweichung von 17,25 in der Sprenghöhe der
Granate stattfinden, d . h . eine Unregelmässigkeit, die viel gröfser ist, als nach den gewöhnlichen Abweichungen erwartet werden kann. Die Unterschiede , welche aus diesem Vergleich hervorgehen , springen noch viel mehr in die Augen, wenn man anstatt eines aufrechten und freistehenden Zieles ein liegendes und gedecktes voraussetzt . In diesem Falle würde mit dem gröfseren Öffnungswinkel der Garbe auch die Chance zunehmen, Truppen hinter Deckungen zu treffen, weil die Richtung eines Teiles der Sprengstücke sich der vertikalen nähert. Die Garbe von gröfserer Öffnung hilft also besser wie die enge den Nachteilen ab ,
welche die unvermeidlichen Unterschiede in der
Höhenlage der Sprengpunkte hervorrufen und vermehrt die Aussicht, liegende und gedeckte Truppen zu treffen . Ein Vergleich der auf die Länge der bestrichenen Front entfallenen Trefferzahlen kann uns andere Aufschlüsse gewähren. Bei 30 m Sprengweite und 14 Grad Öffnung der Garbe erhält z . B. eine Frontlänge von 6,5 m, die nur 13 Felder darstellt, 118 direkt treffende Kugeln. Die Nutzlosigkeit dieser Anhäufung auf kleinem Raume ist klar.
Übrigens giebt
OEK IRJAAKUNNES ,
bessere Auskunft ,
die
folgende Tabelle in dieser Beziehung
da sie einmal die Totalsumme F der in der be-
strichenen Front liegenden Felder und dann die Zahl ( f) der Felder enthält, welche von den Kugeln direkt getroffen werden . Tabelle Nr. 2.
L = 140
L = 20°
L = 300
L = 40 °
L -
50º
L = 60° بها
W
F
2252809
40 45 50 60 70 80 90 100
27 32 36 40 49
F
f
F
f
F
f
F
f
F
3 4 7 9 11 13 16 18 20 22 27 32 36 38 31
7 10 14 18 21 24 28 32 36 42 49 56 63 71
4 7 10 14 18 21 24 28 32 36 36 31 27 24 21
6 11 16 21 27 32 37 43 48 54 64 75 86 96 107
6 11 16 21 27 2 37 35 32 28 24 21 18 16 14
7 15 22 29 36 44 51 58 65 73 47 102 116 131 146
7 15 22 29 36 35 30 26 23 21 18 15 13 11 10
10 19 28 37 47 56 65 73 82 93 112 131 149 164 186
10 19 28 37 33 27 23 21 19 16 14 11 10 9 8
12 23 35 46 58 69 81 92 104 115 139 162 185 208 231
f 233322RRIOT
347
30
7 9 11 13 16 18
f
12
35 26
19 16 14 13 11 10 8 7 6
und Zeitzünder der Feldgeschütze.
41
Diese Tabelle zeigt uns , dafs es ein Maximum an getroffenen Feldern giebt, welches für jede Garbenöffnung dasselbe ist, zu dessen Erreichung aber verschiedene Sprengweiten gehören . So erhielt man für die Garbe von 14 Grad das Maximum der Wirkung bei einer Sprengweite von 90 m, während für die Garben von 40-60 Grad dasselbe Maximum von getroffenen Feldern bei einer Sprengweite von 25 bis 15 m erreicht wird .
Hierin liegt der erste Vorteil der offenen Garbe,
denn unter sonst gleichen Verhältnissen werden die Kugeln derselben mit einer um 25 m gröfseren Geschwindigkeit und entsprechender Durchschlagskraft treffen, als die der engen Garbe bei 90 m Sprengweite. Zur Feststellung der zweckmäfsigsten Tempierung des Schusses wollen wir jetzt für dieses Maximum von getroffenen Feldern die mit den verschiedenen Garben korrespondierenden Sprengweiten vergleichen .
Um mit Granaten von 14 Grad Garbenöffnung gute Wir-
kung zu erzielen , müfste man den Zünder so
einstellen ,
dafs
mittlere Sprengpunkt 90 m vor das Ziel zu liegen käme , ja könnte ,
wie wir später sehen werden ,
der man
diese Entfernung noch ver-
gröfsern, wenn man auch die Wirkung der ricochettierenden Sprengteile zur Geltung bringen will .
Dies als Regel aufzustellen , scheint
uns aber nicht praktisch . Das Einschiefsen würde nur erschwert, und man kann dieselben Resultate einfacher erhalten . Wie wird man also in der Praxis verfahren? Nachdem mit dem Perkussionsapparat die Entfernung ermittelt worden ist ,
öffnet man dasjenige Brandloch des Zünders ,
welches
das Krepieren der Granaten in der Luft und möglichst nahe vor dem Ziel zuläfst. Um alle Sprengpunkte in der Luft zu haben, wäre in Anbetracht, dafs das Funktionieren der Zünder in einem Raume von 100 m Länge welche
eintritt ,
diejenige Tempierung
als
beste zu wählen,
den mittleren Sprengpunkt 50 m vor das Ziel legt.
Noch
vorteilhafter ist es aber, denselben dem Ziele bis auf 40 m zu nähern , weil
die
sich
dann
notwendig ergebenden vereinzelten Aufschläge,
bei denen der Perkussionszünder in Thätigkeit tritt, leichter gestatten, sich von der richtigen Flugbahnlage zu überzeugen . So denken wir uns das Verfahren, weil es das einfachste und natürlichste ist . Für diese mittlere Sprengweite von 30-40 m würde nach der Tabelle Nr. 2 hafteste sein.
der Streuungswinkel
von 30-40 Grad der vorteil-
Die Tabellen Nr. 1 und Nr. 2 enthalten aber nur die direkten Treffer und welche
berücksichtigen
nicht
die häufig
wichtigen Resultate,
die ricochettierenden Kugeln eines Teiles
der Garbe
geben
42
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
können .
Nehmen
wir z. B.
35 m Sprengweite. welche die Granate
die Garbe von 30 Grad Öffnung bei
Sie bringt (Tabelle Nr. 1 ) von 300 Kugeln , enthält, 41 Kugeln in die Schufswand. Von
den übrigen 259 Kugeln geht die Hälfte, dem oberen Halbkegel angehörend, über die Wand hinweg, der untere Halbkegel mit der anderen Hälfte trifft den Boden vor der Wand. Von seinen 130 Kugeln , die in dem Raume von 35 m aufschlagen , wird eine grofse Anzahl bei günstiger Bodenbeschaffenheit zwar noch die Scheibe durchschlagen, der Wirkung aber nur dann von Nutzen sein, wenn Felder getroffen werden ,
die nicht schon direkte Kugeln erhalten haben . In dem hier gewählten Beispiel ist das nicht der Fall, weil die 37 Felder in der Garbe (Tabelle Nr . 2 ) schon durch 41 Kugeln im direkten Schufs belegt sind . Jene Anzahl geht also der nutzbringenden Wirkung verloren .
Die Garbe von 50 Grad Öffnung bringt dagegen bei
derselben Sprengweite von 35 m nur 23 Kugeln direkt in die Wand , aber die 138 Kugeln , welche vorher den Boden getroffen haben, können die Wirkung beträchtlich steigern, weil die Garbe 65 Felder umschliefst , von denen 42 keine Kugeln im direkten Schufs erhalten haben. Man erkennt hieraus, dafs die bei kleiner Sprengweite oft grofse Nebenwirkung durch abprallende Kugeln, welche nicht vernachlässigt werden darf, für den Vorzug der weitgeöffneten Garbe spricht. dann muss
aber
die Sprengweite ,
Maximum von nützlicher Wirkung zuläfst , würde die Garbe von 50 Grad
Als-
welche nach Tabelle Nr . 2 das
Öffnung ,
vergröfsert werden .
welche
nach
So
der Tabelle
Nr. 2 bei 20 m Sprengweite die beste Wirkung durch direkte Treffer verspricht ,
durch
eine Vergröfserung dieser auf 35-40 m
wahr-
scheinlich auch die günstigste Steigerung dieser durch rikoschettierende Kugeln zulassen .
Es ist dies dieselbe Entfernung, die auch die Er-
örterung der Tempierungsfrage als
vorteilhaft
erscheinen liefs und
man erkennt deutlich , wie man mit Gewalt zur Annahme derselben als mittlere Sprengweite geführt wird. Da die Garbe von 50-55 Grad unter diesen Bedingungen die gröfste Wirkung zuläfst, so geben wir auch diesem Streuungswinkel den Vorzug . Noch ein allerdings mehr untergeordneter Punkt, von dem man in gewissen Fällen geeigneten Gebrauch machen kann, sei zu Gunsten dieses Winkels angeführt. Bei demselben ist nämlich die Länge der bestrichenen Front der Sprengweite gleich, eine leicht zu behaltende Übereinstimmung , die es gestattet , sich in der Praxis einfach und ohne Berechnung von der mutmafslichen Wirkung Rechenschaft zu geben.
und Zeitzünder der Feldgeschütze.
43
Sollte noch die Frage aufgeworfen werden , warum gerade eine Granate, die 300 Kugeln resp. Sprengstücke liefert, dieser Betrachtung zu Grunde gelegt ist, so sei darauf hingewiesen, dafs wir früher für das 90 mm Kaliber, welches die Grundlage unserer Feldarmierung bildet, diese Füllung als erreichbar nachgewiesen haben . Übrigens zeigt uns sowohl die angestellte Untersuchung als auch die in der Formel , dafs der Streuungswinkel im Zuder Fallstücke des Geschosses steht und Zahl der sammenhang mit Anmerkung gegebene
zwar in der Weise , dafs er zu- oder abnehmen soll, je nachdem die Totalsumme der Kugeln gröfser oder kleiner wird . Die Vorteile, welche wir bis jetzt an der offenen Garbe erkannt haben, beziehen sich auf den mit einem Zeitzünder versehenen Schufs . Um dieselben zu beweisen, mufsten wir uns in eine sehr ins Einzelne gehende Betrachtung einlassen .
Anders ist es beim Schufs mit Per-
kussionszünder , denn für diesen ist der Vorteil der a priori deutlich.
offenen Garbe
Nicht eine absteigende, sondern eine aufsteigende
Garbe, deren Spitze einem nahe vor dem Ziele gelegenen Punkte des Bodens angehört, trifft dieses . Je enger sie ist, desto mehr Wahrscheinlichkeit liegt vor, dafs die Kugeln und Sprengstücke , ohne zu treffen ,
über das Ziel hinweggehen,
punkt den Wänden
sehr nahe
liegt ,
und nur wenn der Sprengwird diese Garbe noch ein-
schlagen, aber wegen ihrer geringen Ausbreitung stets wenige Felder mit einer grofsen , zum Theil nutzlosen Trefferzahl belegen . Gegen die vorhergegangene Betrachtung liefse sich der Einwand erheben , dafs die Resultate ganz andere sein würden , wenn anstatt eines Zieles ohne Tiefe und von grofser Breite , ein solches von schmaler Front- und gröfserer Tiefe-Ausdehnung gewählt wäre. Wir wollen zunächst die getroffene Wahl rechtfertigen und dann auch ein solches schmales und tiefes Ziel in Betracht ziehen .
Die Artillerie wird aus zwei Gründen ihr Feuer stets gegen die feindliche Feuerlinie richten : Erstens ,
weil sich in der Regel nur
diese durch ihr eigenes Feuer markiert und die Möglichkeit zum Einschiefsen bietet ; zweitens, weil die Zurückwerfung und Vernichtung derselben vor allem wichtig ist.
Diese Feuerlinie besteht aus den
Batterieen und Schützenketten des Feindes ,
denn nur die Einzel-
ordnung bildet die thatsächliche Gefechtsformation der Infanterie . Eine Batterie (Geschütze — Bedienung -Protzen) hat in der Feuerstellung eine Tiefe von 25 m. ihre
Auch die Schützenkette besitzt durch
stets
vorhandenen Krümmungen an einzelnen Punkten etwas Tiefe, doch wird dieselbe in der Schufsrichtung desselben Geschützes wohl niemals über 30 m betragen.
Das von uns gewählte Ziel ent-
44
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
spricht im allgemeinen diesen Verhältnissen ,
denn
die Feuerlinie
bietet auch nur wenig Tiefe und gewährt bei geringer sichtbarer Höhe eine unbegrenzte Breite . Was
die Verstärkungen ,
die Soutiens und
die Reserven der
Schützenkette, betrifft , so werden sie im allgemeinen nicht sichtbar sein,
weil sie entweder am Boden liegen oder hinter
Deckungen und Terraingegenständen versteckt sind . Gegenwart nicht durch Schiefsen verrathen , Aufstellung vermuten , noch gegen sie ein
natürlichen Da sie ihre
kann man weder ihre wohlgezieltes
und
gut
beobachtetes Feuer abgeben . Sollten sie zufällig sichtbar werden , so würde man sie wahrscheinlich beschiefsen und schon durch die ersten in ihrer Nähe einschlagenden Geschosse veranlassen , wiederum eine Deckung aufzusuchen , oder wenn dazu die Gelegenheit fehlt, sich in breiter Front zu entwickeln . Das Ziel hat also in diesen Fällen stets die Gestalt, welche wir ihm beilegten. Prüfen wir dennoch den nach unserer Ansicht nur ausnahmsweise eintretenden Fall, dafs sich dem Schusse ein tiefes Ziel bietet, z. B. eine Kolonne,
deren Entwickelung besondere Umstände ver-
hindern, oder ein verdecktes Gelände , auf welchem man Truppenansammlungen vermutet. Man würde in diesem besonderen Falle nach der allgemeinen Methode verfahren , welche eine Batterie zum Schiefsen gegen Ziele von gröfserer Ausdehnung stets anzuwenden pflegt.
Während man aber für gewöhnlich alle Geschütze mit dem-
selben Aufsatz auf verschiedene Punkte des Ziels richtet, würde man in diesem besonderen Falle
für
alle Geschütze
dieselbe Richtung
beibehalten, aber die Aufsatzlängen verschieden wählen.
Wenn auf
diese Weise jedes Geschütz beispielsweise 100 m weiterschiefst als das vorhergehende, so kann eine Batterie mit Geschossen von offener Garbe ein Ziel von 7-800 m Tiefe wirksam unter Feuer nehmen. Wir können
uns nur einen Fall denken,
in dem die engere
Garbe günstigere Resultate als die offene liefert. Wenn nämlich alle Granaten in Folge eines Fehlers beim Einschiefsen viel zu weit vor Dafs dieser Umstand manchmal eintritt, ist dem Ziel krepieren . wahrscheinlich, aber er bildet doch immerhin nur die Ausnahme, Zum auf welche man deshalb kein Geschofssystem gründen darf. Beweis,
dafs
der Granatschufs
mit offener Garbe auch bei
einer
erheblichen Abweichung von der wirklichen Entfernung noch recht befriedigende Resultate liefert, soll noch ein Beispiel angeführt werden. Die Kommission zu Calais hat auf 2000 m ( 15. Februar 1879, Protokoll Nr. 31 über den Versuch Nr. 286) 18 Granaten des 90 mm Kalibers, von denen jede 250 Sprengstücke lieferte und 55 Grad Öffnung
und Zeitzünder der Feldgeschütze.
45
hatte, mit einem absichtlich falschen und zwar um 100-150 m zu kurz gewählten Aufsatz verfeuert. Die Granaten waren mit Doppelzündern versehen . Die erste Schufswand (die einzige , welche wir in Betracht ziehen, weil sie allein das der Wirklichkeit entsprechende Ziel darstellt) hatte 40 m Länge bei nur 2 m Höhe und umfafste folglich 80 neben einander gelegene Felder.
Sie erhielt 400 Spreng-
stücke, von denen 321 die Wand durchschlagen , 76 stark und 3 schwach angeschlagen hatten. Von 80 Feldern waren 78 getroffen , und da die äussersten Felder noch mehrere Stücke erhalten hatten, so kann man annehmen , dafs bei gröfserer Länge der Schufswand die Zahl der Treffer und der getroffenen Felder sicherlich noch beträchtlicher Zu diesem Versuch war nur 1 Geschütz , welches gewesen wäre. die Richtung auf die Mitte der Wand nahm , herangezogen . Wenn das Schiefsen statt dessen von einer Batterie zu 6 Geschützen ausgeführt wäre,
von denen jedes
3 Schüsse gegen eine Wand von
300 m Länge mit einer um je 40 m verlegten Seitenrichtung verfeuert hätte, so würde die Zahl der empfangenen Sprengstücke noch gröfser gewesen sein und die Zahl der getroffenen Felder hätte sich vervier- oder verfünffacht. Wir führen diesen Versuch nur aus dem Grunde an,
weil er
unseres Wissens der einzige ist , welcher die Ermittelung des Einflusses auf die Wirkung bezweckte , den ein Irrthum bezüglich der Unsere unparEntfernung beim Einschiefsen hervorbringen kann . nur Schiefsresultate teiische Meinung geht übrigens dahin, dafs jene den dem Abprallen der Sprengstücke günstigen Bodenverhältnissen der Küste von Calais zuzuschreiben sind. Nachdem wir in dieser Untersuchung die Hauptgesichtspunkte , unter welchen man den Streuungswinkel einer Garbe betrachten kann , nach unserer Meinung erschöpft haben, ziehen wir den Schlufs , dafs Wir die Ergebnisse einem grofsen Streuungswinkel günstig sind . entscheiden uns bei den Feldgranaten für einen solchen von 50-55 Grad und fassen dessen Vorteile dahin zusammen : Er begünstigt den Schufs gegen die dem modernen Gefecht entsprechenden Ziele , weil er bei den Sprengweiten , auf welche man sowohl bei Anwendung des Zeit- als auch des Perkussionszünders naturgemäss hingeführt wird , eine bessere Streuung der Sprengstücke giebt und
eine gröfsere Anzahl Mannsbreiten zu treffen gestattet.
Er gleicht bis zu einer gewissen Grenze Unrichtigkeiten in der Sprenghöhe und bei Anwendung eines Perkussionszünders auch solche in der Sprengweite aus. hinter künstlichen
Er vermehrt ferner die Chancen , den Feind
oder natürlichen Deckungen zu treffen und ge-
46
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
stattet
endlich die Anwendung
des
für die Beobachtung und die
Korrektur des Schusses so wichtigen Hauptprinzips : die Geschosse so nahe als möglich vor der feindlichen Truppe krepieren zu lassen . Der Einfluss des Streuungswinkels auf die Wirkung ist
mit
einer solchen Ausführlichkeit behandelt , dafs nur noch wenig über die Flugweite der Garbe zu sagen übrig bleibt . den Nachweis
geliefert,
dafs
Wir haben schon
man bei gröfseren Sprengweiten als
100 m nicht auf gute Wirkung zählen
darf und dafs die mittlere
Sprengweite für gewöhnlich 40 m betragen soll .
Unter diesen Be-
dingungen ist die Totalflugweite der Sprengpartikel von nebensächlicher Bedeutung ,
denn die Garben der so verfeuerten Geschosse
werden im allgemeinen keine grofse mittlere Flugweite ergeben , weil diese beträchtlichere Sprenghöhen voraussetzt. Wir wollen daher einfach annehmen,
dafs
die
direkt
treffenden Kugeln bis auf eine
Entfernung von 250 m jenseits des Sprengpunktes noch einen Mann aufser Gefecht setzen, so dafs also ein Schufs, der 100 m vor einer Schützenkette krepiert , noch die auf 150 m dahinter aufgestellten Unterstützungstrupps erreichen und beunruhigen kann. Dieser Zweck wird überdies vollkommen durch die bis auf 400 m reichende Garbe derjenigen Schüsse
erfüllt ,
welche auch bei richtiger Abgabe des
Feuers gegen die Schützenkette aufschlagen und schüsse wirken .
als Perkussions-
Die Soutiens und Reserven , welche sich 500 m
resp. 1000 m hinter der Schützenlinie befinden , mufs man direkt beschiefsen, wenn sie die Unklugheit haben, sich zu zeigen. besondere Beachtung
zuzuwenden ,
ist nicht nöthig,
Ihnen eine
denn sie sind
gezwungen, sich dem auf die Schützenlinie gerichteten Feuer auszusetzen, sobald sie zur Verstärkung in dieselbe einrücken, oder nach einer längeren oder kürzeren Vorbereitung zur Ausführung des Angriffs vorgehen . Dieser Moment giebt sich deutlich durch ein lebhaftes und verstärktes Feuer oder durch ein Vorbrechen der Schützenlinie zu erkennen.
Ihn mufs die Artillerie , die sich bis
dahin durch langsame und gut beobachtete Abgabe ihrer Schüsse auf die Schützenkette eingeschossen haben wird, wahrnehmen , indem sie die Schnelligkeit ihres Feuers steigert und ihre höchste Leistungsfähigkeit entwickelt, um die feindliche Infanterie zu erschüttern und zum Rückzuge zu zwingen .
Die Kürze der Zeit, in welcher sich
dieser Infanterie-Angriff vollzieht ,
macht es
unerlässlich ,
dafs die
Artillerie gerade die Vorbereitungsperiode zum Einschiefsen auf die Schützenlinie benutzt. Nur dann vermag sie im Moment des Angriffs sofort ihre ganze Feuerkraft zu entfalten . Diese Betrachtungen scheinen es zu rechtfertigen , dafs wir der
und Zeitzünder der Feldgeschütze .
47
Flugweite der Garbe, oder mit anderen Worten , der langen Erhaltung der Geschwindigkeit in den Kugeln und Sprengstücken bloſs eine nebensächliche Bedeutung beilegen . Nur soweit soll man den Vorteil dieser Geschwindigkeitserhaltung anstreben , als dies geschehen kann, ohne anderen wichtigen Eigenschaften des Geschosses zu schaden .
Wir haben ja auch bei Behandlung der Füllungsfrage
den Wunsch geäufsert, man möchte die Granaten bis zu einem gewissen Verhältnifs mit Hartbleikugeln füllen , welche sowohl im Fluge als auch beim Aufschlag geringere Geschwindigkeitsverluste erleiden , wie unregelmäfsig geformte Sprengstücke. Man würde auf diese Weise einen Teil der Garbe zu einer weiter reichenden Wirkung befähigen , die wir die Ergänzungswirkung nennen wollen .
So nützlich sie unter Umständen sein kann , so darf man
doch weder auf sie rechnen, noch sich durch ein Streben nach ihrer Verwertung beim Einschiefsen leiten lassen.
Auch könnte man durch
die unserem früher geäufserten Verlangen entsprechende Füllung der Granaten mit kleinen und grofsen Stücken , sowie mit Kugeln , der Garbe eine Streuung nach der Länge , ähnlich der nach der Breite beabsichtigten geben , welche zum Teil die in der Praxis vorkommenden Irrtümer beim Einschiefsen ausgliche. Unsere Ansicht zielt auf den Versuch hin, diese drei Arten von Sprengteilen derartig in der Granate zu verteilen , dafs ihnen eine verschiedene Streuungsgeschwindigkeit erteilt wird ,
welche
in be-
stimmter Beziehung zu dem Unterschiede in ihrer Flugweite steht . Wenn die Lagerung in der Form
von drei koncentrischen Ringen
geschieht und die kleinen Stücke den äufseren , die grofsen Stücke den mittleren und die Kugeln den inneren Ring bilden, so würde in Folge der verschiedenen Einwirkung der Centrifugalkraft die ganze Füllungsgarbe in Wirklichkeit aus drei koncentrischen Garben mit verschiedenen Streuungsbreiten und Wirkungssphären bestehen, deren mittlere Flugweiten sich so regeln liefsen , dafs sie mit den mittleren Entfernungen der Tiefengruppierung einer Gefechtsfront über- einstimmten.
Die äufsere Garbe mit dem gröfsten Streuungswinkel
und den kleinen Stücken erringt eine wirksame Flugweite von kaum 150 m und wirkt direkt auf die Gefechtslinie in nächster Nähe des Sprengpunktes.
Die mittlere Garbe der gröfseren Stücke wird we-
niger offen sein , aber bis ungefähr auf 250 m reichen .
Nachdem sie
direkte Wirkungen gegen die Gefechtslinie hervorgebracht hat, liefert sie noch Ergänzungswirkungen gegen die Unterstützungstrupps .
Die
innere Garbe endlich, welche die Kugeln enthält und bei geringster Breitenausdehnung die längste sein wird, dürfte eine Flugweite von
48
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
4-500 m erreichen. kung auf die
Von ihr kann man aufser der direkten Wir-
Feuerlinie
Ergänzungswirkungen gegen die Unter-
stützungstrupps bis zu den Soutiens hin erwarten. Die Verwirklichung dieser Theorie, welche in vorteilhafter Weise zu einer Vereinigung der Haupt- und Ergänzungswirkungen führt, scheint keine unüberwindlichen Schwierigkeiten zu bieten , besonders wenn zur koncentrischen Lagerung der Sprengteile im Geschofs das früher besprochene System der Ringstücke ausgenutzt wird . Unsere Ideeen werden nicht allgemein geteilt . Das ergiebt sich schon daraus, dafs unter den Shrapnelarten, welche sich im Versuchsstadium befinden, solche sind, bei deren Konstruktion man von den unserigen direkt entgegenstehenden Prinzipien ausgegangen ist .
Nur
Versuche können über die streitigen Punkte dieser Frage entscheiden. Die gewiſs nützlichen Aufschlüsse , welche unser Versuchsverfahren zur Bestimmung der Form der Garben auf geometrischem und theoretischem Wege herbeizuführen beabsichtigte , sind allein nicht hinreichend .
Sie müssen durch praktisches Schiefsen , das sich so viel
wie möglich dem Gefechtsschiefsen nähert , vervollständigt werden, damit ein richtiger Mafsstab für die im Ernstfall zu erwartenden Resultate erhalten wird . Wie verfährt man aber bei uns ? Man sucht bei dem gewöhnlichen Versuchsschiefsen mit Shrapnels möglichst viele Kugeln in die 4
mit
40 m
Abstand
hintereinander aufge-
stellten Scheibenwände von 40 m Frontlänge zu bringen und nimmt zu dem Zweck die Richtung nach der zweiten Wand.
Dies Ver-
suchsverfahren stammt aus einer Zeit , in der die geringere Trefffähigkeit der Kanonen und die Ungleichmässigkeit der Zünder, grofse Abweichungen in der Schufs- und Sprengweite ergab . haben wir an dieser Tradition festgehalten.
Allzu getreu
Heutzutage liegt aber
zu einer solchen Anordnung der Scheiben kein Grund mehr vor, denn sie entspricht keiner taktischen Formation und gestattet auch nicht, eine der beiden beabsichtigten Hauptwirkungen mit Genauigkeit festzustellen . Will man Frontalwirkungen ermitteln, so müssen die Wände wenigstens 100 m Länge erhalten, weil die Sprengweite eines richtig abgegebenen Schusses noch 100 m betragen kann und weil die Breitestreuung einer Granate mit offener Garbe der Sprengweite gleich ist . Beabsichtigt man aber Wirkungen nach der Tiefe festzustellen , so erweist sich jene Aufstellung der Wände auch als fehlerhaft , denn ihre Tiefe ist unzureichend und entspricht weder den normalen Gefechtsabständen der Verstärkungstrupps und Soutiens, noch denen der verschiedenen Staffeln einer Batterie . Dazu kommt, dafs bei der grofsen Nähe der Wände die mehrfach hervorgebrachten
und Zeitzünder der Feldgeschütze.
49
Effekte vieler Sprengstücke zu einer falschen Aufnahme des Ergebnisses führen .
nels
Wir würden also viel lieber für die Schiefsversuche mit Shrapals Ziel eine Reihe doppelter Schufswände , zusammengesetzt
aus einer Reihe liegender und einer Reihe aufrechter, dicht dahinter befindlicher Scheiben angenommen sehen. Die Resultate gegen beide müſsten getrennt gezählt und dürften nicht summiert werden .
Sie
veranschaulichten die gegen liegende und aufrechtstehende Truppen erzielten Wirkungen . Zur Feststellung von frontalen Wirkungen würde man für ein einzelnes feuerndes Geschütz einer solchen Wand 100 m Länge und für eine Batterie ,
deren Geschütze die Richtpunkte vom Flügel ab
um je 40 m verlegen , 300 m Länge geben . Eine Batterie könnte so die Gefechtsfront eines Bataillons unter Feuer nehmen . Um die Resultate nach der Tiefe, also die Ergänzungswirkungen müfsten hinter jener Reihe noch Doppelwände zur Staffeln in entsprechenden Entfernungen und Dimender Darstellung sionen aufgestellt werden. Bei offenem und ebenem Terrain würde zu ermitteln ,
man also 150 m hinter der ersten Doppelwand von 300 m Länge, die Schützenkette eines Bataillons repräsentiert, die Unter-
welche
durch eine Doppelwand von 25 m Länge und auf dahinter die Soutiens durch eine solche von 50 m Länge markieren. Ist das Terrain bewachsen und uneben, so müsste man dementsprechend die die Staffeln darstellenden Wände auf verschiestützungstrupps 500 m
dene Entfernungen verteilen . Auf alle Fälle ist die Schützenkette ,
d. h.
die
erste Reihe
Wände als Schufsobjekt zu nehmen , so dafs die gegen die hinteren Staffeln erhaltenen Resultate nur die indirekte oder Ergänzungswirkung darstellen . So erhielte man Angaben , die den auf dem Schlachtfelde zu
erwartenden thatsächlichen Wirkungen annähernd entsprächen und eine Grundlage gäben , um den Einfluss der Flugweite der Garben und der verschiedenen Lage der Sprengpunkte auf die Wirkung zu erforschen.
Resumé und Folgerungen aus dem zweiten Teil. Wer dieser Abhandlung bis zu Ende gefolgt ist , das
alle
der hat auch
Einzelnheiten der Frage beherrschende Faktum
erkannt,
dafs sich die Konstruktionsbedingungen eines Shrapnels widersprechen, je nachdem man der Tiefen- oder Breitenwirkung der Garben mehr Es mag sich um die Gestalt der Sprengstücke Wichtigkeit beilegt. 4 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels
50 handeln ,
um Form, Dichtigkeit, Gewicht, um Lage und Gröfse der
Sprengladung, oder um den Streuungswinkel der Garbe, der Wunsch die eine
oder andere Wirkung
verschiedenen Beantwortung
zu
erreichen , führt auch zu einer Da es bis jetzt weder ge-
der Frage .
lungen ist, noch auch bei dem gegenwärtigen Stand unserer Wissenschaft ausführbar erscheint ,
diese beiden verschiedenen Wirkungen,
deren jede ihre besondere Bedeutung hat, in einem Geschofs zu vereinigen, so ist man genötigt, zwischen beiden Prinzipien eine Wahl zu treffen. Während der angenommenen Wirkungsart die Hauptwichtigkeit beigelegt wird , darf man aber das andere Prinzip nicht ganz vernachlässigen.
Mit einer Entscheidung in dieser Hinsicht
wird der Verwirrung und dem Mangel an Zusammenhang abgeholfen , welche sich gegenwärtig nicht nur in der Konstruktionsfrage der Shrapnels , sondern auch in der Wahl des Versuchsverfahrens geltend machen. Wir haben unsere persönliche Ansicht über diejenige Wirkungsart klar dargelegt , der wir die Hauptwichtigkeit zuschreiben.
Die
Beweisführung geschah unter Berücksichtigung der Formen des modernen Gefechtes und durch Hindeutung auf die Notwendigkeit, die durch ihr eigenes Feuer sichtbare Schützenkette Schufsobjekt zu nehmen .
des Feindes
als
Ferner an der Hand der Erwägungen, daſs
diese Kette, durch ihre Staffeln verstärkt, im entscheidenden Augenblick die wirkliche Kampflinie sein wird , auf welche man nur nach vorhergegangenem Einschiefsen und Verteilen des Feuers seine ganze Wirksamkeit
richten kann .
Aufser diesen taktischen Erwägungen
haben wir zur Unterstützung unserer Ansicht technische Gründe angeführt.
Diese wurden aus den bedeutenden Fortschritten in Bezug
auf die Treffgenauigkeit der Kanonen , die Regelmässigkeit der Zünder und das
praktische
Verfahren beim Einschiefsen
hergeleitet.
Eine eingehende Untersuchung der Gestalt der Garben zeigte uns dann, dafs die Wirksamkeit des Schusses ihr Maximum erreicht, wenn man Granaten mit offener Garbe anwendet, mittlerer Es
Sprengweite
war so
welche bei 40 m
40 m Frontlänge pro Geschütz
die Möglichkeit gegeben ,
bestreichen.
mit einer Batterie à 6 Ge-
schützen eine Frontlänge von 300 m, also die Gefechtsfront eines Bataillons wirksam unter Feuer zu nehmen . Auch vermochte man unter Beibehaltung desselben Richtpunktes und Anwendung verschiedener Aufsatzhöhen einen Raum von 100 m Breite und 800 m Tiefe zu beherrschen.
Zwischen
diesen beiden
äufsersten Grenzen kann
eine Batterie durch sachgemäfse Wahl der Richtpunkte und Aufsatzhöhen nach Belieben ihr Feuer verteilen. Nachdem wir vor allem
und Zeitzünder der Feldgeschütze .
51
bemüht waren , die Hauptwirkung auf die Front zu sichern, versuchten wir endlich auch die Erreichung einer Ergänzungswirkung in die Tiefe und fanden die Mittel dazu in einer Füllungsmethode,
welche
in Bezug auf Form, Gewicht und Verteilung der Sprengpartikel von der früheren abweicht. Unter
Voraussetzung
dieser Grundsätze
kann
man die Kon-
struktionsbedingungen des Shrapnels folgender Weise zusammenfassen :
Eine
Ein Wirkungsgewicht von 50-75 pCt. seines Totalgewichtes . mit der Gröfse des Kalibers wachsende Anzahl von Spreng-
stücken , wollen.
die wir für das 90 mm Kaliber auf 250-300 festsetzen
Eine in Bezug auf Gewicht , Form und Verteilung der Sprengpartikel derartig angeordnete Füllung ,
dafs
die ganze Sprenggarbe
aus mehreren koncentrischen Garben mit abgestuften Flugweiten zusammengesetzt ist, deren Kugelwinkel in dem Verhältnis abnehmen, wie die Flugweiten zunehmen. Ein totaler Kegelwinkel der Garbe , welcher sich mit der Zahl der Sprengstücke ändert und den wir für die Feldgranate auf ungefähr 50 Grad festsetzen wollen. Eine central gelagerte Sprengladung,
so grofs ,
dafs sie diesen
Streuungswinkel hervorbringt und kräftige , auf grofse Entfernungen wahrnehmbare Explosionen erzeugt. Ein dünner, schmiedeeiserner Mantel, welcher durch die Sprengladung leicht und vollkommen zerrissen wird ,
aber keinen Anlafs
zur Abnutzung der Seelenwände des Rohrs giebt. Endlich an der
Spitze des
Geschosses
eine Abflachung
55 mm Durchmesser und eine Weite des Mundlochs beides Abmessungen ,
welche
von
von 30 mm ,
im ersten Teil dieser Abhandlung für
die Herstellung eines guten Doppelzünders als notwendig erkannt sind.
Allgemeine Schlufsfolgerungen . Wenn sich in naher Zukunft die Ausrüstung unserer Batterieen mit Shrapnels bedingungen
und Doppelzündern , entsprechen ,
welche den
vollzogen hat ,
erwähnten Haupt-
so erleidet die Thätigkeit
und Wirkung der Artillerie auf dem Schlachtfelde eine solche Veränderung , dafs die Erfahrungen aus dem letzten Kriege kaum eine Vorstellung davon zu geben vermögen . Während die Bewaffnung der Infanterie seit 1870 wenig an Wirksamkeit gewonnen hat, sind von der Artillerie bedeutende Fortschritte in Bezug auf Schufsweite , Treffgenauigkeit ,
Wirksamkeit der Geschosse und Zünder gemacht .
Man kann deshalb dreist behaupten, dafs sich das frühere Verhältnis 4*
Allgemeine Betrachtungen über die Shrapnels und Zeitzünder etc.
52
in Bezug auf die Kriegsleistung dieser beiden Waffen beträchtlich zum Vorteil der Artillerie verändern mufs. Diese Überlegenheit wird um so deutlicher hervortreten, je mehr man die Mufsezeit praktische
des Friedens dazu benutzt,
Aneignung der
durch Studium und
der Natur unserer neuen Waffen ent-
sprechenden Schiefsregeln , der Artillerie die höchste Leistungsfähigkeit
zu sichern .
Wir haben
summarisch einige jener Regeln , die
a priori von theoretischen Erwägungen abgeleitet worden sind, kurz angedeutet.
Sie können selbstredend nur als ein erster sehr unge-
nügender Annäherungsversuch gelten, dazu bestimmt, als Ausgangspunkt für die wichtigen und zahlreichen Untersuchungen zu dienen , welche im praktischen Schiefskursus, und bei
Gelegenheit
in den Versuchskommissionen
der jährlichen Schiefsübungen der Artillerie-
brigaden vorgenommen werden.
Indem wir die schwerwiegende Sorge
für die Aufstellung der die gewöhnlichen Kriegsverhältnisse berücksichtigenden Schiefsregeln der zuständigen Behörde überlassen ,
be-
gnügen wir uns damit, die Aufmerksamkeit noch auf 2 Punkte von allgemeiner Tragweite zu lenken : Der erste besteht darin ,
dass die Artillerie mehr wie jemals
ein hervorragendes Interesse daran hat, dominierende Stellungen einzunehmen, weil sie nur so ihr Gesichtsfeld und damit das Feld ihrer Wirksamkeit zu erweitern vermag. Wo heutzutage die Artillerie sehen und beobachten kann ,
da ist sie auch zu einer hervorragend
wirksamen Thatigkeit berufen. Der zweite Punkt ist der ,
dafs sich die Infanterie nicht unge-
deckt
sie sich zeigt ,
darf sehen lassen .
Wo
kann sie durch ein
wirksames Shrapnelfeuer vernichtet werden und zwar weit über die Entfernung von 2000 m hinaus, welche durch Reglement vom 12. Juni 1875 als Gebrauchsgrenze für die demnächst die Grundlage unserer Munitionsausrüstung bildenden Shrapnels bezeichnet ist. Beide Erwägungen äufsern vielleicht einen solchen Einfluss auf die Prinzipien, welche gegenwärtig unsere taktischen Formen beherrschen, dafs diese eine teilweise Aenderung erfahren.
Gerhard David von Scharnhorst.
53
IV .
Gerhard
David von Scharnhorst.
Ein militärhistorisches Charakterbild .
Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition.
I.
Allgemeines .
Im Bereiche des Gewöhnlichen trennen sich Praxis und Theorie, Freisinn und Konservation, Politik und Kriegskunst stets mehr oder minder ; wo die Notwendigkeit sie zusammenfügt , wird doch immer je eines von ihnen vorherrschend und das andere untergeordnet sein. Dieser Regel entzieht sich nur der Aufserordentliche, welcher zu ganz freier Umschau emporgehen und sein menschliches Stückwerk doch annähernd abrunden kann . Er erhebt sich dann über die kleineren Unterscheidungen; für ihn giebt es kein isoliertes Wissen und keine Parteistandpunkte mehr ; sein Pflichtgefühl geht im Feuereifer und seine Erkenntnis in Thaten auf. Er verschmilzt auch die Weisheit des Friedens, um seinetwillen, mit derjenigen des Krieges ,
und ist
dazu angethan, groſsen Übeln abzuhelfen und grofse Fortschritte zu schaffen . Auf solch einer Höhe stand Gerhard David v. Scharnhorst , ein Hauptmotor seiner und ein Vorarbeiter der nachfolgenden Zeit, der preufsische Waffenschmied , von welchem die Dichter sangen , der seinen König ganz verstand und von Ihm ganz verstanden wurde. Er war als Soldat auch
zugleich Philosoph und Politiker ;
er ist
Schriftsteller und Organisator , und doch nicht minder ein Held der kriegerischen Praxis gewesen ; wir bekamen ihn aus fremdem Dienste, und doch wurde er der Schöpfer unseres neuen Heerwesens und Apparates, mit dem wir den Feind geschlagen, Preufsen und Deutschland frei gemacht haben. Wenn der Mensch im grofsen und ganzen durch seine Naturanlage bestimmt wird , so tragen fürs einzelne doch die Umstände seines Lebens , zumal diejenigen der Jugendbildung ,
viel
dazu bei,
Gerhard David von Scharnhorst.
54
ihn auf entsprechende Wege zu leiten.
Bei Scharnhorst geschah dies
im allgemeinen durch die Einfachheit und Zucht , Moral und Arbeit seines Vaterhauses ; Schaffen ,
durch sie
die Selbsterkenntnis
hat
er sich in das Gehorchen und
und Ausdauer,
das Wahrheits- und
Rechtsgefühl, welche ihn während seines ganzen Lebenslaufes charakterisierten, von der Wurzel auf hineingelebt. Seine Empfindungen wurden weder vom Notstande noch durch Überflufs verdorben ; ihn hemmte kein materielles Gegengewicht ,
und
durch zu viel Erziehung geschwächt und
sein Genie ist nicht
durch vorzeitige Freiheit
unfrei gemacht worden. Der Neigung und Anlage für den Kriegsberuf ,
welche Scharn-
horst schon früh zu erkennen gab, sind verschiedene Eindrücke seiner Jugendzeit zu Hülfe gekommen. Zumal schuf ein Geschichtsbuch der schlesischen Kriege ihm Bilder, und die Erzählungen eines invaliden Unteroffiziers , welcher die Schlachten Friedrichs mitgekämpft, führten erstere weiter aus. Gewann der geistvolle Knabe dort einen Zusammenhang des Geschehenen , so sind ihm hier die Musterhandlungen Friedrichs , Zietens Husarenstreiche und Seydlitz' Herkulesarbeiten in überraschenden Einzelcoups begegnet. militärisches Naturell zur Erscheinung ;
das
Das brachte sein
würde in anderen Be-
wandnissen ihn vielleicht zu ausschreitender Romantik geleitet haben, aber seine Anlage und Erziehung machten es fruchtbar ; das wendete Scharnhorsts Herz
schon in früher Jugend dem streitbareu Preussen
zu, welchem er sich nachher in der Fülle des Genies und an der Hand ernster Erwägungen ganz hingab . Scharnhorsts Lebensarbeit hat in seiner Lehre , seiner Kriegsthätigkeit und seinem Reorganisationswerke beruht. Diese Stücke bedingen sich und greifen in einander ; wenn man eines vom anderen abgrenzen wollte , so würde dies auf Kosten ihres inneren Zusammenhanges geschehen . Die Lehre , welche auch literarisch stattfand, ging hier von der Erfahrung des Krieges aus, und zielte wiederum auf denselben ;
Scharnhorsts Kriegsthätigkeit stand
auf dem Fundamente dessen, was er überhaupt, und zumal auch im Sein Reorganisationswerk ist eine Brücke Lehren, gelernt hatte . von Krieg zu Krieg , es nützt die Erfahrungen des ersten aus und bereitet den zweiten vor ; in ihm ist Praxis und Theorie, Politik und Begeisterung, Lehre und Literatur. Scharnhorsts Lehre hat nicht nur Helden vorgebildet, sondern auch grofse Gedanken, die zu eben solchen Handlungen werden sollten, angeregt ; seine Bücher sind nicht blos der Gegenwart , sondern auch der Zukunft gewidmet worden. Ebenbürtig stehen daneben die
Gerhard David von Scharnhorst.
55
im Zusammenhange der Reorganisation von ihm geschaffenen Memoriale ; all sein geistiges Vollbringen aber greift so weit und tief, daſs es nicht minder in die allgemeine
wie
speziell militärische
in die
Kulturgeschichte gerechnet werden mufs. Die Kriegsthätigkeit unseres Helden
war
an jeder
Stelle
mustergültig ; doch befand er sich, nach besonderer Schicksalsfügung, meist in so schwierigen Kriegslagen , persönlich und defensiv sein konnte. so und noch mehr im Kriege nahme.
dafs seine Sieghaftigkeit nur So war es 1794 bei Menin,
von 1806 ,
bis
zu seiner Gefangen-
Der Sieg bei Preufsisch-Eylau wurde ihm durch das nach-
herige Mifsgeschick verleidet, und derjenige von Grofs - Görschen liefs immer noch zu wünschen übrig. Bei Auerstädt wurde Scharnhorst zweimal, und am 2. Mai 1813 doch so verwundet, dafs es ihm infolge dessen nicht mehr vergönnt war, in die volle Glorie des Freiheitskrieges , welche er vorbereitet hatte, mit einzutreten . Das Reorganisationswerk
Scharnhorsts gründete
sich auf
dessen Erkenntnis der allgemeinen Zeitlage , sowie unserer Verhältnisstellung mit dem Gegner.
Das Vertrauen seines Monarchen stellte
ihn an die Spitze einer Reorganisationskommission ; in und mit dieser vollzog er eine Neubildung unseres
Heerwesens ,
zeitgemäfs und zweckentsprechend wie sie war, Wiederherstellung Preufsens
vorbereitete .
Seine
welche ,
den Sieg Prinzipien
und
so die
kamen
zur Geltung, ihn schreckte nichts zurück und widerlegte nichts ,
er
blieb taktfest und unermüdet. Scharnhorst leitete den Gang der Arbeit, bereitete vor und half aus ; seine Memoriale erschienen Stück für Stück, die meisten Bausteine wurden ihm verdankt, und die zerstreuten Elemente
sind gleichzeitig von ihm zusammengefasst ,
die
Formen gerundet , die Meinungsunterschiede ausgeglichen worden. Der König gab die grofsen Intentionen, und die Kommission entwickelte daraus Vorschläge, welche der Monarch prüfte ; nur was diese Musterung bestand, bekam dann Gesetzeskraft . So wurde von der Kommission durch Scharnhorst, und von Scharnhorst durch den Impuls und die Vollmacht ,
welche
ihm sein König gab , das grofse Werk
binnen fünf Jahren segensreich vollbracht. Durch die Art, in welcher unser Held sein Reorganisationswerk lebendig und wirksam machte, bekam auch das Nationalgefühl einen unvergleichlichen Anstofs, - und in den Probetagen unserer Erhebung von 1813 stand Scharnhorst, als Wortführer und Vorkämpfer, sehr hoch und in sehr hellem Lichte. Sein Name war in jedes patriotische Herz geschrieben, sein früher Tod hat unser ganzes Volk tief erschüttert ; aber seitdem verklang viel von der Begeisterung für ihn ,
Gerhard David von Scharnhorst .
56
und sein Nachruhm ist sogar an manchen Stellen geschädigt worden. Teils durch den Irrtum oder Neid Solcher, welche sein Verdienst schmälern , und in betreff dieses Vaterlandshelden die alte Geschichte von dem Ei des Columbus wiederholen wollten, teils durch den vom Idealismus und der ausschreitenden Freisinnigkeit ihm gespendeten Weihrauch. Scharnhorst war liberal, aber weder egoistisch noch auf einem Parteistandpunkte, sondern echt und allgemein ; nicht wider, sondern für den König , nicht zur Beunruhigung , sondern zum Heile des Vaterlandes .
Der militärische Fortschritt ,
humanen Geistes ,
welchen
er schuf,
aber zur Stärkung von Autorität und Disziplin ;
er rüstete unser konservierendes Preufsen gegen das
auch im Zu-
stande der Militärdespotie doch stets revolutionäre Frankreich. Genie strebte
war
die gemeinschädlichen Übel ,
welche
Sein
die französische
Revolution erzeugt hatte , abzuthun ; seine echte Vaterlandsliebe arbeitete überall der falschen Freisinnigkeit entgegen. Wenn jene Revolution vorerst ihre Gegner überwand, so erkannte Scharnhorst genau , dafs dies durch die Überlegenheit ihrer StreitDort die nationale Kraft und Begeisterung, mittel verursacht sei. hier bei uns ein schon ausgelebter Apparat, welcher mit der Nation wenig gemein hatte ; eine graue Theorie stand der lebensfrischen Praxis gegenüber.
Die Vertreter der ersteren muſsten mit all' ihrem
Rechte doch unterliegen , und diejenigen der letzteren mit all' ihrem Unrechte doch siegreich sein , - das lag in der Natur der Sache. Die hierauf bezügliche Erwägung
Scharnhorsts
war ganz militär-
politisch und traf den Nagel auf den Kopf: „ Wenn unser Heerwesen sich mit der Nationalkraft identifizieren läfst , so werden wir ,
vermöge
der deutschen Gründlichkeit und
Moral , dann noch viel siegreicher sein als die Franzosen . " Schon in diesem Gedanken sprach sich eine nur auf die Conservation und Ermächtigung des Vaterlandes spekulierende Freisinnigkeit aus . Der Geist seiner Vorlesungen war so liberal, wie es in der gesunden Vernunft und im Interesse des Heeres lag .
Seine echt mili-
tärische Volksbewaffnung und seine humane Fassung der Disziplin sind von der neuen Zeit acceptirt und vom Erfolge gekrönt worden ; alle späteren Heeresentwickelungen und Siege befinden sich in ihrer Konsequenz . Dafs Scharnhorst den sogenannten Tugendbund ablehnte , entsprach seiner Gesinnung und Berufsthätigkeit vollständig .
Wie hätte
seine Besonnenheit sich mit jenem Idealismus, sein offener Sinn mit
Gerhard David von Scharnhorst.
der Heimlichkeit und sein Patriotismus
mit
57
demjenigen ,
was
dem
Könige bedenklich , unserer systematischen Wehrbarmachung gefährlich schien, verbünden können ! Scharnhorst ist viel leichter und viel schwerer zu behandeln , als jeder geringere Ritter vom Geiste.
Leichter im Äufseren, da die
ganze Erscheinung hoch genug steht, um weithin anschaulich zu sein und in betreff ihrer
scharfen Umrifslinien kaum noch ein Zweifel
entstehen kann. Schwerer nach der Tiefe hin , und wo es sich um den besonderen Mafsstab für das Aufserordentliche handelt. Wer in Bezug auf Scharnhorst Werke schaffen will , braucht dazu tiefe Menschenkenntnis,
ein umfassendes kriegerisches Wissen und die ge-
naueste Bekanntschaft mit allen jener Zeit angehörigen Verhältnissen ; für eine Skizze wie die gegenwärtige reichen wohl Sorgfalt und Präzision, die sich doch aber auch dem schwereren Teile zuwenden müssen, aus . Der in Betracht stehende Lebenslauf ist zeiten unserer Kriegsgeschichte eingerahmt , von 1757 ging er empor, was über
Scharnhorsts
zwischen zwei Glanzdenn auf der Schwelle
und im Sonnenaufgange von 1813 unter ;
früheste Jugend
hinaus
in betreff seiner
zwischen diesen Grenzpunkten lag, ist Sorge und Arbeit unter dem Sterne des Genies gewesen. Seine Begeisterung für den Kriegsberuf leitete sich von Friedrichs Thaten und die Glorie des deutschen Freiheitskrieges wiederum von Scharnhorst ab, ― so hängen die Dinge der Welt an einander.
Der grofse König würde für Seine Erkennt-
nis neue Haltpunkte gewonnen haben ,
wenn Er den Findling von
Torgau, den zurückgesetzten Gebhard Lebrecht und den Dorfknaben von Hämelsee als die Faktoren hätte sehen können .
II.
des preufsischen Sieges von 1813
Jugend- und Lernzeit.
Gerhard Johann David Scharnhorst wurde am 10. November 1756 zu Hämelsee in Hannover geboren .
Sein auf eine kleine Pachtung
beschränkter Vater erschwang kaum das Notwendige, und die früheste Erziehung dieses Knaben konnte sonach nur durch die Dorfschule. und das Elternhaus bewirkt werden . Aber ein wirkliches Talent bedarf nur kleiner Hülfen , und das Haus, wenn es guten Geistes ist, formt den Grund des Charakters und selbst die Anfänge des Genies besser als das kunstvollste Pädagogium . Dieses Haus hier war überaus einfach , aber um so tüchtiger wurden seine Bewohner. Der Familienvater handhabte eine strenge Disziplin, dem Druck der Verhältnisse wurden Mut und Fleifs gegenübergestellt, jedes Glied dieser
Gerhard David von Scharnhorst.
58
Genossenschaft hatte seinen häuslichen Beruf und leistete mehr als es genofs .
Dies spartanische Haus , jene schon erwähnten Kriegs―bücher und der preufsische Veteran, sie bildeten zusammen immerhin einen guten Kursus , durch den Gerhard auf die eigenen Füſse gestellt, zur Arbeit und Selbstbeschränkung gewöhnt und militärisch angeregt wurde.
Der Kriegsberuf lockt wohl überhaupt die Jugend
an, die Romantik des herantrat
wie
hier ,
siebenjährigen Krieges auch jeden
würde ,
wenn sie so
anderen Knaben begeistert haben,
aber doch meist nur als flüchtiges Jugendspiel . Bei Scharnhorst war das anders , denn sein militärischer Trieb zeigte sich ernsthaft und beharrlich ; wo die Vorsehung über einen Geist bestimmt , rüstet sie ihn auch im Sinne ihres Vorhabens. Der junge Gerhard wünschte Soldat zu werden , aber seine Eltern erklärten sich dagegen. Das Offiziertum ist für einen bürgerlichen und unbemittelten Jüngling derzeitig kaum erreichbar, in der Masse würde er verwildern ; die Naturanlage Gerhards ist noch nicht erkannt , und sein Wunsch gilt vorerst nur für eine Jugendthorheit. Sein Vater will ihn durch Arbeit und Genügsamkeit glücklich machen ; die Sorge und Hoffnung, welche ersterer an einen schwebenden Erbstreit knüpft, soll auf den in Sohn vererbt werden. Dieses Programm durchgeführt ,
seine
wurde bis
dann aber änderte
eigensten Fußstapfen
tretenden
zu Gerhards fünfzehntem Jahre sich die Sachlage.
Der erwähnte
Erbstreit kam 1771 günstig zu Ende , und da hiermit die Familie Scharnhorst das Rittergut Bordenau an der Leine gewann , so verbesserte dies ihre Umstände sehr wesentlich. Gerhards war jetzt nicht mehr unmöglich ,
Eine Offizierlaufbahn
und da dessen Neigung
sich inzwischen bewährt, seine Berufsanlage kennbar gemacht hatte, so fiel mit dem äuſseren auch das prinzipielle Hindernis , und Gerhards Eltern willigten ein, ihren Sohn Soldat werden zu lassen ; Wie und Wo liefs sich noch nicht bestimmen.
nur das
Aber der neue Wohnort brachte auch das schnell zur Entscheidung. Die Nachbarschaft interessierte dieser Familie ,
sich für den
hoffnungsvollen Sohn
und der berühmte Graf Wilhelm
burg - Lippe - Bückeburg wurde auf Gerhard dessen soldatische Lust und Anlage aufmerksam .
zu Schaum-
Scharnhorst und Er fand alsbald
den goldenen Kern dieses Jünglings und nahm ihn am 1. Juli 1772 als "" Kadett" in seine Kriegsschule zu Wilhelmsstein . *) Dieses Faktum leitete Scharnhorst in seinen Beruf. Der neue
*) Damals mustergültige kleine Festung im Steinhuder Meer .
Gerhard David von Scharnhorst. Zögling brachte jener Anstalt mit der Liebe
59 zu den Waffen auch
seinen forschenden Geist , mit dem anerzogenen Arbeitstriebe und Stoicismus auch seine unentnervte Lebenskraft. Die Militärschule ihrerseits befriedigte, schon als solche, sein Verlangen ; aufserdem aber ist durch ihre Eigenart die seinige ganz speziell entwickelt worden. Graf Wilhelm ging bei allem, was er that, von der Erfahrung aus ,
und
bildete
sich demnach seine Theorie nur aus der Praxis ;
hiermit aber gewann er den unschätzbaren Vorteil, mit seinem Können nie hinter dem Wissen und Wollen zurückzubleiben . Diesen Grundsatz
drückte
auch
die
von ihm gestiftete Kriegsschule aus ;
ihr wissenschaftlicher Unterricht war durchweg auf das wirkliche Bedürfnis
gegründet und ging mit dem praktischen Militärdienste
zusammen.
Artillerie und Ingenieurtum standen, weil in ihnen ganz
speziell die Praxis zur Wissenschaft und die Wissenschaft zur Praxis gravitiert, im Vordergrunde ; die erste Klasse des Institutes entsprach dem Kanonier, die zweite dem Unteroffizier und in der dritten wurden Portepeefähnriche für das Offiziertum geschult.
Der wissen-
schaftliche Unterricht der Zöglinge ging mit ihren praktischen Übungen Hand in Hand ; sie standen schon in wirklichem Dienst und Solde ,
und wenn die Disziplin , der man sie unterwarf , streng
war , so wurde sie doch durch humane und höhere Ansichten bestimmt. Scharnhorst äufserte Schule ; sie wurde Humanität.
Wo er,
lingen nachstand , flügelt worden . für
ihn ,
bemüht ,
sich
nachmals
ein mächtiger Hebel als Dorfschüler,
sehr günstig
über
diese
seines Genies und seiner
den besser vorbereiteten Zög-
sind diese doch bald von ihm erreicht und über-
Auch interessierte sich Graf Wilhelm ganz speziell
liefs ihm noch besondere Lektionen angedeihen ,
und war
den zu schroffer Abgeschlossenheit neigenden Geist seines
Lieblings durch Eindrücke klassischer Poesie zu mildern .
Nach vier
Jahren voll Anstrengung und Genufs kam Scharnhorst auf den Gipfel dieser Schule ; ―― aber da starb auch sein Wohlthäter und ihn traf hiermit eine erste und gleich sehr harte Prüfung.
Sie griff tief in
sein Herz, aber seine Flügel wurden nicht mehr gehalten , sein bereits anschaulicher Wert öffnete ihm sehr bald den Weg zum hannoverschen Kriegsdienste . Der General v. Estorf nahm ihn 1777 in sein eigenes Dragonerregiment, welches zu Nordheim bei Göttingen in Garnison lag ; hiermit begann Scharnhorsts eigentliche Dienstlaufbahn , bereits in militärischer Praxis gewesen war ,
obgleich er
und nach seiner artil-
leristischen Vorschule jetzt schon in die zweite Waffe einging .
Gerhard David von Scharnhorst.
60
Auch diese erfafste er voll und ganz ; seine Präzision im Dienste liefs nichts zu wünschen übrig ,
und gleichwohl arbeitete er rastlos
an seiner inneren Fortbildung , vertraute ihm
selbst jüngere Offiziere
Das
Man
die Information der Unteroffiziere und „Cadets " ; ja
schaftliche Arbeiten gingen.
sowie an derjenigen Anderer.
wurden von ihm unterwiesen und wissen-
vollbracht ,
alles that seiner
die
später in die
Öffentlichkeit
Praxis im Sattel keinen
Eintrag.
Solche Resultate entsprangen nur aus seiner Theorie vermöge der Praxis und seinem Genie mit der Anstrengung ; darauf begründete sich sein
allseitiges Gleichgewicht ,
welches ihm die Anerkennung
von oben herunter ebenso reichlich einbrachte , wie diejenige von unten herauf. Nicht minder schuf es ihm durchs Lernen im Lehren , durch Umschau
und
Dienstbeeiferung
bei
Forschung bei
solcher Jugend ,
solcher Wissenschaftlichkeit ,
militärischen Fortschritt.
durch stete
den
wirklichen
Für diesen Offizier war schon damals , in
seiner Berufssphäre nichts so klein , dafs er es nicht wert gehalten, und nichts so grofs , dafs er nicht danach gestrebt hätte . Hiermit bricht die Jugend- und Lernzeit unseres Helden noch nicht ab , - in sie mufs vielmehr auch sein literarischer Frühling und seine
erste Waffenprobe
mit
eingerechnet
werden .
Ersterer,
weil durch seine Produkte der geistige Wert dieser Jugend erst voll beleuchtet wird ; letztere, weil sie in Betreff des Krieges sein erster Kursus, eine militärisch wichtige , ja wohl seine wichtigste Lernzeit war.
Die Jugendschule
grofser Männer braucht weiterer als
der
sonst gewöhnlichen Linien, weil sie für ihre Riesenarbeiten Aufserordentliches vorzubereiten hat. Scharnhorst's Leistungen und Kenntnisse sprangen so sehr hervor, dafs er 1780 als Lieutenant in das Artillerieregiment zu Hannover versetzt und mit Ausarbeitung eines Organisationsplanes für die dort neu zu errichtende Kriegsschule beauftragt wurde. Diese letztere gestaltete sich dann, nach dem Vorbilde von Wilhelmsstein, zu einer wirklichen Musteranstalt, und Scharnhorst, der an ihr, von 1782 ab , elfjährig als Lehrer gewirkt hat , sorgte in dieser langen Dauer dafür, das Wissen , welches sie schuf, stets mit dem Können, ihre Form mit dem Stoffe, und ihren humanen Geist mit der Disziplin richtig zu proportionieren . In dieser pädagogischen Zeit sprach sich überdies Scharnhorsts Geist durch mehrere belangreiche Schriften aus, die teils von seinem damaligen Berufe Ereignisse
abgeleitet ,
verfasst waren.
teils in Hinblick auf die kommenden Sie geben für die Beurteilung
dieser
durch Wissenschaft und Gedankenwert bestimmten Jugend die festesten
Gerhard David von Scharnhorst.
Haltpunkte , -
um
so fester ,
61
als sie aus seinem Innersten heraus
and in die Öffentlichkeit gingen . Vorerst erschien 1787 und bis 1790 sein Handbuch für Offiziere ; er schuf damit vorerst einen seiner Militärschule gewidmeten Leitfaden, der, aus ihren Bedürfnissen entsprungen, sehr bald festen Boden gewann und in die weitesten Kreise drang. Dieses auch jetzt noch kaum übertroffene Lehrbuch der Kriegswissenschaften wurde 1804 u. s . w. , ja selbst nach dem Tode des Autors noch mehrfach neu aufgelegt . *)
1788 begann unter seiner Leitung das „ Neue mi-
litärische Journal " , welches späterhin auch den Titel : „ Militärische Denkwürdigkeiten " führte, **) und , wenn er in jenem vorerst ein Interesse für die ursprünglichen Intentionen der französischen Revolution kundzugeben schien, so ist dies an mancher Stelle mifsverstanden worden. Er erwartete von jenen ersteren eine Abhülfe grofser Verwirrungen und Nothstände unseres Nachbarreiches ; als es aber sehr schnell klar wurde , dafs die scheinbare Hülfe viel schlimmer war als das abzustellende Uebel, da hat Scharnhorst gegen jene
politische Umwälzung Front gemacht und gegen sie und das ,
was aus ihr entsprang, all' sein Wissen und Können ins Feld geführt. 1792 erschien Scharnhorsts " Militärisches Taschenbuch zum Gebrauch im Felde " , welches, im Hinblick aufsen herantretenden Ereignisse , Zeit befriedigte,
eine
auf die
von
militärische Forderung der
und dem deutschen Offizier, in Betreff seiner feld-
dienstlichen Obliegenheit, eine solche Anleitung gab, wie er sie bisher noch nicht gehabt hatte.
Dieses
dann mehrfach und in schneller
Aufeinanderfolge neu aufgelegte Buch behauptet seinen Rang in der Militärliteratur noch jetzt und kann zu den klassischen gezählt werden ; wer kann bezweifeln, dafs durch solche die Praxis bestimmende Schriften jedem Heerwesen noch belangreicher als selbst mit hervorragenden Kriegshandlungen gedient Scharnhorsts „Unterricht des
wird !
1793
endlich
erschien
Königs von Preufsen *** )
an
die Generale Seiner Armee , vermehrt durch die vom Könige
später hinzugesetzten Instruktionen und erläutert
durch Pläne und Beispiele " , und dieses,
welches seiner schon
ursprünglichen Pietät für den grofsen König Ausdruck gab, markierte auch zugleich den Endpunkt seiner bisherigen Lehrthätigkeit. *) Der vollständige Titel lautet : „Handbuch für Offiziere in den verwendbaren Teilen der Kriegswissenschaften " , vorerst 3, dann 4, schliefslich sogar 6 Teile. **) 1797 mit dem fünften Bande. ***) Friedrichs des Grofsen.
Gerhard David von Scharnhorst .
62
1785 hatte sich Scharnhorst verheirathet *),
1792
war er zum
Stabskapitain befördert worden ; im Jahre 1793 sollte er zum ersten Male die Vorbereitung auf den Krieg gegen diesen selbst umtauschen .
Zu dieser Zeit rückten , dem siegreichen Frankreich gegenüber, auch die Hannoveraner, in deren Reihen Scharnhorst jetzt als Chef einer reitenden Batterie stand,
ins Feld.
Als , nach einem Winter-
lager, am linken Ufer der Lys , ihre Kriegsoperation von 1794 begann,
befand sich unser Held bei einem vom Generalmajor von
Hammerstein befehligten kleinen Truppenkorps , welches die Festung Menin **) besetzen mufste . Hier überwand sein Genie alle Schwierigkeiten der Vertheidigungsfähigkeit dieses Platzes,
und
als letzterer von zehnfacher Uebermacht umschlossen und jedes Mittel seiner Behauptung erschöpft war, sich heldenmüthig,
schlug dieses kleine Detachement
nach Scharnhorsts Entwurfe ,
und erreichte Brügge .
durch den Feind
Wenn diese Aktion, durch contraire Zufällig-
keiten gehemmt, mit schweren Opfern vollführt war, dies um so verdienstvoller ,
so machte sie
und der in ihr beruhende Sieg in der
offensiv formierten
schwierigsten Defensive ist zumeist Scharnhorst
verdankt worden .
Er selbst äufserte sich in seiner diese Kriegs-
handlung betreffenden Schrift ***) sehr eingehend und objektiv, doch mit Uebergehung seines eigenen Verdienstes ; dieses letztere ist aber von den Generalen v. Hammerstein und Graf v. Wallmoden in solcher Weise gerühmt worden †) , dafs der König von England ihn durch Verleihung eines Ehrensäbels und die Beförderung zum Major im Generalstab belohnte . Im weiteren Verlaufe von 1794 machte Scharnhorst, noch als Kapitän, bei Hammerstein einige Gefechte an der Dommel mit ; 1795 befand er sich zuerst als Major im Stabe Wallmodens und im Oktober dieses Jahres wurde bei Nymwegen ein Detachement leichter Infanterie von ihm geleitet. Bis zum Tilsiter Frieden . Auf den Kriegssturm folgte in diesem Lebenslaufe wieder das Studium. Der Baseler Friede war unterzeichnet, auch Hannover *) Mit der Schwester seines ältesten Jugendfreundes, des nachher in Berlin lebenden Geheimen Rats Professors Schmalz, eines berühmten Juristen. **) Am linken Ufer der Lys, zwischen Courtrai und Werwik der Provinz Westflandern. ***) „ Die Verteidigung der Stadt Menin und die Selbstbefreiung der Garnison unter dem Generalmajor v. Hammerstein ," von G. von Scharnhorst. †) Wallmodens bezügliches Urtheil teilen wir im Schlufskapitel mit.
Gerhard David von Scharnhorst. schob
sein Schwert in die Scheide,
63
und Scharnhorst dachte dem-
jenigen was geschehen , und der Nutzanwendung, die daraus zu ziehen war, ernstlich nach . *)
Wie hat doch der überraschende Sieg dieses
vorher miſsachteten Frankreichs alle Geister verwirrt, wie neigte man sich zu überschwänglichen Annahmen, nahe
lag !
Eine
wo doch die Erklärung ganz
solche gab Scharnhorst schon mit der diesen Ge-
genstand betreffenden Abhandlung , seines militärischen Journals eröffnete.
welche 1797 die neue Folge " Wenn eine ganze Reihe
von Feldzügen dort gewonnen und hier verloren wird , so mufs dies auf allgemeinen Ursachen beruhen. jenseits
die französischen Emigranten ,
Diese sind .
welche uns
falschen Voraussetzungen und Mafsregeln leiteten , tionalstolz
und
Verzweifelung ,
die unseren Gegner zu
aufserordentlichen Anstrengungen trieben ; der ganzen Nationalkraft in den Kampf, geographischen Lage , schritte ,
ihre
Schablone ,
zu Na-
ihr Einsatz
die Gunst ihrer
ihr Vorsprung militärischer Fort-
mindere Abhängigkeit von Vorurteil und
ihre jüngere Führerschaft u . a. m.
Was
uns
betrifft , so sind vorerst durch Uneinigkeit unsere Kräfte zersplittert und durch Parteihafs unsere Einsichten verblendet worden .
Unsere geworbenen Heere kamen gegen
das Vermögen einer ganzen Nationalkraft nicht auf , und wir unterschätzten nicht nur überhaupt jenen Gegner , sondern auch die Macht der bei ihm entfesselten Leidenschaften und die ganze historische Tragweite der französischen Revolution. Wenn unser Feind durch geographische Vorteile unterstützt war , so hätte es gegen ihn einer besser vorbereiteten und planmäfsigeren Kriegführung bedurft ;
wenn im jenseitigen Heerlager jeder be-
sondere Umstand , und zumal der französische Nationalcharakter , eine zweckentsprechende Berücksichtigung fand , so hätten die Verbündeten sich umso weniger auf unwandelbare Regeln und alte Systeme steifen sollen. Auch die Politik der Verbündeten griff fehl , ihre Operationspläne u. s. w.
und Heerführungen waren zu differierend
Kurz ,
es braucht einer anderen Organisation .
und Kriegführung ,
um die deutschen Heere , Frankreich
gegenüber , siegesfähig zu machen . " Wäre diese Aussprache
berücksichtigt worden,
so
hätte
*) Er war zu dieser Zeit Oberstlieutenant im Generalstabe zu Hannover.
das
Gerhard David von Scharnhorst.
64 Ströme von
Blut erspart und schweren Verhängnissen vorgebeugt,
aber die Stimme eines tief Gepflanzten
effektuiert nicht,
und
zur
Fortschaffung alter Systeme reichen überhaupt Stimmen und Mahnungen selten aus, dazu braucht es vielmehr aufserordentlicher Fakten. Die Feldzüge von 1796 bis 1800 belehrten Scharnhorst immer
mehr, dafs der französische Kriegsgeist in seine Fülle getreten und das Vorhaben der Revolution von demjenigen einer gegen ganz Europa offensiven Militärdespotie verdrängt war. Ein begabter Emporkömmling ergriff die nationale Strömung Frankreichs und beutete die Schwächen seiner Gegner aus ; Sieg um Sieg hoben ihn, vermöge der Eitelkeit und Ruhmgier seines Volkes, immer höher empor, und dem gegenüber hatte der deutsche Kaiser 1801 im Friedentraktate von Luneville erklärt ,
dafs er das allgemeine deutsche Interesse dem-
jenigen Österreichs unterordnen müsse. Was war und vermochte in solchen Umständen noch Hannover? es war der Eroberung oder dem Ländertausche preisgegeben, und ein freier starker Geist wie derjenige Scharnhorst's , der, auf ganz Deutschland bedacht , sich zu Grofsem berufen fühlte , fand dort kein Arbeitsfeld mehr. Scharnhorst wurde durch solche Erwägungen bestimmt 1801 aus dem hannöverschen in den preuſsischen Kriegsdienst überzugehen ; nur dem preuſsischen Staate , der in Deutschland noch aufrecht stand , und den ja schon Friedrich der Grofse zum Schwert und Schilde deutscher Gerechtsame gemacht, konnte die zur Wiederherstellung des allgemeinen Vaterlandes nötige Kraft zugetraut werden , und unser Held wollte , dem Zuge seiner Bestimmung folgend , wie St. Christophorus einem mächtigeren Herrn dienen. Als er, durch Vermittelung des Herzogs von Braunschweig, mit einem Patent vom 14. Juni 1800 in den preufsischen Heeresverband trat , wurde er als Oberstlieutenant vorerst dem in Berlin garnisonierenden 3. Artillerieregimente zugeteilt ; 1804 ging er, zum Oberst befördert und
nachdem
ihm der Adel verliehen worden, in
den General - Quartiermeisterstab über ,
und die Rangliste von 1806
nennt ihn als General - Quartiermeister - Lieutenant und „ Directeur" der Akademie
für junge
Offiziere ,
nebst dem Lehrinstitut für die
berlinische Inspektion . *) Dafs ihn das Unglück traf 1803 seine Gattin durch den Tod zu verlieren, mufs zu denjenigen Prüfungen gezählt werden ,
welche , gerade als solche ,
die Seelenstärke wert-
voller Menschen noch zu erhöhen geeignet sind .
*) Stammliste aller Regimenter und Corps der Königlich preuſsichen Armee für das Jahr 1806 S. 192.
Gerhard David von Scharnhorst.
65
Scharnhorst genofs zu jener Zeit schon eines bedeutenden Rufes , aber gleichwohl liefs ihn sein militärischer Rang noch zu keinem eigentlichen Faktor für die ersten Anfänge einer schon von 1806 versuchten Heeresreform
werden ;
wäre
er für diese in Anspruch ge-
kommen ,
so würde es ihm damals , wo der Gegendruck der alten Schule noch zu grofs war, kaum besser gegangen sein, als dem geist-
vollen Major v. Knesebeck mit seinen Vorschlägen. Scharnhorst's Zeit und Stichwort waren eben noch nicht gekommen. Aber durch die 1803 von ihm begonnenen Vorlesungen für Offiziere kam doch so viel Geist und Wahrheit zum Vorschein, dafs dadurch seine Begriffsweise und Einsicht scharf beleuchtet wurde, und ihn
infolgedessen
Anerkennung und
Gegnerschaft
schon auf
einen sehr markierten Standpunkt hoben. Wenn er einen Generalstab will , „ der das Organ , nicht das Orakel des Feldherrn ist , der nicht aus
erhabenen Sonderlingen , sondern aus
verständigen ausrichtsamen Leuten mit genügender Praxis und Theorie , Umsicht und Findigkeit besteht etc. " - wer kann etwas dagegen sagen? wenn er meint , " dafs im Kriege nur für den Zweck aber nicht
durch Sorglosigkeit und
verkehrte Mafsregeln Menschen geopfert werden dürfen “ , -wer sollte das nicht richtig finden ! Dennoch ist Scharnhorst durch solche Anschauungen mit der alten Schule veruneinigt worden ; unter denjenigen aber ,
welche ihm eine verständnisvolle Aufmerksamkeit
widmeten, stand König Friedrich Wilhelm III. in erster Reihe.
Dieser
Monarch besafs die Eigenschaft jedem Standpunkte seinen richtigen Mann
zu finden , und da Ihm in Scharnhorst nicht nur eine ungewöhnliche Einsicht und Produktionskraft, sondern auch manche Seiner Eigensten Intentionen begegnete , so suchte Er ihn in eine spielräum-
lichere Bahn
zu leiten ,
und fühlte
wohl
schon damals vor, dafs
Scharnhorst erst Schwung in den Generalstab bringen und zu seiner Zeit überhaupt diejenigen Heeresfortschritte ermöglichen würde, welche Er, der König, schon damals im Herzen trug. Dennoch konnte Scharnhorst vor dem unglücklichen Kriege und während desselben immer nur einzelnes
leisten ,
zu einem
durch-
greifenden Einflusse auf das Ganze unseres Heerwesens gelangte er noch nicht. Der König konnte eben mit dem alten Systeme und Denen, die es trugen, noch nicht ganz brechen , und Seine Bescheidenheit, die Ihn da, wo es sich um eine Verletzung historisch- sanktionierter Personen
und Gebräuche handelte ,
mit Seinem Eigenen
Selbst am wenigsten durchgreifen liefs, hielt Ihn eben auch, diesseits des Krieges , noch von einer solchen Bevollmächtigung Scharnhorst's 5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Gerhard David von Scharnhorst.
66
zurück , wie sie geeignet gewesen wäre,
das Genie desselben ,
im
Interesse des Vaterlandes , schon früher zu seiner vollen Geltung zu bringen.
Wie die Lage von 1806 war, brauch hier nicht wiederholt werden ; wohl aber dient es zur Charakteristik Scharnhorst's, diejenige Meinung zu vernehmen, welche er, in Bezug auf unsere Stellung zu den Zeitereignissen, schon 1805 , nicht öffentlich , aber im vertrauten Kreise aussprach . Wir
stehen
gegenwärtig
vor
einem
Scheide wege *)
und wenn die noch intakten Staaten bezüglich ihres Auftretens gegen Napoleon sich voll einigen , so müssen wir , so des Ruhmes als des Vorteils wegen , ins Vordertreffen ; hält aber diese Koalition nicht fest zusammen , dann ist
es bedenklich.
Verbänden
gegen die Koalition , so Deutschlands rauben , nie mehr.
wir uns mit Frankreich ,
müfste uns
und
dies
das Vertrauen
diesen Feind überwänden wir
Unser Heil liegt vorerst darin , dafs wir rüsten
und gegen jeden französischen Einflufs feststehen ; aber Oesterreich
den Krieg
an Frankreich
wenn
erklärt ,
so
mufs unsererseits sogleich gegen Napoleon losgeschlagen werden.
Geschieht das nicht, so kommt er uns im näch-
sten Jahre auf den Hals , und woher dann Hülfe ?" Leider kam es so , wie er befürchtete . Als das neutrale Anspach'sche Gebiet verletzt war , hielt Scharnhorst den Krieg für unvermeidlich, fürchtete aber unser Zuspätkommen ;
als man dann,
erst nach Abschlufs des Prefsburger Friedens , von aller Hülfe entblöfst , gegen das übermächtige Frankreich losging , mufste einem Kriegspolitiker, wie Scharnhorst war,
wohl bereits der Erfolg sehr
zweifelhaft sein ; um so mehr ersehnte er aber die äusserste Anspannung unseres Kraft- und Kunstvermögens . Er konnte sie nur ersehnen , Vorkehrungen zum Kriege
denn seine Stellung war für die
und die Operationen
selbst noch
nicht
mafsgebend genug ; ihm und den anderen Rittern des neuen Geistes, welche nachher die Führerschaft von 1813 bildeten , blieb 1806 , in ihrer damaligen Subordinierung, nur übrig, sich auch ohne Hoffnung heldenmütig zu schlagen.
Scharnhorst
befand
sich
im
September
1806
zuerst
beim
*) Bei der Nachricht von dem Konzerttraktrat zwischen England und Rufsland vom 11. April 1805, um Frankreich in seine alten Grenzen zurückzutreiben.
Gerhard David von Scharnhorst.
67
Rüchel'schen Corps und wurde von diesem zu dem vom Herzog von Braunschweig befehligten Hauptheere versetzt , wo er als zweiter Generalquartiermeister fungierte. Er besafs nicht die Gabe, sich schnell Eingang zu verschaffen , differierte in seinen Kriegsansichten mit dem ersten Generalquartiermeister , und konnte bei dem Oberfeldherrn , der die alte Zeit und Schule vertrat , ebenso wenig ein Verständnis finden. In der Schlacht von Auerstädt that Scharnhorst sein Äufserstes und ist zweimal leicht verwundet worden ; als , nachdem schon die Verwundung des Herzogs von Braunschweig stattgefunden und unsere Gefechtslage sich ungünstig gestaltet hatte , im vierten Momente der Schlacht die Brigade des Prinzen Heinrich zur Unterstützung des linken Flügels unserer Schlachtlinie vorging,
und sich
der Prinz durch das vom Feinde genommene Dorf Poppel durchzuschlagen suchte , wurde sein Pferd erschossen und er selbst beim Sturze schwer verletzt.
Scharnhorst gab
ihm
sofort sein eigenes
Pferd, und man sah nun diesen Stabschef das vom Feinde okkupierte Dorf zu Fufs und mit einer Muskete in der Hand passieren . *) Scharnhorst
selbst
sagt in
einem an den
Oberst
v.
Kleist,
Generaladjutanten der Infanterie, gerichteten Schreiben vom 20. Oktober 1806 : **) Ich bin auf dem linken Flügel ,
von
anfang an , be-
ständig in und vor dem ersten Treffen gewesen und habe alle Anordnungen hier im Namen des Herzogs von Braunschweig getroffen . Ich habe die Infanterie einmal vorgeführt , den Feind bis
übers Schlachtfeld hinaus zweimal
hinausgetrieben und so das Schlachtfeld behauptet , bis der rechte Flügel völlig geschlagen war etc. - - Ich habe mein Pferd in der Schlacht verloren und eine Wunde in der linken Seite erhalten , die nicht
bedeutend
ist ,
mir
aber dennoch jetzt sehr beschwerlich wird . " Sein Bericht über die Schlacht von Auerstädt ***) giebt inbetreff dieser
die gediegenste Auskunft .
In
seiner sehr prägnanten Er-
örterung der Operationen , welche die Schlacht herbeiführten , accentuiert er einerseits , ,„ dafs die inneren Verhältnisse der preufsischen Armee keinen günstigen Erfolg zuliefsen , " andererseits,,, dafs die Art , wie der Herzog von Braunschweig das Kommando der Armee betrieb ,
eine
so schnelle Ausfüh-
*) E. v. Höpfner: Der Krieg von 1806 und 1807 I. ( 1 ) SS . 454 ff. , 458, 460, 461 , **) G. H. Pertz : Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt v. Gneisenau I. (Beilagen) SS. 252 und 254. ***) Pertz, cit. I. (Beilagen) S. 553-667. 5*
Gerhard David von Scharnhorst.
68
rung , wie sie bei dem Abmarsche nach Auerstädt und der Saale notwendig war , nicht gestattete. " Am Schlufs seines Berichtes über die Schlacht selbst sagt Scharnhorst sehr bezeichnend : „ Mangel an gegenseitiger Unterstützung hat nicht blos den Verlust der Schlacht und den Rückzug , sondern auch die Unordnung der Infanterie auf dem Rückzuge nach dem Eckartsberge herbeigeführt , und dadurch es unmöglich gemacht , dafs die Armee sich von neuem dem Feinde widersetzen konnte. " Auf dem Rückzuge nach Sömerda schlofs sich Scharnhorst zu Nordhausen an die Kolonne Blüchers und blieb bei dieser als Stabschef,
bis
erlag .
auch sie einem nicht mehr aufzuhaltenden Verhängnisse
Der reguläre Rückzug und präzise Zusammenhalt dieses Korps,
sowie die geschickte Führung desselben,
der im Einzelnen noch
manche gute Kriegshandlung zu verdanken war , beruhte wesentlich mit auf ihm, und Lübeck, dessen Verteidigung er trefflich angeordnet hatte, wurde am 6. Novembar 1806 nur aus Grund eines von seinen Anordnungen unabhängigen Versehens
vom Feinde
erstürmt.
Bei
dieser Gelegenheit fiel Scharnhorst in Gefangenschaft ; da aber am 3. November in dem nicht unglücklichen Arrièregardengefechte bei Kriwitz ein französischer Oberst gefangen und eine Auswechselung schon von den Franzosen selbst in Vorschlag gebracht worden war, so kam unser Held noch vor der am 7. November erfolgten Ratkauer Kapitulation des Blücherschen Korps wieder in Freiheit. Dies machte es ihm möglich, zu dem noch intakten Teile des preufsischen Heeres , welcher , mit einem russischen Hülfscorps vereinigt, am rechten Weichselufer stand und von dem General- Lieutenant v. L'Estocq befehligt wurde, zu gelangen ; er wurde dessen Stabschef und kam mit diesem noch aus der Schule Zietens stammenden Truppenführer in ein sehr gutes Einverständnis . Hier, in diesem neuen Verhältnis lagen die Umstände so , dafs die jeder Strategie ohnedies stets nötige Politik doppelt in Anspruch kam ; der Stabschef L'Estocqs mufste schon aus Grund unseres dermaligen Zusammengehens mit den Russen sein politisches Talent zur Geltung bringen. Die Uebelstände der Gegenseitigkeit sämtlich auszugleichen vermochte er allerdings nicht, und ebenso wenig war eine Abhülfe aller, oder auch nur der meisten Unzuträglichkeiten , welche die Heeresleitung des Partners herausstellte , thunlich ; aber Scharnhorst erreichte doch , nach diesen Richtungen hin, teils durch L'Estocq, teils durch direkte Einwirkung auf den ihm persönlich zugethanen russischen Oberbefehlshaber , manches Wertvolle. So
Gerhard David von Scharnhorst.
69
gelang es ihm , das preufsische Truppencorps ganz
selbständig und
als einen nur im Sinne der preufsischen Politik operierenden Kriegsfaktor zu erhalten u. a. m.; freilich wäre viel mehr effektuiert worden,
wenn man die Russen hätte zu einer regeren Offensive brin-
gen können.
Seinen in diesem Feldzuge besten,
und zwar einen
absolut militärischen Erfolg hatte Scharnhorst vermöge der glänzenden Aktion,
welche
er dem preufsischen
durch dessen Beteiligung Eylau erwirkte.
bei
der
Corps am 8. Februar 1807
Schlacht
von
Preufsisch
Das verbündete russisch-preufsische Heer ging am 18. Januar 1807, von Osten her,
gegen die Alle offensiv vor und kam über
diesen Flufs hinaus bis Mohrungen ; hier aber bewog der feindliche Gegendruck das russische Heer, bis Preufsisch Eylau zurückzugehen , und nur L'Estocq bewegte sich, um mit Graudenz in Verbindung zu treten, noch bis Freystadt, war aber hier allerdings sehr exponiert. Er musste auf Mohrungen zurück, büfste seine Vorpostenbrigaden gröfstenteils ein und konnte nur durch äufserste Umsicht und Anstrengung und unter unaufhörlichen Gefechten und Nachtmärschen. am 8. Februar Preufsisch Eylau
erreichen .
Hier war schon
am
7. Februar das russische Heer durch Napoleon engagirt worden, und da ihn noch Davoust verstärkte, so kam ersteres gegen eine beträchtliche Übermacht in Nachteil.
Die Russen standen, nachdem
der Kampf am 7. ohne Entscheidung geblieben, mit der Front gegen Südwest, so aufgestellt , dafs ihr rechter Flügel an das Dorf Schloditten, der linke an die Dörfer Klein- Sausgarten und Serpallen gelehnt war ;
in
gaben sie
dieses freiwillig
ihrem Centrum befand sich Preufsisch Eylau , doch auf.
Als am 8. Februar Mittags das
preufsische Corps über Althof nach Schloditten gelangte,
war der
russische linke Flügel schon von Davoust zurückgedrängt und umgangen worden ; die russische Schlachtordnung stand bereits zwischen zwei Feuern und es kam für L'Estocq jetzt darauf an , diese Umgehung Seitens der Franzosen unwirksam zu machen . Zweck marschierte er ,
Für diesen
vom rechten Flügel der Russen aus ,
ihrer Schlachtlinie auf Kutschitten,
hinter
welches Davoust schon besetzt
hatte, und traf hier Nachmittags um 3 Uhr ein.
Scharnhorst, welcher
seinen General zu dieser Bewegung veranlafst hatte und also deren intellektueller Urheber war, erkannte sofort, dafs bei Kutschitten die Entscheidung lag Infanterieregiment
und dieses Dorf wurde nun durch das
v. Rüchel *)
mit dem Bajonett genommen.
*) Das jetzige Grenadierregiment Nr. 1 .
Die
Gerhard David von Scharnhorst.
70
diesseitige Infanterie entwickelte sich hierauf in nur einem Treffen, die Kavallerie folgte und die Artillerie leitete den jetzt entstehenden heftigen Kampf gegen die französische Division Friant sehr wirksam ein.
Letztere wurde mit grofsem Verluste zurückgedrängt, und
als dann auch noch Truppen des russischen linken Flügels zur Unterstützung herbeikamen , trieb man Davoust aus dem Felde. *) Die Schlacht war entschieden ; mehr Scharnhorst,
mit einem,
wenn nicht L'Estocq, und noch
nach allen Detachierungen und Ver-
lusten hier nur noch sehr kleinen Truppencorps,**) welches überdies aus
ermüdeten Truppen
bestand ,
wären die Russen geschlagen , bracht worden.
dieses Resultat erzielt hätte ,
Scharnhorsts Verdienst wurde von Kaiser von Rufsland
so
vielleicht der Vernichtung nahe ge-
allen Teilen anerkannt ; der
verlieh ihm den Wladimirorden dritter Klasse
und von seinem Monarchen wurde er durch den Verdienstorden und die Beförderung zum Generalmajor ausgezeichnet. Aber der ganze Krieg stand unter einem Unsterne ; zösische Kriegspolitik nicht energisch genug . sere Sache
wieder
die fran-
war zu treulos und die russische Operation Nach zwischenzeitiger Waffenruhe ging un-
rückwärts ,
und alle bisherigen Opfer und An-
strengungen wurden durch die
unglückliche Schlacht von Friedland
am 14. Juni 1807
fruchtlos gemacht.
Kein Genie und Heldenmut
vermochte es mehr zu hindern , dafs unser Vaterland an das schwere Verhängnis des Tilsiter Friedens überliefert wurde . (Schlufs folgt.)
*) Näheres über diesen Kampf : Höpfner cit. III . 250 ff. **) Nur 92 Bataillone, 29 Schwadronen und 2 reitende Batterieen . Höpfner cit. III 235 ff.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
71
V.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer
unserer Zeit. Von C. v. Bruchhausen.
I. Man hat unsere Zeit -
und nicht
mit Unrecht
wohl die
„rückblickende " genannt. Gerade in den Tagen grofser Ereignisse , tief einschneidender Veränderungen und Fortschritte sucht der Mensch nach festen Formeln für seine Ansichten und Bestrebungen , und er glaubt sie gefunden zu haben , wenn er von grofsen Geistern vergangener Jahrhunderte das in klassischer Form ausgesprochen antrifft, was ihm heute Kopf und Herz erfüllt. Solche Übereinstimmung gewährt eine gewisse Beruhigung : denn Sätze und Sentenzen, denen Jahrhunderte nichts anhaben konnten , die müssen mehr als beherzigenswert und ehrwürdig , die müssen wahr sein! - Und da solche Lehren alter Zeit meist in knapper , sentenzenhafter Form ausgesprochen sind, acceptieren wir sie um so lieber. Das Bestreben , dort
zerstreuten
gerade
in die Vergangenheit zurückzuschauen und die
geistigen Früchte
in letzter Zeit
zu sammeln ,
hat bekanntlich
auf militärischem Gebiete eine ganze Reihe
anregender und belehrender Schriften gezeitigt. Über ihren Wert ist gestritten worden. Hierher gehört ein Satz aus der Vorrede des Kommentators zu den militärischen Schriften Napoleons I. *) Er spricht von den Aufsätzen Napoleons und sagt : „Eine sehr grofse Menge einzelner Lehren, in klassischer Kürze ausgesprochen , findet sich darin zerstreut wie Goldkörner im Flufssande. Dieselben zu sammeln schien bedenklich : aus dem Zusammenhange gerissen sind die
meisten nicht ohne weiteres verständlich
und scheinen sich oft zu widersprechen. Der Sammler müfste sie gruppieren und weitläufig kommentieren . Dann aber würde die
Militärische Klassiker 6. Heft.
72
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
Sammlung nicht den Geist Napoleons wiedergeben, sondern den Geist des Sammlers, in dem Napoleon sich bespiegelt. " Letzteres geben wir im grofsen Ganzen zu , möchten aber erwidern ,
daſs
es immerhin denkbar wäre ,
wie der Geist des Kom-
mentators sich dem des betreffenden grofsen Mannes assimiliert und gleichsam in ihm aufgeht, und ferner, dafs in den Aussprüchen und Schriften grofser Männer so viel ihres Geistes lebendig fortlebt, dafs auch der ungeschickteste Sammler ihn
nie
zu
ertöten
vermögen
würde. Und selbst , wenn eine solche Sammlung aus den Werken eines grofsen Kriegstheoretikers nur die Gedanken und Ansichten des Herausgebers unter der Maske seines Gewährsmannes enthalten sollte wir sind wie schon gesagt nicht dieser Meinung so liefse sich noch der Umstand geltend machen, dafs auf dem bezeichneten Wege dem grofsen militärischen Publikum taktische und strategische Lehren in der gewünschten und in gleichzeitig anregender Weise vorgetragen werden. Dies Gunsten
zur Rechtfertigung ihrer Tendenz
dieser Studien , und wollen
nur noch ein
Wort
des
grofsen
wir zu Königs
folgen lassen : *) „ Unter der grofsen Anzahl der existierenden Bücher giebt es nur wenige, in denen alles Gold ist ; ja es sind selbst darunter nur eine geringe Zahl, als
aus denen man so viel gute Dinge ziehen kann ,
aus den Kommentaren
des Polybius .
schritt des menschlichen Wissens
Es
zu wünschen ,
wäre für den Fortdafs man ,
anstatt
selbst zu schreiben, sich, ohne neue Bücher zu verfertigen, befleifsige, gute Auszüge aus denen zu machen , könnte dann verlieren. "
hoffen ,
nicht
welche man schon hat ,
unnütz Zeit
mit
deren
Lektüre
man zu
II. Ein Vortrag, den der Major Jähns im Februar 1876 im wissenschaftlichen Verein zu Berlin über des Thema „ Machiavelli und der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht" hielt , war die Veranlassung, dafs wir uns eingehender mit den Werken des grofsen florentiner Staatsmannes beschäftigten . Dabei wurde uns zunächst zweierlei klar : wie seine Bedeutung als Kriegstheoretiker fast allgemein zu gering angeschlagen wird , und wie wenig seine Schicksale bekannt sind . Aus letzterem Grunde mögen hier einige biographische Notizen folgen .
*) Militärische Klassiker, 1. Heft S. 117.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. Niccolo stammte aus
73
geboren am 3. Mai 1469 zu Florenz , einem vornehmen aber verarmten toskanischen Ge-
Machiavelli ,
Seine hervorragenden Fähigkeiten verschafften ihm bereits 1498 Eintritt in die Regierung, und in den nächsten 14 Jahren war er als Staatssekretär sowie als Gesandter vielfach im Interesse seines
schlechte.
Vaterlandes
thätig ,
vier mal war er beim Könige von Frankreich,
zwei mal beim Kaiser ,
zwei mal beim Papst.
Das
Jahr
1512
führte eine gewaltsame Umgestaltung in der Regierung von Florenz herbei und setzte Machiavelli wider seinen Willen zur Ruhe . In der schrieb er nun Mufse des Landaufenthalts - er starb 1527 seine zweifellos hochbedeutenden Werke, die in der deutschen Übersetzung von Ziegler *) acht Bände füllen . Soldat ist Machiavelli nie gewesen -- wenn er auch als Organisator der florentiner Nationalmiliz 1506 und 1511 auftrat , und kurz vor seinem Tode bei der Befestigung von Florenz mit seinen Kenntnissen aushalf- und dennoch schrieb er Bücher , die von seinem soldatisch angelegten Geiste und namentlich von seinem bedeutenden Verständnis militärischer Dinge zeugen! Es kommen hier eigentlich nur drei seiner Werke in Betracht : das mit Unrecht so berüchtigte Buch vom Fürsten , die 7 Bücher über die Kriegskunst und
seine 3 Bücher vom Staate. **) Dazu mögen noch seine Reglements für die Einrichtung einer Nationalmiliz zu Florenz (Infanterie und Kavallerie) Erwähnung finden. Das
erstgenannte Werk hat bekanntlich
eine
ganze Flut von
Kommentaren, Schmähschriften und dergleichen mehr hervorgerufen ; es hat den Namen Machiavellis aus Unverstand und Unkenntnis mit einem nicht mehr zu tilgenden Makel behaftet, so dafs jeder Biedermann bei dem Ausdruck " Machiavellismus " schaudert und als Gegengift vor sich hinsummt : „ Üb immer Treu und Redlichkeit!" Es ist hier nicht die Stelle, diesen ungerechten, aber mehr und mehr schwindenden Anfeindungen des durchaus gläubigen und abgesehen von einer starken Neigung zur Erotik auch von sittlichen Grundsätzen beseelten Machiavelli schrieb doch selbst Friedrich der Grofse seinen längst widerlegten Antimachiavelli entgegenzutreten, so gerne wir es thäten, um Machiavelli den Lesern nicht nur als einen geistig bedeutenden, sondern auch als einen der Achtung
würdigen ,
sympathischen Menschen anzuführen .
Wir be-
*) Karlsruhe, 1832-1841 . **) Ausserdem enthalten seine Werke : „ Die Florentiner Geschichten ," poetische Sachen, sowie Briefe und Gesandschaftsberichte.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
74
schränken uns darauf, den Idealfürsten
zu erwähnen ,
schildert ,
dafs er im Fürsten niemals
sondern nur angiebt,
wie ein Herrscher
nach den Erfahrungen dieser Welt seinen Staat behaupten kann und mufs , wenn er ihn durchaus behaupten will . Dafs dieser Wille stellenweise zu grausamen und unmoralischen Handlungen führt, verschweigt Machiavelli keineswegs. *) Die 7 Bücher von der Kriegskunst enthalten nun die ganze Was er über Summe der militärischen Ansichten Machiavellis . Rekrutierung, Bewaffnung, Zusammensetzung der Heere, Taktik und Strategie ,
die Festungsfrage u. s . w. denkt ,
hat
er dort in einem
Dialog, den er einen alten Söldnerhauptmann, Fabrizio Colonna, mit geistreichen jungen Florentinern führen läfst, niedergelegt. gelten ihm
die
altrömischen Einrichtungen als Muster ,
Überall ohne dafs
dabei aber auf die Kritik verzichtet würde , denn Fabrizio Colonna sagt : „Ohne jedoch in allen ihren Einrichtungen zu folgen , werde ich nur die annehmen , welche mir für die gegenwärtigen Zeiten passend erscheinen . " Das nach unserer Meinung bedeutendste Werk Machiavellis sind die drei Bücher vom Staate , gewöhnlich „ Discorsi " genannt, weil auch sie der Unterhaltung
mit hochbegabten Bürgern von Florenz
ihren Ursprung
verdanken. Der ganze Titel lautet : „ Vom Staate, oder Betrachtungen über die 10 ersten Bücher des Titus Livius . “ Lehren der Staatskunst werden mit soldatischen Angelegenheiten verknüpft , immer wird an reelle Verhältnisse , an historische Ereignisse die Doktrin geschlossen, und vor allen Dingen wird als Quelle des ganzen politischen und kriegerischen Getriebes die nach Machiavelli ewig gleiche -- Natur des Menschen analysiert . Eine ganze Reihe von Sätzen, deren Richtigkeit sofort einleuchtet und die durch ihre prägnante Fassung und ihren logischen Aufbau überraschen, imponiert dem Leser. Trotzdem nun Machiavellis Werke in vielfachen Auflagen erschienen und in fast alle lebende Sprachen übersetzt sind, finden wir seine militärische Bedeutung weder in den ersten Jahrhunderten nach ihrer Entstehung , gewürdigt ,
noch auch zu unserer Zeit nach Verdienst
während seine politischen Lehren eine reiche Diskussion
*) Das sonst so verdienstliche Potensche ,,Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften" giebt noch der längst widerlegten Ansicht (als Möglichkeit der richtigen Deutung) Raum , dafs M. mit dem „,Fürsten“ eine Satyre bezweckt habe. Übrigens ist M.'s Name an der genannten Stelle in einer nicht üblichen Weise mit doppelt-c geschrieben.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. hervorgerufen haben.
Militärisch wurde
75
er ausgenutzt aber tot-
geschwiegen, Ziegler sagt darüber : „Nach dem Tode
du Bellays, der Lieutenant du roi in Turin
war, fand man ein Manuskript überschrieben : La Discipline militaire et Instructions sur le fait de la guerre extraits puis peu de temps de plusieurs Autheurs ; es erschien im Jahre 1546 im Druck. In einer neuen Auflage vom Jahre 1553 sind die Autoren genannt, aus denen es gezogen : Polybe , Frontin, Vegece, Machiavelli et plusieurs autres .
Der Name Machiavellis wurde Jahre
1592
weggelassen , obgleich
in einer neuen Ausgabe vom ein Vierteil
des Werkes ,
wie
Algarotti sagt, Übersetzung der Kriegskunst Machiavellis ist . Folard in seinem Kommentar über Polybius erkennt Machiavelli militärisches Talent zu ; seinen Schriften ,
er findet die Beweise desselben überall in
nur nicht in dem Buche
über die Kriegskunst.
Dies mache ihm wenig Ehre , er habe den Vegez geplündert und übel umgekleidet ; aufserdem sei er in allem bewundernswert. “ Inwieweit aber Folard etwa selbst Machiavellis Theorieen für sein Werk benutzt hat , können wir nicht beurteilen, da sein Kommentar über Polybius uns nicht zugänglich gewesen ist . Ebenso wenig war es uns möglich, den von Friedrich dem Grofsen verfafsten Auszug aus ebengenanntem Kommentar mit Machiavellis Werken zu vergleichen ,
da dieser Auszug
in den gewöhnlichen Ausgaben der
Werke des grofsen Königs fehlt (auch in den „ Oeuvres militaires " herausgegeben von Preufs) . Friedrich selbst führt in der Vorrede zu besagtem Auszuge mehrere Militärschriftsteller auf, erwähnt aber dabei Machiavellis mit keinem Worte. Sollte er ihn nicht gekannt haben? Sein Antimachiavelli liefert den Gegenbeweis. Sollte er nur den Staatsmann und nicht den Kriegslehrer Machiavelli gekannt haben ? Man wird stutzig , wenn man bei Vergleichung der von Beiden hinterlassenen Werke eine frappante Aehnlichkeit nach der andern findet. Und Friedrich sagt selbst in der Vorbemerkung zu den Generalprinzipien vom Kriege : „Es giebt vielleicht keine Kunst , über welche so viele Bücher geschrieben sind als 66 gelesen
über den Krieg.
Ich habe dieselben fast alle
Schon in der Anordnung des Stoffes springt die merkwürdige Ähnlichkeit zwischen Machiavelli und dem grofsen König in die Augen. Beide
sprechen ihre Lehrsätze und Ansichten aus und belegen sie
gleich hinterher mit Beispielen aus der Geschichte ; oder auch ,
was
seltener geschieht, sie führen ein historisches Faktum an und ziehen
76
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
daraus ihre Schlufsfolgerungen ; beide sprechen ihre Gedanken klar und concis aus , und man fühlt das Bestreben, dafs sie das einmal für wahr Erkannte auch rücksichtslos und unverhüllt sagen wollen ; beide verfügen über jenen logischen Gedankengang ,
der dem Leser
die Anerkennung der vorgetragenen Lehren geradezu abzwingt ; über jenen sentenzenhaften Stil, der so förderlich ist, das Gelesene dem Gedächtnisse fest einzuprägen ; beide endlich und das ist die Hauptsache - stimmen in ihren Lehren in überraschender Weise oft überein. Es liegt uns nun nichts ferner , als den grofsen König eines Plagiats zu beschuldigen über einen solchen Verdacht ist ein so gewaltiger Geist wie der Friedrichs des Grofsen erhaben — wir denken auch nicht daran , Machiavelli nur vergleichsweise in eine Linie mit
unserm
gröfsten Feldherrn
wollen dem grofsen Manne,
zu stellen :
aber wir
der zwei und ein halbes Jahrhundert
vor Friedrich in einer militärisch verkommenen Zeit lebte,
und der
so sachgemäfs über militärische Angelegenheiten schrieb, obgleich er nie Soldat war ,
durch Darlegung seiner Bedeutung
einigermaſsen
gerecht werden ! Jedenfalls ist es von Interesse , die Ähnlichkeiten zwischen Machiavellis Lehren und denen des grofsen Königs zu verfolgen. Gleich in der Einleitung zu den Generalprinzipien vom Kriege spricht Friedrich dasselbe aus, wie der Florentiner im Beginn seiner „ Kriegskunst : " man müsse auf die Anordnungen der alten Römer zurückgreifen. -- Da es zu viel Raum einnehmen würde , wollten wir da, wo die Ähnlichkeiten schlagend hervortreten, jedesmal den ganzen entsprechenden Passus
aus den
Werken
Friedrichs
des
Groſsen
citieren, so werden wir an solchen Stellen nur durch eine Anmerkung darauf hinweisen und uns in der Hauptsache auf die Generalprinzipien vom Kriege beschränkend ―― die betreffende Seitenzahl im 1. Heft der „ Militärischen Klassiker", Händen ist ,
anführen.
das wohl in Jedermanns
Wir werden dabei auf eine stattliche Reihe
von Hinweisen kommen , und doch finden sich manche Ähnlichkeiten an Stellen, die hier keine Aufnahme gefunden haben, weil sie unseres Erachtens veraltet sind. * ) Es ist nämlich in dem Nachstehenden aus Machiavellis Lehren nur das ausgewählt, was nach unserer Ansicht noch voll und ganz zu Recht besteht ,
nichts halbes ,
so ver-
lockend es auch hin und wieder war, einzelnen besonders geistreichen, aber zum Teil veralteten Sätzen Aufnahme zu gewähren.
Dann sind
*) Beispielsweise Artikel 11 der Generalprinzipien und Kapitel 40 im 3. Buche ,,vom Staate" (über Kriegslisten).
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
77
die historischen Beithaten, da es uns nur auf die abstrakten Lehren anzukommen schien , wo immer angängig fortgelassen .
Ferner muſs-
ten manche interessante und schlagende Sätze fortbleiben, das Schlufsglied
einer langen Beweiskette bilden und so,
Zusammenhang gerissen ,
unverständlich werden ,
nahme der ganzen Prämissen
zu
viel Raum
weil sie aus dem
während die Auf-
beanspruchen würde.
Häufig finden sich auch in den drei hauptsächlich in Frage kommenden Werken Machiavellis Wiederholungen mit kleinen Nuancen . haben uns
dann den Satz
ausgewählt ,
Wir
der uns die prägnanteste
Fassung zu haben schien. Wir sind Jomini gegen Clausewitz Recht gebend - der Ansicht, dafs taktische Lehren, als zum Teil unmittelbarer Ausflufs der jeweiligen Bewaffnung ,
einem gröfseren Wechsel unterworfen sind , als die strategischen , die in ihren Grundzügen von unvergänglicher Wahrheit sind. Noch stabiler erscheinen uns die Doktrinen der Kriegspolitik.
Es liegt daher auf der Hand, dafs die Hauptausbeute
aus den Werken Machiavellis, der ein Kriegspolitiker ersten Ranges war, sich auf die beiden letztgenannten Gebiete erstrecken wird. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen , dafs zu Machiavellis Zeiten die Feuerwirkung noch keineswegs
„ die Beherrscherin des
Schlachtfeldes " war ; dafs Machiavelli seinen Soldaten noch die altrömische Bewaffnung und daneben nur einige Hakenbüchsen geben wollte ;
dafs er bezüglich des Geschützes äufsert, wie es dort, " wo
die Tapferkeit der Alten zu finden sei , nützlich, ohne diese Tapferkeit aber gegen ein tapferes Heer völlig unnütz sei" ; und an einer anderen Stelle meint er : es komme weniger darauf an, den Feind zu treffen, als sich zu hüten, dafs man nicht selbst getroffen werde. *) Er erwartet alles vom Stofse der Waffen, und es ist klar, was für starre unbeholfene Formen eine solche Taktik, die für die heutige Zeit fast unverständlich geworden ist, zur Folge haben musste . Hinsichtlich der Strategie ist zu bemerken , wie seit jener Zeit die Kommunikationsmittel sich geändert haben, wie die Heeresmassen angewachsen sind. Machiavellis Normalheer bestand aus 24 000
Mann und 2000 Dienstpferden ! Dafs Machiavelli nun trotzdem eine Masse goldener Kriegslehren in origineller Prägung hinterlassen hat, hoffen wir in Nachstehendem zu beweisen.
Wir sind bei unseren Citaten im grofsen Ganzen der Ziegler-
*) An einer Stelle sagt er sogar von den Bombardieren : " welche man jedoch auch zu den Soldaten zählen kann. "
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
78
schen Uebersetzung gefolgt und haben nur hin und wieder meist nach Vergleich mit dem Original kleine stilistische Abänderungen getroffen.
Mit gesperrter
Schrift gedruckte Worte
sind von uns
hervorgehoben.
III. Der Krieg .
1.
giebt
" Ihr müfst nämlich wissen, dafs es zwei Gattungen von Kampf die eine durch Gesetze, die andere durch Gewalt ; die erste
ist dem Menschen
die zweite den Tieren, aber weil mufs man zu der zweiten seine
eigentümlich,
die erste oftmals nicht ausreicht, Zuflucht nehmen. "
Und aus dem Livius citiert Machiavelli : „ Die führen einen gerechten Krieg, die einen notwendigen Krieg führen, und fromm sind die Waffen dort, wo nur in den Waffen Hoffnung ist !" "" Ein wohl eingerichteter Staat soll also wollen, dafs man sich zur Zeit des Friedens nur zum Kriege übe , daſs man - wird der Friede gebrochen
den Krieg
als
eine Notwendigkeit und eine
Quelle des Ruhmes betrachte, und dafs der Krieg als Handwerk nur vom Staate getrieben werden darf. " Männer,
Eisen,
Geld und Brod
sind der Nerv des Krieges !
Von diesen vier jedoch sind die zwei ersten am notwendigsten , denn Männer und Eisen finden Geld, aber Brod und Geld finden nicht Männer und Eisen !" Das klingt ganz spruch .
anders
als Montecuculis weltbekannter Aus-
Über die Richtigkeit des
vorstehenden Satzes
liefse
sich
streiten : wir meinen aber, dafs er heute mehr Berechtigung hat als zu Machiavellis Zeiten . 2.
Para bellum !
„Die beste Verfassung geht ohne Schutz der Waffen gerade so zu Grunde, wie die prächtigen Säle eines königlichen Palastes , wenn sie, obgleich mit Gold und Edelsteinen geschmückt, kein Dach hätten, das sie vor dem Regen schützte. " Der Regent mufs Soldat sein und mufs sich persönlich an die wie wir weiter unten sehen Spitze seines Heeres stellen , sagt werden - Machiavelli . Wir wissen , welche Erfolge wir diesem in unserer Geschichte fährt fort :
-
verkörperten
Prinzip
verdanken .
