181 46 11MB
German Pages 340 Year 1878
Jahrbücher
für die
Deutsche Armee
und
Marine.
Verantwortlich redigirt
von
G.
VON
MARÉES Major.
Achtundzwanzigster Band. Juli bis September 1878.
BERLIN, 1878. F. SCHNEIDER & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.
Inhalts -Verzeichniss .
Seite I.
IV.
V. VI. VII.
Das Sächsisch - Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde von 1756 bis 1763 . Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen . Operiren und Schlagen Nachrichtenwesen ehedem. (Ein Fragment. ) Umschau in der Militair- Literatur :
X.
36 59 70 83 89
94
66
IX.
25
15
Ueber die Ausbildung der Compagnie zum Gefecht . Erziehung zur Wehrhaftigkeit. Von Dr. Heinrich Stürenberg. (Sonderabdruck aus der Deutschen Turn-Zeitung.) Neuere Geschichte des Infanterie-Regiments Prinz Friedrich der Niederlande (2. Westfälisches) Nr. 15 nebst einem Abrisse aus der Vorgeschichte des Regiments bearbeitet von Hauptmann v. Dambrowski
VIII.
1
Nach dem 888
III.
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik. Französischen des Generals Lewal'
25
II.
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. Eine militairhistorische Studie. Von A. v. Crousaz, Major z. Disp .
99
Der Russisch-Türkische Krieg 1877 bis 1878 nach den bisher veröffentlichten Nachrichten bearbeitet von Premierlieutenant ... 101 v. Stuckrad. ― Erste Lieferung Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi. . 103 