Machiavelli
„ Und darum kann ein Fürst, der sich nicht auf das Kriegs-
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
79
wesen versteht, aufser allem anderen Unheil, wie gesagt, von seinen Soldaten nicht geachtet werden
und
sich nicht auf sie verlassen.
Er mufs deshalb niemals den Gedanken von der Übunng des Krieges abwenden , und mufs sich im Frieden mehr darin üben ,
als im Kriege ,
was er auf zweierlei Weise thun
kann, einmal mit der That, zweitens im Geiste . betrifft,
so
mufs
er,
abgesehen davon ,
Und was die That
dafs er die Seinigen wohl
geordnet und geübt erhält, immer der Jagd beflissen sein und vermittelst dieser den Körper an Beschwerden gewöhnen, zum Teil auch die natürliche Beschaffenheit der Gegenden kennen lernen und sehen , wie
die Berge
sich
erheben,
wie
die Thäler einmünden,
wie die
Ebenen liegen und auf die Beschaffenheit der Flüsse und Sümpfe merken und auf diese Dinge die gröfste Sorgfalt verwenden . Denn diese Kenntnis ist auf zweierlei Weise nützlich . Erstens lernt man sein Land kennen und kann besser die Arten seiner Verteidigung verstehen.
Dann
begreift man vermittelst
der Kenntnis und Er-
fahrung in diesen Gegenden mit Leichtigkeit jede andere Gegend, welche neu zu erforschen nötig sein sollte , weil die Höhen und Thäler und Ebenen und Flüsse und Sümpfe , die sich beispielsweise in Toscana finden , mit denen anderer Länder eine gewisse Ähnlichkeit haben , so dafs man von der Kenntnis der natürlichen Beschaffenheit eines Landes leicht zur Kenntnis der übrigen gelangen kann.
Und dem
Fürsten, welchem es an dieser Erfahrung fehlt, fehlt es an der ersten Eigenschaft, die man von einem Feldherrn verlangt, denn diese lehrt mit Vorteil den Feind aufsuchen, Quartiere nehmen , Schlachten dirigieren, Städte belagern . "*)
Heere führen ,
Den folgenden Passus haben wir hier aufgenommen, weil er uns wohl
die erste Kunde davon giebt, wie ein Feldherr mit seinen Freunden, d. h. Unterführern „Generalstabsreisen " unternahm . „ Pilopömen,
der Fürst der Achäer,
wird unter anderen Lob-
sprüchen, die ihm von den Schriftstellern erteilt werden, darum gelobt, weil er in den Zeiten des Friedens an nichts als an die Arten der Kriegführung dachte,
und wenn er mit seinen Freunden im Freien
war, oft stehen blieb und sich mit ihnen unterhielt : Wenn die Feinde auf jenem Hügel ständen und wir uns mit unserem Heere hier befänden, wer von uns wäre im Vorteil ? Wie könnte man ihnen mit Sicherheit entgegen gehen und doch die Ordnung bewahren? Wenn wir uns zurückziehen wollten, was hätten wir zu thun ? Wenn sie
*) Friedrich der Grofse I. S. 12 .
80
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
sich zurückzögen, wie hätten wir ihnen zu folgen ?
Und im Gehen
legte er ihnen alle Fälle vor, die bei einem Heere eintreten können, hörte ihre Meinung an, sagte die seinige, unterstützte sie durch Gründe, so dafs in Folge dieses fortwährenden Nachdenkens ihm bei Führung seiner Heere nie ein Fall vorkommen konnte, gegen den er kein Mittel gewufst hätte. "*) „Aber was die Übung des Geistes betrifft , so mufs der Fürst die Geschichte
lesen und darin die Thaten ausgezeichneter Männer
betrachten, sehen, wie sie in den Kriegen verfahren sind, die Ursachen ihrer Siege und Niederlagen untersuchen , um diese vermeiden und jene
nachahmen zu können,
und vor allem thun,
Zeit mancher ausgezeichnete Mann gethan hat,
was in früherer
dafs er sich,
wenn
Einer vor ihm gepriesen und verherrlicht worden, diesen zur Nachahmung gewählt und die Thaten und Handlungen desselben sich stets gegenwärtig erhalten hat, wie Alexander der Grofse den Achilles , Casar den Alexander, Scipio den Cyrus nachgeahmt haben soll. " Indes sollen nicht blos die Heerführer für den Krieg vorgebildet werden, sondern auch die unteren Befehlshaber:
99 Wenn ein zweiter Hannibal (ein ungeübtes Heer) befehligte, so müfste er unterliegen , denn ein Feldherr kann während der Schlacht nicht überall sein , und wenn er daher nicht schon früher Männer herangebildet hat, die von seinem Geiste durchdrungen sind und seine Regeln und Kriegführung wohl kennen , so mufs er notwendig zu grunde gehen . " Nicht minder bedürfen die Soldaten der Vorbildung , denn : Immer steht man nicht im Felde und kann nicht immer darin stehen ; es ist daher notwendig , die Soldaten im Frieden zu üben. " „Die Natur erzeugt wenig mutige Männer, bilden viele."
Kunst und Übung
„ " Sache des Soldaten ist es , gut Reih' und Glied in seinem Bataillon zu halten, Sache des Bataillonschefs ist es , dafs sie ihre Bataillone am richtigen Platz im Heere halten und verstehen, den Befehlen des Feldherrn zu gehorchen. " „ Man soll das Regiment ein- bis zweimal im Jahre zur Übung • Man würde es einige Tage einüben , als ob
zusammenziehen. . .
man eine Schlacht liefern wollte ,
und hierbei Centrum , Flügel und
Reserven an ihre gehörigen Plätze stellen. . . . Kurz , der Feldherr *) Man vergleiche hiermit, was Friedrich der Grofse in seiner „ Règles de ce qu'on exige d'un bon commandeur de bataillon " schreibt. Siehe " Friedrichs des Grofsen Lehren vom Kriege von A. v. Taysen , Major im grofsen Generalstab. “ Berlin 1877. Seite 60.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
81
soll seine Soldaten mit diesen Scheingefechten und Angriffen so vertraut machen ,
dafs in ihnen das Verlangen nach wirklichem Kampf rege werden muſs . . . . Diese Übungen sind durchaus notwendig, wenn man ein ganz neues Heer errichtet, sie sind aber auch da notwendig, wo schon ein altes Heer besteht. " 3.
Disziplin .
„ Im Kriege vermag Kriegszucht mehr als blinde Wut. " *) „Es reicht nicht aus , gute Verordnungen zu geben, wenn man nicht mit der gröfsten Strenge
denn nir-
auf ihre Befolgung hält ,
gends ist der Gehorsam so notwendig, als beim Heere . daher die Gesetze zur Aufrechterhaltung der Ordnung hart sein und der Vollzieher unerbittlich . "
Es müssen streng und
„ Es ist daher die richtige Regel, dafs auf die Ausführung harter Befehle mit Härte gehalten werden mufs , wenn man nicht hintergangen sein will. " „ Dabei ist zu bemerken , daſs, um Gehorsam zu finden, man zu befehlen verstehen mufs ; zu befehlen aber versteht der, welcher eine Vergleichung anstellt zwischen
sich und dem ,
der gehorchen
soll,
und wenn er ein richtiges Verhältnis findet , befiehlt , findet er hinUm aber zu gegen ein Mifsverhältnis , sich dessen enthält. · unserem Gegenstande zurückzukehren, sage ich, dafs , um energische Befehle geben zu können , man einen energischen Geist haben müsse , und der ,
welcher diese Energie besitzt und energisch befiehlt ,
die
Ausführung nicht durch Sanftmut erreichen kann. "
" Weil die Furcht vor dem Gesetz und vor dem Menschen nicht hinreicht, bewaffnete Männer zu zügeln , so verbanden die Alten das Ansehen der Götter damit. Man liefs mit den feierlichsten Ceremonien die Soldaten den Kriegsgesetzen und der Kriegszucht Gehorsam schwören , damit sie, dagegen handelnd , nicht allein Gesetze und Menschen, sondern auch die Götter zu fürchten hätten, und man wandte alle Kunst an, sie religiös zu machen. " Letzteres ist aber nach Machiavelli nicht allzu leicht : „Wo Religion ist , können Waffen leicht eingeführt werden, wo aber Waffen sind und keine Religion , lässt sich letztere nur schwer einführen. " Damit die Soldaten nicht zu viel an Weiber und Spiel denken -- des Trinkens wird nicht erwähnt ― schlägt Machiavelli vor, sie anhaltend durch allerlei Übungen zu beschäftigen .
*) Friedrich der Grofse I. S. 90. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band LX.
Die Beschäftigung
6
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
82
werde auch dazu beitragen , die Heere gesund zu erhalten, was von gröfster Bedeutung sei. Machiavelli betont in den oben angeführten Sätzen und an anderen Stellen immer wieder , wie erforderlich die gröfste Strenge sei :
einmal verlangt
er
sogar von
" Grausamkeit “ und führt als Beleg Hannibal an, weder im Glück noch im Unglück je gekommen sei .
die
den Feldherren
in dessen Heeren
geringste Meuterei vor-
Dies verdanke er neben seinen vielen Tugenden der
unmenschlichen Grausamkeit : die Soldaten hätten ihn angebetet und gefürchtet. Man darf bei
solchen Sentenzen nicht vergessen ,
Individuen sich die Heere zur Zeit Machiavelli's Der nächste Abschnitt wird es darthun . 4.
aus was für
zusammensetzten.
Söldner und Volksheere .
Über dieses Kapitel, dem der Major Jähns den oben erwähnten Vortrag gewidmet hat, stimmen heute die Meinungen wohl fast Aller überein. Nur ganz vereinzelte Stimmen erheben sich noch gegen das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht. Mögen demnach die nachfolgenden Sätze Machiavelli's uns hin und wieder allzusehr selbstverständlich erscheinen, so möchten wir sie doch nicht unterdrücken , da sie den klaren Blick Machiavelli's ,
der
zu
einer Zeit schrieb , die nur
Söldnertum kannte, in besonders hellem Lichte zeigen. „ Die hauptsächlichste Grundlage für alle Staaten , neue wie alte oder gemischte ,
sind gute Gesetze und gute Heere ;
guten Gesetze sein können ,
wo schlechte Heere
und da keine
sind und wo gute
Heere sind, die Gesetze gut sein müssen, so werde ich es übergehen, von den Gesetzen zu reden und nur von den Heeren sprechen .
Ich
sage also, dafs die Heere, mit denen ein Fürst sein Reich verteidigt, entweder eigene , oder gemietete , oder hülfeleistende oder gemischte sind .
Die Miets- und Hülfstruppen sind nutzlos und gefährlich, und
wenn einer seine Herrschaft auf Mietstruppen gegründet hält , wird er nie fest noch sicher stehen, denn sie sind uneinig, ehrgeizig, zuchtlos und treulos ,
mutig gegen die Freunde ,
haben keine Furcht vor Gott ,
man schiebt den Sturz nur so lange auf, schiebt.
Das kommt davon ,
andere Veranlassung
haben ,
feig gegen die Feinde,
keine Treue bei den Menschen , und als man den Angriff auf-
dafs sie keine andere Liebe und keine die
sie
im Felde hält ,
als ein wenig
Sold, der nicht hinreicht zu bewirken, dafs sie für Dich in den Tod gehen wollen .
Sie wollen wohl Deine Soldaten sein , so lange Du
nicht Krieg führst , oder davongehen .
aber wenn der Krieg kommt , Dies zur Überzeugung
entweder fliehen
zu bringen ,
dürfte mir
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
83
wenig Mühe kosten , da der heutige Verfall Italiens von nichts Anals dafs es sich viele Jahre lang auf Mietstruppen
derem herrührt ,
gestützt hat. Wohl erreichten diese manchmal für jemanden etwas und schienen untereinander mutig, aber sowie der Fremde kam , zeigte sich, was sie wert waren. Die Anführer der Mietstruppen sind entweder ausgezeichnete Männer oder nicht ; sind sie es , so kannst Du Dich nicht auf sie verlassen, weil sie immer nach eigener Gröfse trachten werden, indem sie entweder Dich, der Du ihr Gebieter bist, oder andere gegen Deine Absicht unterdrücken ; ist aber der Anführer nicht tüchtig, so richtet er Dich in der Regel zugrunde. Und wenn man einwendet , jeder, der die Waffen in der Hand habe , werde dasselbe thun , Mietling oder nicht ,
so erwidere ich,
dafs die Waffen entweder von einem
Fürsten oder einer Republik gebraucht werden müssen , soll in Person gehen und versehen ; einen sendet ,
die Republik mufs
der Fürst
selbst das Amt des Anführers ihre Bürger senden , und wenn sie
der
sich nicht als tüchtiger Mann erweist, ihn wechseln , wenn er es aber ist , ihn durch die Gesetze innerhalb seiner
Befugnisse halten . “ „Zuerst sind die , welche sich , ohne Eure Unterthanen zu sein, freiwillig anwerben lassen ,
weit entfernt ,
die besten Menschen zu
sein ; sie sind im Gegenteil der Auswurf der Gesellschaft . . . Wenn sich nun mehr Leute dieses Gelichters anbieten , als man nötig hat, so kann man wohl unter ihnen eine Wahl treffen ;
wenn
aber alle
nichts taugen, so können auch die ausgewählten nicht gut sein . “ Wie es im wohlgeordneten Staate sein soll, schildert Machiavelli an dem Beispiel der alten römischen Heere : „ Die Soldaten ihrerseits legten die Waffen mit mehr Vergnügen nieder ,
als sie sie ergriffen hatten.
Jeder kehrte dann zu der Be-
schäftigung zurück, die er zu seinem Lebensberuf erwählt hatte, und nie fafste einer aus ihnen die Hoffnung, sich durch das Kriegshandwerk und die Beute ernähren zu können. " „ Der König , der also in Sicherheit leben will , mufs sein Fufsvolk
aus Leuten
zusammensetzen ,
die ,
wenn die Zeit Kriege zu
führen gekommen ist , sich aus Liebe zu ihm willig einstellen , die aber, wenn der Friede kommt, noch lieber zu ihrem Heerde zurückkehren.
Er wird dies immer erreichen , wenn er Leute wählt , die
sich von einem anderen Handwerk als dem des Krieges zu ernähren wissen .
Sobald es Friede ist , mufs er verlangen , dafs die Fürsten
heimkehren , um ihre Vasallen zu regieren , die Edelleute , um von neuem ihre Güter zu bebauen , die gemeinen Soldaten , um ihr 6*
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
84
gewöhnliches Gewerbe
auszuüben .
Jeder von
ihnen soll gerne in
den Krieg ziehen , um den Frieden zu erkämpfen , aber niemals den Frieden zu stören suchen, damit es Krieg gebe. " „Fühlen die Heere für den, für welchen sie kämpfen , nicht eine gewisse Liebe und Ergebenheit ,
welche
sie
zu
seinen Anhängern
macht , so kann nie so viel Tapferkeit in ihnen zu finden sein , dafs sie einem nur etwas tapferen Feinde zu widerstehen vermögen . Da nun diese Liebe und ein gewisser Wetteifer mit anderen Völkern, oder Nationalstolz, nur bei den eigenen Unterthanen vorhanden sein kann ,
so
ist
es ,
um auf einem Throne zu bleiben , eine Republik
oder ein Reich zu erhalten ,
durchaus
notwendig ,
sich aus
seinen
Unterthanen Heere zu bilden , wie alle thaten , die mit den Waffen grofse Dinge ausgeführt haben. " Im 12. und 13. Kapitel des Fürsten finden sich weitere sachgemässe Ausführungen über dieses Thema.
5.
Organisation der Wehrpflicht.
Dafs die vorstehenden Lehren nicht blos leere Theorien waren, bewies Machiavelli, als er die Ordnung zur Einführung einer Nationalbewaffnung der florentinischen Republik ( 1506 für die Infanterie, 1511 für die Kavallerie) entwarf. Sie wurde zum Gesetz erhoben und blieb längere Zeit gültig , Einflüsse
indes
stellten sich ihr allerlei feindselige
entgegen ,
so dafs Machiavelli ihre Verkörperung einmal eine „ Mifsgeburt " nennt. Diese „ Ordnungen" zeigen Machiavelli als gewandten Organisator. Da sie indes nur noch historischen Wert haben, müssen wir uns versagen, auf ihren Inhalt näher einzugehen , und wollen nur bemerken , dafs der ganze Apparat mit Stammrollenführung , Kontrolversammlungen und jährlichen Einbeorderungen in ähnlicher Weise , wie heute bei uns , vorgesehen war. Einen Satz indes aus der genannten Ordnung wollen wir im Hinblick auf Unzuträglichkeiten, welche die militärische Bezirksgliederung des Staates bei unseren Landwehrtruppen mit sich zu führen pflegt , hersetzen. Machiavelli fürchtet den Zusammenhang zwischen Vorgesetzten und Untergebenen auf Grund ihrer bürgerlichen Beschäftigung und Stellung ; solche Beziehungen hält er für nachteilig und schreibt daher vor : 99, Es soll zum Bataillonschef oder Befehlshaber der besagten Fähnlein niemand gewählt werden können , der aus dem Vicariat , Kapitanat oder der Potesteria gebürtig ist , wozu die Leute gehören, die unter seine Befehle gestellt werden, oder der an besagtem Orte oder Orten ein Haus oder Besitzungen hat. " Hinsichtlich des Ersatzes sagt Machiavelli :
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
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"" Wenn ich ein ganz neues Heer zu bilden hätte, so würde ich Leute von 17 bis 40 Jahren nehmen ; wenn es aber einmal völlig gebildet wäre und nur unterhalten zu werden brauchte, nur von 17 Jahren. "
" Man mufs die Unterthanen von 17 bis 30 Jahren als Soldaten ausbilden und sie dann in die Reserve setzen, denn nach dieser Zeit fehlt den Menschen die Gelehrigkeit und sie wollen nicht mehr gern gehorchen ; sie nehmen an Bosheit zu und an Kräften ab . “
Als Garantie des Sieges gilt ihm die beste Organisation : „ Ich wiederhole daher, daſs , um wohlgeordnetes Fufsvolk überwinden zu wollen , man ihm noch besser organisiertes Fufsvolk entgegenstellen mufs , sonst geht man einer offenbaren Niederlage entgegen. " Andererseits verkennt Machiavelli auch nicht die Bedeutung der die sich in unserer Zeit so überwältigend geltend gemacht Die Frage, ob es besser sei, wenige gut ausgebildete oder viele minder gut einexerzierte Mannschaften zu haben, entscheidet er: Masse ,
hat.
" Ohne Zweifel ist die kleine . "
die
grofse Zahl besser und notwendiger als
6. Militarismus . Der nachfolgende Satz hat Aufnahme gefunden nicht etwa, weil ihm eine besonders
hohe Bedeutung inne wohnte ,
dem Militärstande ein
giebt er auch heute noch.
denken
hegen die Mei-
dafs Nichts weniger sich mit einander vertrage , ja
dafs es nichts Widersprechenderes gebe , leben .
Zu
Machiavelli sagt :
„ Es haben viele die Meinung gehegt und viele nung , Lorenzo ,
sondern weil er
erheiterndes Spiegelbild vorhält.
Häufig spricht man daher ,
Waffen sein Glück versuchen will , nur seine Kleidung wechselt ,
als Bürger- und Soldaten-
wenn jemand in der Bahn
der
dafs er mit einem Schlage nicht
sondern auch in Sitten und Gewohn-
heiten, in Sprache und Benehmen von den Gebräuchen des gewöhnlichen Lebens sich entfernt. Wer zu jeder Gewaltthätigkeit geschickt und bereit sein will, glaubt kein bürgerliches Kleid tragen zu dürfen . Bürgerliche Sitten und Gebräuche kann
er nicht befolgen ,
da
er
diese Sitten für weibisch, diese Gebräuche für seinem Handwerk zuwider hält.
Gewöhnliches Benehmen und gewöhnliche Sprache bei-
zubehalten erscheint demjenigen nicht angebracht ,
der durch einen
Schnurrbart und durch Flüche die anderen Leute in Furcht jagen will. Es ist deshalb freilich in unseren Tagen jene Meinung sehr richtig. " Dann wird ausgeführt, dafs es im Altertum anders gewesen sei
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
86
und dafs es anders sein
müsse.
Vom Soldaten habe
man zu ver-
langen, dafs er in erster Linie ein guter Staatsbürger sei . " Von wem soll auch das Vaterland gröfsere Treue verlangen , als von dem , der in seinem Dienste zu sterben versprechen muſs ? Wer soll friedliebender sein als der , welcher allein im Kriege getroffen werden kann ? Wer soll mehr von Gottesfurcht durchdrungen. sein , als der , welcher täglich unzähligen Gefahren ausgesetzt , ohne Unterlafs Gottes Beistand bedarf? "
Strategische Lehren.
7.
Allgemeine Kriegsmaximen . " Was dem Feinde nützt , schadet dem Feinde . " *)
schadet Euch , und was Euch nützt
„ Die Gelegenheit wahrnehmen
und
ergreifen können ,
ist im
Kriege mehr wert als alles Übrige . " Schwer ist plötzlichen Unfällen abzuhelfen , dachten. "
leicht voraus be-
,,Aufserdem können die Fehler, die man in anderen Dingen begeht ,
bisweilen wieder gut gemacht werden ;
im Kriege begeht ,
können
die aber , welche man
nicht wieder gut gemacht werden ;
da
ihnen die Strafe auf dem Fufse folgt. "
Kriegsglück . „ Dafs Glück und Kriegskunst Ursachen der Gröfse des römischen Reiches gewesen sind , läfst scheint zu übersehen ,
dafs
da ,
sich
nicht leugnen ;
allein
man
wo ein gutes Kriegswesen besteht,
schon aus diesem Grunde eine gute Staatsordnung sein dafs dann auch selten das Glück fehlt. "
mufs ,
und
Selbständigkeit der Heerführer und Einheit im Oberbefehl. Bezüglich der Selbständigkeit der Heerführer werden uns wieder die alten Römer als Muster vorgeführt. "" Man findet , dafs diese Gewalt (der Konsuln, Diktatoren) sehr grofs war.
Der Senat behielt sich nichts Anderes vor, als das Recht,
neue Kriege
zu
erklären
und die Friedensschlüsse
zu bestätigen .
Alles Übrige war dem Gutbefinden und der Befugnis des Konsuls anheimgestellt.
Hatten Volk und Senat einen Krieg beschlossen, z. B.
gegen die Lateiner ,
so
überliefsen sie
die Leitung desselben ganz
*) Vergl. den Schlufssatz des 13. Artikels der Generalprinzipien Friedrich des Grofsen I. S. 32, sowie ebendaselbst S. 85 .
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. dem Konsul.
87
Er konnte eine Schlacht liefern, die eine oder andere
Stadt belagern , wie es ihm gut schien. . . Denn obgleich alle Senatoren sehr kriegserfahrene Männer waren, so würden sie doch, da sie sich nicht an Ort und Stelle befanden, und deshalb unzählige, um gut zu raten, notwendige Einzelheiten nicht wissen konnten , in ihrem Rat eine Menge Irrtümer begangen haben.
Der Konsul
Wie einleuchtend
sollte daher unabhängig handeln. . . “ *)
klingt nicht
dieser Ausspruch Machiavelli's !
Der Lehrsatz war ausgesprochen , die Wahrheit steht ihm auf der Stirne geschrieben ,
und
dennoch sehen wir in den folgenden Jahr-
hunderten das Umgekehrte ausgeführt ; ja , im letzten russisch-türkischen Kriege wollte noch das Stambuler Kabinet die Feldoperationen leiten und beeinflussen !
Und nicht nur Selbständigkeit der Heer-
führer, sondern auch Einheit im Oberbefehl verlangte Machiavelli . Um dies zu illustrieren , citiert er eine Stelle aus dem Livius : „ Die drei Tribunen mit Konsulargewalt gaben den Beweis , wie nachteilig es ist, den Oberbefehl im Kriege mehreren anzuvertrauen ; indem jeder der Erreichung seiner Pläne nachstrebte , jeder etwas Anderes für gut hielt, gaben sie dem Feinde günstige Gelegenheit. " Daran wird angeknüpft : „ Es läfst sich mit Recht der Schlufs ziehen , dafs es besser ist, einen Mann von gewöhnlichen Fähigkeiten allein zu einem Unternehmen abzusenden , als wenn zwei ganz vorzügliche Männer die gleiche Gewalt haben. " „ Diese Sache hat mich auf die Betrachtung geleitet, dafs jedesmal, wenn viele Mächte gegen eine Macht verbündet sind und sie alle zusammengenommen auch mächtiger sind als diese ,
man doch
mehr von der einen und weniger starken erwarten müsse als von den vielen , obgleich sie sehr stark sind. " Man sieht ,
einen wie hohen Wert Machiavelli der einheitlichen Leitung der Operationen zuschreibt - und denkt unwillkürlich an des grofsen Königs siebenjährigen Krieg !
Kriegspläne. „Zieht viele darüber zu rate, was ihr thun sollt, aber nur wenigen teilt mit, was Ihr thun wollt. " „ Die gröfste und wichtigste Vorsicht , die ein Feldherr beobachten
mufs, ist , in seiner Umgebung treue im Krieg erfahrene und kluge
Vergl. Friedrich der Grofse I. S. 89.
88
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
mit denen
Männer zu haben ,
er sich fortwährend berät und über
seine wie die feindlichen Streitkräfte spricht. " Machiavelli will in den beiden angeführteu Sätzen nur eine Art
n Generalstab" empfehlen, der dem Oberfeldherrn rät , ohne aber die geringste Berechtigung zu haben , in seine Entscheidungen einzugreifen . Das ist etwas Anderes, als der „ Kriegsrat " , den Friedrich der Grofse bekanntlich in
seinem
25. Articul der
Generalprinzipien
auf das
Schärfste verurteilt. *) „ Kein Plan ist besser als der ,
welcher dem Feinde verborgen
bleibt, bis Ihr ihn ausgeführt habt. "
„Besonders wichtig ist , dafs das Heer nicht weifs , zu welchem Unternehmen es geführt wird .
Denn eine Hauptsache im Kriege ist,
verschweigen zu können, was man vor hat. **) Das Zeitalter Machiavellis mit seinen Verraten keiten mag ihn veranlafst haben ,
und Treulosig-
die Geheimhaltung der Absichten
im Kriege immer und immer wieder zu betonen .
Heute wird eine
Verheimlichung der Operationsziele häufig an und für sich unmöglich sein. „ Ändert Eure Pläne ,
sobald sie der Feind durchschaut hat. "
Auch das wird nicht immer möglich sein. „ Der Thebaner Epaminondas
pflegte zu sagen ,
nichts sei not-
wendiger und nützlicher für einen Feldherrn , als die Pläne und Operationen des Feindes zu kennen. Da aber diese Kenntnis schwer zu erlangen ist , so verdient der Feldherr um so gröfseres Lob, der es dahin bringt, richtig zu schliefsen und zu mutmafsen . nicht so schwer ,
die Pläne
des Feindes zu
Es ist jedoch
durchschauen ,
als
es
manchmal schwer ist , zu erfahren , was er thut , und nicht so sehr, was er in der Ferne thut, als was gerade in dem betreffenden Augenblick und in der Nähe geschieht . ***) Zur Schlacht! „ Jeder, der Krieg führt, setzt sich als Ziel vor, das Feld gegen jede Art von Feind behaupten zu können, um am Tage der Schlacht den Sieg davon zu tragen .
Hierzu mufs man ein Heer bilden .
Um
ein Heer zu bilden , muſs man Leute suchen, sie bewaffnen, einteilen , sie in grofsen und kleinen Haufen üben, sie lagern und sie dem Feind entgegenstellen ,
sei
es
nun festen Fulses oder im Marsch.
* Friedrich der Grofse I. **) Friedrich der Grofse I. ***) Friedrich der Grofse I. dieren, arbeiten darauf hin, sich nicht immer. "
Darin
S. 89. S. 109. S. 30 : „ Alle diejenigen . welche Armeeen kommandiese Avantgarde zu prokurieren, aber sie reüssieren
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. besteht die ganze Kunst des Feldkrieges ,
89
und dieser ist von den
Kriegsarten die notwendigste und rühmlichste. Wer dem Feind mit Vorteil eine Schlacht zu liefern versteht , kann alle übrigen in der Kriegführung begangenen Fehler wieder gut machen .
Der aber, dem
dies Talent abgeht, und wäre er in allen Teilen der Kunst noch so geschickt , wird niemals einen Feldzug mit Ehren beendigen . ein Sieg macht alle übrigen schlechten Maſsregeln gut ,
Denn
so wie eine
Niederlage alle früher errungenen Vorteile vernichtet. "
" Wer alles dies (Sieg und Vorteile) erreichen römische Art und Weise befolgen , dafs sie die Kriege , führten. "
wie
die
Franzosen
"" Kurz und vives " müfsten der grofse König. *)
Es
ist
die
sagen ,
mufs
kurz
die
und derb
preufsischen Kriege sein ,
erstaunlich ,
Zeit, in der die Condottieri mit ihren Scheinschlachten das
will ,
die vornehmlich darin bestand,
sagt
dafs Machiavelli in einer
unblutigen Manövrier-
und
militärische Leben Italiens beherrschten ,
eine
solche Einsicht besafs und sie so klar aussprach.
Die „ Entscheidung"
ist auch für ihn die Hauptsache . Wenn er nun so die kühne Kriegführung anrät, empfiehlt er doch gleichzeitig die gröfste Vorsicht : " Hier mufs ich euch zuerst sagen ,
dafs ein Feldherr nie eine
Schlacht liefern darf, wenn er nicht im Vorteil oder dazu genötigt ist. Der Vorteil liegt im Terrain , in der Schlachtordnung, in zahlreicheren und besseren Streitkräften. Die Notwendigkeit ist vorhanden, wenn Ihr Euch, nicht schlagend, auf jeden Fall verloren seht. "“ **) Überhaupt ist es nach Machiavelli Feldkriege die Schlacht will.
zu vermeiden ,
so
gut wie
wenn
unmöglich ,
im
der Gegner schlagen
Mit Bezug hierauf führt er an, dafs viele italienische Fürsten
ihren Generalen die Instruktion gaben , Schlacht auszuweichen :
so viel
als
möglich einer
,,Sie glauben hierin die Klugheit des Fabius Maximus, der durch Aufschub des Kampfes Rom rettete , nachzuahmen , und sehen nicht ein , dafs eine solche Instruktion zumeist ein Unsinn oder schädlich ist ;
denn ein Heerführer ,
die Schlacht vermeiden , Eine solche Instruktion
der
sich im Felde halten will, kann nie
wenn sein Gegner durchaus schlagen will . heifst also nichts anderes , als : liefere die
Schlacht, wenns dem Feinde vorteilhaft ist, nicht Dir ! « ***) *) Friedrich **) Friedrich ***) Friedrich das man infolge I. S. 84.
der Grofse I. S. 86. der Grofse I. S. 84. der Grofse spricht bekanntlich vom „ stolzen Gesetze der Schlacht " , einiger Fautes " unter Umständen vom Feinde annehmen müsse.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
90
"" Um im Felde zu bleiben und keine Schlacht zu liefern , giebt es nur ein sicheres Mittel, nämlich, sich wenigstens 50 Meilen vom Feinde entfernt aufzustellen und gute Spione zu halten , damit man sogleich , wenn jener sich nähert , wieder weiter laufen kann. Ein anderes Mittel , der Schlacht auszuweichen , besteht darin , daſs man sich in eine Festung einschliefst, und beide Mittel sind durchaus verderblich. Im ersten Falle läfst man sein Land dem Feinde zur Beute ,
und jeder tapfere Fürst wird eher in der Schlacht sein
Glück versuchen, als den Krieg zum gröfsten Schaden seiner Unterthanen in die Länge ziehen . Im zweiten Falle ist der unglückliche Ausgang des Krieges vorauszusehen , denn mit einem ganzen Heere in einer Festung eingeschlossen und belagert, leidest Du bald Hunger und mufst Dich ergeben. "
" Ein guter Feldherr und ein gutes Heer fürchten keinen teilweisen, sondern nur einen allgemeinen Verlust. " *) " Niemals galt es für eine weise Mafsregel, alles aufs Spiel zu setzen und hierbei nicht alle Streitkräfte anzuwenden. “ **) „ Unter allen seinen anderen Handlungen mufs ein Feldherr mit jeglicher Kunst auf Mittel sinnen , die Streitkräfte des Feindes zu theilen. “ ***) Ersehen wir aus den beiden letztangeführten Sätzen, wie Machiavelli über zwei Hauptaktionen der Kriegskunst : Zusammenhalten der eigenen Kräfte und Teilung derer des Feindes - ganz unser heutigen Meinung ist ,
so läfst der folgende Satz erkennen ,
dafs ihm
auch die Bedeutung der inneren Linie völlig klar ist : ,,Käme der Feind aber von drei oder vier Seiten, so müfste es notwendig entwender Euch oder ihm an Klugheit fehlen ; denn wenn Ihr klug seid , werdet Ihr Euch niemals in eine Lage versetzen , dafs Euch der Feind von drei oder vier Seiten mit einer bedeutenden Anzahl geordneter Soldaten zugleich angreifen kann . Der Feind muſs nämlich, wenn er Euch ohne eigene Gefahr bekämpfen will , zahlreich sein ,
und jede Seite mit fast so viel Soldaten angreifen ,
als Euer ganzes Heer zählt. Wenn Ihr aber so unklug seid , Euch in das Land und die Gewalt eines Feindes zu begeben, der dreimal so viel regelmässige Streitkräfte besitzt wie Ihr , so könnt Ihr, Wenn wenn es schlecht ausfällt, Niemand als Euch anklagen aber der Feind nicht mehr Leute hat als Ihr, und Euch durch einen Friedrich der Grofse I. S. 26 : " Wer Alles konservieren will, der konserviert Nichts. " Vergl. auch S. 86 . **) Friedrich der Grofse I. S. 24. ***) Friedrich der Grofse I. S. 104.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
91
Angriff auf mehreren Seiten in Unordnung bringen will, so ist es eine Thorheit von ihm und ein Glück für Euch, denn er ist dann genötigt, sich so dünn aufzustellen, daſs Ihr leicht auf eine seiner Abteilungen eindringen , eine andere abhalten und in kurzem alle nach einander aufreiben könnt. " Auch hier wird man unwillkürlich an den siebenjährigen Krieg erinnert.
Über Diversionen heifst es: „ Einige Feldherren, die angegriffen wurden, wollten dem Feinde nicht entgegenrücken , sondern griffen sein eigenes Land an und zwangen ihn so, zur Verteidigung seines Landes umzukehren.
. Wer eine solche Diversion unternahm, kam oft zum Ziele. Aber nur der kann sie unternehmen, dessen Land fester (soll heifsen zuverlässiger und stärker) ist als das des Feindes ; wäre dem nicht so , würde er in sein Verderben gehen . " 8. Taktische Lehren . Das moralische Element. „Der Angreifer kommt mit gröfserem Mute ,
als ihn der Ver-
teidiger hat, was seinem Heere mehr Selbstvertrauen giebt. " „ Selten erleidet der Sieger einen sehr starken Verlust, weil er nur im Kampfe ,
nicht aber auf der Flucht Leute verliert.
In der
Hitze des Gefechts aber, wenn sich Mann und Mann ins Auge schauen, fallen wenige , besonders, da dieser Moment nur kurze Zeit dauert. Sollte er aber auch lange dauern, und sollte der Sieger viele Leute verlieren ,
so ist doch der Ruf des Sieges und der Schrecken ,
er einflöfst ,
so mächtig ,
den
dafs er bei weitem den Schaden aufwiegt,
den der Sieger an Toten und Verwundeten erlitten hat.
Es würde
sich daher ein Heer ,
das den Sieger in der Meinung , er sei durch
den Sieg geschwächt ,
angriffe ,
getäuscht finden ;
dies Heer müfste
denn so beschaffen sein , dafs es sich zu jeder Zeit , vor wie nach dem Siege , mit jenem messen könnte. In diesem Falle mag es je nach Glück und Tapferkeit siegen oder unterliegen, immer wird aber derjenige von den Kriegführenden , der die erste Schlacht gewann, eher im Vorteil sein. " *)
"" Um eine Schlacht zu gewinnen , ist es nötig , solches Vertrauen einzuflöfsen , glaubt.
dafs es durchaus
dem Heere ein
siegen
zu müssen
Die Dinge, die es vertrauungsvoll machen , sind, dafs es gut bewaffnet und geordnet ist , dafs einer den anderen kennt. · •
*) Friedrich der Grofse I. S. 83.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
92
Der Feldherr mufs geachtet sein, so dafs das Heer auf seine Klugheit vertraut.
Immer wird es vertrauen, wenn es ihn geregelt , thätig,
mutvoll sieht , wenn er sein Ansehen als Feldherr und die Majestät seiner Würde behauptet .
Immer wird er dies ,
wenn er seine Sol-
daten für ihre Vergehen straft , sie nicht zwecklos anstrengt , seine Versprechungen hält , wenn er den Weg zum Siege als leicht darstellt und was die Gefahr von ferne zeigen könnte, verkleinert. " " Vor allem aber müfst Ihr Euch hüten, Euer Heer nicht in den Kampf zu führen , wenn es sich fürchtet oder an dem Siege verzweifelt, denn die sicherste Vorbedeutung einer Niederlage ist, wenn man nicht glaubt siegen zu können . “ Das
Terrain .
Unter Nr. 2 ist schon von der militärischen Bedeutung des Terrains die Rede gewesen.
Hier mögen noch folgende Sätze folgen :
„ Die Tapferkeit der Soldaten ist mehr wert als die Menge, und manchmal nützt das Terrain mehr als die Tapferkeit. " „Wer mehr auf die Reiterei baut als auf sein Fufsvolk , oder mehr auf das Fufsvolk Terrain. "
als auf die
Reiterei ,
wähle
danach
sein
Und auf die Frage des jungen Florentiners : " Werdet Ihr Euch immer derselben Schlachtordnung bedienen , wenn Ihr eine Schlacht liefern wollt? " läfst Machiavelli den greisen Feldhauptmann erwidern :
"" Durchaus nicht, die Form des Heeres mufs nach der Beschaffenheit des Terrains wechseln. " *)
und nach der Gattung
und Anzahl des Feindes
Marschsicherung. "9 Ihr müfst zuerst wissen , dafs die Römer in vorsichtiger Weise immer einige Turmen Reiterei vorausschickten, um den Weg auszukundschaften. " „ Die Wachsamkeit mufs um so grösser sein , je geeigneter das Land zu Hinterhalten ist, wie z . B. in waldigen oder bergigen Gegenden. " „Der Feldherr mufs auf dem Marsche seine Wachsamkeit verdoppeln. Das erste, was er zu thun hat, ist, sich Beschreibungen und Karten von dem Lande , in dem er Krieg führt, zu verschaffen, so dafs er die Ortschaften, ihre Zahl und Entfernung von einander, die Wege , die Berge, *) Friedrich der Grofse I. S. 16 : „ Man muss sich also jedesmal nach denen Orten richten, wo man sich befindet " u. s. w.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit. die Flüsse ,
93
die Sümpfe und überhaupt die Beschaffenheit des Ter-
rains genau kennt.
Um gehörig unterrichtet zu sein, ist es notwendig, dafs er immer , unter verschiedenen Titeln, mit der Gegend bekannte Personen um sich hat, dafs er sie sorgfältig ausfragt, ihre Aussagen vergleicht und sich die, welche mit einander übereinstimmen, aufschreibt. Er wird Reiterabteilungen , durch verständige Offiziere befehligt , voraussenden ,
weniger um den Feind zu entdecken ,
als
um das Terrain zu rekognoscieren und zu sehen , ob es mit den Karten und erhaltenen Nachrichten übereinstimmt. " *)
Von dem frei marschierenden Heere verlangt Machiavelli ,
dafs
es täglich 5 deutsche Meilen zurücklegt , wogegen das in „ Schlachtordnung" sich vorbewegende täglich 22 Meilen marschieren soll .
Die Schlacht. Zur Leitung der Truppen in der Schlacht verlangt Machiavelli accentuierte, nicht mifszuverstehende Kommandos : „Ebenso müssen die anderen Befehlsworte einfach und klar sein, wie: Aufgeschlossen ! Halt ! Vorwärts ! Kehrt ! Was sich mit der Stimme befehlen läfst , mufs mit der Stimme befohlen werden ; das übrige mit Trommel und Trompete. " Dann empfiehlt er dringend ,
sich in
mehreren Treffen aufzu-
stellen, um durch die hinteren die vorderen zu unterstützen. er sich die Art dieser Unterstützung selbstverständlich
Wenn
auch ganz
anders
gedacht hat , als wie wir sie heute eintreten lassen , so ist doch die Grundidee dieselbe und bleiben seine Aussprüche nicht minder treffend : „ Der gröfste Fehler , Schlachtordnung begeht ,
den man bei Aufstellung eines Heeres in ist der , dafs man ein einziges Treffen for-
miert , und es so vom Erfolg eines einzigen Angriffs und von
einer
einzigen Wendung des Glückes abhängig macht. " „Wer sich so in Schlachtordnung stellt , dafs
er dreimal mit
frischer Kraft fechten kann , dem mufs , soll er besiegt werden , das Glück dreimal feindlich sein . Er mufs eine Tapferkeit sich gegenüber haben , die ihn dreimal zu besiegen vermag . Wer hingegen nur zu einem einzigen Stofs aufgestellt ist ,
wie
heute
die christlichen
Heere, kann leicht geschlagen werden. "
*) Friedrich der Grofse I. S. 12 : „ Die erstern , und von welcher man den Anfang machen mufs , ist , dafs man die Landkarte von derjenigen Provintz, worin man Krieg führen will , genau studieren , und die Namen derer grofsen Städte und Flüsse, desgleichen der bergichten Gegenden dem Gedächtnis imprimiere" u. s. w.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit .
94
„ Es ist besser, in der Schlachtordnung hinter das erste Treffen beträchtliche Reserven zu stellen , als , um eine ausgedehntere Front zu haben, seine Soldaten zu zerstreuen. " „ Beachtet aber dies, dafs keine gefährlichere Form existiert, als Eurer Front eine zu
grofse Ausdehnung zu geben ,
wenn
Ihr nicht
ein sehr zahlreiches und kriegstüchtiges Heer habt. Habt Ihr das nicht, dann ist es besser, Euch tief und weniger breit zu formieren, als dafs Ihr Euch durch Ausdehnung in die Breite schwächt. Wenn Ihr im Verhältnis zum Feinde nur wenig Leute habt , so müsst Ihr andere Hülfsmittel aufsuchen und z. B. Euer Heer mit einem Flügel an einen Flufs oder Sumpf lehnen , damit Ihr nicht umringt (flankiert) werden könnt, oder auch, Ihr müfst die Flügel durch Verschanzungen decken, wie Cäsar in Gallien that. " *)
Hinsichtlich der Rücken- und Seitenangriffe
meint Machiavelli,
dafs der Erfolg, wenn sie gelingen, stets ein aufserordentlich grofser sein müsse ; er hält sie aber für sehr schwer durchführbar. Jedes Heer müsse übrigens auch in der Inversion kämpfen können . allgemeinen Regeln giebt er noch: „ Je wachsamer Ihr seid , achten ,
An
die Absichten
des Feindes zu beob-
und je mehr Mühe Ihr Euch gebt ,
Euer Heer einzuüben ,
desto weniger lauft Ihr Gefahr und desto mehr hoffen. "
dürft Ihr auf Sieg
,,Im Gefecht ändert nie die anfängliche Bestimmung eines Corps , wenn Ihr nicht Unordnung in Euer Heer bringen wollt. " „ Oft hat es sich ereignet ,
dafs
in einer Schlacht , die bis zur
Nacht währte, der Sieger glaubte geschlagen zu sein, während der Geschlagene gesiegt zu haben glaubte. .. Auf diese Art kann es sich häufig ereignen, dafs zwei sich feindlich gegenüberstehende Heere in derselben Verwirrung sind und dieselbe Not leiden, und dafs der am Ende Sieger bleibt, der die Not des anderen zuerst erfährt. “
" Sehr schwer ist es , ein schon auf der Flucht befindliches Heer zum stehen zu bringen und zu neuem Kampf zu bewegen. hier unterscheiden ,
Man muſs
ob das ganze Heer fortläuft, und dann ist alles
vergebens, oder ob nur ein Teil flieht, und dann kann vielleicht noch geholfen werden. "
Letzteres könne aber ,
wie des längeren
ausgeführt wird ,
nur
durch persönlich couragöses und rücksichtsloses Eingreifen der Führer geschehen.
*) Friedrich der Grofse I. S. 64.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
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Die Verfolgung. "" Werden Schlachten gewonnen, so muſs man mit aller Schnelligkeit den Sieg verfolgen und darin Cäsar nachahmen und nicht Hannibal, welcher nach der Niederlage der Römer bei Cannä stehen blieb , und dadurch die Herrschaft über Rom verlor. " " Cäsar
ruhte
niemals
geschlagenen Feind
nach dem Siege ,
sondern verfolgte den
mit gröfserem Ungestüm und gröfserer Wut,
als er den unversehrten Feind angegriffen. " *) Wenn Machiavelli in dieser Weise die rücksichtslose Verfolgung -
deren Bedeutung zu den meist wohl erkannten aber selten ins
Leben übersetzten Wahrheiten zähltanrät , so mahnt er doch in ganz ähnlicher Weise, wie der grofse König, zur Vorsicht ; weil man sonst leicht den errungenen Sieg in eine Niederlage verkehren könne. Namentlich warnt er vor ungeordnetem Folgen : ""Wer den geschlagenen Feind mit Unordnung verfolgt , will nichts anderes, als seinen Sieg in eine Niederlage verwandeln. " 9.
Infanterie -
Kavallerie .
„Es ist aufser Zweifel, dafs das Fufsvolk der Nerv des Heeres ist . "
" Ich behaupte , dafs die Völker oder Reiche, welche mehr Wert auf die Reiterei als auf das Fufsvolk legen, immer schwach und jedem Unfall ausgesetzt sind. " „ Es ist ohne Zweifel gut, Reiterei zu haben , aber nur als zweite , nicht als erste Grundlage des Heeres . Nichts ist nützlicher und nötiger, um auf Kundschaft auszugehen , das Land des Feindes zu durchstreifen und zu verheeren ,
sein Heer
zu beunruhigen und in Ver-
wirrung zu bringen, es immer unter den Waffen zu halten, ihm die Lebensmittel abzuschneiden .
Was aber die grofse Feldschlacht be-
trifft , die Hauptsache im Krieg und der Zweck, wofür man Heere bildet, so ist die Reiterei nützlicher, den geschlagenen Feind zu verfolgen, wenn er einmal in Unordnung ist, als zu irgend etwas anderem , was in der Schlacht vorkommt , volk weit nach. „ Ihr wollt wissen , ist ?
und an Kraft steht sie dem Fufs-
warum das Fufsvolk der Reiterei überlegen
Ich antworte zuerst, dafs die Reiterei nicht, wie das Fufsvolk,
an alle Orte dringen kann. . . . . Ferner können die Reiter , wenn sie ein Angriff in Verwirrung gebracht , nur schwer wieder in Ordnung gebracht werden, selbst wenn dieser Angriff gescheitert ist..
*) Friedrich der Grofse I. S. 82.
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Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
Ausserdem ereignet es sich oft , dafs ein mutiger Mann ein furchtsames Pferd hat oder ein furchtsamer Mann ein mutiges Pferd ; und diese Ungleichheit führt Unordnung herbei. “ ,,Man darf sich nicht wundern , dafs eine Masse Fufsvolk den Stofs der Reiterei aushalten kann, denn das Pferd ist ein verständiges Tier.
Es kennt die Gefahr und setzt sich ihr nur ungern aus. Wenn nun die Kraft ,
man
welche es vorwärts treibt ,
gegen die abwägt,
welche es zurückhält, so wird man finden, um wie viel die hemmende Kraft stärker ist als die vortreibende, denn nur der Sporn treibt es vor, Piken und Degen halten es zurück.
Auch hat die Erfahrung
alter und neuer Zeit bewiesen , dafs eine geschlossene Schaar Fufsvolk nichts von der Reiterei zu fürchten hat und von ihr nicht angetastet werden kann.
. . . Allein unerachtet
dieser natürlichen
Hindernisse, die den Reiter im Wege stehen , mufs der Befehlshaber des Fufsvolkes immer diejenigen Wege wählen , welche der Reiterei die meisten Hemmnisse darbieten, und selten wird der Fall eintreten, dafs man sich nicht durch die Beschaffenheit des Terrains sichern. kann . Wenn man auf den Höhen hinzieht , so ist man vor jenem Ungestüm ,
das
man fürchtete ,
sicher.
Marschiert man durch die
Ebene , so ist zu bemerken, dafs es wenige Ebenen giebt, wo nicht Anbau und Gehölze Sicherheit gewähren , denn jeder Zaun , jeder Graben, so seicht er auch ist, hält plötzlich jenes Ungestüm an, und Reben und Baumpflanzungen hindern die Bewegungen der Kavallerie gänzlich. " Man darf nicht vergessen, dafs Machiavelli vor beinahe 400 Jahren so schrieb, und dafs seit jener Zeit das Fufsvolk sich in ganz gewaltiger Weise vervollkommnet hat, während das Pferd , die Hauptwaffe des Reiters , im grofsen Ganzen dasselbe bleiben musste. Es frappiert uns ferner , wenn wir in Machiavelli's Schriften bereits die Forderung ausgesprochen finden, die erst in unseren Tagen realisiert worden ist , zu geben.
nämlich : dem Kavalleristen eine brauchbare Feuerwaffe Es wird nämlich verlangt ,
die Reiter
mit „ Armbrusten
und auch einigen Hakenbüchsen " auszurüsten , um die „ Bauern “ zu verjagen , falls sie sich einfallen lassen sollten , Pässe zu besetzen . Hinsichtlich des Gebrauches der blanken Waffe heifst es : „Die Römer wollten , sollte ,
nicht allein weil
parieren läfst ,
dafs der Soldat stechen und nicht hauen der Stich
sondern auch weil
tödtlicher ist und sich schwerer derjenige ,
welcher stöfst ,
weniger Blöfsen giebt und eher zu erneutem Angriff bereit ist , der, welcher haut. "
sich als
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
97
10. Schanzarbeiten . Die Bedeutung der Schanzarbeiten ist , seit das Terrain der Schild" des Soldaten - den Machiavelli noch in natura verteidigt geworden ist, natürlich ganz wesentlich verändert.
Wir führen daher
nur das an, was Machiavelli darüber sagt, wer solche Arbeiten ausführen soll. so würde ich ihr Geschäft
" Was die Schanzgräber betrifft, von meinen eigenen Soldaten verrichten Alten so hielten ,
teils ,
gehalten werde.
lassen ,
teils , weil es die
damit das Heer weniger durch Trofs auf-
Ich würde aus jedem Bataillon
die
erforderliche
Anzahl herausziehen , ihnen das zum Wegbahnen erforderliche Handwerkszeug geben und ihre Waffen den
nächststehenden Rotten zum
Tragen zurücklassen (hiervon kann natürlich bei uns keine Rede sein). Käme nun der Feind , so würden sie ihre Waffen gleich wieder ergreifen und in ihre Glieder eintreten. " Die Frage ,
wie überhaupt das Schanzzeug mitgeführt werden
soll, wird beantwortet :
„auf besonders hierzu bestimmten Wagen . "
Der Frager ist aber skeptisch
und thut zum Schlusse einen Aus-
spruch, der gerade uns zu denken geben muſs : „ Ich zweifele
sehr ,
ob Ihr jemals Eure Soldaten
zu Schanz-
arbeiten bringen werdet. "
11. Grenzsperren und Festungen.
Mit der Festungsfrage Eingehendste beschäftigt.
hat Das
sich Machiavelli wiederholt auf das siebente Buch von der Kriegskunst
handelt ausschliesslich über das Befestigungswesen mit all seinen technischen Details. Davon ist trotz des gewaltigen Umschwunges in der Bewaffnung noch eine grofse Menge heute ganz und gar gültig, indes schien uns diese Materie mehr in den Rahmen einer technischen Fachschrift als dieser Arbeit zu gehören . Für den Ingenieur würde jedenfalls „ Machiavelli und die Befestigungskunst von heute " ein dankbares und interessantes Thema sein. Hier ist die ganze darauf bezügliche Materie fortgeblieben und sollen nur ein paar Sätze, speciell über Grenzfestungen , die ja in unserer Zeit wiederum einmal eine Rolle spielen , Aufnahme finden . Machiavelli verwirft die Grenzfestungen im Princip und findet alles Kriegsheil nur in einer guten, wuchtigen Militärorganisation . Wir wollen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen ,
wie mit
Rücksicht auf die heutige rasche Kriegführung der Gewinn auch nur weniger Tage , erzielt durch Grenzsperren , von der allergröfsten 7 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
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Wichtigkeit sein kann. beipflichten .
Im ganzen aber möchten wir Machiavelli
Er sagt :
"" Was aber die Erbauung von Festungen zum Schutze gegen den äufseren Feind betrifft, so sage ich, dafs sie für Völker und Reiche , welche gute Heere haben , nicht nötig, und für die , welche keine guten Heere haben, unnütz sind.
Denn ein gutes Heer ist ohne Festungen
hinreichend , Dich zu verteidigen , Heer können Dich nicht schützen
Festungen aber • .16
ohne
ein gutes
„Wenn daher ein Fürst , der im Besitz eines guten Heeres ist, an den schwächsten Punkten
seiner Grenzen
den Feind ein paar Tage aufhalten können ,
einige Forts hat , bis
er
die
selbst gerüstet
ist , so kann das manchmal nützlich sein , ist aber nicht notwendig. Hat hingegen der Fürst kein gutes Heer, so sind ihm Festungen, in seinem Lande verteilt oder an der Grenze , unnütz .
entweder schädlich oder
Schädlich, weil er sie leicht verliert und sie ihm dann selbst
den Krieg machen . liegen läfst ,
nehmen kann. stand findet ,
Ganz fruchtlos ,
weil sie das
wenn sie so stark sein sollten , Wenn ein gutes Heer nicht so dringt es in das Land
dafs
feindliche Heer es sie nicht ein-
den kräftigsten Wider-
des Feindes ein , ohne auf
eine Stadt oder Festung zu achten, die es im Rücken läfst. *) So schrieb Machiavelli 300 Jahre vor Napoleon ! Und ferner : „ In diesen Nachteil fällt man fast immer , wenn man bei Ankunft des Feindes die schwierigen Stellen zu halten ,
die Pässe
zu
man zur Besetzung felsiger Stellen
besetzen beschliefst. . . . . Da nicht viele Leute verwenden
kann , teils , weil sie dort selbst nicht
lange Lebensunterhalt finden ,
teils , weil diese Stellen räumlich be-
schränkt sind und wenig Leute fassen, so kann man einem zahlreich anrückenden Feinde nicht widerstehen . Dem Feinde ist es leicht, zahlreich zu kommen ,
da es seine Absicht ist ,
und nicht stehen zu bleiben ;
vorwärts zu gehen
dem Verteidiger ist es unmöglich, ihn
zahlreich zu erwarten, da er in der Ungewissheit ,
wann der Feind
passieren will , längere Zeit an engen und unfruchtbaren Stellen lagern müfste.. . . . Wenn man die ganze Geschichte mit Aufmerksamkeit durchliest, wird man finden , herren solche Pässe
dafs sehr wenige ausgezeichnete Feld-
zu halten
versucht haben ,
teils
aus den an-
geführten Gründen , teils , weil die Pässe nicht alle gesperrt werden können. Die Gebirge haben nämlich gleich der Ebene nicht allein gewöhnliche und häufig betretene Strafsen, sondern viele andere Wege und Pfade , welche , wenn nicht Fremden , doch den Einheimischen
*) Friedrich der Grofse I. S. 56.
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
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bekannt sind, mit deren Hülfe der Angreifende immer an irgend eine Stelle gegen den Willen des Verteidigers geführt wird. . . Geht nun ein Paſs, den Du halten zu können glaubtest und auf den sich Dein Volk und Dein Heer verliefs , verloren , so bemächtigt sich meistenteils des Volkes und der übrigen Soldaten ein solcher Schrecken , dafs Du , ohne ihre Tapferkeit auf die Probe stellen zu können , besiegt bleibst und hast. " *)
mit einem Teil Deiner Streitkräfte alles verloren
12.
Verpflegung.**)
"" Wer nicht für den nötigen Mundvorrat sorgt, ist ohne Schwert besiegt. " „Ihr müfst zuerst wissen , lich wie möglich machen und
dafs ein Fürst sein Heer so bewegalles entfernen soll ,
wodurch es in
seinen Kriegshandlungen gehindert oder aufgehalten wird. " Dieser Satz bezieht sich auf die möglichste Verringerung des Trosses. Machiavelli will sie seiner Zeit und den nächsten Jahrhunderten weit voraus ---- durch ein gesundes Requisitionssystem erreichen : " Was den Hunger betrifft, so ist nicht allein nötig , zu wachen, dafs Euch der Feind die Lebensmittel nicht abschneidet, sondern Ihr müfst auch sehen , wo Ihr sie herbekommt , und sorgen , dafs die, welche Ihr habt, nicht verschleudert werden . Ihr müfst daher immer Vorräte für einen Monat beim Heer haben , Freunden als Steuer auferlegen , mitteln versehen.
und den benachbarten
dafs sie Euch täglich mit Lebens-
In einigen festen Plätzen müfst Ihr Vorräte auf-
häufen und vor allem sie mit Umsicht austeilen ,
indem Ihr jeden
Tag einem Jeden ein vernünftiges Mafs gebt und es so einrichtet, dafs Ihr nicht aus Eurer Ordnung kommt. Denn jede andere Sache kann im Kriege mit der Zeit besiegt werden : diese allein besiegt mit. der Zeit Euch.. • können ,
Dem Hunger wird aber ein Heer nicht entgehen
welches die Gerechtigkeit nicht beachtet und zügellos ver-
zehrt, was ihm in die Hände fällt . "
Geregelte Verpflegung erhalte auch die Heere gesund, und Gesundheit sei eine Hauptsache im Kriege, denn : "" Ein Feldherr, der mit Krankheiten und dem Feinde zu kämpfen hat, befindet sich in der übelsten Lage. "
*) Friedrich der Grofse I. S. 46 und 91. **) Friedrich der Grofse I. S. 125. 126.
7*
100
Niccolo Machiavelli als Kriegslehrer unserer Zeit.
IV . Wir hoffen ,
durch die vorstehende Auslese von Kriegslehren
Machiavelli's dargethan zu haben , wie sehr das kritische Studium seiner Werke sich auch noch für den Soldaten von heute lohnt. Ist uns dieser Nachweis gelungen ,
so ist unser Hauptzweck erreicht :
wir wollten durch unsere Arbeit nicht die weitere Beschäftigung mit Machiavelli überflüssig machen , sondern im Gegenteil dazu anregen . Von diesem Gesichtspunkte aus dürfen wir noch wohl erwähnen, daſs für denjenigen , der sich mit der Geschichte der Kriegskunst des 15. und 16. Jahrhunderts beschäftigt , seine Werke geradezu unentbehrlich und unersetzlich sind. Was würde ein Mann von der klaren Einsicht und dem energischen Willen Machiavelli's geleistet haben, wenn ihm das Geschick statt eines Federkiels das Schwert in die Hand gedrückt hätte? wenn es ihn überhaupt eine andere Zeit hätte sehen lassen ! Denn über seine Zeit und die Unverbesserlichkeit ihrer militärischen Einrichtungen äufsert er sich : „An Euch ist, es zu beurteilen, ob es möglich ist, unter solchen Menschen eine der Verbesserungen einzuführen , von der ich Euch heute unterhalten habe. Wann werde ich einen unserer jetzigen Soldaten zwingen können, mehr Waffen als gewöhnlich zu tragen, diesen Waffen noch Lebensmittel auf zwei oder drei Tage und einen Helm beizufügen?
Wann werde ich es
dahin bringen ,
ihn zu
Schanz-
arbeiten zu bewegen und ihn einen Teil des Tages mit Manövern zu beschäftigen ,
damit er nur im Ernstfalle etwas nützt ?
er sich des Spiels ,
der Ausschweifungen ,
Wann wird
der Gotteslästerung
und
des frechen Wesens enthalten, das sie täglich zeigen ? . . . . Wovor könnte ich Menschen zum Erröten bringen, die ohne Scham geboren und aufgewachsen sind ? Welchen Respekt sollen sie vor mir haben , da sie mich nicht kennen ? Bei welchem Gott oder bei welchen Heiligen soll ich sie schwören lassen ? Bei denen , die sie anbeten oder bei denen, die sie lästern ? dafs sie alle lästern , denen ihr Gelübde
Die sie verehren, kenne ich nicht, aber
das weifs ich !
halten ,
die
Wie soll ich glauben , dafs sie
sie verspotten ?
Wie
können
die ,
welche Gott verachten , Menschen achten ? Welche gute Form liefse sich also diesem Stoffe geben ? . .... . . Niemals wird ein guter Bildhauer aus einem schlecht gemeifselten Marmor eine schöne Bildsäule formen können, wohl aber aus einem rohen Block!" Und wehmütig
stimmt uns
die Klage ,
die
er
hauptmann Fabricio Colonna in den Mund legt , die
seinem Feldaber fraglos
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
sein eigenster , ergufs sind :
101
mit tiefster Überzeugung ausgesprochener Herzens-
„ Ich meinesteils klage die Natur an , die mir entweder diese Einsicht nicht hätte geben oder die Möglichkeit gewähren sollen, sie auszunutzen ! "
VI.
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
Streffleur's österreichische Militärzeitung. März 1881. Über den Aufklärungsdienst der Kavallerie
und dessen Ver-
wertung bei der Befehlsgebung der höheren Kommanden im
Felde ,
vom Oberst v. Neuwirth .
Die im
September 1880
stattgehabten grofsen Manöver an der Sau , denen der Verfasser als Corps-Generalstabschef beiwohnte ,
geben demselben Veranlassung,
in einem Vortrage die Erfahrungen
über die Verwendung der selb-
ständigen Kavalleriedivisionen näher zu beleuchten , wobei
die Not-
wendigkeit betont wird , dem Aufklärungsdienste eine weit gröſsere Aufmerksamkeit wie bisher zuzuwenden . Das Prinzip über die Verwendung der Kavallerie-Divisionen ist in allen europäischen Staaten dasselbe, die eigenen Absichten sollen verschleiert, die des Gegners aufgeklärt werden .
Es mufs daher als
Ziel angestrebt werden , die feindliche Kavallerie auf ihr Gros zurückzuwerfen, um direkt oder auf Umwegen Fühlung mit der feindlichen Infanterie zu gewinnen. vallerie
Demnach lässt sich die Thätigkeit der Ka-
in drei Gruppen zusammenfassen :
achten des Feindes.
1. Aufsuchen und Beob-
2. Unterstützung der Patrouillen durch stärkere
Abteilungen und 3. Durchbrechen des feindlichen Schleiers , um Nachrichten einzuholen. Eine Unterstützung der Kavallerie mufs stets da stattfinden, wo bedeutende Hindernisse, z . B. gröfsere Flüsse, weit ausgedehnte Wälder u. s. w . die Marschlinie treffen , um hier einen Rückhalt für die Kavallerie zu bilden . Bei den erwähnten Manövern wurden zu diesem Zwecke die Jägerbataillone verwandt. Als Ausdehnungraum für die Kavallerie
stellt
der Verfasser
30-50 km fest , jeder Schwadron wird ein bestimmter Rayon zugewiesen, während das Gros mit gewöhnlichen Sicherheitsmafsregeln
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
102
auf den Hauptbewegungslinien marschiert.
Die Österreicher teilten
bei den Manövern die 40 km lange Front in vier Abschnitte für je eine Schwadron ein, so dafs die Flügelschwadronen 14-20 km vom Gros entfernt waren , ein Umstand , der auf das Meldewesen vom gröfsten Einfluss ist. die Kavalleriedivision
In Bezug auf die Frage , vorzupoussieren
ist ,
wie weit überhaupt
hält der Verfasser drei
Tagemärsche (40-60 km) für die günstigste Entfernung. Hieraus ergiebt sich nun die Frage , wie sollen bei dieser Distance die Meldungen zur Tête der Armee kommen ? Selbstverständlich wird überall da ,
wo
Telegraphenleitung vorhanden
ist ,
von dieser Gebrauch
gemacht.
Das ist aber nur in den allerseltensten Fällen möglich, man wird daher meistens auf Beförderung der Meldungen durch Ordonnanzen, resp . durch eingerichtete Kurslinien angewiesen sein. Verfasser berechnet hiernach , dafs bei einem Aufbruch der Kavallerie um 6 Uhr morgens die Meldungen der Division nicht vor 4 Uhr nachmittags abgehen und nicht vor 4 Uhr morgens beim Hauptquartier des Têtencorps eintreffen können . Ist somit die Kavallerie drei Tagemärsche voraus , so kann vor dem fünften Operationstage kein Zusammenstofs mit der Infanterie erwartet werden. Diese Behauptungen werden durch die Erfahrungen der letztjährigen Maauch durch Citate aus dem preufsischen Generalstabswerke (7. Heft) über den Vormarsch auf Sedan bewiesen , wonach növer , wie
die Annahme der Beförderung
von Meldungen auf durchschnittlich eine Meile in der Stunde noch sehr günstig ist. Es ergiebt sich hieraus die Notwendigkeit der Einrichtung einer Ordonnanz- Kurslinie, die durchaus nicht so einfach ist und einer strengen Schulung im Frieden bedarf. Aus diesen Betrachtungen zieht nun der Verfasser zum Schlufs folgende Nutzanwendung speziell für die österreichische Armee. 1. Die Aufstellung von Kavallerie-Truppendivisionen ist bereits im Frieden notwendig. 2. Die österreichische Armee bedarf einer Vermehrung der Kavallerie, da sie, mit alleiniger Ausnahme Italiens, allen übrigen Groſsmächten an Reiterei nachsteht. 3. Die Kavallerie mufs im Felddienst mehr ausgebildet werden. Es wird der Ausbildung Wichtigkeit beigelegt ,
im
Einzelreiten und im Gefecht zu viel
während die Ausbildung im Terrain und die
Geschicklichkeit im Felddienst vernachlässigt werden.
Gerade das
aber mufs den Mafsstab für die Beurteilung eines Kavallerieregiments abgeben.
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften. Journal des
sciences
militaires.
103
April 1881.
Kritische
Betrachtung über die Operationen der Kavallerie. Ein dem obigen Thema ähnliches finden wir hier in der französischen Journallitteratur vertreten . Der Unterschied in der Behandlung des Themas seitens der beiden Verfasser liegt darin, dafs ersterer, an bestimmte Thatsachen anknüpfend , bestimmte Grundsätze entwickelt , während letzterer mehr eine historisch-kritische Abhandlung liefert . Die Ansichten über die Verwendung der Kavallerie sind in Frankreich noch immer sehr geteilt, während eine Partei den Dienst der selbständigen Kavalleriedivisionen als den wichtigsten fast ausschliesslich betrieben haben will, dagegen die Massenverwendung in der Schlacht, bei der Verbesserung der Feuerwaffen , für geradezu unmöglich hält, will die andere Partei dieser Massenverwendung auch dieselbe Bedeutung wie Die Erfahrung hat gelehrt , dafs die
in früheren Zeiten zusprechen . Kavallerie unter der Leitung
mittelmässiger Führer stets mehr und
mehr verfallen ist, dafs sie dagegen in der Hand tüchtiger Führer, wie Gustav Adolphs , Carls XII. , des grofsen Condé , Turennes , Moritz' von Sachsen, Friedrichs II. , Napoleons I. stets hervorragendes geleistet hat. Besonders wird hierbei der General Warnery , der die Grundsätze Seydlitz's veröffentlichte , als Autorität citiert , den Instruktionen Friedrichs II. nachgewiesen ,
dafs
und dabei aus dieselben Prin-
zipien für die Verwendung der Kavallerie auch noch jetzt maſsgebend sind . Das Feuergefecht von Kavallerie gegen Kavallerie wird nach noch häufig als Einleitung des Kampfes zur Verwendung kommen, der wirkliche Kampf wird aber stets mit der blanken Waffe ausgefochten werden . Die Verwendung der Feuerwaffe vom Pferde aus hat zu allen Zeiten stets zum Verfall der Kavallerie wie vor
geführt . Das zweite Kapitel behandelt speciell den Kampf zu Fufs .
Es
enthält eine Zusammenstellung von Äufserungen kavalleristischer Autoritäten über die Leistungen der Kürassiere und Dragoner , aus denen der Verfasser den Schlufs zieht, dafs jede Kavallerie, die den rein kavalleristischen Charakter aufgegeben hatte uud eine gemischte Waffengattung bilden wollte , stets gewesen ist.
anderen Kavallerieen unterlegen
Man darf nur zwischen Infanterie und Kavallerie wählen,
jedes Mittelding ist absolut verwerflich.
Der Verfasser bedauert auch
lebhaft die Abschaffung der Kürassiere und Lanciers, beides Waffengattungen , deren Specialausrüstung so viel dazu beitrug , das moralische Element zu beleben . Die Schufswaffe des Kavalleristen darf nur den einzigen Zweck haben , ständigkeit zu geben ,
so dafs
der Kavallerie sie
eine gröfsere Selb-
sich ohne Unterstützung durch
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
104
Infanterie weiter vorwärts bewegen und ihre Kantonnements selbständig verteidigen kann . Niemals darf die Kavallerie daran denken, das wieder zu werden ,
was die Dragoner des vorigen Jahrhunderts
waren. Das dritte Kapitel behandelt den Felddienst. Nach Ansicht des Verfassers hat die französische Instruktion den Fehler gemacht, dem Aufklärungs- und Sicherheitsdienste zu grofse Wichtigkeit beizulegen , und darüber versäumt, das Hauptziel , das Gefecht, im Auge zu behalten. Der Kunst, im richtigen Augenblicke auf dem entscheidenden Punkte mit überlegenen Kräften aufzutreten , dieser Kunst ist zu wenig Beachtung geschenkt.
Namentlich
im letzten Feldzuge
hat
die Kavallerie sich keineswegs ihrer hohen Aufgabe gewachsen gezeigt, der Grund hierfür lag aber in den mangelhaften Instruktionen für eine methodische Kriegführung, und diese war wiederum Folge einer falschen Anwendung der in Spezialkriegen erworbenen Erfahrungen. Zu allen Zeiten und in allen Kriegen hat die französische Armee den Fehler gemacht , den Sicherheitsdienst zu vernachlässigen , und nur hervorragende Heerführer vermochten diesen Fehler durch ihre Genialität wieder auszugleichen.
In neuerer Zeit ist es namentlich
der General Lewall , der durch seine „Tactique de renseignement " hierüber Belehrung verbreitet und den Sicherheitsdienst in ein den modernen Verhältnissen
entsprechendes System gebracht hat . Die einzelnen , sich hierbei ergebenden Momente lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen :
1. Die beiden Kavallerien haben noch keine Fühlung genommen. 2. Sie sind zusammengetroffen und der Erfolg war günstig. 3. Der Erfolg war ungünstig . Diese Grundsätze finden
nach Ansicht des Verfassers
bei
den
Manövern nicht die genügende Berücksichtigung , während dieses in Deutschland weit mehr der Fall ist. Die französischen Manöver sind fast nur Infanteriemanöver, indem man dem Aufmarsche und der Entwickelung der Truppen
den gröfsten Wert beilegt .
Hieraus erklärt
sich auch der übergrofse Mifsbrauch mit dem Gefecht der Kavallerie zu Fufs.
Von
einer Zuteilung
von
Infanterie
zu
den Kavallerie-
divisionen will der Verfasser nichts wissen , er ist der Ansicht , dafs diese durch die reitende Artillerie vollständig entbehrlich ist. In dem Schlufskapitel des umfangreichen Artikels spricht der Verfasser sich sehr scharf gegen die Art und Weise aus , in der in Frankreich militärische Angelegenheiten in der Journalistik kritisiert werden.
Im Gegensatz dazu erwähnt er, in welcher Weise und mit
welcher Vorsicht dieses in Deutschland geschieht .
Wir führen hier
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
105
seine eigenen Worte an : "9 In Deutschland ist der alte Kaiser selbst. bei allen Manövern zugegen und Er ist es , der etwaige Neuerungen Seine Anwesenheit inmitten der prüft und darüber entscheidet. Truppen ist ein fortwährender Sporn, und jeder Einzelne ist bemüht, sich die Zufriedenheit seines hohen Souverains zu erwerben. Unter seinen Augen entscheidet ein höchstes Tribunal von siegreichen und geschätzten Generalen über militärische Reformen,
und niemand er-
laubt sich dagegen Einwendungen zu machen , selbst wenn er anderer Ansicht wäre. Dort sind es nicht Zeitungsschreiber , die je nach ihren Interessen oder politischen Ansichten Lob oder Tadel äussern , wie es ihnen gerade gefällt. " Zum Schlufs stellt der Verfasser nochmals kurz alle vorher erwähnten Grundsätze zusammen und warnt besonders vor Einführung von Neuerungen, die den echten kavalleristischen Geist gefährden .
Revue d'Artillerie .
März 1881.
Betrachtungen über die
Verteidigung fester Plätze durch Artillerie. Capitaine d'Artillerie .
Im
Von E. Jourdy,
ersten Kapitel werden die Angriffsmittel
mit denen der Verteidigung verglichen . Während das militärische und vielfach auch das nichtmilitärische Publikum mit Interesse den Kampf der schweren Geschütze
gegen Panzerschiffe und die gegen-
seitige Steigerung der Angriffs- und Verteidigungsmittel verfolgt, wird den Kampfesmitteln der festen Plätze im allgemeinen weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obgleich auch diese bedeutenden Änderungen und Verbesserungen unterworfen sind .
Noch bis in die neueste Zeit
hinein war das alte Vauban'sche System mustergültig , und erst vor wenigen Jahren konnte man sich verlassen.
entschliefsen ,
Die verbesserte Präcision
dieses definitiv zu
und Tragweite der schweren
Geschütze warf das ganze System über den Haufen, und trat
an
dessen Stelle das Prinzip ,
zu
schützen.
den Platz
durch detachierte Forts
Im Vergleich zu früheren Zeiten hat der Angriff wesent-
liche Erleichterungen erfahren. Der Bau der ersten Batterieen ist durch die erweiterten Distancen wie auch durch die Möglichkeit der Entwickelung langer Artillerielinien leichter geworden und wird dieser durch das gewaltige koncentrische Feuer von anfang an ein bedeutendes Übergewicht verliehen.
Auch
der Transport
der
Geschütze
ist durch die Eisenbahnen , die bis in die Nähe des Belagerungsparkes führen ,
gegen frühere Zeiten bedeutend erleichtert , man wird sogar
meistens in der Lage sein , die Geschütze vom Park aus mit Strafsenlokomotiven bis in die ersten Batterieen transportieren zu können . Die Ziele , die sich der Belagerungsartillerie darbieten , sind weit leichter
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
106
zu treffen, wie die der Verteidigungsartillerie , kurz gesagt , es zeigt sich bei dem ersten Artilleriekampf in jeder Weise eine bedeutende Überlegenheit
des Angreifers .
gefolgert werden ,
Es darf jedoch
hieraus
keineswegs
dafs die Fortifikation heutzutage ihren Wert ver-
loren hat, sie spielt nach wie vor eine glänzende Rolle, wenn sie es versteht , die Hülfsmittel , über die sie zu gebieten hat , richtig zu verwerten. Diese Verwendung Artikels behandelt.
der Hülfsmittel wird im zweiten Teile des
Durch die Einführung von Panzertürmen finden
die auf den Brustwehren so sehr gefährdeten Geschütze einen sicheren Schutz .
Der einzige Nachteil , der mit diesen Türmen verbunden ist,
besteht darin ,
dafs
das Zielen von innen her etwas erschwert ist,
und dafs sie immerhin keinen absoluten Schutz gegen direkte Treffer gewähren.
Die
aber darin , allergröfsten
dafs
bedeutendste
Überlegenheit
sie im stande ist,
Kalibers
der Verteidigung liegt
dem Angreifer Geschütze des
entgegenzustellen.
Derartige
Geschütze
mit
Geschossen von 150-200 kg Gewicht werden jede Belagerungsbatterie zwingen, ihr Feuer zu unterbrechen, so dafs diese dadurch mindestens ebenso gefährdet ist, wie die Verteidigungsgeschütze auf den Brustwehren.
Der Kostenpunkt, den man gegen die Einführung dieser
grofsen Kaliber als Einwand erheben könnte, kann nicht in Betracht kommen , da eine geringe Anzahl dieser eine weit gröfsere Anzahl mittlerer Kaliber zu ersetzen im stande ist. Um diese schweren Geschütze gegen feindliches Feuer zu schützen , einen Vorschlag ,
der
Beifall finden dürfte.
geradezu
originell
Er verlangt ,
dafs
macht der Verfasser
erscheint und wohl wenig die Glacis in einer Breite
von 40-50 m mit ganz dichtem Unterholz bepflanzt werden, so daſs die Brustwehr vollständig gegen die Einsicht von aufsen geschützt ist. Will daher der Belagerer mit Sicherheit zielen , so muſs er zuvor eine Bresche durch dieses Gebüsch schiefsen , wodurch für den Verteidiger eine kostbare Zeit gewonnen wird , die er zur Beschiefsung der Belagerungsbatterieen mit seinen schwersten Geschützen verwenden wird.
Dieses dichte ,
buschige Glacis bildet gleichzeitig eine vor-
zügliche Position für die verteidigende Infanterie, kurz, der Verfasser ist der Ansicht ,
dafs
im ersten Stadium würde.
hierdurch die des
Kampfes
Überlegenheit vollständig
des Angreifers
paralysiert werden
Eine mächtige Stütze wird die Verteidigung in den Belagerungskriegen der Zukunft in der Anlage starker Batterieen in den Zwischenräumen der Forts finden . Artilleriekampfes
Werden
aufserdem noch vor Beginn des
Feldbefestigungen weit hinaus
im Vorterrain
er-
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
richtet ,
so kann durch diese ,
107
wie die Belagerung von Plewna und
Sebastopol gezeigt, der Angriff auf lange Zeit aufgehalten werden . Im Schlufskapitel stellt der Verfasser folgende Grundsätze auf. Die Fortifikation als solche hat gegen früher bedeutend an Wert verloren ,
dieser Verlust ist
durch Aufstellung
schwerster Kaliber auf
den Brustwehren zu ersetzen, vorausgesetzt, dafs diese durch dichtes Der HauptBuschwerk dem Auge des Gegners entzogen sind. Geschützkampf wird seitens der in den Zwischenräumen der Forts errichteten Batterieen geführt werden müssen , und mehr wie früher wird es darauf ankommen, daſs der Verteidiger von der vorhandenen Armierung und dem Terrain den richtigen Gebrauch macht, und dafs er es versteht, erhalten .
das
moralische Element in der Truppe aufrecht zu
L'Avenir militaire. lerie.
März 1881.
Die Pioniere der Kaval-
Trotz der grofsen Beweglichkeit der Kavallerie wird es häufig
vorkommen, dafs sie durch Terrainhindernisse oder solche künstlicher Art in ihren Bewegungen aufgehalten wird.
In den meisten Fällen
wird ein geringer Vorrat von Schanzzeug genügend sein , Hindernis zu beseitigen.
um
das
Aus diesem Grunde fanden in den Jahren
1873 und 1874 in Versailles eingehende Übungen und Versuche bei dem 18. Dragonerregiment unter Leitung des General L'Hotte statt, und man erwartete ,
daſs, dem Vorschlage dieses Generals gemäſs ,
6 Mann jeder Schwadron zeug versehen werden
als Pioniere
sollten.
ein Kapitän kommandiert ,
um
ausgebildet und mit Schanz-
Es wurden auch von jeder Brigade in Versailles für diesen Dienstzweig
besonders ausgebildet zu werden, allein, es ist bei diesen Versuchen geblieben und von Einführung einer Pioniersektion bei jeder Schwadron ist nicht mehr die Rede , obgleich die meisten europäischen Heere längst
eine
derartige Einrichtung besitzen.
Die erste Idee
dieser Kavalleriepioniere ist schon von Napoleon I. ausgegangen, denn in einem Armeebefehl vom 10. Brumaire des Jahres IV, vom Hauptquartier Verona aus, heifst es wörtlich : „ Nach beifolgenden Modellen sind in jeder Schwadron 2 Mann mit Spaten auszurüsten.
mit Beilen , 2 mit Hacken und 2
Die Corpskommandeure haben die Anferti-
gung dieser Werkzeuge zu veranlassen und sind dafür verantwortlich, dafs die Schwadron fünf Tage nach dem Eintreffen dieser Ordre mit Schanzzeug ausgerüstet sind. " Man hat in Frankreich vielfach erwogen , ob es nicht zweckmäfsig sei , dem Stabe des Kavallerie-Divisionskommandeurs einen Genieoffizier beizugeben , um die vorkommenden
technischen
Arbeiten ,
namentlich Zerstörung von
Eisen-
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
108"
bahnen zu leiten.
Der Verfasser spricht energisch gegen diese rein
theoretische Maſsregel und plaidiert für rasche Einführung der Pioniersektionen, deren Ausbildung die in Versailles kommandiert gewesenen Offiziere zu übernehmen hätten.
Die Revue maritime et coloniale bringt im Märzhefte dieses Jahres einige interessante Notizen über die englische Flotte.
In
Shoeburyness finden gegenwärtig ausgedehnte Übungen der Küstenartillerie statt.
Man hat die Absicht ,
die Bedienung der Küsten-
geschütze vorzugsweise der Miliz und den Freiwilligen zu übertragen, und nur eine geringe Anzahl wirklich ausgebildeter Artilleristen jenen zuzuteilen . Die Bedienung der Geschütze, sowohl der durch Dampfkraft wie der ausschliefslich von Menschenhänden bedienten , war so eingeteilt, dafs nur ein , höchstens zwei ausgebildete Artilleristen bei jedem Geschütz vorhanden waren , wobei es sich herausstellte , dafs diese Zahl selbst bei den 38 t Geschützen vollständig ausreichte. Die Schiefsübungen fanden sowohl bei Tage wie bei Nacht statt , zwar bei Nacht ohne jede Beleuchtung , Gegner das Zielen zu erleichtern. Das
und
um nicht durch Licht dem
Nordenfeldt'sche Revolvergeschütz ,
dessen Leistungen im
Oktober-Hefte vorigen Jahres seitens der Jahrbücher den Lesern mit-. geteilt wurde ,
ist bekanntlich zur Einführung in der ganzen Flotte
gelangt, wo es zur Verteidigung grofser Schiffe gegen Torpedoboote dienen soll. Gegenwärtig ist das Mittelmeergeschwader mit 50 Stück dieser Geschütze ausgerüstet. Das Geschütz selbst besteht aus vier auf einem Durchmesser von 1 (engl. ) Fufs zusammengefügten parallelen Rohren . sind im
Die Geschosse, die ungefähr ein halbes Pfund wiegen ,
stande ,
eine Panzerplatte von 5%
durchschlagen , doch hofft man , das Doppelte zu angefertigt ,
erhöhen .
was
diese Durchschlagskraft
noch um
Bisher wurden die Geschosse aus Stahl
neuerdings werden
Gufseisen gegossen ,
Fufs Durchmesser zu
sie auch aus besonders gehärtetem
den Vorteil
hat , dafs sie
bei
gleicher
Durchschlagskraft, durch die Splitter, in die das Gufseisen zerspringt, eine noch höhere Wirkung gewähren. Das Geschützrohr wird auf einem stählernen Dreifuss mit Kugelcharnier aufgestellt und erfordert zu seiner Bedienung nur drei Mann. Man hat auch seitens der englischen Marine Versuche angestellt , statt der vier Läufe oder Rohre deren zehn zu nehmen , ist aber wieder davon zurückgekommen. Im verflossenen Jahre ist dasselbe Geschütz bekanntlich auch in unserer Marine eingeführt.
Umschau in der Militär-Litteratur.
109
VII .
Umschau in
der Militär-Litteratur.
Militärische Essay's I. Untersuchungen über den Wert der Kavallerie in den Kriegen der Neuzeit. Von R. V. Berlin 1881.
Ferd . Dümmler's Verlagsbuchhandlung (Harr-
witz und Hoffmann) .
44 Seiten .
Preis 50 Pf. *)
„ Zum gesunden Sinne unseres Adels , der die Offizierstellen der Kavallerie fast ausschliefslich besetzt , habe ich das Vertrauen , daſs , sobald er den geringen Wert der Kavallerie als Waffe erkannt haben, er sich auch von ihr abwenden wird . Ist der Kriegszweck der Kavallerie verloren ,
so
sinkt der Kavallerieoffizier zur Bedeutungs-
losigkeit einer „jeunesse dorée " **) herab. " Diese Worte dem Schlusse der vorliegenden Broschüre entnommen - mögen zur Einleitung unserer Besprechung dienen , damit gleich von vornherein der Charakter des Büchleins klar gelegt ist. Sollte dieser trotzdem noch zweifelhaft erscheinen, dann werden der Seite 1 entlehnte Worte gewifs aufklären. Dort heifst es : „ Das Pferd ist eines der scheuesten Tiere. Seine ans
nachstehende ,
Sensitive streifende Natur läfst es vor jedem Geräusch erzittern. Vor jedem auffliegenden Vogel , jedem bellenden Hunde , jedem hellen Fleck
auf der Strafse
springt
es
erschreckt zur Seite.
Die Ver-
bindung von Mann und Pferd ist daher weit mehr geeignet, das kalte Blut des ersteren zu irritieren und seinen moralischen Halt in der Schlacht zu erschüttern, als wenn der Mann nur auf sich selbst vertraut. " Es läfst sich im übrigen nicht leugnen ,
dafs das Büchlein ge-
wandt geschrieben ist und die historischen Scheinbelege so geschickt
*) Obgleich der Redaktion ein Recensions-Exemplar des obengenannten Büchleins nicht zugegangen ist, sieht sie sich dennoch veranlasst, eine ihr von schätzenswerter Seite zur Verfügung gestellte Besprechung dieses Werkes zu veröffentlichen, da sie es für Pflicht erachtet , Bestrebungen , wie sie die " Militärischen Essay's I. “ an den Tag legen, mit allen Mitteln zu bekämpfen. **) Im Original steht d'orée. Auch ist die Frage wohl erlaubt , wie eine Person eine „jeunesse dorée " sein kann ?
Umschau in der Militär-Litteratur.
110
aneinander gereiht, dafs man nur bei gründlicher Prüfung die tendenziöse Darstellung der Thatsachen merkt. Zunächst können wir nicht umhin ,
dem Herrn Verfasser unser
aufrichtiges Bedauern darüber auszusprechen, dafs er sich zu Pferde stets so unbehaglich gefühlt hat. Wie er dann die "" Erschütterung des moralischen Haltes in der Schlacht
mit der „grofsen Bravour" (S. 5 und 19) , „ todesverachten-
den Bravour" (S. 17) , mit welcher die Kavallerie auch nach seiner Auffassung attackierte ,
in Einklang bringt ,
dürfte nicht leicht zu
ergründen sein . Dafs schon in den „ Napoleonischen Feldzügen der Kavallerie nirgends mehr eine Entscheidung auf dem Schlachtfelde zufiel " , ist neu und widerspricht den Angaben längst bekannter, tüchtiger Werke , wie z. B. der „ Histoire de Murat" von L. Gallois oder (v . Canitz) „Nachrichten und Betrachtungen über die Thaten und Schlachten der Reiterei ". Gebührt, um ein drastisches Beispiel anzuführen, nicht der Brigade Kellermann das Verdienst in der Schlacht bei Marengo , den völligen Rückzug der Franzosen in einen Sieg verwandelt zu haben, indem sie die hitzig verfolgenden Österreicher , welche mit 8 Bataillonen und 1 Dragonerregiment in der Vorhut der französischen Armee nach San Giuliano folgten ,
durch
einen
dem rechten Flügel plötzlich
schnellen Ritt vom linken nach
angriff und warf.
Sie ermöglichte es
hierdurch Desaix, Lannes und Monnier , ebenfalls wieder vorzugehen, die Batterien zum Abfahren zu zwingen und die Bataillone der Vorhut dann vollends auseinander
zu sprengen , so dafs sie ,
auf das
Gros zurückgeworfen , dieses , mit Ausnahme der standhaltenden 6 Grenadierbataillone brachten .* )
Weidenfeld
(Reserve) ,
vollständig
in
Unordnung
Ebenso zählen wir zu den Ehrentagen der Kavallerie die von Wertingen , Austerlitz, Jena und Auerstädt, Friedland, Eylau, Borodino , Hainau, Hagelsberg, Belle-Alliance. Zum Beweise dafür, dafs in damaliger Zeit der Verwendung grofser Kavalleriemassen eine entschiedene Wirkung beigemessen wurde , seien die Worte Gneisenau's erwähnt : "" " · und anstatt wie die Franzosen den Divisionen nur wenig Kavallerie
beizugeben ,
zusammenzuhalten,
und damit
diese hingegen in grofsen Massen irgendwo
einen
entscheidenden
Schlag auszuführen. . ... “ **) *) Vergl. v. Bülow : „ Geschichte des Krieges von 1800. “ **) Vergl. Reorganisation der preufsischen Armee nach dem Tilsiter Frieden Bd. 1 S. 8.
Umschau in der Militär-Litteratur.
111
Bei Betrachtung des Krimfeldzuges erzählt Herr R. V., dafs die Brigade Cardigan bei Balaclava „in das Feuer von russischer Infanterie und Artillerie geriet " und " in wilder Flucht zurückraste . " Thatsache ist wahr , jedoch der Hergang ein anderer ,
Die
denn 1. hat
die Brigade überhaupt nur auf einen mifsverstandenen und bis jetzt nicht aufgeklärten Befehl hin attackiert, 2. geriet sie nicht so nebenbei in das Feuer feindlicher Infanterie und Artillerie , sondern stürmte zwischen den mit Artillerie armierten russischen Redouten hindurch, gegen die russische unerschütterte Infanterie- und Kavalleriemassen. *) Ferner wird es der Kavallerie zum Vorwurf gemacht ,
dass sie
bei Sebastopol , ohne bei der Belagerung Verwendung zu finden , zu grunde ging. Es sei die Frage gestattet : Wie denkt sich der Herr R. V. eine Verwendung der Kavallerie bei einer Belagerung ? dann nehme man in Erwägung , zuges (gleichzeitig
Und
dafs von den zu anfang des Feld-
mit der Kavallerie) hingeschickten Truppen nur
sehr wenige die Heimat wiedergesehen haben , da fast alles vor Sebastopol während der ersten Monate zu grunde ging. Wenden wir uns jetzt zu den uns näher liegenden Feldzügen von 1866 und 1870/71 , so hat unstreitbar die Kavallerie darin nicht. das geleistet, was sie leisten kann. Woran lag dies
aber ? **)
Die
bis 1866
stattgefundenen Zu-
sammenziehungen von Kavallerie waren nicht nur auch örtlich vereinzelt geblieben ,
zeitlich ,
sondern
es ereignete sich daher , dafs bei
Ausbruch des Feldzuges 1866 bei weitem die meisten preufsischen Kavallerieoffiziere kaum
mehr als 2-3 Regimenter ihrer Waffe je
auf einem Flecke vereinigt , gesehen hatten.
geschweige denn sich taktisch bewegen
Nur der, dessen Auge von jungen Jahren an gewöhnt
ist, auf gröfseren Reiterscharen zu ruhen, nur der, welcher mit schnellem Blicke schon ihren Zustand, ihr Vermögen oder Nichtvermögen richtig zu erfassen vermag , ist im stande , sie zu führen und die Mafsregeln des Gegners richtig machen sich
ebenso für
zu beurteilen.
Diese Forderungen
die „Geführten" geltend .
Da
dies vorher
nur selten geschehen war, so brachte der Feldzug von 1866 unserer Reiterei keine Erfolge im grofsen , wohl aber führte er auf die richtige Fährte, wie eine bessere Verwendung der Kavallerie zu suchen sei . Der Zwischenraum kurz gewesen ,
als
dafs
zwischen beiden Feldzügen war leider zu sich Zeit und Gelegenheit gefunden hätte,
*) Vergl. Kinglake, the invasion of the Crimea. **) Vergl. Seydlitz in seiner Bedeutung für die Kavallerie von damals und jetzt von Oberstlieutenant Kähler.
Umschau in der Militär-Litteratur.
112
die neuen Gestaltungen in Kavalleriemassen, wie sie 1870 sofort angewandt wurden, der Waffe selber zum Eigentum zu machen . und Truppe waren
gänzlich
fremd
mit Form
Führer
und Zweck.
So
haben wir denn erst im letzten Kriege die Fähigkeit erlernen können , dem Geiste eines Seydlitz in zeitgemässen Formen neues Leben zu geben
und es dürfte wohl nicht der geringste Beweis für die
Tüchtigkeit der preussischen Reiterei, für die Richtigkeit der Grundsätze sein, welche bei Aufstellung und Verwendung jener Kavalleriedivisionen zur Geltung kamen ,
wenn jene sich so schnell in dieser
zurechtfand , dafs sie die Augen von ganz Europa auf sich lenkte, dafs sie ein Nachod , Tobitschau und Mars-la-Tour zu verzeichnen hat. Jedoch auch diese drei Ehrentage der preufsischen Reiterei sind für den Herrn R. V. nichts Anderes als ein „ resultatloses Bataillieren" (Nachod) , „ eine wenig aufgeklärte Affaire " (Tobitschau) *), „ ein resultatloses pêle mêle " (Mars-la-Tour) . Was im speziellen Nachod betrifft, so verweisen wir auf Nr . 61 und 52 des Militär -Wochenblattes stabschef des 5. Corps) .
von 1867 (Bericht des General-
"" In dem Augenblicke, als die österr. Bri-
gaden Rosenzweig und Solms in die Aktion eintraten, " heifst es dort, „ befanden sich 3 österreichische_Infanteriebrigaden, also wohl 21 Bataillone Infanterie bezw. Jäger
den durch die
notwendigen Deta-
chierungen noch geschwächten 7 preufsischen Bataillonen gegenüber . Dieser Übermacht gegenüber mufste die Infanterie der Avantgarde weichen , die Tête des Gros passierte eben erst Nachod , konnte somit sobald nicht herankommen. Als einzige Unterstützung der Avantgarde traf die vorbeorderte Brigade v. Wnuck 8. Dragoner, 1. reitende Batterie) ein.
( 1.
Ulanen,
Ehe noch die Brigade Solms
sich auf die zurückweichende preufsische Avantgarde werfen konnte , attackierte General v. Wnuck, brachte den ganzen Angriff zum Stehen, verschaffte der Avantgarde Luft und Zeit , wodurch es derselben ermöglicht wurde, bis zum Eintreffen des Gros auszuhalten. " Aus dem Umstande,
dafs beide Kavallerieabteilungen sich den
Sieg zuschreiben , folgert Herr R. V. , dafs es ein „ resultatloses Bataillieren" gewesen sei.
Legt man sich jedoch die bei Beurteilung
solcher Attacken einzig mafsgebenden Fragen vor : welches war der Zweck der Attacke ? und : wurde dieser Zweck erreicht? so kann der objektive Beurteiler nur sagen , dafs der Zweck der Attacke kein anderer sein konnte - ähnlich wie bei der Attacke der Brigade
*) Die hierbei gefangenen Kanoniere sollen von sich selbst gesagt haben : "Sono Italiani“.
Umschau in der Militär-Litteratur.
113
Bredow bei Mars-la-Tour -aus ihrer kritischen Lage
als die bedrängte Brigade Löwenfeld zu befreien. Dafs dieser Zweck erreicht
wurde, lehrt der Ausgang der Schlacht selbst. Weshalb die Attacke der 5. Kürassiere bei Tobitschau für den Herrn Verfasser unaufgeklärt erscheint, wissen wir nicht, uns ist sie jedenfalls klar genug , und sehen wir in dem unbemerkten Überschreiten der Blatta bei Biskupitz und der darauf folgenden Wegnahme von 18 Geschützen einen sehr gelungenen Handstreich , wie er sich einem aufmerksamen Kavallerieführer recht oft bieten kann . Auf eine Diskussion
darüber ,
es der Attacke der Brigade
ob
Bredow oder anderen Umständen zuzuschreiben ist, dafs die Offensivbewegung des französischen 6. Corps zum Stehen kam, brauchen wir uns nicht einzulassen , denn das Generalstabswerk hat sich darüber sehr deutlich ausgesprochen . Dem letzteren gegenüber
klingt
es
zum mindesten sonderbar,
wenn der Herr Verfasser ferner behauptet , dafs "" durch die Schuld der Kavallerie , die solche enorme Verpflegungsschwierigkeiten verursacht hatte ,
das mächtigste Heer der Neuzeit nach Siegen
ohne
gleichen nahe daran gewesen sei , an Überwindung der Trägheit der Masse zu erlahmen," " ,dafs dafs diese Rücksichten es jedenfalls auch waren, welche von
einer förmlichen Belagerung von Paris absehen liefsen, "
und 99 dafs auf diese Weise 150 000 Mann 6 Monate lang unthätig (!) vor Paris liegen blieben. " Ebenso auffallend ist die Behauptung S. 16 : „ Bei der III . Armee , wo man die Kavallerie mit unparteiischen Augen die Kavalleriedivisionen in der Queue. "
ansah , liefs man
Wir haben uns vergeblich
bemüht , z . B. die Kavalleriedivision Prinz Albrecht (Vater) 5. August an "9 hinten " zu finden.
vom
Bei der Betrachtung des Loire-Feldzuges und der Operationen im Norden Frankreichs macht der Herr Verfasser dann der Kavallerie Vorwürfe, dafs sie nicht während der levée en masse „ mit weit ausgreifenden Stöfsen mitten ins Herz des feindlichen Landes zwischen die Mobilmachungen
gefahren
sei " und vergifst ,
dafs der Auftrag
hierzu doch nur von der Armeeleitung aus geschehen konnte. Vollständig sind wir mit ihm einverstanden, dafs die Kavallerie noch lange nicht genug geleistet hat ,
es wäre aber geradezu ein ,,testimonium paupertatis " für die Kavallerie, wenn dieselbe sich erst jetzt, nach 10 Jahren , hierüber klar werden sollte. Gott sei Dank haben dies andere Männer auf Grund richtig dargestellter Verhältnisse bereits lange vor dem Herrn R. V. gewufst, jedoch nicht mutlos die Hände in den Schoofs gelegt und etwa die Kavallerie auf 8 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XL.
Umschau in der Militär-Litteratur.
114
ein Regiment per Kriegsdivision ,
wie
es Herr R. V. verlangt ,
zu
vermindern vorgeschlagen, sondern durch ein verbessertes Reglement, häufigere Übungen in grofsen Massen, Bewaffnung mit einer vorzüglichen Feuerwaffe und einem verbesserten Winterbeschlag die Kavalihr eigenartigen Aufgaben geeigneter gemacht. Auch wir Kavalleristen verlangen, dafs man uns dergleichen Aufgaben stellt, wie sie zum Teil der Herr Verfasser mit Recht als nicht gelöst "
lerie zu den
bezeichnet, aber nur, weil sie uns nicht gestellt wurden, wie er hinzuzufügen vergifst . Unsere Schwesterwaffe, die Infanterie, hat vor uns den ungeheueren Vorteil voraus, alljährlich im Divisionsverbande können .
zu
üben
Wie oft wird dies
den einzelnen
Kavallerie-
regimentern zu Teil ? Gestützt auf die den Ansichten
angeführten Thatsachen glauben wir , dafs es
über die Thätigkeit der Kavallerie keinen
Schaden
thut, wenn Herr R. V. auf S. 9 behauptet : „ Hat aber die Kavallerie keine Einwirkung mehr auf die die moderne Schlacht entscheidende Waffe ,
so
ist der Kampf der Kavallerie unter sich eine nutzlose
Episode", oder auf S. 7 :
,,auf den Gang der Schlacht haben der-
gleichen nebenhergeführte Kavalleriegefechte keinen gröfseren Einflußs, wie etwa eine nebenbei sich zutragende Privatrauferei ", oder S. 40 : ,,Die Kavallerie hat aufgehört eine Waffe zu sein , diejenige Armee wird in Zukunft die Ballast befreit. "
schlagfertigste sein ,
welche sich von
diesem
Zum Schlusse können wir nicht umhin, unser Bedauern darüber auszusprechen ,
dafs ein Deutscher über das , was Deutsche in dem
letzten Feldzuge geleistet haben ,
in so gehässiger Weise den Stab
bricht und nicht in objektiver Weise den Gründen für den einen oder anderen Mifserfolg nachforscht ,
sondern alle Thatsachen einfach zur
Bekräftigung seiner Behauptungen umwandelt und entstellt . Er steht bei Beurteilung
der kavalleristischen Verhältnisse
auf einem voll-
ständig unlogischen , bei der Darstellung kriegsgeschichtlicher Ereignisse auf einem vollständig unhistorischen Boden.
Die
Ehrentage
des
Königlich bayerischen 13. Infanterie-
regiments Kaiser Franz Joseph von Österreich im Feldzuge
1870-71 .
Von Adolf Hoenig ,
Hauptmann und
Compagniechef im Regimente. Mit besonderer Freude begrüfsen wir das vorliegende Werk, denn es ist neben der vor einigen Jahren erschienenen Feldzugsgeschichte des 1. bayerischen Infanterieregiments und abgesehen von den bekannten gröfseren kriegsgeschichtlichen Werken Heilmann's und Hel-
Umschau in der Militär-Litteratur.
wig's unseres Wissens das
einzigste ,
das
115
die Waffenthaten
eines
bayerischen Regimentes im deutsch-französischen Kriege zur Darstellung bringt, während bei den übrigen Kontingenten des deutschen Heeres bereits eine reiche Litteratur über diesen Gegenstand besteht. In den Reihen des stehenden Heeres befinden sich zur Zeit nur noch wenig Unteroffiziere , welche im Jahre 1870-71 persönlich an den Kriegsthaten theilgenommen haben und ihren jüngeren Kameraden, dem Mann in Reih und Glied ,
im
tagtäglichen Umgang von der grofsen Zeit
erzählen können , da sich Deutschland von Sieg zu Sieg durch die Thaten seines Volkes in Waffen zu einem mächtigen Staat emporkämpfte . Es bedarf also jetzt anderer Mittel , um bei den Truppen den Geist jener grofsen Zeit wach zu halten , es bedarf einer besonderen Geschichte ,
in welcher die Thaten des Truppenteils den
kommenden Geschlechtern
zur Belehrung und Nacheiferung durch
das gedruckte Wort vor die Augen geführt werden. Hierin besteht meines Erachtens die hohe Bedeutung der Regimentsgeschichten , und diesem Zwecke mufs sich vor allem die Darstellungsweise unterordnen . Wir haben im Laufe der Jahre in diesen Blättern auf manche Regimentsgeschichte hinweisen dürfen ,
die vortreffliches nach dieser
Richtung hin geleistet und in den für sie bestimmten Kreisen gewiſs auch segensreich gewirkt hat.
Aber selbst wenn dieser Standpunkt
nicht ganz
bleibt
festgehalten wird ,
eine Regimentsgeschichte ein
wichtiges Dokument, das den jüngeren Offizieren , die vorzugsweise berufen sind , die geistige Ausbildung der Mannschaft mittelst des theoretischen Unterrichtes und der Kapitulantenschulen zu fördern, den Stoff liefert , in einer dem Standpunkte seiner Zuhörer entsprechenden Weise durch Erzählung der Thaten des Heeres und namentlich des betreffenden Truppenteils das moralische Element zu heben, jenes Faktors , der schliesslich allein im stande ist, die Menge über alle Widerwärtigkeiten des Krieges hinwegzuhelfen . Was nun im besonderen die Ehrentage des bayerischen 13. Infanterieregiments im Feldzuge 1870-71 anbelangt, so ist deren wahrlich keine kleine Zahl und dürfte diese nur von wenigen Truppenteilen des
deutschen
Heeres
übertroffen
Schlachten hat das Regiment bezw. des 1. bayerischen Corps
werden.
In
14 Gefechten
und
ein Teil desselben im Verbande
gekämpft und hierbei
einen Verlust von
52 Offizieren und nahezu 1000 Mann erlitten ; die namhaftesten jener Kämpfe sind Beaumont , Sedan , erste Einnahme von Orleans ,
Mar-
chenoir, Coulmiers , Villepion , Loigny- Poupry , zweite Einnahme von Orleans, Meung, Beaugency und Morée. ist," so
,,Vom Rheine bis zum Loir
dürfen die bayerischen Dreizehner Alfred de Musset mit 8*
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
116
dessen eigenen Worten erwidern,
„ la
trace altière du pied de nos
chevaux marqué dans votre sang ! “ In einfacher schlichter Weise erzählt der Herr Verfasser die Thaten seines Regiments und thut dabei nennenswerter Einzelhandlungen gebührend Erwähnung. Für das allgemeine Verständnis wird auch der Verlauf des Krieges
in allgemeinen Zügen
zur Darstellung
gebracht ;
ganz genau ist die Angabe nicht, dafs in der Schlacht bei Spicheren das franz. 2. Corps durch Teile des 3. verstärkt worden sei , was in der That nicht der Fall war, und dafs sich drei Divisionen der I. Armee zum Angriff entwickelt hätten ; denn das Vorgehen der 13. Division geschah bekanntlich brannten Kampfe . General Faidherbe ,
ganz
unabhängig von
In der Schlacht bei
dem bei Spicheren entAmiens wurde
nicht der
sondern der jetzige französische Kriegsminister,
General Farre , zurückgeschlagen. In Metz verblieb nach der Kapitulation der Rhein -Armee nicht das ganze 7. Armeecorps zur Ablieferung der Kriegsgefangenen , die Besatzung ,
sondern ein Teil dieses Corps
bildete
dort
während der andere Teil zur Belagerung mehrerer
Festungen verwendet, die Gefangenenabführung aber Landwehrtruppen übertragen wurde. Gerne hätten wir die so thatenreiche Feldzugsgeschichte des bayerischen 13. Regiments, mit Rücksicht auf den wichtigen Zweck, ausführlicher und mit etwas gröfserer Wärme behandelt gesehen aber auch so wie sie ist wird sie gewifs Gutes stiften und hoffentlich im ,,Bayernland " recht bald viele Nachfolger haben .
VIII .
Verzeichnis
der bedeutenderen Aufsätze aus
anderen militärischen Zeitschriften.
(15. Mai bis 15. Juni .)
Militär-Wochenblatt ( Nr. 41–50) : Nur keine Schablone für den Exerzierplatz . Aufklärung und Sicherung. Carl v. Wnuck, Königl. preufs. Generallieutenant †. - Das moralische Element der Truppen. - Die Aufgabe der preufsischen Jägerbataillone bei Ausbildung der Corpsjäger zum Förster. - Formation , innerer Dienst
aus anderen militärischen Zeitschriften .
117
Die und Ausbildung der französischen Infanterie - Compagnie. neuesten Bestimmungen über die Ausbildung der Rekruten und das Über die Ausbildung Scheibenschiefsen in der russischen Armee. der italienischen Infanterie im Schiefsen , mit besonderer Berücksichtigung der neuen Instruktion vom Jahre 1880. - Über die Sicherung im Vormarsch.
Das verdeckte Anzeigen und das Telephon auf den Schiefsständen der Infanterie . - Die Anwendung des HeDie Beurteilung liographen während der Achal-Teke - Expedition .
der Dienstbrauchbarkeit nach dem Körpergewicht. -Zur Stiefelfrage .
Neue
militärische Blätter (Juni 1881) :
Die Reorganisation des Heerwesens in Holland, mit Berücksichtigung seines Festungssystems . - Neue Heilversuche eines alten Übels in Frankreich. Die Grenzverhältnisse zwischen Deutschland und Frankreich, mit Rücksicht auf einen event. Krieg zwischen diesen Mächten . - Grundzüge der geschichtlichen Entwickelung der Kasakenheere . Die beiden denkwürdigsten Seegefechte Über Repetiergewehre .
zur Zeit
des
amerikanischen
Krieges.
Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 36-45) : Der Ersatz des französischen Offiziercorps . - Der diesjährige Lehrkursus der Königlich bayerischen Militär- Schiefsschule im Lager Lechfeld . - Die Friedensorganisation des deutschen Reichsheeres . - Beiträge zur Geschichte des Krieges zwischen Chili und Peru. Ein Beitrag zur Zünderfrage. Einige Worte über Taktik und Strategie der Neuzeit. Noch ein paar Bemerkungen über die deutschen und französischen Eisenbahnen . - Die Verhandlungen der französischen Kavalleriekommission zu Tours .
Eine französische Ansicht über den stra-
tegischen Aufmarsch deutscher Streitkräfte an der Rheingrenze . Die Graudenzer Schiefsversuche mit schweren Geschützen . Deutsche Heeres-Zeitung (Nr. 40-47) : Die französischen Eisenbahntruppen. Die Telegraphie vom militärischen Gesichtspunkt. - Die Expedition Skobeleff's gegen die Teke-Turkmenen . - Explosionsunglück auf dem Artillerieschiff „ Mars " in Wilhelmshaven. Die Grundsätze der heutigen Befestigungskunst . - Die deutsche Militär -Versicherungsanstalt in
Hamburg.
Der Heliograph als
Kriegsmittel. Militär -Zeitung für
die
Reserve-
und Landwehr- Offiziere des
deutschen Heeres ( Nr. 21-24) : Die Kämpfe Rufslands mit den Teketurkmenen 1880/81 . -- Die Reiterei . - Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fufsartillerie . - Über die Ausbildung der Reserven und Landwehr bei den jährlichen Übungen . -Der nächste Krieg.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
118
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft V.) ; Über einige Ergebnisse der neueren Tiefseeforschungen. Die Vertikalkraftwaage . - Reisebericht des Kapitän J. H. Stege vom Schiffe ,,Pallas". Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 39 -47) : Die Verwendung der Torpedos im jüngsten Kriege Chiles gegen Peru und Bolivia. — Die Reorganisation der Geniewaffe. Ein Beitrag zur Zünderfrage . - Der Kampf der Feuerlinie im Geiste des neuen Exerzierreglements . - Die Kämpfe Rufslands mit den Teke-Turkmenen 1880-81 . - Die Unnatal- Bahn.
Österreichische Militär - Zeitung ( Nr. 38-46) : Die Erholung des Soldaten . Studie üher das K. K. Militär-Unterrichtswesen. Über Kriegserfahrung im taktischen Sinne. - Taktische Reglements und die Diskussion taktischer Fragen. - Das moralische Element der Truppen.
Feldartillerie , ihr Wert und ihr Verhältnis zur In-
fanterie. - Formation , innerer Dienst und Ausbildung der französischen Infanterie-Compagnie. - Das Infanteriefeuer im Festungskriege. Die Adjustierung der Armee vom taktischen Standpunkte. Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens (4. Heft): Bericht der höheren Kommission über den Bruch der gufsstählernen beringten 45 cm Kanone des „ Duilio “ . - Explosivstoffe und Sicherheitspolizei .
Journal des sciences militaires ( Mai 1881) : Aufklärungstaktik. Studie über die Grundlagen eines neuen Reglements über den Dienst in Festungen . - Die Befestigungen in der Schweiz. - Die Rolle der Befestigung im letzten Orientkriege . Die rationelle Ernährung des Truppenpferdes. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 20-24) : Der neue Krieg in Afghanistan . - Abhandlung über theoretische und praktische Elektricität. Die Lage der Kriegsflotten der vornehmsten Seemächte 1880. - Einige Bemerkungen über Transvaal. - Der Winteroder Eisbeschlag in Europa. - Das Seekriegsspiel und die Kaiserlich technische Gesellschaft in Rufsland . - Studie über die deutsche Artillerie.
Das Generalstabscorps in den verschiedenen Staaten von Europa. - Die Entwickelung in zerstreuter Gefechtsordnung. - Die Einnahme von Geok-Tepe. L'armee française ( Nr. 512-526) : Die Militärkonferenzen von Tours . Die militärischen Operationen in Tunis . Die Armee, die Kirche und die Schule. Aufklärungs- und Sicherheitsdienst. Die Rekrutierung im Jahre 1880. Das Avancementsgesetz .
aus anderen militärischen Zeitschriften.
119
Le progrès militaire ( Nr. 55-64) : Die Kavalleriemanöver. Das Avancementsgesetz . - Die Tirailleurs und die Spahis in Tunis . Die Intendanz im Jahre 1859 und 1881. - Die Schlacht von Chellala. Die Subordination der Infanterie . Der dreijährige
Dienst . —
Die Brigademanöver mit Cadres .
La France militaire ( Nr. 20) : cadres . - Der Gebirgskrieg.
Die
Manöver mit Kavallerie-
Revue d'Artillerie ( Mai 1881) : Studie über die Artillerie . Praktische Arbeiten des Geniecorps am Guadalajara. - Versuche mit Perkussionszündern in Italien .
Revue maritime et coloniale (Mai 1881) : Mondentfernungen. Studie über die Kolonie von Martinique . ― Studie über die Schiffstaktik. - Die Königl. Marine-Akademie von 1775-1775. - (Juni 1881) : Dictionair der österr. gepanzerten Marine. ______ Der Admiral Duperré und die Expedition von Algier. Russischer Invalide ( Nr. 92-119) : Über den Artikel Tschebyschew's , bezüglich der vorteilhaftesten Formation zum Angriff. - Die Schriften Dragomirow's als Buch. Wajenny Sbornik (Juni-Heft) : Die Reiterei jenseits des Wid. Materialien zur Darstellung der Operationen des RustschukdetacheBemerkungen über die Führung von Compaments 1877-78. gnieen und Eskadrons . ― Bemerkung über die Reservebataillone. Militärisch-statistische Übersicht der Kasakentruppen . -
Die 3. Gardedivision 1877/78 . Die 4. Schützenbrigade jenseits der Donau . Erinnerungen an die Thätigkeit der Artillerie bei Rustschuk und Plewna . Russisches Artillerie-Journal ( Mai-Heft) : Beschreibung der dreiDer Schipkapafs. Eine Vorrichtung zölligen Leuchtraketen. -
zur Ausbildung im Richten . Russisches Ingenieur-Journal ( Mai- Heft) : Beschreibung des Dniesterflusses und seines Gebietes. Auszüge aus Briefen vom Kriegstheater in der asiatischen Türkei 1877–78 . Rivista militare italiana ( Mai 1881) : Kartuschen und Werkzeuge für Trancheen. __ Studie über Militäreisenbahnen . — Die militärische Disziplin bei den heutigen Armeeen. - Die Infanterie in der Schlacht. Die Küstenverteidigung. - Neuer Vorschlag zur Befestigung des Schweizer Territoriums. L'Esercito italiano ( Nr. 57-68 ) : Die Offiziere der TerritorialDie Genietruppe. miliz. - Die Operationen in der Lomellina . Militärische JurispruDie Unteroffiziere des französischen Heeres . -Die Instruktionslager. denz . Die Militärjustiz im Jahre 1881 .
120 -
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
Die Territorialmiliz. -
Die kommandierenden Generale . -
Unsere
Kavallerie. Giornale di Artiglieria e genio ( Heft 3) : Die modernen Löschapparate bei Bränden . - Das französische Artilleriematerial von
1870-1880.
Bericht über die Militärtelegraphie .
Rivista marittima (Juni- Heft) : Betrachtungen über die Schiffstaktik. Über die beste Marsch- und Gefechtsordnung mit den gegenwärtigen Waffen . Army and Navy Gazette ( Nr. 1112–1116 ) : Das Unglück auf dem Deterel. - Die Belagerung von Stauderton . - Das Territorialregiment Blunder. - Unsere Freiwilligenmacht. Das Unglück auf
dem Majuba- Hügel .
Die Ausbildung der Infanterie für die Schlacht.
Army and Navy Journal ( Nr. 923-927) : Der Seeadmiral. — Kavallerie- und Infanterieschule. Zwei amerikanische Soldaten. The United Service (Juni 1881) : Über Infanterie . ---- Die österr. Artillerie . -
Die militärische Ohnmacht
Grofsbrittanniens.
Die
Konstruktion der Schiffe, welche für die Marine angenommen sind. Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung ( Nr. 21-24) : Die Über die Unteroffizierfrage in militärischen Operationen in Tunis. der schweizerischen Armee. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 5 ) : Über Aufgaben der Waffenkonstruktionslehre. - Über Organisation der Gebirgsartillerie . - Die Schule für unterseeisches Minenwesen
die
in Willets Point. Revue militaire suisse ( Nr. 10 u. 11) : Instruktion über den Felddienst der Schweizertruppen . - Die Kriege in Afrika . Die Befestigungsfrage. De militare Spectator ( Nr. 6) : Die Verbindung von Amsterdam Über Spermit dem Rheine vom Standpunkt der Verteidigung. Normalbatterieen Verteidigung Festungen Über bei von forts. . Einige Artikel über die Rechtspflege beim Landheere . Militaert Tidskrift (4. Heft): Die Kriegstelegraphie.
-
Das
Massenfeuer auf grofse Entfernungen. Die flüchtige Feldbefestigung mit dem Infanteriespaten . - Das italienische Befestigungswesen . Kongl. Krigsvetenskaps - Akademiens - Handlingar : Über die Gefechtsformen der Infanterie . - Die Ausbildung der Infanterie im Scheibenschiefsen bei den europäischen Heeren .
Jahresbericht über
die Veränderungen in der Befestigungskunst. Revista cientifico militar (Nr. 6-9) : Die Miliz und der Pedro Calderon de la Barca. ------- Die Eroberung von Toledo am 25. Mai 1085. - Über Märsche .
121
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.
La illustracion militar ( Nr. 8) : Studie über den Krieg und seine Mittel. - Die flämischen Regimenter 1534-1700 . Der Feldzug gegen Tunis. Die Belagerung von Cherona im Jahre 1808. Die Militär-Taubenpost. -- Das spanische Pferd. Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 10 u . 11 ) : Die militärischen Rayons. - Das militärische Fuhrwesen . Revista militar ( Nr. 9 u. 10) : Über Artillerie. - Das Heer eine Schule des Gehorsams . Der indirekte Schufs der Artillerie. Der tunesische Konflikt. - Die theoretische Instruktion.
IX .
Verzeichnis
der bei
der
Redaktion eingegan-
genen neu erschienenen Bücher u.
s.
w.
(15. Mai bis 15. Juni .)
Böcker , Ewald : Burggraf Friedrich. Schauspiel in neun Aufzügen. Nebst einem Nachwort und zwei Prologen. - Frankfurt am Main 1881. C. Könitzer. 8º. - 159 S. Bollinger ,
E. ,
eidg.
Oberst ,
Kreisinstrukteur der VI.
Division :
Militärgeographie der Schweiz . Zürich 1881. Orell Füfsli kl. 8°. u. Comp . 122 S. Preis 2,40 Mark. Comas ,
D. Carlos Banus y ,
capitan de ingenieros y profesor de
la academia del cuerpo : Estudios de arte é historia militar. Red. Primera parte : Politica de la guerra. Barcelona 1881 . de la revista cientif. militar. — 8º. - 425 S. Hoenig, Adolph, Hauptmann und Compagniechef : Die Ehrentage des Königlich bayer. 13. Infanterie - Regiments Kaiser Franz Josef von Österreich im Feldzuge 1870-71 . Mit 3 Plänen. Berlin 1881. E. S. Mittler u . Sohn . - 80. -- 84 S. Preis 2 Mark. Hoffmann, L. , Oberstabsarzt : Tierpsychologie. Schickhardt u. Ebner. - 8º. - 130 S.
Stuttgart 1881 .
Le Faure , M. Amédée , Deputé de la Creuse : Dictionnaire militaire. 1. Livraison . A - Art. Paris 1831. Berger - Levrault et Cp. - 8º. - - 160 S. - 3,36 Mark.
122
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.
Notizbuch a. Elbe .
für Offiziere
der Armee und Marine . Th . Lehmann u. Co. - Preis 1,00 Mark .
Prettin
Pedraza , D. Pedro ... y Cabera y D. Carlos Banus y Comas , capitanes de ingenieros : El terreno y la guerra. Barcelona 1881. Red. de la revista cientifico militar. - 8º. - 512 S. Russischen Sprache , Kleines Handbuch der . den Gebrauch in der deutschen Armee bestimmt. A. Goldschmidt. - kl. 8º. - 101 S.
• speziell für
Berlin 1881 .
W., E. v.: Barbara - Taschenbuch zum Gebrauch in FeldartillerieRegimentern und Gebirgsbatterieen. Zweite verbesserte Auflage Wien 1881. mit 43 in den Text gedruckten Zeichnungen. L. W. Seidel u. Sohn. --- kl . 8º.- 100 S.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.
X.
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der
Infanterie in ihrer Bedeutung für
die Gegenwart.
Von E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Es wird sich empfehlen , vorerst den Anteil auszuscheiden, welchen die anderen Waffen am Erfolg hatten . Denn an diesen war gerade der preufsische Angriffsflügel besonders reich dotiert, es war ihm meistens eine erhebliche Anzahl schwerer Geschütze und der gröfsere Teil der gesamten Kavallerie
zugewiesen.
Bei Beginn des
Gefechts ging diese grofse Kavalleriemasse gegen die den feindlichen Flügel deckende Kavallerie vor, warf sie und postierte sich nun selbst so vor dem Flügel der eigenen Infanterie, dafs sie ebensosehr diesen deckte ,
als
den
feindlichen
in Flanke
und Rücken bedrohte .
So
diente schon das Vorgehen der Kavallerie dazu , dem preufsischen Angriffsflügel das Gefühl der Sicherheit , dem feindlichen Flügel das der Unbehaglichkeit zu verursachen.
Die Perspektive, im Falle der
Niederlage nun von dieser Reitermasse überfallen zu werden, mochte beim Feinde keinen anderen als einen entmutigenden Eindruck hervorbringen . So hatte denn in manchen Schlachten die Kavallerie der Infanterie redlich vorgearbeitet , indem ihr erster Erfolg und ihre Anwesenheit zum mindesten das moralische Moment zu Gunsten des Angreifers gestaltete . Die ganz hervorragende Kampfestüchtigkeit der preussischen 9 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
124 Kavallerie ,
die
hierbei natürlich sehr in die Wagschale fällt , liegt
aufserhalb der Gegenstände
dieser Erörterung.
Immerhin
mag
es
aber nützlich sein , gelegentlich darauf hinzuweisen, dafs eine derartige Unterstützung des Flügelangriffs durch grofse Reitermassen , welche die feindliche Kavallerie hinwegfegen, durchaus nicht gerade von der Linearität der Taktik abhängig ist. gehens ist zwar bei
Der Eindruck eines solchen Vor-
der linearen Gestalt der Schlachtordnung ganz
besonders ausgiebig zu denken , wird jedoch auch der Tiefengliederung gegenüber nie ausbleiben , gerade weil es ein vorwiegend moralischer Eindruck ist.
Weit weniger prägnant spricht sich die Mitwirkung der Artillerie an dieser Waffe wenig zugethan , sah der König sich erst durch die Erfahrung genötigt , derselben etwas mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Namentlich war es aber die successive
aus .
Von Anfang
Verschlechterung der Infanterie , welche die Artillerie an Zahl und Bedeutung steigerte, ein Hinweis darauf, dafs die Infanterie in der guten Qualität, wie sie sich zu Anfang des 7jährigen Krieges befand, der Unterstützung der Artillerie entraten konnte , weil sie gröſsere Kraft in sich selbst fühlte. Die Verwendung der Geschützwirkung ward aber dann als mehr in Richtung jener Verstärkung des Infanteriefeuers, als der einer Erschütterung angewendet. Die Vollkugelwirkung auf gröfsere Entfernungen war nicht ausgiebig genug , auf den näheren Distancen, auf welche jedoch nur die leichten Regimentsgeschütze , weniger oft die schwereren Batteriegeschütze gelangten, wurde vorwiegend der Kartätschschufs angewendet. Man kann sonach sagen, dafs die Infanterie seitens der Kavallerie hauptsächlich durch moralischen Eindruck, seitens der Artillerie durch einige Feuerverstärkung unterstützt worden ist.
Aber eigentlich hatte
sie die ganze Arbeit des entscheidenden Kampfes Feuervorbereitung
einschliesslich der
zu verrichten gehabt und dies mitunter auch in
Verhältnissen, welche die Mitwirkung der anderen Waffen beschränkten oder aufhoben. Die prinzipale Waffe der fridericianischen Feuer ,
Infanterie war das
auf dessen gröfstmögliche Entfaltung und Ausnutzung die
ganze preussische Organisation schon vor Friedrich dem Grofsen konsequent und energisch zugestrebt hatte.
Sie war damit ganz in dem
Zuge der bisherigen Entwickelung geblieben, nur war sie darin weiter vorwärts gekommen, weil es ihr gelang, viele der Hindernisse, welche der vollen Herrschaft des Infanteriefeuers sich entgegengestellt hatten, zu beseitigen. Die qualitative Leistung des Gewehres hatte dabei keine erheb-
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. liche Steigerung gewonnen ,
125
wohl aber hatten mehrfache technische
Verbesserungen bewirkt, in Beziehung auf Feuergeschwindigkeit höheres anzustreben. Hierzu zählen die eisernen Ladestöcke , deren. Einführung alle die Inkonvenienzen und Zeitversäumnisse beseitigte, welche durch das Zerbrechen der bisherigen hölzernen oftmals entstanden ; dazu auch die Erleichterung des Gewehres durch Verkürzung des Laufes und Minderung des Beschlages ; dazu die konischen Zündlöcher, welche das Aufschütten von Pulver auf die Pfanne ersparte ; dazu die Anbringung der Lederumfassung des Laufes , die bei dessen Erhitzung die Hand schützte ; dazu endlich die durch anderweitige Organisation des Gepäckes (Wegfall des Degens, der Schweinsfeder ,
der Zelte)
ermöglichte
( 60 Patronen in der Tasche) .
Erhöhung
der Munitionsausrüstung
Soweit also waren alle technischen
Voraussetzungen für ein schnelles Feuern in dem Maſse gegeben, in welchem dies der Vorderlader mit dem Steinschlofs überhaupt zuliefs . Diesem Ziele thatsächlich näher zu kommen , ganze Ausbildung mitgeholfen .
hatte
auch die
Sie hatte es bewirkt, dafs die zahl-
reichen und mitunter komplizierten Ladebewegungen von ganzen Bataillonen mit Schnelligkeit und Präzision ausgeführt wurden und die Infanterie auf dem Exerzierplatze 5-6 , im Gefechte 3 mal in der Minute zu laden vermochte ; eine Leistung , die um so grösser erscheint ,
als
es ja darauf ankam , dafs
gleichzeitig gemacht wurden.
sämtliche Griffe von Allen
Was also die Technik zu bieten noch
nicht im stande war, vermochte eine sorgfältige, gründliche und energische Ausbildungsmethode zu ersetzen. Die fridericianische Infanterietaktik erweist sich somit entschieden als Schnellfeuertaktik . Hierin nun wurde sie noch unterstützt durch die Dotierung der Bataillone mit je 2-3 Geschützen leichten Kalibers , die von Infanteristen bedient, im Gefechte auch gezogen wurden und deren gesamte Taktik und Aufgabe darin bestand, sich stets 50 Schritt vor dem vorrückenden Bataillon zu halten und von 350 Schritt vom Feinde ab während der Vorbewegung möglichst schnell mit Kartätschen zu schiefsen. Die ausschliefsliche Verwendung dieser Schufsart sowie die ganze Taktik dieser Regimentsgeschütze berechtigten sie dazu , sie mehr der Infanterie als der Artillerie zuzuzählen und - in heutiger Zeit
sie mehr zu den Mitrailleusen- als den Kanonenbatte-
rieen in Analogie zu setzen , weil sie nicht das Zielobjekt des Vormarsches zu erschüttern, sondern nur das Massenfeuer der Infanterie noch zu vermehren im stande waren.
Auch für die übrige Artillerie 9*
126
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
wurde die Kartätsche als vorwiegende Schufsart , die gröfste Feuergeschwindigkeit als Ziel der Ausbildung betrachtet. Diesem Streben nach Massenfeuer verschaffen ,
die volle Verwirklichung zu
arbeitete endlich noch die Formenbildung mit.
In dem
Streben , möglichst viele Feuergewehre in Thätigkeit zu bringen, wurde die Rangierung der Infanterie von 4 auf 3 Glieder verflacht. Das erste Treffen wurde einziges und Haupttreffen , das zweite ganz bedeutend schwächer gehalten und lediglich zum Soutien des ersten für Schliefsung von Lücken , Ersatz von Verlusten bestimmt. die Reserve ,
wenn
Auch
eine solche überhaupt bestand , diente nur dem
ersten Treffen insofern, als sie nicht für den Entscheidungsstofs, sondern nur dazu bestimmt war , aufzunehmen.
das erste Treffen zu verlängern oder
Zwar wurde hierdurch die ganze frontale Kraft der
Schlachtordnung auf die einer dreigliedrigen Linie reduziert , aber diese hatte in ihrer höheren Feuerkraft und durch feste Geschlossenheit hier wiederum soviel an Stärke gewonnen , dafs ihr Stofs- und Widerstandsvermögen sich stets genügend erwies, wo nicht entweder das Feuer oder
die Geschlossenheit den Dienst versagte.
Flanke deckte die Kavallerie ,
In der
deren höchstes Gebot war, sich nicht
attackieren zu lassen, und aufserdem der durch Bataillone, welche den Zwischenraum zwischen den Treffen abschlossen, bewirkte Schutz . Zur Lösung aber des wichtigen Problems ,
das Feuer mit der
Vorbewegung zu verbinden, war der Infanterie ebenso das Motiv, wie die Fähigkeit zu eigen gemacht worden.
Es wäre die Gefahr, in die
Passivität geworfen zu werden, gerade durch diese grofse Entfaltung der Feuerkraft der Infanterie näher gerückt gewesen. Aber der Charakter der Offensive, welche Leopold von Dessau und König Friedrich innewohnte ,
drängt von
selbst danach ,
das Vorwärtsgehen der In-
fanterie
zum höchsten Gebote
auch selbst ihrer Feuerleistung zu
machen.
Das Reglement von 1743 bezeichnet das Bajonett, d. h . den
letzten Anlauf als die ultima ratio in jenen Fällen, wo das Feuer allein nicht ausgereicht haben sollte , und verlangt von der Infanterie , daſs sie ihr Feuer bis auf die kürzeste Distanz an den Gegner herantrage . Das Bajonett, das die preufsische Infanterie stets auf dem Gewehre trug, gemahnte sie daran, dafs der Lohn für die Feuerleistung nach vorwärts liege, und dafs auch der Feuereffekt um so kräftiger werde, je näher er der Wirkungssphäre des Bajonettes liegt. Diese
Erwägung hätte
Kolonne hinweisen können ,
ebenso
sehr auf die Anwendung der
wie sie dies gleichzeitig in Frankreich,
wenn auch vorerst nur bei einigen Kriegstheoretikern gethan hat. Allein das Feuer
der Infanterie war als
ein
so prädominierender
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Faktor anzusehen ,
dafs
127
man um seinetwillen auf die Kolonne und
die von ihr gebotenen Vorteile, die gerade einem historisch so durchgebildeten Feldherrn und Organisator, wie Friedrich der Grofse war, sicher nicht verborgen geblieben sind, zu verzichten . Wenigstens war. es so im Bereiche des Kampfes , der in dem Augenblick als betreten erachtet werden konnte, in welchem die aufmarschierte Armee sich in Bewegung gegen den Feind setzte. Auf die Beweglichkeit der Kolonne mufste eben von da zum Teil verzichtet , für die Führbarkeit derselben in anderer Weise Ersatz geschaffen werden.
Letzteres bewirkte die Geschlossenheit der ganzen Linie, die in ihrer Gesamtheit eine einzige Form war, welche vollständig unter der Herrschaft nicht nur, sondern auch unter der Aufsicht des Königlichen Führers stand, der nun seinerseits diese Aufsicht ausübte durch . eine weitgehende Gliederung, eine Gliederung aber, die ganz im Sinne ihrer Bestimmung nicht eine war für selbständiges Handeln der Teile, sondern nur für eine bis ins kleinste verzweigte Kontrolle. Dieser Absicht dienen also die Flügel , die Treffen , die Brigaden , die Regimenter ,
die Bataillone und Pelotons, es sind Unterabteilungen für
die Aufsicht und Wirkungskreise für den persönlichen Einfluss der Unterführer . Um diese Linie unter
einem
steten Feuer auch wirklich vor-
wärts zu bringen , war das einzige Mittel eine successive Vorwärtsbewegung, bei welcher einzelne Teile durch ihr Feuer das Vorgehen der anderen deckten. Diese in ihrem Prinzipe wohl einzig mögliche Verfahrungsweise hätte nun wieder dazu führen können , daſs die einzelnen Teile der Schlachtlinie sich zum Feuern und Vorbewegen von einander ablösten , und hätte dadurch zum Ausgangspunkte dafür werden können , die einzelnen Heeresteile taktisch selbständiger zu verwenden.
Aber die Thatsache ,
dafs das Feuergewehr der Infanterie
selbst bei der vollendetsten Detailausbildung noch lange nicht vermochte , einzelne weiter vorgehende Abteilungen ganz selbständig zu machen, und die ebenso noch nicht bedeutende Feuergeschwindigkeit verboten es, die einzelnen Glieder für das Vorgehen grofs anzunehmen und weit vorgehen zu lassen.
Ersteres
hätte
die Kontinuität der
Schlachtlinie und des Feuers zu sehr gestört, letzteres die vorgeschobene Abteilung zu sehr gefährdet. Aus diesen Erwägungen erklärt sich denn zur Genüge das sonderbar scheinende Verfahren der preuſsischen Infanterie , wonach bataillonsweise mit Pelotons derart vorgerückt dafs , während das Ganze in langsamem Schritte vorrückte , die zum Feuern bestimmten Pelotons mit drei grofsen und raschen Schritten vor die Front heraustraten , ihre Salve abgaben und dann
wurde ,
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
128
sich mit dem unterdessen nachgekommenen Ganzen vereinigten. Es war dies eben nichts Anderes als der kleine Bruchteil, der von unserem sprungweisen Vorgehen in der fridericianischen Zeit möglich war. Auf solche Art war ein ununterbrochenes Feuer während des Vorrückens möglich ,
allerdings
aber wieder nur in der Form der
Salve , welche für die damalige Leistung des Gewehres ebenso notwendig wie durch die Starrheit der Form möglich gewesen ist. Und trotzdem degenerierte auch da in den letzten Momenten des Kampfes das Feuer in ein ungeordnetes Einzelfeuer, in welchem jeder schofs, der konnte und so schnell er konnte. Büfste man auf solche Weise durch die Linie an Beweglichkeit ein, so war doch durch das stärkere Feuer ein mehr als ausreichendes Äquivalent geboten. Ferner aber konnte die Evolutionsfähigkeit um so weniger in Betracht kommen , als in der fridericianischen Schlachtenführung von dem Augenblicke an , wo das Ganze sich zur Linie formierte, das Angriffsobjekt und die Richtung des Vormarsches ganz bestimmt und das Vorrücken im ganzen nur ein frontales war. Dafs dann diese Front im weiteren Verlaufe auf die feindliche Flanke kam, hat mit der Gefechtsform der Infanterie nichts zu thun.
Diese
sorgte lediglich dafür, dafs jedes Bataillon stetig, in gutem Zusammenhang mit dem Ganzen in der einmal gegebenen Richtung vorrückte und durch sein Feuer wie durch seine Entschlossenheit erforderlichenfalls das Bajonett zu gebrauchen , überstehenden Feindes brach.
die Willenskraft des ihm gegen-
Wenn nun der Gebrauch der Linie, als die Form der absoluten Herrschaft des Feuers , mochte ,
in der That jene Aufgabe zu erfüllen ver-
so geschah dies jedoch lediglich unter Zuhülfenahme einer
Detailausbildung und
einer Erziehung , die
damals in Preufsen so
ziemlich allein die Grundbedingungen ihrer Verwirklichung fand. Sie allein ermöglichte es, ein taktisches Gebilde von einer solchen Künstlichkeit in das Gebiet des praktischen Gebrauches , der nur das Einfache zu gestatten pflegt, überzuführen.
Diese Künstlichkeit war kein
absolutes und untrennbares Axiom der Linie, sie war es nur zu jener Zeit, wo die Taktik mit ihren Formen der Leistung der Kampfmittel um ein Jahrhundert vorauseilte . Diese Anomalie konnte nicht umhin, wieder eine Anomalie zu erzeugen , und wenn sich gleichwohl sogar damals
die Linienform im Gefechte
als brauchbar erprobte,
so ist
dies eine Leistung menschlicher Konsequenz und zielbewufster Klarheit, welche alle Bewunderung verdient und deutlich zeigt, wie weit sich eine Sache, ihrer eigenen Natur entgegen, erzwingen lässt, wenn dies nurmit klarer Erkenntnis und in vollkommener Folgerichtigkeit geschieht.
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
129
Es ist darum auch sehr begreiflich , dafs mit der Linienform nicht überall und nicht zu allen Zeiten das Gleiche erreicht worden ist, weil eben nicht immer und allenthalben die Bedingungen dafür erfüllt waren . Es war ebendann wohl unausweichlich , dafs man die schwierige Lenkbarkeit der Linienform zu verspüren bekam und dies umsomehr , je mehr die Armeeen an Zahl wuchsen und je weniger man vermochte , den Nachteil mangelnder Evolutionsfähigkeit durch eine stärkere frontale Entscheidungskraft wieder auszugleichen. war natürlicher ,
Was
als dafs man nach anderen Formen suchte , welche
sowohl Evolutionsfähigkeit als
auch Stofskraft besaſsen , wenngleich
sie die letztere um die Preisgebung eines Teiles ihrer Feuerleistung erkaufen mussten ? Diese Erwägungen hatten schon frühzeitig
in Frankreich
die
Erinnerung an die Kolonne wiedergeweckt. Die Ansicht von der Unnatürlichkeit der reinen Feuertaktik in der damaligen Zeit hatten schon Moritz von Sachsen und Folard veranlafst , als Gefechtsformen in Vorschlag zu bringen.
gewisse Kolonnen
Die damit verbundene
Absicht der Wiedereinführung der Pike zeigt , wie sehr der Wunsch bestand, die verlorene Stofskraft durch die Form wieder da zu erreichen , wo die Feuerleistung nicht das Meiste zu thun vermochte Allein die Notwendigkeit des Infanteriefeuers war doch
schon
damals ein Axiom von solcher Kraft, dafs jene Vorschläge über innere blos akademische Bedeutung nicht hinaus gelangten.
Sie blieben rein
theoretische Betrachtungen, die einen praktischen Wert erst in späterer Zeit und auch da nur insofern erhielten, als man sich bei der wirklichen Wiedereinführung der Kolonne
daran erinnerte ,
dafs
schon
früher bedeutende Kriegstheoretiker ihr das Wort geredet hätten. Mehr Erfolg hatte schon Mesnil Durand, der Folard's und Moritz' von Sachsen Vorschläge Mitte des 18. Jahrhunderts weiter ausbildete. Er ging diesen schon
dadurch voran ,
als er ganz davon absah, die
Pike wieder einzubürgern, sondern die Flinte als alleinige Infanteriewaffe zu grunde legte.
Hierdurch und
durch den glücklichen Griff,
den Mesnil Durand dadurch machte, dafs er inmitten der grofsen und oft überschwenglichen Anbetung als die französische
anpries
der preufsischen Taktik die seine
und dabei das Nationalitätsgefühl auf
seine Seite zog , erreichte er , dafs infolge der grofsen , zu seinen Gunsten entstandenen Agitation sein System zum Gegenstand von Versuchen gemacht wurde , welche zum Zwecke hatten, die praktische Verwendbarkeit beider Arten von Formen zu erproben. Allein auch damals blieb der Versuch ohne Resultat.
Die Übungen
vermochten die Überlegenheit oder doch die Vorzüge der Kolonnen-
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
130
taktik nicht in solchem Mafse darzulegen , dafs hierdurch die Anhänglichkeit an das Hergebrachte , praktisch Erprobte und durch den Vorgang des ersten Militärstaates Gestützte zu besiegen. Es blieb bei der Lineartaktik und das Reglement der französischen Infanterie von 1792 brachte dies auch durchweg treu zum Ausdrucke .
Dafs das-
selbe gleichwohl auch die Kolonne aufnahm , geschah so nebensächlich und unvermittelt ,
dafs es fast nur wie eine Konzession an die
Bemühungen Mesnil-Durands und den von ihm angerufenen nationalen Geist aussieht. Aber was die theoretische Erwägung nicht vermochte, das leistete in einem riesigen Mafse jener gewaltige Umsturz in den bestimmenden Umständen, welche die französische Revolution mit sich brachte. Die hierin hervorgebrachten Änderungen grofse Massen , Autorität.
geringe Ausrüstung
sind in
Kürze benannt :
und Zerstörung aller höheren
Die grofsen Massen wurden notwendig durch die Gefahr, welcher die Koalitionen
mit
das junge Dasein der Republik bedrohten,
durch die Vervielfachung der Kriegsschauplätze ,
durch die grofsen
Abgänge durch Krankheit , Mifswirtschaft und Desertion , endlich als Äquivalent für den Mangel an Ausbildung.
Die letztere hatte ihre
Ursache in dem Widerwillen gegen die bisherige
militärische Zucht,
in der überhaupt auf Schrankenlosigkeit gerichteten Tendenz der ganzen Bewegung, in der Vertreibung oder Beseitigung des gröfsten Teils der bisherigen Offiziere, in der Massenhaftigkeit und Eile, mit welcher die Neuformationen aufgestellt und zur Verwendung gebracht wurden. Die Zerstörung aller höheren Autorität aber war der Grundzug der Revolution , scheuten , greifen ,
und wie die Leiter derselben sich nicht
sich an der geheiligten Person
so wachten sie auch
des
Monarchen
ängstlich darüber ,
zu ver-
dafs ja nicht ein-
zelne Persönlichkeiten in der grofsen Masse zu einem allzumächtigen Einflusse gelangten .
Der Offizier hatte wenig
andere Macht über
seine Untergebenen als die, welche ihm seine persönlichen Eigenschaften verliehen, und selbst um diese mufste zumal der höhere Führer mit der Eifersucht und dem Mifstrauen der Machthaber , die auch vor der Aufhetzung der Soldaten gegen die Offiziere nicht zurückschreckten, oft genug ringen . Unter solchen Umständen war es wohl unmöglich , Taktik zu bedienen ,
sich einer
deren unerlässliche Vorbedingungen gerade das
Gegenteil von dem waren, was geboten war : kleine Heere , vorzügliche Ausbildung , vollkommenste Disziplin. Wenn man einer Infanterie , wie
jene der
französischen Revolution ,
das
Reglement
mit
der
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
131
Lineartaktik in die Hand gab, so war unschwer vorauszusehen, dafs entweder die Infanterie oder das Reglement in die Brüche gehen müsse. Diese Frage, deren Lösung sich anfänglich sehr der ersten Alternative zuneigte, entschied sich endlich, hauptsächlich infolge der riesigen Energie
des Wohlfahrtsausschusses ,
definitiv für die zweite .
Aber auch dies ging nicht mit einem Male , beinahe zufällig vor sich , wickelung . Das erste war ,
ganz in
sondern successive und
dem Gange allmählicher Ent-
dafs die Linie im Vorgehen ihren Zusammen-
hang verlor und aus einer geschlossenen zu einer Schwarmlinie wurde , die sich nur je nach dem Umstande, den sie vor sich fand, oder nach der Deckung oder Bewegungsfähigkeit ,
die ihr das Innere bot, hier
in dichten Schwärmen oder Klumpen zusammenballte , dort verdünnte . So ging das erste Treffen an die begann nun ,
feindliche Aufstellung heran und
auf gehörige Distanz angelangt , ein unablässiges aber
regelloses Feuer. Die Bataillone des zweiten Treffens , durch den Vormarsch ebenso in die Schwarmform geraten, doublierten ein, verstärkten das Feuer ,
bis
endlich die ganze ,
nunmehr ein einziges
Schwarmtreffen bildende Masse, entweder von dem Beispiele einzelner Führer hingerissen , oder dem davonlief.
vorwärts stürmte ,
feindlichen
Gegenstofse
Dies ist die Infanterietaktik ,
oder dem feindlichen Feuer
unterliegend ,
ebenso
regellos
mit welcher die Revolutionsheere
bis zum Jahre 1794 vollständig und ausschliesslich ihre Schlachten kämpfte, und welche mit jener nicht verwechselt werden darf, welche in der späteren Zeit mehr geschaffen wurde, als sich gestaltete.
Jene
war rein naturalistisch, eine Übersetzung der Lineartaktik ins Formlose. Dafs gleichwohl der taktische Erfolg nicht selten
der französi-
schen Infanterie zufiel , hatte seinen Grund nicht nur in der behutsamen , methodischen Kriegführung , die gegenüber der stürmischen und kunstlosen Strategie der Revolutionsheere oft das Konzept verlor, sondern auch in der Gefechtsform. Denn diese machte die Truppe vom Terrain unabhängiger , so dafs mancher Punkt , der nach bisherigen Ansichten unangreifbar zu sein oder einen Schutz zu bieten schien , nunmehr angreifbar oder gar zu einer Gefahr wurde. Die ungleiche Zusammensetzung der Schwärme verursachte ,
dafs , wenn dieselben auch an vielen Punkten aufgehalten oder abgewiesen wurden , die dichteren Teile an einzelnen Stellen der feindlichen. Linie durchdrangen. so
reichte das
Schaden gut
zu
War aber die feindliche Linie durchbrochen ,
zweite Treffen in der Regel nicht mehr hin , den machen ; das durchbrochene erste Treffen war
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
132 damit
aus
so schwach ,
seiner ganzen Natur
hinausgeworfen ,
es
wurde
nun
als es vorher stark gewesen war und die Verwirrung,
die der lokale Durchbruch erzeugte, ermöglichte es bald auch anderen Teilen der französischen Schwarmlinie in die feindliche Stellung einzudringen. Es war eben wieder eine neue Erscheinung der alten , von Friedrich dem Grofsen mit solcher Virtuosität benutzten Thatsache, dafs die frontale Überwindung eines für die Widerstandsfähigkeit der feindlichen Aufstellung entscheidenden Punktes den Sieg über des Ganze zur Folge haben könne , wobei sich nur noch ergab, dafs dieser entscheidende Punkt nicht gerade auf einem Flügel zu liegen brauche, wofern nur die Art der feindlichen Stellung gestattete, auch von einem anderen Punkte aus auf sie diejenigen Einwirkungen auszuüben, welche auf der Flanke soviel Erfolg erzielen können. Dagegen erwies die Ungebundenheit der Form auch ihre Nachteile in reichem Maſse. An Lenksamkeit im grofsen hatte sie vor der reinen Linienform nichts voraus , die Angriffe erfolgten durchweg ein Manövrieren mit der aufmarschierten Armee auf dem Schlachtfelde fand nicht statt und war um so weniger möglich , als
frontal ,
dies gerade der Mangel
an Führung im Innern in einem mit der
Gröfse der Armeeen steigenden Mafse verhinderte. Dieser Mangel fand einen Ausdruck in den massenhaften Desertionen , welche jede , selbst glückliche Schlacht begleiteten , und welche die Armeeen der Republik in noch weit höherem Grade schwächte , als dies die Gefechtsverluste , Entbehrungen und Krankheiten thaten. Die Armeeen würden schon sehr bald auf schwache Cadres reduziert gewesen sein , wenn die politischen Leiter es nicht vermocht hätten, durch eine gewaltsame Ein- und gewaltthätige Durchführung der Konskription eine unerschöpfliche Quelle von Ersatz zu eröffnen. In Beziehung auf Feuereffekt zeigen
die Schlachten jener Zeit
keinen besonderen Unterschied gegen jene der Lineartaktik.
Was
an Ordnung und Leitung gebrach , mochte die Massenhaftigkeit und teilweise auch die Freiheit des Feuers ersetzen . Vor einem allzu raschen Verschiefsen
schützte
schon das geringe Mafs von Feuer-
geschwindigkeit, welches das Infanteriegewehr gestattete.
Gleichwohl
darf nicht übersehen werden , dafs eine empfindliche Munitionsverzehrung bei einem schnellfeuernden Gewehre auch damals hätte eintreten müssen .
Dann aber wäre in noch weit fühlbarerem Grade jene
Schwäche der Schwarmtaktik zur Geltung gekommen, an welcher sie auch der Lineartaktik gegenüber abermals zu scheitern begann. Gegenüber dem Prinzipe der Schwarmtaktik, mit dem ersten und
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
133
einzigen, aber mit aller Wucht geführten Stofse die Haltbarkeit der linearen Form an dem ersten und einzigen Haupttreffen zu zerstören, lag das Schutzmittel darin nahe , den Schwerpunkt der Schlachtlinie in das zweite Treffen zu verlegen und dasselbe von dem ersten soweit entfernt zu halten, dafs eine Niederlage dieses jenes nicht mehr in Mitleidenschaft zog. Es lag darin noch durchaus kein Abweichen von den Prinzipien der Lineartaktik, sondern nur eine Verwechselung der Rollen in den Treffen ; das erste diente nun dem zweiten , nicht aber zur Verstärkung und Unterstützung , sondern als Präservativ, als Wellenbrecher. An ihm gewann das anstürmende feindliche Schwarmtreffen einen leichten Sieg, aber mit grofser Kraftvergeudung und der Einbufse an taktischer Ordnung.
In diesem Zustande war
ihm das Entgegentreten eines starken , festgeschlossenen intakten linearen Treffens weit gefährlicher ; oft kam dadurch der Angriff zum Stehen ;
oft aber verwandelte sich ,
wenn
er gleichwohl fortgesetzt
wurde, die Siegesfreude in einen panischen Schrecken, die Verfolgung in schmähliche Flucht. Wiederholt zeigte die Erfahrung , dafs der Angriff mit massenhaften Schwärmen nach dem erstmaligen Erfolge einer erneuten Leistung ohne vorherige vollständige Neuordnung nicht mehr fähig war. Die Erfahrung konnte nicht verfehlen, die Einsicht zu zeitigen, dafs Masse und Ordnung nicht vorzeitig verschwendet werden dürften , dafs sie beide aufbewahrt werden müfsten , auf jenen Zeitpunkt, wo auch der Gegner seine Entscheidungskräfte in Thätigkeit brachte, dafs also bis
dahin ein
oder mehrere ,
dem Haupttreffen vorangehende
Treffen erst dem Entscheidungskampfe die Wege zu ebnen hätten . Damit entsteht nun zu beiden Seiten, zum ersten Male seit dem Mittelalter, wieder der Begriff des Vortreffens Auf Seite der Verteidigung
dazu bestimmt ,
der linearen Taktik.
das Gefüge
der feind-
lichen Ordnung vor dem Entscheidungskampfe zu stören und zu lockeren , hatte es für den Angreifer die Aufgabe , den Entscheidungsstofs
blofszulegen
die feindliche Stellung für
und hierbei gleich einer Sonde
an derselben die für den letzteren wichtigsten und günstigsten Stellen zu ermitteln . Die unmittelbare Wirkung dieser sich allmählich wieder bis zu drei Treffen ausdehnenden Tiefengliederung war nur eine Verlängerung des Gefechtsaktes ,
der
sich nunmehr nicht in einem Kampfe ,
sondern in mehreren abspielt, in ebenso vielen als Treffen zur Aktion gebracht werden konnten.
Das Gefecht gewinnt an Dauer, an Zähig-
keit, an Kraftausnutzung und bewahrt die Chance des Erfolges dem, der zuletzt noch über kampf- und leitungsfähige Kräfte zu verfügen hat.
134
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Und doch lag in dieser so einfachen Veränderung der Treffen-
verwendung der Keim und die Notwendigkeit Umwälzung
auf taktischem Gebiete.
des Haupttreffens nicht mehr die
einer
tiefgreifenden
Sobald nämlich die Thätigkeit
primäre ,
sondern
abhängig und
präjudiziert war von den Ergebnissen des Einleitungsgefechtes , muſste es als Erfordernis erscheinen , das Haupttreffen in eine solche Form · zu bringen ,
dafs
dasselbe nach Bedarf in diese oder jene Richtung
und Front gebracht werden konnte, dafs es also einerseits möglichst bewahrt blieb vor auflösenden Verlusten,
anderseits
aber und ins-
besondere, dafs es intakt blieb in der Hand der Führung. Ersteres war durch die eingetretene Vergrösserung der Treffenabstände zur genüge ermöglicht , in der Aufrechterhaltung der Führungsverbände und der Aufsicht lag die gröfsere Schwierigkeit ; für die Armeeen der Koalitionen zwar in minder erheblichem Maſse, denn sie verhielten sich zunächst defensiv und hatten dann , angriffsweise verfuhren ,
in
wenn
sie
ihrer besseren Dressur und der langen
Präsenz noch den festen Zusammenhalt bewahrt. Anders aber lag es bei den Revolutionsheeren. Hier war eine ebenso zahlreiche als ungeschulte ,
undisziplinierte Masse zu leiten ,
in welcher die blofse
Treffengliederung nach Schwarmlinien das gestellte Problem nur unvollkommen löste. Es entstand zunächst nur jene Gefechtsweise , welche
sich
als
die
Aufeinanderfolge einer Anzahl
Schwarmlinienangriffe repräsentierte.
massenhafter
Dafs diese gleichwohl fast stets
den Erfolg für sich hatten , lag weniger an der Form , als an der Massenhaftigkeit des verwendeten und immer wieder nachgeführten Menschenmateriales. brauchbar ist ,
Darin
zeigt es
sich wieder ,
dafs jede Form
wenn man die Bedingungen ihrer Wirksamkeit zu
erfüllen vermag. Dafs die Werbeheere und die politischen Zustände in den Koalitionsheeren ein derartiges Kräfteaufgebot nicht zuliefsen, ist einer der Hauptgründe für den Erfolg der französischen Schwarmgegenüber der Lineartaktik. Aber gerade dasselbe Bedürfnis ,
welches die Treffengliederung
und Treffenbedeutung hervorgerufen hatte, machte es zur Notwendigkeit, die rückwärtigen Treffen in der Hand der Führung zu behalten, um eine vorzeitige Beteiligung derselben am Kampfe zu verhüten und im Gebrauchsfalle - sie noch den wichtigsten Punkten zuführen zu können.
Und da die starre Linie
sich schon der mangelhaften
Ausbildung der Truppen und Führer wegen ausschlofs , so blieb als die einzig anwendbare Form die Marschkolonne oder eine derselben ähnliche Form . Gefechtsform zu
Nur erforderte sein ,
d. h .
es die Aufgabe der Kolonne ,
eine
den baldigen Aufmarsch der Linie zu
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
135
gestatten, dafs die lange unhandliche Marschkolonne in ihren einzelnen Stücken nebeneinander gestellt wurde. Den organisatorischen Ausdruck fanden jene Einsichten in dem Halbbrigadesystem Carnots , in welchem stehende Halbbrigade
die
aus 3 Bataillonen be-
die Treffeneinheit bildete.
standen die Halbbrigaden
in Linie ,
in
den
geschlossener Marschkolonne nebeneinander.
Im ersten Treffen
rückwärtigen
in
auf-
Unter dem Schutze der
Schwärme des ersten Treffens hielten sich die Kolonnen intakt , bewegten sich den Angriffspunkten zu , traten auch schliesslich in den Kampf selbst ein. Diese Taktik, dieselbe welche Bonaparte in seinem ersten Feldzuge in Italien vorfand und kultivierte, war bei aller ihrer Ursprünglichkeit doch
eine vorzügliche Waffe für den Führer , der schnelle
Entschlüsse , Überraschungen liebte, und der das Ganze seiner Armee zu beherrschen
ebenso
sehr die Fähigkeit wie das Bedürfnis hatte.
Gerade da war aber ein Entwickeln der 24-27 Compagnieen tiefen Halbbrigaden zur Linie oftmals entweder unnötig oder unmöglich, die Kolonnen gerieten , wie sie waren , Widerstandes.
bis an den Kern des feindlichen
Hier aber war ihre Wirkung weit weniger eine mate-
rielle als eine moralische. Bajonettattacken waren auch damals eine Seltenheit. Das was entschied, war in der Krisis des Gefechtes das Eintreten einer geschlossenen , zielbewussten
Führung
sichtlich
unter der Herrschaft einer
stehenden Masse.
Dieser Eindruck wurde
durch die Kolonnenform ebensosehr hervorgebracht, wie vordem durch die geschlossenen, gleichfalls den Typus der Leitung tragenden fridericianischen Linien .
Sie war denselben sogar darin überlegen , dafs
die Form selbst das Zusammenhaltende, Beherrschende des Führungsprinzips in noch höherem Grade zum Ausdrucke brachte und hierbei noch von der gröfseren Beweglichkeit der Kolonne unterstützt wurde. Der vorwiegende Charakter der Kolonnenwirkung war ein moralischer ; aber derselbe erfüllte seine Aufgabe um so eher, als ja der Kampf ein Abwägen mehr der Willenskräfte ist, als der physischen , welch letztere ja nur mit dem Einflusse ihres Zustandes auf erstere zum Ausdrucke kommen. Denn da es bis zum vollständigen Vernichtungsakte fast nie kommt, wird fast nie jener der Besiegte sein, der nicht mehr kann , sondern stets jener, der zuerst nicht mehr will. Dem Erfolge gesellte sich die Erinnerung an die Arbeiten von Mesnil Durand ,
an die Propaganda der Anhänger der national-französischen Taktik hinzu , um der Kolonnenform , die ja allein das Prinzip der Führung mit den herrschenden inneren Zuständen in der Armee in Einklang brachte, die definitive Aufnahme zu sichern.
So
136
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
war nun die tiefe Aufstellung der Infanterie wieder auf das Schlachtfeld zurückgekehrt , von welchem sie die Unmöglichkeit , den Widerstreit von Pike und Muskete zu lösen , verdrängt hatte. Sie war zurückgekehrt, nachdem die Abschaffung der Pike die Einheitlichkeit der Infanterie wiederhergestellt hatte, aber auch dann erst, nachdem die Forderungen, welche das reine Feuerprinzip damals stellte, augenblicklich sich als so unerfüllbar erwiesen hatten, dafs man lieber auf einen Teil des Feuereffektes verzichten, als ihm zu Liebe die Leitung der Kräfte einbüfsen wollte. Aber ein ganz bedeutender Unterschied waltete doch zwischen der neuen und der alten Kolonnenform. Was dieser nie hatte gelingen können, die Verbindung des Feuergefechtes im Vor- mit der Kolonnenverwendung in den Haupttreffen, das war jetzt, Dank der einheitlichen Bewaffnung der Infanterie, in dem Grade ermöglicht worden, dafs je nach Bedarf in dem einen oder dem anderen Teile der Infanteriethätigkeit , dem Feuer oder dem Stofse, eine beliebige numerische Veränderung bewirkt werden konnte. Und aus eben diesem Grunde war auch die Kolonnenform vor dem Geschicke ihrer Vorgängerin vorerst bewahrt , von dem Feuer zerstört zu werden, weil sie ihr linares Vortreffen durch seine Feuerwirkung schützte und ihre dem Zwecke der Bewegung angepasste Gestalt ihr die Benutzung der Vorteile des Terrains ermöglichte. Da aber die Kolonne doch nicht um ihrer selbst willen entstanden war , sondern ihren Hauptwert in ihrer schliesslichen Entfaltung zur Linie hatte, so wurde dafs die halbbrigadenweise Kolonne oft nicht
es doch sehr fühlbar ,
mehr rechtzeitig entwickelt werden konnte.
Wie nun die Rücksicht auf die Feuerwirkung die grofsen gevierten Schlachthaufen in mehrere, nebeneinander geordnete zerteilte , so war es auch hier. Da man dort und hier von der Kolonnenform nicht abgehen konnte,
mufste man zur Kolonnenlinie kommen . So geschah es, daſs die Halbbrigaden, statt ihre Bataillone hintereinander marschieren zu lassen, dieselben in Kolonne nebeneinander setzten. Man vermochte sonach ebenso leicht zu deployieren , als sich bis dahin zu bewegen , wenngleich die Leitung für den Führer der Halbbrigade wieder an Schwierigkeit zunahm . Es ist merkwürdig, wie sehr diese Vorgänge in Analogie stehen zu der Entwickelung der Kolonnenformen im Mittelalter ; noch merkwürdiger aber, wie sehr schon nach kurzer Zeit des Kolonnengebrauches die Rücksicht auf die Entwickelung zur Linie , d. h . auf die Feuerthätigkeit, wieder ihren
auseinanderzerrenden Einfluss
ausübt.
An
Stelle der aufgeschlossenen Marschkolonnen traten Halbbrigaden-, an Stelle dieser Bataillonskolonnen. Das Bestreben der Führung in die
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Form zusammenzufassen ,
137
findet bei der Kolonnentaktik immer ihre
Gegenströmung in dem Bestreben der Feuertaktik zu gliedern , weil es schliesslich doch immer wieder die Linie ist, um derenwillen man die Kolonne in Verwendung bringt. Dieser neue zweiten Treffens gemäfs
Schritt
an die Wiederherstellung
eines linearen
heran vollzog sich seinem ganzen inneren Charakter
vornehmlich auf dem Schauplatze des
Feldzuges 1796 in
Deutschland, wo das Wesen der rangierten Schlacht mehr zum Ausdrucke kam .
Er setzte sich weiter fort in der Art , dafs auch die
Halbbrigaden des dritten Treffens sich in Bataillonskolonnen auseinanderzogen ,
deren Aufstellung hinter den Zwischenräumen der Ba-
taillone des zweiten Treffens schon deutlich auf ihre Bestimmung des Eindoublierens hinwies . Dies führte im Verlaufe der weiteren Entwickelung dazu, die Treffengliederung für die Schlachtlinie überhaupt brigadenweise anzuordnen , so dafs jede Brigade aus einem Teil der einen Halbbrigade das erste , anderen Halbbrigade das
aus
dem Reste
das zweite ,
dritte Treffen formierte .
aus der
Sieht man von
einer allgemeinen Reserve ab, was man thun kann, weil eine solche oft gar nicht speziell ausgeschieden, sondern nur durch die von rückwärts heranmarschierenden Truppen dargestellt, aufserdem aber stets sich in gewöhnlicher
oder aufgeschlossener Marschkolonne formiert
war , so sieht man leicht, wie sich die Aufstellung der im Gefechte befindlichen Truppen, die ja nur aus nebeneinander kämpfenden Brigaden bestand, wieder der Linearität genähert hat. Die hierdurch verursachte
gleichmässige Verteilung
der Streit-
kräfte auf der Gefechtslinie war von dem Prinzipe der Kolonnentaktik, der lokalen Überlegenheit wieder so weit abgekommen, dafs sie eine Massenwirkung auf einem einzelnen Punkte beinahe so schwer machte , als sie früher gewesen war. Eine Natur wie die Bonaparte's ,
welche stets nach der Ent-
scheidung suchte und für dieselbe grofse Massen einzusetzen ebenso sehr das Bedürfnis wie die Fähigkeit besaſs , mufste danach streben , grofse Massen zu seiner eigenen Verfügung zurückzubehalten , die übrigen Teile aber selbständiger zu machen und die Anzahl der in der Schlachtordnung nebeneinander kämpfenden Glieder zu verringern. Er war hierzu umsomehr genötigt, als er auch die strategische Massenverwendung inaugurierte, zufolge derer er auf den Hauptkriegsschauplätzen den Hauptteil seiner Streitkräfte anhäufte . Von dieser numerischen Stärke auch taktisch Gebrauch machen zu können , dazu war notwendig , dafs er sie auch wirklich heran und in das Gefecht hineinbrachte.
138
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Es ist erforderlich ,
an dieser Stelle
einen Blick auf die orga-
nische Gliederung der Heere zu werfen. Die lineare Schlachtordnung hatte aufser ihrer nahezu mit der Einteilung in Waffengattungen identischen Gliederung in Centrum, Flügel und Treffen keine weitere mehr, die aufmarschierte Armee war ein geschlossenes Ganze, dessen Unterabteilungen mehr der Kontrolle und Aufsicht als der Führung wegen bestanden ; der materielle Zusammenhalt mufste geben, was man von dem ideellen nicht erwarten zu können glaubte . Mit dem Eintritt des französischen Reglements von 1792 in die Sphäre der durch die Revolution geschaffenen Zustände musste sich der materielle Halt , den nur eine sorgfältige Dressur
dies ändern ;
und eine strenge Disziplin zu geben vermochte , war hinweggefallen und konnte so leicht nicht wieder ersetzt werden ; die unmittelbare Führung des Ganzen war ein Ding der Unmöglichkeit , der Versuch einer mittelbaren Führung desselben zur Notwendigkeit geworden. Die Verwirklichung dieser Notwendigkeit wurde nahe gebracht durch dieselben Umstände , eingewirkt hatten.
welche auf die formale Taktik ändernd
Dieselben Einflüsse des Terrains , welche das ein-
zelne Bataillon in eine ungleich verteilte Schützenlinie verwandelten, äufserten sich in gröfserem Mafsstabe an dem Ganzen des einzelnen Heeres.
Und wie dort die Gruppierung
der Schwärme im wesent-
lichen sich nach der Leichtigkeit der Bewegung im Terrain richtete und modifizierte ,
so
zerteilten
sich hier die Massen nach den An-
marschwegen und Strafsen, nachdem es nicht angängig war, die ganze Armee in wenigen langen Kolonnen heranzuführen , - es wäre ihr ja der Aufmarsch zu lang und gliedert sich dadurch
zu schwer geworden.
Ebenso zer-
auch das Ganze der Gefechtsaktion in
Reihe von Teilgefechten .
eine
Für diese aber war die wenige leichte
Artillerie, welche nach dem Vorgange der Lineartaktik den Infanterieregimentern und -Bataillonen beigegeben war , eine nicht genügende Unterstützung ,
auch die eigentliche Artillerie ( die Brigadeartillerie)
mufste verteilt werden , wobei sie dann auch naturgemäfs die Regimentsgeschütze wieder in sich resarbierte . So entstanden, auch wieder mehr als Konsequenz der Umstände denn als Frucht der Reflektion , die Divisionen der französischen Revolutionszeit ; wirkliche Infanteriedivisionen , die nur aus Infanterie mit zugeteilter Artillerie bestanden und nur ganz wenig Kavallerie enthielten .
Doch war auch diese Gliederung keine stabile, sie
wurde je nach Bedarf vorgenommen und entsprach sonach in unseren heutigen Verhältnissen mehr der Truppeneinteilung als der ordre de bataille . Die definitive Einführung der Divisionseinteilung durch
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
139
Carnot stellt nur die Regularisierung des Thatsächlichen dar , giebt aber darum nicht minder Zeugnis von dem Verständnisse Schöpfers , für die Forderungen seiner Zeit.
ihres
Die Gliederung der Armeeen in selbständige Körper machte sich für die Operationen, wie für die Taktik gleich vorteilhaft bemerkbar. In jener Hinsicht erleichtert sie die Märsche , Unterkunft und Verpflegung , in
dieser
entsprach
sie gerade dem inneren Wesen der
neuen Taktik, welche den Sieg in der lokalen Überlegenheit an irgend einem Punkte suchte . Aber sie hatte auch den schwer wiegenden Nachteil, dafs sie der Zersplitterung der Kräfte nicht nur nicht vorbeugte , sondern dieselben gerade durch die Selbständigkeit der Divisionen förderte und aus dem taktischen auch noch in das strategische Gebiet überzuführen gestattete .
Je gröfser die Heere unter
dem Einflusse der Massenkonskription wurden , desto zahlreicher wurden deren selbständige Glieder , desto vielfacher die Teilung der Gefechtsaufgabe, desto schwieriger ihre Beherrschung nach der Frontwie nach der Tiefenausdehnung. Und dies war in beiden Beziehungen erschwerend für die Massenwirkung auf Einen Punkt. Kleine Divisionen hatten als Reserve verwendet entweder nicht die genügende Masse oder keine Einheitlichkeit , in der Front besafsen sie an dem nicht für den entscheidenden Stofs ausersehenen Punkt nicht genug Widerstandskraft und inneren Halt, und für die Führung im grofsen ergaben sich zu viele selbständige Körper, die der Feldherr nicht, vollständig zu leiten und zu kontrollieren vermochte. Schon früher hatte diese Erfahrung zu einer Zusammenfassung der Divisionen in gröfsere Einheiten, Corps , geführt, welche für sich ganz wie eine Armee zusammengesetzt und ausgestattet waren , SO in der Sambre- und Maas -Armee 1795
unter Jourdan
und in der
Rhein -Armee 1800 unter Moreau , doch war die Wirksamkeit dieser Einrichtung nur auf spezielle Fälle und auch da auf das strategische Gebiet der Märsche und Operationen beschränkt geblieben.
Sie auch
in der Taktik- ein- und durchzuführen , blieb Napoleon vorbehalten, der von dem Zeitpunkte an , wo er die Hand nach der Kaiserkrone ausstreckte , auch die taktischen Formen wie die organische Gliederung der Heere für den Massengebrauch in der Schlacht einzurichten bestrebt war.
Die Notwendigkeit ,
mit grofsen Massen auf dem Schlachtfelde
zu erscheinen und diese vollkommen in der Hand zu behalten, machten das Armeecorps dig ausgestattet
zur Einheit der Schlachtenführung , das vollstänmit allen Waffen sowohl als auch mit allen
Trains u . s . w. in sich eine wirkliche Selbständigkeit im Operieren 10 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
140
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
und im Fechten trug, das aber auch stark genug war, die Entscheidung an einem einzelnen Punkte , Ganzes erschien , zu geben .
an welchem
es als geschlossenes
Diese Schöpfung bedurfte der Realisierung ihrer Grundidee durch die Form nach zwei Richtungen, einmal dahin, dafs das Armeecorps im stande war ,
in der Front
die Last des Gefechtes auf längere Zeit allein zu tragen, und dann dahin, daſs es im Reserveverhältnis leitungs- und beaufsichtigungsfähig blieb bis zu dem Punkte, wo es in den Kampf selbst eintreten sollte. Nach beiden Seiten hin gab Napoleon den Formen der Infanterie eine konsequente
und
methodische Durchbildung ,
bei welcher
er
gleichwohl auf dem aus der bisherigen Tradition und Erfahrung Überkommenen fufste. Das Bataillon erhielt als Zwischenglied zwischen der gewissermafsen noch als Marschkolonne anzusehenden Pelotonskolonne die Doppelpelotonskolonne, die 2 Compagnieen in der Front, 3-4 in der Tiefe hatte , und welche durch ihre Tiefenverminderung ebensosehr das Deployement als auch die Übersicht erleichterte und die Zahl der Feuergewehre in der Front der Kolonne für den Fall, dafs diese als solche in den Kampf eintrat, vermehrte. In solcher Form bildete das Bataillon die Kampfeseinheit der vorderen Treffen . Aber hier war es gerade für die erforderliche Ausdauer im Gefechte
notwendig
zu verhüten ,
dafs das Bataillon zu früh in Linie
sich entwickelte , die bequeme und feste Gestalt verliefs und sich in der Schwarmform der Leitung durch die höhere Führung entzog und dem Zufalle mehr in die Hand gab.. Dieses Bestreben führte hier ebenso , wie dies vor dem 30jährigen Kriege und in der Blüte der Lineartaktik der Fall war, dazu, dafs das zerstreute Gefecht der Infanterie , das vollständig zu beseitigen der fortgeschrittenen Feuerwirkung und der Wiederannahme der Kolonnenform wegen nicht angängig war , doch mindestens eine sehr erhebliche Beschränkung erfuhr , während gleichzeitig wieder, hier wie dort , aus der Masse der Einheitsinfanterie eine vorwiegend zu dem Plänklergefechte bildete.
bestimmte Infanteriespecies
sich heraus-
Was das erstere anbelangt, so setzte Napoleon die Quote, welche vom Bataillon als Plänkler zu entwickeln gestattet sein sollte, organisch dadurch fest, dafs er jedem Bataillon eine Compagnie Voltigeure zuwies , welche leichter bewaffnet , gymnastisch besonders ausgebildet, aus kleinen gewandten Leuten rekrutiert und speziell für das Tirailleurgefecht bestimmt waren. Dadurch wurde die Stärke der Plänkler-
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
141
linie auf 19, später ( 1808 ) , als die Zahl der Compagnieen auf 6 herabgesetzt wurde , auf % der Stärke des Bataillons fixiert. Der Rest desselben konnte zwar zur Linie entwickelt werden , blieb aber als Regel auf die Kolonnenform angewiesen. Dafs diese ,
so
sehr an
die gevierten Bataillone mit den vor-
geschobenen Schützenschwärmen der spanisch-ungarischen Ordonnanz erinnernde Verwendungsweise nicht ähnliche Unzukömmlichkeiten mit sich brachte , war dadurch bedingt , dafs dort die beiden Kampfesthätigkeiten strenge an die zwei gänzlich verschiedenen Infanteriegattungen verteilt waren , wie
zum
hier aber das Ganze ebenso zum Feuern
Nähewaffenkampfe verwendbar war und die Schützen
in
ihrem Bajonett und in der Feuerbereitschaft des geschlossenen Bataillons eine ebenso nachhaltige und ausgiebige Stütze fanden , wie in des letzteren Kolonnenform . Dieser Umstand war es , der denn
auch nunmehr eine solche
Entfaltung und Zuverlässigkeit des Tirailleurgefechtes ermöglicht hatte. Dadurch nun gewann in seiner vorgeschobenen Tirailleurlinie das geschlossene Bataillon einen Schutz, der es bei dem damaligen Stande der Feuerwaffen vor der Geschütz- wie der Gewehrwirkung ausreichend bewahrte, um ihm das Verbleiben in der Kolonnenform bis zum letzten Augenblicke zu gestatten .
Eine
entsprechende
Poten-
zierung der Artillerie- und Infanterie-Feuerwirkung mufste dies wohl wieder ändern und die Erfahrungen der Kaiserlichen gegen die Schweden wieder erneut machen lassen , - aber eine solche Potenzierung trat damals nicht ein, und die Kolonne blieb als eine ebenso unbedenkliche wie bequeme und brauchbare Form mit allem Rechte bestehen. Die für das Bataillon adoptierte Kolonnenform fand ihre weitere Anwendung auch bei den höheren Truppenkörpern der Infanterie. Das Regiment formierte , bevor es im Gefechte seine Bataillonskolonnen nebeneinander herauszog , dieselben in Einer Kolonne hintereinander , ebenso
die Brigade ihre Regimenter ,
Division und das Armeecorps . seinen
festen Zusammenhalt ,
analog verfuhr die
In dieser Form bewahrte das Ganze seine
vollständige Leitungsfähigkeit
gerade durch die Unverwendbarkeit der Massenkolonnenform , in die es gegossen war und die konnte .
es ohne besonderen Befehl nicht aufgeben
Aber auch für den Fall des Eintretens in das Gefecht wurde
die von demselben
erforderte Zerlegung
in
solcher Weise möglich,
dafs sie nie weiter ging , als es der nötige Grad der Gefechtsbereitschaft erforderte. Das Armeecorps konnte erst seine Divisionen nebeneinander vorziehen, dann später eine derselben oder mehr wieder 10 *
142
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen etc.
in Brigademassen zerteilen , letztere ganz oder zum Teil in Regimentskolonnen zerlegen, um erst zuletzt diese letztere in einzelne Bataillone auseinander zu ziehen . Es war dies der deutliche Ausdruck für das Bestreben der Führung , ihre Herrschaft nicht weiter und zu gliedern, als dies die Bereitschaft für den ment erforderte ,
und als es die Möglichkeit ,
zu teilen
nächsten Mo-
die Teile wieder zu-
sammenzufassen, zugab. Die Einführung einer von der Marschkolonne ganz verschiedenen Gefechtskolonne bereichert das Regiment
um eine Anzahl von Evo-
lutionen , welche den Zweck hatten , den Übergang von der Marschkolonne zur Masse ,
von der Masse zur Kolonnenlinie , von der Ba-
taillonskolonne zur Linie und umgekehrt, unter dem Einflufs und der Aufsicht der Führung, d. h. auf Kommando zu vermitteln , die Auflösung und Wiedereinziehung der Plänklerlinien zu bewerkstelligen. Daran reihte sich naturgemäfs die Notwendigkeit der Einübung und die Wiederkehr der Ausbildung der Truppen, sehen wir den Kaiser vor Beginn des
und übereinstimmend
grofsen Feldzuges von 1805
dem Exerzieren seiner Truppen , besonders der Infanterie, viel Eifer und Sorgfalt zuwenden. Zu der Zeit aber ,
in welcher die französische Infanterie durch
die unaufhörlichen Kriege und Neuorganisationen schon so sehr verschlechtert war, dafs selbst diese Formen für sie noch zu frei waren, ein Zeitpunkt, dessen Eintreten Napoleon selbst durch die Zuteilung von Regimentsgeschützen an dieselbe 1809 gekennzeichnet hat fafste er jene Divisionen, mit welchen er selbst auf den entscheidenden Punkten auftrat, in eine Form , in welcher sie nunmehr ein Ganzes, baar jeder weiteren Entwickelung und Gliederung waren.
Es ist dies
jene Art der Divisionsmasse , in welcher die zwölf Bataillone , je in Linie deployiert , hinter einander standen . Sie erinnert lebhaft an die grofsen gevierten Haufen
der Landsknechtzeit ,
vor
denen
sie
hauptsächlich eine ansehnlichere Feuerfront und gröfsere Beweglichkeit - letztere infolge der eingetretenen leichteren Adjustierung voraus hatte. Sonst war auch sie nichts als eine Masse menschlicher Körper , in welcher beraubt ,
der Einzelne ,
des
eigenen Willens vollständig
als mechanischer Bestandteil hin- und hergeschoben wurde
und nur mit seiner Körperschwere, nicht mit geistigen Qualitäten , in Rechnung kam . (Fortsetzung folgt.)
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
143
XI.
Freicorps und
Kavalleriedivisionen.
Der Feldzug 1866, welcher für die heutige Verwendung der verschiedenen Waffen bahnbrechend war,
hat auch der Kavallerie die-
jenige Freiheit der Bewegung wiedergegeben, welche ihr, in richtiger Erkennung ihrer Eigentümlichkeit und der daraus zu ziehenden Vorteile, schon Friedrich der Grofse und Napoleon angewiesen hatten . Denn veranlasst durch die gemachten Erfahrungen wurden auf Grund eines eingehenden Studiums früherer Feldzüge, namentlich von 1805 , allgemeine Direktiven aufgestellt , nach denen in Zukunft die Kavallerie der obersten Heeresleitung das wesentlichste Material zu ihren Entschlüssen liefern und aufserdem die getroffenen Maſsnahmen der Einsicht des Feindes entziehen sollte. Bekannt ist , in wie vorzüglicher Weise die aufgestellten Divisionen 1870 , nachdem sie sich erst in diese Aufgabe gelöst haben.
ihre Rolle
Der Armee weit
eingelebt hatten ,
vorauseilend ,
sehen
wir sie die Mosel erreichen und die dortigen Übergänge besetzen, kurz darauf die direkte Strafse Metz - Verdun aufklären und durch eine
forzierte Rekognoszierung
lichen Corps
feststellen und
die
Anwesenheit
endlich
am
18. der
mehrerer feindoberen Leitung
die Gewissheit verschaffen , dafs auf der nördlichen Strafse über Conflans keine bedeutenderen Truppenteile abmarschiert waren . Die Bewegungen der Maas- und III. Armee deckend, bringen sie sodann auf Entfernungen von drei Tagemärschen vor der Front Nachrichten von dem Verlassen des Lagers von Chalons und der Anwesenheit der Mac Mahon'schen Armee in der rechten Flanke bei Vouziers . Wenn es somit der Kavallerie gelang ,
den an sie
gestellten An-
forderungen in der ausgiebigsten Weise gerecht zu werden ,
so darf
zu einer richtigen Beurteilung der Vorteile , welche man von ihrer zweckmässigen Verwendung zu erwarten hat , nicht aufser Acht gelassen werden, dafs bekanntlich die Mafsnahmen des Gegners solche Erfolge sehr erleichterten . In der Zukunft werden so günstige Verhältnisse nicht so leicht wieder vorliegen ; den weit vorauseilenden Kavalleriedivisionen werden sich
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
144
feindliche Abteilungen in ähnlicher Gliederung
entgegenstellen und
es wird sich darum handeln , nicht blos die eigenen Truppen zu sichern , sondern auch den gegnerischen Schleier zu lüften . Die Mittel und Wege hierzu sind Gegenstand der
vielseitigsten theo-
retischen Betrachtungen und praktischen Versuche in allen Staaten , so dafs hierauf nicht näher eingegangen zu werden braucht.
Dahin-
gegen dürfte es von grofsem Interesse sein , die Schwierigkeiten ins Auge zu fassen ,
welche die Kavallerie in Zukunft
zu
überwinden
hat, wenn es ihr gelungen ist, die feindlichen Reiterregimenter zurückzuwerfen.
Nicht minder wichtig erscheint andererseits eine Betrach-
tung der Formationen, welche einer Armee auch dann noch Deckung und Aufklärung zu verschaffen im stande Kavallerie der feindlichen
wenn
die eigene
sich unterlegen gezeigt hat.
sind ,
Schon der
zweite Teil des deutsch-französischen Krieges hat in dieser Beziehung reiche praktische Erfahrungen machen lassen. Zwei Zeiträume
sind hierbei
von
besonderem Interesse .
erste findet mit dem Gefecht bei Coulmiers
Der
seinen Abschlufs ,
der
zweite endet mit der Schlacht bei Loigny-Poupry. *) Bekanntlich wurde der gröfste Teil der französischen Kavallerie , nachdem diese durch eine heroische Anstrengung zu Ende der Schlacht von Sedan bewiesen , dafs es ihr keineswegs an Mut gebrach ,
mit
in den Untergang der Mac Mahon'schen Armee verwickelt, während Somit war vor ein anderer Teil derselben in Metz dahin siechte . der Hand keine Kavallerie
vorhanden ,
um
den zur Deckung der
Cernierung von Paris nach Norden, Westen und Süden entsandten Kavalleriedivisionen entgegentreten zu können. Die in der Neuformation begriffenen Reiterregimenter wurden erst gegen Ende Oktober felddienstfähig,
und die aus Algier herangezogenen
waren an Zahl
zu gering, um sich mit den deutschen messen zu können .
Allein
die Situation hatte sich doch gewaltig geändert für die aufklärende Kavallerie.
Sie befand sich in einem insurgierten Lande, in welchem
in allen gröfseren Orten Neuformationen von Infanterie vorgenommen wurden und
dessen Strafsen
durch kleinere Abteilungen gesperrt
wurden, welche zum Schutze der Neubildungen vorgeschoben waren. Natürlich waren die Kavalleriedivisionen , selbst wenn sie mit einem
*) Die nachfolgenden historischen Angaben sind den Werken des General Chanzy, dem preufsischen Generalstabswerk und dem Werke des Hauptmann Frhr. v. d. Goltz über die Operationen der II. Armee entnommen . Die beiderseitigen Originalmeldungen der Kavalleriedivisionen lagen dem Verfasser leider nicht vor, indessen kommt es ja auch im wesentlichen nur auf den Eindruck an, den diese Meldungen an der sammelnden Stelle machten.
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
145
guten Gewehre ansgerüstet gewesen , zur Brechung dieses Widerstandes nicht im stande. Um die Bevölkerung insurgierter Landstriche niederzuhalten , sind und bleiben auch heute noch mobile. Kolonnen aller drei Waffen notwendig.
So wurde denn auch allen
Kavalleriedivisionen Infanterie beigegeben , bis endlich die Zusammenballung der feindlichen Formationen zu Armeecorps die Entsendung dreier deutscher Infanteriedivisionen notwendig machte . setzung von Orleans durch General
von
der Tann
Mit der Be-
erst treten
auf
diesem Kriegsschauplatze wieder die Verhältnisse des grofsen Krieges ein, da von jetzt ab auf gegnerischer Seite nur noch geschlossene Divisionen und Armeecorps
zur Verwendung kommen.
Erschwert
wurde der deutschen Kavallerie die Lösung ihrer Aufgaben indessen auch jetzt noch dadurch, dafs in der linken Flanke der französischen Armeen, an der Eure und dem Loir , die Verhältnisse
des kleinen
Krieges im insurgierten Lande fortdauerten. Dadurch wurde ihr die Möglichkeit genommen, um die feindliche Flanke herum Einsicht in die Mafsnahmen des Gegners zu gewinnen , bei
und es blieb daher der
Baccon aufgestellten 2. Kavalleriedivision nur die frontale Auf-
klärung übrig, als am 31. Oktober die Concentration von vier französischen Infanterie divisionen und zwei Kavalleriedivisionen hinter dem Walde von Marchénoir erfolgte.
Die nun täglich vor der Front
in der Richtung auf Marchénoir von der deutschen Kavallerie vorgenommenen Rekognoszierungen
lieferten nach sieben Tagen an-
gestrengtester Thätigkeit ein Resultat, welches das Generalstabswerk (Teil II. S. 402) also zusammenfafst :
""Während der ersten Novem-
bertage hatten die deutschen Vorposten westlich von Orleans wahrgenommen, dafs die auf der Linie von Mer an der Loire bis Morée vor kurzem begonnene Anhäufung französischer Streitkräfte im beständigen Zunehmen begriffen war. Am 6. November fanden die Patrouillen
auch
Châteaudun
vom Gegner besetzt ;
in
Beaugency
mufste sich ein Zug des 4. Bayerschen Chevauxlegerregiments bei Annäherung feindlicher Infanterie auf dem linken Loire-Ufer gewaltsam durch bewaffnete Volksmassen Bahn brechen. " Die Nachrichten über die Ansammlung geschlossener Truppenkörper waren hauptsächlich bis zum 3. November eingelaufen ,
und
trotzdem die Loire-Armee damals schon drei Tage lang concentriert stand, erklärt Major Blume in seinem Werke „Die Operationen der deutschen Heere " auf Seite 67 die Verhältnisse noch keineswegs so geklärt, dafs auf deutscher Seite schon entscheidende Entschliefsungen hätten gefasst werden können. Als am 7. November die Armeeabteilung des Groſsherzogs von Mecklenburg zusammengestellt wurde,
Freicorps und Kavalleriedivisionen .
146
beabsichtigte man noch eine Concentration Chartres-Châteaudun,
derselben auf der Linie
der linken Flanke der fran-
direkt in
also
zösischen Loire-Armee. Wenngleich nun die am 7. November infolge der Unsicherheit der Verhältnisse vom Kommandeur der 2. Kavalleriedivision befohlene gewaltsame Rekognoszierung gegen den Wald von Marchénoir nicht die volle Stärke des Gegners erkennen liefs , so schlofs man doch aus dem hartnäckigen Widerstand , den man gefunden , dafs hier die Hauptkräfte des Feindes versammelt seien. Leider konnten die Resultate dieser Aufklärung nicht mehr nutzbar gemacht werden, da am 8. die Loire-Armee ihren Vormarsch antrat und am 9. das Bayerische Armeecorps angriff, bevor die 22. Infanteriedivision sich mit demselben vereinigt hatte . Vergleicht man die Resultate dieser Rekognoszierungen mit den Nachrichten, welche die deutsche Kavallerie vor Metz einbrachte, so zeigt sich ein ganz bedeutender Unterschied.
Während an der Mosel
die französische Armee von Abschnitt zu Abschnitt begleitet wird und nur infolge
der Ereignisse
am
16.
August
es
einen Augenblick
zweifelhaft bleibt, ob nicht doch noch bedeutendere Abteilungen auf der nördlichen Strafse über Conflans abmarschiert seien ,
sehen wir
hier eine eng versammelte Armee sieben Tage lang in bedrohlicher Nähe aufgestellt, ohne dafs die deutsche Heeresleitung volle Gewifsheit über ihre Stärke und Stellung erhält.
Man vermutet die Fran-
zosen im Linksabmarsch, um sich Chartres gegenüber allein die dieserhalb
vorgetriebenen
Patrouillen
der
zu sammeln, 2. Kavallerie-
division werden
auf der Linie Beaugency-Morée-Châteaudun durch Infanteriefeuer und Kavallerieabteilungen zurückgewiesen . Und trotzdem befand man sich hier einer geschlossenen , Armee gegenüber , welche es indessen
verstand ,
in sich geordneten den Mangel einer
eigenen, ihre Bewegungen deckenden Kavallerie durch anderweitige Mafsnahmen zu ersetzen .
Die Bivouaks
der Divisionen ,
mit Aus-
nahme des äussersten rechten Flügels , waren durch den Wald von Marchénoir der Einsicht selbst derjenigen Patrouillen entzogen, welchen es gelang, die erste Linie der reiten .
besetzten Dörfer zu durch-
Somit genügten, durch das Terrain begünstigt, die Vorposten
der Infanterie, verstärkt durch eine Kavalleriebrigade, um die eigene Stärke dem Feinde zu verbergen.
Noch eine anderweitige Maſsregel
der französischen Oberleitung verdient hier unsere volle Beachtung. Es
ist
dieses
die
Verlängerung
der Vorpostenlinie ,
welche von
Beaugency bis Morée reichte, über letzteren Ort hinaus bis Châteaudun , durch die ihr unterstellten Freischaarencorps , denen ein noch nicht einrangiertes Bataillon in Cloyes als Rückhalt diente . Da-
Freicorps und Kavalleriedivisionen .
147
durch wurde es den deutschen Patrouillen einerseits unmöglich , um die Flanke herum aufzuklären , andererseits Nachrichten über den vermuteten Abmarsch des Gegners nach Norden einzuziehen. Wir sehen also hier einen Teil der der Kavallerie
zufallenden Aufgaben
auf anderweitige Art und Weise gelöst , indem es gelingt , auf eine Strecke von acht Meilen jede Beobachtung der feindlichen Patrouillen zu verhindern. Naturgemäfs drängt sich da die Frage auf, inwieweit diese Freischaaren im Stande sind, einer aus Kavallerie und Artillerie zusammengesetzten Division
den Durchbruch mittelst gewaltsamer Rekognoszierung zu verwehren , oder mit einem Worte , ob sie stark genug sind, einen bestimmten Terrainabschnitt unter allen Umständen gegen unsere heutigen Kavalleriedivisionen abzusperren . Sollte das wirklich der Fall sein , sollten Franctireure im Stande sein , diesen einen Teil der Aufgaben der Reiterregimenter vollständig zu lösen , so würde die Untersuchung , inwieweit man aus ihren Rekognoszierungen sichere Nachrichten über den Gegner zu erwarten berechtigt wäre , ein bedeutendes Interesse gewinnen. Denn da Aufklärung und Sicherung die beiden Hauptaufgaben der Kavalleriedivisionen ausmachen , so mufs man beides auch von den Formationen verlangen , welche der Oberleitung einen Ersatz für den Mangel an starken, dem Gegner gewachsenen Reiterabteilungen zu bieten bestimmt sind. Zur genaueren Beurteilung, inwieweit Franctireure im Verein mit mittelmäſsiger Kavallerie hierzu geeignet sind, erscheint es lehrreich, näher auf die Ereignisse an der Loire vom 9. November bis 2. Dezember einzugehen. Nachdem die französische Oberleitung sich durch das Treffen bei Coulmiers in Besitz von Orleans gesetzt hatte, beschlofs dieselbe vorläufig nördlich
der Stadt Aufstellung
zu
nehmen und unter dem
Schutze einer verschanzten Stellung ihre Streitkräfte zu organisieren. Die hierzu ausgesuchte Position
dehnte
sich im allgemeinen dem
Nordrande des Waldes von Orleans entlang über Chevilly- St.Zu ihrer Verteidigung Péravy-Coulmiers bis zur Loire hin aus. wurden im Laufe des November allmählich fünf Armeecorps herangezogen, von denen das 15. an der grofsen Strafse von Orleans nach Paris lagerte , im Anschluſs hieran das 16. Armeecorps von Coinces über St. Péravy bis Coulmiers die Verteidigung übernahm , während das 17. Armeecorps vorläufig noch bei Châteaudun sich sammelte, und erst gegen das zweite Drittel des Monats näher an den linken Flügel herangezogen wurde.
(Auf die Verhältnisse des rechten französischen
Flügels soll hier nicht näher eingegangen werden . )
Freicorps und Kavalleriedivisionen .
148
Während der gröfste Teil des 15. Armeecorps bivouakierte und sich durch eine zusammenhängende Vorpostenkette sicherte ,
wählte
der Kommandeur des 16. Corps ein gemischtes Verfahren . Vom 17. November bis zum 1. Dezember kantonnierten und bivouakirten die Divisionen in folgender Art. Die 1. Infanteriedivision belegte mit dem Stab St. Péravy . 1. Brigade
mit 2 Bataillonen Coinces ,
von denen
Die
eine Compagnie
nach Villardu detachiert wurde, 3 Compagnieen kamen nach Chêne, eine
nach Roumilly ,
das
Jägerbataillon
bivouakierte
nördlich
St.
Péravy. Das andere Regiment lagerte nördlich desselben Dorfes rechts der Strafse nach Patay
und detachierte
zwei
Compagnieen nach
Lignerolles . Die 2. Brigade belegt St. Sigismoud mit vier Bataillonen, Coulimelle und Champs mit einem und detachiert je eine Compagnie nach Vallée und Villarcou. Die Artillerie und Trains der Division werden in Kantonnements verteilt. Von der 2. Division
belegt
die 1. Brigade Gémigny mit 31/2
Bataillonen, Rosières mit zwei und schickt je zwei Compagnieen nach Cheminiers und Coulmiers , je eine nach Bouneville und Ormetau. Die 2. Brigade nimmt durch zwei Compagnieen in Descures die Verbindung auf und bivouakiert mit den Trains und der Reserveartillerie bei Bucy St. Liphard . Die
3. Divison bivouakiert geschlossen
bei les
Barres ,
die
Reserveartillerie bei Haute Epine , die Trains kantonnieren rückwärts an der Strafse nach Orleans . Die Kavalleriedivision verteilte ihre Kantonnements
zwischen
Tournoisis-Nids- St. Sigismond -Coulimelle .
Man adoptierte also den wechselnden Modus des Kantonnierens und Bivouakierens , jedoch so, dafs das gröfsere Bivouak der 3. Division 114 Meilen hinter den in die einzelnen Dörfer vorgeschobenen Compagnieen sich befand, während das bei Bucy durch den vorliegenden Wald gedeckt war. Im allgemeinen wurden, mit Ausnahme von St. Peravy, die Truppen der vorderen Linie mit zwei bis drei Bataillonen in die Ortschaften einquartiert , von wo aus noch weiter nach vorne die Dörfer nur mit einer bis zwei Compagnieen belegt wurden. Zum weiteren Schutze und Aufklärung gegen den Feind wurde nunmehr zunächst ein leichtes Kavallerieregiment weiter vorgeschoben. Dieses besetzte mit einer Schwadron Villeneuve sur Couce, von welcher ein Zug nach Pérouville detachiert wurde , zwei Eskadrons belegten Patay und detachierten
einen Zug
nach Rouvray ,
während die 4.
Eskadron in Brilly einquartiert wurde und einen Zug nach Encormes
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
sandte.
Bei Sougy begann die Vorpostenlinie
149
des 15. Armeecorps .
Dem vorgeschobenen Kavallerieregiment wurden nunmehr die Franctireure zugeteilt und zwar wie folgt : Die Franktireure der Sarthe (Foudras) nach Sougy und Terminiers, die von Paris (Lipowsky) nach Patay, Rouvray, Guillonville, die von St. Denis (Liénard) nach Pérouville mit dem Auftrag , die Conielinie zu bewachen bis nach Varize . 3-5000 Meter also vor der oben beschriebenen Aufstellung, deren Tiefe schon 11/4 Meile beträgt ,
werden
durch Kavallerie und Infanterie Patrouillen
112 Meilen
nun noch
besetzt ,
zwischen
so
belegten
die Ortschaften
dafs
also
feindliche
Ortschaften durchreiten
mufsten, um auf das erste gröfsere Bivouak zu stofsen.
Allein die
Aufgabe der vordersten Abteilung bestand nicht allein in der Deckung der dahinter liegenden Armeecorps .
Ohne zusammenhängende Vor-
postenlinie sollten doch alle Mafsnahmen
durch einheitlichen Befehl
geregelt werden, und zwar sowohl die Deckung als auch die Aufklärung.
Dieserhalb wurden zunächst die Freischaaren unter den
Befehl des Oberstlieutenant Lipowski gestellt, so dafs von der Mitte der ganzen Aufstellung aus der Vorpostendienst geregelt werden konnte. Was nun die Aufklärung und Rekognoszierungen anbelangt , so sollte Lipowski sich in Einverständnis setzen mit dem Kommandeur des in demselben Rayon kantonnierenden Kavallerieregiments, Oberst Barbut . Es fand also nicht eine direkte Unterordnung des einen unter die Befehle des andern statt. Diese auf 112 Meile vor der Front vorgeschobene, drei Meilen lange Aufklärungs- und Deckungslinie fand links Anlehnung an das neu formierte 17. Armeecorps, rechts an die Vorpostenlinie des 15. Armeecorps . Es verdient hervorgehoben zu werden ,
dafs an der grofsen Strafse nach Paris 12 Divisionen bei
Chevilly, also eine halbe Meile hinter den Vorposten bivouakierten , während eine andere Division bei Gidy lagerte. Zu bemerken bleibt aufserdem noch, dafs der durch Franctireure und leichte Kavallerie besetzte Rayon sich in keiner Beziehung an die gewählte Frontalaufstellung des 16. Corps anschlofs, so dafs der rechte Flügel kaum zwei Meilen
vor dem Bivouak bei les Barres
lag, während der linke bei Varize vier Meilen davon
entfernt war.
Die Verwendung dieser vorgeschobenen Truppen ähnelte also der unserer Kavalleriedivisionen, nur dafs sie nicht dem Oberkommando der Armee, sondern einem einzelnen Corps unterstellt waren. Es ist daher von Interesse zu sehen , inwieweit diese Abteilungen der französischen Armee Ersatz boten für die ihr fehlende widerstandsfähige Kavallerie.
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
150
Um zu beurteilen , ob es
auf diese Weise gelungen ist ,
den
lagernden Truppen die notwendige Sicherheit zu gewähren und ihre etwaigen Bewegungen der Einsicht des Feindes zu entziehen , gehen wir am besten abermals von den im deutschen Hauptquartier einlaufenden Nachrichten aus . Es würde alsdann in zweiter Linie zu betrachten sein ,
ob die
der französischen Oberleitung
Vortruppen zufliefsenden Nachrichten genügten ,
von diesen
um sich ein klares
Bild von den beim Gegner obwaltenden Verhältnissen zu machen. Nach dem Treffen bei Coulmiers hatte die Armeeabteilung des Grofsherzogs von Mecklenburg sich an der grofsen Strafse von Paris nach Orleans in der Gegend von Toury concentriert. Südlich davon klärte die 2. Kavalleriedivision , rechts daneben die 4. Kavalleriedivision auf.
Die oben beschriebene Aufstellung
der französischen
Armee wurde im allgemeinen erst am 13. November von den Vortruppen eingenommen , so daſs die deutschen Rekognoszierungen keine sicheren Nachrichten über den Verbleib des Feindes brachten . Infolge dessen marschierte die Armeeabteilung am 13. nach Chartres ab, da man von dort her eine Offensive des Feindes gegen Paris erwartete ; Diese stellte sodann die 2. Kavalleriedivision verblieb bei Toury. vom 13. bis zum 18. die Anwesenheit des Feindes in der, von den Vorposten des französischen 15. Armeecorps besetzten Linie fest und brachte durch einen Deserteur in Erfahrung , dafs etwa 30-40,000 Mann von Gien nach Loury herangerückt seien. Hinter der 2. Kavalleriedivision rückte mittlerweile am 7. das 9. Armeecorps auf die grofse Pariser Strafse, während östlich davon die 1. Kavalleriedivision die Aufklärung unternahm . Die eingesandten Meldungen genügten nicht, um sich ein klares Bild von den Verhältnissen des Gegners zu verschaffen, namentlich nicht, ob die französische Armee noch mit ihren Hauptkräften bei Orleans stände . Prinz Friedrich Karl, welcher von nun ab den Oberbefehl über die Truppen gegen Orleans übernahm , befahl daher am 18. Abends : „ Die Kommandeure der 1. und 2. Kavalleriedivision sind anzuweisen, durch Rekognoszierungen ― vorzugsweise um die feindlichen Flanken herum — die in den nächsten Tagen vorzunehmen sind, diese Verhältnisse näher aufzuklären und zu demselben Zweck möglichst Gefangene einzubringen. " Wie wir gesehen haben, konnte von einem Umfassen des feind-
die Rede sein , da das 17. Corps in Die Patrouillen fanden nun bei den infolge dieses vorgenommenen Rekognoszierungen den Rand des Waldes
lichen linken Flügels kaum Châteaudun stand . Befehls
von Orleans besetzt , auf dem linken Flügel den Feind in Orgères
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
151
und Nonneville , auch in Patay sollten Truppen versammelt sein, im Centrum waren Bivouaksfeuer beobachtet worden, kleinere bei Trinay und Villereau ,
sehr ausgedehnte
Spuren deuteten immer mehr darauf hin , Hauptkräfte der Franzosen ständen. *) Die vorgetriebenen Patrouillen Nachrichten vom 15. Armeecorps ;
bei
Chevilly.
brachten
also
ziemlich genaue
die Aufstellung des
16. Armeecorps wurde nicht ermittelt,
Alle
dafs bei diesem Orte die
Gros
des
und nur die vorderste Auf-
klärungslinie der Franctireure und leichten Kavallerie als besetzt gemeldet. Während nun deutscherseits durch das Vorrücken der Armeeabteilung in der Richtung auf Le Mans indirekt die Anwesenheit der französischen Armee an der Loire festgestellt wurde, gingen am 19 . in aller Frühe zwei Generalstabsoffiziere zur Orientierung vor, von denen der eine zur zweiten Kavalleriedivision ritt. sich zunächst von le Mesnil
Derselbe **) begab
in der Richtung auf Baigneaux und
Lumeau vor, passierte im Morgengrauen die vordersten vom Feinde besetzten Linien, und gelangte zwischen den französischerseits belegten Dörfern bis in das Terrain von Echelles und Terminiers . Von feindlichen Chasseurs verfolgt, kehrte er über Loigny und Beauvilliers zurück und setzte alsdann seine Rekognoszierungen längs der Pariser Strafse gegen Artenay fort.
Hier stiefs
er bei Poupry , Dambron
und nördlich Assas auf eine zusammenhängende Vorpostenkette und gewann die Überzeugung , dafs an der Strafse Paris - Orleans noch die Masse der Loire - Armee stände. Abermals war es nicht gelungen ,
den
durch die Franctireure
und leichte Kavallerie gebildeten Aufklärungszu durchdringen ,
und Deckungsrayon
während die Infanterievorposten des 15. Armee-
corps immer wieder die Anwesenheit grofsen Strafse erkennen liefsen .
stärkerer Truppen an der
In den folgenden Tagen wurden , veranlafst durch die Rekognoszierungen der Freischaaren , vielfach irrige Meldungen dem Oberkommando der 2. Armee übermittelt, welche scheinbar auf einen , durch das Vorgehen des 17. Armeecorps auf Bonneval eingeleiteten Linksabmarsch schliefsen liefsen. Die sonst eingezogenen Nachrichten beschränkten sich auf das bisher bekannte. Es wurde daher abermals am 22. November der 2. Kavalleriedivision
aufgegeben , Gewissheit
über die Verhätnisse auf dem rechten deutschen Flügel zu verschaffen, namentlich die Strafse Coulmiers-Ouzouer-le-Marché zu erreichen.
*) v. d. Goltz : Die Operationen der II. Armee , Seite 50. **) v. d. Goltz : Seite 58, 59.
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
152
Das Resultat war folgendes : *) Die Gegend von Orgères und Cormainville wurde vom Feinde frei gefunden. Hinter der Conie dagegen sollten stärkere Freischaaren lagern , ebenso um Patay und St. Péravy herum. Den von der Division ausgesandten Rekognoszierungsschwadronen gelang es leider nicht , bis zur Strafse Coulmiers-Ouzouer durchzudringen, da alle Dörfer und Gehölze schon in der Gegend von Lumeau von französischer Infanterie besetzt waren , die mit dem Feuer ihrer weittragenden Gewehre zwischen den Örtlichkeiten beherrschten.
auch
die Räume
Auch dieses mal war es nicht gelungen, bis zu den Vortruppen des 16. Corps durchzudringen ,
noch viel
die Bivouaks desselben zu gewinnen .
weniger aber Einsicht in
Die Conielinie wurde von den
Freischaaren behauptet und dadurch ein Umgreifen um die Flanke bei Varize verhindert. anderes übrig ,
als
Somit blieb der deutschen Oberleitung nichts
zur forzierten Rekognoszierung zu greifen ,
die
am 24. mit einer, aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie gemischten Kolonne auf der grofsen Strafse nach Orleans vor sich ging. Dieselbe schaffte Klarheit über die Vorgänge beim 15. Armeecorps , während am
Nachmittage
eine Unternehmung der Freischaaren über
Orgères auf Baigneaux den Glauben hervorrief,
dafs auch hier die
Truppen im Rechtsabmarsch begriffen seien. Inzwischen erfolgte am 25. der Vorstofs des 17. französischen Armeecorps auf Brou und Bonneval. Wie wenig an diesem Tage die Verhältnisse bei Patay geklärt gewesen ,
beweist
ein Schreiben
des Prinzfeldmarschall an Seine Majestät den König , worin er auseinandersetzt, dafs er nicht klar sähe, was auf dem feindlichen linken Flügel vorginge, weil es dort nicht glückte , Gefangene in grösserer Zahl einzubringen . Es hatten also vom 13. bis zum 26. November die vorgeschickten Freischaaren im Verein mit einem Kavallerieregiment das 16. Corps gedeckt und seine Kantonnements Feindes entzogen.
und Bivouaks
der Einsicht
des
Am 29. November stiefs die von Châteaudun vorrückende Armeeabteilung des Grofsherzogs
von Mecklenburg
auf die
französische
Kavalleriedivision des 16. Armeecorps bei St. Cloud , welche auswich ; sodann nahm sie einen Teil der in Varize stehenden Franktireure gefangen und erfuhr durch dieselben
die Anwesenheit des
16. Armeecorps in dieser Gegend . Als die Meldung hiervon beim Prinzen Friedrich Karl einlief, schrieb letzterer an den Grossherzog ,
*) v. d. Goltz : Seite 72.
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
153
„ die Verhältnisse machen es wahrscheinlich, dafs morgen Eurer Königlichen Hoheit nur das 17. und ein Teil des 16. französischen feindlichen Corps (das letzte hat wahrscheinlich die Nordlisiere des Fôret d'Orléans in seiner ganzen Ausdehnung besetzt) gegenüber stehen . Es wäre mir erwünscht , wenn Eure Königliche Hoheit seitens des Bayerischen Corps und der 17. Infanteriedivision starke Rekognoszierungen vortrieben, um zu ermitteln , welche feindlichen Kräfte namentlich bei Chevilly stehen. " Zur Ausführung vorstehend befohlener Rekognoszierungen kam es indessen nicht mehr, da am 1. Dezember der linke Flügel der französischen Armee mit acht Infanteriedivisionen zum Angriff vorging.
Glücklicherweise gelang es
dieses mal ,
den überlegenen
Feind bei Loigny- Poupry abzuweisen und ihn zum Rückzug zu nötigen . Es liegt nicht im Bereiche dieser Abhandlung, die Konsequenzen
davon zu ziehen , dafs es einem französischen Kavallerieregiment, unterstützt durch einige Freischaaren, gelang, den Rayon von Lumeau bis Varize den deutschen Patrouillen vollständig zu versperren . Hätte vor der Front
des
15. Armeecorps
Artenay bis Neuville
diese Art der Deckung über
aux Bois ihre Verlängerung gefunden ,
und
wäre dieselbe Art der Unterbringung
auch hier angewandt worden, so dafs die grofsen, etwa notwendigen Bivouaks , statt bei Chevilly etwa bei Cercottes bezogen wurden, und die vorderen Ortschaften nur durch die Vortruppen des Corps in ähnlicher Weise , wie beim 16. Armeecorps, belegt worden, so würde der deutschen Oberleitung die Lösung ihrer Aufgabe noch bedeutend erschwert worden sein. Es ist nun von Interesse, zu sehen, welche Nachrichten die Freischaaren unter Lipowsky und das 4. leichte Kavallerieregiment unter Oberst Barbut während dieser Zeit einbrachten, wo sie den deutschen Patrouillen den Einblick in die Verhältnisse auf den Strafsen St. Péravy-Châteaudun und Coulmiers-Morée verwehrten. Die Instruktion lautete nämlich : *) Es sollten die Franktireure die Rekognoszierungen der Kavallerie unterstützen und mit derselben, bei sich darbietender Gelegenheit , die feindlichen Abteilungen , gleichviel bei Tag oder Nacht zu überfallen suchen. - Wie früher erwähnt, fand dabei eine Subordination der Infanterie unter die Kavallerie nicht statt, sondern man sollte sich zur Ausführung der Handstreiche in gegenseitiges Einvernehmen setzen. **) Bekanntlich
fand am
13. November der Linksabmarsch
*) Chanzy : La 2 ième armée de la Loire, Seite 38.
Chanzy: Seite 45 .
der
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
154
Armeeabteilung des Grofsherzogs von Mecklenburg statt, wurde aber infolge des Erscheinens des französischen 15. Corps an der Strafse bei Chevilly vorläufig eingestellt.
Schon am 14. gelang es den Fran-
zosen , in ein Cantonnement des 4. Ulanen-Regiments einzudringen (das Regiment erlitt an diesem Tage einen Verlust von 2 Offizieren, 42 Mann, 44 Pferde) und sich in Besitz der Befehle zu setzen, welche der 4.
Grofsherzog
und
Kavalleriedivision
im
Anschlufs
gegeben
daran der
Kommandeur der
hatten , um den
erwähnten Links-
abmarsch der Armeeabteilung einzuleiten .
Dieser kühne Handstreich,
welcher in einer Entfernung von beinahe vier Meilen von dem Hauptquartier des 16. Armeecorps geglückt war, veranlafste den General Chanzy ,
einen seiner Ordonnanzoffiziere ,
den Hauptmann Bernard,
mit einer aus Freiwilligen zusammengestellten Schwadron zur weiteren Einziehung von Nachrichten und zur Verstärkung der Kavallerie in Patay vorzuschicken . Ob derselbe dem Oberst Barbut unterstellt wurde und nur die sichere Übermittelung der eingelaufenen Nachrichten an das Corpshauptquartier zu besorgen hatte oder ob derselbe selbständig rekognoszieren sollte ,
wie
die deutscherseits ausgesandten Generalstabs-
offiziere, ist aus dem Werke des General Chanzy nicht ersichtlich. Am 16. November geht der Oberstlieutenant Lipowski mit 2 Compagnieen und 1 Zug Chasseurs über Diabou auf Doves vor , übernachtet in Chateau de Cambrai und kehrt am 17. über Tillaz zurück. Er erfährt hierbei ,
dafs
die Einwohner Geschützfeuer in der Rich-
tung auf Bonneval vernommen
und schliefst aus den eingezogenen
Erkundigungen , dafs der Feind sich in dieser Richtung vorbewege . Die Nachricht bestätigt sich an demselben Tage durch eine Rekognoszierung des Hauptmann Chabrillard (Franktireure von Paris) über Villiers hinaus. Gleichzeitig läuft die Nachricht von der Concentration des Feindes bei Angerville ein . Tage das Orleans .
9. Armeecorps auf die
In der Nacht vom 21. zum
Bekanntlich rückte an diesem grofse
Strafse
von Paris
22. November gelang es
nach
sodann
bei einem Überfall dem Hauptmann Chabrillard mehrere Gefangene zu machen, welche aussagten, dafs sie seit 4 Tagen unter Befehl des Prinzen Friedrich Karl ständen. Bis zu diesem Tage lieferten die eingehenden Nachrichten also ein ziemlich klares Bild von den Vorgängen beim Gegner und wurde in richtiger Erkennung der Wichtigkeit der Deckung und Aufklärung gegen die Armeeabteilung, die Linie der vorgeschobenen Posten über Varise bis nach Conie , am gleichlautenden Flufslauf, verlängert ,
so
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
155
dafs nunmehr unter Anlehnung des linken Flügels an den Loir die feste Verbindung mit dem 17. Armeecorps hergestellt wurde . Zu diesem Zwecke wurden Abteilungen der Franktireure nach Conie vorgeschoben und dahinter eine Brigade Kavallerie nach Civry und Villentier , südlich von Conie , herangezogen . Im Gegensatz zu der deutschen Oberleitung gestatteten demnach die bis zum 24. einlaufenden Nachrichten dem französischen Befehlshaber einen Einblick in die Maſsnahmen des Gegners zwischen der Strafse Paris- Orleans und Chateaudun - Chartres um dieselbe Zeit , wo der 2. Kavalleriedivision die forcierte Rekognoszierung gegen Artenay befohlen werden musste . Es ist schon erwähnt , dafs am Nachmittage des 25. November die Kavallerievorposten der 2. Kavalleriedivision
allarmiert wurden
und meldeten , dafs unter dem Schutze von Vortruppen bei Orgères andere feindliche Abteilungen auf Artenay abzumarschieren schienen . Diese sehr wesentliche Nachricht , da sie scheinbar die Anzeichen eines Rechtsabmarsches der Franzosen , welcher am Morgen bei Artenay erkannt worden war,
auch auf diesem Teile des
Kriegsschauplatzes
bestätigte , wurde aller Wahrscheinlichkeit nach hervorgerufen durch eine Rekognoscierung der Franctireure von Patay auf Baigneux, welche dem 16. Corps die Nachricht von dem Angriff der Deutschen längs der Pariser Strafse brachte, ohne aber etwas über die Resultate desselben erfahren zu können. In der nun folgenden Periode, in welcher die französischen Vorposten von der Armeeabteilung und einer von Janville entsandten Infanteriebrigade des 9. Corps aus ihrer vorgeschobenen Aufstellung vertrieben wurden , erhielt der Kommandeur des 16. Corps, General Chanzy, die detailliertesten Nachrichten über das Vorrücken des Grofsherzogs und die Concentration seiner Armee bei Orgères. Sie setzten ihn in den Stand, den von Tours aus befohlenenen Vormarsch seines Armeecorps so zu disponieren , dafs er seine wenig operationsfähigen Truppen keinem Flankenangriff aussetzte . Allerdings verdankte er diese günstigen Nachrichten dem Umstande , dafs die Deutschen im Vertrauen auf ihre bessere Gefechtsausbildung und gröfsere Defensivkraft einen Flankenmarsch in der Entfernung von kaum 1/2 Meile vor den französischen Vorposten ausführten . Fassen wir das Gesagte noch einmal zusammen, so ergiebt sich kurz folgendes .
Von dem 16. Armeecorps, welches mit seinen Haupt-
kräften bei les Barres und Bucy St. Liphard steht und den Rest seiner Truppen in die vor den genannten Orten gelegenen Dörfer einquartiert hat, wird eine selbständige Abteilung , bestehend aus 3 Franc11 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
156
tireurcorps und 1 Kavallerieregiment auf eine Entfernung von 3 bis 4 Meilen vorgeschoben .
Sie erhalten den Auftrag ,
das Armeecorps
vor jeder Überraschung zu schützen , die Rekognoszierungen des Feindes möglichst zu hindern ; selbst aber, nach gegenseitiger Vereinbarung, durch Überfälle und weit ins Vorterrain hin unternommene Vorstöfse Nachrichten über das Verhalten des Feindes einzuziehen.
Es gelingt
ihnen, die anreitenden Patrouillen hauptsächlich durch Infanteriefeuer aus den Cantonnements so abzuweisen , dafs die gröfseren Bivouaks des 16. Corps verborgen bleiben, und die Deutschen nicht im Stande sind ,
die Verhältnisse
auf den wichtigen Strafsen
Barres und Morée-Coulmiers aufzuklären .
Chateaudun - les
Dahingegen verstehen es
die kleinen vorgeschobenen Abteilungen der Franctireure , Gefangenschaft zu entziehen und auch dieses Anhaltes zu berauben.
zur Beurteilung der gegnerischen Verhältnisse
In offensiver Beziehung
kleinere Überfälle
sich der
dadurch die deutsche Oberleitung
ausführen ,
aber sehen wir sie beständig
Gefangene der vorgeschobenen Abtei-
lungen des Feindes machen und in den genommenen Cantonnements sich in den Besitz der erlassenen Befehle setzen. Dem abziehenden Gegner folgen gemischte Rekognoscierungs-Detachements auf Entfernungen bis zu 4 Meilen, welche das Terrrain weithin vor der Front aufklären und Nachrichten
einziehen .
mungen verfahren sie selbständig ,
Bei
allen diesen Unterneh-
lösen sich auf mehrere Tage von
aller Verbindung los und sichern sich bei Tage und Nacht durch Cantonnementswachen und Kavalleriepatrouillen.
Halten wir diesen Erfolgen die teilweise ungenauen Meldungen der deutschen Kavallerie gegenüber ,
so dürfte es notwendig sein, einiges über die Umstände hinzuzufügen , welche so verschiedene Resultate bedingten . Der französische Oberbefehlshaber war im Besitze einer genauen Ordre de bataille ,
sowohl der Armeeabteilung des Grofsherzogs von
Mecklenburg, als auch der von Metz in Anmarsch befindlichen Armee des Prinzen Friedrich Karl. Für ihn mufste es daher ein Leichtes sein , aus den verschiedenen einlaufenden Nachrichten die richtigen herauszusondern und auf Grund derselben sich ein klares Bild von den beim Gegner
obwaltenden Verhältnissen zu machen.
Anderer-
seits standen seine Vortruppen im eigenen Lande, dessen Bevölkerung das allerregste Interesse den kriegerischen Ereignissen gegenüber bekundete und mit grofser Rührigkeit der eigenen Armee Nachrichten zu überbringen suchte . Sie setzten die vordersten Abteilungen in den Stand, auf Grund genauer bekannter Verhältnisse und mit Unterstützung der Einwohner Überfälle auszuführen, welche namentlith das
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
157
Einbringen zahlreicher Gefangenen ermöglichten .
Rechnen wir noch
hinzu ,
dafs die französischen Abteilungen tage- und wochenlang an
derselben Stelle standen ,
so
dafs ihnen das Terrain vollständig be-
kannt war , so wird ersichtlich ,
dafs hier das Zusammentreffen der
verschiedensten günstigen Verhältnisse die erlangten Resultate ermöglichte. Dieses hervorzuheben , dürfte von dem gröfsten Interesse sein, da dadurch das Mafs dessen , was man im allgemeinen von solchen, die Kavallerie ergänzenden Formationen zu erwarten hat, bedeutend heruntergedrückt wird . Waren die Umstände somit für die
französischen Vortruppen
entschieden günstige zu nennen , so verhielt sich die Sache auf deutscher Seite gerade umgekehrt . Bei der Verschiedenheit der einlaufenden Nachrichten war es im deutschen Hauptquartier nicht geglückt, eine auch nur annähernd richtige Zusammenstellung der gegzu machen . Nicht einmal die genaue Ein-
nerischen Streitkräfte
teilung der Corps liefs sich mit voller Bestimmtheit feststellen, viel weniger noch die Nummer und Stärke der einzelnen Regimenter der Divisionen. Dazu kam noch , dafs in der französischen Armee Bataillone der verschiedensten Nummern zu Regimentern zusammengestellt wurden, die dann wieder neu numeriert wurden . Infolge dieser Verhältnisse wurde natürlich die richtige Sichtung der einlaufenden Nachrichten fast unmöglich.
Andererseits aber erschwerte der Still-
stand der Operationen im Verein mit dem französischerseits gewählten Modus der Einquartierung den anreitenden Patrouillen ihre Aufgabe, da nirgends gröfsere Massen sichtbar werden konnten . Da nun die deutschen Reiter aufserdem noch durch die feindselige Haltung der Bewohner wesentlich gehindert wurden , so war es ihnen trotz ihrer Rührigkeit nicht möglich, der Oberleitung so wichtige Aufklärung zu verschaffen, wie in dem ersten Teile des Feldzuges . Die Wahrscheinlichkeit der Wiederkehr der geschilderten ähnlicher Verhältnisse liegt auf der Hand.
oder
Auch in der Zukunft
wird eine Armee, deren Kavalleriedivisionen geschlagen wurden , nicht ganz auf Deckung und Aufklärung Verzicht leisten, während andererseits auch in der Folge eine
siegreiche Kavallerie den aus allen
drei Waffengattungen gemischten Vortruppen des Gegners gegenüber versuchen wird, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden, selbst dann noch , wenn ihr der Weg um die Flanke ebenfalls versperrt ist . Unter diesen Umständen aber gewinnen die Ereignisse vor den Schlachten bei Coulmiers und Loigny-Poupry doppeltes Interesse , da sie bei dem durchaus sachgemäßsen Verhalten der beiderseitigen Vortruppen einen Einblick gewähren in die Schwierigkeiten, 11 *
158
Freicorps und Kavalleriedivisionen.
welche in der Zukunft die Kavallerie zu überwinden hat, und somit die besten Anhaltspunkte liefern ,
einmal für das Mafs dessen , was
man von den vorgeschickten Rekognoszierungstruppen zu erwarten berechtigt ist, andererseits aber auch für die Hülfsmittel, mit welchen dieselben ausgerüstet sein müssen , Feindes zu überwinden. ganz besonders
um etwaigen Widerstand des
Was das letztere anbelangt, so springt hier
ins Auge die Abhängigkeit des Mischungsverhält-
nisses von Infanterie und Kavallerie, jenachdem das Erfordernis der Aufklärung oder der Deckung mehr in den Vordergrund tritt.
Auf
französischer Seite ist die Kavallerie nicht im Stande, allein das freie Feld zu behaupten ,
während
andererseits die notwendig gewordene
Reorganisation der jungen Truppen einen unbedingten Schutz selben gegen jede Überraschung
erheischt.
Hier sehen
der-
wir daher
auch Infanterie und Kavallerie in annähernd gleicher Stärke bei den Vortruppen verwandt. Auf deutscher Seite dagegen wechseln die Verhältnisse . Nach Abrücken der Armeeabteilung des Grofsherzogs hatte die Kavallerie lediglich den Auftrag, die Gegend aufzuklären. Sie erfüllt denselben durch kleinere Patrouillen und vorgeschobene Schwadronen , welche indessen durch die feindselige Haltung der Bevölkerung und die Franctireurabteilungen wesentlich behindert werden, da sie nicht im Besitze
einer weittragenden Schufswaffe
sind.
Daher
kommen die deutschen Reiter an der feindlichen Vorpostenlinie zum stehen, die Versuche, um die Flanken herum aufzuklären, miſslingen , die Unternehmungen Einzelner, zwischen den besetzten Dörfern durchzureiten, scheitern an der Wachsamkeit des Feindes. welcher im wesentlichen den der Front der Armee folgt,
Dieser Moment,
entscheidenden Kavalleriekämpfen vor
wird sich in Zukunft günstiger für die
siegreiche Truppe gestalten , da sie in dem Karabiner- und
dem
Shrapnelschufs die Mittel zur Brechung schwächeren Widerstandes besitzt, während man andererseits von der geschlagenen Kavallerie eine regere Thätigkeit erwarten mufs , als sie die französische hier zeigt. Alsdann würde sich auch das Mafs dessen, was hier von den Franctireurs verlangt wurde, herabmindern. Bei der Loire-Armee dauern die oben geschilderten Verhältnisse fort, auf deutscher Seite aber tritt sehr bald eine Änderung ein. Die Armee des Prinzen Friedrich Karl nähert sich und es genügt daher nicht mehr , die Feststellung der feindlichen Vorpostenlinie, sondern es handelt sich nunmehr darum, die Concentrationspunkte der feindlichen Divisionen und Armeeen zu erfahren . Abermals scheitern die Versuche der Patrouillen, durchzureiten, die Schwadronen können aus den angeführten Gründen auf gewaltsamem Wege nichts
aus-
Freicorps und Kavalleriedivisionen. richten ,
159
daher sieht sich die Kavallerie genötigt , Infanterie zu re-
quirieren, um die Aufstellung der gegnerischen Vortruppen zu durchbrechen . Gleichzeitig hiermit wird aber auch noch an die Kavalleriedivisionen die Anforderung gestellt, den hinter ihnen aufmarschierenden Armeecorps Deckung und Schutz gegen Überraschung
zu ge-
währen. Bei der geringen Defensivkraft der Reiterregimenter, namentlich bei Nacht, ist auch hierzu Infanterie erforderlich .
In dem Maſse
wie die Corps und Divisionen der 2. Armee sich den feindlichen Vortruppen nähern, steigern sich auch die Zahl der zur Kavalleriedivision
detachierten Bataillone , bis zum Schlufs
Prinzen Feldmarschall
auf Befehl des
sämtliche vorderen Cantonnements
mit min-
destens je einer Compagnie belegt werden. Auch in der Zukunft dürften ähnliche Zuteilungen an die Reiterregimenter unerlässlich bleiben. Wo es sich um absolute Deckung einer bestimmten Strecke handelt' ,, wird die Defensivkraft der Kavallerie nicht ausreichen.
Anders dagegen verhält es sich mit der
Verwendung der Infanterie
zu Aufklärungszwecken .
Die Resultate
solcher Rekognoszierungsdetachements , wie sie die Franctireure dem geschilderten Zeitraum unternahmen ,
in
sind noch von zu vielen
Zufällen abhängig, um grofse Erfolge zu versprechen .
Mit Fug und
Recht darf dagegen auch von einer besiegten oder schwächeren Kavallerie im Aufklärungsdienste das gefordert werden , was hier die Infanterie leistet. Freilich mufs sie dabei selbständiger gemacht werden , und dieses wird sie durch Bewaffnung mit weittragendem Karabiner und durch Zuteilung von Artillerie.
Auf diese Weise aus-
gerüstet , werden die Reiterschaaren nach Möglichkeit befähigt , die Aufgaben , welche die Oberleitung an sie stellen mufs, ohne anderweitige Hülfe
auszuführen ,
nämlich Durchführung
der geforderten
Aufklärung und Sicherung der eigenen Truppen. Dadurch wird es möglich sein , bei Unternehmungen gegen Flanke und Rücken des Feindes die Kavallerie von der schon bei Aufklärung in der Front lästigen Infanterie zu befreien , ohne ihre Leistungsfähigkeit allzusehr herabzumindern .
Selbst dann noch dürfte es gewagt sein, solche Re-
sultate zu erwarten ,
wie
sie
die Schwadronen im ersten Teile des
Feldzuges zu verzeichnen hatten.
Denn es steht zu erwarten,
dafs
auch auf gegnerischer Seite ähnliche Sicherungsmafsregeln vorgenommen werden und dafs auch in Zukunft die gemischte Unterbringung der Truppen in Cantonnements
und kleineren Bivouaks , sowie die
möglichst zahlreiche Zerlegung der gröfseren Verbände in kleinere Marschkolonnen die Übersicht erschweren werden. Der Moment aber , wo die Kavallerie
zur Überwindung der Schwierigkeiten beim Auf-
Gerhard David von Scharnhorst.
160
klären genötigt sein wird, auf die Infanterie zurückzuzugreifen , darf nur dann eintreten , wenn die Verwendung geschlossener Compagnieen und Bataillone zur Durchführung der gestellten Aufgabe notwendig sein
wird.
So lange
solche
kleine Rekognoszierungsdetachements ,
wie die Franctireure sie vorschickten , noch Erfolge erzielen, ist die Infanterie überflüssig , da 2 oder 3 Schwadronen derartige Aufträge besser erledigen können. Auf diese Weise aber wird die Zahl der Fälle , wo die aus Kavallerie und Artillerie zusammengesetzten Divisionen der Unterstützung der Infanterie benötigt sind ,
in der Zukunft noch mehr beschränkt,
als während der geschilderten Periode , und damit auch kein Grund vorliegen ,
von
dem gewählten Modus der nach Bedarf erfolgenden
Kommandierung einzelner Compagnieen oder Bataillone abzugehen .
XII .
Gerhard David von Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild .
Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition. (Fortsetzung.) IV. Nach
dem
Das Reorganisationswerk.
unglücklichen Kriege wurde
alles
fahrungen hatten wie Donnerschläge gewirkt ,
anders ; die Er-
die Mängel unseres
Heerwesens waren scharf beleuchtet, die Widersacher des neuen Zeitgeistes
zum
Schweigen gebracht worden .
Das Vaterland brauchte
Hülfe, und diejenigen , welche sie gewähren konnten , mussten , über alle früheren Bedenken hinweg , in Anspruch kommen ; jede Rücksicht auf Rang und Verbindung , Partei und Autorität war vom Sturm hinweggefegt.
Der Monarch war schwer gebeugt, aber um so heller
glänzten Seine Tugenden ; zeitgemässe
auch bekam Er mehr Spielraum für die
Strebung und konnte
den schon vorher accentuierten
Scharnhorst jetzt in sein volles Licht treten lassen . Wie benahm sich letzterer dem unerhörten Verhängnisse gegen-
über , wie
erklärte
er es ,
welches Urteil wurde von ihm über den
Gerhard David von Scharnhorst.
161
Sieger gefällt, und welche Hoffnungen und Haltepunkte schimmerten jetzt, wo alles dunkel und trostlos schien, dennoch aus seinem Geiste hervor? „ Das geschehene Unglück ist grofs , aber was jetzt schwer auf uns lastet , wird gerade zum Guten führen. Die preussische Armee war
auf den Lorbeeren
Friedrichs
geschlafen und mufste diese Niederlage erleben , Trägheit
und
Selbstüberschätzung
Waffenrüstung
abzuthun ,
samt
der
um
eindie
morschen
von der ausgelebten Form zu
zeitgemäfsen Gestaltungen überzugehen .
Der gute Geist
des Heeres und Volkes lebt fort , und durch ihn wird sich zuerst die gedeihliche
Umwandlung
neuete Sieg vollziehen.
Das System der Erneuerung muſs
human ,
und
dann
der
er-
volkstümlich und auf geistiger Grundlage sein ,
dann wird man mit ihm durchdringen .
Die äufseren Halte-
punkte des Gelingens liefert uns der Feind selbst , den man nicht unterschätzen aber doch in seinen Blöfsen erkennen soll.
Napoleon besitzt viel militärisches Genie ,
aber ihm fehlt der Schwerpunkt Friedrichs
des Grofsen ;
da er keine Mäfsigung im Glücke zeigt , so entbehrt er des Gleichgewichts , und ohne dieses giebt es keinen dauernden Sieg.
Die Kraft der französischen Nation liegt in
ihrer aus der Revolution entsprungenen Begeisterung , aber diese artete aus und begann sich zu ruinieren. Die feindliche Macht reicht kaum mehr über die Grenzen der Gewaltthätigkeit hinaus und diese sind , aller Erfahrung nach , nur eng ; je gröfseren Hafs der französische Übermut säet und je mehr daran die Energie aller deutschen Völker emporwächst , desto früher kommt hier die Auferstehung und dort der Zusammenbruch. Es braucht nur der günstigen Gelegenheit und diese wird kommen ;
inzwischen
aber mufs mit Mut und Klugheit alles vorbereitet werden , damit , wenn der Moment da ist , die Nation schlagfertig sei und auf den Ruf ihres Landesherrn wie ein Mann ins Gewehr treten kann. " Solche Urteile trafen wohl den Nagel auf den Kopf und wirkten in ihnen beruhende Wahrheit fast handgreiflich und ihr Autor, ein Mann der Praxis, in seiner Umschau und Gründlichkeit schon bewährt und voll des nüchternsten Verstandes war. umsomehr ,
als
die
Niemand erkannte den goldenen Kern dieser Aussprache, sowie des Sprechers mehr als der König Selbst.
Seine gute Meinung von
Gerhard David von Scharnhorst.
162
Scharnhorst , der in schlichter Form einen so mächtigen Geist barg , der viel mehr war als er schien, so garnicht sich selbst und so sehr den Staat in Betrachtung nahm ,
das Gröfste, was es in dieser Zeit
gab ,
so einsichtsvoll und freimütig , hoffnungsreich und präcise besprach, — diese gute Meinung kam jetzt auf den Gipfel.
Das gab den Ausschlag und stellte Scharnhorst an die Spitze der zur Reorganisation des Heeres berufenen Kommission , welche durch Königliche Ordre vom 25. Juli 1807 eingesetzt wurde und aufser Scharnhorst noch aus dem Generalmajor v. Massenbach, dem Oberstlieutenant Grafen Lottum, dem Oberstlieutenant und Flügeladjutanten v. Bronikowski, dem Oberstlieutenant und Kommandanten von Colberg v. Gneisenau und dem Major v. Grolman bestand ; im Laufe desselben Jahres wurden noch die Oberstlieutenants und Flügeladjutanten Graf Götzen und v. Borstell zugezogen . 1808 aber schieden Bronikowski und Borstell wieder aus , während der Major v. Boyen in die Kommission trat.
Der damalige Stabskapitän
v. Clausewitz gehörte allerdings nicht in diesen Verband, da er aber nicht nur Scharnhorst's liebster und talentvollster Schüler , sondern auch von 1809 bis 1812 sein Adjutant und vertrauter Arbeiter, zumal in betreff der aus besonderen Rücksichten geheim zu haltenden Bewaffnungspläne, war, so hat er dem Reorganisationswerke unbedingt nahe gestanden .* ) Als der König diese Männer schon 16 Tage nach Abschlufs des Tilsiter Friedens
zu Sich nach Memel berief, that Er ihnen Seine
Absicht kund , vermöge ihrer das jetzt ganz darniederliegende preufsische Heerwesen ,
unter neuen Bedingungen und in einem neuen Geiste,
wieder aufzubauen ; man vergesse nie , dafs dieser grofse Entschlufs , Sein Eigenster - um so gröfser in jener damaligen Sturmflut war,
die
ursprünglichen Intentionen der Reform sämtlich von Ihm
kamen, und Er die Männer, welche ein solches Riesenwerk vollbringen sollten, ganz Selbständig gewählt hatte. So wie die Umstände lagen , mufste schnell und gründlich gehandelt werden ,
dazu bedurfte
es hoher Eigenschaften , geeinigter
Kräfte und gänzlicher Opferwilligkeit der Betreffenden ; dies alles vorausgesetzt, war aber auch das dieser Kommission vertraute Werk von solcher Art, dafs es nicht in militärischer Ausschliefslichkeit, sondern nur Hand in Hand mit der ebenso unerlässlichen Reform des Civilstaates. ausgeführt werden konnte .
Es handelte sich darum ,
die neue Ge-
staltung des Heerwesens mit der Nation in Einklang zu setzen , und
*) H. v. Boyen, Beiträge zur Kenntnis des Generals v. Scharnhorst etc. S. 44
Gerhard David von Scharnhorst.
da überdies
sowohl die
163
einstweilige Bestimmung wie
die künftige
Einrichtung des Heeres mit den Finanzen, der Politik und künftigen Staatsverfassung zusammenhing , so lag es in der Natur der Sache , dafs auch derjenige Staatsmann ,
dem die Leitung
des Civilstaates anvertraut war ,
sich bei den Beratungen der mili-
tärischen
und Neubildung
Reorganisationskommission beteiligen mufste.
Sinne befahl
In
eine Kabinetsordre vom 5. Oktober 1807 :
diesem
„ Dafs der
Staatsminister Freiherr v. Stein, dem die Leitung aller Civilangelegenheiten des Staates anvertraut, bei der Militärorganisation mitzuwirken habe u. s . w. "
Dies geschah ,
im Interesse des Ganzen ,
wirklich,
und wenn es auch seiner nicht bedurfte , um dem Gedankenzuge Scharnhorst's
und Gneisenau's ,
sowie ihrer
sprechende hohe Richtung zu geben ,
Mitarbeiter ,
die
ent-
so war es doch überaus wert-
voll , dafs er in seinem Sinne und Willen mit jenen Männern ganz zusammentraf und sich hierdurch die militärische in voller Harmonie mit der civilen Reform gestalten konnte . Scharnhorst war von seiner grofsen Aufgabe wohl ganz erfüllt , aber doch blickte er auf die vermöge
einer gemischten Kommission
ihm entgegentretenden Schwierigkeiten nicht ohne Besorgnis, und ein von ihm an Clausewitz gerichtetes Schreiben vom 27. November 1807 kennzeichnete sowohl diese Wolke auf seiner Stirn , haupt seine darin :
damalige Anschauung
als auch über-
sehr charakteristisch.
Er
sagt
„Ohne dafs ich es vorher wufste , avancierte mich der König und übertrug mir die Reorganisation mit einer s'ehr heterogen zusammengesetzten Kommission. Freunde habe ich mir nicht zu machen gesucht , und wenn es möglich ist , so wird man mich vom Könige zu entfernen suchen , obgleich dieser mir sehr gnädig ist. - Eine ehrenvolle Existenz steht mir auch anderwärts offen , aber Liebe und Dankbarkeit gegen den König , grofse Anhänglichkeit , an das Schicksal des Staates und der Nation hält mich hier fest und wird es thun , so lange ich glaube hier nützlich sein zu können . Wir arbeiten auf eine innere Reorganisation des Militärs ,
zumal auch auf dessen Geist
hin , und der König hat Sich nicht nur willig
und ganz
ohne Vorurteil gezeigt , sondern uns sehr viele , dem Geist und den neuen Verhältnissen
entsprechende
Ideeen
ge-
geben. Folgt der König dem neuen Entwurfe , den Er zum Teil schon sanktioniert hat , stellen sich nicht Vorurteile in den Weg und scheitern wir nicht an schlechten Aus-
Gerhard David von Scharnhorst.
164
führern und Ausführungen , so wird das neue Heer , klein
es
auch immer sein mag ,
wie
sich in einem anderen
Geiste seiner Bestimmung nähern und mit den Bürgern des Staates in ein näheres Verhältnis treten u. s. w. — “ Diese Aussprache läfst eine sehr bescheidene Zurückhaltung erkennen und sagt doch sehr viel ; von ihr wird manche Stelle unserer gegenwärtigen Schrift bestätigt werden. Was die Reorganisationskommission
betrifft ,
so waren Scharn-
horst und Gneisenau, die, sowohl ihren Gesinnungen als ihrem Genie nach ,
voll übereinstimmten ,
die Häupter
derselben ;
Grolman
und
Götzen , sowie späterhin Boyen und Clausewitz schlossen sich ganz sympathisch an dieselben, Bronikowski und Borstell aber zeigten sich gegnerisch. Diese waren die Repräsentanten des Altherkömmlichen, während Scharnhorst den zeitgemässen Fortschritt vertrat und deshalb von jenen ,
so lange sie der Kommission
gehemmt und angefochten wurde .
angehörten ,
stets
Die verbliebenen Akten weisen es
nach , dafs sich hier nicht blos Meinungsdifferenzen, sondern konträre Strebungen, absolute Gegensätze begegneten ; man sah auch an dieser Stelle , dafs jede Umwandlung öffentlicher Zustände ihren Kampf zu bestehen hat. Wenn die Gegner Scharnhorst's durchgedrungen wären, so hätte man kein Nationalheer und in diesem Falle auch wohl keine Wiederherstellung des Vaterlandes erschwungen ; jene Beratungen entschieden über Preufsens
ganze Zukunft ,
und
es war unermesslich
wertvoll , dafs Scharnhorst so viel opferwilligen Patriotismus besafs , sich von seinem Vorhaben durch nichts abwendig machen zu lassen. Je weiter man vorschritt , desto harmonischer wurden , zumal nach dem Austritt Bronikowski's und Borstell's, die Beratungen , desto schneller gingen die Restultate hervor und desto mehr traten Gneisenau , Grolman und Boyen unter sich und mit Scharnhorst in ein Verhältnis richtiger Gegenseitigkeit und Ergänzung. Sie kannten ihr Ziel und einigten sich über
die grofsen Mittel und Wege , im
einzelnen aber wufste jeder von ihnen sein eigenes Ich der Sache des Vaterlandes unterzuordnen .
Jedes Werk bedarf eines festen Grundgedankens und durch ihn bestimmten Planes ; für diese ungeheuere Arbeit einer das ganze System wechselnden Heeresreform waren solche Vorbedingungen um so unerlässlicher. Jene Grundidee kann nur aus einem Geiste hervorgehen, je gröfser das in Betracht kommende Werk ist, desto mehr wird ersterer die Kräfte der Aufserordentlichkeit besitzen müssen. Die Idee wird in ihrer Ausführung gemodelt werden, der Plan kann
Gerhard David von Scharnhorst.
165
aus Beratungen hervorgehen , aber keine Konferenz der Welt vermag ohne die aus der geistigen Einheit entsprungene Vorlage etwas zu schaffen. Diese Einheit beruhte für das gegenwärtige Reorganisationswerk in Scharnhorst, die Idee aber, von der er ausging, besagte : „ dafs die geringe Streitmacht , welche der preufsische Staat jetzt nur als
stehendes Heer halten könne ,
so
organisieren sei , um unserer waffenfähigen Jugend
zu
eine
Bildungsschule sein und ihr einen Kern geben zu können , bei dem sie rastlos geübt und um den sie , wenn der richtige Stundenschlag gekommen , versammelt werden solle." Diese Idee zeigte
zum
Befreiungskampfe
das Ziel und bestimmte die Hauptoperation ;
in ihr war aber auch zugleich die Notwendigkeit ausgedrückt, jenen festen und für das Übrige mafsgebenden Stamm so zu formieren, zu bilden und zu disziplinieren , wie es in den jetzigen Bedingungen von Zeit und Welt lag . Diese Prozedur mufste also allen anderen vorausgehen, die Hauptfrage, mit der alles Andere sowohl in Sinnesverbindung als in äufserem Zusammenhange stand , war diejenige der Ergänzung des Heeres. Die bisherige Rekrutierung
durch Ausländer widersprach nicht
nur der Idee einer Nationalbewaffnung ,
sondern war auch zu teuer,
und in jetzigen Umständen schon äufserlich ganz unausführbar.
Das
Kantonsystem, so wie es bisher als Ausülfsmittel gewesen, würde dem Heere nicht in ausreichender Menge solche Streiter, wie sie Scharnhorst wollte, eingebracht haben, es mufste von allen bisherigen Mifsbräuchen gereinigt und so gestaltet werden , setzungen schon von vornherein angebahnt war.
die
dafs durch seine Fest-
allgemeine
Militärdienstpflicht
Diese konnte nur lebensfähig werden, wenn man den
Geist der Nation für sie gewann , und hier lag der Druckpunkt des Ganzen , aus welchem sich auch
sogleich die Mittel für eine neue
Bildung und Disziplinierung des Heeres ergaben .
Nur wenn
die entehrende Bestrafung des Soldaten fällt , die Disziplin auf das Ehr- und Pflichtgefühl gestellt und der Patriotismus
zur Axe des
Heerwesens gemacht wird, das Aufsteigen zu höheren militärischen Stufen nicht mehr vom Geburtsrange, sondern von Kenntnis und Verdienst abhängt , wenn es also keine Abschreckungsmittel mehr , sondern nur Strebepunkte des Kriegsberufes giebt, nur dann fällt die Scheidewand zwischen Volk und Heer, und wendet sich der Geist des ersteren der allgemeinen Dienstpflicht so sympathisch zu , wie es notwendig
ist ,
um das Heer stets durch gute Elemente des Inlandes
Gerhard David von Scharnhorst.
166
ergänzen zu können . Wenn das erreicht ist, dann bekommt man den Kern unserer Streitmacht, wie man ihn braucht , und der durch ihn zu bewirkenden Kriegsausbildung unserer vaterländischen Jugend begegnet von innen keine Schwierigkeit mehr ; nach aufsen hin muſs man vorsichtig sein .
Je schneller und präciser alles geschieht und
je mehr die Lust und Liebe allen Auszubildenden zu Hülfe kommt , desto sicherer wird, wenn erst die Stunde geschlagen, uns der Erfolg sein. Das Reorganisationswerk wurde damit begonnen, dafs der König in Eigenhändiger Schrift 19 verschiedene Punkte bezeichnete , welche, als Vorlage für die Kommission , werden sollten.
von
dieser in Beratung gezogen
Die ersten beiden Punkte, welche die Behandlung pflichtuntreuer oder doch in ihrem Verhalten zweifelhaft gebliebener Offiziere anging, überwies man an eine besondere und mit bezüglicher Instruktion versehene Untersuchungskommission , welche ihr überaus umfangreiches und verwickeltes Geschäft erst 1812 beendigen konnte. horst's Urteil über die 1806
Dafs Scharn-
kompromittierten Offiziere
ein sehr strenges war , beruhte auf einer so präcisen Auffassung der Kriegerehre, wie sie dem normalen Soldatentum unerlässlich ist. Vielleicht ging er damit in betreff Einzelner, die nur vom Strome fortgerissen waren oder vermöge zu blinder Subordination gefehlt hatten , zu weit,
aber wo fürs Ganze die Strenge so unerlässlich ist , kann der
Einzelne , nur
wenn Hauptthatsachen für ihn reden , glimpflicher als
nach dem allgemeinen Prinzipe bemessen werden . Obgleich sich mildernde Gegenwirkungen geltend machten , so wurde doch für jene Untersuchungskommission die Begriffsweise Scharnhorst's sehr maſsgebend und die Zahl derjenigen Offiziere , welche für kompromittiert befunden und deshalb entfernt , ja selbst bestraft wurden , war nicht unbedeutend. Ausserdem mufsten, in Gemäfsheit des der Neubildung des Heeres zu grunde liegenden Hauptgedankens
und bei dem jetzt
so verringerten Präsenzstande der Armee, auch die mehr und minder abgestumpften und
sonst noch viel
andere Offiziere des alten Be-
standes von der Wiederanstellung ausgeschlossen bleiben, so daſs für jetzt nur eine knapp bemessene Quintessenz aller Offizierchargen reaktiviert wurde , und die übrigen , bei nachgewiesenem Wohlverhalten, auf Halbsold oder zur Pensionierung kamen . von der Nation gebildet ,
Als dann 1813 ,
wiederum ein grofses preufsisches Heer
auf den Kampfplatz trat , strömten die ausgeschiedenen und noch dienstfähigen Offiziere wieder zu ihren Fahnen, und es werden selbst solche , welche 1806 ein Vorwurf traf ,
auf den Schlachtfeldern des
Gerhard David von Scharnhorst.
Freiheitskrieges heldenmütig gekämpft haben . horst schon bei Grofs-Görschen ganze
Feldzug
von
167 Vielleicht hat Scharn-
dergleichen bemerkt ;
1813 vergönnt
gewesen ,
dann
wäre ihm der würden
seine
Beobachtungen gewifs manches frühere Urteil gemildert haben. Auch die Beantwortung der anderen Punkte der Königlichen Vorlage erfolgte schnell und diente bereits zur Überleitung der letzteren in bestimmte Formen ; ihren wesentlichen Inhalt drückten die nachher und allmählich hervorgehenden Allerhöchsten Bestimmungen aus. in betreff der Kommissionssitzungen
verbliebenen Protokolle
zeichnen durchweg Scharnhorst's entscheidenden Einfluss
Die
kenn-
auf alles ,
was beraten und gutachtlich geäufsert bezw. in Vorschlag gebracht wurde ;
vielfach
finden
sich darin auch Abänderungen und Zusätze
seiner eigenen Hand . An die Erledigung der Königlichen Vorlagen wurden aber aufserdem noch zahlreiche Memoriale einzelner Kommissionsmitglieder geknüpft, und darunter thaten sich diejenigen Scharnhorst's ganz besonders hervor. Die meisten dieser Denkschriften kennzeichneten sein unablässiges Streben nach allgemeiner Landesbewaffnung , vermöge deren, einem damals sehr zu besorgenden französischen Angriffe gegenüber, König und Vaterland geschützt werden möchten. der 1808 in
Boyen,
die Reorganisationskommission und den Führern der-
selben sehr nahe trat , äufsert sich über dergleichen eingehend und spricht sogar aus, dafs dieser Gedanke in allen vertraulichen Unterredungen zwischen Scharnhorst und Gneisenau stets erörtert wurde , und durch alles, was nach dieser Richtung hin geschah, so sehr auch der französische
Druck
und
Argwohn
ihm jede
äufsere Verwirk-
lichung abschnitt, der Gedanke an die Notwendigkeit einer allgemeinen Landesbewaffnung in allen Provinzen stetig zunahm und schliefslich in die vorwiegende Volksstimmung überging. *) Im Sinne seines angedeuteten Strebens
überreichte Scharnhorst
schon am 31. Juli 1807 dem Könige ein belangreiches „ Memorial über Landesverteidigung und Errichtung einer Nationalmiliz ", in welchem sich bereits eine Art Prototyp des späteren Landwehrsystems
aussprach.
Die Idee
der Miliz
an sich war bei
uns nicht neu, sie hatte vielmehr schon im 17. und 18. Jahrhundert, zumal während des siebenjährigen Krieges, eine Bethätigung gefunden, und ganz neuzeitig noch waren dem Könige durch Rüchel und Knesebeck Projekte zur Errichtung von Landmilizen ,
die nur dann der
unglückliche Krieg zurückgedrängt hatte, vorgelegt worden.
*) Boyen's cit. Beiträge u . s. w. SS . 31-36.
Scharn-
168
Gerhard David von Scharnhorst.
horst gründete also
seinen gegenwärtigen Vorschlag auf ein histo-
risches Fundament und formte ihn aus historischen Bausteinen, aber und mit gröfserer Tendenz.
doch in neuer Fassung
Er führte in
diesem Schriftstücke aus, dafs man in jetziger Lage des Staates und bei einer nur kleinen Armee sich , der Gefahr eines feindlichen Angriffes
gegenüber ,
Streitkraft
stets
einrichten müsse ,
so
bereit
zu
haben ;
nationale
gröfsere
eine
es bei noch fort-
auch dafs
dauernder Ruhe wertvoll sein würde , vermöge einer solchen Institution
überhaupt ,
das Nationalgefühl
zu wecken , Volk und Waffen-
beruf zu einigen und so nicht nur die physische , moralische Verteidigungsfähigkeit des Staates
sondern auch die
möglichst zu heben.
Dieser Gedanke war neu und gehörte Scharnhorst sowie dem Geiste der jetzt arbeitenden Heeresreform an . Da dieser Vorschlag dem Monarchen aus so trat Scharnhorst
noch unzulässig erschien , mit
einem
auf
dasselbe
nämlich dem „Entwurfe
Ziel
gerichteten
allerlei Rücksichten vier Wochen
anderweitigen
später Propos ,
zur Bildung einer Reserve armee ",
den er auch selbst verfafst hatte , hervor und überreichte ihn im Namen der Kommission .
Nach diesem Vorschlage sollten alle waffen-
fähigen Männer zwischen 18 und 30 Jahren , welche nicht zur stehenden Armee gehören ,
sich zur Friedenszeit auf eigene Kosten be-
waffnen, kleiden und üben, um eine zur Erhaltung der inneren Ruhe und zur Abwehr eines das Land angreifenden Feindes dienende Reservearmee zu bilden, welche die resp . Provinzen nur da verläfst, wo die Dieselbe wird nach ihrer ZuDeckung der Monarchie es fordert. sammenziehung mit Proviant verpflegt und die Individuen derselben treten nach dem Verlassen ihrer heimatlichen Bezirke auch in die Besoldung des Staates.
Da nun § 2
dieses Entwurfes auch sagt,
dafs zum stehenden Heere alle diejenigen streitbaren Männer gehören sollen, welche sich nicht selbst bewaffnen, kleiden und üben können , so
wurde
durch diese
ganze Vorlage augenfällig die
allgemeine
Dienstpflicht und die Wehrbarmachung des ganzen Volkes erstrebt. Scharnhorst, Gneisenau und Boyen waren hierüber ganz einverstanden und die einsichtigsten Patrioten standen gewifs schon jetzt auf ihrer Seite ; die Menge des Volkes konnte erst allmählich für dergleichen gewonnen werden und ein Bruchteil Verneinender fand sich zu jeder Zeit. Die Ansichten des Königs
stimmten diesem neuen Vorschlage
doch in der Hauptsache zu und wenn letzterer dennoch für jetzt keine Verwertung fand, so lag dies an einer von den Vorschlägen der Kommission und den Entschliefsungen des Monarchen unabhän-
Gerhard David von Scharnhorst.
169
gigen Gewalt der Umstände . Die Idee der Volksbewaffnung wurde inzwischen nur im Sinne der gleich eingängig erwähnten Ausbildung unserer waffenfähigen Jugend durchgeführt ; das jetzige Programm der Reservearmee aber reproduzierte sich nachmals ,
als es noch weiter
entwickelt in das Wesen der Nation eingegangen und des äusseren Zwanges entledigt worden war, in der Organisation
der Landwehr
von 1813 , dem Gesetze vom 9. Februar dieses Jahres, dem Gesetze über die Verpflichtung zum Kriegsdienst
von 1814 und der Land-
wehrordnung von 1815 . Da in betreff der letzten Eingabe vom Könige eine Motivierung mancher Positionen gewünscht war, so arbeitete Scharnhorst den ganzen Entwurf nochmals um und reichte seine Neuausfertigung unter dem Titel : " Vorläufiger Entwurf der Verfassung der Provinzialtruppen " dann wieder ein ; - aber alle diese Vorschläge wurden bezüglich ihrer Verwirklichung vorerst schon durch den Pariser Traktat vom 8. September 1808 , welcher das Maximum der zu haltenden Streitmacht Preufsens genau bestimmte und die Errichtung Sie lebten und wirkten von Milizen ganz verbot, zurückgedrängt. dabei innerlich weiter fort und es war bewunderungswürdig genug , dafs ihr geistiges und geistig arbeitendes Kapital auch weit über den Pariser Traktat hinaus noch immer durch neue Vorschläge desselben Sinnes vermehrt wurde . Wenn man noch zwei die Organisation der Artillerie betreffende eigenhändige Schriften Scharnhorsts und die Eingaben der Kommission in betreff der oberen Militärärzte und zur Reorganisation der Militärerziehungs- und Bildungsinstitute , diese sämtlich im Oktober, sodann eine Eingabe über Infanteriedepots vom 28. November und den Entwurf eines Verpflegungsetats für ein Infanterieregiment nebst begleitendem Promemoria vom 18. Dezember 1807 hinzurechnet , so giebt das im wesentlichen die auf das Jahr 1807 fallenden Arbeiten der Kommission, bei welchen Scharnhorst das meiste thaten.
und Gneisenau unbedingt
Die faktische Reorganisation von 1807 Wechselwirkung mit jenen Vorschlägen
fand in unmittelbarer
statt ;
der König arbeitete
eben so rastlos wie seine Kommission , die Verordnungen erschienen so schnell , wie es den Umständen nach möglich war . Die Verabschiedung der den abgetretenen Provinzen zugehörigen oder sonst vom Wiedereintritt ausgeschlossenen Offiziere trat ein ; die bisherige Uniformierung wurde verändert, der Präsenzstand der Compagnieen beschränkt u. s . w.; noch tiefer eingreifend waren die eine neue Formation der Infanterie und Kavallerie festsetzenden Kabinetsordres und
Gerhard David von Scharnhorst .
170
ein ganz aufserordentlicher Wert mufste jenem Königlichen Erlasse vom 17. Dezember 1807 beigelegt werden, welcher dem Prinzipe, die ausländische Werbung eingehen zu lassen, durch Aufhebung der Werbegelder bereits Ausdruck gab. Die Kommission hatte ,
trotz
selbst beruhenden Schwierigkeiten ,
aller äufseren und auch in ihr in
diesen
ihrer Funktionierung schon viel gethan ,
ersten fünf Monaten
so viel ,
dafs vermöge des
Druckes von aufsen die vollziehende Aktion der Regierung immer einigermafsen dahinter zurückblieb ; - aber gleichwohl entstand ihr Mifsbilligung und Gegnerschaft, die sich nicht blos in weiteren Offizierkreisen ,
sondern
auch unter der Umgebung
des Monarchen zeigte .
Einigen trat das verheifsene Neue nicht schnell genug hervor, Andere konnten sich mit der hereintretenden oder am Horizonte stehenden Neugestaltung überhaupt nicht befreunden ;
es würde aber einer so
bevollmächtigten und nach so neuen Prinzipien schaffenden Kommission zu keiner Zeit und an keiner Stelle der Welt anders gegangen sein. Die Spitze dieses Mifsvergnügens richtete sich natürlich gegen Scharnhorst, er sah sich wie in der Kommission selbst so auch von aufserhalb bedroht und die Besorgnisse , welche er gleich anfänglich in seinem Schreiben an Clausewitz *) ausgedrückt, fanden schon jetzt ihre Bestätigung.
War das Vertrauen des Königs
zu Scharnhorst
auch grofs, so blieb der Einfluss der unablässig dagegen arbeitenden Partei doch wohl nicht ganz wirkungslos, und von Scharnhorst selbst wurde die Kabinetsordre vom 21. Dezember 1807 ,
welche über die
fernerweitige Reihenfolge der Kommissionsarbeiten verfügte, im Sinne königlicher Unzufriedenheit gedeutet.
Er war darauf gefafst, aus der
Nähe des Königs verdrängt zu werden und Gneisenau reichte sogar im Januar 1808 seine Entlassung aus der Kommission ein, die aber vom Könige huldvoll abgelehnt wurde. **) Kommission geschieden und
Wäre Gneisenau aus der
hätte
sich Borstell in ihr behauptet,
dann würde auch wohl Scharnhorst
das Feld geräumt und sodann
die Gegenpartei es möglich gemacht haben, dem Reorganisationswerke eine andere Richtung zu geben ;
da
aber Gneisenau blieb und für
Borstell Götzen eintrat, so konnte unser Held, am Ruder ausharrend, sein Werk gedeihlich fortführen. Im Jahre 1808 arbeitete die Kommission eifrig weiter ; die thatsächliche Vollführung wurde wohl
dadurch ,
Teil unseres Landes und seiner Mittel in
*) Vergl . S. 163. **) Pertz cit. I. 334, 335.
dafs noch der grösste
feindlichen Händen lag,
Gerhard David von Scharnhorst.
171
sehr aufgehalten , aber doch kam bis zur Pariser Konvention *)
viel
zu stande, und es ist davon eine vorläufige Instruktion für die Übung der Truppen vom 3. Juni, eine Kabinetsordre vom 25. Juli , welche das Exerzieren der beurlaubten Mannschaften in den Kantons befahl, die Verordnung vom 3. August , welche neue Kriegsartikel u. s . w. in Kraft setzte, und sind die Ordres
vom 6. August ,
welche
eine
Regulierung der Kantons und des Ersatzes für die Regimenter , andererseits ein Reglement in betreff der Ergänzung des Offiziercorps und der Prüfungen der Offizieraspiranten , besonders hervorzuheben. Die humane Disziplin kam hiermit schon in Schwung, das Offiziertum ordnete sich unter seine neuen Bedingungen , der Ersatzmodus des Heeres war in die ihm durch den Reformplan zugedachten Wege geleitet.
Hiermit kam schon
Scharnhorst
ein gutes Teil von demjenigen , was
erstrebte , zu Stand und Wesen ,
zumal
sind
dadurch
jene Vorbedingungen der Wehrbarmachung unseres Volkes ,
welche
den Geist der Nation der allgemeinen Dienstpflicht und dem Kriegsberufe zuwenden sollten, schon gröfstenteils erfüllt worden. Nach der Pariser Konvention wurde der Staat in sechs Militärkantons und die Armee , je ebenso
viele Brigaden
nach den jetzigen sechs Provinzen , in
eingeteilt **) ,
eine Organisation
Militärbehörden durchgeführt und dergleichen mehr,
der oberen nicht zu ge-
denken der sehr zahlreichen Bestimmungen fürs Einzelne .
Die For-
mation des jetzigen stehenden Heeres wurde durch das, was bis zum Ausgange von 1808 geschah, schon im wesentlichen vollbracht, und man nahm beim Übergange zu 1809 schon den Standpunkt ein, aus dem bis hierher Geschehenen die Durchführbarkeit des planmässigen Ganzen folgern und so das Gelingen des gröfsten nationalen Vorhabens , was es jemals gab, schon mit einiger Sicherheit in Aussicht nehmen zu können. Was speziell Scharnhorst betrifft , so unterzog er sich , nächst seiner Leitung des Ganzen, auch noch besonders in diesem wie im vorigen Jahre den belangreichsten Arbeiten . Vorerst springt ein in den Akten der Reorganisations-Kommission befindliches Schriftstück ins Auge , in welchem Vorschläge zur künftigen Einrichtung des Generalstabes enthalten sind. Es trägt weder Datum noch Unterschrift , von 1808 entstanden
ist
aber unzweifelhaft im anfange
und von dem damaligen Major v. Rauch , im
*) Am 8. September 1808. **) Mit zusammen 44 Bataillonen, 76 Eskadrons (inkl. Garde) und einer noch unbestimmten Artillerie in Summa kaum 42 000 Mann. 12 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Gerhard David von Scharnhorst.
172
besonderen Auftrage Scharnhorsts verfafst
worden ,
hat
also doch
diesen, dessen ganze Begriffsweise sich darin spiegelt, zum intellektuellen Urheber gehabt. *)
Allerdings
kam dieser Vorschlag nicht
nach seinem ganzen Umfange zur Ausführung, aber doch wurden bei der späteren Geschäftseinteilung des Generalstabes wesentliche Punkte jenes ersteren berücksichtigt. Hierzu gehört namentlich das Prinzip : den Generalstab in eine enge Verbindung mit den Truppen zu setzen, sowie auch diese noch jetzt bestehende Teilung seiner Mitglieder zu bewirken, welche das Zweierlei , einmal des grofsen Generalstabes und zweitens der Generalstäbe bei den Armeecorps und Divisionen , erkennen lässt. Gneisenau wurde am 24. Mai 1808 zum Inspekteur der Festungen ernannt, und wenn er als solcher eine zwischen ihm und Scharnhorst vereinbarte Instruktion für die Gouverneure und Kommandanten erliefs, so machte Scharnhorst auch noch einen dieselbe verschärfenden Zusatz **) , welcher die Pflichten der Kommandanten noch mehr präzisierte, und im Hinblick auf das gerade nach dieser Richtung hin Verfehlte gewifs sehr nützlich war. Die durch Kabinetsordre vom 25. Dezember 1808 bewirkte Einrichtung des Kriegsdepartements
machte Scharnhorst auch formell
zum Kriegsminister, wie er es faktisch schon seit 1807 gewesen war und präzisierte
auch für diese Funktion sein Verhältnis
mit dem
Könige . Dieser mufste durch Rapporte und Vorträge in stets genauer Verbindung mit dem Militärwesen erhalten werden, und nicht minder war jede organische Veränderung durch ihn zu vollziehen und ein besonderes Reglement schrieb dem Kriegsminister
vor ,
welche
Verfügungen er unmittelbar und welche anderen nur auf Allerhöchsten Befehl erlassen durfte . Schaffen
im
Heere ,
Dieser Modus liefs ihm für sein eigenstes
wie für
seine
geistige
Einwirkung
auf den
Monarchen einen immerhin bedeutenden Spielraum; er benutzte ihn stets so normal, wie es in seinem edlen Charakter und seiner dem Besten des Vaterlandes gewidmeten Strebung lag. Als Präses der Reorganisationskommission einer- und als Kriegsminister andererseits mufste Scharnhorst wohl bei allen Neuentstehungen des Heerwesens zumeist beteiligt sein , schäftigte ihn aber auf dem Übergange zu 1809
ganz speziell beund auch noch
*) Vergl. das Werk : „ Die Reorganisation der preufsischen Armee nach dem Tilsiter Frieden etc. Zweites Heft, dritter Abschnitt : Das Jahr 1808 (Beiheft zum Militär-Wochenblatt pro Mai bis inkl. Dezember 1856) SS. 223 ff. , 303 ff. “ **) Die Instruktion findet sich Pertz cit. I. 355 ff., der Zusatz ebendaselbst S. 680 Beilage XII.
Gerhard David von Scharnhorst.
weiterhin eine Organisation
173
von Bürgergarden ,
zunächst nur für polizeiliche Zwecke dienen sollten ,
welche zwar denen aber in
günstigen Umständen auch sehr leicht eine weitergreifende Bestimmung zu geben war. Wirklich arbeitete Scharnhorst auch hiermit nur wieder für sein stetes Projekt der Landesbewaffnung , welches ihm die Pariser Konvention bis hierher vereitelt hatte . Dieselbe verbot jede Errichtung von Milizen und Bürgerwehren, aber die schon bestehenden Institutionen solcher Art berührte dieses Verbot nicht, und die in Berlin vorhandenen und dem inneren Wachdienste sowie der Erhaltung von Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt gewidmete Bürgergarde war ja auf Napoleons eigenen Befehl errichtet worden ; wenn man sie in den anderen Hauptstädten des Landes nachbildete , só konnte das den französischen Intentionen nicht widersprechend sein. eine
Das Vorhaben Scharnhorsts , nach Königlicher Willensmeinung Erweiterung
und
Neuorganisation des
Bürgergardeninstitutes
eintreten zu lassen, gab sich schon durch sein unterm 21. Dezember 1808 von Königsberg
an die Reorganisationskommission gerichtetes
Schreiben kund, und auf seinen Betrieb ging dann eine von der Kommission entworfene und von Grolmans Hand geschriebene Instruktion unter dem Titel : „ Grundzüge zur Einrichtung einer Nationalwache zur inneren Sicherheit , vorzüglich der Hauptstädte des Landes " hervor. *)
Dieselbe
stellte das neu in Aussicht ge-
nommene Wehrinstitut doch mit der vorher projektiert gewesenen Reservearmee in sehr deutliche Sinnesverbindung , ja es war augenscheinlich, dafs man in solch einer militärisch organisierten und über das ganze Land verbreiteten Bürgerwehr ,
nicht minder als im Be-
tretungsfall vermöge der früher projektierten Mafsnahmen, eine nationale Waffe gegen jeden feindlichen Angriff haben würde. Das fand denn die französische Wachsamkeit auch heraus und hemmte dieses Projekt ebenso wie seine Vorgänger, Durchführung kam .
noch
ehe
es zu irgend einer
Aber das beginnende „ Krümpersystem " entzog sich doch, so dafs es seinen Zweck erfüllen konnte, den Blicken und der Kontrole Man versteht darunter jene vermöge der unseres Unterdrückers . Reorganisation vor und nach 1807 im Innern der preufsischen Heermaschine vollzogene Manipulation, welche die waffenfähige Mannschaft der Nation nach und nach zu den stehenden Truppenteilen einberufen, dort ausbilden und wieder entlassen liefs , eine Prozedur , die , stetig fortgeführt,
natürlich in je längerer Dauer desto
mehr
*) Cit. Organisation etc. nach dem Tilsiter Frieden. 1808 S. 319 ff. 12 *
eine
Gerhard David von Scharnhorst.
174
Ansammlung kriegstüchtiger Mannschaften in den Kantons ergeben mufste. Den ersten Impuls dazu gab jene Kabinetsordre vom 6. August 1808 , durch welche verfügt war,
dafs die Infanterieregimenter und
die Fufsartillerie, je nach Mafsgabe ihres Bedarfs an Rekruten , per Compagnie drei bis fünf Mann oder mehr auf Urlaub entlassen und dagegen eben so viele Kantonisten
einziehen, einen Monat hindurch
exerzieren und dann in ihre Heimat entlassen ,
in ihre Stelle aber
eine gleiche Zahl anderer Kantonisten zu eben solchem Verfahren mit ihnen einberufen und in dieser Art fortfahren sollten, bis sie so viel neue Leute exerziert haben, als sie zu ihrer Ergänzung bedürfen würden u . s . w.“ Wenn diese Ordre nur die volle Kompletierung der Truppenteile zu erzielen schien , so lag es doch in der Natur der Sache, dafs bei längerer Fortsetzung eines solchen Verfahrens die Zahl der Ausgebildeten diejenige der zur Kompletierung Benöthigten sehr bald übertraf, und man vielmehr in den Kantons allmählich eine sehr zahlreiche Kriegsreserve gewann, über die sich beliebig verfügen liefs, ja dafs es in Aussicht kam , nach mehreren Jahren vermöge ihrer, sobald die Umstände es erforderten , blitzschnell ein grofses Heer auf den Platz stellen zu können . tion am
Diese die Grundidee der Reorganisa-
meisten ausprägende Mafsnahme
wurde weiterhin immer
mehr gefördert, und schon am 10. März 1810 verordnete der König, dafs die Beurlaubung keinem Unteroffizier und Gemeinen versagt werden sollte. Fünf Mann mufsten von da ab per Compagnie mindestens beurlaubt werden, und da jeder Beurlaubte sogleich aus dem Etat fiel und durch einen Rekruten ersetzt wurde , der nach seiner Ausbildung einem anderen Rekruten Raum gab, und in den meisten Fällen mehr als fünf Mann beurlaubt wurden , so gab das schon in Am 7. Februar 1811 befahl diesen Grenzen bedeutende Resultate. der König ,
dafs jede Infanterie- und Fuſsartillerie-Compagnie acht,
jede Eskadron und reitende Artilleriecompagnie drei Kantonisten in vier aufeinander folgenden Monaten einziehen und eben so viel andere Leute dagegen beurlauben sollte .
Dies motivierte man dadurch, daſs
in der jetzigen aus Inländern bestehenden Armee es für diejenigen Soldaten , welche in dem der Landeskultur gedeihlichsten Alter dies ständen, zum Besten des Landes einer Erleichterung bedürfe, war aber
der nebensächliche
Grund und
die
eigentliche Absicht
mufste verborgen werden. Nach obigen Festsetzungen würde man schon bei je 5 , 8 und 3 ausgebildeten Kantonisten per Compagnie resp.
Eskadron
und in
Gerhard David von Scharnhorst.
175
den angegebenen Zeiträumen, pro 1809 bis 1811 , eine in den Kantons vorhandene Kriegsreserve von etwa 20 000 Mann erhalten haben ; da aber jene Ordres nur eine Minimalzahl der Ausgebildeten fixierten und die Überschreitung derselben nicht nur gestattet , sondern auch gern gesehen wurde , so ergaben sich nach dieser Richtung hin viel gröfsere Resultate .
Je mehr Leute
ein Truppenteil ausbilden und
ausexerziert als „ Krümper" in die Kantons entlassen konnte, desto verdienter machte er sich ; es trat also für diese Hinsicht ein förmlicher Wetteifer ein und man konnte sonach 1811 schon über eine verborgene und doch gegenwärtige Streitmacht verfügen , welche recht bedeutend war. Im Juli 1811 wurden für sämtliche Truppen , mit Ausnahme der Garde, Exerzierdepots errichtet ,
zu denen die Com-
pagnieen und Eskadrons den Stamm hergaben, und die für den angegebenen Zweck um so nachdrücklicher wirkten.
Da sie meist in
den Festungen stationiert waren , so entzog man dadurch diese Prozedur der französischen Aufmerksamkeit . Die Kühnheit und Vorsicht aller Beteiligten , dasjenige , was so klug ersonnen war , jedem Späherauge zu verbergen und über alle Klippen und Dornen hinweg zu führen, war allerdings sehr grofs , aber man erklärt dadurch den Erfolg doch nur teilweise. Dafs dem argwöhnischen Franzosen , der an unseren Thüren und Fenstern stand, der aus scharfen Augen bis in unser Innerstes sah, gerade dieses schwerwiegendste Unternehmen gegen seine Herrschaft, das jeder kleinste Zufall ihm enthüllen konnte, verborgen blieb , gehörte immer zu den Wundern der Zeit ,
welche
aus einer waltenden Vorsehung entsprungen sind.
Dafs Scharnhorst
in allem Bedeutenden
diesem Krümper-
dieser Reorganisation
mit
system fast das Bedeutendste ersonnen und gethan , mindestens dadurch unsere äufsere Schlagfertigkeit gegen Frankreich am unmittelbarsten vorbereitet hat, wird kaum bezweifelt werden können . Die sonstigen militärischen Entstehungen von 1809
bis 1812
dürfen , nachdem Idee und Plan , Geist und Hauptteil dieser Reform erörtert sind, hier nur noch kurz angegeben werden . Der Minister Stein, welchen der Hafs Napoleons verfolgte , schied im November 1808 aus dem preufsischen Staatsdienste ;
eine civile
Mitwirkung bei den Arbeiten der Reorganisationskommission fand von da ab in solcher Weise wie bisher nicht mehr statt, es bedurfte aber derselben jetzt auch nicht mehr ;
die neuen Maximen waren in das
Staatsleben eingeführt , die Arbeiten der Kommission gingen ihren vorgeschriebenen Weg und kennzeichneten sich durch die eintretenden Bestimmungen. Am 20. März 1809 erschien die Bestimmung, dafs zur Aufnahme
Gerhard David von Scharnhorst .
176
in das Kadettencorps hinfort hülfsbedürftige Offiziersöhne
auch ohne
Ansehung des Adels gelangen sollten ; der 27. März brachte eine den Gebrauch des dritten Gliedes zum Tiraillieren präzisierende Instruktion, und der 16. Juli eine Instruktion zum Exerzieren der Infanterie ; hieran aber knüpfte sich folgerecht die unterm 8. September erteilte Instruktion zur Schlacht- und Fechtordnung der Brigaden .
Recht wich-
tig war auch die am 19. Juli 1809 in Kraft gesetzte Reform des Militärjustizwesens, und nicht minder mufs ein vom April bis zum September entrollter Zusammenhang von Bestimmungen in betreff des Militärmedizinalwesens accentuiert werden. Unterm 4. November vollzog sich endlich eine derjenigen der Artillerie mation des Ingenieur- und Pioniercorps .
analoge Neufor-
1810 wurden die Kriegsschulen zu Berlin, Königsberg und Breslau und wurde
eine „ Allgemeine Kriegsschule "
zu Berlin,
letztere
zur höheren Ausbildung der Offiziere aller Waffen, errichtet ; auſserdem aber erschienen in diesem Jahre Exerzierinstruktionen für Kavallerie und Artillerie, sowie eine auf die Übung der Pioniere bezügliche Instruktion , und man sah daran ,
dafs der taktische Dienstbetrieb
immer mehr auf die von den neuen Prinzipien abgeleiteten festen Regeln kam . Das Jahr 1811 truppenteilen *),
brachte
im Mai
im August das
die
Formation von Normal-
Invalidenhaus
zu Stolpe und im
November die Medizinisch-chirurgische Akademie , zur höheren Ausbildung guter Militärchirurgen. den Organismus des Heeres ,
Die wichtigsten Bestimmungen für
welche dieser Jahrgang brachte ,
die-
jenigen in betreff der Krümper, sind schon erörtert worden . Im Jahre
1812
endlich
Exerzierreglements der drei
erschienen Hauptwaffen ,
die
längst
und
vorbereiteten
aufserdem wurden
Unteroffizier- und Gemeinenschulen für die Regimenter und detachierten Bataillone eingeführt und es ging die Errichtung einer Gendarmerie ,
nach Provinzial- und Kreisbrigaden ins Werk;
aber auch in
dieser langen Kette
das
waren
einer den Befreiungskrieg vor-
bereitenden Friedensorganisation die letzten gröfseren Glieder.
*) Ein Normal- Infanteriebataillon und zwei Eskadrons , die aus Abgaben der Regimenter gebildet wurden. (Schlufs folgt. )
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens etc.
177
XIII .
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens
des Gefechts als Friedrich ?
Die Terminologie unseres Jahrhunderts hat zwar für die taktische Offensive, welche König Friedrich der Grofse empfahl und in zahlreichen Schlachten anwendete, mit besonderer Vorliebe den Ausdruck „ Draufgehen
mit dem Bajonett" gebraucht ;
soweit wie der Autor nach-
folgender, bei Besprechung von Denison's Geschichte der Kavallerie *) aufgestellter Behauptung : — „in der Zeit von Friedrich auf Napoleon sind überhaupt eigentliche Verbesserungen der Waffen nicht zu verzeichnen ; dennoch macht Napoleon noch vielmehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts als Friedrich " - hat sich meines Wissens
aber niemand
verirrt.
Ich sage ausdrücklich
verirrt, denn nach genauer Untersuchung wird man sich der Einsicht nicht verschliefsen können , geben hat ,
dafs es wohl kaum einen Feldherrn ge-
der die Feuerwirkung
mehr
auszunutzen bestrebt war
und ihr füglich seine taktischen Siege zu verdanken hat, als König Friedrich. Am allerwenigsten that dies Kaiser Napoleon I. , indem er die Entscheidung der Schlacht durch den Stofs seiner Kolonnen herbeizuführen suchte . Das Beispiel von Mollwitz zeigt , in welcher Weise sich die preufsische Feuertaktik bereits bei Beginn der ausgebildet hatte.
schlesischen Kriege
Die österreichische Kavallerie des linken Flügels wurde von der preufsischen schweren Artillerie , welche vor der aufmarschierenden Schlachtlinie vorgeschoben war, der Art wirksam beschossen, dafs sie sich durch eine Attacke gegen die preufsische Kavallerie des rechten Flügels dem Feuer zu entziehen suchte.
Nachdem letztere geworfen ,
wird die preufsische Infanterie angegriffen .
Aber alle Anstrengungen
der österreichischen Reiter sind vergeblich , angriffe gelingen nicht ;
Flanken- und Rücken-
das dritte Glied der preufsischen Infanterie
*) Heft 11/12 der Zeitschrift für preufsische Geschichte 1879.
178
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens
macht Kehrt , zurück.
die österreichischen Eskadrons müssen in Unordnung
Nun tritt die
preufsische Infanterie an und marschiert bis
auf 150 Schritt ununterbrochen an die feindliche
heran ;
dann ent-
steht heftiges Gewehrfeuer, - bei den Preufsen in gröfster Ordnung pelotonweise - die österreichische Infanterie kommt in Unordnung und 29 wirbelt um die Fahnen . " Die österreichische Kavallerie vom rechten Flügel will
das
Gefecht wiederherstellen .
Sie greift die
preussische Kavallerie vom rechten Flügel an, wirft sie und attackiert nun die Infanterie. Aber alle Versuche sind vergebens ; sie wird zurückgeschlagen
oder vielmehr zurückgeschossen .
die preussische Infanterie
gegen die
Nun
geht
erschütterte österreichische
wieder vor ; letztere macht Kehrt, als die preufsische auf 60 Schritt heran ist. Damit war die Schlacht zu Gunsten der Preufsen entschieden. Die preufsische Feuertaktik, welche unter König Friedrich Wilhelm I. sorgfältig gepflegt und von dem grofsen König nach Möglichkeit weiter ausgebildet wurde ,
feierte bereits
hier
den
schönsten
Triumph . Würdig reihen sich ihr die späteren Schlachten an. Bei Sorr hatte die preufsische Armee während des Aufmarsches eine Rechtsschwenkung unter dem Feuer von 28 österreichischen Geschützen auszuführen . General Buddenbrock deckte dieses Manöver mit der Kavallerie des rechten Flügels durch eine Attacke gegen die österreichische Kavallerie des linken Flügels und schlug sie gänzlich aus dem Felde . neuen Richtung
Angefeuert hierdurch setzen sich die zunächst in der aufmarschierten
ersten Treffens in Marsch , gekrönten Berg zu erobern. sie,
sechs
preufsischen Bataillone des
um den mit den feindlichen Geschützen Mit geschultertem Gewehr marschieren
das feindliche Geschützfeuer nicht achtend ,
an, und geben auf
150 Schritt die ersten Salven ; die Verluste mehren sich aber und die Bataillone gehen, gefolgt von den Österreichern , zurück . Aber bereits haben sich die Generale La Motte und Bonin mit fünf Bataillonen des zweiten Treffens in Bewegung gesetzt und rücken den von der Höhe herabsteigenden österreichischen Grenadieren entgegen.
Als man sich auf 100 Schritt genähert , geben die Preufsen
ein so wirksames Peloton fe uer , dafs die Feinde zurückweichen. Von den preufsischen Bataillonen verfolgt, erreichen diese mit ihnen zugleich den Kamm der Höhe, bemächtigen sich eines grofsen Teiles der dort stehenden Geschütze und behalten den Berg in Besitz . Nicht lange, so haben sich ihnen weiter links sechs Bataillone angeschlossen und schiefsen sie nun gemeinsam den Feind von einer Höhe zur
des Gefechts als Friedrich ?
179
anderen, aus fünf Positionen zurück. Inzwischen war im Centrum das Bataillon Kalkstein den Österreichern in der Besetzung von Burkersdorf zuvorgekommen
und weiter links Prinz Ferdinand von
Braunschweig mit fünf Bataillonen angetreten, wobei sich das rechts von ihm stehende Regiment Markgraf Karl anschlofs .
Gleich denen
des rechten Flügels gingen auch diese Truppen mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen gegen die von dem österreichischen rechten Flügel besetzten Höhen vor und schossen auch diesen zurück , unterstützt von der inzwischen auf diesem Flügel versammelten Kavallerie. Hier wie bei Mollwitz wurde
also der Erfolg dadurch erzielt,
dafs die preufsische Infanterie sich an den Feind herans chofs , ihn durch Massenfeuer zusammenschofs .
In der Schlacht bei Chotusitz , welche der von Sorr voranging und kaum vier Stunden dauerte , wurden von der nur 20 000 Mann starken preufsischen Infanterie 700 000 Schufs gethan. Die Zahl der Patronen - dreifsig ―― welche der Infanterist bis zur Schlacht bei Mollwitz bei sich führte ,
wurde wegen daselbst
eingetretenen Mu-
nitionsmangels sofort verdoppelt. Passus 5 der Disposition für die Schlacht bei Zorndorf lautet : „Wenn der Feind zwei oder drei Treffen hat, so mufs gehalten werden, bis die Kanons von der Reserve herbei sind und die feindlichen demontiert haben, alsdann mufs erst wieder avanciert und attackiert werden. " Weiter besagt Passus 16 : ,,Hinter taillon
denen Bataillonen sind Patronenwagen ;
sich verschossen hat ,
Sollten selbige
so läfst es
nicht hinreichend
noch mehrere vorrätig. "
sein , so
falls
ein Ba-
sich von selbigen holen. sind bei der Artillerie
Vorangestellt ist aber im Passus 15 :
„ Es
mufs nicht unnütz geschossen werden . “ Das wirksame Feuer der an den Gegner heranmarschierenden preufsischen Infanterie ward eben als das Hauptangriffsmittel betrachtet, um den Feind zu vertreiben .
"" Es mufs ein jeder Offizier,
Unteroffizier und Gemeiner", sagt das preussische Reglement von 1743 , „sich die feste Impression machen , dafs es in der Aktion weiter auf nichts ankommt, wo er stehet ,
als wie den Feind zu zwingen ,
zu weichen .
Bataille darauf ankommt ,
Deshalb
von dem Platze,
die ganze Gewinnung von der
dafs man nicht sonder Ordre stille steht,
sondern ordentlich und geschlossen gegen den Feind avanciert und chargiert.
Und weilen die Stärke der Leute und die gute Ordnung
die preufsische Infanterie unüberwindlich macht, so mufs den Leuten wohl imprimieret werden , dafs , wenn der Feind wider Vermuten stehen
180
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens
bleiben sollte , ihr sicherster und gewissester Vorteil wäre, mit gefälltem Bajonett in selbigen hereinzudringen, alsdann der König davor repondiret, dafs keiner widerstehen wird . “ Diese Bestimmung, wie auch späterer Zeit angehörende, beweisen gleichfalls, daſs der König immer auf möglichst rasche Entscheidung drängt.
Das
durch keinerlei sonstige Thätigkeit verzögerte Drauf-
gehen stellt er als das anzustrebende Ideal hin, da er überzeugt ist, der Gegner werde, auch wenn er nicht stark durch Feuer erschüttert sei, vor dem Bajonett der preufsischen Grenadiere nicht standhalten . Andererseits verkennt der König aber auch nicht
die Schwierigkeit,
die eigene Infanterie vorwärts zu bringen, wenn der Gegner während des ganzen Vormarsches derselben ungestört die eigene Feuerkraft gegen dieselbe ausnutzen kann. Da bietet sich das Feuer als das Mittel dar,
um das Draufgehen mit dem Bajonett zu ermöglichen .
Und weil der grofse König diese Bedeutung des Feuers wie keiner vor ihm und nur wenige in der nächsten Periode klar erkannt hat, bildet er dasselbe zur höchsten Vollkommenheit aus. Das Feuer wurde dem Vorwärtskommen somit untergeordnet ; zum Bajonettkampf kam die preufsische Infanterie aber nur in wenigen besonderen Fällen , wie z. B. bei Hohenfriedberg , Lobositz und Prag . Von der Schlacht bei Lobositz
sagt General v . Tempelhoff :
,,die mehrsten Bataillone hatten ihre Patronen verschossen ; diejenigen, die noch damit versehen , empfingen damit den " - auf den Loboschberg - ,,heraufkommenden Feind. Das Regiment Bewern und das Grenadierregiment Jung-Billerbeck hatten aber gar nichts mehr.
Sie
besannen sich also nicht lange, sondern gingen mit dem Bajonett auf den Feind, stiefsen ihn damit in die Rippen , schlugen mit der Kolbe hinterher und jagten ihn so Lobositz hinein. "
den Berg wieder herunter und nach
Die Bajonettangriffe des Regiment Garde bei Hohenfriedberg gegen die österreichischen Grenadiere und der Schwerin'schen Infanterie bei Prag gegen die hinter den Sterboholer Teichen stehenden Österreicher ergaben sich aus der Stimmung des Tages und dem ungestümen Drange der Preufsen, nach vorwärts zu kommen. Terra ingewinn und Feuerwirkung vermöge jener strengen Feuerdisciplin, welche wir bei Mollwitz und Sorr schon bewunderten , meisterhaft kombinierend , wandte König Friedrich der Grofse konsequenterweise
denn auch niemals die tiefe Ordnung im Ge-
fecht an, zu welcher Kaiser Napoleon I. ― gleichviel aus welchen Gründen -- mehr und mehr zurückkehrte . -
des Gefechts als Friedrich?
181
Unter dem Schutze vorgeschobener Tirailleurs , deren Zahl im Bataillon schliefslich auf 1/6 seiner Stärke herabgemindert wurde , gedachte Kaiser Napoleon durch den Choc, den Bajonettangriff Die alten Reder Kolonnen die Entscheidung herbeizuführen . gimenter suchten bald ihren Stolz darin , den Feind ausschliefslich mit dem Bajonett anzugreifen : so sieht man sie , die Waffen im Arm ohne einen Schufs zu thun, auf den Feind marschieren . Die von König Friedrich anerkannte Wahrheit, dafs im Bajonettgewehr die Feuerwaffennatur überwiegen mufs ,
wurde durch Kaiser
Napoleon wieder verdunkelt ; und scheint es fast, als wenn man die Lehren Friedrich des Grofsen , des amerikanischen Krieges und die eigenen Erfahrungen nicht achtete. Man machte einen Rückschritt, den die Armee theuer bezahlen mufste. Die Elite derselben wurde dem mörderischen Feuer der Gegner geopfert, welche selbst deployiert stehenden Fuſses die französischen Massen erwarteten. Bei Albuera am 16. Mai 1811 unternahmen es mehrere französische
Regimenter ,
Infanterie ,
die
in Divisionskolonnen formiert ,
die
englische
noch keineswegs durch Feuer gelitten hatte ,
anzu-
greifen. Im Sturmschritt rückten sie ungeachtet des die Reihen lichtenden Feuers gegen die Engländer vor. Auf Pistolenschufsweite herangekommen ,
stutzten plötzlich die
Kolonnen
und
versuchten
unmittelbar darauf ganz ohne Befehl zu deployieren. Zugleich erhob sich ein lebhaftes Gewehrfeuer , das so lange fortgesetzt wurde , bis die Engländer anfingen , die Franzosen in umfassen
und
durch ein gut
den beiden Flanken zu
dirigiertes Feuer
zum Rückzuge zu
zwingen. In der auf österreichischer wie französischer Seite wohl geleiteten
und
im
grofsen
Mafsstabe
durchgekämpften
Schlacht
von
Wagram befahl Kaiser Napoleon um Mittag des zweiten Schlachttages , als das Tirailleurfeuer auf der ganzen Linie entbrannt und der linke österreichische Flügel bei Neusiedel bereits umgangen war, jener unter Macdonald vereinigten machtreichen Phalanx das österreichische Centrum zwischen Aderklaa und Süfsenbrunn
zu
durchbrechen.
den Angriff vorzubereiten ;
Eine
Masse von
sie näherte
100 Geschützen
sich im Trabe
der
hatte öster-
reichischen Linie bis auf halbe Schufsweite und eröffnete das Feuer. 8 Bataillone stehen deployiert hintereinander , 13 andere haben sich auf den Flügeln derselben in Kolonne gebildet. Die leichte Reiterei und Nansouti's Kürassiere deckten die äufseren Flanken dieser.
Die
182
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens
Divisionen Serras , Wrede und die Grenadiere zu Pferde , sowie die Gardeinfanterie rückten nach. Obgleich die österreichische Infanterie dieser Kolonne gegenüber nur in einem Treffen stand, sie daher anfangs zurückweichen musste, wurde Macdonald doch so
kräftig beschossen
gezogenen Kavallerie in den Flanken mit namhaften Verlusten
und von der herbei-
angegriffen ,
dafs
sein Corps
und in Unordnung zurückweichen muſste .
Noch einmal drängen die Divisionen Serras, die Bayern unter Wrede , die jungen Garden heran ; die Österreicher verlieren wohl an Terrain, aber ihre Linie zu zerreifsen
und
damit ihre Niederlage herbeizu-
führen, ist trotz aller Anstrengungen nicht möglich . Wenn auch der Angriff einer solchen Phalanx, wie der von Macdonald gegen einen moralisch und physisch geschwächten Gegner von Erfolg sein mag, so war er hier ebenso wenig
angebracht ,
als
die bei
Belle -Alliance gegen die Engländer vorgeführten Massen.
Dort
hatte der einleitende Geschützkampf erst ungefähr eine Stunde gedauert, als Kaiser Napoleon beschlofs , das englische Centrum durch einen Massenangriff zu sprengen . Marschall Ney erhielt den Befehl hierzu um 12 Uhr, als sich freilich schon die Spitzen des Bülowschen Corps ,
kaum
noch drei-
viertel Meilen vom Schlachtfelde entfernt, gezeigt hatten ; eine schnelle Entscheidung war somit geboten. Das Corps des Grafen d'Erlons rückte in drei unglücklich formierten Kolonnen vor, warf die Niederländische Brigade Bylandt zurück, sah sich dann aber von den Linien der englischen Infanterie stehenden Fufses empfangen. liche Masse wurde
Die unbehülf-
von ihr auf kurzer Entfernung beschossen und
unter vergeblichem Bemühen , sich zu entwickeln , umfassend mit dem Bajonett angegriffen und zurückgeworfen . Es ist bisher vornehmlich von dem Gefecht der Infanterie die Rede gewesen und an der Hand kriegsgeschichtlicher Beispiele nachzuweisen versucht worden , dafs Friedrich der Grofse weit mehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts machte als Kaiser Napoleon ; indem er sich mit seiner gesamten Infanterie
an den Feind heran-
schofs, ihn zusammenschofs und dadurch den Erfolg
erzielte ,
wäh-
rend Napoleon nur dünne Feuerlinien entwickelte und dann den entscheidenden Stofs durch seine Kolonnen gab. Es erübrigt nunmehr noch, die Kavallerie und Artillerie zu betrachten. Die Thätigkeit der Kavallerie im Gefecht ist bereits leichthin berührt worden. Sie hat in den fridericianischen Schlachten nicht selten die Entscheidung abgegeben und könnte der oberflächliche Forscher vielleicht zu dem Glauben dadurch verleitet werden , dafs
des Gefechts als Friedrich?
183
der grofse König auf die Attacken seiner Kavallerie das Hauptgewicht gelegt und das vorbereitende Feuer weniger berücksichtigt habe. Sicherlich entspräche dies auch weit mehr dem vom Könige andem durch keinerlei sonstige Thätigkeit vergestrebtem Ideal, zögerten
Draufgehen .
Schreibt
doch
selbst
das
Reglement
vom
1. Juli 1743 der preufsischen Kavallerie vor, fortan nicht mehr im Trabe , sondern im vollen Jagen zu attackieren sowie Aufmärsche und Schwenkungen nur noch im Galopp zu vollführen .
Begnügt sich
der König aber mit der schnellen Bewegung , welche er seiner Kavallerie für das Herankommen an den Gegner befiehlt , um die Feuerwirkung desselben abzuschwächen ? Keineswegs ! Sie soll erst eingreifen , "" wenn das feindliche Geschützfeuer nachzulassen beginnt und die Infanterie bereits geschossen hat ; heifst
es in den Instruktionen weiter ,
Affaire nicht
entschieden hat ,
"" wenn
denn " ,
eure Infanterie die
lafst eure Kavallerie in Masse auf
die feindliche Infanterie chargieren , Torgau gemacht
haben ,
wie wir es bei Zorndorf und und ihr werdet den Sieg erlangen . ·
Bedient euch der Kavallerie , um den Angriff des schon halb durch euer Kartätschfeuer vernichteten Gegners wegzufegen und um ihn zu verfolgen, wenn ihr ihn geworfen habt.
Endlich , wenn es das Ter-
rain erlaubt , mufs die Kavallerie so viel als möglich unter dem Schutz eurer Artillerie sein . Die Infanterie und Kavallerie müssen sich ebenfalls immer gegenseitig unterstützen, und wenn ihr das versteht, werden beide Waffen fast unbesiegbar sein. " Das vorbereitende Feuer ist somit dem König nicht nur bei dem Vorgehen der Infanterie, sondern auch bei der Attacke der Kavallerie das weniger angenehme aber unerlässliche Element. Was nun die Artillerie betrifft ,
so
muss ihre Vermehrung und
die Steigerung ihrer Wirkung naturgemäſs mit der Verminderung der Feuerwirkung der Infanterie Hand in Hand
gehen ,
wenn man die
Vernichtung des Gegners als den Endzweck des Kampfes
ansieht ;
denn erfahrungsmäfsig ist der physische Verlust des zu vertreibenden Gegners nach vorangegangener Erschütterung mit Hülfe der Feuerwaffe der bei weitem gröfste. König Friedrich gab nun seiner Artillerie grofsartigen Charakter.
schon frühe
Bei Rofsbach z . B. leitete
einen
die aus vier
vierundzwanzigpfündigen Kammerstücken , aus zwölf zwölfpfündigen und zwei zehnpfündigen Haubitzen bestehende Batterie des Oberst Moller von ihrer Aufstellung
auf dem Janushügel
der Seydlitzschen Kavallerie ein .
aus den Angriff
184
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens
In der Schlacht von Leuthen unterstützten zwanzig Zwölfpfünder den Angriff der Preufsen auf die Sagschützer Höhe so wirksam, dafs dieselbe ohne Schwierigkeit genommen wurde und die feindliche Schlachtlinie von ihrem linken Flügel aufgerollt werden konnte . Als darauf die Österreicher mittelst einer Viertelschwenkung eine der preuſsischen gleichlaufende Front herzustellen
suchten ,
überschütteten
zwanzig
andere Zwölfpfünder die hinter Leuthen sich formierenden feindlichen Massen mit einem Hagel von Geschossen . Eine dritte Batterie endlich bereitete auf dem linken preufsischen Flügel den Angriff der Driesen'schen Kavallerie vor. Selbst an der Verfolgung der Österreicher war die Artillerie diesmal nicht unwesentlich beteiligt , der König schickte sie bis an die Lissaer Brücke noch am Schlachttage vor und befahl ihr, "" so lange zu schiefsen, als sie Pulver hätte." Die Wegnahme des Mühlberges bei Kunersdorf wurde wesentlich gefördert durch den zweckmäſsigen Gebrauch der preufsischen Artillerie, welche denselben von drei Seiten umfafste. Ebenso hatte der grofse König den Angriff auf die Höhen von Burkersdorf durch siebenzig schwere Geschütze ― fünfzig Haubitzen und zwanzig Zwölfpfünder - vorbereiten lassen und ausdrücklich befohlen, dafs
das Feuer aus
allen Batterieen
eröffnet und so lange fort-
gesetzt würde, bis er einen Angriff auf die Höhen gehörig vorbereitet halte. *) Den Feind ohne den Vorteil des Feuers König in
den „réflexions de la tactique ",
angreifen ,
sagt der
heifst mit Stöcken
sich
gegen Waffen schlagen .
„ Man mufs das System einer zahlreichen Artillerie annehmen , so unbequem dies auch sein mag. Ich habe die unsrige beträchtlich vermehrt und sie wird die Mängel unserer Infanterie ersetzen. " Durch Kaiser Napoleon erlangte die Artillerie jenes Gepräge des Kolossalen , weil ihr fast ausschliesslich die Erschütterung des Gegners zufiel ;
wohingegen der wesentlichste Procentsatz aller Ver-
luste in den Schlachten des grofsen Königs
durch das Gewehrfeuer herbeigeführt wurde und letzteres denn auch in zahlreichen Schlachten die Entscheidung gab.
*) „ Gegen Höhen bedient man sich vorteilhafter der Haubitzen als Kanonen, denn die Kanonenkugeln thun nicht so viel Schaden als die zerplatzten Granaten. Wenn man nun eine verschanzte Stellung angreifen will, so mufs man die Haubitzen in Hohlwege, hinter Dämmen u. s. w. setzen und so sicher als möglich plazieren ; auch wohl eine Traverse machen lassen , damit sie mit desto mehr Sicherheit laden und werfen können ." (Instruktion Friedrichs über den Angriff auf verschanzte Stellungen.)
des Gefechts als Friedrich ?
185
Man hat nun zwar auch von der grofsen französischen Batterie bei Wagram z. B.
behauptet ,
Schlacht gegeben habe. * )
dafs
sie die Entscheidung
Wie viel die Franzosen
aber
in
der
auch vom
Feuer reden mögen , bei näherer Beleuchtung scheint diese Behauptung unbegründet ; denn der Angriff von Macdonald , welcher nach längerem Feuer jener Geschützmasse erfolgte , mifslang vollkommen. Hätte sich wirklich eine Lücke im österreichischen Centrum ergeben, so hätten das sechste und dritte Corps nicht den Rückzug in der Weise vollziehen können, wie er geschah. Wagram, der Stützpunkt der Rückwärtsschwenkung des zweiten und vierten Corps, wäre früher in den Besitz der Franzosen gekommen , wodurch der Rückzug des zweiten Corps gegen Seyring in der Flanke bedroht und der Zusammenhang mit dem ersten Corps gestört werden konnte . Die Entscheidung gab dagegen die successive Überflügelung von Ober - Siebenbrunn bis Deutsch-Wagram , der Rückzug des zweiten und vierten Corps in die Linie Seyring-Wolkersdorf, welcher auch eine rückwärtige Bewegung der übrigen Teile der österreichischen Armee zur Folge haben musste. Die Bedeutung der Batterie liegt vielmehr darin , dafs sie den Gegenangriff der Österreicher in der Mitte hemmte und sie dort festhielt, bis die Entscheidung durch den rechten Flügel fiel ;
dafs sie
die
rechten
übereinstimmenden
Flügels und Centrums
Bewegungen störte
des
österreichischen
und somit wesentlich hierdurch zum
Siege beitrug. Kaiser Napoleon selbst betrachtete ebenso wie der grofse König die Artillerie nur als Hülfswaffe der Infanterie , " sans doute le nerf de l'armée". **) Beide vermehrten sie in dem Mafse , ihrer Infanterie abnahm .
als die Güte
Aber auch trotz des „ kolossalen Artilleriefeuers " kommen die Verluste in den napoleonischen Schlachten nischen Zeit nicht annähernd gleich.
denen der fridericia-
Die Schlacht bei Mollwitz kostete den Österreichern nach der geringsten Schätzung von 19 000 Kombattanten 4410 ; Viertel innerhalb weniger denn vier Stunden . kostete ihnen 7500 von 31 000.
also fast ein
Die Schlacht von Sorr
*) „Aussi dans la Bataille de Wagram, il" -- Napoléon --- „emploie résolûment cette nombreuse artillerie ". „Cette bataille très sanglante fut gagné par la grande batterie de 100 pièces, qui écrasa le centre ennemi. " (Historique du feu de l'infanterie . J. Ortus, capitaine -― Journal des sciences militaires 1874. VIII. S. 9 T.
p. 409. ) **) Maximes de guerre et pensée de Napoléon I. V. éd. p. 50.
186
Machte Napoleon die Feuerwaffe mehr zum Hauptagens etc. Bei Leuthen verloren die Österreicher von 80 000 bis 90 000
Kombattanten 27 000 ; also ein Drittel in der Zeit von 2 bis 5 Uhr nachmittags. In der blutigsten Schlacht
der
napoleonischen Zeit,
bei Efs-
lingen , verloren die Österreicher dagegen von 75 000 Kombattanten kaum ein Drittel, nämlich nur 22 0000 Mann ; die Schlacht dauerte aber anderthalb Tage . Bei Wagram verloren sie von 128 570 nur 25 817 , das heifst nicht ganz ein Viertel der Kämpfenden in anderthalb Tagen. *) Bei Albuera büfsten die Engländer , Spanier und Portugiesen unter Beresfort von 29 000 Kombattanten nur 6000 ein. Bei BelleAlliance verlor das Bülowsche Corps in fünfstündiger Schlacht nur ein Sechstel ; die Engländer in neun Stunden wenig mehr als Fünftel der Kämpfenden . Deutete nun Napoleon I.
an
die
Kolonnentaktik ,
die Stelle
der
von
welche
König
unter
ein
Kaiser
Friedrich
dem
Grofsen gepflegten Lineartaktik trat , schon auf eine Verminderung der Feuerwirkung der französischen Infanterie , so ist der verhältnismässig
geringe
Verlust ,
Heere trotz ihrer zahlreichen Artillerie
welchen
die
den Gegnern
napoleonischen zufügten ,
ein
weiteres und zugleich den Ausschlag gebendes Argument gegen die Behauptung , dafs Kaiser Napoleon noch viel mehr die Feuerwaffe zum Hauptagens des Gefechts gemacht habe, als König Friedrich .
*) Statistische Daten über die Kämpfe der Neuzeit. Streffleur 1863. 3. Band 13. Heft.
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
187
XIV .
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
Von F. Hentsch , Hauptmann a. D.
Der gröfste Übelstand, welcher dem schwarzen Pulver anhaftet, besteht darin,
dafs die entwickelten , kraftgebenden Gase in keinem
Verhältnisse mit den zu ihrer Entwickelung nötigen Materialien stehen , und ist deshalb schon lange Zeit das Bestreben darauf gerichtet gewesen, an Stelle des schwarzen Pulvers setzen.
ein anderes Treibmittel zu
Allein zwei unschätzbare Eigenschaften sind es, welche bis-
her es dem
ersteren ermöglicht haben , alle Konkurrenten siegreich
aus dem Felde zu schlagen, soweit es sich um Anwendung als Treibmittel in Kanonenrohren und Gewehrläufen handelt. Die eine dieser Eigenschaften ist die , dafs die Entzündungstemperatur des Pulvers so hoch liegt , dafs der Transport und die Fabrikation desselben ziemlich ungefährlich ist .
Die zweite unschätzbare Tugend desselben ist
seine ungemein grofse Biegsamkeit.
Es schmiegt sich allen Verhält-
nissen an und läfst sich nach den verschiedenen Zwecken verändern , so dafs seine Verbrennung, den Umständen entsprechend , beschleunigt oder verzögert und dasselbe als Jagdpulver, Kriegspulver oder Sprengpulver fabriziert werden kann. Weniger glücklich ist das schwarze Pulver in seinem Kampf als Sprengstoff gewesen und sind ihm in dieser Richtung sehr gefährliche Konkurrenten erwachsen.
Besonders gefährlich
stoff der Dynamit geworden ,
allein
auch
ist ihm als Spreng-
andere Stoffe oder Zu-
sammensetzungen mit Dynamit u . s. w. haben sich Geltung verschafft. Zunächst ist hier ein Sprengstoff aufzuführen , welcher von dem Königlich preufsischen Lieutenant a. D. Hellhoff konstruiert ist und dessen Herstellung durch direkte Nitrierung der rohen Theeröle und der Nitrierungsprodukte durch Sauerstoffträger erfolgt.
Das
Verfahren liefert Sprengstoffe , welche mit grofser Arbeitsleistung grofse Billigkeit vereinigen . Diese Billigkeit soll sich aus der durch 13 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
188
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .
diese Erfindung gebotenen Möglichkeit ergeben, Stoffe, welche bisher wenig oder gar keine gewerbliche Verwendung fanden und die demgemäfs nur einen geringen Marktpreis verarbeiten .
haben ,
auf Sprengstoffe zu
Folgendes Verfahren wird zu dieser Verarbeitung eingeschlagen : Die rohen Theeröle werden allmählich mit hochgradiger Salpetersäure unter fortwährendem Rühren
versetzt ,
worauf eine fortschreitende
Trübung des Öls und endlich eine flockenartige Absonderung eintritt. Da bei dem Zusatz von Salpetersäure eine nicht unbedeutende Wärmeentwickelung eintritt , so ist auf Kühlvorlagen zu rücksichtigen und genügt hierzu bei kleinen Quantitäten das Wasser, bei gröfseren Eis . Den entstandenen Niederschlag läfst man absetzen , giefst das noch klar darüberstehende Öl in ein zweites Gefäfs und setzt in der vorbeschriebenen Weise von neuem Salpetersäure hinzu .
Mit diesem
Prozefs fährt man so lange fort, bis der Rückstand klar bleibt.
Vom
theoretischen Standpunkte aus könnte dieser Teil des Prozesses dahin vereinfacht werden ,
dafs die Salpetersäure
Menge zugesetzt wird .
sofort in hinreichender
Bei den leichten Ölen ist dies auch möglich,
da sich das stöchrometische Verhältnis
hier wenigstens
feststellen läfst , nicht aber bei den schweren Ölen ,
da
annähernd diese noch
Körper enthalten, deren Zusammensetzung bis jetzt noch nicht genügend klar feststeht und aufserdem die einzelnen Körper in stets nach dem Charakter des Destillationsobjektes wechselnden Mengen sich Aufserdem würde eine Vereinfachung die Gefahr darin vorfinden . in sich schliefsen, dafs das Füllungsprodukt überschüssige Säure enthielte und dadurch direkt explosibel würde .
Die so erhaltenen Füllungsprodukte werden ausgewaschen , alsdann getrocknet und hierauf mit Sauerstoffträgern versetzt. Es werden hierzu hauptsächlich die salpetersauren Salze in Alkalien , chlorsaures Kali und concentrierteste Salpetersäure ( 1,5 specif. Gewicht) verwendet. Alle diese Mischungen ergeben Explosivkörper von grofser Energie, die mit der Menge des zugesetzten Sauerstoffträgers in geradem Verhältnis steht . Die maximale Arbeitsleistung erhält man bei der Versetzung mit Salzsäure , in welcher alle Fällungsprodukte sich als löslich unter leichter Wärmeentwickelung ergeben. Den brisantesten Sprengstoff liefert bei den leichten Ölprodukten 1 Gewichtsteil Fällungsprodukt und 2 Gewichtsteile concentrierte Salpetersäure , bei den schweren Ölen 1 Gewichtsteil Fällungsprodukt und 3-3 / 2 Gewichtsteile Salpetersäure . Ein anderes Sprengpulver ist von Th. Martinsen in Ober-
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
189
löfsnitz bei Dresden aufgestellt. Dieses Sprengpulver soll eine grofse Kraft besitzen und in den Stollen keinen Rauch entwickeln , so dafs die Arbeiten in den Minengängen
unmittelbar nach dem Sprengen
wieder aufgenommen werden können, soll bei Vorhandensein von Luft unexplodierbar sein, so grofs auch die Menge des Sprengpulvers sei . Es soll sich weder durch Schlag oder Stofs , noch aber auch durch einen elektrischen Funken entzünden ; letzteres allerdings eine ungünstige Eigenschaft für unterseeische u. s. w. Sprengungen. Das Verhältnis der zur Verwendung kommenden Materialien ist nachstehendes : 70 Teile Salpeter (Kali- oder Natron- Salpeter) , 12 Teile raffinierter sublimierter Schwefel,
5 Teile Lampenschwarz (leichter Kienrufs ) , 13 Teile Sägespähne oder gebrauchte Lohe ( sehr trocken) . Hierzu kommen 2 Prozent schwefelsaures Eisenoxydul (Eisenvitriol) . Um aus diesen Mischungen ein gleichförmiges, sich schwer zersetzendes Produkt zu erhalten, löst man in etwa 6-8 Liter heifsen Wassers 100 kg Eisenvitriol auf und mischt in einem eisernen , innen polierten Kessel die anderen Materialien hinzu . Der Kessel wird erhitzt bis auf 120 bis 130 Grad Celsius ; einige der oben genannten Materialien schmelzen schon vor dem Sieden, vereinigen sich deshalb bei einer Temperatur unter 108 Grad und werden von den Sägespähnen oder der Lohe aufgesogen . Das Ganze wird während des Kochens sorgfältig umgerührt.
Hierdurch erhält man eine pulver-
förmige Substanz , welche nun vom Feuer entfernt und unter fortwährendem Umrühren abgekühlt wird .
Das so
gewonnene Pulver
wird in Trockenkammern bei 50 Grad getrocknet, welche Operation etwa 24 Stunden in Anspruch nimmt. Das Produkt ist nun fertig und kann zum Sprengen entweder in Pulverform oder als Patronen in komprimiertem Zustande verwendet werden . Ein anderer Explosivstoff ist von E. Judson in St. Francisco erfunden worden. Der Erfinder giebt hierüber nachstehendes an : Gegenstand dieser Erfindung ist die Darstellung eines billigen , sicher und kräftig wirkenden explosiven Gemisches , welches eine verhältnismäfsig erreicht Judson
sehr
geringe
dadurch ,
dafs
Menge Nitroglycerin die
Nitratteilchen
enthält. der
Das
trockenen
Mischung mit einem Überzug oder Firnifs versehen werden . Nötigenfalls wird aber auch die Kohle oder irgend ein anderer poröser oder absorbierender Gemengteil mit einem aus brennbaren Substanzen zusammengesetzten Firnifs oder Überzuge bekleidet , der durch die 13*
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
190 Hitze
flüssig wird .
Dieser Überzug besteht aus besonderen
Sub-
stanzen oder auch aus einem Teile der trockenen Mischung selbst . Wenn die trockenen Mischungen, welche einen Überzug erhalten sollen, sehr fein zerteilt sind, z . B. staubförmig, so werden dieselben zum Zwecke der Überziehung zu Körnern von passender Gröfse geformt. Bei grobkörnigem Material werden die Teile oder Körner einfach mit dem erforderlichen Überzuge versehen .
Die in der an-
gegebenen Weise überzogenen Teilchen der trockenen Mischung halten das Nitroglycerin auf ihren Oberflächen oder doch auf dem grössten Teile
derselben fest ,
Hierdurch ist
ohne
dafs
erhebliche Absorption
stattfindet.
eine kleine Schicht Nitroglycerins im Stande ,
einen
ununterbrochenen Zusammenhang durch die ganze Masse hindurch zu erhalten , wodurch das zusammenhängende Ganze explosionsfähig wird . Ausserdem ist das Gemisch gegen Feuchtigkeit geschützt . Die trockenen Mischungen der in Rede stehenden explosionsfähigen Gemische enthalten im allgemeinen Kohle als Zusatz zu einer bedeutenden Gewichtsmenge irgend eines Nitrates, einen oder mehrere Teile Kohlenwasserstoff, harzige und bituminöse Substanzen, und oft wird als Zusatz Schwefel genommen . An Stelle der zuerst erwähnten Ingredienzien kann man verschiedene Stoffe verwenden, so dafs zahlreiche Variationen
gestattet
sind .
Zur Erläuterung
der Erfindung
giebt Judson eine der Formeln an, welche ein stark explosionsfähiges Gemisch geben soll , nämlich : 15 Teile Schwefel , 3 Teile Harz , 2 Teile Asphalt, 70 Teile salpetersaures Natron , 10 Teile Anthracitkohle. Schwefel , Harz und Asphalt werden geschmolzen und gut umgerührt.
In
diese Mischung kommt während
des Schmelzens
das
salpetersaure Natron und die Kohle , welche beide Teile pulverisiert und gut ausgetrocknet sind . Das Gemisch wird gut umgerührt, bis sich der Firnifs oder Überzug aus der geschmolzenen Mischung gebildet hat .
Die ganze Mischung wird alsdann langsam aber bestän-
dig umgerührt ,
bis sie so weit abgekühlt ist ,
hören aneinander zu hängen ,
geeignet , das Nitroglycerin aufzunehmen . Nitroglycerins
dafs die Körner auf-
dann erst ist die trockene Mischung
sollen schon genügen ,
1 , 2 oder 3 Prozent des
das Gemisch in einen kräftig
wirkenden Explosivstoff zu verwandeln . Das Verhältnis kann indessen nach Belieben bis auf 15 und mehr Prozent gebracht werden . Bei allen Variationen in Auswahl und Menge der Stoffe muſs die Bedingung erfüllt werden , dafs die Körner mit einer brennbaren Substanz überzogen werden , die der Absorption sowohl von Nitroglycerin als auch von Wasser Widerstand entgegensetzt und zugleich
191
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
im Stande ist , einen gewissen Hitzegrad zu ertragen, dem das dargestellte explosive Gemisch auf den Transporten oder während der Aufbewahrung ausgesetzt sein könnte . Ein anderes Verfahren zur Herstellung
eines
Spreng-
stoffes aus Nitroglycerin und löslicher nitrierter Baumwolle unter Zusatz von die Wirkung des Sprengstoffes verstärkenden oder abschwächenden Mitteln ist von der Dynamit-Aktiengesellschaft , vormals Alfred Nobel u . Co. in Hamburg, aufgestellt.
Die den Nitro-
glycerinpulvern
(Dynamit u. s . w.) eigene Gefährlichkeit , welche dadurch hervorgerufen ist , dafs sich in denselben das Nitroglycerin in flüssigem Zustande befindet und austretend die grofse Empfindlichkeit
des ungemischten Sprengöls zeigt ,
hat Alfred Nobel veranlafst, eine
Reihe neuer Sprengstoffe zusammenzusetzen , in welchen das Nitroglycerin oder das diesem Stoffe verwandte Methyl- und Äthylnitrat durch Vermischung mit anderen in diesen löslichen Körpern (Gelatinierung) aus dem denselben sonst eigentümlichen Aggregatzustande in die feste Form
übergeführt ist.
Aus solchen , die Gelatinierung der vorgenannten Nitroverbindungen herbeiführenden Körper benutzt der Erfinder eine schwach nitrierte Baumwolle , welche durch Einwirkung eines
Säuregemisches
( 1,44 spec . Gewicht) und
von gleichen
Teilen
Schwefelsäure ( 1,835
Salpetersäure
spec. Gewicht) auf
trockene Baumwolle gewonnen wird .
Behufs Auflösung dieser nitrierten Baumwolle in den oben genannten Nitroverbindungen werden letztere im Wasserbade bis auf 70 Grad Celsius erwärmt, bei welcher Temperatur sie bis zu 10 Prozent der ersteren aufzulösen im Stande sind ; ein geringer Zusatz von Methylalkohol oder eines anderen der unten angegebenen Zusatzstoffe, welche dem Präparat eine geringere Gefährlichkeit erteilen sollen, ist geeignet, diesen Vorgang wesentlich zu beschleunigen. Beim Erkalten erhält man je nach dem stattgehabten Procentsatze an nitrierter Baumwolle eine halbfeste bis druckfeste Gelatine, „ Sprenggelatine " genannnt, aus welcher entweder ohne weiteren Zusatz Patronen angefertigt werden oder unter Beimengung von Stoffen, welche a) teils die Explosibilität des Präparates bis zur Schufssicherheit vermindern sollen, als Methylalkohol, Essigäther, Aceton , Acetin, Nitrobenzol, Kampfer u. s . w.; b) teils als Sauerstoffzuträger die Verbrennung der Explosion entstandenen Zersetzungsprodukte
durch die
zu einer voll-
kommenen machen sollen, als Natronsalpeter, Kalisalpeter etc. c) teils die brisante Wirkung des Sprengstoffes
in
eine
mehr
nachwirkende verwandeln sollen, als Minenpulver u . dgl.
192
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel . Sowohl was Wirkung als Gefahrlosigkeit anbelangt, sollen diese
Patronen die aus den bedeutend übertreffen.
bisherigen Nitroglycerinpulvern bestehenden
Derselbe Erfinder hat aber auch dem schwarzen Pulver eine erhöhte Sprengkraft durch Komprimierung desselben und in Verbindung mit einer besonderen Zündungsart zu erteilen und so demselben sein altes Übergewicht zu wahren gestrebt. für Sprengzwecke
Bisher ist das Schwarzpulver
sowohl in grobkörnigem als auch in feinkörnigem
Zustande angewendet worden . Auch ist feinkörniges Pulver zu Stäben komprimiert , jedoch so ,
dafs die Körner nicht zerquetscht werden ,
weil sonst das Pulver nicht explodieren würde. Cylinder aus stark komprimierter , nicht gekörnter Pulvermasse konnten deshalb nicht. zur Anwendung kommen. Nobel hat nun das komprimierte Pulver für Sprengzwecke im allgemeinen verwendbar zu machen gesucht. er sich einer Zündpatrone ,
Behufs dessen bedient
welche aufserordentlich heftig explodiert
und das komprimierte Pulver zu schnellerer Wirkung zwingt . Eine Patrone
solche
Zündpatrone
aus Dynamit
besteht
entweder aus einer kleinen
oder ähnlichem Sprengstoffe ,
oder aus einer
Patrone aus Schwarzpulver mit Dynamit oder gleichem Sprengstoffe wie Sprenggelatine , komprimierte Schiefsbaumwolle, basische Pikrinsäure , Baryt oder pikrinsaures Kali enthaltende Bleisalze . Die Patrone bringt der Erfinder in folgender Weise an . Er legt zwei Stücke aus komprimiertem gekörntem Pulver über einanderund versieht beide mit je einer Aushöhlung , die aufeinander passen .
Dieser Hohlraum
wird mit Dynamit oder Sprenggelatine u. s. w. gefüllt. dieser Pulverstücke besitzt
Das eine
eine Durchbohrung zur Aufnahme einer
Zündschnur, welche in den Hohlraum führt.
Nach Füllung der Höh-
lung mit Dynamit werden die beiden Pulverstücke zusammengeleimt und in ein Papier gewickelt, welches an die Zündschnur festgebunden wird. Eine andere Zündpatrone stellt Nobel in folgender Art her : Es wird feinkörniges Pulver mit pikrinsaurem Kali oder ähnlichen Stoffen gemengt, mit 3 bis 4 Procent Wasser angefeuchtet und zu Masse komprimiert.
einer
Die oben beschriebenen Zündpatronen sollen den Vorteil bieten, dafs sie gegen Stofs unempfindlich und daher dem Dynamit vorzuziehen sind. Das nicht gekörnte Pulver , welches die Zündpatrone zur Explosion
bringen soll ,
wird in feuchtem Zustande sehr stark
komprimiert und zu cylindrischen Stäben von passender Länge und Durchmesser geformt .
193
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
Den Salpeter im Pulver ersetzt Nobel auch durch salpetersaures Baryt, salpetersaures Bleioxyd oder Natronsalpeter, ebenso die Kohle ganz oder teilweise durch andere brennbare Stoffe, wie Kohlenhydrat. Die Ladung eines Bohrloches geschieht in folgender Weise : Es werden so viel Stäbe des komprimierten Pulvers eingeschoben , bis die Ladehöhe erreicht ist. Alsdann schiebt man eine mit Zündschnur versehene Patrone hinein, bis sie das Pulver berührt.
Darüber
kommt Besatz und die Ladung ist zum Abfeuern fertig. Diese Zündpatrone wendet Nobel auch zum Abfeuern von Nitroglycerin - Präparaten , komprimierter Schiefswolle und ähnlichen Stoffen an. Eine andere
Art
Sprengpatrone ist von
H. Bothe
auf
Gräfin - Laura - Grube bei Königshütte ( Oberschlesien) konstruiert. Bei dieser wird die äufsere Patronenhülse für loses Pulver, wie bisher, aus geleimtem Papier hergestellt.
Ehe man das Pulver aber in die
Patronenhülse einschüttet, wird in dieselbe ein in den Seitenwandungen mit vielen kleinen Löchern welche
aus
einem
versehener Zündkanal
hinlänglich festen Materiale ,
eingesetzt,
z . B. Blech ,
her-
gestellt ist, um die nötige Sicherheit gegen Zerdrücken beim Anfertigen und Besetzen der Patrone zu bieten . Hierauf erfolgt das Füllen der Patrone in der Weise ,
dafs unter dem Ende der Hülse
ein Pulversatz von geeigneter Stärke bleibt ,
und dafs
im übrigen
nur der zwischen äufserer Hülse und Zündkanal liegende Raum gefüllt wird. Nachdem die Patrone durch Einschütten von Pulver auf die verlangte Länge gebracht ist, wird die äufsere Hülse an die Zündhülse dicht angeschlossen . Der Gebrauch der Patrone geschieht in gewöhnlicher Weise ; in dem Zündkanal wird die Zündschnur angebracht, die Patrone in das Bohrloch eingeführt und letzteres besetzt. Das Anbringen der Zündhülse hat den Zweck, eine beschleunigte Entzündung der ganzen Pulvermasse herbeizuführen. Letztere beide Erfindungen haben also den Zweck, die Entzündung des Sprengpulvers zu beschleunigen und dadurch eine gröfsere Kraftentwickelung zu erzeugen . Ein gleiches Ziel verfolgt Fr. Wittenberg in Mühlheim am Rhein mit seinen Sprenghütchen mit innerer und äufserer Kapsel , nur ist hierbei der Sprengstoff ein anderer. Dieser Konstruktion liegen folgende Erwägungen
zu Grunde :
Die zur Entzündung von Dynamit , Schiefswolle oder ähnlichen Explosivstoffen
erforderlichen Sprenghütchen
sollen
plötzlichen Druck
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .
194
und zugleich heftige Stichflamme erzeugen .
Durch den Druck bez.
Schlag soll die Dynamitpatrone plötzlich granuliert werden , damit die Stichflamme eine möglichst grofse Oberfläche zur gleichzeitigen Entzündung aller Teilchen der Patrone vorfinde. Die wesentlichen Bestandteile der Ladung eines Zündhütchens sind daher Knallquecksilber und chlorsaures Kali, ersteres um den Druck, letzteres um die Stichflamme zu erzeugen . Zur Erzielung der vollen Wirkung müfste folgerichtig die Ladung des Zündhütchens im Mittelpunkt der Dynamitpatrone untergebracht werden .
Dieses wäre zwar durch ein entsprechend langes Hütchen
zu erreichen, doch steht bei Benutzung eines solchen zu befürchten, dafs durch die
plötzliche Erhitzung der Wandungen beim Brennen
der Zündschnur eine Entzündung des Dynamits (Vorbrennen) stattfindet noch ehe die Explosion der Ladung
erfolgt.
Deshalb ist
zum Er-
reichen eines sicheren Schusses Bedingung, dafs nur der untere , die Ladung enthaltende Teil des Hütchens in die Dynamitpatrone eingeschoben wird. Hierdurch kommt aber nur ein Teil der dem Zündhütchen innewohnenden Kraft auf den oberen Teil der Dynamitpatrone direkt zur Wirkung . haft
Kneift man das Hütchen gar nicht oder mangel-
auf der Zündschnur fest,
so ist bei
schwacher Ladung ein
Hinauswerfen der Zündschnur und das Entweichen der Explosionsgase (Versager) zu befürchten . Diese bei dem gewöhnlichen Sprenghütchen obwaltenden Mifsstände : die unvollkommene Einwirkung auf die Dynamitpatrone und die Abhängigkeit vom Einkneifens
Mineur hinsichtlich
des
vorschriftsmässigen
glaubt der obige Konstrukteur durch
die Einrichtung
seines Sprenghütchens zu beseitigen . Das Zündhütchen besteht aus einer inneren und einer äusseren Kapsel .
Die innere, deren Boden in der Mitte durchlocht, und welche
aus stärkerem Kupfer als die äufsere gefertigt ist, enthält die Ladung, ist in umgekehrter Richtung in die äufsere Kapsel eingeschoben und durch Einkneifen der letzteren derart befestigt, dafs die Ladung nur in der Fläche der kleinen, als Zündloch dienenden Öffnung freiliegt. Von den die Ladung nunmehr allseitig umschliefsenden Kupferwänden ist die untere (nämlich die durch den Boden des äufseren Hütchens gebildete) die schwächste . Der zündende Feuerstrahl trifft durch das der Pulverseele der Zündschnur entsprechende Zündloch auf die Ladung, deren Gase , nach dem Boden des Zündhütchens zu den geringsten Widerstand findend, ihre Hauptwirkung in dieser Richtung
(als in
der Richtung der
Längenachse der Dynamitpatrone) ausüben müssen .
Hierdurch soll
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
195
aber ein direktes Einwirken der Stichflamme auch auf die entlegenen Teile der Patrone gesichert sein . Ein weiterer Vorteil der Wittenberg'schen Sprenghütchen soll in der Gleichmässigkeit ihrer Ladung nassem Wege
erfolgt,
bestehen ,
indem
dieselbe auf
während die gewöhnlichen Zündhütchen mit
trockenem Zündstoff geladen sind. Das Laden geschieht in nachstehender Weise :
Die
Zündmasse
wird sorgfältigst gemischt und in Form eines feuchten Kuchens auf der Arbeitsplatte ausgebreitet. Dicke haben,
Dieser Kuchen mufs überall gleiche
derselbe ist deshalb von einem Holzrahmen umgeben,
über welchen die zur Ausbreitung des Kuchens dienende Rolle hinund hergeführt wird .
Alsdann
wird der Kuchen unter die Lade-
maschine gebracht, deren wesentlicher Teil ein System von Ausstechröhren bildet. Jede Ausstechröhre hat unten einen scharfen Rand, welcher beim Niedergehen in
den Zündsatzkuchen einschneidet und
dadurch einen cylindrischen Teil Zündmasse in das Innere der Ausstechröhre gelangen läfst.
Da letztere bis auf den Boden (also durch
die ganze Dicke des Kuchens) niedergedrückt wird, so hat das Ausgestochene Zündmassencylinderchen zum Durchmesser den Durchmesser des Hohlraumes der Ausstechröhre und zur Höhe die Dicke des Kuchens .
Dieses Quantum bildet die Ladung eines Hütchens . Innerhalb der Ausstechröhre befindet sich ein cylindrischer Stift, welcher darin auf- und niedergleitet . Durch das Ausstechen des Zündsatzcylinderchens wurde dieser Stift innerhalb der Röhre emporgeschoben und überragt nun die obere Mündung der Ausstechröhre Nunmehr wird das zu ladende die Ausstechröhre gebracht und der. Stift so weit
um die Höhe jenes Cylinderchens. Hütchen unter
bis die Ladung auf den Boden des Hütchens angelangt ist . Das so geladene Hütchen wird endlich in einen Trockenraum gebracht und ist die Ladung in wenigen Stunden trocken . niedergedrückt,
Der Vorzug dieser Methode soll darin begründet sein ,
dafs die
beiden Hauptbestandteile der Zündmasse (Knallquecksilber und chlorsaures Kali) von sehr verschiedenem Gewicht sind.
Die Folge hier-
von soll sein, dafs beim trockenen Laden die Hütchen eine ungleiche Ladung erhalten,
indem bei der beständig rollenden Bewegung der
Körnchen im Ladereservoir, welche durch das von unten stattfindende Entnehmen derselben
hervorgerufen
wird,
die
ersten Hütchen das
schwere Pulver empfangen, während für die letzten nur leichtes übrig bleibt ; letzteres also mit verhältnismässig geringem Knallquecksilbergehalt. Eine Verbesserung der Sprenghütchen ist ferner durch Braun
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel .
196
und Bloem in Düsseldorf angestrebt. der Sprengkapsel
eine
ring-
Bodens gegeben worden.
oder
In diesem Sprenghütchen ist
sternförmige Abschwächung des
Ferner ist ein möglichst kräftiger Verschlufs
der Zündmasse, nach der Öffnung der Sprengkapsel hin , durch Einschiebung einer
starken ,
Boden durchlocht ist ,
oben konischen Kupferkapsel,
bewirkt.
welche im
Endlich ist die Seitenwandung der
Kapsel verstärkt. Hierdurch soll eine möglichste Concentration des Stofses und der Wärme auf die Längsachse der Sprengpatrone erzielt werden.
Die Befestigung der eingeschobenen geschieht durch
Verengung der Öffnung der Sprengkapsel. Um komprimierte Schiefsbaumwolle zur explosiven Verbrennung zu bringen, hat der Premierlieutenant a. D. M. von Förster in Berlin
einen Zünder konstruiert.
Wenn man nämlich trockene
komprimierte Schiefsbaumwolle, rein oder gemengt mit Salpeter oder anderen sauerstoffhaltigen Körpern , mit Feuer in Berührung bringt, während sie sich ohne Einschliefsung oder nur in einer leichten Umhüllung befindet , so brennt sie ab, ohne dafs eine Explosion erfolgt. Wenn man die nämlichen Stoffe dagegen mit einer festen ,
starken
Hülle umgiebt, etwa einer solchen von Eisen oder Metall , und dann in sie Gase,
eine Flamme
leitet ,
dafs eine Explosion
so
entsteht eine solche Spannung der
der
Schiefsbaumwolle
stattfindet.
Die
Explosion verwendet nun obiger Konstrukteur dazu , um andere nicht eingeschlossene Schiefsbaumwolle zur Explosion zu bringen . Derselbe stellt den hierauf basierten Zünder her, indem er eine Patrone von komprimierter Schiefsbaumwolle oder von solcher gemengt mit Salpeter in
eine starke Röhre von Eisen oder anderem Metall
hineinschiebt und die Einladeöffnung , in welche später die Zündschnur gesteckt wird, wieder durch eine Schraube schliefst . Die Öffnung für die Zündschnur u . s . w. ist nicht gröfser als nötig, um denselben
durchzulassen .
Die
untere Öffnung der Röhre ist durch
einen Ring geschlossen, damit die Patrone nicht herausgedrückt werden kann. wolle
Dieser Zünder soll ausreichen, um trockene Schiefsbaum-
ebenso zur Explosion zu bringen ,
quecksilberzündhütchen geschieht.
wie dies durch die Knall-
Man setzt denselben im Bohrloche
auf die letzte trockene Patrone, oder in einem mit Schiefsbaumwollè angefüllten Gefäfse auf die trockenen Schiefsbaumwollstücke setzt ihn durch Zündschnur oder Elektricität in Brand . Endlich ist auch
und
noch eine von W. H. Eales in Dresden-
Neustadt konstruierte Zündschnur anzuführen .
Bisher hat man
sich fast stets der Bidford'schen Zündschnur bedient, deren Seele bekanntlich aus Pulver besteht. Das Streben des oben genannten Er-
Die neuesten Explosivstoffe und deren Zündungsmittel.
197
finders ging indessen schon lange dahin , an Stelle des Pulvers ein anderes Material zu setzen, um dadurch die der Bidford'schen Zündschnur anhaftenden Mängel zu beseitigen.
Es lag der Gedanke nahe ,
Schiefsbaumwolle zu verwenden , allein alle Versuche mit diesem Materiale scheiterten daran , dafs dieselbe in fest eingesponnenem Zustande nicht brannte . Zu dem Einspinnen hat Eales fertige Schiefsbaumwolle verwandt. Derselbe kam nunmehr auf die Idee, die Schiefsbaumwolle vor der Einschmierung mit sauerstoffhaltigen Substanzen zu behandeln und machte zuerst Versuche mit salpetersaurem Kali.
Hiermit
erzielte er die ersten Erfolge ,
Veranlassung zu weiteren Versuchen Salzen .
und gab dies
mit noch sauerstoffreicheren
Es wurde nach einander pikrinsaures und chlorsaures Kali
im aufgelösten Zustande
angewendet.
immer günstiger und gelangte Eales
Die Erfolge endlich
sultaten durch Anwendung von Mischungen
gestalteten sich
zu vorzüglichen
von
chlorsaurem
ReKali
und salpetersaurem Kali. Durch Anwendung dieser Mischungen ist es möglich geworden , die Schiefsbaumwolle für die Zündschnurfabrikation tauglich
zu machen .
Bei
der neuen Zündschnur wird also
nicht schiefsbaumwollenes Garn aus Schiefsbaumwolle gefertigt, sondern rohes baumwollenes Garn in Schiefsbaumwolle als Garn verwandelt und letzteres hierauf weiter mit den oben angeführten sauerstoffhaltigen Salzen behandelt. zum Einspinnen fertig. Diese neuen Zünder sollen
Die so präparierten Garne sind dann
sich vor
den Pulverzündern haupt-
sächlich dadurch auszeichnen , dafs sie nur sehr geringen Rauch beim Brennen entwickeln, was im Minenkriege von grofser Wichtigkeit ist. Zur Erzielung welches
in die
eines lebhaften Zündfunkens
mufs
Pulverladung gesteckt wird ,
damit der Zündfaden frei zu liegen kommt.
dasjenige Ende,
aufgelockert werden,
Die Brenngeschwindig-
keit kann nach Bedarf durch Änderung in der Fabrikation beschleunigt oder verlangsamt werden.
198
Topographische Erörterungen.
XV .
Topographische Erörterungen. Von
Reichert , Hauptmann. (Schlufs.) VI.
Der Wert des sogenannten Überschlagens nach der Latte. Ehe die Kippregel mit dem Reichenbachschen Distanzmesser als
Instrument der Topographen eingeführt war, konnten die Anforderungen an die Genauigkeit des Grundrisses bei weitem nicht dieselben sein wie heute ;
die Bussolen
aber waren
ehedem
ebenso
leistungsfähig wie die neueren, und es stand nichts im Wege , beim Stationieren sich lediglich auf deren Güte zu verlassen ,
und sie in
ebenso ausgedehnter Weise zu gebrauchen, wie jetzt. Das geschah aber nicht.
Die alte Zeit verschmähte ein so wenig
rationelles Verfahren , und benutzte die Magnetnadel beim Stationieren nur, um eine vorläufige Orientierung herzustellen . Heute aberwird das Überschlagen nach der Latte , wobei man sich ausschliefslich der Nadel anvertraut, trotz der erhöhten Anforderungen an die Güte des Grundrisses überall mit Eifer gelehrt und ausgeübt , und es ist fast zum Dogma geworden ,
dafs Waldwege und Schneusen nur
mit Überschlägen bearbeitet werden .
Man kann wohl vermuten ,
dafs es das Bestreben gewesen ist,
recht schnelle Arbeit zu liefern , welches den Überschlag zu so hohen Ehren erhoben hat ; denn als die Kippregel das Diopterlineal verdrängte und ihre Vorzüge
den Topographen zu
peinlich genauer
Arbeit veranlassten, mag diese quantitativ stark hinter den gewohnten Leistungen zurückgeblieben sein. Der Überschlag hat in der That eine recht verlockende Seite : Die Latte bleibt auf einem Knotenpunkt stehen ,
und an ihr vorbei wandert der Tisch zu einer neuen, um die doppelte Kotenweite entfernten Station . Schnell ist der Tisch mit der Bussole orientiert, und schnell der neue Punkt von der stehenden Latte abgeleitet. Es verlohnt sich deshalb wohl der Mühe , den Wert des Über-
199
Topographische Erörterungen.
schlagens und die wirkliche Ersparnis an Zeit einer Betrachtung zu unterwerfen. Was die Sicherheit der Orientierung nach der Nadel betrifft, so hört man oft von erfahrenen Topographen den Leistungen ihrer Bussole Lob spenden, auch machte schon mancher die Erfahrung , dafs nach tagelanger Arbeit allein mit der Bussole der nächste Anschlufs so schön und zufriedenstellend ausfiel. Ebenso oft freilich hört man die Launenhaftigkeit der Bussole anklagen . Nicht selten mag es vorkommen, dafs die Fehler bei einer längeren Arbeit sich wieder ausgleichen oder verringern ; sie stimmt vielleicht am Ende weit besser als in der Mitte : Jedenfalls ist ein Rückschlufs von einem Punkte der Arbeit auf ihren rückwärtigen Verlauf durchaus nicht sicher. Einen ungleich sichereren Einblick in die Leistungsfähigkeit der Bussolen erlangt man durch deren Prüfung zur Stelle . Wie verhält es sich z. B. beim Rückwärtseinschnitt ? Wie oft entsteht ein fehlerzeigendes Dreieck , und wie oft nicht ? Über die Antwort kann ein Zweifel nicht bestehen ; zu den Ausnahmen , dafs die Orientierung nach
es gehört
der Nadel sich als
genügend richtig erwies . Es kann ja auch gar nicht anders sein .
Abgesehen von allen
unberechenbaren Einflüssen und Schwankungen , denen die Magnetnadel ausgesetzt ist ,
und
die bekanntlich ganz bedeutend sind , so
hat die Nadel nur eine Länge von
etwa 6 Centimetern vom Pivot
bis zum Strich , was bei zwei Minuten Orientierungsfehler eine Abweichung der Nadelspitze von 0,35 Millimeter ergiebt ;
eine Gröfse ,
die bei der ganz unvermeidlichen Parallelaxe und der sonstigen grobmechanischen Natur des Einspielens jeder Beobachtung entzieht.
einer beweglichen Marke sich
Treten meteorologische oder tellurische Einflüsse , welche die magnetische Thätigkeit der Nadel beeinflussen, hinzu ; herrscht windiges Wetter ;
ist durch längere Arbeit der Stahlstift schon etwas abgenutzt , so wird der Fehler gröfser, und leicht kann er sich ver-
doppeln und verdreifachen , von 5-10 Minuten macht. Der Punkt, von
so
dafs die Bussole Orientierungsfehler
dem der Überschlag
sich herleitet ,
mag als
richtig gelten ; der Überschlagsstationspunkt selbst unterliegt schon dem Fehler der Bussolenorientierung. Die Koten, welche vom Überschlagspunkt gewonnen werden , teilen nicht nur den Fehler der Station, sondern er erscheint in immer wachsender Gröfse, je weiter diese Koten liegen , und ein neuer Überschlag auf solcher Grundlage, oder gar eine Reihe von Überschlägen ist ein Glücksspiel.
200
Topographische Erörterungen. Hätte man kein anderes Mittel , mit gröfserer Sicherheit in die
Schneusen der Wälder und in anderweit bedecktes Terrain , das der Fixpunkte ermangelt, einzudringen, so wäre die Anklage müſsig ; das ist aber nicht der Fall , denn man kann den Tisch jedesmal auf der mit Vorsicht genommenen Kote
aufstellen ,
das Lineal an die eben
gezogene Visierlinie anlegen und die Tischplatte rückwärts auf den eben verlassenen Stationspunkt eindrehen, welcher durch irgend eine Marke, im Notfall durch die Latte kenntlich gemacht ist. Die Visierlinie von der Kote bis zum Stationspunkt ist zwar sehr kurz, und beim Anlegen des Lineals an dieselbe würden Orientierungsfehler entstehen, wenn man nicht jedesmal die Vorsicht beobachtet hat, die Visierlinie, welche zur Weiterarbeit dient, weit über die zu nehmende Kote hinaus zu ziehen . In dieser Weise bewahrt man die ursprüngliche Orientierung mit genügender Sicherheit auch in den ausgedehntesten Forsten . Zwei Nachteile bringt dieses Verfahren mit sich, die sich beide lediglich auf die Schnelligkeit der Arbeit beziehen :
der Tisch mufs
doppelt so oft aufgestellt werden als beim Überschlagen, und an jeder Station mufs ein Gegenstand zur Stelle sein , der dieselbe kenntlich macht.
Dagegen bringt das Verfahren des Überschlagens gleichfalls einen zweifachen Aufenthalt mit sich : das Einspielen der Magnetnadel kostet mehr Zeit als das Eindrehen nach einem bestimmten Alignement ; und der Träger mufs die Latte von einem bestimmten Kotenpunkt holen und an einem bestimmten Kotenpunkt wieder stehen lassen. Anfang und Schlufs seines Rundganges sind ihm also aufgezwungen, liegen nach entgegengesetzten
Richtungen und bedingen jedesmal einen höchst unbequemen und ansehnlich erweiterten Rundgang.
Die Zeit , die damit verloren geht , steht in keinem Verhältnis zu dem Aufenthalt, den die doppelte Aufstellung des Tisches verursacht, und die Zuverlässigkeit der Arbeit bleibt uns aufserdem als Saldo übrig. Wie verweisen daher den beliebten Überschlag nach der Latte in die Reihe der Existenzen , welche ihre Geltung nur ihrem bestechenden Äufseren verdanken , und ersetzen ihn, wie erwähnt , durch das Vorgehen nach dem Alignement , Visierlinie jedesmal gezogen wird.
wobei die vorwärts gezogene
beträchtlich über den Kotenpunkt hinaus aus-
Dafs man gelegentlich an eine zuverlässige Kote nach Art des Überschlags anknüpft , wenn der wandernde Tisch sich beim Beginn der Tagesarbeit etwa dieser nähert , kann immerhin vorkommen.
201
Topographische Erörterungen.
Dann erspart man allerdings nicht nur das Aufstellen, sondern auch das Hin- und Hertragen des Tisches. dürfte
aber nicht
Diese immerhin
Die
so gewonnene
mehr die Grundlage für eine fernere
zweifelhafte
geübt und gelehrt zu werden .
Manipulation
Station
hergeben .
braucht nicht
gepflegt,
Der Topograph verfällt früh genug
darauf als auf ein bequemes Hausmittel , das aber keinen Anspruch darauf hat, für eine Methode des Stationierens zu gelten. VII.
Über die Operation des Vorwärtseinschneidens dem Mefstisch .
mit
Die Lage eines Naturpunktes auf dem Mefstischblatt kann von guten Stationen aus
durch den Schnitt vorwärts gezogener Visier-
linien bestimmt werden .
Bei der
sogenannten geometrischen Netz-
legung ist dieses Verfahren üblich, und wird auch bei der Aufnahme selbst vielfach angewandt ,
um die Lage solcher Objekte zu bestim-
men, in deren Nähe die Arbeit erst später führt, um also gewissermaſsen vorzuarbeiten und Richtpunkte zu gewinnen . die sogenannte flüchtige Aufnahme , das Fadenkreuz entbehrt ,
Aufserdem ist
die der Distanzmessung
durch
auf dieses Verfahren zur Festlegung der
Objekte angewiesen. Daraus folgt, dafs die Schnitte meist in weiten Entfernungen von den Stationen liegen und die Visierlinien verhältnismäfsig lang werden. Es wird deshalb auch allgemein gefordert , von denen aus
man Objekte
in dieser Weise
dafs die Stationen, anschneidet ,
relativ
sichere sein müssen , und die Instruktion für die Topographen der königlichen Landesaufnahme giebt die Regel, dafs ein in dieser Weise festzulegendes Objekt nicht weiter von der Station abliegen darf, als die letztere von den trigonometrischen Punkten ,
nach welchen
sie
bestimmt waren (Teil II . § . 16) . Man darf dem hier zu Grunde liegenden Gedanken wohl auch die Fassung geben , dafs das festzulegende Objekt nicht weiter von der Station abliegen darf als die Linie ist, welche die Orientierung für die jedesmalige Station hergab. Diese Rücksicht erscheint wichtiger als der anderweit vielfach aufgestellte Grundsatz , dafs der Winkel, unter dem sich zwei Visierlinien schneiden ,
nicht unter 30 Grad betragen solle .
wird ausgesprochener mafsen
Im übrigen
allgemein angenommen , dafs
analog
dem Rückwärtseinschnitt der Schnittpunkt als richtig konstatiert sei , wenn drei Visierlinien sich in einem Punkt schneiden . Die Analogie
mit dem Rückwärtseinschnitt ist es nun gerade,
welche einer Erörterung bedarf, um eine feste Vorstellung über die Sicherheit der vorwärts eingeschnittenen Punkte zu gewinnen.
202
Topographische Erörterungen . Die Orientierung auf den drei Grundstationen
ist immer
nur
eine relativ richtige, sie weicht mehr oder weniger von der normalen ab. - Die drei vorwärts gezogenen Visierlinien schneiden sich entweder in einem Punkt , oder sie bilden auch das fehlerzeigende nennen kann . Es ist
schon vorgekommen ,
ein Dreieck, welches man
dafs Aufnehmer ,
durch die an-
scheinende Ähnlichkeit mit der Operation des Rückwärtseinschneidens verführt, aus diesem fehlerzeigenden Dreieck und den Stationen die Lage des richtigen Punktes
haben herleiten wollen.
Dafs dies ein
Mifsgriff ist, bedarf keiner Erörterung, denn das fehlerzeigende Dreieck, welches beim
Rückwärtseinschnitt
entsteht ,
ist die Folge
einer
falschen Orientierung , während das Dreieck der vorwärts gezogenen Visierlinien aus drei falschen Orientierungen resultiert , wobei jede der drei Linien ebensowohl rechts als links von der normalen Richtung abgewichen sein kann . Noch näher liegt aber ein anderer Irrtum : Wenn die drei Linien ein ganz kleines Dreieck bilden, welches durch einen Zirkelstich ausgefüllt wird, und oft sogar übersehen wird, so glaubt man sicher zu gehen, wenn man diesen Zirkelstich als den richtigen Bildpunkt annimmt.
Dies ist in den meisten Fällen falsch, ja sogar der korrekte
Schnitt der drei Linien giebt keine Gewähr für die Richtigkeit des gewonnenen Punktes . Davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man die Operation auf einem Bogen Papier und einer kleinen Karte als Mefstisch vornimmt. Jede der drei gezogenen Visierlinien kann den richtigen Punkt entweder rechts oder links verfehlen. Daraus kombinieren sich acht Möglichkeiten, nämlich : 1. 2.
1. 1. 1. r. r. r.
Alle drei Linien verfehlen den richtigen Punkt links . Alle weichen rechts ab.
3. 1. 1. r. 4. 5.
1. r. 1. r. 1. 1.
6.
r.r. l.
7. r.1. r. 8. l. r. r.
Zwei weichen links, eine rechts ab.
Zwei weichen rechts , eine links ab.
Bei der nachfolgenden Figur z. B. , in welcher der vorwärts einzuschneidende Punkt innerhalb des durch die drei Stationen A B C gebildeten Dreiecks liegt , entstehen acht Dreiecke
der
linien, entsprechend den acht oben erwähnten Fällen.
drei Visier-
203
Topographische Erörterungen .
C
B Nur wenn die drei Visierlinien alle links oder alle rechts abweichen ,
liegt der einzuschneidende Punkt in dem entstehenden Dreieck , in den anderen sechs Fällen - welche die in der Figur schraffierten Dreiecke bilden liegt der Punkt aufserhalb des entstehenden Dreiecks. Bei Betrachtung der Figur überzeugt man sich sofort, dafs man dem Mefstisch auf der dritten Station jedesmal eine solche Orientierung geben kann , dafs der falsche Schnitt der Linien von A und B wo er auch liegen mag - durch die dritte Visierlinie getroffen wird, dafs also der präzise Schnitt der drei Linien
durchaus kein
Beweis für die Richtigkeit der Arbeit ist , und dafs Visierlinien ganz kleine Dreiecke ergeben können . Der einzuschneidende Punkt kann
aber
durch die Stationen gebildeten Dreiecks liegen ,
auch
sehr falsche
aufserhalb
des
und man kann im
Anschluss an die Figur leicht den Änderungen nachgehen, welche die veränderte Lage des festzulegenden Objekts mit sich bringt. Je näher dasselbe einer Seite des durch die Stationen gebildeten Dreiecks oder Verlängerung einer dieser Seiten liegt , um so spitzer wird der Winkel, unter dem sich die zwei Visierlinien treffen , und wenn die Parallelität überschritten ist, dann ist auch eine Änderung in bezug auf die Lage des gesuchten Bildpunktes zum entstehenden Dreieck eingetreten ; er liegt dann nicht mehr in den Fällen 1 und 2 , sondern in zwei
anderen
Fällen
innerhalb
des
fehlerzeigenden
Dreiecks : immer aber bleiben es nur zwei von den acht Möglich14 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band LX.
Topographische Erörterungen .
204
keiten, bei denen der gesuchte Punkt in dasselbe fällt , so dafs ― gleichviel welche Lage das einzuschneidende Objekt hat ― die dreimal gröfsere Wahrscheinlichkeit besteht, dafs der Bildpunkt aufserhalb des entstehenden Dreieckes liegt. Ein Mittel, die gemachten Fehler zu verbessern oder auch nur zu erkennen, giebt es nicht ,
so
dafs die
einzige Sicherheit in der
Präzision der Orientierungen auf den Stationen liegt. Da selbst die trigonometrischen Fixpunkte , namentlich die der niederen Ordnungen , einer natürlichen Fehlerlizenz unterliegen , und da erfahrungsmäfsig die Orientierungen auch bei ausreichender Grundlage gewissen Fehlern ausgesetzt sind ,
so werden die vorstehenden
Erwägungen geeignet sein, den Wert der in Rede stehenden, an sich unentbehrlichen Operation, gegenüber dem Rückwärtseinschnitt richtig zu schätzen . *) Unter den Nutzanwendungen ,
die
man aus dieser Erkenntnis
ziehen wird, verdient eine besonders betont zu werden : Da die dritte. Visierlinie durchaus nicht mehr Sicherheit schafft als die beiden ersten ,
so kann sie nur dazu dienen, Zweifel zu
Zweifel zu beseitigen .
erwecken ,
nicht
Die dritte Linie konstatiert weder die Rich-
tigkeit der Arbeit, wenn sie den Schnittpunkt trifft , noch beweist sie Sie ist also undie Unrichtigkeit desselben, wenn sie nicht trifft. nütz , und die verlorene Zeit wäre besser dazu angewandt ,
auf den
beiden ersten Stationen mit um so gröfserer Sorgfalt zu verfahren . **) Im Gegensatz zu der bisherigen Besprechung kann man sich des vorwärts eingeschnittenen Punktes annehmen ,
wenn sein Wert mit
davon abhängig gemacht wird, dafs die Visierlinien sich unter einem Winkel von mindestens 30 Grad treffen. Es ist wahr , je spitzer der Winkel ist ,
unter
dem sich zwei
*) Es ist dem Vorwärtseinschnitt vielfach ein zu hoher Wert beigemessen, ja er ist sogar ausdrücklich über den R. E. S. gestellt. **) Zu demselben Resultat gelangt A. v. Sydow durch eine andere Überlegung ; er sagt : „Zwar kann man stets eine dritte Visierlinie ziehen, und jene Punkte erst dann als vollständig richtig bestimmt annehmen , wenn die nach einerlei Richtung gezogenen Visierlinien sich in einem Punkt schneiden ; allein dies würde das Geschäft der Triangulation nicht allein sehr erschweren und viel weitläufiger machen, sondern häufig auch den Fehler erzeugen, dem man dadurch vorbeugen will ; denn werden drei Bleistiftlinien durch einen Punkt gezogen, so schleifen sie in der Regel aneinander, und ihr Durchschnittspunkt kann nicht so scharf erkannt werden , als der von zwei sich schneidenden Linien. Daher wende man dies Verfahren nicht ohne besondere Beweggründe an. Zwei sichere und scharf gezogene Visierlinien nach einem Richtobjekte sind zur Bestimmung seiner Lage jedenfalls besser als drei Visierlinien.
205
Topographische Erörterungen. Linien schneiden ,
desto weniger
günstig ist der Schnitt.
Dies gilt
für alle drei Operationen , für den Rückwärtseinschnitt, den Seitwärtsabschnitt und das Vorwärtseinschneiden ; und zwar sprechen zwei von einander unabhängige Einflüsse hier mit ,
nämlich die mechanischen
Mängel , hervorgerufen durch die Unsicherheit und Dicke
einer am
Lineal gezogenen Bleilinie , und sodann der geometrische Nachteil, dafs eine falsche Orientierung um so gröfsere Abweichungen des Schnittpunktes erzeugt, je schräger die schneidende Linie fällt . Was das erstere Be-
.69.
denken betrifft, so kann man sich leichtd avon überzeugen , dafs zwei mit
6
scharfem Blei auf ebener Platte unter 15-20 Grad
C
Neigung gezogene Linien keinen Zweifel über die
61
69.
Lage des Schnittpunktes . lassen . Selbst wenn die Linien auf eine kurze Strecke in einander über-
!2°0
gehen, wie es bei 10-15 Grad Neigung der Fall ist , lässt sich die Mitte. dieser Strecke mit Sicher-
1. Min
1M i .) n
heit taxieren , und eine Wiederholung des Verfahrens ergiebt immer wieder denselben Punkt . Zudem wird man ja beim Ziehen der Visierlinien SO gröfserer mit um Präzision verfahren , je ungünstiger der Schnitt liegt. Das zweite Bedenken , welches wohl hauptsächlich Anlafs zu jener vor-
sichtigen Regel gegeben hat , nimmt eine trigonometrisch zu lösende. Form an : Auf solchen Stationen, die man zum Vorwärtseinschneiden benutzt, darf man die Orientierung genau annehmen.
mindestens auf 1/2 bis 1 Minute
14 *
206
Topographische Erörterungen.
Wäre A der richtige Bildpunkt des einzuschneidenden Punktes , E und F die beiden - 3 Kilometer entfernten - Stationen , welche bei A einen Schnitt unter 20 Grad ergeben, und würden die Orientierungen bei E und F jede um eine Minute fehlerhaft nach entgegengesetzten Richtungen sein, so würde D der aus diesen Fehlern resultierende falsche Bildpunkt werden , und A D das Mafs des Fehlers . Im Dreieck ABE ist : sin l' AB = AE sin 190 59'
3000 m sin 1'
AB sin 190 59'
3,4771213 = 4 log sin 1 ' 0,4637261 1 0,9408474 log sin 19⁰ 59' = 0,5337044 ---- 1 0,4071430 log 3000
Num = 2,5535 Meter = A B. Etwa 212 Meter also wäre die Abweichung vom richtigen Punkt , wenn die Orientierung nur auf einer und auf der anderen richtig ist. fehlerhaft Minute Station um eine Ist die Orientierung aber auf beiden Stationen um eine Minute
welche
sich herausstellt ,
und zwar nach entgegengesetzten Richtungen fehlerhaft, so würde wie die nachfolgende Rechnung
die Abweichung 5 Meter betragen , ergeben wird. Im Dreieck ABD ist :
sin 160° 1'
AD = AB
sin 9° 59' 2,5535 . sin 1600 1'
AD = sin 9° 59 ' 0,4071430 log 2535 log sin 160° 1' = 0,5337044 0,9408474 log sin 9° 59' = 0,2396702 Num -
1 1
1
0,7011772 5,0255 Meter = AD.
Bei der ansehnlichen Entfernung von 3 Kilometern und sehr geringen Präzision der Orientierung beträgt gröfseste Fehler 5 Meter;
also
einer
der denkbar
d . h. im Mafsstab 1/25000 den fünften Teil
eines Millimeters , also einen mässigen Zirkelstich . Man ersieht aus dieser Berechnung , dafs der eine Fehlerquelle von nur mäfsiger Bedeutung ist.
schräge Schnitt
Die Reorganisation der englischen Armee.
207
Das Resultat unserer Überlegungen gipfelt demnach in folgenden Sätzen :
1. Die Visierlinien sollen nicht länger sein als diejenige Linie, welche die Orientierung der jedesmaligen Station hergab. 2. Da eine Korrektur des gefundenen Punktes unmöglich ist, hat der Rückwärtseinschnitt einen ungleich höheren Wert. 3. Eine dritte Schnittlinie hat keinen Zweck. 4. Die Gewähr für die Richtigkeit ist nur in der Präzision der zu Grunde liegenden beiden Stationen zu finden. 5. Von guten Stationen aus braucht man Schnitte unter spitzen Winkeln nicht zu scheuen. Der letzte Satz gilt auch für die Operationen einschneidens und Seitwärtsabschneidens .
des Rückwärts-
XVI .
Die Reorganisation der englischen Armee.
Mit dem 1. Juli d . J. sind die vielbesprochenen Veränderungen in der Organisation der englischen Armee in Kraft getreten. Dieselben folgen hier in der Reihenfolge, wie sie in dem Memorandum des Kriegsministers verzeichnet sind.
Auxiliartruppen : §. 1. Es werden Königin ernannt.
vier Flügeladjutanten
für Ihre Majestät die
§. 2. Es wird für Offiziere der Auxiliartruppen eine bestimmte Anzahl Stellen des Bathordens freigehalten . §§. 3 und 4 behandeln die Verabschiedungen mit einem höheren Range als dem zuletzt innegehabten. §. 5. In der Miliz wird der Abschied obligatorisch sein für einen nach dem 1. Juli cr. ernannten : Oberst oder Oberstlieutenant mit dem 55. Lebensjahre 50. Major mit dem " 50. mann mit dem Haupt 99 § . 6.
Es werden zuweilen Offiziere der Linie zu einer Dienst-
leistung bei der Miliz kommandiert, und zwar speziell solche, welche zu Adjutanten geeignet sind.
208
Die Reorganisation der englischen Armee.
Prüfungskomité. §. 7. Ein unabhängiges Komité wird die ihm vom Kriegsministerium vorgelegten Fragen untersuchen ; dasselbe wird bestehen aus : einem
General
Marine- ,
als
Präses ,
einem Vicepräses
zwei Artilleriemitgliedern ,
(der Marine) ,
zwei
einem Mitglied der königlichen
Artillerie zur Vertretung des Departements für
Indien,
einem Mit-
gliede des Ingenieurcorps, zwei Civilmitgliedern. Dienstzeit der Mannschaften . §. 8.
Aufser als Stallburschen wird kein Rekrut unter 19 Jahren
angestellt . §. 9. Kein Soldat wird nach Indien geschickt, bevor er nicht sein zwanzigstes Lebensjahr erreicht oder mindestens ein Jahr Dienst gethan hat. § . 10.
Ohne
Ausnahme
werden die Mannschaften jetzt auf
7 Jahre bei der Fahne und 5 Jahre in der Reserve eingestellt (die Dienstzeit in Indien wird 8 Jahre betragen) . §§. 11-14 behandeln die Kapitulation von Unteroffizieren, welche nach einer bestimmten Anzahl Dienstjahre, das Recht haben mit Erlaubnis
ihres
direkten Vorgesetzten auf weitere 5 oder 9 Jahre zu
kapitulieren.
Reserve. §. 15.
Während der Dienstzeit in der Heimat wird ein Teil
der Mannschaften nach vollendetem dritten Dienstjahre die Erlaubnis erhalten und dazu angehalten werden, zur Reserve überzutreten, um dort 9 Jahre zu bleiben. Mannschaften dieser Armeereserve können noch auf §. 16. weitere 4 Jahre in der Reserve kapitulieren . Sie bilden eine „ zweite Reserve ", die allein bei Landesgefahr unter die Waffen gerufen wer-
den kann .
Ihre Zahl wird auf 10 000 Mann beschränkt .
§§. 17 und 18 behandeln das Ausscheiden der Mannschaften aus der Reserve . Der Austritt mufs beim 50. Lebensjahre erfolgen.
Territorialregimenter. § . 19. Regimenter zu 2 Bataillonen und ""linked " (verbundene) Regimenter mit dem dazu gehörigen Milizregiment werden zu 77 Terri torialregimentern formiert, das 60. Schützenregiment und die Schützen(rifle) Brigade bleiben in ihrer bisherigen Zusammensetzung . *) *) Das 60. erhält die Nr. 52 und besteht somit aus 4 Linienbataillonen, die Riflebrigade führt die Nr. 66 und besteht ebenfalls aus 4 Linienbataillonen.
209
Die Reorganisation der englischen Armee. Die gesamte Infanterie
der Linie und der Miliz wird somit in
Territorialregimenter von 4 Bataillonen in England, Schottland und Wales und zu 5 Bataillonen in Irland formiert ; die beiden ersten Bataillone eines jeden Regimentes für Linien-, bataillone.
die
anderen
Miliz-
Diese Regimenter erhalten eine Territorialbezeichnung ent-
sprechend dem Landkreise, in welchem sie garnisonieren .
Die Ab-
zeichen oder Devisen , die ein Bataillon der Linie bisher geführt hat, werden auch von dem mit ihm ein Regiment bildenden anderen Bataillon der Linie getragen . zeichen und Devisen führen,
Regimenter, die keine besonderen Abwerden von nun an folgende tragen :
englische Regimenter : eine Rose, schottische eine Distel, irische ein Kleeblatt, Wales'sche einen Drachen. Mit Ausnahme des „M. ", welches die Milizbataillone auf den Achselstücken tragen, wird die Uniform der verschiedenen Bataillone im Regiment im allgemeinen gleich sein. *) Kopfstärke der Truppenteile.
§. 22.
Infanterie : a. in der Heimat
♦
*
4 Bataillone zu je 950 Mann u. 50 Mann im Depot 8 " "9 "" 950 "9 "" 150 " " "" 4 99 150 " "" " 850 "" "" "" "" 4 650 80 " " "9 " "" " 99 "9 8 80 " " " "9 " 500 "9 "9 " 43 50 "" " "" 480 "" "" "" "" "9 b. in Indien 24 Bataillone in den Kolonieen zu 800 Mann 50
Im ganzen
§. 23.
in Indien zu 820 Mann . "9 141 Bataillone .
Kavallerie :
zu je 542 Mann, 400 Pferde 6 Regimenter 300 13 99 "9 "" "" "9 410 in Indien 436 408 9 "9 "9 " " ,, § . 24. Für die Regimenter in Indien wird je ein Depot zu 80 Mann allmählich errichtet werden.
§. 25.
Reitende Artillerie :
8 Batterieen in der Heimat zu je 151 Mann und 104 Pferden 72 109 6 "9 "" "9 " "" " 29 "" 162 in Indien 146 14 "" "9 " "" "" *) Ohne Offiziere und Unteroffiziere und mit Ausnahme der Garde.
210
Die Reorganisation der englischen Armee.
§. 26.
Feldartillerie :
13 Batterieen in der Heimat zu je 145 Mann, 86 Pferde 13 74 "" " 99 " " 29 145 "" " 13 46 "" " " " 99 100 " "9 99 41 für Indien 146 110 "9 "9 " " " §. 27.
12 Bataillone Infanterie in der Heimat, 6 Bataillone in
den Besitzungen im Mittelländischen Meere , 3 Bataillone der Garde, 6 Regimenter Kavallerie und 17 Batterieen reitende und Feldartillerie werden stets bereit gehalten werden zur Bildung eines Armeecorps für Verwendung aufserhalb der Heimat. §. 28.
Der Turnus für Stationierung aufserhalb der Heimat be-
trägt 16 Jahre ; Offiziere und Mannschaften werden jedoch ratenweise abgelöst, so dafs im allgemeinen keiner länger als 8 Jahre in Indien dienen wird. §. 29. Jedes Jahr wird ein Regiment von der Liste derjenigen, die Bataillone für Indien stellen müssen , gestrichen und kommt auf die Liste der für die Kolonieen bestimmten Regimenter. §§. 30-33 behandeln Verbesserungen des Soldes der Unteroffiziere, ihre Pensionierung und die Bestimmung, dafs Unterofffziere der aktiven Armee mit 45 Jahren, diejenigen der Depots mit 50 Jahren, diejenigen der Reserve mit 55 Jahren entlassen werden müssen . § . 35. Eine Gratifikation für Kapitulation wird von nun an den nach dem 1. Juli ernannten Unteroffizieren u. s . w. nicht mehr gezahlt. §§. 34, 36-42 behandeln das Nähere über die Gehaltsverbesserungen der Unteroffiziere. § . 43.
Zusammensetzung der Regimenter :
Garde- und Garde- und Linieninfant.: LinienKavallerie : Fufsregiment jedes Regim. West-India mit Depot jedes Regim. zu 2 Bataill. Regimenter Regimentskommandeur Oberstlieutenants
1
1
1
1
2
4
1
Majors
3
8
8
5
Kapitäns Lieutenants
5
12
14
12
36
30
8 30
22
59
57
45
Im ganzen §. 44.
.
Offiziere können nur noch entweder aktiv sein oder auf
Halbsold stehen, jedoch mit der Verpflichtung, zum Dienst zu stellen . §. 45.
1
Die Charge
wenn befohlen, sich
eines Sekondelieutenants wird aufgehoben,
211
Die Reorganisation der englischen Armee
jedoch erhalten die Lieutenants während der drei ersten Dienstjahre nur das bisher den Sekondelieutenants zustehende Gehalt. §§. 46 und 47.
Offiziere müssen ihren Abschied nehmen bei Er-
reichung folgender Lebensalter : Lieutenants und Hauptleute 40 Jahre , Majors 48 Jahre, Oberstlieutenants 55 Jahre, Obersten 55 Jahre, Generalmajors 62 Jahre,
Generallieutenants 67 Jahre,
Generals 67
Jahre mit einer jährlichen Pension , welche bei einer Minimaldienstzeit von 20 Jahren 4000 Mark für Lieutenants resp . Hauptleute und 20 000 Mark für einen General beträgt. §§. 48-52 enthalten hierüber nähere Angaben . §. 53. den
Um ein Abschiednehmen der Offiziere zu verhüten, wer-
dieselben je
nach der Länge der Dienstzeit und ihrem Range
eine Gratifikation resp . eine jährliche Zulage erhalten und zwar : von Lieutenants
bis
24 000 Mark,
Majors
einschliesslich
nach
12jähriger Dienstzeit
15jähriger 32 000 Mark, 18jähriger Dienstzeit 40 000
Mark als einmalige Belohnung. Nach 20jähriger Dienstzeit erhalten Diese Zulagen sie eine lebenslängliche Zulage von 4000 Mark . steigen mit dem Range und erhält ein General jährlich 20 000 Mark Zulage nach 67jähriger Dienstzeit. Ein Feldmarschall erhält ohne Weiteres jährlich 26 000 Mark.
§§. 55-58 enthalten hierüber Näheres . §. 59. Die Generalität wird bestehen aus 140 Generalen aufser den Feldmarschällen und zwar bei FeldGenerals General- Generalmajors lieuten. marschälle und
72
der Kavallerie , der Garde der Infanterie .
6
22
den Ingenieuren
65
8
19
1
5
11
10
35
95
der Artilllerie
140 §§. 60-82 regeln die Gehälter der Offiziere und die Vergütigungen für Offiziere , welche jetzt bereits dienen und z. B. schon das gesetzlich normierte Maximallebensalter erreicht haben .
Ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse eines §. 83. Gefallenen oder binnen 6 Monaten nach seiner Verwundung gestorbenen Offiziers wird seiner Wittwe oder seinen Hinterlassenen eine Pension gezahlt , welche z. B. für die Wittwe eines Oberstlieutenants 1800 Mark beträgt .
d. G.
212
Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.
XVII .
Russisches
Preisausschreiben für
Trainfahrzeuge.
Die russische Haupt-Intendanturverwaltung hat kürzlich mit . Kaiserlicher Genehmigung ein Preisausschreiben für " möglichst vollkommene
zwei- und vierrädrige Trainfahrzeuge" ver-
öffentlicht, welches im wesentlichen folgenden Inhalt hat : 1.
Allgemeine Bedingungen .
Zur Preisbewerbung werden ebenso wohl ausländische wie russische Konstrukteure zugelassen. An Preisen sind ausgesetzt : und
4 Pferde :
15 000 Rubel, *)
Bester vierrädriger Wagen für 2
bester
zweirädriger Karren : 4000
Rubel ;
zweitbester vierrädriger Wagen für
Rubel ,
zweitbester
zweirädriger
Karren :
2 und 4 Pferde : 2000
Rubel ;
7000
drittbester
vierrädriger Wagen für 2 und 4 Pferde und drittbester zweirädriger Karren : Anerkennungsdiplom des Kriegsministeriums. Die Empfänger der ersten Preise , sofern sie zugleich Besitzer mechanischer Werkstätten in Rufsland sind, erhalten überdies eine Bestellung auf 500 vierrädrige bezw. 200 zweirädrige Fahrzeuge, indes nur zu den ihren Mitbewerbern bei der abzuhaltenden Submission gewährten Bedingungen und Preisen ; auch haben sie keinen Anspruch darauf,
dafs ihnen
die volle Zahl der Wagen auf einmal
in Bestellung gegeben wird ; dies geschieht vielmehr nur nach Mafsgabe der dem Kriegsministerium für stehenden Geldmittel.
diesen Zweck zur Verfügung
Die ersten Preise werden nur dann zuerkannt , wenn sich die als die besten ermittelten Wagen auch zur Einführung als Militärfahrzeuge tauglich erweisen ; anderenfalls erhalten die besten Wagen den zweiten Preis und die zweitbesten Anerkennungsdiplome. Die Fahrzeuge ,
für welche
sind, gehen dadurch samt
die
ersten
Preise gezahlt worden
allen daran ausgeführten Verbesserungen
*) 1 Silberrubel = 3,224 Mark .
Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge. bedingungslos in
das Eigentum
213
des Kriegsministeriums
über.
Im
übrigen bleibt es dagegen den Bewerbern unbenommen, mit der genannten Behörde vereinbaren .
besondere Verträge
Die zur Preisbewerbung
inbetreff ihrer Erfindungen zu
bestimmten Wagen
sind der Haupt-
Intendanturverwaltung bis zum 1. September 1881 vorzustellen. Werden bis dahin nicht mindestens 3 zweispännige und 3 vierspännige vierrädrige ,
sowie 3 zweirädrige Fahrzeuge eingesandt ,
so gilt die
Konkurrenz als aufgehoben und gelangen alsdann überhaupt keinerlei Preise zur Verteilung. Die Prüfung der Wagen wird durch eine vom Kaiser bestätigte Kommission vorgenommen , welche sich , unter Vorsitz des Generalmajor Baron Seddeler , aus aktiven Offizieren aller Waffengattungen , Militärtechnikern und Civilingenieuren zusammensetzt. Eine aus dem Schofse dieser Prüfungskommission gewählte Konkurrenzabteilung, die aus einem Vorsitzenden und 3 Mitgliedern besteht , besorgt die Erledigung aller Fragen , welche seitens der Bewerber im Laufe der konstruktiven Arbeiten etwa an dieselbe zu richten sein würden. Sie tritt gleichzeitig mit der Veröffentlichung dieses Preisausschreibens in Wirksamkeit, während die Kommission ihre Thätigkeit erst mit dem Beginn der Prüfungen aufnimmt. Letztere werden nach einem seitens der Kommission aufgestellten Versuchsprogramm (siehe unter 3) durchgeführt ; daran teilnehmen. Unmittelbar
die Preisbewerber dürfen nicht
nachdem die auf Grund der Versuche gefassten
Kommissionsbeschlüsse die Bestätigung des Kriegsministeriums
er-
halten haben, werden die zuerkannten Preise ausgezahlt und die nicht. prämiierten Wagenmodelle den Bewerbern zurückgegeben.
2.
Technische Bedingungen.
Die Modelle sind in natürlicher Gröfse nach den von der HauptIntendanturverwaltung gegebenen Konstruktionsnormen und unangestrichen vorzustellen. Beladung.
Sie müssen ,
auszuführen
den Erfahrungen der letzten Kriege
entsprechend, eine möglichst vielseitige Verwendung , gewissermaſsen als Universalfuhrwerke ,
gestatten ,
und
daher sowohl die ver-
schiedenartigsten Gegenstände (u . a. Patronen) , als auch unter Umständen Kranke und Verwundete fortschaffen können . Im einzelnen haben die Fahrzeuge mindestens aufzunehmen :
Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge .
214
back
a) Der vierrädrige Wagen mit 4 Pferden : 20 Säcke Zwieoder 12 Offizierkoffer oder 12 Patronenkasten *) oder 2 Trag-
bahren (auf Federn) für Verwundete ; b) der vierrädrige Wagen mit 2 Pferden : 12 Säcke Zwieback oder 8 Offizierkoffer oder 8 Patronenkasten oder 2 Tragbahren ; c) der zweirädrige Karren mit 2 Pferden : 10 Säcke Zwieback oder 8 Offizierkoffer oder 6 Patronenkasten oder 2 Tragbahren ; d) der zweirädrige Karren
mit 1 Pferd :
6 Säcke Zwie-
back oder 6 Offizierkoffer oder 4 Patronenkasten oder 1 Tragbahre. Erwünscht ist es ferner, dafs sich die Fahrzeuge auch zum Fortschaffen von Leuten in
sitzender Stellung herrichten lassen ,
und
zwar würde der Wagen a. 8, b. und c. je 4 und d. 2 Mann aufzunehmen haben . Aufser diesen müssen bei a . 2 , bei b . , c . und d . je 1 Mann auf dem Bock Platz finden. Ferner ist Hafer für vier und Heu für zwei Tage mitzuführen , wobei pro Pferd und Tag 51 Hafer und 8 kg Heu gerechnet werden. Endlich besteht das mitzunehmende Wagenzubehör aus : 1 Vorratsrad ,
1
Hebelade ( zum Schmieren der Achsen) ,
1 Achs-
schmierbüchse, 1 Schraubenschlüssel, 2 Keilen , 1 Wassereimer, 1 Laterne , 8 Paar Hufeisen nebst Nägeln sachen.
und den erforderlichen Stall-
Diese Gegenstände sind möglichst einfach und zweckmäſsig am Wagen aufzuhängen ; die kleineren können in einem leichten Kasten verpackt werden . Die Tragbahren breit sein und
müssen mindestens 1,83 m lang und
53 cm
sich leicht und rasch von den Fahrzeugen entfernen
lassen, sobald darin andere Gegenstände verladen werden sollen .} Die Patronenkasten dürfen aufsen mit Ansätzen versehen sein , um sie an den Wagen befestigen zu können. Konstruktion. Die Fahrzeuge sind in
Holz
zu
kon-
struieren, dürfen aber mehr Beschläge als sonst üblich erhalten ; die Auswahl der von Holz und der von Eisen herzustellenden Teile haben die Konstrukteure selbständig zu treffen. Hinsichtlich der für
die Verladung auf Eisenbahnen zulässigen
wagerechten Abmessungen wird bemerkt , dafs die Bodenfläche eines normalen offenen Güterwagens 2,6 m breit und 6,25 m lang ist . Im übrigen sind folgende konstruktive Daten innezuhalten : *) Die Abmessungen dieser Gegenstände, einschliefslich der vorstehenden Teile , betragen rund: Zwiebacksack (gefüllt) = 140 28 28 cm , Offizierkoffer = 63 38 x 35 cm, Patronenkasten = 68 × 43 × 17 cm.
Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.
Vierrädrige Gegenstand
Wagen
Winkel der Stetigkeit Winkel der Unabhängigkeit der Bewegung Winkel der senkrechten (nach oben . nach unten Biegsamkeit Winkel der wagerechten Lenkbarkeit Breite des für die Kreiswendung erforderlichen Raumes . m Neigungswinkel der Zugtaue Geleisebreite cm Radhöhe . cm Stärke des Radreifens mm Verhältnis der Belastung der Vorder- zu der der Hinterachse . Druck der Deichselspitze auf den Widerrist jedes Pferdes .kg
Zweirädrige Karren zweieinspänniger spänniger
mindestens 240 240 240 mindestens 160 140 100 450 höchstens 7,5 10-120 1,47 124,5 1,47 124,5 124,5 124,5 12,7 12,7 12,7
5: 6 höchstens
Druck der Deichsel auf den Rücken des Pferdes kg Jeder Wagen ist mit
215
4,1
16,4
höchstens 16,4 | 16 ,4
einem Plan zu versehen ,
dem Wechsel von Wärme und Kälte sowie
16,4
welcher unter
bei längerer Aufbewah-
rung nicht leidet und der nicht mit Stoffen getränkt sein darf, durch die der Zwieback oder andere Lebensmittel einen Beigeschmack erhalten könnten. Der Plan mufs sich ,
falls die Fahrzeuge zum Fortschaffen von
Kranken oder Verwundeten benutzt werden, als Schutzdach für diese herrichten lassen. Gewicht.
Die Maximalgewichte der leeren Wagen dürfen be-
tragen : vierrädriger Wagen mit 4 Pferden 557 kg , vierrädriger = Wagen mit 2 Pferden 410 kg, zweirädriger Karren mit 2 Pferden = 270 kg, zweirädriger Karren mit 1 Pferd = 213 kg. Das Verhältnis der fortzuschaffenden Last zum Eigengewicht des Fahrzeuges stellt sich für gewöhnlich wie 2 : 1 ; doch mufs die Last unter Umständen noch um 25 Prozent vergröfsert werden
können ,
was bei der Konstruktion der Wagen zu berücksichtigen ist. * ) In den obigen Gewichtszahlen sind übrigens die mitzuführenden Vorratsstücke und das Wagenzubehör nicht einbegriffen . *) Danach beträgt also das Gesamtgewicht der mit der Maximallast beladenen Fahrzeuge der Reihe nach : 1950, 1435, 945 und 745 kg, sowie die auf 1 Pferd entfallende Zuglast bezw. 488, 718, 473 und 745 kg.
Russisches Preisausschreiben für Trainfahrzeuge.
216
Angespann.
Bei dem vierrädrigen Wagen
für 4 Pferde sind
diese in einer Reihe (breit) anzuspannen ; doch müssen sich die beiden äufseren auch rasch vor die Stangenpferde legen lassen. Bei den übrigen Fahrzeugen ist ebenfalls auf die Möglichkeit noch Pferde seitlich anspannen oder vorlegen zu
zu rücksichtigen , können . Alle
vorstehend
bleiben dem
nicht
erwähnten
konstruktiven
Einzelheiten
eigenen Ermessen der Konstrukteure überlassen .
Es
wird indes bemerkt, dafs bei Beurteilung der Fahrzeuge deren Preis vorzugsweise ins Gewicht fällt.
Es
empfiehlt sich daher , auf eine
möglichst einfache Konstruktion Bedacht zu nehmen, welche zugleich eine rasche und leichte Ausbesserung etwa beschädigter untergeordneter Teile gestattet.
3.
Versuchsprogamm.
Die vorgestellten Wagen werden auf Fahrbarkeit , und auf rasches Be- und Entladen geprüft. Die Probefahrten ,
Haltbarkeit
bei denen die Beladung der Fahrzeuge 1,25
der normalen Last beträgt , finden auf Strafsen von Petersburg und Umgegend , sowie auf verschiedenen Hindernisbahnen in mäſsigem Trabe statt und umfassen eine Strecke von mindestens 150 km. Die Hindernisbahnen sind teils geradlinig, teils in einer Doppelschleife von 6,4 m Radius geführt und enthalten sowohl flachgeböschte Gräben von 61 cm gröfster Tiefe, als auch Querdämme, welche gleichfalls bis zu 61 cm
hoch und
deren verschieden geböschte Flächen
mit halbrunden Holzschwellen belegt sind .
Über jede Probefahrt wird ein Tagebuch geführt, worin folgende Angaben genau zu vermerken sind : Art und Ursache etwaiger Beschädigungen und Brüche ; ob dieselben von Belang waren
oder unterwegs
leicht und schnell aus-
gebessert werden konnten und wieviel Zeit hierzu gebraucht wurde ; wie tief die Räder
in weichen Boden
einsanken ;
wie stark die an
den Rädern und anderen , für die Fahrbarkeit wesentlichen Teilen anhaftende Kothschicht war, in welcher Weise die Ladung gegen Verderben geschützt ist ; wie sich die Schmiere an den Achsen hält und wie die Hemmvorrichtungen wirken.
Unter den vorstehenden
„ technischen Bedingungen"
er-
scheinen einige besonders bemerkenswert : Der Wunsch, ein „ Universalfuhrwerk " zu erhalten, ist theoretisch offenbar sehr natürlich und berechtigt ; aber seine praktische
Tassaert.
217
Durchführung dürfte
auf grofse Schwierigkeiten stofsen ; namentlich
wird die Forderung ,
dafs unter Umständen auch Kranke oder Ver-
wundete mitgeführt werden sollen , für die zweirädrigen Karren eine unverhältnismäfsige und besonders im Hinblick auf die Gleichgewichtslage des Fahrzeuges ungünstige Länge des Wagenkastens bedingen . Ferner mufs das ausdrückliche Verlangen , die Wagen vorwiegend in Holz zu konstruieren, insofern auffallen , als gerade die russische Feldartillerie bekanntlich die erste war, welche (schon im Jahre 1865) ihre Feldlafetten ganz aus Eisen herstellte , welches Prinzip seither bei allen grofsen Artillerieen auch auf die Batteriefahrzeuge übertragen worden ist.
Es würde deshalb , da es sich in Rufsland gegenwärtig
darum zu handeln
scheint ,
ein völlig
neues
System von Train-
wagen zu schaffen , nur natürlich gewesen sein , den Konstrukteuren wenigstens die uneingeschränkte Wahl zwischen Holz oder Eisen zu überlassen.
Endlich verdienen die äusserst scharfen Bedingungen Beachtung , welche für
das Eigengewicht der Fahrzeuge
und dessen Verhältnis
zur fortzuschaffenden Last gestellt
sind . Wenn es wirklich gelingt, so leichte Wagen und Karren für so schwere Beladung herzustellen , und wenn dieselben gleichzeitig den unerlässlichen Anforderungen an die Haltbarkeit und Dauer kriegsbrauchbarer Fahrzeuge vollständig entsprechen, so wird das Resultat als ein bisher unerreichter Triumph der Wagenbautechnik zu bezeichnen sein, dem gegenüber die für die besten Modelle ausgesetzten hohen Preise keinenfalls zu reichlich bemessen erscheinen !
XVIII .
Tassaert.
Auch Denkmäler haben Anrecht auf Jubiläen, und zwar ein gerüttelt und geschüttelt Mafs , wenn die monumentale Plastik uns in meisterhafter Kunstform Männer darstellt , welche dem Gedächtnis eines Volks die ehrwürdigsten sind. Der Tassaert'sche Centenarius „ Seydlitz " erinnerte am 2. Mai 1881
einerseits
an die Trauer des grofsen Königs um Seinen un-
ersetzlichen Reiterkoryphäus, andererseits an die Freude des König-
Tassaert.
218
lichen Kunstförderers über das wohlgelungene Abbild des in Seiner dankbaren Erinnerung Fortlebenden . In unserm Maiheft wurde versucht, dem Seydlitztage Rechnung zu tragen .
Jetzt wollen wir auf den „ Mäcenas " Friedrich ein
Streiflicht gleiten lassen, und den in Seinen Dienst getretenen Sculpturkünstler Tassaert biographisch skizzieren. Des
dritten
Preufsenkönigs
Kunstsinn
und
Kunstverständnis
prägen sich sehr deutlich aus in der von Ihm verfassten, durch Seinen Privatsekretär de Prades am 24. Januar 1754 in öffentlicher Versammlung der Berliner Königlichen Akademie vorgelesenen Lobschrift auf Johann Georg Wenzeslaw Freiherr v. Knobelsdorf. *)
Dieser und
der Maler Pesne waren in Rheinsberg die Kronprinzlichen Kunstakademiker ,
mit denen
neigung festigte .
eng verkehrend,
Friedrich Sich Seine Kunst-
Nur eine (sehr kurze) Kunststudienreise unternahm
Er ; es geschah im Juni 1755 von Wesel aus nach Holland, begleitet blos von dem kunstbewanderten Oberst v. Balbi und einem Pagen . Der Hauptsache nach gewann Kunstkenntnisse autodidaktisch.
der Königliche Proteus auch Seine
Ihm blieben während Seines ganzen Königslebens Kunstliebe und Kunstpflege treue Gefährten. Er rühmte in Seinen Abendjahren Künste und Wissenschaften als "" Wohlthäter der Menschheit ; " Er äufserte brieflich 1778 : „ Die Musen gewähren mir Trost, des Lebens Last zu tragen ;
und ich versichere,
dafs
wenn ich Herr meines
Schicksals gewesen wäre, so hätte weder des Thrones noch des Heeresbefehls Stolz, oder der leichtsinnige Geschmack an Zerstreuungen den Vorzug erhalten vor jener Neigung. Bezeichnete König Friedrich der Grofse die Arbeit als „ sichersten Wächter der Tugend " ,**) so stellte er den Kunstfleifs auf lichte Höhe , sowohl ethischer wie ästhetischer Ursache halber. Beredsamkeit
Mit warmer
erläutert der Philosoph von Sans - Souci : „Die Künste
mildern die rohesten Sitten " . - „ In gleichem Grade, wie die unserm menschlichen Wesen anhaftende Schwäche uns herabzieht, heben uns die Leistungen grofser Männer den Mut und lassen uns die Menschenwürde empfinden “. — „ Alle erleuchteten Fürsten haben diejenigen beschützt, deren kluge Arbeiten den menschlichen Geist ehrten " . ***)
"9 Distinguer les hommes célèbres, rendre justice au mérite, c'est *) Hauptmann a. D., Künstler in mehreren Fächern, Intendant der Königlichen Bauten und Gärten, gestorben 54jährig zu Berlin den 15. September 1753. **) Nationalökonomisch philosophische Betrachtungen in einem Königlichen Briefe vom 13. Dezember 1781 , an Prinz Heinrich. ***) Oeuvres T. IX. 171-180.
Tassaert.
encourager les talents et les vertus "
219
so lautet aus der Feder des
Roi-Philosophe eine Deutung der Inschrift Seines Hausordenssterns . *) Als der grofse König, kunstfördernd , Bildsäulen
aufrichten liefs
für Schwerin, Winterfeldt, Seydlitz , Keith, schmückte Er mit diesen Monumenten nicht nur einen öffentlichen Platz Seiner Landeshaupt stadt,
sondern auch vorweg
sozusagen mit Titelbildern - in
grofsgearteter Weise Seine Eigenhändig für die Nachwelt aufgezeichneten Berichte über den 7jährigen Krieg. Die Stiftung des Seydlitzdenkmals kann somit betrachtet werden unter künstlerischem, sittlichem und heeresgeschichtlichem Gesichtspunkt. Eine Einzelnthat des grofsen Königs, in mannigfacher Weise denkwürdig . Bezeichnend für Friedrichs Freude am Anblick schöner Bildhauerwerke ist, dafs Er den Homerkopf aus der 1742 von Ihm erkauften Polignac'schen Sammlung in Seinem Arbeitszimmer zu Sans - Souci aufstellen liefs , und dem 1747 in Wien gekauften, ووmit Ungeduld - jetzt eine Hauptzierde des Berliner Königerwarteten" Adoranten lichen Museums den Standort gab gegenüber den Fenstern Seiner Bibliothek in Sans - Souci. **) Staatsökonomische Grenzen
wurden streng innegehalten, wenn
dem Könige der Preis eines Kunstwerks übertrieben dünkte . So z. B. schrieb Er , 1773 , Seinem zur Zeit kranken Vorleser de Catt wegen des Ihm für die in den Jahren 1756-1761 erbaute Potsdamer Bildergallerie angebotenen Correggio : „Es geht nicht an, 14 000 DukaDiese Forderung ist närrisch ; aber wenn man
ten zu bewilligen .
sich mit 12 000 Thalern begnügt, bald , jedoch Nichts darüber" .***)
werde
ich sie zahlen, und zwar
Der Schlufssatz dieses Briefes ent-
hält die erste Spur für den Übertritt Tassaert's in des Preuſsenkönigs Dienst. "9 Wenn d'Alembert sich ein wenig Mühe giebt , wird er Irgendjemand finden " . Sehr wahrscheinlich ist hier Tassaert gemeint. Nach Balthasar Adam's Tode ( 1761 ) vollendete Sigisbert Michel die am 28. April 1769 aut dem Berliner Wilhelmsplatz vom Könige
*) Königlicher Brief an d'Alembert , 28. Juli 1770. In Seinem „Essai sur les formes du gouvernement" ( 1777) erklärte dieser Monarch es für verderblich, ver„Bastarde des Mydas, deren grofse dienstlose Reiche ungebührlich auszuzeichnen während der geistesvolle Ausgaben und deren Gepränge das Volk blenden" Le prince doit être sans cesse attenrechtschaffene Staatsbürger mifsachtet wird. 66 tif à ne distinguer que le mérite personnel • **) Vergl. Baedecker, Norddeutschland ; Ausg. 1880 , S. 75 Zeile 3 und S. 26. ***) Der König besafs im Jahre 1771 bereits elf Correggios . Vgl. M. Österreich „Description des tableaux de la gal. royale . . . “ S. 174 . 15 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Tassaert.
220
besichtigte Statue des Feldmarschalls Graf Schwerin, und kehrte 1770 nach Paris zurück. Es scheint, derselbe sei als Hitzkopf dem König unbequem geworden ; der „ alte Fritz " wünschte Sich hinfüro nich mehr zu ärgern über einen unruhigen Künstler.
Der mit Fried-
richs Vertrauen und Freundschaft beehrte d'Alembert - ein tüchtiger Gelehrter,
ein
geistreicher Mann ,
ein
reiner Charakter -- soll in
Paris einen Ersatz wählen für Monsieur Michel. Im September 1774
schreibt
d'Alembert dem Könige :
„ Herr
v. Catt wird Euer Majestät berichten über das, was meinerseits geschehen wegen des Bildhauers, der in Höchstdero Dienst treten will. Euer Majestät mag ich nicht langweilen mit den Einzelnheiten". D. d. Paris, 31. Oktober 1774
meldet
d'Alembert,
Herr Tassaert
wolle alsbald nach Berlin reisen, „auf eigene Kosten und Gefahr, um die Ehre zu haben, sich selbst Sr. Majestät vorzustellen und sich zu vergewissern, ob sein Talent, seine Person und sein Charakter Euer Majestät genehm sind, und um von Euer Majestät Selbst die Bedingungen zu
erfahren ,
welche Höchstdenselben angemessen scheinen ,
ihn in Dienst zu nehmen. "
D'Alembert gab Tassaert ein Schreiben
an den König mit, in welchem er die Hoffnung aussprach, Tassaert's Wohlverhalten, Geschicklichkeit und Eifer werde des Königs Gewogenheit verdienen. Inzwischen erwiderte Borussorum Rex (15. November 1774) : erfreuen uns hier vollkommener Ruhe . . . Der Friede ist die Wir "" Mutter der Künste . Ihres Bildhauers . und
schön.
Er
Die Zeitumstände begünstigen also das Erscheinen von mir gesehenen Arbeiten sind zierlich
Seine
wird hier sogleich Beschäftigung finden .
Voraus-
gesetzt dafs sein Kopf ebenso klug, wie seine Hände geschickt, werden wir uns gut mit einander vertragen. " Tassaert kam also doppelt empfohlen nach Potsdam . Mitte Dezember 1774 teilte der König d'Alembert mit Eingang seines Schreibens
NB. gleich im
: „ Der Bildhauer ist da, mit dem Briefe
welchen Sie die Güte hatten , ihm zu übergeben . Wir werden unseren Vertrag machen ; und Arbeit soll ihm nicht fehlen . Ich bin Ihnen verpflichtet
wegen
der Wahl ,
die Sie
mit
ihm getroffen. "
D'Alembert entgegnete : „ Ich hoffe, Euer Majestät werden mit seiner Person ebenso zufrieden sein ,
wie dies
mir
der Fall
scheint mit
seiner Befähigung und seinen Arbeitsproben ; er ist ein guter Flamländer, redlich und bieder. " „ Entzückt über den Eintritt in des grofsen Friedrich's Dienst, kehrte Tassaert im Februar 1775 zurück nach Paris, um einige dringende Angelegenheiten in Frankreich zu erledigen und, wie er, ver-
Tassaert.
221
sprochen, spätestens im Juli in Berlin einzutreffen .
Für d'Alembert
brachte er Königliche Geschenke mit ; ein prächtiges Porzellanservice nebst einem schönen, en miniature auf Porzellan gemalten Friedrichsportrait - Ehrengaben , die in des selbstlosen Gelehrten ärmlicher Klause als prunkvoller Schmuck begrüfst wurden mit innigstem Danke . * ) Gern verweilen wir hier bei d'Alembert . Verdient derselbe doch ein gutes Sonderandenken dafür , dafs er den jungen Oberst Graf Guibert - einen der besten Friedrichsbiographen - beim Könige empfahl, und zweitens
weil er durch die Wahl Tassaerts indirekt
Begründer einer Berliner Bildhauerschule wurde , in welcher u . A. Schadow heranreifte. Am 23. Oktober 1775 schrieb der König an d'Alembert :
„ Kommen Sie selbst ,
wie Sie es
mich hoffen lassen,
um unsere „ Academie " zu beleben , deren Seele Sie sind , obwohl abwesend. " Wenden wir uns wieder zu Tassaert , um jetzt uns bekannt zu machen mit seinem Lebensgang , sowie mit seiner künstlerischen Tassaert, ausgesprochen Tessaert, war Sohn Thätigkeit in Berlin. des Vorstehers einer Malerakademie zu Antwerpen ; hier ist er getauft worden im Pfarrsprengel St. Georg am 27. August 1727 : Johann, Peter, Anton . " In seiner an Kunstwerken reichen Vaterstadt lernte er das Zeichnen und andere Anfangsgründe der Bildhauerei ; 15jährig begab er sich nach London mit einem sich zum Seine Beifall findenden Fortschritte Maler ausbildenden Bruder. ermutigten ihn , zu weiterer Vervollkommnung nach Paris zu übersiedeln. **) Aufsehen erregende Leistungen verschafften ihm viele AufEine Statue Ludwigs XV . arbeitete er für den Saal der
träge.
chirurgischen Schule. Die von Tassaert in Paris für Prinz Heinrich belobt vom wie oben erwähnt gefertigten Sachen wurden königlichen Bruder des kunstsinnigen hohen Besitzers .
*) Als der König d'Alembert ein Denkmal verhiefs, erwiderte dieser : „ Ich habe nicht die freche Eitelkeit, jemals ein solches Monument zu verdienen. Ich erbitte nur einen Stein auf mein Grab, mit den Worten : „Der grofse Friedrich beehrte ihn Imit Seinen Wohlthaten und Seiner Güte. " Andererseits widmete d'Alembert in aufrichtigster Verehrung seinem königlichen Freunde gewissermassen ein Epitaph, wenn er unter ein Friedrichsbild schrieb : „ Modeste sur un trône orné par la Victoire, Il sut apprécier et mériter la gloire ; Héros dans ses malheurs, prompt à les réparer, De Mars et d'Apollon déployant le génie, Il vit l'Europe réunie Pour le combattre et l'admirer." **) Angeblich „ 1744 " ; in Wirklichkeit aber wohl später.
15 *
Tassaert.
222
Das „ Engagement du Sieur Tassaert , Royale à Paris ,
sculpteur de l'académie
au service de Sa Majesté le Roi de Prusse " , aus-
gefertigt in Berlin den 1. Januar 1775 , gewährte Tassaert lebenslängliche Anstellung mit 6000 Livres Jahrgeld, ferner die Kosten des Umzugs aus Paris nach Berlin, Entschädigung für Atelierbedürfnisse, Besoldung von
mindestens
sechs Gehülfen und
einem Gypsmüller
nebst einem Atelierwärter , Bezahlung jeder Marmorfigur mit 4000 Livres, wenn dieselbe lebensgrofs , Kinderfiguren die Hälfte , und für andere Arbeiten so , wie der Kontrakt mit Sr. Majestät Bildhauer Adam es festgesetzt. In etwaigen Zwischenzeiten , ohne Beschäftigung für Se . Majestät , wird gestattet ,
um die Gehülfen in fort-
dauernder Thätigkeit zu belassen , irgendwelche Arbeiten auszuführen, nach des Herrn Tassaerts eigenen Ideen ; Anzeige gemacht werden ,
Sr. Majestät wird davon
und Höchstderselbe
kauft diese Sachen ,
wenn sie Ihm gefallen , oder überläfst deren anderweite Verwertung Herrn Tassaert. Da dieser in Paris nur zwei pafsliche Gehülfen gefunden , bewilligte der König ihm Reisegelder für die anderen , welche aus Italien kommen.
Se. Majestät besoldet diese ebenso wie
ehedem die Gehülfen des Kgl. Bildhauers Michel. Ein für Tassaert ehrenvoller und vorteilhafter Kontrakt. Zeitgenossen bezeichneten Tassaerts Gehalt als „ ansehnlich " .
Die Dem
Könige standen anfänglich nicht die geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung für Tassaerts Unterbringung ; aber Er liefs , auf d'Alemberts Fürsprache , der zahlreichen Tassaertschen Familie ein Wohnhaus bauen, Alexanderplatz Nr. 69 , nebst grofser Werkstatt , nach Tassaerts eigenen Angaben ; im April 1781 empfing dieser das Besitzdokument. In einem Königlichen Briefe vom 19. Juni 1775 an d'Alembert heifst es : "9 Tassaert ist angekommen . Ich werde das Mögliche thun, ihn zufrieden zu stellen, besonders in Berücksichtigung Ihrer Empfehlung. “ Der König fügte hinzu : „ A présent qu'une partie de mes tournées est achevée, je me rejette à tête baissée au milieu des lettres, seul vrai aliment de l'esprit *), et seuls amusements dignes des êtres qui forment quelques prétentions à la raison. " Bald nach seiner Ankunft wurde Tassaert zu einer Audienz nach Sans-Souci befohlen . Da seine interimistische Werkstatt in der jetzigen „ alten " Börse , am Lustgarten noch nicht eingerichtet war, mufste er zunächst dem Könige Skizzen einsenden . Im Februar 1776 erhielt Tassaert vom königlichen Baucomtoir Marmor zu mehreren Statuen . Er überschickte im September d. J. nach Potsdam
*) Die Inschrift der Berliner Kgl . Bibliothek : „Nutrimentum spiritus“ im Urtext.
Tassaert.
223
zwei in Paris begonnene Gruppen für den kleinen Saal von SansSouci . Während des Dezember 1777 liefs der König Tassaert zwei Statuen bezahlen , welche ebenso wie zwei andere , die Tassaert im Frühjahr 1779 ablieferte, im Cavalierhause bei Sans- Souci aufgestellt wurden.
D. d . Potsdam 5. Juli 1779
empfing Tassaert die
königliche
Anweisung, sich im Hause des verstorbenen Lord Marischal (unweit Sans-Souci) das Abbild des Generals v. Seydlitz anzusehen , " um desto besser die Ähnlichkeit zu treffen . " Der König bestimmte d . d . 4. Oktober 1780 zum Aufstellungsort des Seydlitzdenkmals den Berliner Wilhelmsplatz, und zwar "" in der Ecke vor dem Hause des Prinzen Ferdinand "
Johanniterordens-Herrenmeisterpalais , jetzt im
Besitz Sr. Kgl . Hoheit des Prinzen Carl.
Mitte Januar 1781 zeigte
Tassaert dem Könige an, dafs diese Statue beendet sei . Das Seydlitzstandbild wurde gerühmt von den Zeitgenossen als Daniel Berger , dessen naturgetreue Darstellung des Reiterheros. Kupferstich „ Seydlitz bei Rofsbach " eine seiner besten Arbeiten , nach einer Zeichnung von J. C. Frisch - das radierte in Kupfer Seydlitzmonument, ein 554 Centimeter hohes , 332 Centimeter breites Eine kleinere Reproduktion arbeitete Halle Bildblatt, fecit 1781.
junior. *) Das Tassaertsche Original steht bekanntlich in einer der sechs Nischen des zwei Stockwerk hohen Vorraums der evangelischen Kirche der Haupt-Kadettenanstalt zu Lichterfelde . Es war hohe Zeit, dafs die Marmorhelden des Wilhelmsplatzes unter Dach kamen ; sie sind aber, um salonfähig zu werden, so abgeschliffen worden, dafs trotz der Sorgsamkeit dieser Renovation eine weitere Aufbesserung wohl nicht ausführbar sein dürfte . Bei der ersten Übersiedelung zu den „ Alumnen des Mars und der Minerva " (Neue Friedrichsstrafse 13) war Zieten in gewohnter Weise Avantgardist ;
die Kadetten hielten
gerade Spazierstunde „ im Quarréhof" und begrüfsten den Urhusaren mit einem
spontanen „ Hurrah ! "
Die
Steinfiguren des Wilhelms-
platzes wurden ersetzt durch neue erzene Reproduktionen ( 1862) ; Schwerin und Winterfeldt nach Entwürfen von Kifs . **) Zufolge Königlichen Auftrages d . d. Potsdam 28. Juni 1781 übersandte Tassaert am 12. August 1781 dem Monarchen eine Skizze *) Berger, geb. in Berlin 1744, 1787 Direktor der dort neu gestifteten Kupferstecherschule, gest. ebenda 1825. **) Die Winterfeldt- Statue ist in den Jahren 1773—1776 gearbeitet worden von dem Brüderpaar Ränz , aus Cassel , deren Werkstatt in Potsdam gewesen zu sein scheint ; 1777 wurde dieses Denkmal aufgerichtet ; Ränz jun. starb im gleichen Jahre.
Tassaert.
224
des Denkmals für Keith. Der König erklärte sich „ sehr zufrieden “. Dem Urteil des Hofbildhauers Tassaert wurde mittelst des Kabinetsschreiben vom 2. März 1786 überlassen , Keith mit , oder ohne Hut Friedericus wollte , vergleichweis gesagt , nicht als darzustellen . Caesar supra grammaticos entscheiden . „ Die Regeln der Sculptur werden mafsgebend sein ; und selbstverständlich wird der Bildhauer Tassaert den Absichten Seiner Majestät am besten
entsprechen, je
mehr er dem Gegenstand gemäfs sich einrichtet . " Am 2. April 1787 meldete Tassaert den Abschlufs dieser Arbeit ; am 5. Mai gleichen Jahres kam Keith auf den vom Könige bestimmten Standort. Tassaert erhielt laut Kabinetsorde vom 20. Juni 1786 für die Keithstatue die gleiche Summe wie für das Seydlitzmonument : 2538 Thaler. Die letzte Zuschrift des tötlich kranken Landesvaters an Tassaert datiert vom 23. Juni genanten Jahres ; seine Quittung
Tassaert hatte
eingeschickt und um neuen Auftrag gebeten .
Der
König dekretierte Sein bekanntes, tröstendes „ Geduld haben "; der Kabinetssekretär formulierte : „ Tranquilisez -vous et prenez patience . Je vous en chargerai dès que Je jugerai à propos de faire faire quelque nouvel ouvrage. " König Friedrich Wilhelm II . übertrug Tassaert die Aufsicht über alle Königlichen Bildhauerarbeiten , erhöhte sein Gehalt und bestellte bei ihm mehrere gröfsere Arbeiten ,
so
z. B. das Grabdenkmal des
8jährigen Grafen v. d . Mark , für welches jedoch Tassaert nur ein sehr grofses Thonmodell herstellte . Die starke körperliche Anstrengung hierbei verursachte ihm
einen Schlaganfall , der ihn plötzlich
inmitten seines Schaffens abrief, den 21. Januar 1788. Die Spener'sche Zeitung und die Vossische widmeten, gleichlautend, ihm den Nachruf: „ Er war einer der ersten Bildhauer unserer Zeit ; ein fleifsiger, erfindungsreicher Künstler , aufserdem ein liebreicher Ehemann und Vater, ein aufrichtiger Freund. Wer ihn kannte, mufste ihn seines redlichen und festen Charakters wegen lieben. Seine Familie, seine Freunde und seine Kunstgenossen werden lange diesen für sie und für die Kunst zu frühzeitigen Verlust beweinen und bedauern ; aber sein Name wird durch die trefflichen Meisterwerke der Nachwelt unvergefslich bleiben. " Als Hofbildhauer und
Rektor der noch von König Friedrich,
1786 , bei der Königlichen Akademie gestifteten Bildhauerschule wurde Schadow ( eines Schneiders Sohn) Nachfolger Tassaert's, weil er der rüstigste und begabteste unter den „ Compagnons pensionnaires " des verstorbenen Meisters . In der Tassaert'schen Familie verkehrten Formey , Merian und andere Akademiker ; auch Noël, der Königliche Hofküchenchef, welcher eine grofse Person ,
nachdem der König eine Ode an ihn gerichtet,
Tassaert. fand sich dort ab und zu ein.
225
Aufser der Wittwe, einer geistvollen,
kenntnisreichen , feingebildeten Französin, hinterliefs Tassaert 7 Kinder , im Alter von 11-25 Jahren, *) in der Mehrzahl „ Töchter “ ; sämtlich von ihren Eltern wohlerzogen und zu ehrenvoller Thätigkeit vorbereitet . Für Tassaert's
eigene fortdauernde Lernbegierde spricht seine
Absicht , im Frühjahr 1786 das Dresdener Antikenkabinet zu besichtigen . In der Schadow'schen Autobiographie sind hervorgehoben Zwei seiner meisterhafte " Büsten nach dem Leben. Tassaert's Töchter älteste
haben sich einen Namen gemacht in der Kunstwelt ; die Felicitas - wurde, nachdem bei der ersten Berliner öffent-
lichen „ Kunstausstellung " ( 1786) ihre Arbeiten allgemeinen Beifall gefunden , einstimmig am 3. Februar 1787 zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt. **) Als vorzügliche Kunstwerke Tassaert's des Abbé Raynal und des Hinterbliebenen
rühmt
man die Büsten
Philosophen Mendelssohn .
des Husarengenerals v. Zieten ,
Die
für die
nach einer Todten-
maske gearbeitete Büste dieses Helden wurde von Schadow benutzt für das im Februar 1794 auf dem Wilhelmsplatz errichtete Marmorstandbild . Einer verwittweten Frau v. Blumenthal Reliefmedaillon befindet sich in der Berliner Hedwigskirche. ***) Bescheidener Widerspruch dürfte erlaubt sein gegen Professor Dr. F. Kugler's Kritik : „ Eine lebensgrofse Marmorbüste Friedrich des Grofsen von P. Tassaert ist ohne höheren Kunstwert. " +) Büste stand anfänglich Schlosses ,
Diese
in der „ Kunstkammer" des Berliner grofsen
dann im Königlichen Museum ; von hier wurde sie ent-
Nach Angabe des Todtenregisters der Berliner Hedwigskirche. **) Sie hat, 1788, ihres Vaters Bildnis „ geschabt" . König Friedrich Wilhelm II. zeichnete sie aus durch ein Jahrgeld von 200 Thaler : mehrere Pastellgemälde von ihrer Hand befinden sich zur Zeit im Berliner Königlichen Kupferstichkabinet. Von ihrer jüngsten Schwester Antoinette kam ein Portrait des regierenden Königs in die Berliner Kunstausstellung 1789. Ein Sohn Tassaert's , erst bei der „ Regie “ angestellt , dann Architekt und sich im Freihandzeichnen übend, ätzte demnächst in Kupfer und übersiedelte nach Paris. Eine Venus nach unserm Tassaert findet man in den „ Tablettes d'un amateur des arts etc. ", Berlin 1803. Einzelne aus seinem Atelier stammende Sachen, allegorisch mythologischer Richtung, wurden vor einigen 30 Jahren in Berlin verkauft. ***) Erste Fensternische, rechts von der Kirchthür. Diese Dame, eine in Nancy geborene Gräfin, starb hochbetagt 1782 , wie die Widmungsinschrift besagt, als Oberhofmeisterin Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzefs Heinrich; sie mehrte den Schmuck jenes Gotteshauses , war vieler Armen Wohlthäterin u. s. w. --- Man darf dieselbe nicht verwechseln mit ihrer Amtsnachfolgerin, der Zietenbiographin. †) F. Kugler, Beschreibung der Königlichen Kunstkammer ; Berlin 1838, S. 284.
Tassaert.
226 liehen 1863
zu
einer Ausstellung im Konzertsaal
des Königlichen
Schauspielhauses, zwecks Erinnerung an Friedrich den Grofsen ; später wanderte dieselbe aus dem Museum nach Monbijou, und kam schliefslich in den Bildergallerieraum des Königlichen „ Schlosses " . nicht mit des Künstlers Namen
bezeichnet ,
Obgleich
kann diese Friedrichs-
büste sehr wohl von Tassaert herrühren. Sicherlich ging sie nicht aus seiner Werkstatt hervor mit der Anforderung : von Mit- und Nachwelt bewundert zu werden, wie ein Prachtwerk des Phidias . Es frägt sich, wie viel Zeit Tassaert zu dieser Arbeit vergönnt war.
Höchst unwahrscheinlich ist, dafs sie zu den Aufträgen seitens
seines
Königlichen Herrn
wie vielen anderen ,
zählt .
Mangelt
dieser Friedrichsbüste,
die volle Portraitähnlichkeit , so wolle man be-
rücksichtigen, dafs der grofse König Sein Gesicht dem Maler u . s . w. entzog, soweit es Ihm möglich. Er Selbst spricht hiervon in Briefen vom 1. November 1772 an Voltaire und vom 14. Dezember 1774 an d'Alembert .
Nur die nach der Eckstein'schen Originalmaske ge-
fertigten Büsten und Denkmäler gelten.
können
als getreue Abbildungen
Wahrscheinlich entstand erwähnte Tassaert'sche Büste neben-
bei während der Vorarbeit für jene Reiterstatue, welche das preufs. Offiziercorps seinem Kriegsherrn widmen wollte , aber nicht durfte . *) In seiner Bildhauerwerkstatt, wie auch als artistischer Vorstand bei der Königl . Porzellanmanufaktur war Tassaert
sehr produktiv.
Aufser oben genannten Arbeiten fertigte er mancherlei kleine Figuren, Gruppen, Vasen u . s . w. - Sache der Kunstgeschichtsschreiber ist es ,
ihn
gebührt
als Plastiker richtig Tassaert
der vom
und voll zu würdigen . ehrenwerten
d'Alembert
Unsererseits uns
in den
Mund gelegte Nachruf: „ Er verdiente sich durch Wohlverhalten, Geschicklichkeit und Eifer die Gewogenheit Friedrichs des Grofsen ! " In den Konversationslexikas sucht man Tassaert's Namen vergeblich.
Seine Asche ruht
auf dem kleinen alten Berliner katho-
lischen Friedhof , zunächst des vormaligen Oranienburger Thores , in der äussersten Ecke links ,
unter einem Grabstein
mit unleserlich
gewordener, verwitterter Inschrift. Möge das Andenken dieses Heldendenkmalkünstlers
eine bleibende Stätte finden
im kulturgeschicht-
lichen Teile der Annalen des Preufsenheeres , zur Widerlegung des Sallust'schen Pessimistenworts : „ Gloria fluxa atque fragilis est !" Berlin 29. April 1881 .
(Gr. L.)
*) Näheres in Schadow „Kunstwerke und Kunstansichten", Berlin 1849 S. 1.
Umschau in der Militär-Litteratur.
227
XIX .
Umschau in der Militär- Litteratur .
Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen. VII. Jahrgang 1880. Herausgegeben von H. v. Löbell , Oberst z. D. Ihr kommet spät zwar, doch ihr kommt , allverehrte und hochgeschätzte Jahresberichte.
Dafür zählt
250 Seiten weniger als Euer Vorgänger.
ihr diesmal aber auch etwa Weil "" die im Jahre 1880
gesetzlich festgestellte Erweiterung der deutschen Wehrkraft im Zusammenhange mit der im Jahre 1881 vollzogenen Ausführung des Gesetzes vom 6. Mai 1860 , betreffend Ergänzungen und Änderungen des Reichs -Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 " steht , - aus diesem Grunde gar keinen Bericht über das Heerwesen Deutschlands 1880 zu bringen ,
scheint mir für einen Jahresbericht doch ein sehr be-
denkliches Verfahren
zu sein .
Ebensowenig
erachte ich es
dem
Charakter des Werkes für angemessen , die im Jahre 1880 von Seiten der Russen
unternommene Expedition
gegen
die Teke-Turkmenen
deshalb gar nicht zu erwähnen , weil die Entscheidung erst im Januar d . J. fiel.
Nach meinem Dafürhalten wäre
es mehr am Platze ge-
wesen , im vorliegenden Falle den in den ersten Wochen des neuen Jahres erfolgten Abschlufs der Expedition mit in den Jahresbericht für 1880 hineinzuziehen , lung bis
zum
Mensch mehr
Sommer
als mit der Veröffentlichung der Darstel1882
zu warten ,
für den längst erledigten ,
Kriegszug interessieren wird.
wo
sich sicherlich kein
militärisch unbedeutenden
Hat doch der Bericht über den Krieg
von Chile gegen Bolivia und Peru auch bis
zum
17. Januar 1881 ,
den Tag der Besetzung von Lima durch die Chilenen, verständigerweise übergegriffen !
Nicht unbeachtet darf hierbei bleiben , dafs die
1879 ausgeführte Unternehmung gegen die Teke-Turkmenen bis zur Stunde in den Jahresberichten auch noch nicht zur Darstellung gelangt ist.
Sehr vermissen wir in dem vorliegenden Jahresberichte
einen Aufsatz über das Befestigungswesen ; vergebens suchen wir nach einem Artikel über das Material der Artillerie , die Küstenartillerie und Militär-Telegraphie.
Auch die im verflossenen Jahre
erschienenen Berichte über Militär-Rechtspflege, Militär- Sanitätswesen
Umschau in der Militär-Litteratur.
228
und Militär- Statistik haben in dem neuen Bande keine Nachfolge gefunden. Dagegen sind für dieses Jahr Berichte über die Luftschiffahrt und die Verwendung der Brieftauben im Dienste des Krieges gebracht , während des Militär- Eisenbahnwesens , der militärischen Bedeutung des Telephons , sowie wichtiger und interessanter Erfindungen u. dergl. ebenfalls keine Erwähnung gethan ist. In dem ersten Teile des Werkes befinden sich in herkömmlicher und fast durchweg vortrefflicher Art und Weise Berichte Heerwesen
der
einzelnen Länder zusammengestellt.
23 Armeeen in Betracht gezogen.
über das
Diesmal sind
Je nach der Bedeutung derselben
nehmen die Berichte einen verschiedenen Standpunkt ein ; dadurch erklärt es sich , dafs von den 233 Seiten dieses Teiles allein 46, also ein volles Fünftel, auf das Heerwesen Frankreichs fallen, neben die sich der Bericht über die russische Armee nur mit 22 Seiten stellen kann.
Wenn ,
wie in
dem vorliegenden Bande ,
besondere
Berichte über Luftballons und Brieftauben gebracht werden, so wäre es wohl nicht erforderlich gewesen , diese Gegenstände auch bei dem französischen Heerwesen zu erwähnen . Nicht recht klar erscheint mir in dem Berichte über die belgische Armee das beiden ersten Absätzen Gesagte.
dort in den
In dem zweiten Teile des Werkes , welcher die Berichte über die einzelnen Zweige der Kriegswissenschaft enthält , wird der über die Taktik der Infanterie die Aufmerksamkeit besonders auf sich lenken . Im Eingange dieser Abhandlung ist die Behauptung aufgestellt, daſs der Löwenanteil des Ruhmes , des Erfolges , wie auch der Verluste
im deutsch - französischen
gebührte !
Kriege
der deutschen Infanterie
Nicht die Ausdrucksweise allein verläfst hier die ge-
wohnten Bahnen ,
sondern auch die rückhaltlose Offenheit den an-
deren Waffen gegenüber ! „ Der im Deutschen so mächtige historische Sinn hat bisher den Sieg über die immer von neuem geltend gemachten Forderungen des Zeitgeistes behauptet. " heifst dann an anderer Stelle ,
wobei
auseinandergesetzt wird ,
dafs
es die
deutsche Infanterie im Gegensatz zu den anderen Staaten an ihren Traditionen festgehalten
und
inbetreff neuer taktischer Formen nur
die notwendigsten Zugeständnisse gemacht hat ! Ob man der deutschen Infanterie zu diesem
ihr
zugeschriebenen Sieg
über den Zeitgeist
Glück wünschen darf?! Eine wahre Hochflut litterarischer Erzeugnisse aus dem Gebiete der Infanterietaktik soll das Jahr 1880 gebracht haben, und bedauert der Bericht, dafs diese Litteratur überwiegend anonymen Charakters ist und dadurch einen Hauptfaktor ihres Wertes verliert. Von den 17-20 taktischen Schriften ,
Umschau in der Militär-Litteratur. welche im Jahre 1880 mit Bezug
229
auf die Infanterietaktik aus den
Reihen des deutschen Heeres hervorgegangen sind , noch nicht
die Hälfte anonym erschienen ,
und
ist in der That
zum Teil ist diese
Anonymität eine so durchsichtige, dafs es nicht leicht erklärlich, warum die Autoren sich nicht gleich genannt haben . -Aus der Hochflut hebt der Bericht dann zwei Erscheinungen als besonders hervorragend hervor. Die eine, betitelt „Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade " , setzt sich bekanntlich das Ziel, vollständig mit unserer taktischen Grundform, der Compagniekolonne in drei Zügen, und somit mit dem Reglement,
zu brechen.
nach dieser Richtung hin nungen hervor ,
Allerdings
ragt diese Broschüre
unter den übrigen litterarischen Erschei-
aber wie ein
kahler ,
abgestorbener Stamm unter
frischgrünen, kräftig aufschiefsenden jungen Bäumen.
Die zweite als
hervorragend bezeichnete litterarische Erscheinung ist Boguslawski's kleine Broschüre , „ Die Hauptwaffe in Form und Wesen , " welche der Verfasser selbst eine Ergänzungsschrift seiner früheren Werke nennt. Sie ist also weder ein selbständiges Buch , noch bringt sie wesentlich neues ! Dafs aber in unseren militärischen Zeitschriften , im Militär -Wochenblatt u. s . w. , mancher vortreffliche und wirklich hervorragende Aufsatz
taktischen Inhalts gestanden ,
vorliegende Bericht nichts .
davon weifs
„ Die mafsgebenden Taktiker ,
der sagt
er, 99 vereinigen sich in der Ansicht : Ausnutzung der Leistungsfähigkeit des Gewehres in einzelnen Gefechtsmomenten , aber Anstreben entscheidender Resultate nur auf nahe Distancen.
So beifst sich die Schlange hier in den Schwanz . " -
Inwieweit die den mafsgebenden Taktikern von dem Berichte imputierte Ansicht mit einem "" Sich in den Schwanz beifsen " einer Schlange zu vergleichen ist , habe ich beim besten Willen nicht herausfinden. können .
Warum soll man nicht die Leistungsfähigkeit des Gewehres
in den einzelnen Gefechtsmomenten ausnutzen und die Entscheidung des Kampfes zugleich auf den nahen Distancen suchen ? - Dafs im verflossenen Jahre mehrere, kleineren Armeeen angehörende Offiziere die Vorteile des Weitschiefsens sucht haben ,
nennt
des Weitschiefsens
in Broschüren klar zu legen ver-
der Bericht
einen Lösungsversuch der Frage
auf technischem Wege ,
nachdem dieselbe in
den grofsen Heeren zu einem gewissen Abschlufs in entgegengesetzter Richtung gediehen sei !
Es ist
nach dem vorliegenden Bericht das
Geschick kleiner Heere ohne Kriegserfahrung und mit beschränktem Gesichtskreise , Theoretiker auszubilden und die Spekulation bis zu den äussersten Grenzen ausgreifen zu lassen . “ --- Diese einzelnen Stellen des Berichtes werden zu seiner Kennzeichnung genügen ; nur
Umschau in der Militär-Litteratur.
230
sei noch besonders erwähnt, dafs er sich inbetreff der österreichischen Infanterie-Taktik lediglich darauf beschränkt, einiges über die bereits 1879 erlassene „ Schiefsinstruktion für die Infanterie u. s. w . " nachzuholen. die Taktik
Recht anziehend und sachgemäfs sind die Berichte über der Kavallerie , Feldartillerie und des Festungskrieges
geschrieben ,
obgleich
in letzterem wieder der ganz müfsige Streit
angeregt wird, ob im Festungskriege die Infanterie oder die Artillerie die Hauptwaffe
ist.
Auf die
interessanten Berichte
Luftschiffahrt und Taubenpost ist bereits hingewiesen dem
Berichte
über
Militär-
worden .
In
über die kriegsgeschichtliche Litteratur finden
wir kurze Besprechungen der verschiedenartigsten Werke , so z. B. Rufsland vor und nach dem Kriege . Auch aus der Petersburger Gesellschaft. -- Die Geschichte der Pariser Commune 1871. -- The life of His Royal Highness the Prince Royal. - Die Memoiren des Grafen van der Meere . -
Die Memoiren
der Madame de Remusat,
Maria Theresia's letzte Regierungsjahre 1763-1780 und eine Menge anderer Werke ,
die
mit der Kriegsgeschichte nicht den geringsten
Zusammenhang haben.
-
Unter den
erschienenen Regimentsgeschichten
aufgeführten ,
findet
man
die
1879-1880 bereits
1871
herausgegebene Schrift des jetzigen Oberst Poten : Braune Husaren in Frankreich 1870/71 , hingegen sind die Geschichten des rheinischen Jägerbataillons (Weber), des Fufsartillerie - Regiments Nr. 2 und des schleswigschen Fufsartillerie-Bataillons
Nr 9 (Stiehl) ,
die
des Re-
giments Nr. 118 (Keim) nicht genannt . Unter den Beiträgen zur militärischen Geschichte des Jahres 1880 zeichnet sich die äusserst gelungene Schilderung des Krieges von Chile gegen Bolivia und Peru in jeder Weise vorteilhaft aus, während die Darstellung des Krieges zwischen England und Afghanistan dem an und für sich wenig spannenden Gegenstand durch eine Menge nebensächlicher Einzelheiten jedes Interesse zu nehmen weifs. Die „ Nekrologe von im Jahre 1880 verstorbenen hervorragenden Offizieren u. s . w. " kranken au ihrem alten Fehler : zu geringe Berücksichtigung der deutschen Offiziere gegenüber fremdländischen .
Welche hervorragenden Verdienste z . B. dem russischen
General Mansurow I. einen Platz in den Nekrologen verschafft haben, bleibt eine ungelöste Frage, wie es auch nicht erklärlich ist, warum z. B. der verstorbene General v . Plonski , der im Feldzuge 1866 die zweite Garde- Infanteriedivision führte und hierauf kommandierender General des XI. Armeecorps war, keine Aufnahme gefunden hat. Auch in dem vorliegenden Bande ist schliefslich die militärische Chronik des Jahres 1880 nach diesseitigem Ermessen weit über die einer solchen Zusammenstellung gebührenden Grenzen gegangen.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
231
Pflichtgemäfs haben wir hiermit „ sine ira et studio " unser Urteil über den neuesten Band der „Jahresberichte " abgegeben ,
frei und
offen dabei nach jeder Seite hin unsere Ansicht ausgesprochen .
Mit
Freuden werden wir im nächsten Frühjahre , je eher je lieber , den. nächsten Band des anerkannt vortrefflichen Werkes begrüfsen !
v. M.
XX.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften.
(15. Juni bis 15. Juli .) Militär-Wochenblatt ( Nr. 51-58 ) : Die Kavallerie-Beratungen zu Die Festung Ulm . Die Kavallerie in der Avantgarde. Tours. Der Krieg Armee. russischen der in Rekrutenausbildung zwischen Engländern und
Boern im Jahre 1880/81 .
Alt- und
Neupreussisches zur Entwickelung des Infanterie-Exerzierreglements . Neue militärische Blätter (Juli 1881) : Über das Zusammenziehen und Auseinanderlegen der Armeeen.
Die Reorganisation des Heer-
wesens in Holland mit Berücksichtigung seines Festungssystems. — Das Infanteriegefecht auf den nahen Entfernungen . - Mitteilungen aus dem Gebiete der Feuerwaffen . - Über die Beteiligung des deutschen Eisenbahnregiments an Bauten und Arbeiten der Bahnen im Frieden. — Die Wehrkraft des neuen Königreiches Rumänien . Allgemeine
Militär - Zeitung
( Nr. 46-54) : Eine französische
Ansicht über den strategischen Aufmarsch deutscher Streitkräfte an der Rheingrenze. - Die deutsche Wehrkraft und die Auswanderung . - Die hundertjährige Jubiläumsfeier des bayerischen 1. Infanterieregiments König. - Noch einmal das Detachementskriegsspiel. Das internationale Vergleichsschiefsen mit Repetiergewehren , abgehalten in Wien den 28. , 29. und 30. April 1881. - Die 100jährige Jubiläumsfeier des bayerischen 1. Infanterieregiments König. - Die Herbstübungen der französischen Armee von 1881. ― Über Schleichpatrouillen im Vorpostendienst. Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 48-56 ) : Wie soll die DisziplinarEin
Strafgewalt innerhalb der Compagnie gehandhabt werden ?
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
232
unserer Wehrkraft. - Ein neuer Vorteil der Das neue britische KriegsMantelpatrone . -
Mittel zur Erhöhung Meyhoefer'schen
Anleitung zum instruktionsgemäfsen Detailschiff „ Polyphemus “. Zur Frage der Kavallerietaktik in Frankbetrieb der Gymnastik. reich . - Keine Kavallerie mehr? Stahlbronze. Militär-Zeitung für die
Reserve- und Landwehr-Offiziere des deutschen Heeres ( Nr. 25-28) : Die Reiterei . — Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fufsartillerie . Plaudereien über Feldbefestigung. Archiv für die Artillerie- und Ingenieuroffiziere Festungstruppen. 3. Heft): Moderne Feldartillerie. liche Entwickelung
(88. Band Geschichtder Artillerie - Schiefskunst in Deutschland. -
Worin weichen die Belagerungsoperationen gegen Sebastopol von den Vauban'schen Grundsätzen ab und welche Lehren mufsten damals aus dieser Belagerung für den Angriff und die Verteidigung fester Kriterien für das Schiefsen aus gezogenen Plätze gezogen werden? Geschützen . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft VI . ): Aus den Reiseberichten S. M. Aviso „ Loreley". - Aus den Reiseberichten S. M. Schiff „Victoria ". Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift (V. u . VI . Heft) : Johann Reichsgraf von Klenau , Freiherr v. Janowitz . — Eine Übung in der taktischen Thematik . Die Frühjahrsinspizierungen der preufsischen Infanteriecompagnieen.
Bericht über das
Schiefsen
aus weittragenden Feldgeschützen im Jahre 1880 gegen eine im Lager von Ust-Ishora zu diesem Zwecke erbauten Feldschanze. Die Reichsbefestigung Frankreichs. — Hat die Kavallerie aufgehört eine Waffe zu sein ? Organ der militärwissenschaftlichen Vereine (7. und 8. Heft) : Über Einheitskavallerie und einige die Ausbildung und Verwendung der Reiterei berührende Fragen . - Die K. K. 18. Pionier-Feldcompagnie vor und während der Okkupation der Herzegowina . - Zur Ausbildung des Infanterieangriffes . - Die Friedensübungen der Kavallerie. Österreichisch- ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 48 -56 ) : Die Standes- und Avancementsverhältnisse der K. K. Generalstabs- und Intendanturcorps . Über die Verwendung der Infanterie bei Verteidigung von Festungen. Die Beurteilung der Dienstbrauchbarkeit nach dem Körpergewicht . - Die Schrift Mezzacapos. Schutz der persönlichen Ehre . - Zur Frage des Munitionsersatzes im Gefechte . --Frankreichs nächster Krieg mit Deutschland. -
aus anderen militärischen Zeitschriften.
233
Zur Lösung der Fufsbekleidungsfrage. - Die neuprojektierte Centralfechtschule . Heerwesen und Parlamentarismus.
Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 48-55 ) : Die sechsjährige Schulpflicht. Über den militärischen Geist und die Stimmung des Heeres . - Ein Mittel zur Erhöhung unserer Wehrkraft. - Der Heliograph als Kriegsmittel. Die Stellung des Generalstabschefs . Kriegs- und Friedensingenieure der Armee. - Festungskommandanten. Friedrich der Grofse über die Kriegführung und Taktik der Österreicher. - Die Verwendung der Kavallerie. -- Die Lage der Schützengräben bei Verstärkung von Höhenstellungen . Vielschreiberei in der österreichischen Armee.
Die
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens 5. u. 6. Heft) : Übersicht der vorzüglichsten Versuche auf dem Gebiete des Artilleriewesens. - Übersicht der Befestigungen in Frankreich , Italien, Rufsland , Deutschland, Belgien und Niederlande . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Nr. IV. und V.) : Erprobte Verbesserung der Konstruktion und Anwendung des Kontrollkompasses, sowie des Kompasses mit Universalkompensation . Der Krieg in Südamerika. ― Signalisierungsmethode zur genauen Bezeichnung der Schiffskurse. Vergleichsschiefsen mit Mitrailleusen
in Shoeburyness. Le spectateur militaire ( 15. Juni 1881) : Studie über die VerDer Ursprung pflegung der Truppen im Felde. Die Telemeter. der französischen Taktik. - Bonaparte und seine Zeit. Journal des sciences militaires (Juni 1881 ) : Aufklärungstaktik. die Mobilisierung. - Untersuchung über - Das französische Telegraphendie Durchschlagskraft der Geschosse. Die Rekrutierung und
netz , vom Gesichtspunkte der Grenz- und Küstenverteidigung. Ausbildung der Truppen für die Schlacht. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 25-28) : Abhandlung Das Generalstabsüber theoretische und praktische Elektricität. Das Seecorps bei den verschiedenen europäischen Staaten. Gesellschaft. technischen russischen Kriegsspiel in der Kaiserlich Der neue Krieg in Afghanistan. - Die militärische Taubenzüchtung in Spanien. - Bericht eines portugiesisshen Offiziers über die spanische Armee. — Historische Studie über die permanente Fortifikation . Le progrès militaire ( Nr. 65-73) : Taktische Studien . — Der dreijährige Dienst . - Die Umänderung der Fufsbekleidung. ― Die Placierung der Kavalleriecorps . - Die Rekrutierung der Seesoldaten. Über die Kriegskosten . - Das Gesetz über die Verabschiedungen .
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
234
L'armee française (Nr. 527-540) : Das Avancementsgesetz. -Der Das Wiederengagement der Unteroffiziere. — Schiefsversuche. dreijährige Dienst. Die Die neue Uniform der Kavallerie . Prüfung der Unteroffiziere . - Die Eisenbahnen des Staates . ― Das Avancementsgesetz . - Die Schule von Saint- Maixent und die Revue vom 14. Juli. - Unzuträglichkeiten der Metallpatronen .
La France Kavallerie.
militaire
(Nr. 24) :
Revue d'Artillerie (Juni 1881) : Artilleriebrigade
der Grenadiere
Die
Applikationsschule
der
Operationen der 3. Batterie der
im Kaukasus. — Anwendung der
Methode des Hauptmanns Siacci bei Geschossen von verschiedenen Formen. - Versuche mit Perkussionszündern in Italien. - Einige Betrachtungen über den gegenwärtigen Belagerungskrieg. - Die deutsche Artillerie. L'Esercito italiano ( Nr. 69-81 ) : Die kommandierenden Generale . Der praktische Die Unteroffiziere des französischen Heeres. Unterricht bei der Armee. Armee und Finanzen . Das Wohlbefinden des
Soldaten . -
Die Einberufung der mobilen Miliz.
Scheibenschiefsen. Rivista militare italiana (Juni 1881) : Summarischer Bericht über Über die normalen taktischen Formen. die grofsen Manöver. Die Ernährung der österr.-ung. Truppen in Bosnien und der Herzegowina . Der Krieg zwischen Chile und Peru . - Candahar. Giornale di Artiglieria e genio (Heft 4) : Die modernen Löschapparate bei Feuersbrünsten . - Die neue Brücke von Clain über den Drac-Strom in Frankreich . - Die neuen Hinterladegeschütze. Army and Navy Gazette ( Nr. 1117–1120 ) : Berittene Infanterie . Der russische Feldzug . Torpedos. Das neue Armeeschema. Die französischen Herbstmanöver. willige Artillerie . -Säbel und Gewehr.
Die Revue
über
die frei-
Die neue Territorialarmee.
Army and Navy Journal (Nr. 44-47) : Militärkostüme und Ceremonien . - Das Gesetz der Vermehrung der Marine . - Maschinenkanonen . - Jefferson Davis über den grofsen Krieg. Das System
Palliser.
Die Infanterie
und der Säbel.
Die letzten
Geschützversuche .
The United Service (Juli 1881 ) : Ein vergessener General. Unsere Miliz . Die Schlacht von Buena Vista. Die österreichische Artillerie . —- Die Übungen der Stabsoffiziere. Allgemeine Schweizerische
Militär-Zeitung ( Nr. 25—28 ) :
militärischen Operationen in Tunis.
Das Vergleichsschiefsen
Die mit
aus anderen militärischen Zeitschriften .
235
Mein Aufenthalt in Zülpich vom 6. bis 22. SepRepetiergewehren . Ebenfalls tember 1880 bei der kombinierten Kavalleriedivision . zur Organisation der Geniewaffe. Revue militaire suisse ( Nr. 12 u. 13) : Instruktion für den Felddienst der schweizerischen Truppen. Der Krieg in Afrika. Befestigungsfragen. Die französische Presse und die schweizerischen Befestigungen. Die Vorsteckzünder. Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 6) : Unser Generalstab. Die Schiefsversuche mit dem schweiz . Repetiergewehr im Frühjahr 1880. Der neue doppeltwirkende Zünder der franz. Artillerie. - Die Schule für unterseeisches Minenwesen in Willets Point. De militare Spectator ( Nr. 7) : Die Centralmagazine für das Heer. Über Normalbatterieen bei der Verteidigung von Festungen. Einige Artikel über die Rechtspflege Über eiserne Blendungen. beim Landheer. Der sichere Beobachtungsdienst bei den Schiefsübungen. Norsk Militaert Tidsskrift (44. Bd . 5. u. 6. Heft) : Militärische Über Die Militärakademie zu Westpoint. Übersicht für 1880. die Einwirkung der neuesten Kriegserfahrung auf das norwegische Infanterie-Exerzierreglement . - Über Stahl . - Über die Verkürzung der Ausbildungszeit des norwegischen Soldaten. Kongl. Krigsvetenskaps - Akademiens - Handlingar ( 10—12. Heft) : Die Ausbildung der Infanterie im Scheibenschiefsen bei den europäischen Heeren. - Über die Formationen der Infanterie zum Gefecht. -- Jahresbericht über die Fortschritte in der Photographie. Betrachtungen über die schwedische Centralverteidigung. - Über die Ausbildung Ordnung.
des Infanteristen bei der
Kampfweise
in
zerstreuter
Revista cientifico militar (Nr. 10-13) : Der Einfluss der allmählichen Verbesserung der Handfeuerwaffen auf das Gefecht. - Ein neues topographisches Instrument. - Eine Revolution in Japan ( 1877). Gedanken und Grundsätze Napoleons . Die Gröfse und die Beschaffenheit der Heere . - Über die Verbesserung der Handfeuerwaffen. w Angriff und Verteidigung fester Plätze zur Zeit der Griechen Über stählerne und Römer. - Die allgemeine Militärakademie. Gebirgskanonen. Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 12 u . 13) : Betrachtungen über die imaginairen Quantitäten und den gegenwärtigen Zustand der Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u . Marine Band XL. 16
236
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u . s . w. Photo-mechanische Versuche .
Wissenschaft.
Über die militäri-
schen Rayons . Revista militar ( Nr. 12) : Praktischer Unterricht der Ingenieure Militärische Organisationsfragen . - Der Feldund Artilleristen . zug in Transvaal.
XXI .
Verzeichnis
der bei
der
Redaktion
eingegan-
genen neu erschienenen Bücher u. s .
w.
(15. Juni bis 15. Juli .)
Arming , Wilhelm , Oberlieutenant : Handbuch für Reserveund nichtaktive Landwehroffiziere . Mit 35 in den Text gedruckten Abbildungen. Als Manuskript gedruckt. Zweite Auflage.
Budapest 1881.
Selbstverlag des Verfassers .
80.
Ballestrem , Eufemia Gräfin : Memoiren des Freiherrn Dubislaw Gneomar v. Natzmer, Königl . preuſs . Feldmarschalls u . s . w. Mit spezieller Erlaubnis des Besitzers . und mit Erläuterungen versehen. 8º. 190 S.
Herausgegeben, bearbeitet
Berlin 1881.
Th . Grieben. -
Barado Francisco . . . y Juan Génova , oficiales del Arma de Infanteria Armas Portativas de Fuego . El moderno armamento de la infanteria y su influencia en el combate.
Illustrada
con 400 grabados 94 tablas y un gran cuadro grafico á dos tin80 . - 823 S. tas. Barcelona 1881. E. Ullastres . Campe ,
Generalmajor z . D .:
Über die
pagnie für das moderne Gefecht.
Ausbildung der ComMit 19 in den Text ge-
druckten Holzschnitten . Fünfte umgearbeitete Auflage . Berlin 181 S. Preis 2,50 Mk. 1881. E. S. Mittler u. Sohn. - 8º. Ferschke , Hermann : Im Rock des Königs . Erinnerungen und Geschichten aus dem Soldatenleben . Hamburg 1881. E. Nolte. - 8º . - 193 S. Langer, R., Zahlmeisteraspirant des 1. Bataillons 3. westphälischen Infanterieregiments Nr. 16 : Leitfaden zum Unterricht in der Kapitulantenschule (zweite Stufe) und
zum Selbst-
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.
237
Köln 1881. Militär- Verwaltungsdienst. K. Warnitz u. Comp. 8º. – 60 S. Preis 0,80 Mk.
unterricht.
Löbell , H. v.: Oberst z. D.: Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen . VII. Jahrgang 1880. Berlin 1881. E. S. Mittler u . Sohn . --- gr. 8. 404 S. Militär- statistisches Jahrbuch für das Jahr 1876 und für das Jahr 1877.
2 Teile.
Über Anordnung des k. k. Kriegs-
ministeriums bearbeitet und herausgegeben von der IV. Sektion des technischen und administrativen Militärcomités . Wien 1881 . 4º. Teil für 1876 : 177 S. , für 1877 : 237 S. und 52 S.
Anlagen. Müller, Hauptmann à la suite des hohenz . Füsilierregiments Nr. 40 und Kommandeur pagniedienst.
der Unteroffizierschule Ettlingen :
Der Com-
Ein Handbuch für den Compagniechef im inneren
und äufseren Dienst der Compagnie. Mit Holzschnitten im Text. Dritte verbesserte Auflage . Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn. 80. - 208 S. - Preis 3,60 Mk. Ratz, Alexander, Hauptmann und Compagniechef im k. k. Festungsartillerie-Bataillon Nr. 7 : Der belagerungsmäfsige (förmliche) Angriff gegen moderne Festungen vom strategischen, artilleristischen und fortifikatorischen Standpunkte. Olmütz 1881. Friedrich Grofse . --- 80. 216 S.
Mit 1 Tafel .
Rohne, H., Major und Abteilungskommandeur im 2. brandenb. Feldartillerie-Regim . Nr. 18 (Generalfeldzeugmeister) : Das Schiefs en der Feldartillerie , unter Berücksichtigung der für die preufs . Artillerie gültigen Bestimmungen. Mit vielen Abbildungen im Text und 12 Tafeln in Steindruck. Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn. -- 8º. 334 S. ― Preis 8 Mk . Rüdinger , Friedrich Christian v.: Königl . württemb . Oberregierungsrat u. s . w.: Handausgabe der deutschen Wehrordnung mit ihren Ergänzungen und Änderungen . Zweite - 8º. Ausgabe. Stuttgart. W. Kohlhammer. 440 S. Preis 5,60 Mark.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.
I
XXII .
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen der Infanterie in ihrer Bedeutung für
die Gegenwart. Von
E. Keller , Kgl. bayr. Hauptmann. (Fortsetzung.) Wenn man sich den Gesamteindruck der napoleonischen Infanterietaktik vor Augen führt, so zeigt derselbe die vollständige Wiederherstellung der Kolonnenform in nahezu demselben Stile, in welchem sie 3-400 Jahre früher bestand und äufserlich lediglich so weit verändert , als die mitwirkenden Verhältnisse und die zur Verfügung stehenden Mittel sich seitdem geändert haben.
Hier wie dort schützt
die Front eine Schützenlinie, nur hat die neuere durch die Erleichterung der Ausrüstung und Einführung des Bajonettgewehres eine gröfsere Selbständigkeit, Beweglichkeit und Feuerleistung, sowie auch das gewonnen, dafs sie von jedem Teile des Bataillons gebildet und Aber sonach auch aus dem Bataillon verstärkt werden konnte. trotz dieser scheinbaren Befreiung von der quantitativen Einschränkung blieb auch in der napoleonischen Zeit die Feuerlinie ein numerisch begrenzter Teil des Bataillons , oder , soweit die vorderen Treffen schon in der Feuerlinie
aufgegangen waren , der Schlacht-
Die Schützenlinie war aber keine Linie im formalen Sinne, ihrer Gestalt wohnte keine andere bindende Kraft inne , als die gebietende Natur des Feuergewehres, sie war eben die Form der Form17 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL. ordnung.
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
240
losigkeit, wie sie bei der Einführung der Schiefswaffen ent- und bei der Einführung der Massenaufgebote wiedererstanden war ; sie war Ursache, Wirkung und Symptom eines gewissen Verzichtes der Führung auf die vollständige Beherrschung dieses Teiles der Gefechtsform . raum
In ihr war also den centrifugalen Kräften ein gröfserer Spielgewährt , der zwar durch Erhöhung der Einzelleistung im
Schiefsen , Decken und Bewegen das Ganze zu fördern , aber ebenso auch den Einfluss der Führung zu erschweren vermochte. Daſs letzteres in minderem Mafse fühlbar wurde als ersteres, lag zum grofsen Teil eben in der ziemlich gering gehaltenen Stärke der Schützenlinie, die für sich zu schwach war, um ohne ihre rückwärtigen Teile etwas zu unternehmen, und die sonach um ihrer selbstwillen sich von diesen aus leiten lassen musste. Eine Entscheidung durch ihre Feuerkraft zu geben, dazu war sie nicht bestimmt, sondern dazu, dem Bajonett und der Masse den bis zu deren Eingreifen erforderlichen Schutz zu gewähren und zuarbeiten.
durch Schwächung und Ermüdung des Feindes vorDas was die Entscheidung gab , war die blanke
Waffe ; nicht effektiv, weil es dessen meist nicht bedurfte, aber durch das Erscheinen ihrer typischen Gefechtsform, der Kolonne, durch das Auftreten von frischen , von der Form zersetzenden Feuerthätigkeit noch unberührten Streitkräften, die nun in jener Form in den Kampf eintraten, in welche sich Entschlufs des Blankkampfes kleidet . Wie grofs die entscheidenden Kolonnen waren , das hing von
dem Widerstande des Feindes
und davon ab ,
welchem Treffen es
schon (oder erst) beschieden war, den Ausschlag im Kampfe zu geben ; stets aber war es das Auftreten von in Masse geordneten frischen Kräften, was auf der einen oder anderen Seite die Entscheidung gab. Dafs aber trotz der erheblich gesteigerten Feuerleistung Kolonnen von solcher Gröfse ,
wie
sie sich im 30jährigen Kriege nicht mehr
zu halten vermocht hatten, in den napoleonischen Schlachten wieder auftreten konnten, das verdankte sie einerseits dem Vortreffen , dessen Feuer sie schützte ,
und welches sich in dem Mafse verstärkte ,
als
der Wille der Entscheidung in der Wahl seiner Kräfte nach rückwärts greifen musste, - je gröfser , je massiver die in den Kampf eintretende
Kolonne war ,
desto
mehr war
aus den
vorstehenden
Treffen schon in der schützenden und vorkämpfenden Feuerlinie aufgegangen.
Anderseits aber ist zu erwägen, dafs die vergleichsweise
geringe Tragweite gestattete , bleiben ,
des
damaligen Infanteriegewehres der Kolonne
der Feuerlinie ohne zu grofse Verluste ziemlich nahe zu
und dafs das geringe Mafs von Feuergeschwindigkeit auch
die Zurücklegung dieses letzten Raumes nicht allzugefährlich machte
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
241
Alles kam darauf an , zuletzt noch eine Kolonne zu haben, also die Kräfte zu sparen, die einmal ausgegebenen aber total zu verbrauchen . Und darin liegt wohl ein wesentlich unterscheidendes Merkmal der Linien- und der Kolonnen- , der Feuer- und der Stofstaktik. Die eine gebraucht ihre Kräfte möglichst
schnell ,
die andere möglichst
lange.
Und wenn man wahrnimmt , wie in der Lineartaktik Feuerline und Stofskörper identisch sind , in der Kolonnentaktik aber getrennt , so wird man folgern können , dafs in dem Mafse , als das Feuer oder die Massenbewegung zu entscheiden bestimmt ist, der lineare Gebrauch zur Haupt- oder zur Nebensache wird, das Haupttreffen von der Feuerlinie oder diese von dem Haupttreffen aufgesogen wird, die Linie oder die Kolonne den Schwerpunkt der ganzen Gefechtsthätigkeit darstellt. Allerdings ist , wenn der linearen Form eine entscheidende Bedeutung zukommen soll, diese vor allem an die Bedingung geknüpft, dafs das Feuergewehr in solchem Mafse
sich für den Nahekampf
eigene, und die Feuerlinie auch für den letzten Stofs so ausreichend sei, dafs ein Bedürfnis nach Blankwaffe und Massenform damit wegfällt.
Diese Bedingung war in der fridericianischen Zeit durch eine
in der Dressur erreichte weitgehende Entwickelung der Feuerleistung und der Form erfüllt, jedoch nur teilweise, was sonst fehlte, ergänzten die flankierende Richtung des Angriffes , die Leistung der Reiterei und die Schwerfälligkeit des Gegners. Aber alle diese Umstände waren eigentlich nur subsidiäre , sie vertraten nur die Lücke in der technischen Mangelhaftigkeit des Gewehres ; sie waren auch selbst wieder von so vielen Voraussetzungen abhängig , daſs man die darauf aufgebaute Lineartaktik wohl als eine aufserordentlich künstlerische Konstruktion, aber als einen taktischen Anachronismus betrachten kann . Natürlicher , praktisch leichter erreichbar und verwendbar war die Kolonnentaktik mit dem Tirailleurgefecht, - natürlich, so lange die Kolonne sich als Kampfform zu erhalten vermochte und so lange das Infanteriegewehr nicht zu einer solchen Vollkommenheit gelangte, dafs es als Feuerwaffe allein die Vertreibung und Vernichtung des Gegners in derselben Weise wie die Nähewaffe bewirkte. In dieser Hinsicht liefs jedoch die Feuerwaffe noch vieles wünschen übrig ,
und die damalige Zeit war nicht angethan ,
zu
durch
Dressur und durch Leistungen anderer Waffen diese Fundamentalschwächen auszugleichen. In Frankreich hatten die unaufhörlichen Kriege
einen
solchen Menschenverbrauch verursacht ,
Deckung durch ausgebildete Soldaten unmöglich war ,
dafs dessen in anderen 17*
242
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
Staaten führte das Bedürfnis nach der Wiedererlangung der militärischen Superiorität zu massenhaften Neuformationen aus nur halbausgebildeten Aufgeboten. Für solche Heere war die Kolonnenform geradezu Existenzbedürfnis, und je gröfser, um so besser ;
nur die
Rücksicht auf die Länge der Front und auf die Steigerung der Verluste traten hierbei einschränkend auf.
Die Kavallerie war zu jener
Zeit nicht nur an specifischer Ausbildung, sie war auch an Verhältniszahl zur Infanterie und bei dem unzweifelhaft besseren Schutze , den diese in der Kolonnenform fand , an Zuversicht zurückgegangen. In der Artillerie konnten die Versuche nach erhöhter Wirksamkeit und Beweglichkeit nur in geringem Mafse während der Kriegsepoche sich verwirklichen ; im grofsen und ganzen kam sie ballistisch nicht viel, numerisch aber gar nicht über den Stand am Ende des 18. Jahrhunderts hinaus . Alles dies wies mit Notwendigkeit auf die Kolonnenform hin ; alles dies aber zeigt anderseits wieder in den Voraussetzungen dieser P die Keimstellen weiterer Entwickelung und Veränderung. Die lange Friedenszeit gab wie Anlafs so auch Zeit, die Folgerungen aus den verflossenen Kriegsjahren zu ziehen und die verbessernden Gedanken , welche im Sturme der Ereignisse hatten zurückgestellt werden müssen, daran wieder zur Wirkung und Erprobung zu bringen. Als eines der ersten und bedeutsamsten Ergebnisse der napo-
leonischen Zeit darf das angesehen werden ,
preufsische Infanteriereglement von 1812
welches
sich formell und in seiner Hauptsache nach auch materiell bis auf den heutigen Tag erhalten hat . Seine Wichtigkeit dokumentiert sich in mehrfacher Richtung , sowohl in Hinsicht der aus der Vergangenheit gezogenen Konsequenzen , als auch bezüglich der für die zukünftige Entwickelung gegebenen Anknüpfungspunkte. Die demselben zu grunde liegende Form für Gefecht und Kampf ist die Kolonne des Bataillons ; sie ist die Hauptform, weil sie nach unten einer Vereinfachung und Zerlegung nicht mehr fähig ist , nach oben aber in die Masse gröfserer Infanteriekörper in einer Weise gruppiert wird, die ein jederzeitiges Herausziehen der einzelnen Bataillone gestattet und erforderlich macht.
Die Masse des Regiments,
der Brigade, der Division ist eine Form für den Kampf nicht mehr, denn in ihr war, wie beim grofsen gevierten Haufen, zuviel nutzbare Kraft latent, und schon deshalb musste jene dieselbe Zerlegung erfahren wie dieser, wobei die Rücksicht auf die Verluste verstärkend wirkte. Aber ebenso war es das Bestreben nach Feuer- und Frontentwickelung ,
welches wie in den alten Zeiten die grofsen Schlachthaufen
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. wieder auseinanderzog .
Bei aller Beschränkung ,
243
welche man der
Ausdehnung des Feuergefechtes auferlegte , war doch nicht darüber hinauszukommen , dafs bei gewissen Stärkeverhältnissen eine Quote des Ganzen erforderlich
sei ,
den Rest
schützen und zur Ent-
zu
scheidung möglichst intakt bewahren zu helfen . Deshalb stand man bei den grofsen Kolonnen wieder vor der Alternative , entweder nur einen kleineren Teil zum Feuergefecht zu verwenden und damit die Kolonne in minderem Grade zu schützen, oder der längeren Front der stärkeren Plänklerlinie durch eine Teilung nötigen Rückhalt zu verleihen .
der Kolonne den
Und eines solchen bedurften sie auch
jetzt noch, denn trotz Flintenschlofs und Bajonett waren die Schützen noch nicht selbständig genug , um die Stütze geschlossener Massen zu entraten. Weil also die Führung einen bestimmten Betrag vorbereitender und schützender Feuerthätigkeit nicht entbehren zu können glaubte, mufste sie sich wohl bequemen, die für ihre speziellen Rücksichten günstigere Form der Massenkolonne in Kolonnenlinien auseinanderzuziehen ,
sobald
die erstere in eine
solche Phase des Ge-
fechtes eintrat , welche die Entwickelung der Schützenlinie voraussichtlich machte. Bis zu diesem Zeitpunkte , wo dieser Kompromis zwischen Führungsgewalt und Feuergefecht
eintreten musste ,
die Brigademasse als die beste Form für Bereitstellung ,
blieb
Bewegung
und Beaufsichtigung gröfserer Infanteriekörper in unbestrittenem Besitze der Herrschaft. Für
die Bataillonskolonne
selbst war eine weitere Gliederung
zu Kampfeszwecken nicht vorgesehen. Sie setzte sich zwar aus Compagnieen und Zügen zusammen , aber erstere waren nur dienstlich administrative Unterabteilungen und gingen im formierten Bataillon so vollständig unter, dafs der Compagniechef zum Zugführer wurde, letztere dienten nur als Evolutions- und Beaufsichtigungseinheiten . Von ihrer Bestimmung in der Plänklerlinie wird nachher die Rede sein. Aber eine besondere Eigentümlichkeit hatte diese Bataillonskolonne
im Vergleiche zur früheren.
Indem sie nach der Mitte formiert war,
hatte sie den Gedanken an die Möglichkeit einer linearen Verwendung des Bataillons , wie diese im Reglement sogar vorgesehen ist, in sich wieder aufgenommen. Das Reglement beschränkte zwar diese Form in ausgiebiger Weise, nämlich auf Abwehr und stehende Verfolgung , und hatte Recht daran , denn nur in diesen Fällen war es gestattet, von der Feuerkraft der Linie Nutzen zu ziehen, ohne dafs die Führung dadurch erheblich erschwert war, weil diese dann nur mit der Feuerleitung zu thun hatte.
Aber immerhin darf diese Rück-
244
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
sicht auf die Herstellung der Linie als eine
sehr wesentliche Ver-
änderung betrachtet werden . Auch in der Verwendung des
zerstreuten Gefechtes weist das
besprochene Reglement zwei wesentliche Neuerungen auf. ist die quantitative Steigerung der Plänklerlinie .
Während
Die eine die na-
poleonische Infanterie 1/9, später 16 ihrer Stärke zum Plänklergefechte bestimmt, verwendet die preuſsische dafür ein volles Dritteil, das dritte Glied, welches in vier Schützenzüge sich formiert, sobald der Eintritt des Bataillons in das Feuergefecht bevorstand .
Diese namhafte Ver-
stärkung der Feuertendenz wird aber auch in höherem Grade bestimmend für die Preisgebung aller mehrbataillonigen Kolonnen. Die nämliche Wechselwirkung ,
welcher wir bei
der Gestaltung der
Infanterieformen des 16. und 17. Jahrhunderts begegnet sind. Trotzdem aber liegt in der Art und Weise der Organisation des zerstreuten Gefechtes Beschränkung ,
im preufsischen Reglement eine weit stärkere
als sie dem französischen Bataillon durch die Ein-
führung der Voltigeurcompagnie auferlegt war.
Allerdings war durch
die Bestimmung
zerstreuten Gefechte
der Voltigeurcompagnie
zum
dem letzteren eine quantitative Grenze gezogen ; aber nichts hinderte den Bataillonskommandeur ,
mehr auszugeben.
Denn da seine Ba-
taillonskolonne aus 8 (oder 5) Compagnieen hintereinander bestand , so konnte er nach Belieben aus der Tête derselben die Plänklerkette verstärken, ohne seine Kolonne zu zerstören . Beim preufsischen Bataillon standen zur Bildung und Verstärkung der Plänklerkette die vier
Schützenzüge
zur Verfügung ;
waren diese aber einmal aus-
gegeben , so konnte eine weitere Verstärkung derselben nicht leicht ohne Störung der reglementären Kolonnenform vorgenommen werden. Auszuführen war dies ja allerdings, aber immerhin durch die Form der Kolonne so wenig begünstigt , und ein Motiv zur Mäfsigung lag.
dafs
schon
darin ein Fingerzeig
Diese ideelle Beschränkung wird anderseits wieder in höherem Grade verständlich durch und deren Feuerleitung. normale
Schützenquote
die Zusammensetzung In
dem
durch
der
Plänklerlinie
französischen Bataillon war die
eine
geschlossene
Compagnie ,
in
dem preussischen durch vier einzelne Züge repräsentiert ; in jenem hatte der Bataillonskommandeur nur eine , in diesem mehrere Plänklerlinien zu leiten . Das Feuer der zerstreuten Ordnung war das Einzelfeuer , jenes der geschlossenen Soutien an) die Salve ;
Glieder (vom
ersteres war so ziemlich dem Ermessen des
Schützen anheimgegeben , letzteres
allein noch vollständig in der
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Gewalt der Führung .
245
Mit jeder weiteren Verstärkung der Plänkler-
linie durch neue Züge vervielfachte sich das Mifsverhältnis in deren Zusammensetzung und vervielfachte sich die Zahl der Gewehre , die . der Bataillonskommandeur aus der Hand gab , - ein Grund mehr ,
über die normale Grenze der
Stärke
der
Plänkler nicht
hinauszugehen. Eben dieselbe Thatsache zeigt nicht nur, dafs mit der stärkeren Dotierung der Plänklerkette im preufsischen Reglement eine gröfsere Selbständigmachung des Feuergefechtes nicht beabsichtigt war , sondern erklärt auch die eigentümliche Doppelrangierung der preufsischen Infanterie und gestattet endlich die Beobachtung ,
dafs
dagegen die
Scheidung der Infanterie nach ihrer Verwendungsart nunmehr prägnanter wieder hervortritt. Was die Rangierung anbelangt ,
so sind aus den Feldzügen
der napoleonischen Zeit die Infanterieen aller europäischen Armeeen mit der reinen dreigliedrigen Rangierung hervorgegangen , mit Ausnahme der englischen und der preufsischen. Die Annahme Rangierung bei
einer
der
doppelten ,
zwei-
preufsischen Infanterie
und dreigliedrigen hatte zunächst die Be-
deutung, dafs die Ausgaben , die der Bataillonskommandeur für das Plänklergefecht machte , für den geschlossenen Teil seines Bataillons formell durchaus nicht fühlbar werden sollten. Er konnte bis zum Bedarfsfalle sein Bataillon als Einen er konnte
geschlossenen Körper führen,
aber auch unter Formierung der Schützenzüge aus dem
dritten Gliede in der Linie wie in der Kolonne in die zweigliedrige Stellung übergehen , Plänkler entwickeln, verstärken , einziehen, ohne dafs die Formen des geschlossenen Bataillons sich im mindesten änderten. Das letztere formierte die Kolonne und die Linie auf zwei Gliedern gerade so wie auf dreien , und der wesentliche Unterschied lag nur
darin ,
dafs
dort die Schützenzüge wie ein Dispo-
sitionspauschal des Bataillonskommandeurs gebildet waren.
Die
für das Plänklergefecht
Doppelrangierung ist demnach das Resultat
eines Kompromisses zwischen den Bestrebungen nach ökonomischer Beschränkung , wie auch genügender Entfaltung des Feuergefechtes und nach Einfachheit der Formen . Dafs in den anderen Armeeen sich
dieselbe
zunächst nicht ebenfalls herausbildete ,
hatte
seinen
Grund nur darin, dafs man dort den Schwierigkeiten durch die Anlehnung an die französische Form ,
i. e. Bildung
compagnieen aus dem Wege ging ,
dabei
eigener Schützen-
allerdings
aber auch die
Möglichkeit mit in den Kauf nahm, dafs sich das Feuergefecht über Bedarf und Willen ausdehnte .
246
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen Auch die Scheidung der Infanteriegattungen war bei geradeso wie die Beschränkung des
dem französischen Bataillon
Plänklergefechtes im minderen Grade der Fall . Allerdings waren die Voltigeurs eine Specialität der Infanterie, dem Namen nicht blos , sondern auch dem Ersatze nach ; aber , wenn man den Grund ihrer Einführung im Auge behält, erscheint diese mehr als eine Konsequenz des Strebens nach Ausdehnung der Rekrutierungssphäre . Man rekrutierte also nicht Voltigeure um eine besonders zum Plänkeln geeignete Infanterie zu bekommen , sondern man nannte die kleineren Leute, die man auszuheben sich genötigt sah, mit besonderem Namen und gab ihnen besondere Verwendung in der zerstreuten Form, weil sie in der Masse nicht so gut geeignet schienen. Anders war dies im preufsischen Bataillon. Hier war allerdings der Schütze nicht einmal besonders rekrutiert, aber er wurde in der Compagnie besonders mit Rücksicht auf seine Bestimmung ausgewählt . Nicht das einseitige Mafs der Körpergröfse , sondern das allgemeine der Befähigung zum zerstreuten , zum Feuergefecht bildet hier die Grundlage der Wahl .
Die Scheidung der Gattungen war hier nicht
nur eine formelle, sondern eine materielle. So tritt demnach die Schaffung verschiedener Infanteriegattungen wieder hervor mit jener Art der
Verbindung
und
von Kolonne
bei welcher der Schwerpunkt des Kampfes in die erstere gelegt war. So war es auch im 16. Jahrhundert gewesen. Dort zwar konnte man noch der Meinung sein, dafs die VerschiedenPlänklergefecht ,
heit lediglich in der Bewaffnung und Tradition begründet war ; sie aber nun wieder Platz griff , ist doch eine Erscheinung,
dafs
welche sehr darauf hinweist ,
dafs sie in dem Wesen der Kampfes-
form liege, und welche schon jetzt die Folgerung anzudeuten gestattet, dafs die prinzipielle Festhaltung der Kolonne auf eine Variation von Infanteriegattungen nicht zu verzichten gestatte. Ja ,
diese Variation
weiter getrieben.
zeigt sich im 19. Jahrhundert sogar noch
Der gevierte Haufe
bedurfte
seiner Musketiere
zum Plänkeln, dieselben konnten aber auch zum kleinen Kriege gebraucht werden ; die fridericianische Lineartaktik , welche eine Verwendung der regulären Infanterie im kleinen Krieg suchte ,
ihrerseits wieder
auch in der Schlacht in
welche das Auftreten Plänkeln
zu vermeiden
schuf sich zu diesem Zwecke die Freibataillone , solchen
die dann
Gefechtslagen,
geschlossener Linien nicht gestatteten ,
verwendbar waren ,
die Kolonnentaktik des
zum
19. Jahr-
hunderts erzeugte nicht blos im Bataillon eine Species zum Plänkeln , sondern auch in der Armee eine Species für den kleinen Krieg ,
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
247
wenn auch beides ohne jene schroffe Ausscheidung , welche in den vorgedachten Zeiten bestand. Denn dersselbe Geist, welcher die Mehrzahl der Feuergewehre in die Kolonnenform bannte , in der Gewalt der Führung zu erhalten , gröfsere Ungebundenheit der Formen ,
um sie besser
mufste auch streben die
wie
sie dem kleinen Kriege
unvermeidlich anhing , nach Möglichkeit von der Infanterie ferne zu halten. Es war dies der nämliche Geist , der im 16. Jahrhundert die verschiedenen Arten von berittener Infanterie Schützen ersonnen hatte.
oder
reitenden
Diese dritte Infanteriespecies waren nicht etwa die Füsiliere , welche nach Auswahl , Ausrüstung und Bewaffnung in nichts von der übrigen Infanterie unterschieden ihren Namen mehr nur von historischer Begründung herleiteten, sondern die Jäger , die seit der Einführung der Fufsjäger Friedrichs des Grofsen an Zahl und Ausbreitung allmälich
zunahmen ,
und dies insbesondere
in den Be-
freiungskriegen , wo in demselben Mafse , wie das oben dargestellte Bedürfnis, sich auch das Material für derartige Formationen bot. Sie waren vorwiegend für den kleinen Krieg , für das Auftreten in Schützenlinien bestimmt und mit Rücksicht hierauf rekrutiert , bekleidet und bewaffnet. Ein höherer Grad von individueller Beweglichkeit und Schiefsfertigkeit waren die Hauptforderungen .
an diese Waffe gestellten
Solcher Jägerformationen entstanden allenthalben in steigender Zahl ; nirgends aber hat diese Waffe in ihrer Gestaltung und Entwickelung die Grundprinzipien
ihrer Bestimmung so korrekt beob-
achtet und bewahrt , als in der preufsischen Armee, wo der Forderung der Beweglichkeit , Findigkeit und des Scharfschiefsens sowohl durch die Aushebung als auch durch die Bewaffnung und Ausrüstung der Jägerbataillone in einem Umfange Rechnung getragen wurde, der allerdings auch der Zahl jener Bataillone Gleichwohl sind es die Jäger ,
eine
enge Schranke zog.
an welchen die Entwickelung nun
ihren weiteren Gang anknüpft. Als Träger höchster Feuerleistung eben sie den Schützen und damit dann der übrigen Infanterie das Beispiel und die einzuschlagenden Wege an . An der Kolonne war nicht mehr viel zu bessern, sie entsprach den Bedürfnissen der Führung und Beaufsichtigung , gab durch ihre Deployierfähigkeit auch die Möglichkeit , zeitweise die ganze Feuerkraft zu entfalten , und war bei den damaligen Leistungen des Infanterie- und Artilleriefeuers auch mit Rücksicht auf die Verluste bei weitem nicht in dem Grade bedenklich, als sie in anderer Hinsicht dem moralischen Halte der Truppen förderlich war .
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
248
Es richtet sich demnach der ganze Zug des Strebens nach Verbesserung auf die dem Plänklergefecht zu grunde liegenden Eigenschaften der individuellen Feuer- und Bewegungsleistung. In ersterer Beziehung ist erwähnenswert die Einführung der Perkussionszündung , die jedoch dem Feuereffekt in minderem Mafse als der Verlässigkeit der Waffe ballistischer Hinsicht
ein
zu Gute kam.
War es
erheblicher Vorteil ,
dafs
immerhin in
die
Pfanne in
Wegfall kam, der gröfste Gewinn lag dennoch in der Sicherheit, bei jedem Wetter schiefsen zu können und den Launen des Feuersteins enthoben zu sein.
Darum hielt dieser Fortschritt sich gar nicht lange
bei den Präzisionsgewehren der leichten Infanterie auf, sondern dehnte sich, so rasch es die Mittel erlaubten, auf die Gesamtheit der Infanterie aus. Weil er aber die Präzision des Feuers nur wenig förderte, dessen Schnelligkeit aber eher verminderte , so blieb er auch ohne umgestaltende Wirkung auf die Gefechtsformen. Weit ergiebiger erwies
sich
dagegen die
gezogenen Präzisionsgewehres .
Einführung des
Es ist zu dem gegenwärtigen
Zwecke durchaus nicht nötig, die verschiedenen Waffen darzustellen , welche
diese Waffe vom Experimente bis
zum
Truppengebrauche
durchgemacht hat ; genügend ist es , da anzuknüpfen , wo das gezogene Gewehr der Truppe in die Hand kam. Dafs dies vor allem bei begreiflich.
Sie ,
den Jägern der Fall war ,
ist leicht
die ja vorwiegend zum zerstreuten Gefechte be-
stimmt waren, konnten weit mehr von einer Waffe, deren Effekt von der Schiefsfertigkeit des Einzelnen abhängig war, Nutzen ziehen, als die Linieninfanterie ,
deren Hauptwaffe
deren Hauptfeuerform die Salve war. zuerst in die Hände der Jäger.
eigentlich das Bajonett und
So kam das gezogene Gewehr
Aber dabei konnte es umsoweniger stehen bleiben, als ja Teile der übrigen Infanterie ebenfalls ganz besonders zum zerstreuten Gefechte bestimmt waren. Es trat demnach sehr bald ein , daſs auch die Schützen der Infanterie das gezogene Gewehr erhielten, und endlich musste sich dessen Gebrauch schon deshalb nach und nach über die ganze Infanterie ausdehnen , weil die Möglichkeit der Verwendung als Plänkler bei keinem ihrer Glieder ausgeschlossen war.
Preussen
ging dadurch, dafs es erst seine Jäger und Füsiliere , dann die übrige Infanterie mit dem Zündnadelgewehr versah, noch einen Schritt weiter, einen Schritt allerdings, den damals mitzugehen sonst allerwärts nicht gewagt werden mochte. Übrigens war , bis diese Entwickelung zur Reife gelangt war, Es die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fast vorübergegangen.
249
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
dauerte daher eben so lang, bis in den aus den napoleonischen Kriegen überkommenen Gefechtsformen eine Änderung eintrat. Eine solche leitete sich mit dem Zeitpunkte ein , wo die ganze
Infanterie mit gezogenen, also weit und sicher schiefsenden Gewehren bewaffnet war. Einerseits lag es nahe, die Befähigung der Gesamtheit zum Feuergefecht in höherem Grade auszunützen ,
andererseits
mufste es notwendig erscheinen , zum Schutze der Kolonnen gegen die verbesserte Feuerwirkung die Plänklerlinie angemessen zu verstärken . Zunächst war es die Organisation ,
welche bemüht war ,
Ausdehnung des Feuergefechtes die Wege zu ebnen.
einer
Verbesserung
und Erleichterung des Gepäckes , Einführung zweckmäſsiger Bekleidung und Pflege der Gymnastik dienten dazu , den einzelnen Mann in höherem Grade zum Plänkeln zu befähigen . In die Ausbildung der Bataillone im zerstreuten Gefechte kam Methode und Emsigkeit , und so war bald nichts, was hinderte, jeden Teil der Infanterie zum Plänkeln zu verwenden. Wenn nicht schon damals
die Verschiedenkeit der Infanterie-
gattungen als berechtigungslos verschwand, so ist der Grund hiervon eigentlich nur zu suchen in der konservativen Anhänglichkeit an das Hergebrachte, welche im Heerwesen thatsächlich von nicht zu unterschätzendem Werte ist .
Einen Schein von Berechtigung erhielt die
Beibehaltung verschiedener Infanteriegattungen dadurch , dafs man die leichte entweder mit einem noch verfeinerten Modell des Gewehres versah, oder sie durch eine besondere Ausbildung in der Gymnastik des zerstreuten Gefechtes zu einer Spezialität der Beweglichkeit machte.
Letzteres war auch ,
und insbesondere der Fall da,
wo die durchgängige Bewaffnung der Infanterie mit gezogenen Gewehren noch nicht durchgeführt war (Frankreich) . In elementartaktischer Beziehung
wären
auch jetzt noch nicht notwendig gewesen ,
eigentlich Neuerungen
wenigstens waren solche
durch die bisherige Einteilung der Bataillone in Schützen- und Musketiercompagnieen nicht gefordert.
Es genügte vollständig, den schon
vorher nicht in Abrede gestellten Grundsatz , dafs jede Compagnie zum zerstreuten Gefechte verwendet werden könne, praktisch auszuführen . Nur in Preufsen , wo die Gliederung des Bataillons in Schützen und Musketiere nicht nach Compagnieen , sondern durch das ganze Bataillon hindurchging ,
wo aber auch aufserdem die Nivellierung
dieser beiden Infanteriegattungen nach Bewaffnung eine vollständige war ,
konnte
und Ausbildung
sich deren taktische Gleichmachung
250
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
nur durch eine Formveränderung
erreichen lassen.
Das Ergebnis
derselben ist das Compagnie kolonnen - System , das für das Gefecht des Bataillons in zerstreuter Ordnung jeder Compagnie ihren Schützenzug eigentümlich überliefs , dem Bataillon an Stelle der Gliederung
nach Zügen jene nach Compagnieen gab ,
pagnieen in formierte.
sich in Zugkolonne ,
also
und die Com-
nach Verwendungsgliedern
Die Einführung der Compagniekolonnen , bezüglich deren es als irrelevant blofs zu erwähnen genügt, dafs sie schon in den Befreiungskriegen gewissermafsen spontan in Gebrauch gekommen sind, ist als Symptom einer entschiedenen Wendung zur Feuertaktik in zweifacher Hinsicht bemerkenswert.
Indem sie die Zerlegung der einen Batail-
lonskolonne in vier kleinere Bataillönchen vornimmt, ersetzt sie einerseits die unmittelbare Führung des Bataillons
durch die mittelbare
Leitung, und giebt andererseits für den Gebrauch der Plänkler jede Beschränkung frei. In ersterer Hinsicht zeigt sich eine Analogie mit der Zerteilung Wie diese auch aus
des gevierten Haufens in kleinere Bataillone.
der Einsicht hervorgegangen war, dafs mit einer grofsen Masse sich weniger Schützen entwickeln und decken liefsen , als an mehreren kleineren, so hatte auch jene zum Zweck, die frontale Entfaltung der in der Bataillonskolonne zu sehr gebundenen Feuerkraft zu erleichtern und gleichzeitig dabei , wie damals , die Verluste , zunächst von Seite des Geschützfeuers ,
zu verringern.
Aber ,
wie damals ,
so
schienen sich auch jetzt die kleineren Glieder zu selbständigen Körpern gestalten zu wollen, ein Vorgang , der in früheren Zeiten bei der durchaus geschlossenen Form der Taktik , bei der geringeren Zahl und der immerhin noch sehr bedeutenden Stärke der Bataillone nicht den Grad von Gefahr in sich barg, als die Compagniekolonnen-Taktik bei den durchaus veränderten organisatorischen und taktischen Verhältnissen . In Beziehung auf die Ausdehnung des Plänklergefechtes enthielt das Compagniekolonnensystem eine totale Umwälzung des Bestehenden. Während bis dahin dem Bataillonskommandeur in den Schützenzügen eine gewisse Quote gegeben war, von welcher er ohne irgend welche formale Störung im Gefüge
des ganzen Bataillons Gebrauch
machen konnte, und mit welcher er unter gewöhnlichen Umständen ausreichte, wird nun jeder Schützenzug seiner bezüglichen Compagnie, und damit dieser ein höherer Grad von Selbständigkeit , die Fähigkeit , für sich allein Vor- und Haupttreffen zu bilden , gegeben , das Bataillon
aber
für seinen
Bedarf an Vortreffen auf ganze Com-
251
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart.
pagnieen angewiesen, gerade wie dies früher schon bei der französischen Form der Fall war. Dies zeigt sich schon aus der nunmehr entstehenden Hauptgefechtsform des Bataillons ,
in welcher die beiden
Flügelcompagnieen das Vor-, die beiden anderen das Haupttreffen darstellen. Man erkennt unschwer in dieser letzteren Form ein Seitenstück teils zur spanischen Brigade ,
teils
und
insbesondere
zu Gustav
Adolfs Halbbrigade, so wenig auch behauptet werden könnte, es habe eine dieser bei der Einführung jener vorgeschwebt.
Aber gerade die
Spontaneität dieser Bildung giebt der Vermutung Raum, dafs in der Formengestaltung ein über persönliche Ansichten und Geschmack hinaus vermögendes Prinzip in Geltung gekommen sei, das hier wie dort in ähnlichen Erscheinungen sich geäuſsert hat. Die thatsächlich vorhandenen äufseren Verschiedenheiten lassen sich aus der verschiedenen Beschaffenheit der Infanterieen von dort und jetzt allein erklären . Hiermit steht
eine andere Wahrnehmung in Übereinstimmung,
die nämlich, dafs in beiden Epochen die militärische Ausbildung eine gröfsere Rolle spielte. Es ist an seinem Orte hingewiesen worden , wie insbesondere die schwedische Infanterietaktik zu anfang des 17 . Jahrhunderts auf einer obligatorischen Heeresbildung und sorgfältigen Ausbildung beruhte, und wie mit dem Niedergange der letzteren die freiere Gliederung der Brigade zur starren Linie einschrumpfte . Auch das Compagniekolonnen - System ist vorwiegend Erzeugnis der Friedensspekulation und Friedensdressur , wie sie sich in den ruhigeren Zeiten nach dem Jahre 1815 geltend Unterstützung fanden
in der,
machten und
ihre
in mancher Beziehung mit Unrecht
„Reaktion " gescholtenen Wiederkehr staatlicher Konsolidierung und Autorität.
Die allseitig
fest begründeten Heeresorganisationen
langer Präsenz gaben Zeit ,
die
ruhigeren Verhältnisse Mufse ,
mit die
Konsequenzen aus den gewonnenen Kriegserfahrungen zu ziehen, und auf dem Wege des Studiums und der Versuche die im Drange gebietender Verhältnisse gewordene Taktik zu durchgeistigen und zu reformieren .
Das Compagniekolonnen - System ist in der That
auch als ein
geistvoller Fortschritt anzusehen, als eine gewissermafsen ideale Formation , welche die gröfste Entfaltung der individuellen Leistungen mit der vollständigsten Einheit
des Willens , die
Entfaltung des
gröfsten Feuereffektes mit der freiesten Bewegung zu verbinden bestimmt ist. Wenn es diese seine Qualifikation nicht vollständig bewahrheitete , so liegt der Grund nicht in seinem Wesen , sondern
252
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
darin, dafs seine Handhabung bei Menschen lag, Menschen, die auch andere Eigenschaften und Fähigkeiten haben, als jene sind, wie man sie zur Verwirklichung von Idealen braucht. Darin lag auch der Keim der Degeneration ,
die sich einstellte
mit derselben Notwendigkeit wie bei der schwedischen Taktik . war es nicht
der Rückgang
der Ausbildung ,
sondern
Nur
deren Fort-
schritt, welche die Veränderung vollbrachte, natürlich auch in anderer Form . Wie damals die Erstarrung, so folgte jetzt die Zersetzung. Auf diese Gefahr war man mancher Orten schon im voraus aufmerksam gewesen .
Einer allgemeineren Verbreitung der Com-
pagniekolonnen hatte mehrfach die Besorgnis entgegengewirkt ,
es
würden die Compagnieen sich von dem Bataillon loslösen , sich zu selbständigen Körpern erheben , die Zahl der Treffenglieder vervielfachen und dadurch Einfluss
und Einheit der Führung vermindern.
Der Umstand , dafs das Feuergewehr bei aller Vervollkommnung in der Präzision doch quantitativ nicht genug leistete ,
um im Feuer-
kampfe mit der Linie allein bestehen zu können, liefs eine Zerlegung der Bataillonskolonne ohnedies als kein Bedürfnis erscheinen. Für eine reglementäre Einführung der Compagniekolonnen fehlte es noch in den fünfziger Jahren vieler Orten an Neigung ; da, wo man dem Bataillon eine Untergliederung zugestehen zu sollen glaubte, betrat man einen Mittelweg, wie dies insbesondere in Österreich der Fall war, wo das Bataillon in drei Doppelcompagnieen (Divisionen) focht. Gleichzeitig ward auch ein Schritt gemacht zur Einführung der zweigliedrigen Rangierung. Im Gefechte sollte nämlich das dritte Glied herausgezogen und zur Bildung besonderer Züge tachierung, Formierung von Reserven u. s. w.
behufs De-
verwendet werden.
Der Umstand , dafs diese neuen Züge in keine besondere Relation zum Plänklergefechte traten , sondern eigentlich in dem Bataillon eine neue Gliederung hervorbrachten, wobei die bisherigen Verbände, wenn auch nicht zerrissen, so doch geschwächt wurden, zeigt deutlich, dafs diese Doppelrangierung
sich der
zweigliedrigen Einheitsrangierung
mit gröfserer Entschiedenheit nähert, andererseits
aber auch den
Stempel der Halbheit in demselben Maſse trägt . Gerade aber mit diesen Divisionen wurden im Feldzuge 1859
schlimme Erfahrungen gemacht ; sie bewahrheiteten dort in der That die Ansichten jener, welche der Zerlegung des Bataillons in kleinere selbständige Körper die Gefahr der Zersplitterung geweissagt hatten. In allen Gefechten und Schlachten dieses Krieges finden wir die Bataillone in ihre Divisionen zerrissen , die Divisionen verschiedener
253
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart . Bataillone und Regimenter untereinander gemischt ,
die Einheit des
Befehls durch die wenn auch bestgemeinte centrifugale Willkür der Divisionsführer verdrängt.
Und wenn auch für den eigentlichen Ver-
lauf jenes Feldzuges mancherlei andere noch erheblichere Gründe von sehr grofser Wirksamkeit gewesen sind, so läfst sich gleichwohl nicht verkennen, daſs in den taktischen Teilentscheidungen die Divisionskolonnenform vielfach von einem nachteiligen Einflufs gewesen ist, den die technische Überlegenheit des damaligen österreichischen Infanteriegewehres über die glatte französische Flinte nicht lysieren vermochte.
zu para-
Die französische Infanterie dagegen war ihren Überlieferungen insofern treu geblieben, als sie in ihrem Reglement von 1831 dem sonst im grofsen und ganzen zu Grunde liegenden Reglement von 1791 , das noch vollständig auf dem Boden der friedericianischen Lineartaktik stand, nur die nötigsten Kolonnenbildungen u . s . w. einverleibt hatte. Während die rückwärtigen Treffen in Bataillonskolonnen blieben, bediente sich das Haupttreffen der geschlossenen , das Vortreffen der geöffneten Linie, für welche jedoch in beiden Fällen innerhalb des Bataillons eine weitere Gliederung nicht mehr bestand , ein Reglement, das bei aller Unvollkommenheit und Prinziplosigkeit den Vorteil hatte ,
dafs sie durch die Gebundenheit der Form
die Führung erleichterte. Solche Erfahrungen riefen in Österreich schon jetzt wieder eine entschiedene Reaktion zu Gunsten der Bataillonskolonne hervor und zwar in solchem Grade, dafs dabei nicht nur die Bataillonskolonne , sondern auch die derselben
analogen Formen
der Regiments- und
Brigademasse für den Gefechts- und Kampfesgebrauch gesetzt wurden .
wieder ein-
Um diese Zeit, zu Anfang der sechziger Jahre , vollzog sich in fast allen Armeeen der Übergang zur einheitlich zweigliederigen Aufstellung .
Sie war veranlafst durch die vollständige Verbreitung
des gezogenen Präzisionsgewehres. Die qualitativ gesteigerten Leistungen desselben ,
wie
sie
sich
auf dem Schiefsplatze mit Bezug auf
Tragweite und Treffsicherheit ergaben , mochten die Erwartung erzeugen, dafs diese und die erreichte Frontverlängerung die lokale Verdünnung des Feuers wieder ausgleichen würden .
Gleichwohl ist
diese Verflachung der Aufstellung selbst unter das in der Linearzeit für zulässig erachtete Minimum kein Symptom einer gröfseren Hinneigung zu ausschliefslicher Feuertaktik. Denn als Nähewaffe für Stofs und Widerstand war das Gewehr in quantitativer Beziehung nicht leistungsfähig genug ; dafür mufste nach wie vor die Kolonne
254
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen
(bezw. das Carré) aufkommen , wobei dann auch die Rücksicht auf Es blieb also das Feuergefecht die Führung ihre Rechnung fand. auf die einleitende und erschütternde, die Kolonne auf die entscheidende Gefechtsthätigkeit berechnet. Hauptsache war also immer noch die letztere, und es erklärt sich daraus , dafs die Wahl der zweigliederigen Rangierung ,
bezüglich deren
innerer Berechtigung man
im Zweifel sein kann, weil die Schiefsplatzeffekte nicht auf den Kampf übertragen werden können, so leicht fiel ; - die Rangierungsfrage war für die Kolonnentaktik eben einfach irrelevant, letztere war mit zwei Gliedern ebenso durchzuführen , bestand wenig Neigung ,
wie vorher auf dreien.
Gleichwohl
nunmehr das Schützengefecht zu verallge-
meinern, wozu doch die durchgängige Einführung des gezogenen Gewehres aufzufordern schien . Denn dann würde das bisherige organisatorisch fixierte Verhältnis zwischen der Stärke der Plänklerlinie und jener der Kolonne verschwunden und die Versuchung stärker geworden sein, der Erschütterung zu Liebe einen gröfseren Teil des Bataillons im Feuergefecht zu verausgaben , als der Kolonne für ihre Entscheidungszwecke gefrommt hätte. Man konnte also die Verwischung des Unterschiedes zwischen den Schützen- und den anderen Compagnieen nicht begünstigen und frischte denselben daher abermals durch Verschiedenheit der Bewaffnung auf, indem man jene mit einem noch feineren Gewehrmodell ,
der Büchse ,
ausstattete.
Waffe ward durchgängig jenen Bataillonen zu Teil ,
für
Die gleiche welche von
Hause aus eine ausgedehntere oder vollständige Verwendung zum zerstreuten Gefechte in Aussicht genommen war. Und da die Verwendung stärkerer Schützenlinien
eben doch immer mehr in Er-
wägung zu ziehen war , so führte dies
zu der Vermehrung dieser
leichten Infanteriebataillone (Jäger u. s. w.), um so mehr, als diese zugleich als eine Konsequenz des Strebens , die Linienbataillone möglichst geschlossen zu behalten , erschien. Auf diese Jägerbataillone wandte sich denn auch alle die Sorgfalt, die man dem Feuergefechte zuwenden zu müssen empfand , die aber durchgängig anzuwenden nicht einmal zweckmäfsig erschien. Waren sie auch in ihrer Ausrüstung von den Linienbataillonen nicht sehr verschieden und gestattete es zudem ihre grofse Zahl nicht, sie mit besonderem Ersatze zu bedenken, so war doch auf ihre Ausbildung im Schiefsen, im Felddienst, in der Gymnastik grofses Gewicht gelegt und höhere Sorgfalt verwendet.
In letzterer Beziehung hat
die hohe Meinung, die man von dem Effekte der französischen Chasseurs 1859 gewann, viel mitgeholfen. in der steten Berührung
Und indem diese Bestrebungen
auch bei den Linientruppen Eingang und
der Infanterie in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Nacheiferung fanden , Geschick.
gewannen
255
auch diese an Beweglichkeit und
Die bisherigen Darstellungen hatten immer die Gestaltung der Taktik der preufsischen Infanterie bei Seite gelassen , welche seit 1847 ihren besonderen Weg gegangen war.
Gebahnt wurde die neue
Entwickelungsrichtung durch eine radikale Neuerung, die Bewaffnung der Infanterie mit dem Hinterladegewehr, dem Dreyse'schen Zündnadelgewehr, welche schon seit 1835 in Aussicht genommen und allmählich angebahnt, im Verlaufe der fünfziger Jahre zur Durchführung gelangte. Dieser Schritt ist als der Anfang einer neuen Epoche anzusehen : er setzte an die Stelle des Vorderladegewehres, das trotz seiner sonstigen Vorzüge es nie dahin hätte bringen können , ausschliesslich Entscheidungswaffe zu sein, das Rückladesystem, welches das Zeug zu einer solchen in sich trug, und in dem Mafse , als sie dies geltend zu machen vermochte , auch der Taktik neue Entwickelungswege eröffnete. Das Zündnadelgewehr war durchaus nicht
eine
Konstruktion
vollkommenster Art, und die mannigfachen Aussetzungen, welche die Theorie daran zu machen hatte, waren nicht falsch.
Aber darin war
es doch allen zeitgenössischen Infanteriegewehren voraus, dafs es eine rasche Wiederherstellung der Feuerbereitschaft und die volle Unabhängigkeit des Schützen von seiner Lage und seinem Standorte ermöglichte : zwei Dinge welche auf den quantitativen Feuereffekt ohne Zweifel
einen aufserordentlich
steigernden Einfluss
üben mussten .
Dagegen wurde wohl geltend gemacht der entsprechend grofse Munitionsverbrauch, die gröfsere Wichtigkeit der qualitativen Feuerleistung, die dem Kriegsgebrauche zuwiderlaufende Künstlichkeit des Verschlufsmechanismus u . s . w. Aber da jeder der beiden Teile mit gutem Grunde auf seinem Urteile beharrte, musste die Lösung der Kontroverse der Allmacht der Thatsache, der Erfahrung überlassen werden . Von dem Standpunkte , auf welchem
die Anhänger des Zünd-
nadelgewehres sich befanden , war es aufser Frage , dafs die quantitativ gröfsere Feuerleistung die qualitativ bessere nicht die theoretisch , sondern die praktisch
auf dem Kampffelde
erreichbare -
überbiete, und dafs dem Einwand des gröfseren Munitionsverbrauches durch reichere Patronenzahl, wie solche ja auch das kleinere Kaliber zuliefs , und durch gründliche Ausbildung im Feuergebrauche begegnet werden könne. Von demselben Standpunkte war es dann auch sicher, dafs diese verstärkte Feuerkraft die Widerstandsgröfse der Feuerlinie ebenso wie deren Fähigkeit, einen feindlichen Widerstand zu brechen , ganz bedeutend erhöhte . 18 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
256
Die historische Entwickelung der Gefechtsformen etc. Von da ab tritt
denn auch die formale Taktik in jene neue,
wichtige Phase ein , in welcher das Feuergewehr auch den Bajonetttypus in sich aufsaugt, zur Waffe
nicht nur der Vorbereitung und
Erschütterung, sondern auch zu jener der Entscheidung wird. teres in vollem Mafse dem Zündnadelgewehre
Letz-
zuzuerkennen , fehlte
es wohl an einzelnen , mehr technischen Vorbedingungen, verbot wohl auch eine gewisse Zurückhaltung , welche aus praktischen Gründen sich scheute, die Grundauffassung der ganzen Taktik mit einem Male auf den Kopf zu stellen . behalten.
Auch das war der Erfahrung noch vor-
Immerhin aber gewinnt von dem geschilderten Standpunkte aus die Einführung der Compagniekolonnen einen logischen Sinn, den es anderwärts , wo man sich der Rückladungswaffe gegenüber noch miſstrauisch verhielt, eben nicht haben konnte.
Was war naturgemäſser,
als der Bataillonskolonne eine Form zuzugestehen, in welcher sie in der Lage war, durch reich entwickelte Feuerkraft mehr zu als sie an mechanischem Zusammenhange einbüfste ?
gewinnen
Die Möglich-
keit, die Bataillonskolonne so lange als wünschenswert beizubehalten , oder die Compagnieen wieder in sie zusammen zu schliefsen, schien durch den engen Zusammenhang, welcher zwischen der Kolonne nach der Mitte und den Compagniekolonnen reglementär hergestellt war, zur Genüge verbürgt.
Welch grofser Vorteil für die Verwendung des
einzelnen Bataillons, wenn dasselbe von Hause aus eine seiner gefechtsmässigen Gliederung entsprechende Untereinteilung besafs , wenn selbst die einzelne Compagnie durch ihren Schützenzug prädestiniertes Vortreffen bei sich hatte !
schon ein
Wenn man also davon ausging, dafs die im CompagniekolonnenSysteme zugestandene Verflachung der Gefechtsform für die Entscheidung ohne Nachteil sei , teils weil die Zusammenfügung in eine Kolonne wieder möglich, teils weil die Einbufse an formaler Stofskraft durch den Gewinn an Feuerwirkung und Frontausdehnung mehr als eingebracht sei , konnte es eine bessere Form für das Gefecht der mit Rückladegewehr bewaffneten Infanterie nicht geben. Fraglich blieb es nur, ob diese Prämissen sich auch in der Erfahrung als so sicher erwiesen , wie man sie nach den Bemühungen der Exerzierausbildung ansehen zu dürfen glaubte. Zur Beantwortung auch dieser Frage reichte die blofse Spekulation nicht aus. (Fortsetzung folgt .)
Gerhard David von Scharnhorst.
257
XXIII .
Gerhard David von Scharnhorst. Ein militärhistorisches Charakterbild.
Von A. v. Crousaz, Major zur Disposition. (Schlufs.) Wenn Scharnhorst zur Effektuierung aller dieser Neuentstehungen dasjenige that , was seines doppelten Berufes , im Kriegsdepartement und bei der Kommission, war, und es so that, wie dies durch seinen Patriotismus und sein Genie bestimmt wurde , so ist von seiner in den zweiten Teil der Reorganisationsperiode *) gehörigen Aktion noch viel besonderes zu sagen. Vorerst schon im allgemeinen von der stets schwierigen Lage, in der er sich einmal mit der Politik dieser Zeit und den Bedrängnissen des Vaterlandes, zweitens mit seiner nie rastenden inländischen Gegnerschaft befand ; Wechselwirkung .
diese Übel
standen
mit einander in
steter
Der Franzose lag noch in einem Teil unserer Festungen , zehrte unserem Marke ,
bewachte jede unserer Lebensregungen mit
Argusaugen und vexierte uns durch eine von keiner Nation dauernd zu ertragende Kontrole.
Seine Forderungen wuchsen täglich , und sein
auf unseren Ruin zielendes Vorhaben schien nur noch eine Zeitfrage zu sein ; wenn es keine Rücksichten auf Rufsland mehr gab ,
wenn
sein Engagement mit Spanien ihm Spielraum liefs, dann standen wir am Abgrunde. Jener peinlichen Beengung und diesem Schrecknisse gegenüber war die Sorge und Arbeit Desjenigen , welcher an unserem militärischen Ruder safs, wahrhaft aufreibend ; je mehr es aber auf seinem Standpunkte zu befürchten und zu verhüten , klug zu temporisieren und kühn für die richtige Stunde vorzubereiten gab, desto zahlreicher wuchsen ringsum Richtungen aus der Erde .
die inländischen
Vertreter
extremer
Solche , die in blinder Leidenschaft , un-
bedacht und vorzeitig, nur losschlagen wollten ; Geheimbündler, welche,
*) 1809-1812.
18 *
Gerhard David von Scharnhorst.
258
den Argwohn des Feindes nährend, unsere systematische Vorbereitung für den Befreiungskampf nur störten ; deutsche Franzosen, von denen unsere volle Hingabe an den Unterdrücker erstrebt war ; die Anhänger des alten Schlendrians und die durch Selbstsucht bestimmten Gegner Scharnhorsts und Gneisenaus endlich, -— viel schlimmes Getriebe im eigenen Haushalt ,
gegen das , je gröfser die Bedrängnis
von aufsen war, desto mehr Front gemacht werden musste . Das ganze Volk lag in Sack und Asche und arbeitete dennoch ; die auf Halbsold stehenden oder ganz
brodlosen Offiziere ,
nicht wieder angestellt worden , schleppten
welche
ihr Dasein kaum mehr
und verloren doch die Hoffnung nicht ; die Parteien schwirrten untereinander, aber doch fanden sich immer wieder Dämpfungen und Vereinigungspunkte, und über dem Ganzen waltete eine sichtbare Macht der Einsicht und Beharrung, und noch mehr eine
unsichtbare des
göttlichen Ratschlusses, welche kein Extrem von Innen durchdringen und keine Gefahr von Aufsen vorzeitig hereinstürzen liefs. Solche Patrioten wie Scharnhorst und Gneisenau litten viel, denn sie sahen und verstanden alles,
an ihnen rieb sich jede Partei, man
verlangte alles von ihnen und suchte sie doch stets zu lähmen und zu stürzen ; wenn es geglückt, so wäre der Ast , selbst safs, zerhauen worden .
auf welchem man
Der Alltagsmensch weifs von Scharn-
horst nur, dafs er eine Heeresreform
durchgeführt ,
eine Landwehr
ins Feld gestellt hat und dann an einer Wunde gestorben ist ;
die
militärische Betrachtung erörtert allzu oft nur den Zusammenhang der durch ihn zu stande gebrachten Heereseinrichtungen , ---- aber sein Opfern und Dulden in schwerer Zeit , seine Tiefe als Mensch , sein Können und Thun als Politiker , diese sind nur wenig ermessen worden, und, recht besehen , harrt er eigentlich noch seines Biographen . Hier in diesen knappen Linien einer blofsen Federzeichnung ist ihm um so weniger genug zu thun ;
damit aber unsere Andeutung doch
begründet sei , möge noch ein Blick auf die Prüfungen, welche unser Held von 1809 bis 1812 bestand , und auf seine politisch- militärische Thätigkeit während dieses Zeitraumes geworfen werden . Das Jahr 1809 setzte ihm hart zu und durch seine drangvollen ,
zum Teil aufserordentlichen Ereignisse ist die Fortführung des Organisationswerkes
ungemein erschwert worden. Der Krieg und die Niederlage Österreichs , die deutschen Parteigänger , der Ausbruch Schills , --- das alles verschlimmerte die politische Lage Preufsens, reizte die Parteien auf, isolierte die Besonnenen und gab fechtung Scharnhorsts und Gneisenaus neue Haltpunkte . Mit Ausgang von 1808 entschlofs
sich der König ,
der An-
einer Ein-
Gerhard David von Scharnhorst. ladung Alexanders folgend , nach Petersburg
259
zu reisen.
Er wählte
dabei Scharnhorst, ohne dessen Zuthun, zu seinem Begleiter, — das pafste diesem nicht ganz , denn er glaubte daheim nötiger
zu sein
als in der russischen Hauptstadt. Die dort veranstalteten Festlichkeiten hatten für ihn keinen Wert, aber er informierte sich über die Anstalten zum Fortbau des russischen Heerwesens und erkannte das politische Prinzip , unter welchem Ruſsland mit uns zusammengehen wollte. Der Kaiser Alexander hatte unserem Könige geraten , sich, bei Ertragung des jetzigen französischen Druckes, für andere Zeiten aufzusparen und verhiefs dann , wenn die Zeit des Losbruches gekommen sei , an seiner Seite zu stehen . Diese Politik war schwer und gefährlich, aber Scharnhorst stimmte ihr zu und hielt sich überzeugt ,
daſs
ein isoliertes
ebenso
wie jedes verfrühte Losschlagen
Preussens nur zur Niederlage führen würde. Der König blieb bis zum Februar 1809 in Rufsland und das gewährte immer den Nutzen, dafs man mit diesem Nachbarreiche politisch in Fühlung blieb. Mit anfang März 1809 war die Neubildung unserer Streitmacht nicht blos den Maximen und Einrichtungen nach, sondern auch durch Beschaffung von Material und in betreff der Festungen ansehnlich vorgerückt.
Es hatte sich nicht alles ,
aber
doch das Meiste nach
Scharnhorsts Wünschen gestaltet, und wenn gleichwohl die Sachlage zum Kriege gegen Frankreich noch nicht angethan man im Falle eines uns überraschenden Angriffes mehr so hülflos
gewesen sein ,
als
noch vor
war ,
so würde
doch jetzt nicht
einem Jahre .
Das
kreuzte die Intentionen derjenigen Partei, von welcher eine absolute Hingabe an Frankreich erwünscht wurde, und sie klagte an oberster Stelle über heimliche Insurrektionen gegen Frankreich und war bestrebt , gerade die Patrioten ersten Ranges
zu
verdächtigen.
Über
dergleichen äuſserte sich ein an Götzen gerichtetes Schreiben Scharnhorsts vom 18. März, und man fühlt aus demselben heraus , wie sehr er die Spitze jener Bestrebungen ,
die
doch immerhin nicht ganz
wirkungslos bleiben konnten, gegen sich selbst gerichtet glaubte. Der österreichisch-französische Krieg von 1809 begann schon im April, und der unerhörte Ausbruch Schills fand am 28. dieses Monats statt; beides hat uns in die schwierigste Lage gebracht und die Pein und Gefahr derselben fiel zumeist auf die, welche unser Staatsschiff lenkten . Jener Krieg war kurz und blutig , voll rühmlicher Anstrengung unseres deutschen Nachbars, aber doch nicht glücklicher als dessen vorherige Kämpfe . Wir enthielten uns der Beteiligung , weil unser junges System noch nicht in den Geist und das Blut Aller hinein-
Gerhard David von Scharnhorst.
260
gewachsen, unser Wissen der neuen Regeln noch nicht zum Können geworden, und auch die Zahl unserer Ausexerzierten in den Kantons zu dieser Zeit noch nicht grofs genug war. Schon im Juli hatte Napoleon gesiegt ; auch die deutschen Seitengänger Österreichs waren verunglückt, und im Oktober schlofs man den für Österreich so überaus ungünstigen Frieden von Wien . Wenn Napoleons Macht hiermit auf den Gipfel kam , so steigerte dies auch seinen Übermut ; wenn er seine Bewerbung um eine russische Grofsfürstin aufgegeben und sich mit der Erzherzogin Marie Louise vermählte, so strich dies die Rücksichten , welche er bisher wegen Rufslands noch auf Preussen. genommen, gänzlich aus. Was Schill betrifft, so verwerteten unsere deutschen Franzosenfreunde dessen abenteuerlichen Losbruch ganz in ihrer Art.
Schill
sollte das Werkzeug einer auch gegen den König gerichteten Verschwörung gewesen sein, Scharnhorst und Gneisenau, ja selbst Blücher wurden verdächtigt u. s. w. ,
und wenn dergleichen
auch an dem
richtigen Urteile und der hohen Gesinnung des Königs abprallte, so schuf es doch immer Unruhe und Verdrufs, ja es
mochten daraus
an hoher Stelle sogar Verstimmungen entstehen, die leicht für Kennzeichnungen des Mifstrauens gehalten werden konnten .
Gneisenau,
welcher durch diplomatische Reisen ins Ausland uns Haltpunkte und Verbindungsfäden schaffen wollte , erhielt am 1. Juli 1809 den von ihm erbetenen Abschied für die Dauer des Friedens ; Blücher forderte auch seinen Abschied , Kavallerie ernannt ;
wurde aber statt dessen zum General der
Scharnhorst fand
es für notwendig ,
in einer
Denkschrift nachzuweisen , aus welchem Zustande von Untüchtigkeit das Heer durch die Reorganisationskommission unter seiner, Scharnhorsts , Leitung
gerissen und nach den Ansichten des Königs
einer tüchtigen Wehrkraft umgebildet worden sei. Denkschrift *) heifst es sehr charakteristisch :
zu
Am Schluss dieser
„ Man darf bei der
neuen Einrichtung die einzelnen Gegenstände nicht ohne das Ganze betrachten. Den Geist der Armee zu erheben und zu beleben ,
die Armee
und Nation
inniger
zu ver-
einen und ihr die Richtung zu ihrer wesentlichen und grofsen Bestimmung zu geben , - dies ist das System, welches bei den neuen Einrichtungen zu Grunde liegt , und dieses mögen Diejenigen beurteilen wollen . "
erst studieren ,
welche sie
Scharnhorsts Einverständnis mit dem Könige wurde hierdurch
*) Diese Denkschrift findet sich in Pertz, cit. I. 525-539.
Gerhard David von Scharnhorst.
wieder hergestellt , 1810 jener schon
es bedurfte dessen
261
aber auch um so mehr , da
erwähnte Wendepunkt in der Politik Frankreichs
unsere Lage schwieriger machte , als sie je vorher gewesen war. Bis hierher hatte der französische Kaiser eine ratenweise und allmähliche Abzahlung der Kriegskosten uns gestattet , jetzt
aber verlangte er
zur Tilgung des Schuldrestes eine preufsische Provinz und beklagte sich zugleich über Preufsens vertragswidrige Streitmittel.
Unser Ge-
sandte v. Krusemark berichtete am 1. März aus Paris, dafs dort die Abtretung eines Teiles von Schlesien in Aussicht genommen sei , der französische Kaiser aber auch
durch dieses Opfer
gestellt werden , sondern immer neue Vorwände Preussens finden würde .
nicht
zufrieden
zur Unterdrückung
Dieser drohenden Katastrophe so gut als es eben ging zu begegnen, sandte der König den Feldmarschall Grafen Kalkreuth nach Paris ; aber Scharnhorst glaubte ein fast schon unabwendbares Verhängnis vorzufühlen und hatte kaum noch eine andere Hoffnung, als mit dem Vaterlande zusammen ehrenvoll unterzugehen. Dennoch musste weiter gearbeitet werden , und es geschah mit un-
diejenige ,
veränderter Contenance und Scharfsinnigkeit. Wer dem Ruin scharf ins Auge sieht und , zur Abwendung desselben , auch hart am Abgrunde noch alles thut , was menschliche Kräfte vermögen , der ist der Charaktervolle von Gottes Gnaden. Was für eine Existenz hat Preufsen von 1807
bis 1813
geführt !
Ein
steter Berg
seinem Rücken , ein stetes Messer an seiner Kehle ,
war auf
und in
dieser
Situation zeigte es doppelten Geist und that doppelte Arbeit ; viel Auszeichnung im Unheil war noch nie dagewesen.
so
Kurz vor Kalkreuths Abreise suchte Scharnhorst, um diese Mission zu erleichtern, seine Entlassung nach, denn es war augenfällig, dafs Napoleons Unwille ihn ganz besonders traf; dieses Abschiedsgesuch war auch eine Handlung fürs Vaterland, und wenn es formell gewährt worden wäre, so würde dies den grofsen Patrioten nicht verhindert haben, seine Kräfte dennoch der Sache Preufsens bis zum letzten Momente zu widmen .
Aber der König wählte einen Mittel-
weg, denn er entliefs Scharnhorst für jetzt noch nicht, sondern stellte nur dessen Entlassung, um Napoleon eine zweckdienliche Konzession zu machen, für den Fall, dafs sich ein passender Nachfolger finden würde, in Aussicht. Gneisenau machte Reisen nach England , Schweden und Russland und verwertete sie im politischen Interesse des Vaterlandes ; reuth richtete in Paris nichts aus, und Preufsen blieb bedroht und gepeinigt.
Kalk-
vorerst noch
In diesen Umständen riet Scharnhorst dem
Gerhard David von Scharnhorst.
262
Könige : „ Sich Napoleon bei möglichster Erledigung seiner Klagen
aufserlich
eigentlich aber ,
ganz
unterzuordnen ,
innerlich
und
zu jeder Verzweiflung anstrengung be-
reit , ihm mit allen Kräften entgegen zu arbeiten. " Dieses durch die Pflicht der Selbsterhaltung uns aufgezwungene
Programm erhielt uns wohl Schlesien und rief auch mit eine Spekulation Napoleons hervor, durch welche seine Aktion gegen Preuſsen vertagt wurde . Der französische Kaiser sah nämlich , daſs man sich ihm ganz fügte , andererseits aber entging es ihm nicht , dafs wir thatkräftig blieben und militärische Fortschritte zu machen suchten, das brachte ihn auf die Idee, Preufsen, ehe er es ausstrich, für seine anderweitige Kriegspolitik auszunützen.
Je
mehr er mit Rufsland
zerfiel und je mehr ihm die Notwendigkeit einleuchtete, diesen seiner europäischen Politik noch widerstrebenden Kolofs niederzuwerfen, desto vorwiegender wurde ihm jener Gedanke . Napoleon verhüllte jedoch für jetzt noch sein Projekt ; - Preufsen sollte , um desto fügsamer zu sein ,
sich immer noch für gefährdet
halten. Hätte man aber auch bei uns seine Spekulation sofort erkannt, so würde sich doch über sein Endziel in betreff unserer niemand getäuscht haben .
Man hielt sich also schlagfertig und besafs dazu
immerhin eine schon gute Basis .
Aus einem Schreiben Gneisenaus
an den preufsischen Gesandten in London ,
Grafen Münster ,
ging
hervor, dafs Scharnhorst zu dieser Zeit *) schon eine Streitmacht von 124 000 Mann bereit hatte, die er bei noch einiger Ruhe, und wenn ihm aus England Kriegsunterstützungen würden , können . **)
glaubte verdoppeln zu
Dies war die in den Kantons verborgene Macht ;
was
aber das kleine stehende Heer Preussens betrifft, so wird von authentischen Zeugen versichert, dafs es, durch Scharnhorsts Verdienst, an Festigkeit, Geschick und Ausdauer der Mannschaften, an Bescheidenheit und Bildung der Offiziere , sowie an Disziplin und Opferwilligkeit aller nichts mehr zu wünschen übrig liefs.
Solche Bewandnisse
erfrischten wohl die gesunkenen Hoffnungen , aber doch waren wir, dem französischen Kolofs gegenüber, noch nicht stark genug, und es mufsten ,
ehe wir ihm den Fehdehandschuh zuschleuderten , immer
noch grössere Streitmittel erschwungen, unsere Verbindungen mit den konservierenden Mächten sicher gestellt und Zeitumstände , die uns begünstigen würden ,
abgewartet werden.
Da
wir aber in jedem
Augenblicke unfreiwillig engagiert werden konnten, so traf man, auf
*) Im Sommer 1811 . Pertz, cit. II. 165-166.
Gerhard David von Scharnhorst.
alle Fälle gefafst, Vorkehrungen zur wirksamsten Verteidigung .
263 Man
arbeitete an den Festungen und zog im Norden, angeblich um einer befürchteten Landung englischer Streitkräfte zu begegnen, Truppen zusammen ,
während auch die Übungsmärsche
und Feldmanöver zu-
nahmen, kurz man traf alle Anstalten, um sich, vorkommenden Falles, bis aufs Messer wehren zu können . Diese Regsamkeit, so verhüllt oder motiviert sie auch stattfand, entzog sich doch weder der Beobachtung noch dem Argwohne Napoleons ganz , und als er Einhalt gebot, mufste ihm, da eine Vertagung des Bruches mit Frankreich noch immer wertvoll erschien , gewillfahrt werden ; um so mehr drängte uns aber dergleichen zu einer baldigen Verständigung mit England, Rufsland und Österreich. Mit England blieb die schriftliche Unterhandlung im Schwunge, sich Scharnhorst in geheimen
nach Russland und Österreich begab
Missionen, um dort persönlich das Möglichste auszuwirken . Die Reise nach Petersburg fand im September 1811 in so vorsichtiger Weise statt , dafs nichts über sie verlauten konnte, und Scharnhorst verabredete dort mit dem Kaiser selbst dasjenige, was zu thun sei , wenn Napoleon seinen jetzt schon in ziemlich sicherer Aussicht stehenden Krieg gegen Rufsland mit einem Überfalle Preufsens einleiten sollte . Von dieser Reise kehrte er im Oktober zurück ; sie war ein Meisterstück geheimer Kriegsdiplomatie und hatte ein so günstiges Resultat, dafs Scharnhorst schon im November mit ähnlichen Aufträgen und bei gleicher Geheimhaltung nach Wien gesandt wurde. Diese letztere Ambassade hatte eigentlich kein greifbares Resultat, aber sie bewirkte doch im allgemeinen eine Annäherung der beiden deutschen Hauptstaaten an einander. Je weiter die Verwickelung zwischen Frankreich und Ruſsland inzwischen vorschritt ,
desto schlimmer wurde die Lage Preuſsens ,
denn es sah sich zwischen diese Kolosse, deren baldiger Zusammenstofs zu erwarten war, eingeklemmt , und man erkannte noch nicht, wie in solch einer ungeheueren Krisis seine Parteistellung und sein Verhängnis sein würde.
Mit Anbruch des Jahres 1812 liefs Napo-
leon, um Schweden zur Mitwirkung gegen Rufsland zu zwingen, ein französisches Corps in das schwedische Pommern einrücken , und da hierdurch unsere Grenze bedroht und unser Verkehr behindert war, so beruhte in diesem Faktum auch gegen uns ein neuer Gewaltstreich. Gneisenau, welcher seit 1811 wieder, und zwar als Staatsrat im preufsischen Dienste gewesen, schied jetzt neuerdings aus und begab sich, um neuerdings diplomatisch wirksam zu sein , ins Aus-
Gerhard David von Scharnhorst.
264
land ; Scharnhorst und Boyen erbaten ihren Abschied , erhielten ihn aber noch nicht sogleich bewilligt. Die zwischen Preufsen und Frankreich gepflogenen Unterhandlungen kennzeichneten auf unserer Seite den Wunsch, in dieser Lage einen noch zeitweise
dauernden Frieden zu
ermöglichen ,
bei Na-
poleon die, im Sinne seiner schon erwähnten Spekulation jetzt scharf hervortretende Absicht, Preufsen gütlich oder mit Gewalt zu seinem Partner gegen Rufsland zu machen. Preufsen stand auf einem schlimmen Alternativpunkte, denn mit einer französischen Alliance that es sich und seinem Verhältnisse mit Rufsland die äusserste Gewalt an, durch eine Parteinahme gegen Frankreich aber wurde seine ganze Existenz bedroht ; -- was sollte geschehen ?
Scharnhorst hatte
seinen früheren Rat,
sich bis zum
entscheidenden Momente zu fügen , wiederholt ; wie des Königs Anschauung war und durch den Oberst v. Knesebeck unterstützt wurde ,
ist anderwärts genügend ausgeführt worden ,*) und da über-
dies jetzt nur zwischen einem Übel und dem Ruin zu wählen war, so kam am 24. Februar 1812 ein zwischen Preufsen und Frankreich in Paris abgeschlossener Bundesvertrag zu Stande, vermöge dessen ersteres die Verpflichtung übernahm, als Frankreichs Partner diesem ein Hülfscorps von 20 000 Mann zu stellen und dem französischen Heere freien Durchzug nach Rufsland , sowie während desselben den Unterhaltungsbedarf, und einiges Besatzungsrecht längs der Heerstrafse zu gewähren. horst's Abtreten von der
Heimlich wurde
auch Scharn-
obersten Kriegsleitung Preufsens
verlangt
und dieser Appendix , welcher Napoleons gröfste Anerkennung für unseren Helden ausdrückte , war doch so accentuiert, dafs seine Nichtberücksichtigung den ganzen Traktat zerschlagen hätte.
Demgemäſs
trat Scharnhorst jetzt vom Kriegsministerium ab ,
wurde
Chef des Ingenieurcorps und Generalinspekteur der Festungen und nahm seinen Aufenthalt in Breslau . Boyen wurde Oberst und verliefs den preufsischen Dienst, Knesebeck ging als besonderer Sendbote nach Petersburg, - äufserlich im Sinne Napoleons , um durch preufs . Mediation den Kaiser Alexander zur Annahme des französischen Programms zu bestimmen , wirklich und eigentlich aber , um jenen Monarchen über das jetzt unabweisliche Verhalten und die damit heterogene innere Willensmeinung Preussens zu verständigen. Die Voraussetzung Napoleon's , dafs Scharnhorst's Zurücktreten
*) v. Crousaz : Aussprüche der Könige von Preufsen.
S. 298 ff.
Gerhard David von Scharnhorst.
265
vom Kriegsministerium auch dessen Leitung des preufsischen Heerwesens aufheben werde, traf nicht zu , — denn dieser blieb auch in seiner neuen Stellung
die
Seele
des Ganzen und sein
zösischen Spekulation gegnerisches seine Anstrengungen .
der fran-
Genie verdoppelte jetzt
sogar
Vorerst durch Beruhigung der Gemüter , durch Fixierung der Begriffe des Volkes bei dem für ihn unverrückten Hoffnungspunkte. Die Lage war jetzt , wo man unser Land zu einem französischen Depot und Hauptmagazine machte , freilich schlimm , und wenn Napoleon in Ruſsland siegte, so musste sie noch schlimmer werden , solch eine Erwägung schuf Kleinmut , der zur Apathie oder Verzweiflung werden konnte . Diese Stimmung barg die gröfste Gefahr und Scharnhorst wirkte ihr kräftig entgegen : „Die uns jetzt drückende Last ist vorübergehend , der Sieg Frankreichs wird an den besonderen Verhältnissen Rufslands scheitern ; Napoleon fufst überall auf falschen Voraussetzungen , und selbst in dem für ihn günstigsten Falle wird er von der russischen Kriegsfahrt so erschüttert sein , dafs dies unseren Losbruch begünstigen mufs. " Als dieses Urteil
sich schon an den Schwierigkeiten des fran-
zösischen Vormarsches gegen Moskau und weiterhin immer mehr bestätigte, war es wiederum Scharnhorst, der alles that, um der erregten Volksstimmung gegenüber Herr der Situation zu bleiben, die ruhige Ausdauer, deren sein Werk brauchte, auf keine Weise schädigen zu lassen ; jede aus Leidenschaft entsprungene Verfrühung unseres Vorhabens würden wir schwer gebüfst haben . Aber auch mit positiv militärischen Handlungen that sich Scharnhorst in dieser Zeit ungewöhnlich hervor.
Liefs
er
die organische
Vorbereitung des Krieges eifriger als je fortsetzen, so geschah aufserdem noch Bedeutendes. Auf Scharnhorst's Rat wurde das nach Kurland bestimmte Corps nur aus geteilten Regimentern zusammengesetzt, *) damit jedes Regiment in der Heimat einen Stamm und eine mit der Einberufung tung haben möchte. nach Schlesien ,
der Beurlaubten zusammenhängende Gel-
Die nicht mobilgemachten Truppen kamen meist
sowie nach Graudenz und Colberg , die Depots der
mobilen aber blieben in den Provinzen , dort wie hier
wohin sie gehörten ,
damit
die Ausbildungsprozedur der nach und nach Ein-
berufenen ungestört fortgesetzt werden möchte.
Zugleich bereitete.
Scharnhorst den allgemeinen Bewaffnungsplan, der nachher, den ver-
*) Die Ordre de Bataille dieses Corps ergiebt das.
Gerhard David von Scharnhorst.
266
änderten Bewandnissen nach wohl
modifiziert wurde ,
aber doch in
den Hauptpunkten stehen blieb, eifrig vor und dessen Kenntnis gehört schon hier in den allgemeinen Zusammenhang. „ Das stehende Heer soll durch Einziehung aller Krümper und bei Benutzung der inaktiven Offiziere schnell auf 100 000 Mann gebracht werden , für die in den Depotplätzen die Ausrüstung und Bewaffnung liegt. Landwehr zu Fufs
Zugleich ist in gleicher Stärke eine und zu Rofs zu bilden , die von den
Provinzen gerüstet wird , und man ruft die männliche Jugend der vom Kriegsdienst gesetzlich befreiten Stände auf,
um Detachements freiwilliger Jäger ,
regimentern zuzuteilen sind , zu bilden. fähige Rest der Nation Verteidigung
die den Feld-
Der ganze waffen-
endlich wird als Landsturm zur
von Heerd und
Heimat aufgerufen.
Also
das Gesamtvolk tritt unter das Gewehr ; wenn jenseit nur eine Armee und hier die ganze Nation aufmarschiert ist, so wird erstere von der letzteren erdrückt werden . " Eine grofsartigere Idee mit entsprechender Organisation ist kaum denkbar ; wer im einzelnen widersprach , Verständnis für dergleichen ,
doch
mufste ,
bei nur einigem
das Ganze bewundern .
Dieser
Plan entzog sich nicht nur der Kenntnis der Franzosen, sondern bis zu seiner Effektuierung auch
eigentlich allen Inländern ;
wer dabei
chargiert war, kannte immer nur den für seine Arbeit mafsgebenden Teil desselben. Dafs dies in solchen Zeitumständen und vor solchen Späheraugen überhaupt möglich war, und dafs Scharnhorst in seiner Entfernung vom militärischen Ruder dies
alles vollbringen konnte,
erklärt sich nur durch die Macht des Genies , welche eben ein für bestimmte Zwecke wirkendes Mittel der Vorsehung ist. " Dafs Scharnhorst unsere Landwehr geistig geschaffen hat, würde schon aus
seinen
früheren Entwürfen zur
Volksbewaffnung ,
die
sich in ersterer abspiegelten , zu folgern sein ; es beruht aber auch noch ein besonderes Zeugnis dafür in Hippels *) Beiträgen zur Charakteristik Friedrich Wilhelms III. , wörtlich heifst : „ Den Zweifel ,
wo es auf Seite 66
wer Urheber der Landwehr und Ver-
fasser der Landwehrordnung mit ihren Beilagen sei , wird dem Herausgeber aufzuklären gestattet sein , wenn er
*) Der nachherige Regierungspräsident v. Hippel, Verfasser obiger Schrift, war in der Erhebung von 1813 und unmittelbar vorher „ Staatsrat und vortragender Rat beim Staatskanzler Freiherrn v. Hardenberg.
Gerhard David von Scharnhorst.
versichert ,
dafs
267
ihm die Arbeit ganz vollendet von dem
verewigten Scharnhorst zur letzten Feile und Redaktion schon im Februar , und noch früher als die ostpreufsischen Vorschläge anlangten , übergeben wurde.
Der Herausgeber
fand jedoch so wenig daran zu ändern und glaubte dem Vertrauen des teueren Verewigten so viel schuldig zu sein , dafs
er die geringen Verbesserungen , welche notwendig ,
nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Verfassers vorzunehmen sich erlaubte. Geschrieben war das Konzept von der Hand des damaligen Staatsrats , nachherigen Ober forstmeisters Krause , nach den schon vorhandenen Arbeiten und der Anleitung Scharnhorst's. " Auch sagte der nachherige Kriegsminister v. Boyen : *) „ daſs der Plan der Landwehr von Scharnhorst mit ihm und Grolman schon längst besprochen war , bei dem damals noch unentschiedenen Zustande unserer Politik aber Scharnhorst nichts darüber verlautbaren konnte. " Am 15. März 1813
legte Scharnhorst
seine Entwürfe zur Or-
ganisation der Landwehr zur Allerhöchsten Entscheidung vor und erhielt dafür mit einem Kabinetsschreiben vom 18. die Königliche Sanktion, worauf dann als Königliches Edikt die vom 17. März 1813 datierte „ Verordnung über die Organisation der Lannd wehr **) ins Leben trat. Hiermit ist Scharnhorst's Werk der Reorganisation des Preufsischen
Heeres ,
noch besser der Wehrbarmachung des
preufsischen
Volkes für den Befreiungskampf, vollendet und gekrönt worden ; es war das nicht blos eine militärische , sondern auch eine politischnationale , in alle Hinsichten des Volkslebens und in alle Beziehungen nach aufsen eingreifende Operation , und auch die kurzen Angaben dieses Kapitels sollten sie doch andeutend als eine solche kennzeichnen.
V.
Im Kampf und Tode.
Wie das Jahr 1813 der fünfjährigen Reorganisationsarbeit unseres Helden ein Ziel setzte ,
so hat
es ihn auch zu den genugthuenden
Momenten geführt, wo der Meister sein Werk leben und wirken sieht, - aber unmittelbar vor seinem Lebensende. Er gehörte zu den scheinbar Unglücklichen ,
denen
äufserlich ihr Kranz der Vollendung ent-
*) Boyen's cit. Beiträge zur Kenntnis des Generals v. Scharnhorst. **) Gesetzsammlung von 1813 S. 109 ff.
Gerhard David von Scharnhorst.
268
ging, aber genau besehen war er ein Glücklicher, der auf dem Gipfel seiner Lebensarbeit ,
siegreich über alle Not und Anstrengung , und
bei dem Ziele, das er erstrebt, sterben konnte. Als nach der Niederlage
der Franzosen in Rufsland und nach
dem Umschwunge durch York's Konvention vor Tauroggen der König am 22. Januar 1813 nach Breslau ging und unser Bruch mit Frankreich bereits auf der Schwelle stand ,
trat Scharnhorst wiederum in
unmittelbare Wechselwirkung mit seinem Monarchen und vermittelte dessen Willensmeinungen jetzt an der „ultima ratio " ebenso präcise , wie es in der herben und glänzenden Vorschule der Reorganisation geschehen war. Nachdem sein allgemeiner Bewaffnungsplan verlangt ,
sogleich vorgelegt
und in allen Hauptpunkten genehmigt
worden, begann schon am 3. Februar eine umfängliche Rüstung. Man rief alle Urlauber zu den Fahnen chements freiwilliger Jäger , gemacht hatten , dem Erfolge
kam gleich von vornherein und mit sehr glänzen-
zum Vollzuge. *)
Durch das Gesetz
wurden für die Dauer des Krieges der Verpflichtung Kriegsrüstung
und jene Bildung von Deta-
gegen die sich viele Bedenken geltend
vom 9. Februar
alle bisherigen Ausnahmen von
zum Militärdienst aufgehoben,
betreffende Erlasse vom 10.
und weitere ,
und 19.
die
ergänzten die-
jenigen vom 3. Februar. Die Unterhandlungen mit Rufsland waren durch den Generaladjutanten Oberst v. Knesebeck eröffnet worden, und wurden durch Scharnhorst und Hardenberg ,
die sich ins rus-
sische Hauptquartier nach Klodawa begaben, fortgeführt ; am 27. Februar konnte infolge derselben zu Breslau, und am 18. zu Kalisch, ein Alliancetraktat zwischen Preufsen und Rufsland unterzeichnet werden ,
welcher die Wiederherstellung Preufsens , die Be-
freiung Deutschlands und Europas in Aussicht nahm. Scharnhorst genofs das volle Vertrauen des russischen Kaisers und war bei allen jetzt notwendigen Verabredungen über die gemeinsame Kriegführung der geeignetste Vermittler. Auch beförderte ihn sein König zum Generallieutenant, und das alles war schön und gut, - aber einem Scharnhorst mufste es noch viel schwerer wiegen , dafs die von ihm geplante Erhebung der Nation jetzt in Blüte stand, seine Verheifsung sich zu erfüllen begann . Am 10. März wurde das eiserne Kreuz gestiftet, am 11. York's Alexanderhieb voll anerkannt, am 15. zog Kaiser Alexander an des Königs Seite in Breslau ein . Das in dieser Einleitung des Befreiungskrieges Aufserordentlichste ging am
*) Gesetzsammlung von 1813 S. 15.
17. März 1813 durch
Gerhard David von Scharnhorst.
269
drei denkwürdige Staatshandlungen hervor, welche den Übergang des Scharnhorst'schen Systems in die Praxis zumeist welthistorisch kennzeichneten.
An diesem Tage nämlich erliefs der König Seinen Auf-
ruf: „An mein Volk " ; -an Frankreich erging unsere Kriegserklärung , - und die "" Verordnung über die Organisation der Landwehr" trat ins Leben. Schon vorher war in dem zeitweilig isoliert gewesenen Preuſsen von dessen Ständen die Bildung einer dortigen
Landwehr und Re-
serve geplant worden , und der bezügliche Entwurf lag schon am 12. Februar an Allerhöchster Stelle zur Genehmigung vor. Wenn Scharnhorst diesem Vorschlage gegenüber nicht ohne Bedenken blieb, so mufs das richtig verstanden werden .
Da er damals seinen längst
ausgearbeiteten Landwehrplan schon in der Tasche trug , so konnte, im kritischen Zeitpunkte, ihm ein damit doch mannigfach differierender anderer Entwurf, zunächst doch nur als eine Kreuzung , welcher man Zeit verlieren würde , erscheinen. War dabei
mit das
patriotische Vorgehen der preufsischen Stände von ihm voll anerkannt, so verpflichteten seine Stellung und Sachkenntnis ihn doch immerhin, dasjenige, was in jener partiellen Organisation gefehlt war, zu bessern, und sie mit seiner totalen in Einklang zu bringen. *)
Dies gelang
ihm auch, und so konnten denn jene Propos , hinter denen schon die opferwillige That stand , als ein nützlicher Beitrag des betreffenden Gesamtwerkes gelten. Scharnhorst bat ,
als er seine Landwehrordnung ins Geleis ge-
bracht, den König um eine Stellung im Heere ; er wollte, nachdem er die Waffen
kunstvoll geschmiedet und
die Alliance erwirkt hatte,
auch persönlich fürs Vaterland streiten. Das setzte ihm eine besondere Ehrensäule , und damit ist das , was wir gleich anfänglich von ihm sagten : dafs er die Praxis mit der Theorie vereint habe, dafs sein Wissen im Können und sein Feuereifer in Thaten aufgegangen sei , voll bestätigt worden .
Der König bewilligte ihm die
Stellung als Chef des Generalstabes der Armee, und in dieser Eigenschaft begab sich Scharnhorst am 18. März zu dem von dem General der Kavallerie v. Blücher befehligten 1. preufsischen Armeecorps. Gneisenau war inzwischen von seiner zweiten Rundreise zurückgekehrt ,
trat
als Generalmajor in das Heer zurück und wurde als
Generalquartiermeister auch dem Blücher'schen Corps zugeteilt. Scharnhorst Genie ,
und Gneisenau , die
Hand
in
diese beiden Genossen in Patriotismus und Hand so
viel durchgemacht und geschaffen
*) Vergl. darüber : Boyen's cit. Beiträge etc. S. 45 ff., S. 59 ff.
Gerhard David von Scharnhorst.
270
hatten, standen also wieder vereint und verständigten sich über den von Scharnhorst entworfenen Feldzugsplan. Nach diesem
„ sollte
unsere jetzt
verfügbare
Streit-
macht zur Vernichtung der von Eugen Beauharnais gesammelten Reste des französischen Heeres von 1812 sogleich vorrücken , während zu derselben Zeit auch Sachsen besetzt würde.
Dann wird Westfalen insurgiert und in
die Rheinbundstaaten ,
die
man
zum Anschlufs
an die
Sache Deutschlands bringen will , eingedrungen , und wenn inzwischen unsere Landwehr feldtüchtig geworden und der russische Nachschub angelangt ist , so kann dem neuen Heere Napoleon's
die Entscheidungsschlacht
vielleicht
schon auf französischer Erde geliefert werden. " Dieser hier nur angedeutete Plan war gewifs so durchdacht als kühn, aber er hatte als Plan seine Voraussetzungen , und solche sind, da sie auf die Annahme kommender und jenseitiger Ergebnisse gegründet sein müssen, stets verrückbar.
Man weifs ja nicht, was der
Feind thun , welche jetzt noch nicht geahnte Schwierigkeit sich drei Tage später bei uns selbst herausstellen, und zu welchen Änderungen unserer Operation das notwendig leiten wird. Gleichwohl sind solche Pläne, schon vermöge der durch sie bewirkten Ideeenanregung und weil man durch sie wird , unerlässlich ,
zu einem systematischen Verfahren angeleitet nur mufs von Haus aus an sie der Mafstab
eines blos allgemeinen und relativen Wertes
gelegt werden .
Dies
war bei dem gegenwärtigen Plane unbedingt der Fall , und übrigens hielt er sich allgemein und trug den zur Zeit erkennbaren Bewandnissen so viel Rechnung ,
als
es nach menschlicher Einsicht immer
möglich war. Ein erheblicher Widerspruch begegnete demselben vorerst nicht , und das Vorgehen unserer bereiten Streitkräfte fand nach seiner Vorschrift statt.
Blücher brach mit Ende März, gegen Sachsen hin,
aus Schlesien auf; Wittgenstein, York und Bülow siegten am 5. April unweit Magdeburg *) über den Vicekönig von Italien etc. - aber doch gewahrte man auch baldigst einen Gegendruck. Regierung beharrte
noch bei dem Bündnisse
mit
Die sächsische Napoleon ,
sächsische Volk trug unseren Truppen keine Sympathie
das
entgegen ;
Eugen Beauharnais wufste sich, trotz seines Verlustes, doch schlagfertig zu erhalten und hemmte dadurch den Fortschritt im Norden doch immer zeitweilig .
Napoleon kam schneller als berechnet worden
*) Bei Möckern, Dannigkow, Gommern und Vehlitz .
Gerhard David von Scharnhorst.
271
mit einer neuen Streitmacht auf den Platz, und der russische Oberfeldherr Fürst Kutusow hielt sich zu einer Kriegspolitik der Zögerung, mit welcher, da sie die Hauptkräfte zu langsam herankommen liefs , unserer Aktion viel Zeit verloren ging. Hier solch ein Hemmniſs , das mufste unsere und jenseits die überraschende Schnelligkeit , Hoffnung auf die hinter dem Rheine fallende Entscheidung sehr bald vereiteln. Dies alles modifizierte den Scharnhorst'schen Kriegsplan in Bezug auf Zeit und Raum wohl beträchtlich , aber dennoch ist er im
grofsen und ganzen mehr vollführt worden als der Urheber bei
seinem vorzeitigen Abscheiden glauben mochte. Blücher überschritt die Elbe am 3. April bei Dresden und erreichte in der Mitte dieses Monats Chemnitz und Altenburg ; das in seiner Avantgarde befindliche Corps des Generals v. Winzingerode schob er gegen die sächsische Saale vor. Der Fürst Kutusow starb am 26. April zu Bunzlau ; Wittgenstein, welcher in seiner Stelle den Oberbefehl erhielt , machte eine Diversion gegen Wittenberg ; York zog sich nach Leipzig ; die Streifkorps der Verbündeten stiefsen da und dort erfolgreich vor und waren in stets reger Thätigkeit.
Inzwischen hatte Napoleon sein neues Heer sehr schnell gegen Sachsen vorgeführt.
Von Eisenach und Gotha kommend, gewann er
den Pals von Kösen schon am 25. , Naumburg am 28. , Weiſsenfels am 29. April ; da der Vicekönig von Italien sich zu dieser Zeit, an der Saale aufwärts marschierend, mit der französischen Hauptmacht vereinigte, so bekam letztere dadurch eine in 20 Divisionen beruhende Stärke von 160 000 Kombattanten. Wittgenstein zog jetzt die Abtheilungen Kleist's und Bülows heran und trat mit dem Blücher'schen Heere ,
welches bis in die Nähe von Leipzig vorgegangen, in Verbindung ; auch die verbündeten Monarchen, die ihr Hauptquartier in Dresden gehabt , begaben sich zur Armee , und man sah, dafs in den Ebenen an der Elster eine
Entscheidung fallen würde. Am 1. Mai standen die Verbündeten bei Rötha, Pegau, Zwenkau u. a. also südlich von Leipzig ;
ganz
nahe
an dieser Stadt befand
sich auf ihrem äussersten rechten Flügel die vom General v. Kleist befehligte, aus preussischen und russischen Truppen kombinierte Abtheilung.
Bülow, welcher weit vor unserem rechten Flügel bei Halle,
und Miloradowitsch, welcher bei Zeitz stand, konnten für dasjenige was jetzt geschehen musste, nur indirekt mitwirken . Napoleon seinerseits marschierte am 1. Mai von Weiſsenfels auf Lützen, und vor ihm zog sich Winzingerode, der ihn durch das Artilleriegefecht von Poserna doch immer etwas aufhielt, über den so19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
Gerhard David von Scharnhorst.
272
genannten Flofsgraben nach Zwenkau zurück ; man sah genau , daſs es in der Absicht des französischen Kaisers lag, seine Streitkräfte bei Leipzig zu vereinigen, und dann, die nächsten Kommunikationen zur Elbe gewinnend, die Verbündeten mit voller Offensive in's Erzgebirge zu treiben ; - welchen Vorsprung und Spielraum würde ihm ein solcher Erfolg verschafft ,
wie niederdrückend würde er auf das
seiner Befreiung harrende Deutschland gewirkt haben! Niemand durchschaute das jenseitige Vorhaben und die Gefahr desselben mehr als Scharnhorst, und darum riet er , der feindlichen Offensive schnell zuvorzukommen .
Nach seiner Disposition
sollten
„ alle Abtheilungen des verbündeten Heeres am 2. Mai ganz früh aufbrechen , den Feind während seines Vormarsches
angreifen ,
und ,
nachdem dessen einzelne Ko-
lonnen , ehe das Ganze formiert sei , auf Merseburg ,
geschlagen worden ,
wo er dann durch Bülow von Norden her
bedroht sein würde , zurückdrängen. " genehmigt , führung.
doch kam
Dieser Vorschlag wurde
er nur in beschränkter Weise
Unsere Vorwärtsbewegung
wurde
zur Durch-
am 2. Mai durch ver-
schiedene Kolonnenkreuzungen aufgehalten, und die diesseitige Armee kam daher erst gegen 11 Uhr vormittags am linken Ufer des Flofsgrabens zum Aufmarsch - hierdurch aber gewann der Feind sehr viel Zeit und Vorteil . Als die Verbündeten ,
nach Ueberschreitung des Flofsgrabens,
eine Rechtsschwenkung gemacht, standen sie, in wellenförmiger und mannigfach durchschnittener Ebene ,
den
eng zusammengedrängten
Dörfern Rahna, Caja, Grofs- und Klein - Görschen ,
welche mit den
Wassergräben, Hohlwegen und Baumgärten ihres unmittelbaren Bereiches eine Art natürlicher Festung bildeten , gegenüber. welcher sie besetzt hielt ,
Der Feind,
fand für seine überlegene Infanterie und
Artillerie hier die geeignetsten Haltpunkte, und wenn das verbündete Heer eine viel zahlreichere Kavallerie besafs , so konnte es sie, bei dem überhaupt schweren Angriffe auf eine solche Position, nach Beschaffenheit des Terrains zu keiner rechten Geltung bringen. Das französische Heer, welches , auf jene Dörfer gestützt und seine Front nach Süden kehrend, sich vom Flofsgraben bis gegen Starsiedel hin ausbreitete, belief sich auf etwa 115 000 Mann ; da es nur etwa 5000 Reiter zählte , so kann hiernach die bedeutende Stärke seiner Infanterie und Artillerie ermessen werden. Das Heer der Verbündeten lehnte
seinen rechten Flügel bei
Werben an den Flofsgraben ; der linke stand, etwa bei Tornau und Söhesten ,
Starsiedel gegenüber.
Sein
erstes
Treffen
bildete
das
Gerhard David von Scharnhorst.
273
Blücher'sche Corps, im zweiten war York nebst den russischen Abteilungen von Berg und Winzingerode, und in der Reserve befanden sich die russischen Garden ; die hinter dem linken Flügel postierte Die GesamtReservekavallerie sollte möglichst vereint bleiben . stärke der Verbündeten belief sich auf 87 000 Mann ; da aber Kleist und Miloradowitsch nicht herangezogen werden zur Besetzung verschiedener FlufsDetachements die konnte, auch übergänge ausfielen , so standen für die gegenwärtige Aktion nur
in
Leipzig
stand
etwa 69 000 Mann zur Verfügung. Gegen 12 Uhr griff unser erstes Treffen Grofs- Görschen
an,
vertrieb daraus den Feind und behauptete es trotz der von jenseits herankommenden Verstärkungen.
Der Kampf engagierte nachgerade
die ganze Linie unseres ersten Treffens, und unsere Truppen erstürmten auch die Dörfer Rahna und Klein-Görschen ; die Bestrebung des Gegners sie zurückzuerobern, führte, ohne vorerst erfolgreich zu sein, einen mehrstündigen und sehr blutigen Kampf herbei, — endlich aber brachte er so grofse Massen auf den Platz , dafs Klein -Görschen wieder in seine Hände fiel.
Dieses wurde ihm jedoch unter Beihilfe
glücklicher Kavallerie-Chocs wieder entrissen ,
und als noch unsere
brandenburgische Infanterie-Brigade herankam, vermochte man auch Eisdorf ) zu gewinnen, und trieb den Feind nach Caja zurück. Es war inzwischen 6 Uhr abends geworden, und man stand vermöge der errungenen Vorteile schon in der linken Flanke des Feindes, -- da kam der Vicekönig von Italien, der bisher gegen Leipzig gestanden und es genommen
hatte,
auf das Schlachtfeld
und drückte unseren avancirten rechten Flügel wieder zurück . York'sche Corps
und
die
ersteren , Kampf und Drang
Berg'sche
Das
soutenirten jenen
wurden dort ungeheuer, und man sah
selbst unsere höchsten Führer , mitten im Feuer.
Abteilung
die Truppen leitend und aneifernd ,
Hier wurde Blücher leicht, Scharnhorst viel ernst-
licher verwundet ; es war eine unseren Truppen ruhmreiche, aber doch verhängnisvolle Krisis , und die Dörfer Rahna, Klein-Görschen und Eisdorf mufsten wieder aufgegeben werden . Grofs - Görschen behauptete man endgiltig, und die russische Reserve unter dem Prinzen Eugen von Württemberg verhinderte eine Umgehung unserer rechten Flanke, Seitens des Vicekönigs . Auch im Centrum der Schlacht hatte sich die numerische Übermacht des Feindes fühlbar gemacht, und auf unserem linken Flügel, wo Winzingerode und die Reservekavallerie gegen Starsiedel standen,
*) Etwas östlich von Klein-Görschen, am rechten Ufer des Flofsgrabens . 19 *
Gerhard David von Scharnhorst.
274
war die französische Position Geschützfeuer so werden konnte.
heftig ,
doch auch so
dafs
nichts
stark ,
das jenseitige
Entscheidendes
durchgesetzt
Der Kampf dauerte an allen Stellen bis in die Nacht hinein ; noch um 10 Uhr abends drangen neun Schwadronen unserer Reservekavallerie gegen den französischen rechten Flügel vor, und setzten Napoleon selbst in die Gefahr, gefangen zu werden .
Wegen begeg-
nender Terrainhindernisse entbehrte dieser Coup zwar eines äuſseren Erfolges, doch ist er moralisch sehr eindrucksvoll gewesen . Die Schlacht sollte man aber erfuhr ,
am nächsten Tage fortgesetzt werden ,
dafs Leipzig
da
von den Franzosen genommen war,
da die Munition zu fehlen begann und man, in Umständen ,
wo so
aufserordentliches auf dem Spiele stand , nicht hazardieren wollte , so erteilte Wittgenstein noch während der Nacht vom 2. zum 3. Mai den Befehl zum Rückzuge über die Elster. Die Verbündeten hatten in dieser Affaire nicht nur ihre ursprüngliche Stellung behauptet, sondern sie waren auch durch die Wegnahme von Grofs-Görschen , Feindes eingedrungen.
das in ihren Händen blieb ,
in
diejenige
des
Da sie überdies seinen Operationsplan gestört
und ihm einen grofsen Verlust zugefügt hatten , so konnten sie sich schon äufserlich immerhin eines Sieges rühmen, und ihr ganz williger Rückzug beruhte nur auf strategischen Erwägungen. konnte man sich umsomehr den Sieg zuschreiben ,
denn
frei-
Moralisch es
musste
wohl für Jedermann und auch für Napoleon selbst sehr eindrucksvoll sein , dafs 69 000 gegen 115 000 Mann so erfolgreich gekämpft hatten. Scharnhorst und Gneisenau erstatteten über diese Schlacht Berichte an Niebuhrs preussischen Korrespondenten ,
und es heifst da
in demjenigen, was Scharnhorst sagt, u . a.: 99 Ein ritterlicher Geist beseelte unsere Schaaren , den schönsten Zug davon
kann ich als Augenzeuge
anführen .
Als gegen Abend auf unserem rechten Flügel unerwartet eine grofse Übermacht vordrang und uns die eroberten Dörfer wieder nahm , bildete sich aus den verschiedenen Bataillonen , die auf diesem Platze gefochten hatten , zur Er war nur Zurückeroberung desselben ein Klumpen. klein , aber niemand dachte an die Zahl. " Vorwärts " schrie der ganze Haufe , stiefs alles nieder und drang durchs Dorf.
Hier erfolgte ein mörderisches feindliches
Feuer , aber die Masse stürzte mit Hurrah in den Feind , wurde nachgerade durch mehrere Kanonen unterstützt
Gerhard David von Scharnhorst.
und errang auch die anderen Dörfer. *) sische
und
preufsische
Offiziere
von
275
Man sah hier ruszurückstehenden
Corps , auch ein paar englische Offiziere , als Freiwillige Gemeine Soldaten und Offiziere waren sich fechten. gleich . Man sah überhaupt in dieser Schlacht keinen Verwundeten ,
so lange er noch gehen konnte ,
niemand war
bereit ,
die
ohne Gewehr ;
Verwundeten zurückzuführen ,
jeder wollte nur fechten u. s . w. " **) Die Verbündeten gingen in zwei Kolonnen , vorerst nach Borna und Altenburg, dann an die Elbe zurück, die bei Meifsen und Dresden überschritten wurde. Der Feind räumte fast gleichzeitig , die Strafse nach Lützen einschlagend, das Schlachtfeld , als er aber den Rückmarsch des verbündeten Heeres gewahrte, besetzte er am 3. die Dörfer
seiner am 2. innegehabten Position wieder ,
um dann
am
4. Mai jenem ersteren zu folgen. Halle wurde,
noch am Tage der Schlacht von Grofs- Görschen ,
von Bülow erstürmt ; nach dem Rückzuge der Verbündeten aber ging ersterer bei Rofslau auf das rechte Elbufer, um zum Schutze Berlins bereit zu sein.
Kleist hatte nach dem Abzuge des Vicekönigs noch
am 2. Mai abends Leipzig wieder besetzt, am 3. aber verliefs er es und überschritt bei Mühlberg die Elbe .
Scharnhorst war am Abend der Schlacht in jenem grofsen Drange unseres rechten Flügels durch eine Kartätschkugel doch so schwer am rechten Schenkel verwundet worden, dafs er zurückgebracht werden musste. Man führte ihn nach Dresden und hier schwand vorerst wieder die in betreff seiner gehegte Besorgnis ;
wenn er in
Zurückhaltung und Gemütsruhe einige Zeit nur seiner Gesundheit gelebt hätte, so wäre diese grofse Nummer dem Vaterlande erhalten. worden.
Aber der Kummer darüber, dafs sein so gut geplantes Vor-
haben dennoch durchkreuzt und abgeschwächt war,
lastete
auf ihm ;
die jetzt
alle seine Lebensgeister
strebten
dahin ,
schwer doch
schwankend gewordene Sache der Verbündeten wieder voll ins Gleis zu bringen.
Er diente ,
so leidend er war,
doch schon in Dresden
wiederum ratgebend seinem Könige, folgte dann dem weiteren Rückzuge des Hauptquartiers, und ordnete, als man die preufsische Grenze betrat , noch selbst die Ausführung
der durch sein Landsturmedikt
Das war also der Moment , wo man Klein-Görschen und Rahna , die der Feind zurückerobert hatte, ihm wieder entrifs. **) Pertz, cit. II. 716 -717.
Gerhard David von Scharnhorst.
276
angebahnten Mafsregeln . Ein Teil seiner Geschäfte ging zwar auf die Generalmajore Graf Lottum und v. Hacke über, aber doch trug Scharnhorst in einer beim Könige mit Hardenberg und Knesebeck gehabten Konferenz sehr viel zu den dort in bezug auf die eventuelle Verteidigung von Berlin und Spandau gefafsten Entschlüssen bei. Die brennendste Frage dieser Durchgangszeit war diejenige, welche den Eintritt Österreichs in das Bündnis gegen Napoleon betraf ;
um sie
schnell und
selbst nach Wien gehen .
sicher zu erledigen ,
wollte Scharnhorst
Die Ärzte widerrieten es dringend, der um
Scharnhorst besorgte König wurde nur durch dessen dringendste Vorstellungen dazu gebracht, in diese für den Verwundeten so überaus anstrengende Mission zu willigen . Scharnhorst trat seine Reise
an ;
am 10. Mai
schrieb er von
Zittau aus an Gneisenau, dafs seine Wunde sich verschlimmert habe und er genötigt sei , dort mehrtägig
liegen zu bleiben .
Sobald als
möglich setzte er sich jedoch wieder in Bewegung, durchschnitt nun von Znaym in Mähren
Böhmen in der Südostrichtung und schrieb, aus, am 22. Mai seinem Freunde :
„Ich gehe vor Ungeduld zu Grunde ; meine Wunde ist schlimmer als ich anfänglich glaubte , was aber noch viel übler ist , besteht darin , dafs die Heilung langsamer geht. Heute , am zwanzigsten Tage , ist sie noch nicht rein . Ich werde dabei vor Unruhe und Schmerz ganz elend .
In den
Teilen von Böhmen und Mähren , welche ich passierte , ist Alles für uns , die Nation ist aufserordentlich gegen die Franzosen und der sie treffende Hafs der Armee übersteigt allen Glauben. - Ein etwas krummes Bein werde ich hoffe
ich wohl behalten ,
bis 3 Wochen wieder dienen , u. s. w. " Aber die Vorsehung wegen Verschlimmerung werden
und starb hier
hatte
aber dennoch in 14 Tagen nämlich
es anders
reiten
beschlossen .
zu können
Er mufste
seiner Wunde nach Prag zurückgebracht am 28. Juni ,
klaren Geistes ,
mit Segens-
wünschen für König und Vaterland und in der ihn tröstenden Zuversicht, dafs während des zu dieser Zeit schwebenden Waffenstillstandes der Beitritt Österreichs zu der Sache der Verbündeten gesichert worden und im übrigen seitigen Kräfte
eine so grofsartige Organisation
im Schwunge
horsts entsprach und würfe lag.
in der
sei ,
wie
es
aller dies-
den Wünschen Scharn-
Konsequenz seiner
vorherigen Ent-
Gerhard David von Scharnhorst. Gneisenau sandte in betreff des Verstorbenen
277 einen Nachruf
und einen Lebensabrifs , die dann durch die Berliner und Breslauer Zeitungen veröffentlicht wurden, an den Staatskanzler. Scharnhorsts irdische Überreste wurden am 30. Juni in seinem Range und seinen Verdiensten bestattet.
einer
entsprechenden Art zu Prag
Zuerst setzte man ihn in einer Kapelle ,
und dann in
einem unterirdischen Gemache bei ; die Überführung des Leichnams nach dem Invalidenkirchhofe zu Berlin konnte , wegen des Krieges, erst später bewirkt werden .
Dort wurde
alsdann die Ruhestätte
dieses grofsen Vaterlandshelden durch einen marmornen Löwen von Rauchs Hand sehr charakteristisch bezeichnet. Einen Grabstein zu Prag widmete ihm das preufsische Heer ; sein aus kararischem Marmor gebildetes Standbild hat König Friedrich Wilhelm III. bei der Königswache , Seinem Palais gegenüber , aufstellen lassen. Der „ Der Tod fürs Vaterland ist ewiger Verehrung wert ! " Mann, welcher ihn starb, verdient aber um so mehr eine stete Nachfeier und historische Unsterblichkeit, wenn er, wie Scharnhorst, auch
sein ganzes Leben nur dem König und Vaterlande , dem wahrhaftigen Fortschritt und der die Praxis bestimmenden Wissenschaft gewidmet hat.
VI.
Zum Schlufs.
Dasjenige , was in unseren Ausführungen über den Charakter, das Genie und die Verdienste Scharnhorst's gesagt ist , möge auch noch durch einige von besonderen Autoritätsstandpunkten ihn gefällte Urteile bestätigt werden. Der hannoversche
General
aus
über
Graf v. Wallmoden sagte in
seinem, die Verteidigung von Menin im Jahre 1794 und das heldenmütige Durchschlagen der
dortigen Garnison betreffenden
Berichte
an den König von England :
bei
" Euer Königlichen Majestät habe ich unter mehreren Menin ausgezeichneten Offizieren besonders den
Hauptmann v. Scharnhorst von der Artillerie bemerklich machen müssen , da der General v. Hammerstein sich über ihn in so bestimmten Ausdrücken äufsert , sowohl während des
dafs derselbe .
ganzen Aufenthaltes in Menin ,
als
beim Durchschlagen solche Fähigkeiten , Bravour , unermüdeten gezeigt ,
Eifer dafs
und
bewunderungswürdige
er für seine Schuldigkeit hält ,
Contenance denselben
Gerhard David von Scharnhorst.
278
Euer Königlichen Majestät Allerhöchster Gnade besonders zu empfehlen etc. — — da dieser Mann , wenn je einem eine Belohnung von etwas Aufserordentlichem geworden , sie jetzt in gröfstem Mafse verdient etc. . . . “ *) Als Gneisenau , dem Verkennen Scharnhorst's entgegenzuarbeiten, im Dezember 1811 Hammerstein's Bericht über die Affaire von Menin , in der Scharnhorst überaus gerühmt wird, an den Staatskanzler sandte, bat er letzteren, dieses Schriftstück dem Könige mitzuteilen und fügte zugleich über seinen Freund nachstehendes eigene Urteil bei : „ Häufig ist das Verdienst unseres edlen Scharnhorst verkannt. Man will ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen , wenn man ihn für einen tiefen Denker , mit der Gesamtheit
der
Kriegswissenschaften
vertraut ,
gelten läfst ,
meint aber ,
er sei für die praktische Ausführung nicht und gerade diese praktische Brauchbarkeit , wohin sein langes Studium immer gerichtet gewesen , zeichnet ihn in so hohem Grade aus . Immer hat er bei geschaffen
seinen
kriegswissenschaftlichen
Forschungen
dahin-
gestrebt ,
das praktisch Wichtige herauszuheben und in das Leben übergehen zu machen. So sind seine Schriften , so sein Umgang und so seine Amtswirksamkeit . - **) In seinem Nachrufe ***) sagt Gneisenau : „ Er war einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit. Das rastlose stetige planvolle Wirken nach einem Ziele , die Klarheit und Festigkeit des Verstandes , die umfassende Gröfse der Ansichten , die Freiheit von Vorurteilen des Herkommens ,
die
stetige Gleichgültigkeit
gegen äufsere Auszeichnungen , der Mut , mit den schlichtesten Mitteln den gröfsten Zwecken nachzustreben , höchste Besonnenheit und Ausdauer in der Gefahr ,
die end-
lich die umfassendste Kenntnis des Kriegswesens machen ihn zu einem der merkwürdigsten Staatsmänner und Gelehrten ,
auf welche
Deutschland je
Billig und gerecht im Urteil ,
stolz sein
sanft und
durfte.
ruhig in allen
Verhältnissen mit anderen etc. , war er einer der liebens-
*) Auszug aus den Akten des vormaligen hannoverschen Generalstabes . Vergl. cit. Reorganisation nach dem Tilsiter Frieden 1807 S. 30. **) Pertz cit. II. 242. ***) Vergl. SS. 276. 277.
Gerhard David von Scharnhorst.
279
würdigsten Menschen , die den Kreis des geselligen Lebens zieren. Was er dem Staate und Volke und der ganzen deutschen Nation gewesen ist , mögen wenige oder viele erkennen , aber es wäre unwürdig , wenn einer davon gleichgültig bliebe bei dem traurigen Todesfall . Es müfste keine Wahrheit und keine Tiefe mehr in der menschlichen Natur sein , wenn dieser Mann je von denen
vergessen werden
könnte , die ihm nahe standen und ihn verehrt haben. " *) Diese Männer , von denen Scharnhort , eben weil sie ihn genau
kannten, so verehrt wurde, gehörten zu den bedeutendsten im Vaterlande ,
und ihr Urteil müfste von den anderen übernommen wer-
den; wenn aber auch diese wesen wäre ,
für ihn redende Autorität nicht ge-
so würde Scharnhorst's
historische Person ,
mit
dem
was sie für Preufsen und Deutschland gethan , auch denen , die ihn nicht gekannt,
wenn sie die Geschichte kennen und Patrioten sind,
stets unvergessen sein. Der Kriegsminister v. Boyen sagt in seiner mehrfach von uns erwähnten Schrift : **) Es sind mir in dem Kreise derer , welche sich damals auszeichneten ,
wohl berühmte Männer begegnet ,
die in
einzelnen natürlichen Anlagen oder Zweigen des erlernten Wissens
Scharnhorst
überlegen
sein
konnten ,
auch
manche ,
die mehr als er ihre geistigen Mittel aufserlich geltend zu machen wufsten , - aber keiner , dessen Worte
und Handlungen , so wie bei ihm , nur die Ergebnisse eines ruhigen Denkens waren ; keiner , der sich und seine Aeufserungen so zu beherrschen verstand ;
keiner endlich ,
der
so viel persönliche Resignation etc. , so viel Anerkennung fremden Verdienstes und einen so unerschütterlich festen Willen bes afs. Von 1808-1812 habe ich , mit geringen Ausnahmen , in einer täglichen und immer enger werdenden Amtsverbindung mit Scharnhorst gestanden , und fand dabei , dafs er in Geschäften sich niemals weiter als es im Augenblicke gerade notwendig war , aussprach ; von einem sogenannten
Sichgehen lassen ,
einer Enthüllung
seiner
Pläne , oder diesem Schwelgen in der Zukunft , wie es schon oft berühmten Männern schädlich wurde , war niemals
eine Spur etc. — “
*) Pertz cit. III. 32. 33. **) Boyens cit. Beiträge etc. SS. 6. 7. 8.
Gerhard David von Scharnhorst.
280
Der Bischof Eylert ,
dessen Natur und Begriffsweise mit der-
jenigen Scharnhorst's wohl nicht durchweg übereinstimmte, und der mit ihm ebensowenig in engeren Beziehungen stand , hat sich doch über diesen Vaterlandshelden, zumal in betreff seines Reorganisationswerkes ,
sehr anerkennend ausgesprochen.
In
seinem Werke über
Friedrich Wilhelm III. heifst es an der betreffenden Stelle : „Still und ernst ging er (Scharnhorst) in sich , suchte die Einsamkeit und dachte nach. Sein heller Geist übersah das Ganze und kannte es in seinen Teilen.
Ihm ge-
nügten nicht halbe Mafsregeln und partielle Hülfen , sondern er ging auf die Quellen der öffentlichen Kalamität forschend zurück und erfafste das Übel bei der Wurzel. Politik und Moral waren ihm unzertrennliche Dinge ; jene ohne diese hielt er für eine falsche Klugheit , doch war sie ihm , als Mittel zum Zweck , besonders einem schlauen Feinde gegenüber , wichtig .
Verschlossen ,
schweigsam ,
tief ,
ruhig , beharrlich und konsequent , war Scharnhorst dem Minister v. Stein überlegen ; aber dieser war reicher an Eifer , Schnelligkeit und Kürze. Mit beiden war dem Könige und Seiner Sache gedient etc. " *) Als Kaiser Alexander I. am 15. März 1813 in Breslau einäufserte er in Bezug auf Scharnhorst , der bei den Unterhandlungen in Klodawa **) ihm noch näher bekannt geworden war , als 1809 und 1811 in Petersburg, gegen Gneisenau : „ Niemals habe ich einen solchen Kopf gesehen . Welche Stärke im Raisonnieren ! Sehr bezeichnend ist in
Welche grofsen Ansichten ! " ***) seinem von Gneisenau verfassten Ne-
krolog die Stelle : „Bei
grofsen Kenntnissen
und
noch grösseren
Talenten war er ohne jede Ahnung seines seltenen Wertes. " und förmlich hingerissen wird man von demjenigen , was Blücher , dieser Held der absoluten Praxis, mit hochschwingender Empfindung über Scharnhorst schrieb und
sagte.
Er schrieb im Juli 1813 an
Hippel : „ Nun ist
leider unser guter
Scharnhorst auch tot.
*) R. Fr. Eylert: Charakterzüge und historische Fragmente aus dem Leben Friedrich Wilhelms III. III. Th. (1) 99-100.
**) Vergl. S. 268. ***) Pertz cit. II. 524.
Gerhard David von Scharnhorst. Glauben
Sie
mir ,
eine
verlorene
281
Schlacht
wäre
gröfserer Verlust für uns gewesen . *) Wenn Blücher, der mehr Taktiker als Stratege war ,
kein
der der
Politik des Krieges und dem inneren Getriebe der Heeresorganisation nicht auf solche Weise nahe stand wie Gneisenau und Scharnhorst, und den sein Naturell dazu leiten musste, die gegenwärtigen Erfolge und Verluste mit den Waffen ganz besonders hoch anzuschlagen, wenn er in den jetzigen Umständen eine verlorene Schlacht für kein gröfseres Übel rechnete als den Verlust Scharnhorsts, so mufs seine Schätzung dieses Mitarbeiters für König und Vaterland Trauer um denselben aufserordentlich gewesen sein. Nicht
minder ,
und seine
nur in schwungvollerer Weise, kam dies zum
Ausdruck, als Blücher am 21. August 1814 , bei einem Bewillkommnungsfeste der Berliner Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln, sich zum Lobe derer erhob ,
die in dem Befreiungswerke ihm vor-
gearbeitet und geholfen hatten, und dabei in bezug auf Scharnhorst sagte : " Bist du gegenwärtig , Geist meines Freundes , Scharnhorst ,
dann sei
Du selbst
Zeuge ,
mein
dafs ich ohne
Dich nichts würde vollbracht haben ! " **) Damit war der Nagel auf den Kopf getroffen : ohne Scharnhorsts Organisation hätte Blücher nicht
siegen
Marschall Vorwärts diese Wahrheit ,
können ;
gerade
dafs
aber unser
in dem ihn feiernden
Siegesjubel, so schlicht und doch so schön, wie es nur vom Herzen kommen konnte, aussprach, gereicht ihm zu grofser Auszeichnung. Wir verschweigen hier , in einer blos kurzen und einfachen Darlegung von Hauptthatsachen , dasjenige , was die Dichter über Scharnhorst gesagt haben ; es liegt ja offen da und hat ein grösseres Publikum als die historische Erörterung. Nur ein poetischer Spruch möge, weil er in wenigem so viel sagt, hier angegeben werden : „ Scharnhorst , der edle Horst der Schaaren , Der unermüdet seit fünf Jahren Ein Preufsenheer im stillen schuf, Als er das Heer ins Feld
geführet ,
Und sah , es hielt sich wie's gebühret , Starb er. Erfüllt war sein Beruf. " ***) Spricht sich hier die Quintessenz des Scharnhorstschen Berufs-
*) Pertz cit. III. 38. **) Preufsens Helden I. (Scharnhorst) S. 182 . ***) , Scharnhorsts Grabschrift" von Friedrich Rückert.
282 Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter lebens in drei Zeilen aus , so mufs auch der aus dieser Grabschrift redende Gedanke : dafs ein unmittelbar auf die höchste Berufserfüllung folgender Tod zu preisen sei ,
accentuiert werden .
Höchste , wozu er befähigt und berufen
Wer das
war , gethan hat , stirbt in
diesem Zenith glücklicher als jenseits desselben.
Scharnhorst wurde 56 Jahre 7 Monate und 18 Tage alt ; er hat 35 Jahre im Militärdienst und davon, rund gerechnet, 30 im Frieden und 5 im Kriege *) zugebracht ;
seine hannoversche Dienstlaufbahn
nahm 23 und seine preufsische
nur 12 Jahre
in Anspruch ,
doch
ist diese letztere Periode so voll Geist und That , dafs sie schwerer wiegt, als manches halbe Säkulum anderer, ja selbst verdienstvoller Lebensläufe .
Dafs vermöge seines frühen Todes ihm die militärische
Vollendung aufserlich entging, lag in der Natur menschlicher Dinge ; innerlich und historisch , poetisch und in der Tradition , ja selbst monumental ist sie ihm voll zu Teil geworden , - ja noch mehr: Scharnhorst gilt auch allgemein und im ganzen deutschen Bereiche und darüber hinaus, für einen Bahnbrecher neuer Gedanken und Zustände .
Er wird immerdar ebenso in der Kultur-, wie in der Kriegs-
geschichte seinen Rang und Platz einnehmen.
XXIV.
Parallele zwischen dem General
Gurko
Balkan - Übergang
im Winter
1877/78
des
und dem-
jenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.
Russisch-türkische Feldzüge bilden eine periodisch wiederkehrende Erscheinung in der Kriegsgeschichte .
Rufsland hat das eigentümliche
Geschick , so vielfach und doch nirgends an das Meer zu grenzen. Im Norden sperrt Eis ,
im Westen und Süden Meerengen ,
die
im
Machtbereich anderer Staaten gelegen sind , den Zugang zur offenen See. Mindestens über einen der letzteren freie Verfügung zu erhalten ,
ist für Rufsland eine Lebensfrage .
ständige Expansionstrieb dieses Reichs ,
*) 1793, 1794, 1806 , 1807, 1813.
Hieraus resultiert der
der sich naturgemäss
am
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. fühlbarsten gegen Süden machen mufs.
Hier schien
283
es von je ein
aussichtsreiches Unternehmen , den Händen der altersschwachen osmanischen Monarchie die Schlüssel zum Schwarzen Meere zu entreifsen. So gehört denn unter der Firma „ Befreiung der BalkanChristen" seit Kaiserin Katharina II. mindestens ein Türkenkrieg gleichsam
zu dem Regierungsprogramm eines russischen Zaren, und
mit Ausnahme des Krimkrieges hat ein jeder derselben mit einem namhaften Schritte vorwärts auf der eingeschlagenen Bahn geendet . In diesem Jahrhundert haben die bedeutendsten Resultate die Waffengänge der
Jahre 1829 und 1877
erzielt,
derselben That , „ Überschreitung des Balkan " , überwindlich gehaltenen Gebirges.
beidemale infolge
eines früher für un-
Beide Male hatte sich das letztere
nach langem wechselvollen Kampfe den russischen Heeren als letzte Barriere des Unterliegenden entgegengestellt. Ein nur mit leichteren Kämpfen verknüpfter Siegeszug
hatte
die Russen im August 1877 , zwei Wochen nach dem Donauübergang, mit der Tete ihres Heeres über den Balkan geführt.
Das Ende des
ganzen Feldzuges schien nahe. Da trat plötzlich in der vortrefflichen Flankenstellung von Plewna die türkische Westarmee unter Osman Pascha auf, und die Situation änderte sich mit einem Schlage. Die Russen sahen sich auf der ganzen Linie in die Defensive zurückgeworfen .
Sie
räumten die Gegenden südlich des
Balkans und mühten sich volle 5 Monate ab , Hindernis in ihrer rechten Flanke los zu werden . dies nach schweren Verlusten
das unbequeme Nachdem ihnen
durch regelrechte Belagerung endlich
gelungen, befanden sie sich im Dezember 1877 fast genau an derselben Stelle ,
wo sie im August
eben
dieses Jahres
gestanden hatten.
Plewna war nur ein Zwischenfall gewesen ; dieser war jetzt erledigt, und nun trat von neuem die einfache, aber nicht leicht zu entscheidende Frage an die russische Heeresleitung heran , was soll nun geschehen ?
Die Antwort konnte
nur an der Hand
der Kriegslage
gegeben werden, welche damals folgende war : Es standen am Lom, am Schipka-Paſs, am Etropol- Balkan und in der Dobrudscha 140 000 Russen gegen etwa dieselbe Zahl Türken . Aufserdem hatten die ersteren durch den Fall von Plewna freie Verfügung erhalten über 110 000 Kombattanten , während die letzteren 50 000 aus ihrer Rechnung streichen mussten. Die Russen hatten es Plewna-Armee
demnach in der Hand ,
durch Entfaltung
einer
mittelst
der
erdrückenden Überlegenheit
auf irgend einem Teil des Kriegsschauplatzes eine baldige Entscheidung herbeizuführen .
Die feindliche Hauptarmee stand in der Stärke
284 Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter von 60 000 Mann innerhalb des Festungsvierecks Schumla-RustschukSilistria-Warna. Es schien das Einfachste, die ihr gegenüberstehende russische Armee am Lom zu verstärken und über sie herzufallen . Aber mit Recht wurde diesem Gedanken,
wenn
er
überhaupt auf-
getaucht ist , im russischen Hauptquartier kein Raum gegeben. war dies ein Fall in der Kriegsgeschichte, wo das Einfachste,
Es das
Aufsuchen und Schlagen der feindlichen Armee, nicht das Beste war, denn dieses Einfachste kostete Zeit, und Zeitgewinn konnte nur der durch die Katastrophe von Plewna erschütterten Türkei nützen . dem
war man
stark genug,
die
Zu-
feindliche Armee mit samt den
Festungen durch Beobachtung unschädlich zu machen und zugleich entscheidende Aktionen in anderer Richtung
zu versuchen .
Diese
Richtung konnte nur über das Gebirge nach der gegnerischen Hauptstadt führen ; hier allein lag der Schlüssel zum Frieden . Zwar mufste die strenge Jahreszeit die an sich grofsen Schwierigkeiten eines Balkan- Überganges zu fast unüberwindlichen gestalten . Keinesfalls
konnte man hoffen ,
so leichten Kaufs davonzukommen,
wie dies im Sommer der Fall gewesen, zumal die damalige Indolenz der Verteidigung nicht wieder zu erwarten war, und es gab Stimmen genug, auch im russischen Hauptquartiere, die einen Übergang jetzt nicht für möglich erklärten. Aber die Zeiten sind vorbei , in denen man Winterquartiere bezieht. Die Unbilden der Witterung machten sich auch in Bulgarien fühlbar. Das ausgesogene Land konnte die 250 000 Russen nicht ernähren ;
der Nachschub gestaltete sich da-
gegen gerade durch die Jahreszeit immer schwieriger ;
schliesslich
was die Hauptsache war, bei langem Hinziehen der Entscheidung nicht nur militärische , sondern auch politische Zwischen-
konnten,
die bisherigen Erfolge wieder in Frage stellen. Kurz , alle Gesichtspunkte vereinigten sich, der russischen Heeresleitung ihren Entschlufs geradezu aufzuzwingen. fälle
Hatte man diesen Entschlufs im Sinne des Überganges gefafst, trat als weitere Frage auf, wo sollte dieser stattfinden, wohin sollten die vor Plewna freigewordenen Kräfte dirigiert werden ? Der Balkan ist nicht über 4-5000 ' hoch, also nicht viel höher denn etwa das Riesengebirge. Aber er ist zerklüftet, stark bewaldet, ärmlich bevölkert und mit Kommunikationen nur mangelhaft versehen .
Auf diesen Eigenschaften beruht die Schwierigkeit des Über-
ganges , umsomehr , als ein Ersteigen des Gebirges aufserhalb der Kommunikationen auch für einzelne Leute undenkbar erscheint , da die überall vorgelagerten plateauartigen Vorberge in ihren Hängen steil abfallen. Von den Kommunikationen selbst haben lediglich
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.
285
diejenigen über den Schipka- und Arabkonak-Pafs Ähnlichkeit mit dem, was wir Chaussee zu nennen pflegen. Die übrigen Pässe, deren es eine ziemliche Zahl giebt, weisen nur mangelhafte Feldwege auf, die auch im Frieden den Transport von Reisenden und Waaren nur mittelst Saumtieren gestatten . Mühsam können vielleicht der Eminehund der Nadir-Derbend-Pals für Fuhrwerke benutzt werden. Also mindestens einen
der
beiden Pässe
nach Sofia oder nach
Kassanlik mufsten die Russen sich öffnen , wenn sie daran denken wollten, ihre grofsen Armeeen mit allen Trains auf die andere Seite. des Gebirges zu verpflanzen .
Ja, die beträchtliche Stärke des Heeres
mufsten es sogar geboten erscheinen lassen, von Hause aus die Aufmerksamkeit auf alle beide zu richten. Doch mufste des Fall des einen denjenigen des andern von selbst nach sich ziehen. Beide Pässe resp. deren Deboucheen waren seitens der Türken durch etwa gleich starke Armeeen und durch Verschanzungen gesichert.
Die Russen hatten dagegen von dem Übergange des vorigen
Sommers her den Schipka-Pafs selbst (aber nicht dessen Deboucheen) noch in Besitz , Stellung lagen.
während sie
dem Arabkonak-Pafs
gegenüber in
Der Vorstofs durch den ersteren öffnete den nächsten
Weg nach Adrianopel und war daher strategisch geboten. erschien derjenige durch den Arabkonak taktisch leichter.
Dagegen Angesichts
der dortigen , erst vor kurzem improvisierten und durch rasch auf einander
folgende
Schläge
während
der
letzten
sechs
Wochen
erschütterten gegnerischen Truppen , die überdies , weil vom Centrum des Reiches entfernter, Verstärkungen weniger zu erhoffen hatten. entschied sich die russische Heeresleitung,
den
So
ersten Zug hier zu
thun, ohne den späteren Durchbruch durch den Schipka aus dem Auge zu verlieren, und setzte die Armee von Plewna nach beiden Richtungen in Bewegung. Der am Arabkonak-Pafs kommandierende General Gurko erhielt drei Divisionen Verstärkung Bataillone ,
59 Eskadrons,
und war dadurch auf 82 Infanterie300 Geschütze,
in Summa etwa 70 000
Kombattanten gebracht, welche vom 23. Dezember ab auf der Linie Lutikowo-Vracesi-Etropol massiert standen. Die Türken änderten auch nach dem Falle von Plewna in ihrem Verteidigungssystem rücksichtlich des Balkans nichts.
Sie hatten
jeden Zugang längs des ganzen Gebirges so zu sagen verstopft und stellten das Weitere mit der Ruhe des Orientalen Allah anheim . Der türkische
Oberfeldherr,
Suleiman Pascha,
wurde
zwar Ende
Dezember mit dem gröfsten Teile der Hauptarmee aus dem Festungsviereck herausgezogen und in das Maritza-Thal dirigiert, jedoch zu
286 Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter
spät,
um bei der Gebirgsverteidigung noch in Betracht zu kommen.
Die Stellung der Türken , speziell im Etropol-Balkan, war folgende : a) am Schandarnikberg-Arabkonak-Komarci , passe, 45 Bataillone ;
d. i.
im Haupt-
b) bei Slatica 10-15 Bataillone ; c) bei Lutikowo , zur Sicherung des dortigen direkten Verbindungsweges nach Sofia, 6-10 Bataillone ; d) allgemeine Reserve in Sofia 12 Bataillone. In Summa etwa 40 000 Kombattanten, 60-80 Geschütze und einige Tscherkessenhaufen als einzige Kavallerie kommando Schakir-Pascha's.
je
unter dem Ober-
Die Stellung im Hauptpasse bestand aus sieben Redouten mit armiert , die bedeutendste aufserdem mit
2-4 Feldgeschützen
2 schweren Krupp'schen Kanonen.
Diese Position in der Front zu
nehmen, war natürlich nicht möglich . Der nächste Umgehungsweg östlich, der Strigi-Paſs, lag unter dem Feuer der türkischen Kanonen, und war daher von allen Kombinationen Gurko's von vorn herein Die nächsten Umgehungswege oder eigentlich Fufspfade westlich verlassen bei Vracesi die Chaussee und übersteigen bei Curiac resp. Jablonica das Gebirge . Zu deren Sicherung hatten ausgeschlossen.
die Türken nichts gethan, wohl weil sie dieselben mit Rücksicht auf die Jahreszeit für vollständig inpraktikabel hielten. Der Paſs von Etropol nach Slatica war durch eine energische Offensive seit kurzem in von diesen durch Befestigung von Somit hatte General Gurko es in der Hand, mit Hülfe dieser Kommunikation östlich, mit Hülfe der beiden Verrussischen Besitz
Klisekiöj
gelangt und
gesichert.
bindungswege von Vracesi aus westlich, die feindliche Stellung zu umgehen. Nur teilweise jedoch machte er hiervon Gebrauch, da von Hause aus seine Absicht nicht auf Abdrängen , sondern auf völliges Abschneiden des Gegners gerichtet war. Er versuchte es demgemäſs , trotz der scheinbaren Unmöglichkeit, das Gebirge auch aufserhalb der Wege zu überschreiten, ein Versuch, gängig von Erfolg gekrönt worden ist.
der jedoch
nicht
durch-
Zum Beginn der Aktion teilte General Gurko seine ganze Macht in drei Operations- und drei Demonstrationskolonnen . Die letzteren wurden vor Lutikowo , Arabkonak und Slatica etabliert, in der Gesamtstärke von etwa 30 000 Kombattanten. *) *) Die Stärke der Demonstrationskolonnen im einzelnen war : 1. vor Lutikowo 5 Bataillone, 8 Eskadrons, 30 Geschütze, unter General Pohitonow ; 2. vor Arabkonak 26 Bataillone, 52 Geschütze, unter General Krüdener ; 3. vor Slatica 5½ Bataillone, 2 Sotnien Kosacken, 2 Geschütze, unter General Brock.
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. Der gröfsere Teil der Armee,
etwa 40 000 Kombattanten,
287 fiel
den drei Operationskolonnen zu mit folgenden Direktionen : Rechte Kolonne , von Vracesi über
General Weljaminow,
auf dem
den Umurgas-Berg nach Jeliava ,
Saumpfad
demnächst
zur
Sicherung gegen Sofia. Hauptkolonne , General Katalei, von Vracesi aus über Curiac auf Nyegosowo zum direkten Angriff auf die feindliche Basis . Diese Kolonne sollte nicht den Pfad von Vracesi auf Curiac benutzen , da derselbe
wegen
der Nähe
von Lutikowo
für
eine
so
bedeutende
Truppenmenge nicht hatte praktikabel gemacht werden können .
Sie
sollte daher 2 km südlich des erstgenannten Ortes die Chaussee Zu dem verlassen und sich quer über das Gebirge dirigieren . Behufe war vom 21. bis 24. Dezember ein Weg durch den Schnee hergestellt worden von 3 Sappeur-Compagnien und 4 InfanterieBataillonen, unter dem Schutze einer in Curiac etablierten Eskadron . Diese letztere hatte den erwähnten Pfad benutzt und die in der Luftlinie 12 km betragende Strecke erst innerhalb 24 Stunden zu überwinden vermocht. Die linke Kolonne , auf den Babagora-Berg,
General Dandeville,
von Etropol direkt
zur Demonstration gegen den
türkischen
rechten Flügel und demnächst Verlegung der feindlichen RückzugsDiese Kolonne mufste sich ihren Weg während
linie gegen Osten.
des Aufstieges erst bahnen, was allerdings nicht für umsichtige Vorbereitung spricht.*) Von den Batterieen rückte nur je die Hälfte der Geschütze aus, mit den kräftigsten Pferden bespannt.
Die Mannschaften waren für
sechs Tage mit Lebensmitteln versehen, man hoffte jedoch bereits in zwei Tagen das Gebirge hinter sich zu haben . Die Kavallerie war hauptsächlich den beiden Kolonnen des rechten Flügels zugeteilt, weil hier das Schwergewicht der baldigen Unterbindung des Zusammenhanges der türkischen Stellung mit Sofia lag . Als Abmarschtag wurde für General Gurko alle drei Kolonnen der 25. Dezember bestimmt . schlofs sich für seine Person der mittleren Kolonne an. Der nun folgende Übergang
war für die
russische Armee mit
Schwierigkeiten verknüpft , die alle Erwartungen weit hinter sich liefsen. Wie seinerzeit beim Donauübergang aufsergewöhnlicher *) Im einzelnen bestanden die Operationskolonnen aus folgenden Teilen : Rechte Kolonne : 5 Bataillone, 15 Eskadrons, 8 Geschütze. 16 44 Mittlere Kolonne : 31 "" " " 12 4 9 Linke Kolonne : " "9 99 Summa : 45 Bataillone, 35 Eskadrons, 64 Geschütze. 20 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
288
Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter
Regen , so hatte sich jetzt aufsergewöhnliche Kälte den Türken als Verbündeter zur Seite gesellt , und zwar trat solche gerade in der Nacht vor dem Abmarsch ein. Die in Glatteis verwandelten Wege liefsen die unberittenen Waffen nur schwierig , die berittenen gar nicht vorwärts kommen . Bei allen drei Kolonnen wurden die Geschütze
zerlegt
und Rohre , Lafetten
und Protzen teils
von den
Mannschaften getragen , teils mittelst Schlitten und vorgespannter Infanteriecompagnieen den Berg hinaufgezogen . Die Kavallerie safs ab und marschierte zu Einem, die Pferde an der Hand führend . Noch schwieriger gestaltete sich der Abstieg. Jeder Baum, jedes Gesträuch wurde als Stützpunkt für die Fülse benutzt und die zerlegten Geschütze mufsten einzeln mittelst Seilen herabgelassen werden . Die Munition trug man teilweise in den Händen . Schliesslich gesellte sich zu dem Allen in der Nacht zum 29. Dezember ein Schneesturm , der die eine Kolonne noch auf dem Gipfel des Gebirges überraschte. Unter solchen Umständen konnte ein dispositionsgemäſses Zusammenwirken aller drei Kolonnen nicht erwartet werden. Eine einzige nur, die mittlere , erreichte auf dem vorgeschriebenen Wege ihr Ziel ; die rechte, auf dem Umurgas- Berg angelangt, fand, daſs der Abstieg nach Jeliava nicht möglich sei , und zog sich nach eingeholter Genehmigung des Oberkommandierenden an die mittlere Kolonne nach Curiac heran.
Der Versuch der linken Kolonne scheiterte voll-
ständig.
Nachdem es ihr gelungen war, am 3. und 4. Tage nach dem Abmarsch auf der Höhe des Babagora-Berges vier Geschütze gegen die türkische rechte Flanke in Thätigkeit zu setzen, wurde sie am Abend des letzteren Tages von dem erwähnten Schneesturm überfallen. Sie hielt demselben 36 Stunden Stand , fand sich aber schliesslich doch veranlafst ,
den Rückweg
anzutreten .
Fünf Tage
nach dem Abmarsch traf sie wieder in Etropol ein , setzte sich den folgenden Tag, am 31. Dezember, durch das Defilé von Slatica von neuem in Bewegung und kam wenigstens noch zeitig genug zur Aktion , um die türkische Rückzugslinie gegen Osten zu verlegen. Mit einem durch die Kälte verursachten Verluste von 13 Offizieren und 863 Mann hatten die Russen diesen Versuch erkauft , dessen Mifslingen die türkische Armee vielleicht vor einer Katastrophe gerettet hat, ähnlich wie sie acht Tage später die türkische Schipkabesatzung ereilte . Wenn sich nun auch der General Gurko bei seinen Berechnungen in manchen Punkten getäuscht hatte , in einem hatte er dies nicht, im Vetrauen auf die Unthätigkeit seines Gegners . Über den Beginn der russischen Bewegung war der türkische Oberbefehlshaber
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. vollständig
im Unklaren
geblieben.
Greifbare
Beweise
289
erhielt
er
jedoch bereits nach zwei Tagen , am 27. Dezember , durch das Zusammentreffen der ersten feindlichen Spitzen im Thale von Curiac . General Gurko hatte hierbei gethan , was nur einem so passiven Gegner gegenüber riskiert werden konnte.
Er hetzte seine abgetrie-
benen, durchaus erschöpften Truppen sofort an den Feind. Der Erfolg blieb nicht aus. Die überraschten türkischen Vorposten wurden. über den Haufen gerannt ,
und die hinter ihnen gelegenen Dörfer
Protop und Ilesnica fast ohne Kampf genommen .
Die Kavallerie der
Avantgarde schweifte sofort in die jenseitige Ebene und hob noch an demselben Abend einen feindlichen Provianttransport bei Gorny Malin auf.
So war in einem Zuge nicht nur der Defiléeausgang in
die Hände der Russen gefallen ,
sondern auch
die Verbindung des
Gegners mit Sofia unterbrochen . Aber noch war für General Gurko die Krisis nicht überwunden. Er hatte nichts zur Hand, denn etwa die 5-6000 Mann der Avantgarde .
Die übrigen Staffeln waren noch ganze Tagemärsche zurück.
Dem gegenüber stand dem türkischen Oberbefehlshaber eine intakte Reserve von 20 Bataillonen zur Verfügung.
Aber nachdem sich der-
selbe, angesichts der geschilderten Ereignisse vom 27. Dezember, der Überzeugung nicht mehr verschliefsen konnte , dafs es sich um Umgehung seiner linken Flanke handle , lediglich
zur starken Befestigung
Ein derartiges
verwendete
und Besetzung
er diese Reserve von Taschkesen.
passives Verhalten der Verteidigung
Unterliegen des Verteidigers stets
gestaltet das
nur zu einer Zeitfrage .
General
Gurko ahmte zunächst seinem Gegner nach ; er verschanzte sich ihm gegenüber in Nyegosowo
und wartete in Ruhe
seiner hinteren Echelons ab .
Dies
dauerte
Erst am 31. Dezember waren die Truppen
noch
das Aufschliefsen volle
drei Tage.
der russischen rechten
und mittleren Operationskolonne wieder in einer Hand .
Die ersteren
wurden ihrer ursprünglichen Bestimmung , Deckung gegen Sofia, zurückgegeben und bei Gorny Bugaroff aufgestellt. Mit der letzteren erstürmte General Gurko am Abend des 31. Dezember Taschkesen. Für die Neujahrsnacht stand den Türken
noch die Strafse
Petricewo als einzige Rückzugslinie zur Verfügung .
über
Es gelingt ihnen ,
in leidlicher Ordnung und mit mäfsigen Verlusten diesen Rückweg zu gewinnen . Bei der russischen Kavallerie scheint der letzte Hauch von Mann und Rofs endlich aufgebraucht gewesen zu sein , wenigstens gelang ihr weder die befohlene Verlegung des türkischen Rückzuges bei Smowsko ,
noch hat überhaupt eine nennenswerte Verfol-
gung stattgefunden .
20 *
290
Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter Am 3. Januar
zog General Gurko
in Sofia
ein ,
womit sein
Balkanübergang, der dritte in diesem Jahrhundert, als abgeschlossen betrachtet werden konnte. -Denselben glücklichen Ausgang , aber einen wesentlich anderen Verlauf, nahm der erste dieses Jahrhunderts, der Übergang im Sommer 1829.
Die Kriegslage zeigte damals
mit derjenigen von 1877
insofern Ähnlichkeit , als die Russen ihre Macht gleichfalls in zwei gröfsere Teile zerlegt hatten und mit dem einen vor einem festen Platze lagen , mit dem andern eine Defensivstellung gegen die türkische Hauptarmee bezogen hatten.
Damals standen die Russen vor
Plewna und hielten in einer Stellung am Lom die feindliche Hauptarmee innerhalb des Festungsvierecks im Schach.
Jetzt waren die
Armeeen kleiner, und demgemäfs alle Verhältnisse bescheidener geworden.
An Stelle
Mann Besatzung ,
von Plewna war Silistria getreten mit 20 000
an Stelle des ganzen Festungsvierecks
schanzte Lager von Schumla allein ,
das
ver-
innerhalb dessen die türkische
Operationsarmee stand , in der Stärke von 40 000 Mann , excl . Festungsbesatzung. Dem gegenüber belagerten die Russen mit ihrem 2. und 3. Armeecorps Silistria,
mit dem 6. und 7. standen sie in
einer verschanzten Stellung bei Pravady, Front gegen Schumla . Festung Warna war bereits im Feldzuge
Die
des vorhergehenden Som-
mers erobert worden und mit einigen 1000 Mann des 7. Armeecorps besetzt. Die Festung Rustschuck
mit
20 000 Mann Besatzung
wurde
seitens der Russen lediglich von der Walachei aus beobachtet . Abweichend vom Jahre 1877 war von den Balkanpässen keiner durch russische Truppen besetzt, dagegen bereits jenseits des Gebirges der Hafen Sisopolis durch ihre überlegene Flotte okkupiert. In letzterem Punkte lag eine grofse Verschiebung der Machtverhältnisse zu Gunsten der Russen. Die Verpflegung blieb diesen unter allen Umständen gesichert, so lange sie die Fühlung mit dem Meere nicht verloren , und dafs dies nicht geschah , war ihre Hauptsorge . Wir sehen, wie 1877 die Operationslinie der Russen weit landeinwärts über Donau und Balkan geht , ihre Front am Lom gegen das Meer, 1829 dagegen die Operationslinie stets der Küste entlang, die Front gegen das Innere des Landes . Wie 1877 der türkische Oberbefehlshaber innerhalb der Festungen, Suleiman Pascha , es anfang Dezember noch versuchte , durch wiederholte Offensivstöfse am Lom den Fall von Plewna hintanzuhalten, so glaubte auch 1829 der in Schumla persönlich kommandierende Grofsvezir, Reschid Mehmed, irgend etwas thun zu müssen,
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.
291
was anscheinend dem hart bedrängten Silistria endlich Luft schaffen könnte .
Er unternahm mit 40 000 Mann eine
in gröfserem Style
angelegte Offensivbewegung gegen Pravady, und beschäftigte sich mit Bestürmung dieses schlecht befestigten, aber gut verteidigten Platzes . Der russische Oberbefehlshaber, General Diebitsch, welcher persönlich die Belagerung von Silistria leitete, beschlofs auf die Kunde hiervon sofort, den Grofsvezir, der ihm bis jetzt stets ausgewichen war, zur entscheidenden Schlacht zu zwingen. Mit der Hälfte der Einschliefsungsarmee bricht er auf, es gelingt ihm, die Vereinigung mit seinen beiden Corps vor Pravady herbeizuführen und der türkischen Armee, die auf sein Nahen in der That nach Schumla zurückkehren will, bei Kulewtscha zuvorzukommen mit 28 000 gegen 40 000 Mann . Die Türken werden
geschlagen ,
ihre
ganze Artillerie
fällt in
russische Hände, das Heer selbst löst sich auf der Flucht vollständig auf, mit nur 600 Reiter kommt der Grofsvezir in der Festung an. Doch finden sich die versprengten Trümmer innerhalb der nächsten vierzehn Tage fast vollzählig wieder zusammen , und der Grofsvezir vermag in Schumla von neuem eine Armee von etwa 35 000 Kombattanten zusammenzustellen .
Ihm gegenüber verfügt General Diebitsch
nach dem bald erfolgenden Fall von Silistria über seine sämtlichen vier Corps in der Stärke von etwa
40 000 Mann und sieht sich unthätig mit diesen einen vollen Monat fast vor Schumla gefesselt. Was soll nun geschehen, das war die Frage, die, wie nach dem Fall von Plewna, so auch jetzt, an die russische Heeresleitung herantrat. Beide Male hatte die türkische Armee eine Katastrophe erlitten , und beide Male bestand das einzige diesseits des Balkan noch vorhandene feindliche Objekt in Festungen oder Armeeen, durch solche gedeckt. Wohl konnten die Festungen genommen, die Armeeen vernichtet werden, aber 1877 stand ein zweiter, 1829 ein dritter Sommerfeldzug in sicherer Aussicht . Und wenn schliefslich das letzte eine Garantie dafür, daſs bulgarische Dorf in russische Hände fiel der Frieden damit erzwungen werden würde , hatte man nicht. ― Der Balkan mufste vielleicht doch überschritten und ein dann voraussichtlich wieder neu gekräftigter Gegner in Rechnung gestellt werden. Bis in die neueste Zeit haben ja die Türken bewiesen , daſs man ihnen sehr nahe auf den Leib rücken mufs , will man Zugeständnisse von ihnen erhalten. Wenn ferner 1877 Kälte und Verpflegungsschwierigkeiten den Aufenthalt in Bulgarien zu einem unleidlichen. machten, so drängten 1829 Krankheiten, vor allem die immer drohender auftretende Pest zur Bewegung und zu Thaten . General Diebitsch konnte fast mit Sicherheit berechnen , wann er seinen letzten Mann
292
Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter
in das Lazareth abgegeben haben thatenlos vor Schumla.
würde ,
blieb die Armee länger
Und so entschied sich der russische Oberfeldherr ,
ohnehin ein
Mann des rücksichtslosen Vorwärtsstrebens , ungeachtet der grofsen Schwäche seines Heeres, zu dem Zug über das Gebirge. Ob die
Balkanpässe
darüber war das russische
seitens
der
Türken
Hauptquartier nicht
verteidigt
würden ,
im Klaren .
Man
wufste jedoch , dafs der Grofsvezir ein am Kamtschyk aufgestellt gewesenes Corps von 8-10 000 Irregulären vor kurzem nach Schumla gezogen hatte, für diese Festung mehr fürchtend , denn für den Weg zur Hauptstadt.
Also
auf viel Widerstand konnte man
diesseits des Gebirges nicht rechnen . Von seinen vier Corps beorderte General Diebitsch eines, Krassnowski , in der Stärke von 15 000 Mann , zur Beobachtung von Schumla. Dieses Corps nahm Stellung bei Jenibasar , später bei Marasch.
Die übrigen drei Corps , Rüdiger, Roth und Pahlen , wur-
den zur Offensive über den Balkan bestimmt.
Drei Wege standen dem
russischen Oberfeldherrn hierzu zur Verfügung, durch den Nadir-Derbend, durch den Emineh-Pafs und die Küste entlang, sämtlich leidlich fahrbar.
Er beschlofs alle drei zu benutzen und disponierte wie folgt :
Roth über Pravady, Podbaschi , die Küste entlang auf Missivri und Burgas . Rüdiger über Kiöprikiöj und den Nadir-Derbend -Paſs auf Aidos. Das Corps Pahlen als Art Reserve in der Mitte zwischen beiden über den Emineh-Paſs . Die Vereinigung aller drei Corps jenseits sollte in der Richtung auf die Küste erstrebt werden.
Lebensmittel sollten auf zehn Tage
mitgenommen werden, dagegen möglichst wenig Gepäck. Der verschiedenen Länge der Marschrouten entsprechend der Abmarsch der drei Abteilungen
war
auch verschieden festgesetzt.
Roth marschierte am 12., Rüdiger am 16. und Pahlen am 17. Juli ab. Da ein nennenswerter Widerstand seitens der Türken dem Übergang nicht entgegentrat, so wurde, im Gegensatz zu 1877 , die DisEs verfolgen position fast vollständig zur Ausführung gebracht. jedoch nicht alle drei Corps die ihnen zugewiesene Route bis ans Ende . Der Nadir-Derbend-Pafs bietet einige, dem Verteidiger günstige , dem Angreifer dagegen höchst gefährliche Positionen. Dem General Rüdiger, der diesen Pafs benutzen sollte, erscheint nach der Überschreitung des Kamtschyk die Sache bedenklich , und zieht er den doppelt so weiten Umweg über Podbaschi und den Emineh-Paſs vor. Hierdurch kommt er in die Route des Corps Pahlen, mit dem
293
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829. er sich bei Erketsch vereinigt .
Widerstand
hatte man nur an den
beiden Kamtschyk- Übergängen, Kiöpnikiöj und Podbaschi , gefunden , der durch die Corps Rüdiger und Roth leicht überwunden werden konnte, obwohl die Türken hinter starken Verschanzungen safsen. Am gleichen Tage , am 22. Juli , überschritten alle drei Corps den Kamm des Gebirges .
Dicht jenseits traten dem General Roth 7000
Türken von Missivri her entgegen , den Corps Rüdiger und Pahlen ein starkes Reitergeschwader aus Aidos. Aber auch hier weichen die beiden türkischen Abteilungen dem ersten Stofse , Roth
nimmt
an demselben Tage Missivri, zwei Tage später Burgas, beide Hafenplätze nach nur leichtem Kampfe.
Rüdiger zieht
am 23. Juli in
Ahiolo ein und am 24. , neun Tage nach dem Abmarsch , vereinigen sich alle drei Corps
bei Rumelikiöj .
Aber
nun
flöfste die Leich-
tigkeit seiner Erfolge dem General Diebitsch selbst Besorgnis ein, die bisherigen untergeordneten Schaaren konnten vielleicht nur Vorläufer eines gröfseren Heeres gewesen sein. " aber unbequem war ihm der Gedanke an
(Moltke.) Vor allem den nun wieder mit
über 40 000 Mann in Schumla stehenden Grofsvezir , verglich er mit dieser Zahl die Schwäche seines zurückgelassenen Beobachtungscorps . So wagt er den Vormarsch auf Adrianopel vorerst nicht fortzusetzen, sondern rückt, von der türkischen Hauptarmee gleichsam magnetisch angezogen, am Südfufse des Gebirges entlang. Der Grofsvezir selbst war es, der den russischen Oberfeldherrn von dieser Sorge befreite . Er fiel demselben weder mit seiner ganzen Armee in Rücken und Flanke , noch blieb er wenigstens
als
fernerer Anziehungspunkt in
Schumla, sondern detachierte sein Heer in drei Abteilungen zu etwa 15 000 Mann durch
die
Balkanpässe
den Russen
entgegen .
Mit
diesen schwachen Abteilungen hatte General Diebitsch leichtes Spiel . Er zersprengte
sie
am 25. , 31. Juli
Jamboli und Slivno , und tritt ,
dann
und 12. August bei Aidos, erst
den Balkanübergang für
abgeschlossen erachtend, seinen Vormarsch auf Adrianopel an. War die Verteidigung des Balkan seitens der Türken 1877 schlecht , so war sie somit 1829 noch schlechter. Das eigentliche Gebirge wurde gar nicht , der Kamtschykflufs leicht und ohne Zusammenhang festgehalten . In beiden Feldzügen fehlte der Verteidigung System, vor allem eine hinter dem Gebirge aufgestellte und richtig verwendete Generalreserve. Was den Russen bald nach dem Debouchieren am 22. Juli 1829 entgegentrat , waren zufällig zu anderen Zwecken zur Stelle befindliche Heereskörper. 1877 sollte Suleiman Pascha zwar eine ähnliche Rolle übernehmen .
Er wurde,
wie bereits angeführt, Ende Dezember mit dem gröfsten Teile seiner
294
Parallele zwischen dem Balkan- Übergang des General Gurko im Winter
Armee in das Maritza-Thal dirigiert .
Aber man hatte sich seitens
des Gegners einer solchen Raschheit der Operationen nicht versehen , und so kam der türkische Pascha gerade noch zeitig genug, um von dem bereits übergegangenen General Gurko bei Philippopel mit ganzer Macht angefallen und zertrümmert zu werden.
Im übrigen war
1877 die eigentliche Verteidigungsarmee im Gebirge verzettelt, während der dem General Gurko am Etropol-Balkan speziell gegenüber kommandierende türkische Befehlshaber , Schakir Pascha ,
seine be-
trächtliche Reserve, wie wir gesehen, lediglich zur weiteren Ausdehnung seines verschanzten Ringes benutzen zu müssen glaubte. Diese Art der Verteidigung hat zwar den Russen ihr Unternehmen bedeutend erleichtert , läfst jedoch Truppen und Feldherrn noch Verdienste genug übrig. Schon die materiellen Schwierigkeiten des Überganges waren in beiden Jahren enorm . Es lassen sich jedoch diejenigen von 1829 denen von 1877 nicht entfernt an die Seite. stellen.
Der Balkan ist in dieser Gegend an sich angebauter und
weniger schroff. Die Jahreszeit war besser, die gänzliche Abwesenheit eines Feindes machte kein Abweichen vom Wege erforderlich. Trotzdem musste auch hier Infanterie zahlreich eintreten, wenn Train und Artillerie nicht zurückbleiben sollten. über Kälte zu klagen , die Hitze gefährlich ,
so wurde
dabei noch
Hatten die Truppen Gurkos
denjenigen
des General Diebitsch
mit rapidem Wechsel verbunden.
So zeigte z . B. das Thermometer am 21. Juli nachts 12 Uhr + 22º R. , den andern Tag bei stürmischer Witterung - 10º. Bei so abnormen Verhältnissen konnte der an sich schlechte Gesundheitszustand nur noch schlechter werden.
Wenn Gurkos Mannschaften dem Schnee-
sturm und der übermässigen Anstrengung erlagen, so holten sich diejenigen des General Diebitsch den Keim zur Wassersucht , Skorbut und Dissenterie.
Den ersteren kostete
der Übergang in den neun
Tagen bis zur Einnahme Sofias bei einer Stärke von 70 000 Mann inkl. Gefechtsverluste 2400 Mann ;
letzterer brachte sein schwaches
Heer innerhalb neun Tagen fast vollzählig nach Rumelikiöj , aber innerlich völlig durchseucht. Die Nachwehen machten sich bald fühlbar, und während mit Überwindung des Gebirges bei Gurko auch die Schwierigkeiten in ihrer Hauptsache überwunden waren , sie bei Diebitsch erst recht an. Die Ausführung des Unternehmens
hatte sich ,
fingen
dem Verhalten
des Verteidigers entsprechend, in den beiden Fällen verschieden gestaltet.
Beide Feldherren
zerlegten ihre Heere
in mehrere Teile,
aber der eine, das Hauptaugenmerk auf den bereits genau rekognoszierten Gegner richtend, um diesen während des Überganges zu um-
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.
295
fassen, der andere, genötigt, einen Stofs in das Ungewisse zu thun, lediglich unter der allgemein taktischen Rücksicht , den gefährlichen Moment des Defilierens abzukürzen . Der eine mufs demzufolge jeden Gedanken an Schonung von Truppen und Material bei Seite setzen . Sein Unternehmen bedarf zur Ausführung der gröfseren Energie und steht dasselbe in dieser Richtung höher da.
Diese Behauptung läfst
sich rechtfertigen , wenn wir uns vergegenwärtigen , wie General Gurko bei den immer mehr sich häufenden Schwierigkeiten , bei der Ungewissheit über das Schicksal seiner verschiedenen Kolonnen , bei dem ihm bekannt werdenden teilweisen Scheitern seiner Dispositionen , das Ziel unverrückt im Auge behält , wenn er, kaum über dem Gebirge, den letzten Athem seiner Truppen zum Anlauf auf den ausgeruhten Gegner auszunutzen weifs , scheidenden Schlage ausholt.
und wenn er sofort zum ent-
Ein anderes Resultat ergiebt sich , wenn wir die Schwere der beiderseitigen Entschlüsse in Erwägung ziehen . In dieser Richtung steht der Feldherr von 1829 gröfser da . Der Entschlufs des General Diebitsch zum Übergang ist so kühn , dafs man über demselben die Leichtigkeit der Ausführung fast zu vergessen geneigt ist. Es ist dies trotz der zwingenden Umstände , die, wie oben auseinandergesetzt, Der General wufste , dafs er in seinem
ihn herbeiführen halfen .
Rücken die türkische Hauptarmee zurückliefs , an Zahl der seinigen gewachsen ; er wufste , dafs jenseits des Gebirges der Pascha von Albanien stand mit 40 000 Arnauten , zwar dem Sultan kein zuveraber auf alle Fälle mit in Berechnung zu ziehen .
lässiger Vasall ,
Dieser Pascha war bis jetzt unthätig südlich Sofia geblieben und hatte seine Freude an der Schwächung der Türkei, war jedoch weit Dem russischen entfernt, deren völligen Untergang zu wünschen . Oberkommandierenden war ferner bekannt, dafs die hohe Pforte noch 50 000 Reservetruppen bei Konstantinopel verfüge , er auf einen Volkskrieg mit den von Fanamöglicherweise mufste sich
über etwa
tismus erregten Muselmännern gefafst machen. Wenn er sich angesichts dieser Verhältnisse entschlofs , mit einer Armee von nur 25 000 Mann in das Herz des türkischen Reiches
einzudringen ,
so
konnte er die Schlaffheit der Verteidigung, wie sie in der Folge eingetreten ist, nicht voraussehen . Er konnte nicht erwarten, dafs ihm der Grofsvezir seine Armee in drei Teilen entgegenbringen , daſs die stärksten Verschanzungen nach wenigen Schüssen fallen, und dafs jenseits des Gebirges weder der Pascha von Albanien, noch Konstantinopel sich erheblich rühren würden . Dem gegenüber verfügte 1877 die russische Heeresleitung über
296
Parallele zwischen dem Balkan-Übergang des General Gurko im Winter
eine erdrückende Übermacht.
Der Entschlufs
zum Übergang
kann
daher nur mit Rücksicht auf die Jahreszeit ein schwerer genannt werden. Wenn auch Gurko nicht General en chef der russischen Armee gewesen ist und seinen Entschlufs
nicht
selbständig
gefafst
haben mag, so hat er doch jedenfalls einen Hauptanteil gehabt. Dagegen sind die Resultate des Unternehmens in beiden Feldzügen dieselben . sischen Heere
Eine ununterbrochene Siegeslaufbahn führt die rusvor die Thore
Konstantinopels und
Aber recht deutlich zeigt sich hierbei
zum Frieden.
der Unterschied in den Mit-
teln , mit welchen die beiden Feldherren zu rechnen hatten .
General
Gurko kann ohne jede weitere Rücksicht den Vormarsch nach Adrianopel antreten , wo er binnen drei Wochen eintrifft. General Diebitsch , obwohl er den kürzeren Weg hat , Wochen dort an , weil er sich schliesslich
langte erst nach vier
doch nicht der Rücksicht
auf die starke feindliche Hauptarmee in seinem Rücken zu entschlagen vermag und er sich zu dem Umwege längs der seinem Gegner zur Verfügung stehenden Balkanpässe veranlaſst sieht . Doch hat sich wohl selten die Kühnheit eines Entschlusses so belohnt, wie 1829 bei General Diebitsch.
Er trifft nur noch mit
dem ,, Schatten eines Heeres ", aber mit dem Rufe der Unüberwindlichkeit in Adrianopel ein.
Selbst die europäischen Gesandtschaften
in Pera schätzen seine Armee auf 60 000 Köpfe, und , dieser Illusion sich beugend, sucht die Pforte bei einem Feldherrn ohne Heer den Frieden nach. Als dann in beiden Feldzügen die in Adrianopel angeknüpften Unterhandlungen nicht den erwünschten Fortgang nehmen wollen, setzen sich die russischen Heere
von neuem gegen die feindliche
Hauptstadt in Bewegung, aber 1877 mit 150 000 Kombattanten, 1829 mit 13 000 , wovon 8000 in der Avantgarde, 5000 im Gros , um die Meinung von der grofsen Armee auch noch ferner aufrecht zu erhalten. Zur Bewachung der 80 000 Einwohner zählenden Stadt Adrianopel dienten
die
dort
zurückgelassenen
Halbgesunden
und
Rekonvaleszenten . Einige 1000 Mann standen gegen den von Sofia her sich endlich fühlbar machenden Pascha von Albanien . Der Rest des Heeres war bereits gestorben oder lag in den Lazarethen. Wieder war in beiden Feldzügen
das Resultat dasselbe .
Der
erwünschte Frieden wurde erzwungen, 1829 jedoch gerade noch zeitig genug, um die russische Armee zu entziehen.
der Vollendung ihres Unterganges
Ziehen wir die Schlufsbilanz, so hat General Diebitsch unstreitig die grössere That vollbracht.
Nicht nur überlegenen äusseren Feinden
1877/78 und demjenigen des General Diebitsch im Sommer 1829.
297
hatte er zu trotzen, sondern auch, was noch schlimmer, verheerenden Krankheiten im eigenen Lager. Während er in Adrianopel mit der Pforte unterhandelte und kühn das Gewicht seines angeblich gewaltigen Heeres in die Wagschaale warf, starben seine wenigen Truppen täglich zu
hunderten hinweg.
Wohl
wurde General Diebitsch bei
seinen Unterhandlungen mit der hohen Pforte durch die Intervention der europäischen Gesandtschaften, vor allem durch den Spezialbevollmächtigten König Friedrich Wilhelm III., General von Müffling , erheblich unterstützt.
Allein
mit blos
diplomatischen Schreckmitteln
ist man der Türkei gegenüber noch nie weit gekommen ,
am aller-
wenigsten , wenn ein energischer Sultan , wie dies Mahmud II. war, an ihrer Spitze stand.
Dafs General Diebitsch in Adrianopel unver-
zagt noch einmal zum Schwerte griff, imponiert und Rufsland das 1829 verschafft.
das
allein hat dem Sultan
günstige Resultat
des Feldzuges
von
Man könnte schliefslich dem russischen Feldherrn den Vorwurf zu grofser Waghalsigkeit machen, man könnte darauf hinweisen, dafs auch die Kühnheit ihre Grenzen hat. Aber wir sprechen ihn von diesem Vorwurf frei.
Für den General Diebitsch
Schlacht von Kulewtscha kein Stillstehen mehr.
gab es nach der
Die Belagerung von
Schumla war bei der Schwäche seines Heeres aussichtslos , er mufste entweder zurück und die bisher gewonnenen Früchte des Feldzuges opfern, oder er mufste vorwärts. konnte nur das letztere wählen .
Der energische Charakter Diebitschs Er setzte alles auf eine Karte und
gewann, weil er seinen Gegner richtig taxiert hatte, und weil er bei Verfolgung seines Zieles auch den gröfsten Schwierigkeiten gegenüber den klaren Blick und die allzeit schlagfertige Energie nie verlor.
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
298
XXV.
Der
vermutliche
strategische Aufmarsch
der
deutschen Streitkräfte an der französischen
Grenze. (Autorisierte Übersetzung aus dem Journal des sciences militaires.)
I. Wenn ein Offizier einen Blick auf die Karte von Deutschland wirft, so wird er längs des Mittel- und Unterrheins zwei besonders ausgeprägte Eisenbahngruppen bemerken, die auf dem linken Ufer durch den Hunsrück und die Eifel, auf dem rechten durch den Taunus und den Westerwald getrennt werden . Die nördliche Gruppe hat ihren Mittelpunkt in Westfalen, in der Gegend zwischen Köln und Wesel, die südliche dehnt sich über die Ebene der Pfalz aus , zwischen der Haardt und dem Odenwald , Frankfurt und Mannheim .
ihre wichtigsten Punkte
sind Mainz,
Diese beiden Gruppen sind miteinander verbunden durch 1. die doppelgleisigen Transversalbahnen , die zwischen Mainz und Köln längs beider Ufer des Rheines gehen , 2. die neue Linie SiegburgLimburg-Frankfurt, die den Westerwald und den Taunus von Norden nach Süden durchschneidet , 3. die östlichste Linie Siegburg-WetzlarFrankfurt, gegen den Rhein hin durch den Höhenkomplex geschützt, den die vorhergehende Linie durchschneidet. Zwischen Köln und Mainz , auf einer Strecke von 150 Kilometer Länge, geht nur eine einzige Bahn in der Richtung auf den Rhein zu, es ist dieses die von Kassel nach Koblenz führende, die seit 1875 durch eine direkte Strecke verdoppelt ist, die von Berlin nach Metz „in gerader Richtung , wie eine Römerstrafse" durch das Moselthal läuft . Diese eigentümliche Gestaltung
des deutschen Eisenbahnnetzes
zieht, vom militärischen Standpunkte aus betrachtet, eine Menge von Konsequenzen nach sich ,
denn sie
würde , im Falle
eines
neuen
Krieges mit Frankreich, Deutschland zwingen , seine in den nördlichen und mittleren Provinzen stehenden Armeecorps in zwei Haupt-
an der französischen Grenze.
299
gruppen über den Rhein zu führen , deren Zusammensetzung man mit ziemlicher Bestimmtheit voraussehen kann. Köln ist durch direkte Linien
mit den Hauptquartieren
des 7. , 9. und 10.
preussischen
Corps (Münster, Altona , Hannover) verbunden , die Stadt
selbst ist
das Hauptquartier einer der Divisionen des 8. Corps, dessen andere in Koblenz, Trier, Saarlouis und Metz in Garnison steht.
In der Gegend
von Mainz, Frankfurt und Mannheim konvergieren andererseits die natürlichen Koncentrierungslinien des 11. und 4. preufsischen Corps (Kassel und Magdeburg), sowie die des 12. sächsischen (Hauptquartier Dresden) und des 2. bayerischen (Würzburg) . Die preussische Garde (Berlin) und das 3. Corps (Potsdam) würden natürlich bei Koblenz auf der neuen Bahn Berlin-NordhausenEschwege -Wetzlar - Metz den Rhein überschreiten ; dieser Linie haben wir schon angedeutet.
die Wichtigkeit
Als allgemeine Reserve könnte der preufsische Generalstab das 1., 2. und 6. Corps zurücklassen, wie dieses auch schon 1870 geschah , diese würden vorläufig die Besetzung Küsten und Grenzen übernehmen .
und Bewachung der
In Süddeutschland bemerkt man keine den norddeutschen ähnliche Eisenbahnknotenpunkte,
der Grund liegt
zwei schwierig zu durchbrechende Gebirgszüge
einfach darin ,
daſs
sich den Rhein ent-
lang ziehen, der Schwarzwald im Osten, die Vogesen und die Haardt im Westen, von Basel bis Karlsruhe einerseits und von Belfort bis Landau andererseits . Die Eisenbahnlinien waren somit gezwungen, dem Fufse der Gebirge , dem Rheinthal zu folgen , so dafs zwischen Schlettstadt und Karlsruhe nicht weniger als vier Linien liegen, zwei davon im Elsafs, eine im Grofsherzogtum Baden und eine am Fufse des württembergischen Schwarzwaldes .
Diese vier Transversalbahnen
sind unter sich durch ebenso viele doppelgleisige Verbindungsstrecken verbunden , die auf festen Brücken den Rhein bei Hüningen , AltBreisach , Kehl und Germersheim überschreiten . Aufserdem sind Eisenbahnfähren bei Maxau und Speyer vorhanden . mit wohl annehmen ,
dafs die
Man kann so-
drei in Süddeutschland
noch übrig-
bleibenden Corps ( 14. , 13. und 1. bayerisches) genügende Kommunikationslinien besitzen, um ihre Koncentrierung auf dem linken Rheinufer zu bewerkstelligen.
Auf welcher Basis werden diese nun ihre
Vereinigung herstellen ?
Hierüber kann gar kein Zweifel herrschen.
Der seit 1871
begonnene Bau der Sackbahnen Zabern - Molsheim,
Barr-Schlettstadt, Rothau- Schirmeck, der seit kurzem in der deutschen Presse diskutierte Plan eines Durchstichs der Vogesen bei St. Marie aux Mines oder bei Münster, zeigen deutlich, dafs man die Absicht
300
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
hat, eine deutsche Armee vorwärts Strafsburg, zwischen Zabern und Colmar zu vereinigen. Gerade jetzt (Dezember 1880) sind die Deutschen dabei , Hagenau
und Zabern miteinander zu
ohne über Strafsburg zu gehen ;
verbinden,
diese neue , hervorragend
offensive
Bahn ist zwischen Zabern und Buxweiler schon in Betrieb, sie wird die natürliche Verlängerung der alten Strecke bilden , die im Jahre 1870 das 5. preufsische Corps von Posen nach Landau brachte .
Wir
sind somit zu der Annahme berechtigt, dafs das genannte Corps sich im Falle eines Offensivkrieges gegen Frankreich mit den süddeutschen Corps vereinigen würde. Diese im ganzen und grofsen nicht anzugreifenden Behauptungen lassen somit den Schlufs zu, dafs im Falle eines neuen französischdeutschen Krieges unsere Gegner sich in der Nähe des Rheines in drei Hauptgruppen sammeln werden , die erste nördliche zwischen Köln und Koblenz, die zweite in dem Dreieck Mainz-Frankfurt-Mannheim , die dritte im Süden, in der Gegend Zabern-Colmar.
Der Ein-
fachheit wegen werden wir in Zukunft diese drei Gruppen durch die Nummern I., II. und III . bezeichnen , wie dieses im Jahre 1870 ebenfalls geschah . Wir werden im folgenden nachzuweisen suchen : Tagen und an
welchen Punkten
die
drei
Grenze Frankreichs überschreiten können ,
1. in wie viel
deutschen
Heere
die
2. auf welchen Punkten
es möglich wäre, die französischen Armeecorps zu koncentrieren, um den Angriff des Feindes zu erwarten . nicht
zuvorkommen ",
denn
bei
Wir sagen
erwarten “ und
der Lage unserer Eisenbahnlinien
und der fehlerhaften Verteilung der in der Nähe der Grenze gelegenen Garnisonorte ist nicht anzunehmen , daſs wir als die ersten fertig sind und die Offensive aufnehmen können . Die nachfolgenden Berechnungen nehmen als Grundsatz an, dafs die Schnelligkeit der Züge, die Aufenthalte mit eingerechnet, 25 Kilometer beträgt, und dafs bei eingleisigen Bahnen täglich 15 , bei doppelgleisigen 24 Züge abgelassen werden.
Es wird ferner angenom-
men, dafs die Armeecorps, wie es in Preufsen üblich ist ,
während
des Transportes ihre gesamte Artillerie und Kavallerie bei sich haben, und dafs die zu den
selbständigen Kavalleriedivisionen bestimmten
Truppenteile erst dann zusammentreten, wenn das ganze Armeecorps Hiernach kann man rechnen , dafs ein Armeecorps vereinigt ist. ungefähr 85 Eisenbahnzüge zu seiner Beförderung nötig hat. I. Armee. Wir wiederholen , dafs die erste Armee aus der Garde, dem 8., 7.,
3.
und
10. Corps
bestehen
würde .
Das
9. Corps ,
das am
an der französischen Grenze.
301
weitesten entfernt und weniger günstige Verbindungen
nach dem
Rhein hin hat, würde zur Besatzung der Küsten zurückbleiben , ein Auftrag, der auch 1870 einer Division dieses Corps zu Teil wurde. Das wilde und vulkanische Bollwerk der Eifel , das sich auf dem linken Ufer des Rheins zwischen der Mosel und der Roer ausdehnt, hat bis zu den letzten Jahren seine Verbindungen von Köln nach Frankreich auf der einen Linie Düren-Aachen-Liège-NamurMaubeuge
gehabt.
Diese Linie
erreicht jedoch
die
französische
Grenze, indem sie durch belgisches Gebiet geht, so dafs Deutschland ohne Verletzung der belgischen Neutralität keine Truppen auf diesem Wege befördern kann .
Wir lassen daher diese Annahme aufser Be-
tracht, und zwar aus dem Grunde , weil der preufsische Generalstab kein militärisches Interesse daran hat, sie zur Ausführung zu bringen. Wollten wir dagegen annehmen , dafs diese excentrische Operationslinie gewählt würde, so würde sich die I. Armee nicht allein von den anderen bei
Beginn
des
Feldzuges
trennen ,
und
an
der
Maas
auf die von Maubeuge und Givet herangezogene französische Armee stofsen, sondern sie würde auch in ihrer rechten Flanke Antwerpen liegen lassen und dem eifersüchtigen England die Thür öffnen . Wozu also militärische und politische Verwickelungen hervorrufen ! Sollte nicht Deutschland vielmehr vorziehen, aus dem grofsen Waffenplatz, den es sich in Elsafs-Lothringen geschaffen hat , der nur 60 Meilen von Paris, auf der kürzesten und bequemsten Linie liegt, den gröfstmöglichen Nutzen zu ziehen? Zweifellos sind dieses die Gründe gewesen, dafs man nach 1871 die strategische Bahn bei Kyll , zwischen Köln und Trier erbaute ; sie läuft durch das Thal der Erft bis Euskirchen , dann durch die Eifel bei den Quellen der Ahr, und schliefslich durch das Thal der Kyll bis zu deren Einflufs in die Mosel.
Anfangs hatte sie nur ein
Geleise ,
Wird ,
doch wird das zweite gebaut.
wie wir annehmen,
die Neutralität Belgiens respektiert, so mufs unter allen Umständen die Beförderung des 7. und 10. Corps auf dieser Linie stattfinden, da sie mit Köln in Verbindung steht. Im Jahre 1870 wurde das 7. Corps bereits auf dieser Linie befördert ,
doch
war
sie damals
nur bis Call, 30 Kilometer von Euskirchen, vollendet . Um uns darüber
klar
zu
blicke der Kriegserklärung bis mobilisierten Truppen verläuft ,
werden ,
wie viel Zeit vom Augen-
zum Beginn
der Beförderung
erinnern wir daran ,
der
dafs im Jahre
1870 die Mobilmachungsordre in der Nacht vom 16. zum 17. Juli ausgegeben wurde, und dafs am 23. die ersten Armeecorps zur Abfahrt bereit waren . Am spätesten wurde das 8. Corps fertig, dessen
302
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
Mobilmachung
durch die Anwesenheit französischer Streitkräfte an
der Saar verzögert wurde , begannen am 24. ,
es
war am 26. bereit.
Die Transporte
somit 7 Tage nach Eingang der Mobilmachungs-
ordre, und dauerten 312 bis 51/2 Tage für jedes Armeecorps .
Am
3. August, 18 Tage nach Eingang der Mobilmachungsordres , meldeten die Oberkommandos
der
drei
deutschen Armeen
dem grofsen
Hauptquartier, dafs sie bereit seien, die Operationen zu beginnen . Diese Leistungen werden jetzt zweifellos noch übertroffen werden. Seit 1870 ist die aus so verschiedenen Elementen zusammengefügte Norddeutsche Bundesarmee neu verschmolzen, alle Truppenteile sind ganz gleich organisiert, das Eisenbahnsystem ist verbessert und erweitert,
die Garnisonen sind an Zahl weniger geworden,
taktischen Einheiten vergrössert .
die
Schliefslich aber haben die Deut-
schen ein Vertrauen auf ihre eigene Kraft, das ihnen vor 10 Jahren fehlte , ein Vertrauen , das jedes Zaudern in der letzten Stunde vor dem
allgemeinen Verlangen nach rascher Offensive
würde .
zurückdrängen
Wir können somit wohl annehmen , dafs die deutsche Mobil-
machung wie
im
Juli
1870
nicht mehr als 7 Tage in Anspruch
nehmen wird , vielleicht, wenn wir sagen 6 Tage, sind wir der Wahrheit noch näher. Betrachten wir nun ,
von
diesen Grundsätzen ausgehend ,
den
Transport jedes einzelnen der Corps der 1. Armee. Das 7. Corps ,
das von Münster über Düsseldorf ,
Köln ,
Trier
nach Metz befördert würde , hat eine Strecke von ungefähr 420 Kilometer zurückzulegen ; der erste Zug , der am Morgen des 7. Mobilmachungstages abgelassen würde ,
trifft 17 Stunden später in Metz
ein, die Züge folgen stündlich, und das ganze Corps ist in 85 Stunden ,
somit in der Mitte des 11. Tages , ausgeschifft .
rasches Aufeinanderfolgen
Ein derartig
der Züge setzt natürlich eine zweckent-
sprechende Einrichtung der Endstationsbahnhöfe zum Ein- und Ausschiffen voraus ; die neuen Bahnhofseinrichtungen in Metz und Diedenhofen lassen hierin nichts zu wünschen übrig. Das 10. Corps, das sich während der Beförderung des 7. Corps bei Köln sammelt, Köln
wohin
gewissermafsen
als
es
von Hannover
Anfangsstation
direkt
gefahren,
betrachtet ,
tritt
und seine
Weiterfahrt an, sobald der letzte Zug des 7. Armeecorps abgegangen. Da die Entfernung
von Münster nach Köln 150 Kilometer beträgt,
so zeigt eine einfache Rechnung, dafs der erste Zug des 10. Armeecorps 3 Stunden und 20 Minuten später , somit am Morgen des 11 . Tages abgehen kann. Während nun das 7. und 10. Corps auf der Linie von Kyll bei
an der französischen Grenze. Metz
ankommen ,
303
fährt das Garde- und 3. Corps von Berlin und
Potsdam aus auf der direkten Bahn , Moselufer entlang läuft.
die über Koblenz das linke
Diese Linie vereinigt sich hinter Trier mit
der des 7. und 10. Corps , allein es wird dadurch keine Störung in den Truppentransporten entstehen , denn die leeren Züge können von Metz aus auf der Linie Courcelles - Saarbrücken- Saarlouis-Trier zurückfahren, wo ebenfalls ein zweites Geleise vorhanden ist .
Es können
somit beide Geleise der Strecke Trier - Metz für beladene Züge verwendet werden.
Ferner weifs man ,
dafs
die Deutschen Metz mit
Saarlouis über Teterchen verbinden, und dafs diese Sackbahn bis an die Linie der Nahe
bei St. Wendel
dieses erst geschehen ,
verlängert werden
wird.
Ist
so kann die Strecke Teterchen-Bening- Saar-
brücken der II . Armee vollständig überlassen werden, und umgekehrt können Truppen und Material von Trier nach Metz über Saarlouis befördert werden, ohne dafs es nötig ist, die Mosellinie zu benutzen. Die Entfernung von Berlin nach Diedenhofen beträgt 720 Kilometer, der erste Zug der Garde trifft danach am Morgen des 8. Tages ein, und , da dieses Corps 16 Eskadrons und 4 Bataillone mehr hat
als
die anderen Corps, so wird die Beförderung 105-110 Stunden später beendet sein, mithin gegen Mitte des 12. Tages. Das dritte Corps wird seine Einschiffung unmittelbar nach Abfahrt des letzten Zuges der Garde beginnen, es wird am Morgen des 11. Tages abfahren und gegen Mitte des 12. eintreffen ,
das ganze
Corps wird am 15. Tage versammelt sein. Das setzen ,
8. Corps
wird sich am 7. Mobilmachungstage in Marsch
ein Teil der 16. Division (Trier und Saarlouis)
haben nur
2 Etappen bis Diedenhofen und werden dort am Abend des 8. Tages eintreffen . Der von Koblenz über Witlich und Trier kommende Teil trifft mit derselben 4 Tage später , am Abende des 12. Tages zusammen. Die in Köln und Aachen stehende 15. Division nimmt ihren Marsch mitten durch die Eifel , auf den beiden Strafsen ,
die
in Prüm zusammentreffen , dieser Punkt liegt 80 Kilometer von Aachen , 100 Kilometer von Köln . Die von Aachen kommenden Truppen können daher die Tête der Division übernehmen, sie haben dann bis Diedenhofen noch 120 Kilometer zurückzulegen und treffen hier am Abend des 12. Tages, der Rest der Division am Abend des 13. Tages ein. Stellen wir das erlangte Resultat zusammen , so ergiebt sich, dafs die Corps der I. Armee auf der Linie Diedenhofen-Metz an folgenden Tagen vereinigt stehen : das 7. Corps in der Mitte des 11. Tages, Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
21
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
304
das 10. Corps am Morgen des 15. Tages, die preufsische Garde in der Mitte des 12. Tages , das 3. Corps am Abend des 15. Tages , das 8. Corps mit einer Division am Abend des 8. Tages , mit der anderen am Abend des 13. Tages. Die Deutschen können somit am 12. Tage nach erlassener Mobilmachungsordre nur mit 2 Corps (Garde und 7.) und einer Division des 8. Corps , im ganzen mit 66 Bataillonen, 56 Eskadrons und 42 Batterieen bei Metz stehen. Es ist wahr, dafs diese Armee drei Tage später um das 10. und 3. Corps , sowie um die zweite Division des 8. Corps
stärker werden
würde,
allein die Offensiveigenschaft
der Operationsbasis Metz - Diedenhofen dafs
die vorhergehenden Kombinationen
Sinne erscheinen lassen .
wird so häufig überschätzt, es
mehr im umgekehrten
Es ist zwar nicht von besonderer Wichtig-
keit, wie wir sehen werden ; allein, um diese auffallende Erscheinung zu erklären, müssen wir zuvor den Transport der II . deutschen Armee betrachten. Die II. Armee. Wir haben für die II. Armee die Armeecorps No. 4, 9 , 11 und 12 designiert, deren natürliche Vereinigungslinien in der Gegend von Frankfurt-Mainz-Mannheim liegen . Logischer Weise würde sich das 2. bayerische Corps (Würzburg) an den linken Flügel dieser Armee anlehnen, es läfst sich sogar annehmen, dafs dieses Corps zuerst in Eines der Linie des strategischen Aufmarsches eintreffen wird . seiner Regimenter liegt in Zweibrücken in Garnison, ein anderes in Germersheim , zwei Bataillone und vier Batterieen in Landau , alle diese Detachements können, am Morgen des 7. Tages über Annweiler, Pirmasens, Zweibrücken , Bitsch und Rohrbach in Marsch gesetzt, in 5 Etappen, somit am Abend des 11. Tages bei Saar - Union vereint Die in Würzburg stehende Division dieses Corps wird ihre Concentrierung auf derselben Linie wie 1870 , Würzburg - Musbachstehen .
Heidelberg-Germersheim - Landau- Zweibrücken - Bitsch beenden .
Die
andere Division (Nürnberg) kann bis Landau die vollständig selbstständige Linie Krailsheim - Heilbronn - Heidelberg - Speyer benutzen. Jedes der beiden Geleise würde nur ungefähr 36 Züge zu befördern haben, da die in der Pfalz stehenden Truppen sich per Fufsmarsch Von Würzburg bis Landau sind 180 Kilometer , von Nürnberg bis Landau 280 Kilometer, der Anschlufs würde daher so
vereinigen.
gemacht werden , dafs der erste von Nürnberg kommende Zug eine Stunde später durch Landau passiert als der letzte von Würzburg kommende . Es bleiben daher noch 90 Kilometer von Landau bis
an der französischen Grenze. Bitsch zurückzulegen,
305
und zwar auf einer eingleisigen Bahn ,
allein
diese kann durch die Strecke Landau-Hagenau -Bitsch, die von Landau bis Hagenau
zweigleisig ist,
nur 90 Kilometer lang ist.
verdoppelt
werden,
da sie auch
Da die Dauer der Fahrt von Würzburg
nach Bitsch nur 11 Stunden beträgt , so kann der erste Zug in der Mitte des 7. Tages eintreffen und das zweite bayerische Corps wird gegen Mitte des 10. Tages ausgeschifft sein, an welchem Tage ebenfalls die zu Fufse marschierenden Truppen Bitsch verlassen haben würden, um sich nach Saar-Union zu begeben. Rechts von den Bayern würde das 11. Corps seine Vereinigung auf derselben Route wie 1870 (Kassel - Fulda - Frankfurt - MannheimNeustadt) herstellen .
Verbleiben
die Franzosen
in der Defensive ,
so können die Züge bis an die äusserste Grenze über ZweibrückenSaargemünd und Saaralbe nach Dieuze und Château - Salins weiterfahren, wenn nicht, so müssen sie 40 Kilometer rückwärts bei Saargemünd halten .
Zu dem
11. Corps
gehören
auch die hessischen
Truppen in der Stärke von 14 Bataillonen, 8 Eskadrons , 6 Batterieen und den zugehörigen Branchen , Züge mehr nötig hat
als
so dafs dieses
ein preufsisches .
Corps ungefähr 32
Da die Entfernung von
Kassel nach Saargemünd 410 Kilometer beträgt ,
so wird der erste
Zug gegen Abend des 7. Tages eintreffen und gegen Mitte des 12 . Tages wird das ganze Corps ausgeschifft sein. Das 12. (sächsische) Corps wird dieselbe Route nehmen wie im
Von Kastel Jahre 1870 (Leipzig - Bebra - Fulda - Frankfurt - Kastel) . und Mainz ab wird dieses Corps auf der neuen Linie über Alzey nach Kaiserslautern befördert werden, von WO es auf 2 Etappen nach Saargemünd , nördlich über Homburg oder südlich über Zweibrücken, kommen kann . Das 12. Corps
ist um
als die preufsischen
4 Bataillone
und
8 Eskadrons
stärker
und bedarf daher gegen 100 Eisenbahnzüge ;
die Distance von Leipzig
bis Kaiserslautern beträgt 510 Kilometer,
so dafs die ersten Truppen am Morgen des 8. , die letzten im Laufe des
12. Tages
eintreffen
würden .
Am
14. Tage kann das ganze
Corps um Saargemünd versammelt stehen.
Das 4. Corps (Magdeburg) würde über Kreiensen-Kassel- GiefsenMainz-Bingen, dann auf der Nahe - Bahn über Saarbrücken nach Bening befördert werden
und könnte,
solange keine Offensive seitens
der Franzosen zu erwarten steht, bis Remilly, Saarburg vorgeschoben werden.
zwischen Metz und
Das 4. Corps würde somit logischer Weise den rechten Flügel der II. Armee bilden .
Die Entfernung von Magdeburg
bis Bening 21 *
306
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
beträgt ungefähr 650 Kilometer.
Der erste Zug würde darnach am
Morgen des 8. Tages, das ganze Corps am Abend des 11. Tages am Bestimmungsorte eingetroffen sein. Nach diesen Grundsätzen würde die ganze II . Armee folgendermafsen versammelt stehen : 2. bayerisches Corps am Abend des 11. Tages bei SaarUnion , 11. Corps am Abend des 12. Tages bei Saaralbe, 12. Corps am Abend des 14. Tages bei Saargemünd, 4. Corps am Abend des 11. Tages bei Bening . Hierbei ist von der Voraussetzung ausgegangen , dafs die französischen Streitkräfte in sammelt sein können ;
derselben Zeit
denn
wie die ihrer Gegner ver-
wenn die Deutschen sicher wären, auf
der Linie Metz - Saarburg die ersten zu sein (und sie werden thun , um dieses zu erreichen ),
so würden
sie das
alles
4. Corps in Re-
milly, das 11. in Château - Salins und Dieuze ausschiffen,
während
das 12. Corps nach Saar-Union und Fénestrange marschieren würde. Was das 2. bayerische Corps betrifft, so würden dessen Avantgarden sofort von Zweibrücken ab nach Saarburg marschieren, wo sie nach 3 Tagen, also am Abend des 9. Tages eintreffen würden .
Nach fer-
neren 3 Tagen würde das ganze bayerische Corps bei seiner Avantgarde versammelt stehen.
Die vorhergehende Übersicht würde sich
danach, wie folgt, ändern : 2. bayerisches Corps am Abend des
12. Tages bei Saarburg,
11. Corps am Abend des 12. Tages bei Château - Salins und Dieuze, 12. Corps am Abend des 15. Tages bei Saar-Union , Fénestrange, 4. Corps am Abend des 11. Tages bei Remilly, Falkenberg. Die Deutschen können also am 12. Tage nach Eingang der Mobilmachungsordre zwischen Remilly und Saarburg, auf einer Front von ungefähr 50 Kilometer Länge, eine Armee von 3 Corps , dem 2 . bayerischen, 11. und 4. preufsischen aufstellen . Diesen würde , spätestens nach 2 Tagen , das sächsische Corps folgen. Die gesamten Streitkräfte stark sein.
würden Wie
118 Bataillone ,
wir
84 Eskadrons,
oben gesehen haben,
würde
74 Batterieen an demselben
Tage die I. Armee nur 66 Bataillone, 56 Eskadrons, 42 Batterieen aufzuweisen haben . Ist dieses ein Zufall , oder ist es ein Rechenfehler? Mufs sich demnach nicht die II. Armee vor der I. aufopfern und den
ersten
Zusammenstofs
aushalten ?
Welcher
von
den beiden Armeeen mufs also das 15. Corps (Elsafs - Lothringen), dessen eigentümliche Organisation eine ganz besondere Verwendung während des strategischen Aufmarsches
bedingt ,
zugeteilt werden ?
an der französischen Grenze.
307
Die Antwort auf diese Fragen verlangt eine eingehende Betrachtung der Grenze , die uns unser Unglück im Jahre 1870-1871 geschaffen hat. Der an Deutschland grenzende Teil Frankreichs ist dadurch charakteristisch, dafs dort nichts vorhanden ist , was man eine politische oder militärische Grenze nennen könnte. Die erstere ist durch die Ardennen in der Weise vorgezeichnet , dafs sie von diesen ausgehend die Plätze Diedenhofen und Metz mit allen taktischen Positionen umfafst, von der Mosel aus die Vogesen willkürlich , ohne andere Rücksicht als die abtrennt, dafs in den annektierten Teil die
volkreichsten
Ortschaften ,
werke zu liegen kommen .
die besten
Waldungen und Berg-
Ganz anders ist die militärische Grenze ,
die der Frankfurter Friede Frankreich gelassen hat. Von Belgien bis zum Plateau von Haye wird sie durch die Maas gebildet , vom Plateau von Haye bis zum Ballon d'Alsace durch die Mosel . Der Mittelpunkt liegt am Zusammenflufs der Meurthe und Mosel, wo die um Nancy liegenden Höhenzüge einen natürlichen Brückenkopf bilden. Das ist die militärische Grenze Frankreichs , die seit 1872 befestigt ist. Die diesen Befestigungen zu Grunde liegende Idee besteht darin , dafs man abwechselnd befestigte und offene Abschnitte geschaffen hat ; mit anderen Worten, man hat versucht, dem Angreifer das Debouchieren vorzuschreiben und ihn zu zwingen , seine Streitkräfte gegen eine Reihe offener , aber leicht zu verteidigender Breschen zu richten . Die erste dieser Breschen erstreckt sich längs der Maas ,
von der belgischen Grenze
bis Verdun ,
diese
ist aber nur
zwischen Stenay und Consenvoy zu passieren, auf einer Strecke von ungefähr 35 Kilometer. Südlich von Verdun liegt eine Reihe von Forts , die ihren Mittelpunkt in Toul finden , bis zum Einflufs des Madon in die Mosel. Zwischen diesem Punkt und den Forts von Epinal ist eine
zweite Bresche von 40 Kilometer Breite, dann erscheint die befestigte Linie wieder am linken Moselufer, überschreitet die Vogesen beim Ballon de Servance und schliefst sich südöstlich von Belfort an die Schweizer Grenze an. Wenn dieses Verteidigungssystem gut armiert , gut verproviantiert und mit permanenten Garnisonen versehen ist , wenn das Terrain , das zwischen den einzelnen Forts liegt , genau rekognosziert, durch gute Kommunikationsmittel gungen versehen ist, der Kriegserklärung
und
verbunden und mit Feldbefesti-
wenn mobile Truppenteile sich am Tage
auf diesen Terrainabschnitten einfinden ,
wenn
alle diese Bedingungen erfüllt sind , so können die Deutschen zwar, während sie ihren Aufmarsch abwarten, einzelne Detachements vor-
308
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
schicken ,
und auf dem Gebiete ,
das zwischen der politischen und
der militärischen Grenze liegt , Requisitionen eintreiben und Kommunikationsmittel zerstören,
allein sie werden niemals im stande sein ,
die unter dem Schutze der Befestigungslinie ansammlungen ernstlich zu stören . Schutzlinie
noch manches
zu
ausgeführten Truppen-
Mag auch die Organisation dieser
wünschen
übrig lassen ,
so wird sie
dennoch im ganzen und grofsen ihre Bestimmung erfüllen , das heifst, die Deutschen können nur unsere militärische Grenze durchbrechen, im
Norden zwischen
Stenay und Verdun , im
Centrum
zwischen
Nancy und Epinal. Die erstere ist ungefähr zwei Tagemärsche von der politischen Grenze entfernt, die zweite in ihrem nördlichen Teil bei Nancy nur 30 Kilometer. Die I. Armee mufs daher
unbedingt
vor
der
nördlichen
Bresche aufmarschieren ; auf der Strecke Metz - Diedenhofen befindet sie sich noch 60-70 Kilometer von der Maas entfernt, so dass ihre Corps, am Morgen des 13. Tages in Marsch gesetzt, dort am Abend des 15. Tages eintreffen könnten . Wenngleich auch die Avantgarden der 16. Division schon am 10. Tage ebenso weit vorgerückt sein könnten ,
so würden sie doch ,
wenn Frankreich seine Mafsnahmen
richtig getroffen hat, genügend starke Streitkräfte antreffen , die sie ihre Übereilung schwer empfinden lassen würden . Der Übergang über die Maas mufs daher mit Gewalt erzwungen werden, es würde zu einer grofsen Schlacht kommen , in der die Franzosen eine günstige , flankierende Defensivstellung einnehmen , die unmöglich umgangen werden kann, da der rechte Flügel an Verdun, der linke an Montmédy
und
die belgische
ferner voraussehen ,
dafs ,
Grenze angelehnt ist.
falls
die
Es läfst sich I. Armee gegen die Maas vor-
rücken würde , bevor die II . gleichzeitig gegen die Mosel marschiert, diese ihre Flanke gegen eine von Verdun-Toul auf dem Plateau von Woëvre vorrückende französische Armee preisgeben würde . Wenn trotzdem die Deutschen an der Maas nördlich Verdun festen Fufs fassen würden , nach
so könnte die französische Armee sich immer noch indem sie um Verdun als Pivot eine
Süden zurückziehen ,
Schwenkung ausführte ,
und successive hinter die Aire und Aisne zurückginge , ebenso könnte sie nach Nordwesten ausweichen , wo sie in der befestigten Linie Laon - La Fère eine günstige Verteidigungsstellung fände und während der ersten Kriegsperiode Verstärkungen heranziehen würde . In beiden Fällen würde der Sieg für die Deutschen nur ein taktischer sein, denn die strategische Situation der Franzosen würde nicht dadurch benachteiligt werden . Die zwischen
Remilly und
Saarburg
versammelte
II. Armee
an der französischen Grenze.
könnte
dahingegen,
unter Anlehnung des
309
rechten Flügels
an die
Mosel und des linken an die Vogesen, unabhängig von der I. , unter weit günstigeren Verhältnissen
die Offensive
ergreifen .
Der rechte
Flügel liegt vor den Thoren von Nancy und Luneville , sie braucht , so zu sagen, nur die Hand auszustrecken, um sich des Herzens der Meurthe zu bemächtigen , Schritt,
von
dort bis zur Mosel ist nur noch ein
und sollte es den Deutschen
gelingen,
die Mosel bei Fla-
vigny und Bayon in der ersten Zeit des Krieges so wären die Folgen
einer
Frankreichs verhängnisvoll. der Mortagne
zu überschreiten ,
solchen Bewegung für die Verteidigung Die Linien der Vesouze,
würden im Norden
umgangen
sein ,
der Meurthe ,
die vor Epinal
entwickelten Corps müfsten rasch das linke Moselufer wieder zu gewinnen
suchen, die der Mosel zunächstgelegene Linie des Madon würde wahrscheinlich von überlegenen Kräften genommen sein , und das erste ernstere Zusammentreffen mit dem Feinde könnte nur noch auf der Linie Neufchâteau- Epinal stattfinden.
Das Invasions-
heer würde sonach , ohne Schwertstreich , eine Strecke von ca. 100 Kilometer Tiefe gewonnen haben und dadurch gleich bei Beginn des Krieges eine moralische Überlegenheit gewinnen , die später schwer zu entreifsen ist.
Auf dem nördlichen Kriegsschauplatz würde die
französische Maas-Armee , in der Front von der deutschen I. Armee gedrängt, auf dem rechten Flügel von der II. umfafst , ihre Verbindung
mit der
Mitte
Frankreichs ,
vielleicht mit Paris ,
verlieren
und fände sich gegen die Ardennenplätze und die belgische Grenze zurückgeworfen . Wir können hieraus die Schlufsfolgerung ziehen , dafs die erste Offensive mehr von der II. als von der I. Armee ausgehen wird, und dafs der schwache Punkt der französischen militärischen Grenze nicht an der Maas, nördlich Verdun , sondern an der Mosel, südlich Nancy liegt.
Infolge dessen wird der Teil der Mosel , der zwischen Bayon
und Flavigny aufser Schufsweite der Kanonen von Epinal und PontSaint-Vincent liegt , das erste Angriffsobjekt der Deutschen bilden . Danach ist die Bestimmung des 15. deutschen Corps klar vorgezeichnet , es wird der II. Armee attachiert und bildet dessen Avantgarde . Wir müssen daran erinnern , dafs das 15. Corps eine ganz besondere Organisation besitzt, dafs seine Bataillone im Frieden schon 18 Offiziere und 658 Mann stark sind, dafs man diese Mehrzahl im Mai 1877 ein „ Ausgleichsverfahren " nannte , und dafs dieses Corps noch verstärkt werden soll , sobald die Neuformationen beendet sind. Es ist faktisch an Feldtruppen stark : 13 Infanterieregimenter, davon
310
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
6 in Metz und 4 in Strafsburg, 2 Jägerbataillone, eines in Hagenau und eines in Zabern, 9 Kavallerieregimenter à 5 Eskadrons , davon 3 in Metz und Diedenhofen , 1 in Saint-Avold , 1 in Hagenau , 1 in Saarburg, 1 in Saargemünd, 1 in Strafsburg, 1 in Colmar, 1 Artillerieregiment in Metz und 2 in Formation begriffen in Strafsburg. Alle diese Truppen können
drei Tage
nach
sind auf halbem Mobilmachungsfufse
und
erfolgter Kriegserklärung
Die
ausrücken .
30. Infanteriedivision und die 30. Kavalleriebrigade kann somit im Laufe des vierten Tages von Metz abmarschieren und die Moselübergänge bei Novéant , Pont-à-Mousson , Dieulouard
und Marbach be-
setzen und in Nancy einrücken ; die 31. Infanteriedivision , per Eisenbahn von Strafsburg bis an die Grenze befördert , Tag in Luneville eintreffen ,
würde denselben
während die Kavallerie von Saarburg,
Falkenberg, Saargemünd in den beiden folgenden Tagen die Meurthe, ja sogar die Mosel erreichen würde . Was haben wir nun dieser Menge von Bataillonen und Eskadrons entgegenzustellen ?
Sechs
Kavallerieregimenter à 4 Eskadrons in
Luneville, Nancy und Pont-à-Mousson ,
1 Kavallerieregiment und 4
reitende Batterieen in Epinal , 2 Jägerbataillone in Saint-Dié und Saint-Nicolas und eine schwache Infanteriebrigade in Nancy. Man erwähnt so häufig ,
dafs der nächste
deutsch-französische Krieg mit
einer Reihe von Reiterkämpfen beginnen würde , allein nach dem eben Erwähnten ist dieses ein vollständiger Irrtum , der die traurigsten Folgen nach sich ziehen kann .
Selbst in dem Falle , dafs un-
sere Kavallerie eben so rasch fertig ist, wie die der Deutschen, können die Reiterkämpfe höchstens zwei bis drei Tage währen . Avantgarden der deutschen Infanteriedivisionen erscheinen dringen durch den dünnen Schleier Schwalbe durch ein Spinngewebe . Um
einer
solchen
unmittelbaren
unserer Eclaireurs
Besitznahme
des
wie
Die und die
Terrains
zwischen Vogesen und Maas entgegentreten zu können , giebt es nur folgende Mittel : 1. Die Infanterie und Kavallerie der Garnisonen Pont-à-Mousson, Luneville , Nancy, Epinal , Saint - Dié , Saint Nicolas mufs verstärkt und neue Garnisonorte an der Meurthe und der Mortagne errichtet werden. Diese müssen so organisiert sein, dafs sie im Ort selbst in wenigen Stunden mobilisiert werden können und bis zum Eintreffen der Armeecorps aus dem Innern wenigstens die Linie der Mortagne halten. 2. Die auf dem linken Moselufer zwischen Epinal und Nancy abgehenden Eisenbahnen müssen vermehrt werden , damit gerade an
an der französischen Grenze.
311
dieser so bedrohten Strecke unserer Grenze innerhalb acht Tagen eine Armee concentriert werden kann, die im stande ist, der II . deutschen Armee , selbst wenn diese auch auf Kosten werden sollte, die Spitze zu bieten . 3. Auf dem rechten Meurthe-Ufer,
der anderen
vorwärts Nancy,
verstärkt
mufs
ein
permanenter Brückenkopf errichtet werden, der sich an Toul und die bereits bei Pont St. Vincent und Frouard errichteten Werke anlehnt. Die militärische Wichtigkeit dieses Abschnittes
ist in dem Bericht
der Verteidigungskommission genügend erörtert, und die damals maſsgebenden politischen Rücksichten , die die Ausführung verhinderten, sind heute nicht mehr vorhanden. Die einfache Klugheit verlangt gebieterisch diese Mafsnahmen. Frankreich hat seit 10 Jahren enorme Summen für die Reorganisation seiner Armee und seiner Grenzbefestigungen ausgegeben ,
es
wäre unverzeihlich , wollte es jetzt die wenigen Vorsichtsmafsregeln aufser acht lassen, die dem 29 Erbfeinde" gestatten, eines Tages , wenn es ihm gefällt, von neuem einzudringen, um sich neue Milliarden und neue Gebiete zu erwerben.
Die III. Armee. Aus der vorangegangenen Betrachtung
ergiebt
sich ,
dafs
die
Deutschen folgenden Operationsplan wahrscheinlich entwerfen werden : Die I. Armee verbleibt in der Defensive und hält die an der Maas entwickelten französischen Streitkräfte fest, die II. Armee rückt energisch zwischen Nancy und Epinal gegen die Mosel vor, wobei sie den linken Flügel vornimmt , überschreitet entweder zwischen Toul und Neufchâteau oder zwischen Neufchâteau und Langres die Maas , wendet sich dann gegen Norden , degagiert die I. Armee und marschiert mit dieser gegen Paris und die mittlere Loire . Betrachten wir nun, was die III. Armee thun wird, um hier mit einzugreifen und welche Zeit sie gebraucht, um ihren Aufmarsch zu beenden . Wir müssen annehmen, dafs die III. Armee ,
die aus den süd-
deutschen und dem 5. preussischen Corps zusammengesetzt wird, sich vorwärts Strafsburg, den linken Flügel bei Colmar, den rechten bei Zabern und Saarburg vereinigt. Das 14. (badische) Corps ist diesem Vereinigungspunkte am nächsten . Die eine seiner Infanteriedivisionen steht im Frieden in Karlsruhe ( 1 Regiment) , Mannheim ( 1 Regiment), Rastatt ( 2 Regimenter) . Die andere Division steht in Konstanz ( 1 Regiment) , Freiburg ( 1 Regiment), Mülhausen , Colmar und Neu-Breisach (2 Regi-
312
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte
menter) .
Die Kavalleriedivision steht in Mannheim, Karlsruhe , Rastatt
und Colmar , die Artillerie in Karlsruhe und Rastatt.
Die gleich-
mäfsige Verteilung dieser Truppen nördlich und südlich von Strafsburg mufs daher eine Vereinigung des 14. Corps vorwärts Strafsburg, in der Umgegend von Molsheim nach sich ziehen. Das Regiment von Mannheim ,
das eine Entfernung
von ca. 140 Kilometern
zurückzulegen hat, kann über Speyer, Lauterburg und Strafsburg in sechs Stunden in Molsheim eintreffen .
Das Regiment von Konstanz
würde mit der neuen Bahn Donaueschingen-Offenburg-Kehl- Molsheim in ungefähr acht Stunden ankommen.
Die Garnisonen von Rastatt
und Karlsruhe würden in drei Etappen, (70 und 90 Kilometer) eintreffen, die von Freiburg in zwei (75 Kilometer) , die von Colmar, Neu-Breisach (65 ) und Mülhausen (90) in drei oder mehr , so dafs das ganze 14. Corps am Abend des 9. Tages eingetroffen sein würde und am 10. Tage morgens den Vormarsch antreten könnte. Das 13. ( württembergische) Corps könnte die Eisenbahn Stuttgart-Pforzheim-Karlsruhe- Strafsburg -Wasselonne ( 240 Kilometer) benutzen. Der erste Zug würde am 7. Tage morgens, der letzte gegen . Mitte des 10. Tages eintreffen . Das 1. bayerische Corps benutzt die natürliche Linie, die München mit Strafsburg über Ulm-Plochingen-Horb-Freudenstadt verbindet und den Schwarzwald bei Kniebis durchschneidet. Sollte jedoch die Strecke Horb -Oppenau noch nicht in Betrieb sein , so würde die Weiterbeförderung von Ulm aus über Radolfzell -Waldshut- HüningenMülhausen und Schlettstadt stattfinden müssen.
Das 1. bayerische
Corps würde den linken Flügel der III . Armee bilden, es wird während der Fahrt einige Detachements zwischen Hüningen und Colmar ausschiffen, die während des strategischen Aufmarsches den Paſs von Die Entfernung von München bis Colmar beträgt
Belfort beobachten .
ungefähr 480 Kilometer und kann in neunzehn Stunden zurückgelegt werden. Der erste Zug des bayerischen Corps kann somit am Abend des 7. Tages eintreffen , und würde das Armeecorps in der Nacht des 10. Tages vereinigt stehen . Das 5. preufsische Corps
würde dieselbe Linie
wie
im Jahre
1870 (Görlitz -Leipzig- Würzburg-Karlsruhe) benutzen und die Fahrt über Weissenburg nach Zabern fortsetzen. Im Jahre 1870 haben die Züge des 5. Corps die Strecke von Posen bis Landau in 60 Stunden zurückgelegt, sie können daher in 64 Stunden in Zabern ankommen, somit gegen Mitte des 9. Tages ; das ganze Corps wird in der Nacht des 12. Tages ausgeschifft sein.
an der französischen Grenze.
313
Die III. Armee besetzt daher die Linie :
das 14. Corps in Molsheim am Abend des 9. Tages, das 13. Corps in Wasselonne in der Mitte des 10 Tages , das 1. bayerische Corps Kolmar- Schlettstadt in der Nacht des 10. Tages , das 5. preufsische Corps Zabern in der Nacht des 12. Tages . Am Vormittage des 11. Tages könnten die Offensivoperationen mit einer Effektivstärke von ca. 100 Bataillonen, 32 Eskadrons , 68 Batterieen beginnen. Die noch nicht ausgeschifften Teile des 5. Corps würden zur Bewachung
des Tunnels
von Zabern zurück-
bleiben, oder sie würden , um den Rest der III . Armee nicht aufzuhalten, mit der Eisenbahn bis Saarburg weiter befördert werden. Es geht daraus hervor, dafs diese Armee wenigstens zwei Tage früher marschbereit sein wird als die II. Armee. Die Avantgarden des 14. Corps ,
die im Laufe des neunten Tages
würden schon am
folgenden Tage
die Pässe
ausgeschifft
des Donon und
sind , von
Saales besetzen, dieselben Pässe, durch die General Werder nach der Kapitulation von Strafsburg im Oktober 1870 Epinal antrat.
seinen Marsch nach
Würde jedoch die allgemeine Lage eine weiter vor-
gehende Offensive gestatten ?
Man kann dieses bezweifeln, denn wäh-
rend der ersten Periode der Kriegsoperationen fällt der III . Armee eine vielseitige und schwierige Rolle zu . Ihr rechter Flügel darf die Verbindung mit der II . Armee nicht aufgeben, um nicht alle die wichtigen Kommunikationen preiszugeben , die die Vogesen bei Zabern offen halten , die Mitte mufs die von Epinal nach Colmar, Kaisersberg und Schlettstadt führenden Defilées besetzt halten ; der linke Flügel kann sich nicht ohne Gefahr von der Linie Mülhausen-Colmar entfernen, da er sonst durch die hinter Belfort und den Werken der oberen Mosel vereinigten Streitkräfte gefährdet würde . Rücksicht ist besonders wichtig , denn , rischen Erfolge , würde Deutschland
abgesehen
Diese letztere
von dem militä-
eine auch nur vorübergehende
Besetzung der noch sehr unsicheren Reichslande gewifs nicht wünschen .
Diese Gründe werden genügen, das Verbleiben der III. Armee
im Elsafs zu motivieren .
Jedenfalls mufs sie so lange warten ,
bis
nach dem ersten Erfolge der II . Armee jede Gefahr partieller Offensivbewegungen der Franzosen über die Vogesen nicht mehr zu beSchon vom rein militärischen Standpunkte aus fürchten steht. erscheint
es unverständlich,
dafs die III. Armee,
ohne die II . ab-
zuwarten, die gefährliche Operation eines Gebirgsüberganges mit getrennten Kolonnen gegen einen intakten Feind , der die Debouchées besetzt hält, unternehmen sollte .
Dieses Manöver ist 1866 in Böhmen
314
Der vermutliche strategische Aufmarsch der deutschen Streitkräfte etc.
und 1870 bei Dijon vor den Augen der Truppen Garibaldis geglückt , doch werden die Deutschen es in Zukunft , wo sie weder an Zahl, noch an Bewaffnung und, wollen wir hoffen, auch nicht an Organisation überlegen sind , nicht wiederholen . Wir müssen somit bei der Annahme
stehen bleiben ,
dafs
die
Hauptaufgabe der III . deutschen Armee darin bestehen wird , die Vogesen und den oberen Elsafs im Auge zu behalten ; eine Offensivbewegung kann nicht eher beginnen, als in dem Augenblicke, wo die II. Armee ebenfalls vorgeht .
Haben die Operationen der III. Armee
begonnen, dann mufs sie auch als Reserve für die II. Armee dienen und diese vor einer von Epinal oder der oberen Mosel ausgehenden Offensive der Franzosen sicher stellen . In dieser Periode wird sie auch durch Reserve- und Landwehrtruppen ,
sowie durch die noch
disponiblen preufsischen Corps ( 1. , 2. , 9. , 4. ) im Elsafs unterstützt werden. Wir haben hiermit die erste der aufgestellten Fragen beantwortet, nämlich die, in welcher Zeit die deutschen Corps in einem zukünftigen Kriege gegen Frankreich ihren Aufmarsch beendet haben werden, und wann diese Corps so weit sein werden , dafs sie die Grenze Ohne viele Hypothesen aufzustellen, sind wir
überschreiten können .
von einer Folgerung zur anderen übergegangen und haben versucht, einen Feldzugsplan zu entwerfen , wie er sich logisch nach dem vorhandenen Eisenbahnnetz Deutschlands notwendigerweise gestalten mufs .
Es bleibt uns nun noch übrig ,
die Frage
sich der Aufmarsch des französischen Heeres
zu erörtern ,
wie
entwickeln mufs , um
Bis jetzt wissen wir nur im allgemeinen , dafs eine Maas-Armee zwischen Verdun und der belgischen Grenze,
dem entgegenzutreten .
eine zweite zur Deckung von Nancy und Luneville zwischen Epinal und Pont- Saint- Vincent an der Mosel aufgestellt werden muſs . Wir wissen ferner, dafs es für die französischen Generale von der grössten Wichtigkeit ist , sich an der Meurthe aufzustellen , wo die HauptSchliefslich haben wir strafsen über die mittleren Vogesen führen. nachgewiesen , dafs die oberen Vogesen und der Pafs von Belfort mit genügenden Streitkräften besetzt sein müssen , um es den Deutschen unmöglich zu machen , das obere Elsafs von Truppen zu entblöfsen . Das sind jedoch nur allgemeine Grundsätze , um dieses eingehender zu entwickeln , müssen wir uns vorher die Strafsen ansehen , auf denen die drei feindlichen Heere in unser Gebiet einmarschieren können .
(Schlufs folgt.)
Über die Kämpfe am Lom etc.
315
XXVI.
Über die vom
Kämpfe
am Lom während
21. Juli bis 2.
der Zeit
Oktober 1877. *)
Über die Kämpfe am Lom wurden in den Heften Nr . 86 , 87 und 88 dieser Zeitschrift Aufsätze veröffentlicht, welche von einem Augenzeugen herrühren.
Dieselben sind in dem August-, September- und Oktober-
heft des Wajenny Sbornik , Jahrgang 1879 , von den Generalstabsoffizieren N. L. und A. K. in russischer Übersetzung , mit Anmerkungen versehen, wiedergegeben worden.
Ausserdem hat der russische
Generalstabsoffizier W. T. diese Berichte genau ein Jahr darauf in den drei entsprechenden Monatsheften derselben Zeitschrift einer eingehenden Kritik unterzogen .
Dies giebt uns Veranlassung , auf den
Gegenstand noch einmal zurückzukommen und denjenigen Auslassungen der russischen Offiziere näher zu treten , welche für die kriegsgeschichtliche Darstellung von Bedeutung sein könnten .
Wir haben
uns dabei bemüht, den rein sachlichen Standpunkt festzuhalten , obgleich namentlich die letztbezeichnete russische Arbeit sich wiederholt auf das persönliche Gebiet begeben hat. In betreff des am 21. August gelieferten Gefechtes bei JazlarKizilar bemerken die beiden erstgenannten Offiziere , dafs dasselbe ein rein defensives war. Der von dem Autor erwähnte Frontalangriff war von dem
Wolkowschen Regiment ausgeführt worden .
Dasselbe begegnete der Attacke der Türken , thun , indem es mit dem Bajonett vorwärts
ohne einen Schufs zu stürmte . Die Türken
gaben natürlich Fersengeld , worauf sich unsere Truppen von den Höhen in die Schlucht hinab stürzten , um den Feind zu verfolgen. Sie gerieten hierbei in das Feuer aus den türkischen Schützengräben und mussten sich schliefslich ermüdet zurückziehen . Hierzu sei Nachstehendes erwähnt : Am frühen Morgen des 21. August gingen zwei russische Bataillone über die Brücke östlich Jazlar und erstiegen den Höhenrücken, welcher sich längs der Ostseite des schmalen Lomthales hinzieht. *) Die Skizzen des hier in Rede stehenden Geländes sind in Nr. 86, 87 und 88 der Jahrbücher enthalten.
316
Über die Kämpfe am Lom
Nachdem die vorgeschobenen türkischen Posten sich in dem Grund der den erwähnten Höhenzug von der sogenannten Jenikiöjer Stellung trennt, zurückgezogen hatten , eröffnete eine türkische Batterie von den gegenüberliegenden Bergen und Tirailleure aus der Schlucht ein augenscheinlich wirkungsloses Feuer gegen die Tête der russischen Bataillone .
Diese hatten
mittlerweile Halt gemacht und
schienen
Verstärkungen zu erwarten . Da es keineswegs in der Absicht der Türken liegen konnte , ein offensives Gefecht zu führen , so stellte die Batterie gegen 9 Uhr ihr Feuer ein und es entstand eine fast vollkommene Kampfpause , von 11/2 Stunden, die nur durch einzelne Schüsse der gegenüberstehenden Schützen unterbrochen wurde . Erst als um 10/2 Uhr auf dem südlichen Ausläufer des erwähnten Höhenzuges ein
russischer Stab er-
schien und nach erfolgter Orientierung neben ihm vier aufgefahrene Geschütze ihr Feuer auf die türkische Batterie richteten, wurde auch von den Türken das Feuer wieder lebhaft aufgenommen. Die russischen Bataillone hatten nunmehr auch ihre deckende Stellung verlassen, formierten sich zum Angriff und warfen die dünn verteilten türkischen Schützen zurück. Während der
erwähnten Vorgänge
auf der türkischen
Front
zeigte sich gegen 122 Uhr eine russische Eskadron bei Kizilar, um wie es schien über Sepeci die Rückzugslinie der Türken zu bedrohen. Dies Auftreten musste die Türken umsomehr beunruhigen , als die drei vorhandenen Bataillone in der Front engagiert waren und von den etwa 200 Mann starken Irregulären mit Bestimmtheit angenommen werden konnte , dafs sie jedem ernsten Engagement bei Zeiten ausweichen würden .
Das Dorf Sepeci
war kaum 3000 Meter von
Kizilar entfernt und ganz unbesetzt. Die
auf türkischer Seite
jedoch nicht bestätigen .
entstandene
Befürchtung
sollte
sich
Die russische Eskadron sitzt in Kizilar ab,
eine Patrouille von vier Reitern geht auf der Strafse nach Sepeci einige hundert Meter vor, kehrt wieder um und stellt sich als Vedette bei dem ersterwähnten Dorfe auf. Russische Geschütze treten dann um 4 Uhr nachmittags bei Kizilar in Thätigkeit ,
sonst bleibt
die
Situation vollkommen unverändert bis 5/2 Uhr abends. Fünfzehn Tage vor diesem Gefecht war nach unserer Angabe Emin Pascha von Schumla aus zur Rekognoszierung vorgegangen und hatte
am 8. August ein
unbedeutendes Gefecht geliefert .
Hierzu
bemerkt der russische Generalstabsoffizier W. T .: „ Dafs Emin Pascha früher als am 23. Juli (4. August) aus Schumla abmarschierte, geht daraus hervor, dafs es bereits am 23. Juli (4. August) bei Popkiöj
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. zwischen
der
1. Brigade
der
1. Infanteriedivision
Wajachewich und den Türken zum Gefecht kam. dasselbe Gefecht ,
welches
des
317 Generals
Es ist dies aber
nach der Meinung v. T.'s am 27. Juli
(8. August) stattfand . Emin Pascha hat auch
heifst es weiter
von den Kirizen-
Höhen nicht die rückgängige Bewegung der russischen Compagnieen von Popkiöj nach Karagatsch sehen und sie für eine Kolonne halten können, die von Jazlar nach Popkiöj marschierte. Wir nennen Kirizen die Berge, auf welchen der Autor die vier Geschütze postiert hatte, welche dort thatsächlich gar nicht standen. Der Autor nennt Kirizenhöhen
diejenigen Berge ,
welche Scheitan-
Tepe u. s . w. heifsen und von den Türken am 9. (21. ) August besetzt wurden . " Kirizenberge werden nun
wohl
aber diejenigen Ausläufer des
Derbendbalkans genannt, deren Längenrichtung dem Laufe des KaraLom parallel geht, während Sejtan- (Scheitan-) Gebirge der quer vorgelagerte Höhenzug heifst, der als südlicher Abschlufs der türkischen Stellung von Rasgrad galt.
Auf dem Sejtan-Tepe
bei Sarnasuflar angelegt , das den Schlüssel bildete. Was Emin Pascha
anbetrifft ,
nachmittags 3 Uhr von Varna
so
war das Lager
zur Jenikiöjer Stellung
ist derselbe
am
3. August
nach Schumla gereist , am 4. nach-
mittags 2 Uhr vom Oberkommandanten Mehmed Ali im Lager von Schumla empfangen worden , rückte
an
demselben Tage
hat
am
5. seine Truppen
um 11 Uhr nachts
besichtigt,
über Eski-Dzuma
nach den Kirizenbergen ab und traf, zurückberufen, am 10. August abends 8 Uhr bei fürchterlichem Regenwetter wieder in Schumla ein. Das Gefecht vom 21. August ( 9. August) ist nach W. T.'s Ansicht der Hauptsache nach richtig wiedergegeben ; doch „ läfst der Autor bei den Einzelheiten seiner Phantasie allzuviel Spielraum. ist es sonderbar zu lesen,
dafs
sich
So z . B.
auf der rechten Flanke zwei
russische Bataillone (Newski) mit Hurrahruf aus ihren Schützengräben hervorgestürzt hätten. Hier waren gar keine Erddeckungen und konnten gar keine sein ;
auch rief das Newskische Regiment bei
Paschakiöj gar nicht Hurrah und stürzte sich auch auf niemand. — Die Tscherkessen wurden von den Schützen der 1. Schützencompagnie mit
Gewehrfeuer
vertrieben
unter Mitwirkung von Kartätschfeuer
derjenigen Geschütze, welche auf den Berg gebracht worden waren. Dagegen stürzten sich unsere Ulanen auf sie. " Wenn diesseits von den zwei russischen Bataillonen gesagt ist,
Über die Kämpfe am Lom
318
dafs sie in Compagniekolonnen aus den Deckungen hervorbrachen , so ist darunter das deckende Gehölz verstanden worden. Was die Attacke auf die Tscherkessen
bei Arablar anbetrifft,
so sind diesseits die russischen Ulanen allerdings für Husaren gehalten worden. ,,Dafs der Kampf um 4 Uhr sein Ende erreicht -- heifst es
seitens des
russischen Kritikers
weiter
ist richtig ,
aber nicht,
dafs unsere Truppen Attacken auf der rechten und auf der linken Flanke unternahmen . Vermutlich hielt der Autor einige Bewegungen unserer im Kukuruz postierten Kette für Angriffsversuche. Es ist auch nicht richtig , dafs , als die türkische Infanterie und die polnische Legion (48 Mann) sich (nach den Worten des Autors) gegen unsere linke Flanke warf, zwei unserer reitenden Geschütze westlich von Kizilar auffuhren und die Vorbewegung der Türken aufhielten . Unsere beiden reitenden Geschütze standen zwischen Kizilar und Resim-Paschakiöj bis 1 Uhr nachmittags , konnten aber mit ihren Schüssen die Attacke der türkischen Truppen auf unsere linke Flanke nicht stören. Wahrscheinlich hielt der Autor die beiden Geschütze des Stabskapitäns Reck, welche um 4 Uhr auf dem schmalen Höhenrücken, westlich von Kizilar, postiert waren, für reitende . Um diese Zeit war aber keine Unternehmung auf türkischer Seite bemerkbar. Es ist nicht möglich, dafs die Infanteriekolonnen und die ungedeckt stehende Kavallerie, auf welche diese beiden Geschütze feuerten , die Truppen waren , welche sich nach des Autors Worten zum Angriff auf unsere rechte Flanke in Bereitschaft setzten. so sein ,
so hätten
türkischen Angriffs worben. " -
sich
Sollte dem dennoch
diese beiden Geschütze durch Störung des
ein von uns gar nicht geahntes Verdienst er-
" Woher weifs der Autor schliesslich - wird fortgefahren - dafs wir aus der Reserve (welche gar nicht vorhanden war) anfangs, um 4 Uhr nachmittags, ein Bataillon und dann spät am Abend noch eins vorzogen?
Wahrscheinlich handelt es sich hier um das 3. Bataillon des Newskischen Regiments , welches nach seiner Ankunft von der rechten Flanke her anf den Kirizen als Reserve hinter unserer linken Flanke aufgestellt wurde und um das 1. Bataillon desselben Regiments, welches alsdann von dem Brunnen Nr. 2 nach der rechten Flanke dirigiert wurde. " „Der Autor beschuldigt uns - lautet die Kritik weiter -- wir hätten nicht mit allen sechs Bataillonen gleichzeitig operiert , dern sie nach einander ins Gefecht geführt. meint er,
würden wir die türkische Position
son-
Im ersteren Falle, ohne grofse Verluste
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. erobert haben.
319
Wir wollten aber weder die Position von Sarnasuflar
noch die von Jenikiöj erobern.
Ausserdem sagt ja der Autor selbst,
dafs im Lager von Sarnasuflar 15 Bataillone Infanterie und 4 Eskadrons Kavallerie standen. " Hierzu erlauben wir uns Nachstehendes zu erwidern : Während unter wechselndem Erfolge der Kampf um die Schlucht, welche im Centrum die russische Stellung von der türkischen trennte, fortgeführt wurde, rafften sich die Türken und die polnische Legion auf die Nachricht von anmarschierenden Verstärkungen gegen 4 Uhr nachmittags
zu
einem
energischen Vorstofse auf.
Schon schienen
sie vom Glücke begünstigt, schon formierten sich auf dem türkischen linken Flügel zahlreiche Gruppen Baschibozuks zu einem Angriff auf Kizilar , als zwei russische Geschütze bei dem erwähnten Orte ihr Feuer sowohl gegen die Irregulären wie die in der Schlucht vorgehenden Türken mit grofser Sicherheit eröffneten.
Die türkische
Vorbewegung geriet ins Stocken und das Gleichgewicht war wiederhergestellt. Sollte demnach russischerseits
ein Schwanken in der Ansicht
entstanden sein, ob die hemmende Wirkung
wie sie seinerzeit in
den Jahrbüchern angegeben war - möglicherweise
oder unmöglich
auf die erwähnten zwei russischen Geschütze bei Kizilar zurückzuführen sei, so ist darauf zu verweisen, dafs die weit nach links ausholende
türkische Vorbewegung dem
Batterie in der Front entzogen gegen sich demaskierte.
war ,
Gesichtskreis
der russischen
gegen den linken Flügel da-
Was den Schlufs des Gefechtes um 4 Uhr anbetrifft , so konnte davon um so weniger die Rede gewesen sein, als, wie bereits früher erwähnt war, der türkische Vorstofs um 4 Uhr nachmittags unternommen wurde , dann die beiden russischen Geschütze bei Kizilar in Aktion traten und schliesslich um 51/2 Uhr die türkischen Reserven eingriffen. Von einem gemeinsamen Vorstofs wurde allerdings Abstand genommen , unterhalten.
jedoch
bis 8 Uhr abends
das Tirailleurfeuer
Es war seinerzeit in dieser Zeitschrift erwähnt worden , russischerseits sowohl um 4 Uhr
als in
Reservebataillon herangezogen wurde.
dafs
später Abendstunde je ein
Da nun eingeräumt wird, dafs
zuerst das dritte , dann das erste Bataillon des Newskischen Regiments eine veränderte Stellung erhalten, so sind damit die erwähnten Ob die Reserven nun urWahrnehmungen vollkommen bestätigt. sprünglich oder nicht waren, ist wohl gleichgültig ; sie kommen aber 22 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
320
Über die Kämpfe am Lom
erst in Betracht, wenn sie selbst oder ihr nahes Eintreffen Wirkungen äufsern. Es ist richtig, dafs in Sarnasuflar fünfzehn türkische Bataillone standen. Da jedoch die Entfernung , wie bereits bemerkt ist , von dem erwähnten Orte bis auf das Gefechtsfeld reichlich sechs bis sieben Stunden für Infanteristen betrug, so wäre vor dem Eintreffen der türkischen Verstärkungen der Kampf von
sechs geschlossenen Bataillonen gegen drei auf langer Linie zerstreute längst entschieden gewesen. Schliefslich wendet sich der russische Kritiker noch in betreff dieses Gefechtes gegen die ein Jahr vorher gemachten Auslassungen seiner Kameraden und sagt :
" Was wegt ,
die Verfasser (N. L. und A. K.)
die Beschreibung des Kampfes
der Anmerkungen be-
vom 9. ( 21. ) August immer
für die der Kämpfe am 10. ( 22. ) und 11. ( 23.) August anzusehen und sich zu wundern , dafs wollen , ist mir unerklärlich.
die Daten u. s. w. nicht stimmen v. T. wollte eben den Kampf vom
9. (21.) August beschreiben und nicht die vom 10. (22. ) und 11 . (23.) August. v. T. sagt ganz richtig , dafs die Türken nach dem Kampf am 9. eine Wiederholung des russischen Angriffs für den folgenden Tag erwarteten, da es ihnen schien , dafs wir Verstärkungen erhalten hätten. Er irrt sich aber, wenn er sagt, dafs unsere Truppen auf den Höhen
des
rechten Lomufers
aufgestellt
waren vielmehr nach Popkiöj zurückgegangen standen nur die
vom 2. Bataillon
ausgesetzten Vorposten. dafs Baker Pascha
waren ,
sie
und auf den Höhen
des Njaschinskischen Regiment
Noch mehr irrt er sich, wenn er annimmt,
auf persönlichen Befehl Mehmed Alis
sich am
Morgen mit acht Bataillonen nach der Brücke bei Ajaslar längs des Thales des Kizilarbachs dirigierte drohten russischen Bataillone
und dadurch die im Rücken be-
veranlafste ,
Lomufers zu verlassen und nach Njaslar
die zu
Höhen des rechten
entweichen.
Wäre er
längs des Thales des Kizilarbaches marschiert, so wäre er nicht nach Ajaslar, sondern nach Araplar gekommen, weil es zwischen Kizilar und Ajaslar gar keinen Bach giebt. " " Von dem nächtlichen Kampfe vom 10. (22. )
August und vom 11. ( 23. ) August gar nichts bekannt.
zum 11. (23.)
ist dem Autor augenscheinlich
Vielleicht lag es ihm auch nicht daran , etwas
davon zu wissen, weil dieser Kampf für den allgemeinen Gang der kriegerischen Ereignisse keine Bedeutung hatte ; es blieb eben nach demselben alles beim alten : die Türken eroberten die Lombrücke, besetzten die Höhen des rechten Ufers und unsere Vortruppen
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877. standen beim Haue von Njaslar wie zu anfang des Gefechts . völlige Unkenntnis v. T.'s
321 Diese
über das so bemerkenswerte und hoch-
interessante Nachtgefecht bei Ajaslar gab wahrscheinlich den kritisierenden Offizieren
zu der Meinung Veranlassung , v. T. habe
die
Kämpfe vom 9. (21. ) , 10. ( 22.) und 11. (23.) August mit einander verwechselt. " Es war in dem diesseitigen Aufsatze angegeben worden , dafs die Türken den russischen Angriff mit verstärkten Kräften am nächsten Tage erwarteten ; sie mufsten auf diesen Gedanken kommen , da russische Truppen auf dem mehrfach erwähnten Höhenzuge mit dem Defilée des Lom im Rücken zurückgelassen waren. Hätten die Türken ahnen können, daſs das russische Gros trotz der Verstärkung über den Lom nach Popkiöj zurückgegangen wäre , um am nächsten Tage den Vormarsch von neuem wieder anzutreten ,
so wäre Baker
Pascha kaum mit dem speziellen Auftrage einer Umgehung der russischen Stellung behelligt worden. Was übrigens den Kizilarbach anbetrifft ,
so hat Baker Pascha
bei seinem Vormarsche nach Jazlar Gelegenheit gehabt, sich von der Existenz des Kizilarbaches wie seiner Mündung in den Kara Lom südöstlich Jazlar zu überzeugen. Das Nachtgefecht vom 10. zum 11. August war als bedeutungslos seinerzeit nicht in den Jahrbüchern besprochen worden.
Über die Wichtigkeit ,
die demselben von rus-
sischer Seite beigelegt zu werden scheint, dürfte um so schwerer sich ein Urteil bilden lassen, als einmal behauptet wird , die Nachtkämpfe hätten „ für den allgemeinen Gang der kriegerischen Ereignisse gar keine Bedeutung gehabt, alles wäre beim alten geblieben ", während dieselben gleich darauf „ so bemerkenswert und hochinteressant " genannt werden.
Über das Gefecht von Karahasankiöj am 30. August wird alsdann im Augustheft 1879 des Sbornik geschrieben : Schon am 25. ( 13. ) August waren den Befehlshabern in der des Kommandeurs des 13. Corps mitgeteilt,
Division die Befehle
in welchen die Bedeutung der eingenommenen Position auseinandergesetzt wurde .
Dabei empfahl man den Truppen ,
die sich auf der
Position bei Popkiöj und Karahasankiöj befanden, den Feind nur in seiner Entwickelung aufzuhalten. Unter anderem war mit bezug auf die Karahasankiöjer Stellung gesagt : „ Es ist zu vermeiden , aus Gagova nach Karahasankiöj grofse Soutiens zu schicken , da dieses Detachement genötigt sein wird , längs des Defilées nach Gagova zurückzukehren. " " Dieser Corpsbefehl ist von Interesse , weil 22*
Über die Kämpfe am Lom
322 er die
später noch
stärker
sich geltend machende Besorgnis
vor
einem türkischen Durchbruch auf Tirnowa ausdrückt , eine Besorgnis, der zufolge man sich thunlichst auf die Defensive beschränken wollte. " Über dasselbe Gefecht heifst es dann an anderer Stelle : „Es verbreitete sich die Nachricht , dafs das 140. Sereiskische Regiment genötigt gewesen wäre ,
sein ganzes Lager zu verlassen,
seine Zelte und gleichzeitig auch das Dorf zu verbrennen , dem Feinde nicht in die Hände fallen zu lassen. "
um es
Das plötzliche Verlassen des Plateaus von Karahasankiöj und des Dorfes gleichen Namens seitens der Russen, die sich hier mit grofser Tapferkeit gegen mehr als doppelte Übermacht fast sechs Stunden gehalten hatten, so dafs die Türken nur sehr langsam Terrain gewinnen konnten , war wohl darauf zurückzuführen , dafs die. Russen, nachdem das Dorf Hajdarkiöj auf dem linken Lomufer um 53/4 Uhr durch die türkische Brigade Sabit besetzt war , fürchteten, dieselbe könne ihnen , von dort aus längs dem linken Lomufer vorgehend, das enge Defilée über diesen Flufs auf dem Wege von Karahasankiöj nach Gagova verlegen. Dahin deutete auch der Abmarsch der zwei russischen Eskadrons, die bei Hajdarkiöj standen, zur Aufstellung an dem erwähnten Defilée . Hinsichtlich des Gefechtes bei Kaceljevo am 5. September 1877 wird im Septemberheft 1879 des Sbornik dem Verfasser dann der Vorwurf gemacht , "" den Kämpfen um Kaceljevo gröfsere Bedeutung beigelegt zu haben , als um Ablava, weil erstere erfolgreich gewesen wären , bei letzteren die Türken aber eine starke Schlappe erhalten hätten. " Nach der Ordre de bataille
zum 5. September waren die An-
griffe der Division Fuad von Solenik aus gegen die Front der russischen Stellung nördlich von Kaceljevo , der Division Sabit gegen die rechte Flanke von Crtsinova her , der Brigade Reschid gegen die feindliche Rückzugslinie Kaceljevo- Stroko gerichtet. Das Gefecht verlief, mit Ausnahme der übereilten Ordre Fuads an die Brigade Reschid, die Umgehung aufzugeben und sich ihm als Reserve anzuschliefsen, vollständig der Disposition gemäfs . Während die Russen gegen 1 Uhr mittags auf das Plateau westlich von Kaceljevo zurückgeworfen wurden, und die Division Fuad ihnen durch die tiefe Schlucht, die die östlichen Höhen von Kaceljevo von dem erwähnten Plateau trennt , folgte , setzte die Division Sabit auf der Strafse Crtsinova-Kaceljevo ihren Vormarsch fort und geriet
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.
323
dabei in das Feuer der russischen Batterieen bei Ablava * ) , welches ihr einige Verluste verursachte. Sabit Pascha entsandte nunmehr zwei Bataillone Nizam unter dem Obersten Ibrahim und die Tscherkessen , waren, zur Vertreibung der in Rede
die gerade zugegen
stehenden russischen Batterie.
Schon schien Ablava im Besitze der Türken und die russische Batterie ernstlich bedroht, als die Nizams
sich in der linken Flanke
und im Rücken durch russische Übermacht bedroht sahen .
Schritt
für Schritt verteidigend wichen sie zurück, die Tscherkessen dagegen lösten sich in wilder Flucht auf und erreichten, den Flufs zum Teil durchschwimmend , das andere Lomufer. Dies war die Episode bei Ablava, ähnliche Beachtung gefunden hatte.
die auch an früherer Stelle
Die russische Batterie blieb bei
Ablava und setzte ihr Feuer mit ungeschwächten Kräften , doch abnehmender Wirkung bis 43/4 Uhr fort, zu welcher Zeit ein Wolkenbruch der Schwüle des Tages und dem russischen Artilleriefeuer ein Ende machte. Der türkische Vormarsch , Angriff und die Besetzung des Plateaus westlich von Kaceljevo sind keinen Augenblick durch den erwähnten Kampf bei Ablava irgendwie beeinflusst worden. In betreff des Vormarsches der Türken zu dem hier in Rede stehenden Gefechte sagen die mehrerwähnten russischen Offiziere : ,,Soviel uns bekannt ist, wurde der Angriff der Türken anfängUns war lich in der Richtung auf Ogarcin und Cerovce erwartet. sogar die Bewegung des Feindes im Thal des Solenikbaches bekannt, wie aus der Relation des Generaladjutanten Baron Driesen über den Kampf bei Kaceljevo und Ablava durch Berichte der Kavallerietruppen ersichtlich ist, die am 23. August (4. September) durch die Türken aus Ogarcin, Kostanca und Solenik verdrängt wurden , worauf der Feind diese Punkte durch Infanterie besetzte . Bei dem türkischen Vormarsche mufste aber mit der Länge des zu verteidigenden Abschnittes angesichts werden. " -
unreres
Rustschuker Detachements
An der betreffenden Stelle
unseres Aufsatzes
gerechnet
wurde
hervor-
gehoben, dafs der Anmarsch der Division Fuad im Thale des Solenikbaches nach Kaceljevo unmöglich von den Russen bemerkt sein konnte, diese vielmehr wahrscheinlich auf einen Angriff von Südosten gerechnet hätten,
wofür
auch die
Verteidigungsvorrichtungen
sprachen ,
die
*) Ablava ist ein unbedeutendes hochgelegenes Dorf auf dem linken Lomufer, mit Kaceljevo durch einen Landweg verbunden.
324
Über die Kämpfe am Lom
Russen sich sonst auch kaum zu einem Kampfe mit dem weit überlegenen Gegner in einem Abschnitt eingelassen hätten , in dem die Rückzugslinie parallel zur Front lief u. s. w. An Stelle dessen wird nun der türkische Vormarsch als durch russische Kavalleristen rechtzeitig gemeldet angegeben.
Ist in diesem Falle die Länge eines zu
verteidigenden Abschnittes ein Grund ,
den
einzigen Weg
steigen des Plateaus von Kaceljevo nicht zu verteidigen ?
zum ErDie Ver-
teidigung hätte um so leichter bewerkstelligt werden können , als der schlecht erhaltene Weg überaus steil, durch Regengüsse obenein aufgeweicht war , so dafs z. B. zum Hinaufziehen eines einzelnen Geschützes aufser acht Ochsen eine halbe Compagnie erforderlich war, und alle diese Manöver mit der den Türken eigentümlichen Langsamkeit ausgeführt wurden . Über die Bewegungen der Türken nach dem Gefecht wird dann von derselben Stelle aus geschrieben : „ Das Abweichen Mehmed Alis von seiner Direktion hatte für uns ungemeine Bedeutung.
Weder in Stroko noch auf dem Wege nach
Bjela, wohin von Stroko
nur 26 Werst sind ,
hatten wir Truppen.
In Bjela, woselbst sich die Trains, das Hospital und grofse Vorräte befanden , stand nur eine Compagnie des Capirskischen Regiments zur Verfügung des Etappenkommandanten. Den Angriff der Türken auf Bjela zu hindern hatten wir gar keine Mittel. Auf der linken Flanke des
Rustschuker
Detachements
an
der Donau gegenüber
Rustschuk stand nur die 12. Infanteriedivision in sehr gefährdeter Position.
Im Centrum bei
Kaceljevo
und Ablava befand
sich die
33. Division und Teile der 1. Division unter Gefahr , von der überlegenen Zahl des Feindes erdrückt zu werden. Auf der rechten Flanke von Opaka bis Popkiöj stand das 13. Corps mit Ausschluſs der beiden nach Ablava kommandierten Regimenter. " Nach dem Gefecht von Kaceljevo
waren im Stabe Mehmed Ali
Paschas Stimmen laut geworden ,
die den Sieg in einer sofortigen Offensive in der Richtung auf Bjela mit dem Ziele Plewna ausgenutzt wissen wollten und sich unter anderem auf die Ansammlung bedeu-
tender russischer Kräfte gerade in südlicher Richtung zum Schutze von Tirnova beriefen , während andererseits und namentlich von dem früheren englischen Obersten Baker Pascha einer Diversion nach dem Süden behufs Vereinigung mit Suleiman Pascha das Wort geredet Der letztere Einfluss gewann Oberhand . Dem unglücklichen
wurde.
Gefecht bei Cerkovna-Cairkiöj folgte die Abberufung Mehmed Alis . ""Was den Kampf bei Cerkovna - Cairkiöj ( 9. ( 21. ) September 1877 ) anbetrifft", - wird von dem Kritiker im Oktober 1880
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.
325
„ so nennt v. T. unsere Position eine ideale ; dabei geäufsert wurde sie aber von der türkischen namentlich durch die bei dem Osikowschen Walde errichtete Batterie Nr. 3 überhöht. "
" Bei der Erwähnung, dafs unsere Batterieen der türkischen Batterie Nr. 3 grofse Verluste zugefügt hätten , ist v. T. der Meinung, dafs die Vernichtung dieser Batterie uns zu einer Attacke des türkischen rechten Flügels hätte veranlassen können, während er selbst weiter oben sagte , dafs nach Ansicht der Türken bei uns auf der Position von Cairkiöj
im
ganzen
nur
drei Regimenter vorhanden
waren ; auf welche Weise sollten, so fragen wir, diese beiden Regimenter, welche es mit zwei oder gar drei Divisionen zu thun hatten , eine so weite Angriffsbewegung
unternehmen?
Es
erscheint
Supposition um so sonderbarer, wenn man bedenkt , unserem linken Flügel nur zwei Bataillone
dafs
befanden ,
diese
sich auf
die
sich in
einer dünnen unterbrochenen Linie mehr als 1/2 Werst ausdehnten. " Das Plateau von Cairkiöj , das von den Russen feldmäfsig befestigt war, fiel in stetiger Böschung gegen das Vorterrain in einer Weise ab, die die rasanteste Ausnutzung des Gewehr- und Geschützfeuers erlaubte. In dem offenen Vorterrain war kaum ein Schritt unbestrichenen Raumes zu finden .
Die russische Stellung war voll-
kommen in sich abgeschlossen und gewährte Verbindung nach rückwärts .
obenein ungefährdete
Das Plateau von Cairkiöj
war dem
Umfange nach nicht gröfser, als Truppen zu seiner Verteidigung vorhanden waren und nötigte den Defilée im Rücken zu kämpfen.
angreifenden Gegner ,
mit einem
Es ist nun allerdings richtig , dafs die egyptische Batterie III. im Nordosten von Cerkovna die russische Stellung um ein geringes überhöhte.
Da jedoch eine Überhöhung wohl nur zur Sprache kommt,
wenn man sich der Vorteile, die sie bietet, thatsächlich bedient, die erwähnte egyptische Batterie dagegen vom Anfang bis zum Schlufs des Gefechtes 2-300 Meter zu kurz schofs und daher nur die türkischen Tirailleure in eine prekäre Lage brachte ,
so war die Idea-
lität der russischen Stellung durch die egyptische Batterie nicht im entferntesten beeinträchtigt. Die türkische Aufstellung bei Cerkovna war der Defensive möglichst ungünstig.
Keine Flanke war angelehnt, daher kein selbstän-
diger Abschnitt für die Verteidigung vorhanden , dem bedeckten zerklüfteten Terrain fast
die Übersicht in
unmöglich, der verdeckten
Annäherung eines Angreifers auf das entschiedenste das Wort geredet. Zu der Verteidigung des erwähnten Abschnittes waren mehrere Divisionen erforderlich ;
Mehmed Ali hatte
aber in der That nur
326
Über die Kämpfe am Lom
zwei Bataillone der
Brigade Assim ,
drei
Bataillone Ali
und
ein
Bataillon Sad Eddin, mithin eine Effektivstärke von etwa 2000 Mann zur Hand. Da die russische Stärke auf dem Plateau von Cairkiöj nach ihrer eigenen Angabe 15 Bataillone betrug (s . später) , so wurden, während fünf Bataillone
in so starker Stellung
sechs
bieten konnten , zehn Bataillone zur Offensive
türkischen
die Spitze
gegen drei türkische
disponibel. Auf dem Plateau von Cairkiöj
war die Koncentration von 10
Bataillonen innerhalb 30-40 Minuten zu vollziehen , während Mehmed Ali mehrere Stunden gebraucht hätte, um nur ein Bataillon der Brigade Ali Risa oder der Egypter heranziehen zu können .
auf die Höhen
von Cerkovna
Eine russische Vorbewegung über Verboka gefährdete Mehmed Alis rechten Flügel und seinen Rückzug auf Osikowa , ein Vormarsch auf Karadasch und Vodica seine grofse Etappenlinie .
Die türkische
Artillerie hätte in beiden Richtungen kaum eine einzige Aufnahmestellung gefunden. Auf ersterem Wege, der der gefahrvollere war, fanden die Russen noch die Division Sabit , deren Eingriff jedoch sehr fragwürdig war, da sie an eine bestimmte Instruktion durch Achmed Ejub gebunden war; auf letzterem Wege nur die Egypter, die noch voll der frischen Eindrücke einem Kampfe geschickt ausgewichen wären . Zu erstem Unternehmen war Gelegenheit nach zeitiger Vertreibung der türkischen nach dem Ali Risa.
Bataillone Assim
abgeschlagenen
Angriff der
aus Verboka, zu Egypter
letzterem
und der Brigade
„ Interessant ist auch - wird fortgefahren - was v. T. über das Verhalten der türkischen Gardisten sagt. Ein eigentümliches Mittel in der That. Solcher Fälle werden aber vermutlich nicht viele vorgekommen sein, da das 2. Bataillon des Newski'schen Regiments, welches gegen das 3. türkische Gardebataillon mit solcher Entschiedenheit vorgegangen sein soll, im ganzen nur 12 Mann an Verwundeten während des von 2-7 Uhr nachmittags währenden Kampfes verlor. " „Andererseits, schreibt v. T. , waren die türkischen Schützen nicht durch einen Baum oder Strauch vor dem mörderischen Flankenfeuer des Gegners gedeckt. " „ Man braucht nur auf Plan 3 zu blicken , um sich zu überzeugen, dafs wir gar kein Flankenfeuer auf die türkische Postenkette abzugeben vermochten.
Eine Phantasie v. T.'s offenbar. "
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.
327
Es ist ein bekanntes türkisches Manöver, das schon im serbischtürkischen Kriege 1876 bei Aleksinac-Deligrad wie bei Sajscar angewandt wurde , dafs der einzelne Türke oder eine Rotte vermittelst Hand- und Seitengewehr sich eine kleine deckende Erdbrustwehr in Halbmondform aufwirft , feuern.
um
hinter derselben hockend gedeckt zu
Der Türke klebt jedoch an dieser Deckung nicht , sondern
überläfst sie vorspringend und sich von neuem eingrabend einem Hintermanne. Gleicherweise bedient sich der Türke eines verwundeten oder gefallenen Kameraden zu eigener Deckung.
Die Fechtart der Türken in zerstreuter Form widerspricht so vollständig den an sich ungeschickten Bewegungen in geschlossener Ordnung, bekundet aber eine grofse Anlage und Sicherheit in Nutzbarmachung des Terrains , die selbst bei gröfseren Verhältnissen in der Defensive, wie z . B. im Etropolbalkan , Schipka , ja sogar bei Plewna mehr auf den militärischen Instinkt zurückzuführen , als Folge einer begründeten Form ist.
So wird der Türke einzelne Werke an
den günstigsten Punkten anlegen , zu einer Verbindung benachbarter Anlagen aber erst durch die Notwendigkeit der direkten Erfahrung geführt werden. Das erwähnte sichere Benehmen im Terrain verfehlte aber auch nicht auf die Russen bei Cairkiöj einen bedeutenden Eindruck zu machen, ein Eindruck ,
der sie verhinderte ,
die dünne
türkische Kette, die sich 300 Schritt von ihren Schanzen eingenistet hatte , mit dem Bajonett zu delogiren . Hinsichtlich des
Flankenfeuers " , von dem im russischen Citat
zu lesen ist , mufs auf Seite 78 des Januarheftes vom Jahre 1879 dieser Zeitschrift verwiesen werden , wo es wörtlich heifst : " Kein Baum oder Strauch deckt oder blendet unterdessen die türkischen Bataillone, die dem vernichtenden Senkfeuer des Gegners schwere Tribute zahlen müssen " Das Mifsverständnis dürfte demnach auf unzureichende Uebersetzung zurückzuführen sein . „ Noch auffallender ist das, was v. T. gleich darauf schreibt " heifst es dann weiter. " Bis zur linken Flanke, d . h. bis zum Dorfe Juruklere, betrug die Entfernung aber 5 Werst.
Wie konnte das ,
was dort vorging, die Aufmerksamkeit der Gardebataillone ablenken, die so ohne Unterlafs die geringste Bewegung der in ihren Befesti" gungen sitzenden russischen Soldaten beobachteten ,,Anstatt nun sogleich zu erklären, welches interessante Ereignis die Aufmerksamkeit der so energisch avanzierenden Türken ablenkt, beschreibt v. T.
die Bewegung der Division Ismail aus Woditza, wobei wir nur bemerken wollen , dafs ein enges Defilée des Jordan-
Über die Kämpfe am Lom
328
flusses , welches diesen Vormarsch aufgehalten haben soll , in Wirklichkeit gar nicht existiert.
Auch an die Grundlosigkeit der Wege
(nach dem 24. August herrschte stets trockenes Wetter) vermögen wir nicht zu glauben ; bei uns in Cairkiöj und Werbowka waren alle Wege trocken. " „Da uns aus der Relation des Generals Tatischtschew bekannt
ist, dafs das Gefecht bei Juruklere schon um 2 Uhr begann und dafs dann eine dichte türkische Schützenkette sogar den Kamm der dem Dorfe Juruklere gegenüberliegenden Höhen erreichte und unsere äufserste rechte Flanke umfafste, so erscheint es höchst merkwürdig, auf welche Weise das türkische Gardebataillon , welches sich den des 2. Bataillons unseres Newskischen Regiments auf 300 Schritt gegenüber befand, sich plötzlich bei dem Walde von Juruklere zu befinden und die Flanke unserer zur Verfolgung der egyp-
Logements
tischen Brigade aus ihren Deckungen hervorbrechenden Bataillone zu umfassen vermochte. Man könnte meinen, es habe noch ein zweites. Gardejägerbataillon gegeben , welches unsere äufserste rechte Flanke umfafst hätte. " ,,Im Gegensatz dazu lesen wir aber , dafs unsere Bataillone ihrerseits die Flanke und den Rücken eines der Bataillone Sad Edin's, die sich nach den Croquis v. T.'s am Jordan befanden, umfafst hätten . Folglich musste das Gardebataillon, welches unsere Flanke umfaſste, dasselbe gewesen sein, welches mit dem Newskischen oder auch mit 66 dem Rylskischen Regimente kämpfte .
" Der Kampf schlofs noch bei Tageslicht ,
da Generallieutenant
Tatischtschew noch vor Eintritt der Dunkelheit fast die ganze Gefechtslinie abzureiten vermochte.
v. T. behauptet, dass nach Eintritt
der Dunkelheit der erbitterte Kampf noch fortgewüthet habe. Das Artilleriefeuer hörte schon um 7 und nicht erst um 81/2 Uhr auf. Auch über die Stärke unserer Truppen, die auf 18 Bataillone angegeben wird , müssen die Türken , trotz der augenscheinlich gut eingerichteten Spionage, nicht genau unterrichtet gewesen sein . Wir hatten im ganzen nur 15 Bataillone zur Verfügung , erster Linie. "
davon 12 in
Zu diesen Auslassungen möchten wir uns nachstehende Entgegnung gestatten . Der türkische linke Flügel , die Division Ismail , bestehend aus 6 egyptischen Bataillonen unter Jussuf und 3 türkischen unter Ali Risa, hatte von Vodica über Karadasch ausgeholt, um, den russischen Flügel umfassend , das Plateau von Cairkiöj von Südosten her anzugreifen .
Die Epypter kamen um 11/2 Uhr, die Berge von Karadasch
während der Zeit vom 21. Juli bis 2. Oktober 1877.
329
herabsteigend, ins Feuer der im vorliegenden Walde östlich von Cairkiöj ausgeschwärmten russischen Tirailleure. Ungenügende Rekognoszierung seitens Husni-Paschas , des Chefs des Stabes vom Prinzen Hassan von Egypten, trug die Schuld, dafs die der Infanterie ursprünglich zugeteilte egyptische Artillerie auf unpassierbarem Wege der Infanterie nicht folgen konnte. In 2 Treffen zu je 3 Bataillonen wanden sich die egyptischen Bataillone durch das ungünstige Terrain , Feuer der russischen Batterien gelangten .
bis
sie
auch unter das
Der Eindruck der einschlagenden Hohlgeschosse auf die Egypter war überwältigend .
Ordnungslos und unaufhaltsam wogen sie durch
die Reihen der türkischen Brigade Ali Risa, die ruhig sich zum Angriff formierte. Die rückgängige Bewegung ist aber von den Russen bei Juruklere bemerkt worden und ein paar Bataillone gehen zur Verfolgung vor .
Sie treffen zunächst auf Abteilungen
des türkischen Kasarieh-
Gardejägerbataillons , das, im Begriff sich zum Angriff auf das feindliche Plateau anzuschicken durch heftiges Feuern in seiner linken Flanke und wie es schien auch im Rücken , seinen linken Flügel in der erwähnten Richtung
verlängerte.
Doch ist nunmehr auch die
Brigade Ali Risa mit dem Gegner handgemein bis in die russischen Schanzen vorgedrungen und weicht erst um 312 Uhr dem vereinten Angriffe grofser Übermacht , hält jedoch die Waldlisiere östlich von Cairkiöj fest. Während dieser Vorgänge kämpfen drei türkische Gardebataillone im Centrum der Stellung unter grofsen Verlusten mit unerschütterlichem Mute. Alle Bemühungen des Gegners , sie zurückzuweisen, sind erfolglos . Um 512 Uhr wird der rechte türkische Flügel, aus drei Bataillonen Assim bestehend , von dem Gegner aus Vorboka vertrieben. Eine Viertelstunde
später entsteht
eine
kurze
Gefechtsstille.
Dicker Pulverdampf lagerte vor den russischen Batterieen , verhinderte dieselben am Zielen und maskierte sie. Die türkischen Gardebataillone, von Mehmed Ali zurückgerufen, der auf ein günstiges Resultat des Kampfes bereits verzichtet hatte und eine russische Offensive befürchtete,
weigern sich, dem Befehle
Folge zu leisten, weil sie ihre gefallenen Kameraden rächen müfsten. Adjutanten werden abgeschickt , sie zu holen . Die Dunkelheit bricht an.
Niemand rührt sich.
Erst der persönlichen Bemühung des Divisionsgenerals Salish
Über die Kämpfe am Lom etc.
330
Pascha gelingt es, die Gardebataillone um 8 Uhr abends hinter den Jordan zurückzunehmen . Zu dieser Zeit schweigt auch der Geschützkampf, der seit 7 Uhr an Hartnäckigkeit abgenommen hatte. Doch selbst das tiefe Dunkel der durch kleine Flämmchen unterbrochen , hinüber und herüber blitzen.
anbrechenden Nacht wird
die aus einzelnen Gewehren
Bei einem Rückblick auf das Gefecht von Cairkiöj
kann nur
wiederholt werden, dafs die Verwendung verschiedener kleiner Truppenkörper zu einem sogenannten concentrischen Angriff, mangelhafte Disposition der Reserven , Mangel an Energie der egyptischen Führung und Truppen
einen glücklichen
Ausgang des Kampfes von
Cairkiöj für die Türken unmöglich machte .
Beispiellose Hartnäckig-
keit und Tapferkeit der türkischen Gardisten
und der Brigade Ali
Risa hielt die Russen ab, von ihrer Übermacht einen effektiven Nutzen zu ziehen . -- Was schliesslich die meteorologischen Beobachtungen anbetrifft, so waren türkischerseits , abgesehen von dem Wolkenbruch am 5. September und den Regengüssen vom 6. auch in der Mitte des September mehrfach Regengüsse hauptsächlichste Grund waren ,
zu
verzeichnen ,
die
mit der
dafs die egyptischen Batterieen der
Infanterie nicht folgen konnten, sondern nach Vodica zurückgezogen werden mussten.
Zum Schlusse wird russischerseits gesagt : „ So viel Fehler auch die T.'sche Beschreibung des Kampfes vom 9. (21. ) September enthält, so erkennen wir doch daraus die Absicht des türkischen Oberbefehlshabers , und vermögen uns vorzustellen ,
unser Centrum zu durchbrechen,
welche Gefahr unser Norddetache-
ment betroffen hätte, wenn die die linke Flanke und den ausspringenden Winkel der Verteidigungslinie
besetzt haltenden Truppen ,
d. h. das 4. Bataillon des Newskischen Regiments und das Rylskische Regiment genötigt gewesen wären zurückzuweichen ,
was sie glück-
licherweise , dank ihrem unerschütterlichen Mut und Ausdauer trotz des fünfstündigen Kampfes , der 600 Mann kostete, nicht thaten.
den Türken nach v. T.'s Aussage Erst durch die Mitteilung v. T.'s
ist das Verdienst der beiden Bataillone des Newski'schen Regiments eigentlich ans Tageslicht gebracht worden. Ruhm und Ehre auf die am 9. September bei Verbowka und Cairkiöj kämpfenden Truppen, wenn sie dem Feinde eine so hohe Meinung wufsten , dafs schon der Aufbruch
von
sich
einzuflöſsen
des Newskischen Regiments und
der 1. Batterie der 1. Artilleriebrigade aus der Cairkiöjschen Position nach Koprowiza von den Türken als eine Vorbereitung zum Angriff
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich etc.
331
angesehen wurde und sie veranlafste, an demselben Tage ihre Rückzugsbewegung auf Popkiöj , Sahar -Tepe und Karahassanskiöj zu beginnen. " Dem gegenüber sei schliesslich unsererseits
bemerkt ,
dafs der
Rückzug Mehmed Alis nach dem Gefechte von Verboka-Cairkiöj ein Gebot der Notwendigkeit geworden war, nachdem der Muschir Achmed Ejub dem Obergeneral die Unterstützung
seiner Gesamtarmee ver-
weigert und die Division Sabit von erwähntem Muschir angewiesen war, nur auf seinen direkten Befehl einzugreifen, und die egyptische Division Ismail endlich im Gefecht versagt hatte , mithin zur Verteidigung des ausgedehnten Plateaus von Cerkowna die erforderlichen Kräfte nicht vorhanden waren.
Dafs das erwähnte Plateau von den Türken am 24. September übereilt und unter anderm mit Zurücklassung der Telegraphenleitung verlassen wurde, fällt diesen wohl allein zur Last , da die Russen erst zwei Tage später (am 26.) sich in Bewegung setzten . W. v. Tyszka.
XXVII .
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in
Frankreich
und
das
Programm
für
die
Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.
Lebhafter als die Miniaturoperationen des aus vierten Bataillonen zu provisorischen Verbänden zusammengestoppelten Expeditionscorps auf dem afrikanischen Kriegsschauplatze beschäftigt die militärischen Kreise in Frankreich die der Wirklichkeit am meisten nahekommende Vorbildungsschule des Friedens für die ernste kriegerische Thätigkeit, - die Herbstmanöver und vor allem die zum Teil schon begonnenen Übungen
der Kavalleriedivisionen.
Die grofsen Truppen-
übungen in Frankreich verdienen ohne Frage auch unsere besondere Beachtung ,
da
in den
für
Fortschritt zu konstatieren
dieselben getroffenen Anordnungen ein ist ,
dessen Folgen nicht unterschätzt
werden dürfen, ein Fortschritt insofern , als die Teilnahme sämtlicher Truppen, die Garnisonen von Paris und Lyon ausgenommen, an den
332
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das
Herbstmanövern , welche der Kriegsminister im vergangenen Jahre versuchsweise, statt der bis dahin üblichen von nur einem Drittel der aktiven Armee ,
befahl ,
mit
der dauernden Bewilligung der dazu
nötigen Mehrausgaben von nun ab ein Definitivum geworden.
Eine
weitere Verbesserung tritt noch insofern hinzu , als die Dispositionen nicht mehr schematisch in den Bureaux des Kriegsministeriums entworfen, sondern von dem jedesmaligen Leiter aufgestellt, den Unterführern mehr Freiheiten in der Wahl der reglementarischen Mittel zur Erreichung
des gegebenen Zweckes gelassen werden
einem Drittel des Heeres 15 bis 20 Tage
und bei
währende Corpsmanöver,
bei dem zweiten Drittel Divisions- und dem letzten Brigademanöver bezw. Detachementsübungen stattfinden sollen .
Gegenwärtig, ehe die
übrigen Manöver begonnen, koncentriert sich das Interesse hauptsächlich
auf die Zusammenziehung
der
gewaltigen Reitergeschwader,
welche, 36 Regimenter stark und fast die Hälfte der ganzen französischen Kavallerie umfassend und so eine bei uns im Frieden nie gesehene Ausdehnung erreichend, in drei Gruppen zu je zwei Divisionen nach einander an drei verschiedenen Orten, zu Châlons , Avor und Vezelise, unter Leitung des Präses des bis vor kurzem in Tours tagenden Kavalleriecomités, General Gallifet, üben sollen, bezw. deren erste mit dem 10. August im Lager von Châlons
ihre bis
21. August dauernde Manöverperiode schon begonnen hat.
zum
Es sind
zu den genannten Übungen von den im Frieden als permanente Verbände organisierten Kavalleriedivisionen nur drei herangezogen , die übrigen drei aber aus Regimentern der Corpskavalleriebrigaden gebildet worden, um auch diese zu befähigen , im Kriege eventuell in dem Rahmen der grofsen Kavalleriekörper
sich zurecht zu finden .
Die den genannten Truppenteilen entnommenen Regimenter sind unter Leitung von Generalen, die früher schon gröfsere Körper geführt, zu Divisionen vereint , die mit den Buchstaben A B C bezeichnet und je mit einer der dauernd formierten Disisionen
an demselben Orte
vereinigt worden , so dafs die Manöver der Zeit nach zusammenfallen und Vergleiche möglich sind. Die Zusammensetzung der im August im Lager von Châlons koncentrierten „ 1. Gruppe " weist die folgende Ordre de bataille auf: Leiter der Übungen : General de Gallifet, Komm. des 9. Corps . Chef des Stabes : Oberstlieutenant de Salles . 4. Kavalleriedivision.
Kommandeur : General d'Espeuilles . 5. Kuirassierbrigade : General Brice. 7. und 10. Kuirassierregiment.
Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.
333
4. Dragonerbrigade : General Robillot. 22. und 23. Dragonerregiment . 3. Chasseurbrigade : General Bignon . 8. und 14. Chasseurregiment . Division A. Kommandeur : General du Preuil. 1. Corpskavallerie brigade : General Gaume. 19. Chasseur- und 5. Dragonerregiment . 2. Corpskavallerie brigade : General Oudinot. 13. Dragoner- und 3. Chasseurregiment. 3. Corpskavallerie brigade : General d'Ussel. 21. Dragoner- und 12. Chasseurregiment. Die Zusammensetzung der Division ist also eine völlig normale , zumal auch jeder derselben drei reitende Batterieen zugeteilt
sind,
deren Gespanne in bezug auf Kraft nach Berichten von Augenzeugen zu den früheren Klagen keine Veranlassung neu ist
geben
sollen .
Völlig
die Zuteilung eines Geniekapitäns zum Stabe der Division ,
die er im Kriege begleiten und bei welcher er im Frieden besondere Vorträge über alle Sprengmittel , die bei Zerstörung von Eisenbahnund Telegraphenstationen zur Anwendung kommen, und über Gebrauch, Ausnutzung und Unterbrechung der verschiedenen Kommunikationsmittel halten soll.
Für gewöhnlich den speziell zur Auf-
klärung bestimmten Körpern beigegeben ,
soll
und die Instruktion über diejenigen Arbeiten
er dann die Leitung übernehmen ,
eine selbständige Division im Kriege ausführen mufs.
welche
Die Strecken
von den einzelnen Garnisonen zum Übungsplatze von Châlons
sind
von den genannten Truppen in Märschen zurückgelegt worden , die 5 bis 6 Tage währten und , an Ausdehnung täglich steigend , „ Gewaltmärsche " genannt worden sind, eine Bezeichnung, die sie wohl nicht verdienen, da ihre durchschnittliche Ausdehnung 45 bis 48 km nicht übersteigt, nach General Lewals „ Tactique de marche" die sie ausführenden Truppen nicht einmal besonders
leistungsfähige
sind ,
" parce qu'une troupe de Cavallerie, qui ne peut pas parcourir 60 km par jour est une mauvaise troupe " , zumal wenn sie schon seit zwei Monaten ihre Pferde auf die Anstrengung vorbereitet hat. Völlig neu scheint den französischen Regimentern auch das selbständige Marschieren der einzelnen Eskadrons
ohne Aufsicht der Majors ge-
wesen zu sein , da militärische Blätter diese Anordnung besonders betonen und den Schwadronskommandeuren besondere Instruktionen für den Marsch und der Befehl ertheilt worden , an jedem Abend nach dem Einrücken ins Kantonnement eine kurze Meldung über
334
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das
Aufbruchs- und Ankunftszeit, sowie über den Gesundheitszustand von Mann und Pferd nach Châlons
zu senden , längere Halte auf den
Märschen zu vermeiden und behufs Verpflegung von der Requisitionsberechtigung gegen späteren Entgelt in ausgedehntem Mafse Gebrauch zu machen . Die Ziele der Übungen in Châlons sind verschiedener Art . Sie sollen zunächst den Führern der Division Gelegenheit geben , unter Beachtung der Erfahrungen , welche General Gallifet bei
den 1879
stattgehabten Manövern der 1. und 4. Kavalleriedivision im Departement Seine et Marne gesammelt und im Kavalleriecomité veröffentlicht, sich die Eigenschaften zu erwerben und auszubilden, deren der Leiter grofser Kavalleriekörper dringend bedarf :
schnelles Auf-
fassen der Situation, der eigenen sowohl wie derjenigen beim Feinde , schnellen Entschlufs , kaltes Blut und Kenntnis des für den Moment richtigsten Mittels, den Unterführern gestatten, sich an die Bewegungen bedeutender Reitermassen
zu
gewöhnen ,
in
einem
gegebenen
Rahmen geschickt zu evolutionieren, dadurch ihre Brauchbarkeit darzuthun, sie, frei von allem Schematismus, der gewissermassen künstlich ein Kampftableau sich aufbaut , in zweckmässigen Formen , in Erfahrungssätzen und Beispielen , die sie in den Übungen gesammelt, einen Anhalt für das gewinnen lassen, was sie vor dem Feinde auszuführen berufen sind , endlich erlauben ,
das ,
was sich in Châlons
als brauchbar herausgestellt , in Avor und Vezelise nochmals zu erproben, und dann, nachdem es die Kommission geprüft, dem Kriegsminister als wünschenswerte Ausfüllung einer bedeutenden Lücke im französischen Reglement zur Bestätigung vorzuschlagen . Diese Lücke besteht darin, dafs das dem österreichischen nachgebildete französische Reglement nur noch die Schule des Regiments ausführlich behandelt, die Evolutionen der gröfseren Kavalleriekörper, Brigade und Division , dagegen mit einigen summarischen Andeutungen abfindet , die , so meint das Memorandum des General Gallifet, zwar für den genügen , der Gelegenheit hatte, sich in der Führung mindestens einer Brigade längere Zeit zu üben, oder für das Genie, das einer Norm nicht bedarf, um im richtigen Momente auch die zweckmässige Form ohne jedes Schwanken zu finden.
Die Mehrzahl besitzt diese Übung nicht
und rechnet mit dem Durchschnittsverstande , denn nur bei wenigen kehrt der Genius ein, und doch sollen auch die jener Mehrzahl angehörenden im Stande sein , bei dem plötzlich eintretenden Wechsel der Situation in einem Kavalleriegefecht sofort
die veränderte Ab-
sicht der Leitung und die ihrer Truppe dabei zufallende neue Rolle zu erkennen und, schnell entschlossen, ihr entsprechend zu handeln ,
Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe. damit günstige Momente nicht ungenutzt vorüber gehen.
335
Dazu ist
es aber erforderlich, dafs , namentlich bei den seltenen Übungen der Kavalleriedivisionen , diesen Unterführern
eine gewisse Norm
vor-
schwebe , eine Kommandosprache vorhanden sei , die in wenig Lauten ganze Evolutionen anzuordnen vermag.
Das ist es, was dem fran-
zösischen Reglement fehlt, was auch das dritte Hauptstück des österreichischen Reglements für das französische nicht zu ergänzen vermochte, da Österreich seine Division anders organisiert . Vorschriften in dieser Beziehung kennen
eine
Die deutschen
solche Lücke
nicht,
„ sie geben “, so heifst es in Gallifets Memorandum, „bei allem Spielraum bezüglich der Wahl für die Leitung der Brigade und Division Winke , Formationen
und Beispiele
Weise, " que ce serait faire
preuve
in so klarer und
praktischer
d'un amour-propre
regrettable
que d'hésiter à les lui emprunter , tout au moins à titre d'essai “ . In diesen Worten des Memorandums liegt deutlich genug ausgesprochen, woher man sich französischerseits die leitenden Grundsätze für die Manöver der Divisionen im Lager von Châlons zu verschaffen beabsichtigt : Die von der „ Ausbildung der Brigade, von der Ausbildung und dem Gebrauch der Kavallerie
in mehreren Treffen
und von der Leitung der Übungen " handelnden Kapitel des deutschen Reglements
werden in
Châlons
praktisch auf ihre
Brauchbarkeit
untersucht, die nötigen Modifikationen der französischen Vorschriften versuchsweise eingeführt werden , dann bei der zweiten und dritten Gruppe noch einmal sondiert, um hierauf eventuell definitiv acceptiert zu werden ;
die 1874 so sehr perhorrescierten „ Anleihen im Aus-
lande " werden also doch, und zwar im Wiederholungsfalle stattfinden ! Veränderungen des Titels IV.
des
bestehenden Reglements hat Ge-
neral Gallifet mit Erlaubnis des Kriegsministers und unter Beistimmung des Kavalleriecomités provisorisch schon angeordnet, sie reichen jedoch über diesen Abschnitt nicht hinaus und gehen nur bis
zur
Exerzierschule des Regiments herunter , an welche eine wandelnde Hand durchaus nicht rühren soll, 99 il ne sera rien modifié à ce que le réglement prescrit pour le régiment", heifst es in dem Avantpropos zu dem Manöverprogramm für Châlons. Es liegt viel in diesen letzten Worten : sie widerlegen die Behauptung , die zur Zeit der Konferenzen in Tours von vielen militärischen Blättern verbreitet wurde, dafs das französische Reglement von 1876 eine völlige Umarbeitung erfahren werde ; sie beweisen, dafs die deutschen Vorschriften über den Gebrauch und die Evolutionen gröfserer Kavalleriekörper als Pfropfreis einem Stamme aufgesetzt werden sollen, der mit ihnen durchaus nicht demselben Boden entsprossen ist , dafs man mit Bri23 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL.
336
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das
gaden und Divisionen nach deutscher Art zu evolutionieren beabsichtigt, obwohl die Bestimmungen für die Vorschule, die diesen gröfseren Übungen vorausgegangen sein mufs ,
das
Exerzitien der Schwadron und des Regiments ,
Reglement für
die
in Frankreich dem
deutschen als im Prinzip verschieden gegenübersteht.
Um nur ein
Beispiel anzuführen sei erwähnt, dafs bei dem Choc der französischen Kavallerie der Einzelne sich im schnellsten Laufe des Pferdes auf den Feind stürzt mit dem festen Entschlusse, die Reihen des Gegners zu durchbrechen, dafs auf das Kommando : „Chargez " die gradeausvorstürzenden Schwadronen durch die in Folge der Schnelligkeit sich ergebende Verlängerung der Front die Zwischenräume schliefsen sollen, welche bei einer Brigade z. B. 24 Meter betragen , dafs also hier nicht darauf gehalten wird, was das deutsche Reglement so scharf betont , indem es sagt :
Der Choc
deutlich erkennbaren Gliedern ,
in
mufs in zwei
festgeschlossenen,
denen jeder Reiter seinen Platz
behauptet und mit der ganzen Schnelligkeit ,
welche das
äusserste
Leistungsvermögen der langsameren Pferde gestattet, geritten werden, auf die Geschlossenheit und Ordnung, die Friedrich der Grofse im Reglement von 1757 T. 5 , Art. 4 ,
als
eine Vorbedingung des
Sieges erklärt, sich also äufsernd : „Wann der Feind attaquirt wird , so soll solches geschehen, wie es in den Evolutiones vorgeschrieben ist, nämlich erst in einem starken Trabe und dann in vollem Galopp, jedoch wohl geschlossen . Wenn man solcher Gestalt attaquiret, so sind Seine Königliche Majestät versichert, dafs der Feind allezeit geschmissen wird. "
Gerade bei den zur Unordnung neigenden Fran-
zosen musste vom kleinsten Truppenkörper an neben der besseren, reiterlichen Ausbildung des Mannes bei der Attacke der deutsche Grundsatz, Ordnung und Geschlossenheit, betont und dem einzelnen Reiter eingeprägt werden , mufsten auch Vereinfachungen des Reglements für das Regiment, welche diese Ordnung fördern, insofern eintreten, als die Teilung in Halbregimenter wegfallen konnte und dadurch eine Befehlsinstanz verschwand ,
der Befehl ,
möglichst
ohne Signale
zu
exerzieren, seine Ergänzung fand und dem alten Ausspruche des Generals Schmidt Rechnung getragen wurde : „je einfacher und leichter der Bewegungsapparat , je stiller es bei demselben zugeht , um so besser ist es "; es mufste überhaupt das Hervortreten des Einzelnen dem Hineindrängen in das festgefügte stramme Ganze weichen, schon das Exerzieren der Schwadron in der Weise betrieben
werden , wie
sie in den grofsen Kavalleriekörper sich einzufügen hat , dann erst dürfen die Vorbedingungen für ein Evolutionieren im Sinne des 7 . und 8. Abschnittes unseres Reglements als erfüllt angesehen werden.
Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe. Ohne dies bleibt die Übung halbe Arbeit. ---
337
eine Form ohne Geist, Stückwerk und
Der Besprechung der einzelnen Nummern des Programms
für
die Manöver in Châlons schicken wir voraus , dafs den Kommandeuren vor Beginn der Manöverzeit nur eine allgemeine Angabe der vorzunehmenden Übungen, nicht aber, wie früher, eine ausführliche Skizze der einzelnen Momente zugegangen ist , die eigentliche Aufgabe für den Tag an Ort und Stelle mitgeteilt und nur General- und Spezialidee sowie
das Rendezvous
am vorherigen Tage nach Schlufs
des
Manövers bekannt gemacht werden sollen ; Zweck und Absichten hat dann der Divisionskommandeur am Morgen vor Beginn des Manövers den Unterführern mitzuteilen, damit diese der allgemeinen Gefechtslage entsprechend zu handeln,
dabei aber die Art und Weise ,
sie ihren Zweck erreichen wollen, im Rahmen derung frei zu wählen im Stande sind. Von den elf Tagen ,
wie
der gegebenen Glie-
welche der ersten Gruppe in Châlons für
ihre Übungen zu Gebote stehen, bestimmt das Programm des Generals Gallifet fünf für das Evolutionieren in der Brigade , Manöver in der Division ,
dabei bemerkend ,
dafs
sechs
die
für die
kürzere Zeit
nur den wichtigsten Punkten Aufmerksamkeit zu schenken gestattet und das Exerzieren könne .
im Regiment deshalb
nicht betrieben werden
Was zunächst die Einteilung der fünf den Brigaden zur Disposition stehenden Tage anbetrifft ,
so
soll der erste
derselben dazu
verwendet werden , Gleichmässigkeit in die Tempos der Regimenter zu bringen, was durchaus nötig erscheint, wenn nachher die Treffenabstände gehalten werden sollen, und bei den Corpskavalleriebrigaden nicht ganz leicht sein dürfte, da die schwere sowohl wie Linienund leichte Kavallerie darin Differenzen aufweisen . Es sollen reine Exerzierbewegungen, ohne Rücksicht auf Terrain und ohne untergelegte taktische Idee geübt werden . Der zweite Tag soll die Brigade
lehren ,
sich
als
selbständig
verwendet zu betrachten und Treffenwechsel, Frontveränderungen, Entwickelung aus allen Marsch- und Rendezvousformationen zur Gefechtsformation in ein und zwei Treffen mit möglichster Schnelligkeit vorzunehmen. Der dritte Tag bringt ihr dieselbe Übungen ,
nur erscheint sie
von einer reitenden Batterie begleitet und führt zum Schlusse eine Attacke nach einer von der Leitung bestimmten Richtung hin aus. Am vierten Tage
sollen sich die Brigaden
auf die Rolle vor-
bereiten, die sie in der Division als 1., 2. oder 3. Treffen zu über23 *
338
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das
nehmen haben, wobei die übrigen Treffen
markiert werden und die
Artillerie nicht mitübt. Am fünften Tage endlich soll die Brigade selbständig und von ihrer Artillerie unterstützt gegen einen markierten Feind manövrieren , und zwar ohne dafs dem Kommandeur der Ort, wo sich der Gegner befindet, bekannt ist, so dafs eine Rekognoszierung statthaben muſs. Für die Manöver der selbständigen Brigade giebt das Programm folgende Erläuterungen :
Die Brigade formiert sich grundsätzlich in
drei Treffen und nur in den seltensten Ausnahmefällen darf sie sich mit zwei solchen begnügen .
Wenn sie in drei Treffen formiert ist,
so hat sie 1 Regiment in das erste zu nehmen ,
2 Eskadrons wird
sie gewöhnlich als zweites Treffen hinter dem gefährdeten Flügel folgen lassen, die beiden übrigen Schwadronen bleiben dann für das dritte Treffen und geben die Partikularbedeckung der Artillerie . Brigadekommandeur
wird von
den Schwadronen
des
3.
Der
Treffens
immer eine bestimmen , die zu seiner Verfügung bleibt und erst im letzten Augenblicke mit seiner Genehmigung eingesetzt wird . — Bei der Zweitreffenformation der Brigade das erste Treffen zu bestimmen ,
ist
wieder ein Regiment für
das zweite Regiment ,
welches die
Partikularbedeckung für die Artillerie zu liefern und eine Schwadron zur Verfügung des Kommandeurs zu halten hat, übernimmt die Rolle des
zweiten Treffens.
Eine Bedeckung für die Artillerie
das französische Reglement
( es
gilt dies
grundsätzlich aus , im Gegensatz dahin ausspricht, dafs
auch bei
welches
sich
" ihr unter besonderen Verhältnissen
eine
Partikularbedeckung zuzuweisen ist", wieder mit dem unsrigen überein ,
zum deutschen ,
scheidet
der Division)
stimmt
dann allerdings darin
dafs es die in der Nähe befind-
lichen Truppen doch nicht von der Pflicht, die Batterieen zu schützen , entlastet. Entsprechend unseren darauf bezüglichen Bestimmungen wird auch in den französischen Direktiven für die Manöver zu Châlons die Auflösung sämtlicher Verbände zur Verfolgung des geschlagenen Feindes auf das strengste verboten und das stete Zurückhalten von geschlossenen Abteilungen als Koncentrierungspunkten für das spätere Sammeln befohlen. Für die Evolutionen ,
durch welche
die Brigade sich während
des 4. Manövertages für ihre Thätigkeit als Treffeneinheit der Division vorbereiten soll, und welche durchaus zweckmäfsig genannt werden dürfen, da der gröfsere Reiterkörper nur dann geschickt manövrieren kann, wenn die Brigaden geschult und über ihre Bewegungen in allen Treffen orientiert sind, sind in den Zusätzen zum Manöver-
Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.
339
programm einige Direktiven gegeben, welche sich jedoch nur auf das erste und zweite Treffen erstrecken . Bezüglich des Verhaltens
der das 1. Treffen der Division bil-
denden Brigade beziehen sich diese
auf die Angabe der Eskadron ,
von welcher die Richtung genommen , auf welche die Kolonnen zusammengezogen werden oder Entwickelungsintervall zu nehmen haben , auf die Einführung
eines Zwischenraums
von 12 Metern
zwischen
den Regimentern der Brigade , die aber zum Zweck des Vergleiches auch zuweilen den früheren von 24 Meter zu nehmen haben , und . enthalten endlich eine unserem Reglement entnommene Neuerung in der Entwickelung der Brigade zur Linie. lichen ,
im Reglement vorgeschriebenen gleichzeitigen Entwickelung
der in Zugkolonne oder Kolonne abstand hinter wie
sie
Statt der früher gebräuch-
das
in Eskadrons
mit Entwickelungs-
einander befindlichen Regimenter ist die successive ,
deutsche Reglement
angiebt
und
sie
das Kavallerie-
comité als „ plus avisée" bezeichnet, eingeführt worden ; es mufs also das hintere Regiment, sich seitwärts herausziehend, von dem äusseren das nötige Intervall genommen haben, ehe der Aufmarsch sich vollziehen soll. Die Brigade, welche in der Division die Rolle des zweiten Treffens übernimmt, hat meist aufserordentlich schnelle Bewegungen auszuführen, sei es, dafs sie zur Attacke gegen die Flanke des Gegners oder zum Schutze des Flügels des 1. Treffens bestimmt ist . - Der Kommandeur des zweiten Treffens soll nicht seine. sämtlichen Eskadrons an den Bewegungen teilnehmen lassen, die er zum Angriff ausführt, sich vielmehr immer eine Unterstützung für die dazu verwendeten zurückhalten, um den Divisionskommandeur nicht zu früh zum Einsetzen seiner Reserve zu zwingen.
„ Das zweite Treffen kann die
Aufgabe haben, die Attacke des ersten zu unterstützen und zu gleicher Zeit seine eigene Bewegung gegen einen auf den äufseren Flügel gerichteten Angriff des Geguers zu decken " , in diesem Falle geht das innere Regiment des zweiten Treffens in Zugkolonne über das erste Treffen hinaus, nach einer Têtenschwenkung einen Marsch auf der Diagonale vollziehend, schwenkt dann ein und attackiert die Flanke des Feindes, während das zweite Regiment, auf den äufseren Flügel des ersten debordierend , folgt .
„ Soll die Brigade des zweiten Tref-
fens einen Flügel des ersten decken ", ment die Höhe dieses
Flügels
durch
so erreicht das innere RegiMarsch auf der Diagonale,
schwenkt dann ein, oder vollzieht den Aufmarsch, während das äufsere nach Vollziehung derselben Bewegung mit einem Teile seiner Schwadronen das erste unterstützt ,
die übrigen in Reserve
zurückbehält.
340
Die grofsen Übungen der Kavalleriedivisionen in Frankreich und das
Wird das 1. Treffen geworfen , so führt das innere Regiment der Brigade des 2. Treffens, nachdem es in Eskadronskolonnen vorwärts Terrain gewonnen , eine Têtenschwenkung aus und vollzieht den Aufmarsch eskadronsweise .
Diejenige Schwadron ,
die Linie hergestellt hat, attackiert sofort ,
welche dabei zuerst
die übrigen
folgen ,
als
Echelons den Angriff wiederholend ; das äufsere Regiment deckt den Flügel des zweiten Treffens
oder nimmt
eine Flankenstellung zur
Aufnahme des geworfenen ersten. „ Der Brigade des zweiten Treffens kann ferner die Aufgabe zufallen, die Flanke des ersten gegen Überflügelung zu sichern " ,
derjenigen
des
ersten entwickeln und gegen dieselbe feindliche Front anreiten ;
sie kann sich
dazu
parallel
sie
kann sich aber auch gegen die feindliche Flanke dirigieren, dort entwickeln und koncentrisch mit Attacke kann
endich sowohl
dem
ersten Treffen angreifen ;
gegen Front als Flanke
ihre
des Feindes
gerichtet sein, indem das innere Regiment parallel dem ersten Treffen aufmarschiert, das zweite dazu einen Offensivhaken bildet . Erscheint ein Regiment zur Erfüllung der Aufgabe genügend , so ist dazu das innere zu wählen. "" Wird endlich das zweite Treffen überraschend auf einer seiner Flanken
bedroht " ,
so mufs es sich so
schnell als möglich nach der gefährdeten Seite hin entwickeln , gleichgültig ob es sich in Eskadronskolonnen
oder Regimentskolonne mit
oder ohne Entwickelungsabstand befindet. Die Zeiteinteilung für die Übungen der Division weist folgende Gliederung auf:
Der erste der 6 Tage soll in gleicher Weise
wie bei der Brigade dazu verwendet werden, Gleichmäſsigkeit in die Tempos der einzelnen Teile der Division zu bringen , was hier noch wichtiger ist ,
da alle 3 Reitergattungen vertreten
sind und es auf
die Wahrung der Treffenabstände sehr ankommt , ferner Ployements und Deployements
zu
üben und die im
französischen Reglement
gegebene Normalstellung , d . h . die Division in 3 Treffen, das 1. Treffen in Eskadronskolonnen ,
das 2. Treffen 200 bis 300 Meter rechts
rückwärts in Regimentskolonne
mit Entwickelungsabstand ,
Treffen 400 Meter links rückwärts
des
das 3 .
ersten in Regimentskolonne
ohne Entwickelungsraum , die 3 Batterieen in Kolonne in Batterieen in der Höhe des 1. Treffens einzunehmen , ohne auf Terrain und Feind zu rücksichtigen. Am zweiten Tage übt die Division den Übergang aus der Rendezvous- in die Gefechtsformation, Bewegungen in dieser, Direktions- , Front- und Treffenwechsel. An beiden Tagen tritt die Artillerie bei der Division nicht ein .
Der dritte und vierte Tag sind Manövern
der Division mit ihrer Artillerie gewidmet, wobei ein logisches Fort-
Programm für die Manöver der in Châlons koncentrierten ersten Gruppe.
341
schreiten vom Leichteren zum Schwierigeren stattfindet, das Terrain berücksichtigt und am Schlusse zur Vorbereitung für die Evolutionen der letzten Tage in einer gegebenen Richtung eine Attacke geritten werden soll .
Der 5. und 6. Tag werden durch Manöver der Division
mit ihrer Artillerie gegen einen markierten Feind, dessen Anmarschlinie dem Kommandeur am 5. Tage bekannt ist , kognoszierung festgestellt werden mufs , figuration des Terrains Grunde zu legen ist .
zu
am 6. durch Re-
ausgefüllt,
beachten und
eine
Die Erläuterungen zu
wobei die Kon-
taktische Idee zu
diesem Programm be-
zeichnen das erste Treffen als das eigentliche schlagende , das zweite als das zur Unterstützung, Deckung und event. Aufnahme manövrierende , das dritte als Reserve des Divisionskommandeurs für alle Fälle , raten die Treffenabstände eher zu verkleinern als zu vergrössern und geben den Moment der Attacke des 1. Treffens als den Beginn des selbständigen Manövrierens des zweiten an , während der Führer des dritten mit dem Divisionskommandeur in reger Verbindung bleiben und seine Brigade zu dessen Verfügung halten mufs .
Jedes Tref-
fen entsendet Gefechtspatrouillen auf seine äufseren Flügel . Entsprechend unserem Reglement teilen auch die französischen Direktiven den Schutz der Flanken den Flügeleskadrons zu ,
die
auch hier in
der Front bleiben und deren Führer volle Freiheit erhalten , im geeigneten Moment zu handeln . - Die Direktiven gestatten die Anwendung der Marschkolonne Colonne double
zu Vieren, der Zugkolonne und der
auf dem Gefechtsfelde
nur
dann ,
wenn
mehrere
Defiléen zu passieren sind, sonst hat sich die Division der Regimentsoder Eskadronskolonnen zu bedienen .
Bei den Manövern gegen einen
markierten Feind , dessen Entfernung und Kampfordnung ihm nicht bekannt sind , hat sich der Kommandeur unter dem Schutze von Eclaireurs nach vorwärts zu begeben, den Gegner zu rekognoszieren und dann in gleicher Weise zurückzukehren , um die Befehle an die Division auszugeben.
Das grofse Gewicht ,
welches
wiederholt auf das Streben nach Gleichmässigkeit
die Direktiven
des Tempos ,
auf
Ruhe und Ordnung bei den Evolutionen legen und die Bewunderung, mit welcher sie von dem Ernste sprechen ,
mit dem
Reglement diese verlangt , lassen den Schlufs ziehen ,
das deutsche dafs bei den
Übungen der französischen Divisionen bis jetzt das Gegenteil der Nach jeder Evolution oder Manöverbewegung läfst
Fall gewesen.
der Kommandeur halten und bespricht
dieselbe
in Gegenwart der
Brigade- und Regimentskommandeure und des Führers der Artillerie. An den Tagen, an welchen die Artillerie nicht mit der Division oder den Brigaden übt ,
exerziert dieselbe für sich und erhält An-
Umschau in der Militär-Litteratur.
342
weisungen dazu vom Divisionskommandeur. Um unnütze Übermüdung der Pferde zu vermeiden und die Cadres nicht zu sehr zu schwächen , dürfen berittene Ordonnanzen
nach Schlufs
der Manöver
nicht ent-
sendet werden und kommen die Eskorten in Wegfall .
Die Übungszeit
der einen Division währt von 6 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags, die der anderen von Mittag bis spätestens 6 Uhr abends mit entsprechendem Wechsel. Dies ist deshalb nötig, damit der Leiter, General Gallifet , stets zugegen sein kann und über die Erfahrungssätze sich genau klar wird, welche das Manöver als Ausbeute liefert , und die das Kavalleriecomité nach vorheriger , nochmaliger Prüfung als Veränderung des Reglements, bezw. als Zusätze zu demselben , dem Kriegsminister vorlegen soll. Hochgespannte Erwartungen knüpfen sich in Frankreich an diese Manöver bezüglich der Gewinnung von leitenden Grundsätzen ähnlich den deutschen . Wir können an einen solchen Erfolg nicht recht glauben , weil eben die Vorbildung nach deutscher Weise fehlt , ohne welche , wie wir meinen, der westliche Nachbar zwar die Formen unseres Reglements sich anquälen , nicht aber den Geist erfassen kann, der sie durchweht.
XXVIII .
Umschau in der Militär- Litteratur .
Geschichte des 3. Garde-Grenadier-Regiments Königin Elisabeth im deutsch - französischen Kriege 1870/71 .
Nebst
Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880 . Mit diesem Werke
ist
ein
99 vaterländisches
Ehrenbuch "
ge-
schaffen, das die bereits bestehende und bis zum Jahre 1870 sich erstreckende Geschichte des Elisabeth-Regiments bis zur heutigen Zeit fortsetzt . Das Regiment kämpfte bekanntlich im Verbande der 3. Garde-Infanterie-Brigade mit besonderem Erfolge in der Schlacht bei St. Privat-Gravelotte auf dem linken Flügel des IX. Armeecorps dem Dorfe Amanvillers gegenüber, zeichnete sich dann aber namentlich bei der Cernierung von Paris in den hartnäckigen und verlustreichen Kämpfen um den Besitz von Le Bourget Ende Oktober und am 21. Dezember rühmlichst aus. 14 Offiziere des Regiments hatten im Laufe des Krieges ihre Treue für König und Vaterland mit dem
Umschau in der Militär-Litteratur.
343
Tode besiegelt , 38 ehrenvolle Verwundungen davongetragen , während an Unteroffizieren und Mannschaften 267 fielen, 615 verwundet wurden . In sehr klarer ,
übersichtlicher und
eingehender Weise ist die
kriegerische Thätigkeit des Regiments geschildert . Einen besonderen Reiz geben dem Werke die zahlreichen , in Anmerkungen beigefügten Angaben aus den während des Krieges gemachten Aufzeichnungen von Offizieren u. s. w. Auch einzelne hervorragende Thaten oder besondere Erlebnisse u. s. w. sind in diesen Anmerkungen mit aufgenommen worden.
Die Ausstattung des Werkes ist eine sehr reiche
und gefällige , der typischen Herstellung scheint gleichfalls eine grofse Sorgfalt zugewendet zu sein .
Um so unangenehmer fällt daher der
Druckfehler auf S. 273 auf, wo der Tod des Königs Friedrich Wilhelm IV. in die Nacht zum 1. Januar 1862 verlegt wird ;
auch in
der Randschrift auf S. 29 finden wir das XI. Armeecorps anstatt des IX . angegeben. 18. August
Unrichtig ist entschieden die Angabe, daſs man am
gegen
11
Uhr vormittags
beim Oberkommando
der
II. Armee bereits gewufst habe , der rechte Flügel der Franzosen reiche bis St. Privat und Ste . Marie. Wäre dies der Fall gewesen , so würde der Kampf einen ganz anderen Verlauf genommen haben. Thatsächlich war man zu dieser Zeit beim Oberkommando der II. Armee der Ansicht, Montigny la Grange sei der nördlichste vom Feinde besetzte Punkt, und erliefs demgemäfs die weiteren Befehle . Zur richtigen Würdigung der Schlacht bei Gravelotte- St. Privat gehört vor allem
ein
peinliches Festhalten
an den Zeitangaben in betreff
der eingehenden Meldungen , welche bekanntlich erst sehr allmählich den richtigen Sachverhalt klarlegten .
Kurzgefafste Geschichte des
8. Westfälischen Infanterie-
Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments von Hilken , Hauptmann und Compagniechef. Die sehr dankenswerte Aufgabe, den Unteroffizieren und Mannschaften des Regiments die Geschichte desselben in einer Weise vorzuführen, die sich leicht dem Gedächtnis einprägt, ist dem Verfasser des Büchleins auf 61 kleinen Druckseiten wohl gelungen .
Er greift
hierbei, wenn auch nur mit wenigen Worten und einigen charakterisierenden Sätzen, sogar bis auf die Zeit von 1806 und die Befreiungskriege zurück. Klar , deutlich und allgemein verständlich sind namentlich die Kriege von 1866 und 1870/71 geschildert, in welchen
Umschau in der Militär-Litteratur.
344
das Regiment zu ehrenvoller Thätigkeit berufen
war.
1866 bildet
die Schlacht bei Königgrätz und in derselben der Sturm auf Problus, 1870 der todesmutige Angriff der Brigade Wedell in der Schlacht bei Mars-la-Tour sowie die Schlacht bei Beaune la Rolande den In die Darstellung Glanzpunkt der Kriegsthaten des Regiments .
selbst
sind
geflochten.
die Thaten des Regiments in grofsen Zügen einHingegen enthalten die Anlagen aufser einer chronolo-
der Geschichte des Regiments eine Nachweisung der hervorragenden Leistungen einzelner Angehörigen des Regiments in Krieg und Frieden , ein Verfahren, welches sehr praktisch und
gischen Übersicht
sachgemäfs sein dürfte und es leicht ermöglicht , solche Thaten beim theoretischen Unterricht der Mannschaften zu verwerten, ohne dafs der instruierende Unteroffizier u. s. w. sich vorher einer zeitAuch auf die raubenden Lektüre und Nachsuche hingeben mufs. Mannschaften des Regiments wird
solches Hervorheben von Einzel-
thaten der Soldaten gewifs von bestem Einfluss sein . dafs die Thaten der Offiziere in diesem Abschnitte sind .
Wenn
das Büchlein
schaften geschrieben ist ,
auch so
nur
Auffallend ist, nicht erwähnt
für Unteroffiziere und Mann-
wäre bei
der
Stellung ,
welche
der
preussische Offizier der Truppe gegenüber einnimmt, der er bei jeder passenden Gelegenheit mit gutem Beispiel voranzugehen sich bemüht, ein Verzeichnen der hervorragenden Leistungen einzelner Offiziere auch in diesem Büchlein voll am Platze gewesen. Wir vermissen ferner neben den Inhabern des Eisernen Kreuzes die Namen der Mannschaften u . s . w., welche sich im Jahre 1866 vor dem Feinde Ehrenzeichen erwarben . Auch die Namen der für das Vaterland im Kampfe gefallenen Unteroffiziere und Mannschaften hätten nach diesseitiger Ansicht in dem Buche Aufnahme finden müssen .
Das Königlich Bayerische 4. Infanterie-Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806 von C. v. Hoffmann , Oberst u . Kommandeur des Regiments . Das in jeder Beziehung vortrefflich und reich augestattete , 614 grofse Oktavseiten umfassende Buch ist ein Musterwerk deutschen Fleifses und deutscher Gründlichkeit. 157 Werke bezw. Schriftstücke haben dem Verfasser als Grundlage gedient, um ein höchst lehrreiches Stück deutscher Kultur- und bayerischer Heeresgeschichte zusammenzustellen . Bildet die Geschichte des 4. bayerischen Infanterie - Regiments auch den Mittelpunkt der Darstellung, so dehnt sich diese doch stets auf die gesamten Militärverhältnisse der in Frage stehenden Zeit aus und giebt ein getreues lebenswarmes Bild derselben.
Dadurch hat sich
Umschau in der Militär-Litteratur.
345
das vorliegende Buch eine weit über die Grenzen einer Regimentsgeschichte hinausgehende Bedeutung erworben und dürfte namentlich dem Kulturhistoriker manche höchst interessante Thatsache erschliefsen , wie eine blind herausgegriffene Stelle, z. B. das auf S. 376 gegebene „Zeitbild " darthun möge.
Dort heifst es, dafs das Regiment im Jahre
1763 mit dem Magistrat von Braunau wegen des von letzterem begünstigten Bierexports in Konflikt geraten sei und in
einem hierauf
bezüglichen Berichte u. a. geäufsert habe : „ trotz des der Bürgerschaft und der Soldateska gegebenen Versprechens wird Bier in solcher Menge abgeführt, dafs es schon einige Tage vor Michaeli am Märzenbier gemangelt und die Soldaten mit keinem Trunk versehen gewesen ,
sondern in die
traurige Notwendigkeit versetzt worden,
das neugesottene Bier oder Plempel mit Ruinierung der Gesundheit um sein teures Geld zu trinken . . . solch üble Bierverhältnisse mögen nicht wenig beitragen zu der wieder allgemein in Schwung kommenden Desertion. " Einen ganz besonderen Wert hat das vorliegende Werk selbstverständlich für die bayerische Armee und namentlich für das 4. InfanterieRegiment ,
zu
erschienen ist .
dessen 175. Geburtstage,
6. März 1881 ,
das Buch
In den hundert Jahren, um die es sich hier handelt,
hat das Regiment an 38 Feldzügen Teil genommen und gegen Preufsen , Russen, Franzosen, Türken, Österreicher, Dänen u. s . w. gekämpft. Von 1709-1716 war dies bayerische Regiment sogar in französischen Kriegsdiensten ; 1757 half es den Österreichern den Sieg bei Breslau erfechten, erlag dann aber kurze Zeit darauf dem friedericianischen Donnerschlag bei Leuthen , darob von seinen Bundesgenossen gar übel behandelt. Hoffentlich wird
sich dem vorliegenden Werke bald und wo
möglich aus des Verfassers bewährter Feder
die Fortsetzung der
Geschichte des bayerischen 4. Infanterie-Regiments bis zur Jetztzeit anschliefsen, da eine solche unseres Wissens bis jetzt nicht besteht. Vorläufig erklären wir jedoch dies Ehrenbuch des bayerischen Regiments mit Stolz zum Nationaleigentum .
Memoiren des Freiherrn Dubislav Gneomar v. Natzmer, Königl. preufs . Feldmarschalls u . s . w. - Mit spezieller Erlaubnifs des Besitzers herausgegeben, bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Eufemia Gräfin Ballestrem . Der Name v. Natzmer gehört zu den bekanntesten der preufsischen Armee . Doch wird gewifs mancher, der sich mit der deutschen Heeresgeschichte bekannt wähnt, wenig oder gar nichts Näheres über
Umschau in der Militär-Litteratur.
346
den preufsischen Feldmarschall v. Natzmer wissen ; denn in den Blättern der Geschichte sind die Thaten dieses zur höchsten militärischen Würde gelangten Offiziers nicht verzeichnet, da ihm nicht beschieden war, als selbständiger Heerführer an der Spitze preuſsischer Truppen hervorragendes auszuführen . Und doch verdient Feldmarschall v. Natzmer in der preufsischen Geschichte besondere Beachtung .
Als
die Katastrophe über den Kronprinzen Friedrich ( sp . Friedrich II .) nach dessen verunglücktem Fluchtversuch hereinbrach, war Natzmer einer der Ersten und Entschiedensten , welche dem in seinem Zorne mafslosen König bestimmt und erfolgreich entgegentraten.
Leider
wird diese hochbedeutende Handlung in den vorliegenden Memoiren nicht erwähnt . Sie schliefsen vielmehr schon mit dem Jahre 1713 ab und wurden unter des Autors Aufsicht von dessen Gemahlin kurz vor dem ebenerwähnten Ereignifs im Frühjahr 1730 abgeschrieben . In denselben hat der zur Zeit der Aufzeichnung bereits im 60. Lebensjahre stehende General ,
allem Anscheine
nach im hauptsächlichen
nur auf sein Gedächtnis gestützt, ein recht anschauliches Bild seiner bewegten Vergangenheit zusammengestellt. Er beschränkt sich dabei auf die Schilderung dessen, was seine Person betrifft, und zeigt sich als ein tapferer, gottesfürchtiger, aber äusserst heftiger Haudegen , der eine sehr schwere Jugend durchzumachen hatte, sich aber kühn und gewandt durch alle Widerwärtigkeiten des Lebens hindurcharbeitete und so allmählich von Stufe zu Stufe in die Höhe gelangte .
In der
im allgemeinen militärisch traurigen , zwischen dem dreiſsigjährigen Kriege und dem Auftreten Friedrichs des Grofsen liegenden Zeit hat Natzmer 29 Belagerungen mitgemacht bezw. stellenweise auch selbst geleitet und in 8 Schlachten gekämpft ; er geriet dreimal in Gefangenschaft und wurde achtmal erheblich verwundet. Die Darstellung eines solch bewegten Lebens ist sicherlich von grofsem Interesse und giebt uns ein lehrreiches Bild der damals obwaltenden militärischen Zustände .
Für
die
Kriegsgeschichte
selbst
dürften diese Memoiren ,
durch die gesteckte Grenze, und da sie doch nicht immer auf ganz untrüglicher Grundlage stehen ,
nur von beschränktem Werte
sein.
Die von der Gräfin Ballestrem dem Werke beigegebenen Erläuterungen u. s. w. bestehen meistenteils aus kurzen biographischen Notizen der hervorragendsten im Text genannten Könige , Feldherren u.s. w. Ob es für einen nur einigermaſsen historisch bewanderten Leser erforderlich war , mitzuteilen , wer die in Rede stehenden Regenten von Preufsen, wer der Herzog von Marlborough, Derfflinger etc. etc. gewesen, oder ob es zur Sache gehörte, mit grofser Genauigkeit auch stets die Gemahlinnen der betreffenden Personen anzugeben , bleibt
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
sehr fraglich .
Eine
eingehende Kritik
347
der Erläuterungen
dürfte
doch geben wir uns der Hoffnung hin , dafs diese allgemeinen gegen eine solche besser Stich halten werden , als
zu weit führen ; im
die auf S. 647 gebrachte , nach welcher die Aufhebung des Edikts von Nantes wird,
ein Werk des
oder die
auf S. 32 ,
Marquis welche
von
Maintenon
Derfflinger 1654
genannt
anstatt 1655
in brandenburgische Kriegsdienste treten läfst. Es wäre interessant gewesen , wenn die Herausgeberin uns mitgeteilt hätte , auf Grund welcher Quellen sie Derfflinger als eines Schneiders Sohn bezeichDafs die Festung Bouchaine mehrmals hintereinander nen durfte. „ Bonchaine " genannt wird , dafs „ Stücke“ in der gebrauchten Verbindung noch als " Geschütze “ erläutert werden , der Sieg bei Fehrbellin Derfflinger zugeschrieben wird, beweist neben manchen anderen Stellen den Mangel einer Durchsicht von Seiten einer
militärisch
gebildeten Persönlichkeit , an welchen es doch gewifs in dem Geschlecht der v. Natzmer nicht fehlt.
XXIX .
Verzeichnis
der bedeutenderen Aufsätze aus
anderen militärischen Zeitschriften.
(15. Juli bis 15. August. )
Militär-Wochenblatt ( Nr. 59-67) : Flankenmärsche . - Die Möglichkeit einer Landung in England.
Die wichtigste konventionelle
Bestimmung. - Ansichten des Generals Dragomirow über die Artillerie im Verhältnis zu den höheren Führern der anderen Waffen. - Die Kavalleriekonferenzen zu Tours und der Spectateur militaire. Die britische Armee in Indien. ― Paris , seine Bevölkerung und Befestigung . Über die Signale der Infanterie. - Das Distanzschätzen mit Hülfe des Schalles und der Entfernungsmesser des belgischen Oberstlieutenant Le Boulengé. Beiheft zum MilitärWochenblatt (6. und 7. Heft) : Turkmenien.
Das Vordringen der
Russen in
Allgemeine Militär - Zeitung ( Nr. 55-64) : Die hundertjährige Jubiläumsfeier des bayerischen I. Infanterieregiments König . ---- Über
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
348
Das neue Übungen von Schleichpatrouillen im Vorpostendienst. Befestigungssystem der französischen Ostgrenze. - Noch einmal die Repetirgewehre. - Die Parade der englischen Freiwilligen am 9. Juli 1881 und die Entwickelung der britischen Freiwilligenwehrkraft. Einige Worte über Hitzschlag. -Über den Nutzen der körperlichen KörperDas Verteidigungssystem der Schweiz . - Die Übungen. beschaffenheit der preufsischen Militärpflichtigen . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 57-65) : Die Freiwilligenrevue in Windsor. Die preufsische bezw. deutsche Artillerie 1866 und 1870/71 . - Mitteilungen über den heutigen Stand des russischen Die Beschuhungsfrage . - Die Manöver der franGestütwesens . Über militärische Disziplin. Herbst 1881. im Armee zösischen Die Militärbrieftauben in Spanien .
Sollen in
der Schweiz
drei
verschanzte Lager angelegt werden , oder ist ein Centralwaffenplatz Die Förderung der Gesundheit der Rekruten. vorzuziehen ? -Betrachtungen über das sogenannte schwedische CentralverteidigungsSystem . Militär-Zeitung für die
Reserve- und Landwehr-Offiziere des
deutschen Heeres ( Nr. 29-33) : Beitrag zur gefechtsmäfsigen Ausbildung der Infanterie . - Anleitung zum Schiefsen aus gezogenen Geschützen für die Fuſsartillerie. Die Reiterei. Die Friedensausbildung
der Ersatzreserven.
Die Frühjahrsinspizierungen der
preufsischen Infanteriecompagnieen . Archiv für die
Artillerie-
und
Ingenieuroffiziere
(88.
Band
4. Heft) : Artilleristischer Rechenschieber zum Gebrauch für die Fulsartillerie, konstruiert durch Hauptmann v. Scheve. Die schweizerische Landesbefestigungsfrage. - Die Artillerieschulen in älterer Zeit. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft VII . ) ; Die Regenverhältnisse des indischen Ozeans. - Der Teifun vom 19. bis 27. August 1880 im Stillen Ozean östlich von Japan den Kurilen .
und
Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift (VII . Heft) : Sprache und Schrift und Niklas Jurischicz Freiherr von Güns . Distanzritt der die deutsche Orthographie der nächsten Zukunft. Offiziere des k. k. 5. Feld-Artillerie- Regiments von Budapest nach Kis-Bér und Bábolna . -- Übungen im Gebrauch der blanken und Die neue Instruktion für die der Feuerwaffen bei der Kavallerie. Die Gefechte zwischen den Engländern und Boers im Transvaal. Kartätschpatrone für Gewehre.
Waffenübungen
des
k. k. Heeres .
Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad" ( Nr. 57
aus anderen militärischen Zeitschriften.
349
-65) : Die Behandlung der Mannschaft . --- Zur Organisation der Die jetzige Organisation der ostrumelischen Streitk. k. Infanterie. kräfte. Die Ausbildung der Honvedtruppe . - Die Gesundheitsverhältnisse in der k. k. Kriegsmarine . -
Die Würde des Soldaten . Erprobung der neuen russischen Schiefsinstruktion . - Das AnDer Mangel eines Generalstabschefs in Italien . sehen des Offiziers . Der Krieg zwischen Engländern - Die britische Armee in Indien. und Boern im Jahre 1880-81 . Österreichische Militär - Zeitung ( Nr. 56-63) :
Die
englischen
Freiwilligen. -Über Etiquette im Offiziercorps . Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens 7. Heft) :
Übersicht
der Befestigungen in Frankreich, Italien, Rufs-
land , Deutschland , Belgien
und Niederlande .
Beschiefsung einer
feldmässigen Redoute aus den neuen russischen Feldgeschützen im Lager zu Ust-Izork. Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Nr. VI . und VII .) : Improvisierte Torpedos von Torpedoangriffen .
und improvisierte Schutzmittel zur Abwehr Ansichten über die Heranbildung des Über die Systeme Maschinenbetriebspersonals für Kriegsfahrzeuge .
der Schiffsprobefahrten .
Das
russische Torpedoboot Batum .
13 pfd. Hinterladefeldgeschütze in England. Le spectateur militaire ( 15. Juli 1881) : Leben des Generals MarDer Verpflegungsgueritte. Der Equipagentrain 1880-1881. dienst. - (15. August 1881 ) : Das Leben des Generals Margueritte . Historische ,
praktische und
wissenschaftliche Betrachtungen in
betreff der typhusartigen Krankheit, welche gegenwärtig die Armeepferde und jene der industriellen Gesellschaften heimgesucht hat . Studie über die französische Armee.
Journal des sciences militaires (Juli 1881) : Aufklärungstaktik. Verbalprozess der Sitzungen in Tours unter Vorsitz des Divisionsgenerals Gallifet. - Der Krieg und die Geschichte. Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 29-33) : Abhandlung über theoretische und praktische Elektrizität. - Historische Studie -
über die permanente Befestigung . - Die Kavallerie in der Schlacht ― Die militärische Taubenzüchtung in Spanien. Die Elektrizität. -- Betrachtungen über den Winter-
bei Vionville - Mars-la-Tour.
beschlag. - Die Teleologie. Betrachtungen über die Expedition nach Tunis . Bericht eines portugiesischen Offiziers über die spanische Armee. - Das Gefecht zu Fuſs. L'avenir militaire ( Nr. 733 u. 734) : Der Aufstand in Algier. Neuer AvancementsgesetzEine notwendige Kriegskontribution .
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
350
entwurf und der Rekrutierungsdienst . Der Telelog. Hauptleute -
Das Berittenmachen der
Le progrès militaire ( Nr. 74–82) : Der Veterinärdienst bei der Infanterie. - Die vierten Bataillone in Afrika. - Die Kavallerieformationen . Die Artillerieschiefsschulen. Die höhere Kriegsschule
Die afriDas neue Handbuch des Schiefsens. ― kanische Artillerie und die Gebirgsbatterieen. - Die Aufklärungstaktik. - Das Feuern auf grofse Entfernungen. - Die Budgets von 1882. - Die Pariser Regimenter und die Festungsbataillone . Die Einberufung der Reservisten . - Das Heiraten der Unteroffiziere . und ihre Kritik.
Die Wahlen und die militärischen Reformen.
Die Konferenzen
von Tours . L'armee française ( Nr. 541-559) : Die Gefechtsmethode in der Sahara. Einige Bemerkungen zu den grofsen Kavalleriemanövern . Instruktionen über die Kavalleriemanöver 1881. Küchen.
Die fahrenden
La France militaire ( Nr. 47-49) : Das Avancement in der Armee. - Das Schiefsen im Felde bei der Feldartillerie. - Die Ernährung der Truppen in Tunis . Revue d'Artillerie (Juli 1881 ) : Operationen der 3. Batterie der Artilleriebrigade des Kaukasus. Einige Betrachtungen über den indirekten Schufs im Felde . Die deutsche Artillerie. ― Tagebuch eines Offiziers des tunesischen Expeditionscorps . Revue maritime et coloniale (Juli 1881) : Die Marine während des griechischen Unabhängigkeitskrieges . - Die chinesische Armee. Russischer Invalide ( Nr. 92-157) : Über das neue Kavalleriereglement. Die heutigen Festungen und die Taktik des Festungskrieges . -- Die Austrocknung Polesiens. Arbeiten im Jahre 1880 . -- Die Streitkräfte Bulgariens. Wajenny Sbornik (Juli -Heft) : Die Reiterei jenseits des Wiedflusses. Über die taktischen Sommerarbeiten der Offiziere . —— Die Organisation und Verwendung der reitenden Artillerie in den grösseren europäischen Armeeen . - Das Lazarethwesen im russisch-türkischen Kriege von 1877-78. - Militärstatistische Übersicht der Kosakenheere .
Russisches Artillerie-Journal (Juli-Heft) :
Blicke auf die gegen-
wärtigen Ansichten über die Bestimmung des Druckes der Pulvergase im Rohre auf dem Erfahrungswege . - Über den Einfluss der Erhitzung der Sprengstoffe auf ihre Explosionskraft. Die Unterhaltung und Leitung des Feuers batterie.
einer Belagerungs-
oder Festungs-
aus anderen militärischen Zeitschriften.
Russisches Ingenieur-Journal (Juni- Heft) :
Die
6. Kriegstelegraphenparks im letzten Türkenkriege .
351
Thätigkeit des Versuch einer
mechanischen Theorie für die galvanische Leitung. Morskoi Sbornik (Juni- und Juli- Heft) : Einige Worte über das Marinekriegsspiel . Die Seetaktik auf offenem Meere. - Über die Konstruktion der russischen Schiffe im Verlauf der letzten 25 Jahre. L'Esercito italiano ( Nr. 82-92) : Der praktische Unterricht des Reglement für die Disziplin. - Die Alpentruppen und Heeres. die Verteidigung der Alpen. Die Waffenfabriken.
Die Grundpfeiler der Territorialmiliz .
Giornale di Artiglieria e genio ( Heft 5 ) : Die Herstellung der Eisenbahnen in Kriegszeiten . - Betrachtungen über Konstruktion der Belagerungsbatterieen. - Die gezogene Angriffs- und VerteidigungsHeizen und VenHinterladeartillerie des italienischen Heeres. tilation. Rivista marittima (Juli-August 1881 ) : Reise der kgl . Korvette - Betrachtungen über Schiffstaktik . - Die Elek"" Victor Pisani". tricität zur Fortpflanzung des Schalles verwendet. -- Über Kriegsgesetze und ihre Anwendung in betreff der Zünder- und ExplosionsDas Personal der Küstenartillerie . schiffe, sowie der Torpedos . Army and Navy Gazette ( Nr. 1121-1125) : Die Lehren der Revue in Windsor. - Einige Lehren des afghanischen Krieges. -- Bericht über Maschinengeschütze . - Das Bombardement von Sfax . — Der Herzog von Cambridge und die Freiwilligen. — Typen von KriegsNeue Kanonenschiffe schiffen . - Die Kolonieen und der Dienst. für China. - Afghanistan. - Die russische Marine . ― Die TransUnser vaalkonvention. Das Schema der Armeereorganisation . militärisches Prestige . ―
Berittene Infanterie.
Army and Navy Journal ( Nr. 49-52) : Der Wechsel in der britischen Armee. Die Seemiliz . ― Kauffahrer und Kreuzer. Ein Die Kanone und ihre Entwickelung. - Das Marinecorps . -
neues Torpedoboot. The United Service (Augustheft 1881) : Über den Ursprung der Drei Jahre während der Blockade. - Die österreichische Dragoner. Artillerie. - Über Infanterie . Allgemeine Schweizerische Militär-Zeitung ( Nr. 29-33) :
Mein
Aufenthalthalt in Zülpich vom 6. bis 22. September 1880 bei der kombinierten Kavalleriedivision . -Ebenfalls zur Organisation der Geniewaffe . Das Feuergefecht der französischen Infanterie. Zur GenieDie Fleischration des Soldaten. - Allgemeine GrundÜber das Bajonettfechten . sätze des Infanteriegefechts . 24 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XL. organisation.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
352
Revue militaire suisse ( Nr. 14-16) : grofse Distanzen . Der Infanterieoffizier
Das Infanteriefeuer auf in der schweizerischen
Armee. - Der gegenwärtige Stand unserer Artillerie . - Zwei neue Krupp'sche Geschütze . Widerstand der Positionslafetten bei abnormen Verhältnissen . - Die Organisation des Geniecorps in der Schweiz.
Die Kürassierfrage in Frankreich.
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie ( Nr. 7) : Die Formation der Genietruppen. Die Schiefsversuche mit dem Krupp'sche schweizerischen Repetiergewehr im Frühjahr 1880 . ― Schiefsversuche.. De militare Spectator ( Nr. 8 ) : Über Normalbatterieen bei der Verteidigung von Festungen. - Das Aufsteigen der Kanoniere bei der Feldartillerie. Norsk Militaert Tidsskrift (44. Bd . 7. Heft) : Militärische Übersicht für 1880. - Die Militärakademie zu Westpoint . - Beiheft : Über die jährlichen Übungen der Kavallerie. Revista cientifico militar (Nr. 14-17) : Der französisch-tunesische Krieg. Oran und Tunis. --- Über den Krieg mit irregulären Truppen. Die Statistik und der Krieg. - Der Einfluss der allmählichen Verbesserung der Handfeuerwaffen auf das Gefecht. Kampfformen der Infanterie .
Die
La illustracion militar ( Nr. 10) : Praktische Übungen in der FortiDas Kastell St. Georg. fikation. Die Ereignisse in Jolo. Das Lager bei Gibraltar. Revista militar (Nr. 13 u. 14) : Die Bewaffnung der Infanterie. Das Heer eine Schule des Gehorsams. Die Manöver des fran-zösischen 5. Corps im Herbst 1880. Einige Bemerkungen über Militärorganisation . -
Der Krieg in Transvaal.
Memorial de Ingenieros del ejercito ( Nr. 14 u . 15) : Über die militärischen Rayons. Versuche in betreff der Widerstandskraft der Stoffe. Betrachtungen über die Organisation des Eisenbahndienstes im Kriege . Projekt eines organischen Systems von hydraulischen Defensivminen.
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.
353
XXX.
Verzeichnis
der bei
der
Redaktion eingegan-
genen neu erschienenen Bücher u. s. w.
(15. Juli bis 15. August .)
Boguslawski, A. v. ,
Oberstlieutenant :
Der
kleine Krieg
und
seine Bedeutung für die Gegenwart. Nach zwei Vorträgen, gehalten in der militärischen Gesellschaft zu Posen. Mit 5 Skizzen . Berlin 1881. Fr. Luckhardt. - 8º. 88 S. Der nächste Feldzug von L. Seguin und das deutsche Antwortschreiben . Hannover 1881. Helwingsche Verlagsbuchhandlung. — 8º.- 27 S. - Preis 0,80 Mk . Garnisonkarte der deutschen Armee mit Angabe der Armeecorps und Landwehrbezirksgrenzen, sowie Servisklassen für sämtliche Garnisonorte .
mit Bezeichnung der Nebst einer ausführ-
lichen Liste aller Truppenteile und Landwehrbataillone gabe der Standquartiere . Auflage. Leipzig 1881.
mit An-
Zweite , neu berichtigte und ergänzte Mor. Ruhl. - Preis 0,80 Mk.
Geschichte des 3. Garde - Grenadier - Regiments Königin Elisabeth im deutsch - französischen Kriege 1870/71 . Nebst Angaben aus der Zeit von 1871 bis 1880. der
Beiträge zur Geschichte
Als Fortsetzung
des 3. Garde-Grenadier- Regiments
Königin Elisabeth 1859 bis 1870 " auf Befehl des Regimentskommandos nach den Akten zusammengestellt. Mit 3 Bildnissen und 7 Karten . Berlin 1881. E. S. Mittler u. Sohn . 8º. 344 S. Preis 9 Mk .
Hilken, Hauptmann und Compagniechef: Kurzgefafste Geschichte des 8. Westfälischen Infanterie - Regiments Nr. 57. Auf Veranlassung des Regiments zusammengestellt für Unteroffiziere und Mannschaften sowie für frühere Angehörige des Regiments . Wesel 1881. C. Kühler. - kl. 8º. - 95 S. Hoffmann, C. v., Oberst und Regimentskommandeur : Das Königl Bayerische 4. Infanterie - Regiment König Karl von Württemberg von seiner Errichtung 1706 bis 1806. Mit Titelbild, Uniformbildern und Karten . Berlin 1881. E. S. Mittler 80 . -614 S. - Preis 12,50 Mk. u. Sohn. 24*
354
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher u. s. w.
Jagwitz, F. v., Premierlieutenant à la suite des Königs-GrenadierRegiments , Adjutant der 20. Infanteriebrigade : Essay über Befehlsführung im Bereiche der Infanterie - Division. Zwei Vorträge gehalten 1881 in der militärischen Gesellschaft zu Fr. Luckhardt. Berlin 1881. Posen, Mit einem Plane.
8º. -
52 S.
Marcinowski , F., Geh . Finanzrat : Die Wehrsteuer im Deutschen Reich , ihre geschichtliche Entwickelung , politische , finanzielle R. v. Deckers Berlin 1881. und wirtschaftliche Bedeutung . Verlag. - 8º. 192 S. 0. F.:
Armee remontierung
und
Pferdeaushebung.
Vor-
schläge zur Bildung einer Kriegsreserve von Militärpferden und zur Hebung der Pferdezucht. Berlin 1881. Fr. Luckhardt. 8º. - 23 S. Pelet-Narbonne , G. v. , Major im 2. Westfäl . Husaren-Regiment Nr. 11 : Der Kavalleriedienst und die Wehrkräfte des Deutschen Reiches .
Ein Lehrbuch für jüngere Offiziere sowie
zur Benutzung beim theoretischen Unterricht, nebst einem Anhang : Der Melde- und Rekognoszierungsdienst
des
Kavallerieoffiziers ,
Formales über Dispositionen, Relationen, Croquis . Mit Abbildungen im Text. - Zugleich sechste Auflage des „ Hülfsbuchs beim Berlin 1881. E. S. theoretischen Unterricht" von v. Mirus . Mittler u. Sohn. 80.490 S. - Preis 7 Mk. Scheibert, J. ,
königl. preuſs . Major z . D .:
Die Befestigungs-
kunst und die Lehre vom Kampfe. Streiflichter. - Zweiter Befestigungen. Teil : Im Frieden vorbereitete Mit Plänen und 2 Skizzen französischer Festungen. - Berlin 1881 . 8º. 120 S. Fr. Luckhardt. Sicherungsdienst , Der . . . nach den Grundsätzen der neuen Felddienstanleitung für Unteroffiziere der schweizerischen Infanterie und Kavallerie - bearbeitet von einem Instruktionsoffizier. Luzern 1881. 3. Auflage. *16º. - 61 S. Pr. 50 cts.
Weygand , Hermann , Grofsh . Hess. Major z . D. und LandwehrBezirks - Kommandeur : Taschen - Ballistik für den Infanterie - Offizier. Ein Anhang zur Deutschen Schiefsinstruktion . - Berlin 1881.
Fr. Luckhardt.
kl. 8º. -
82 S.
Ziegel, Dr., Stabsarzt im Königl. Preufs . Sanitätscorps : Entwurf zu einer Friedens - Sanitätsordnung für das preussische Heer. - Nach einem Vortrag in der militärärztlichen Gesellschaft zu Stettin.
Stettin 1881 .
8º.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.
28 S.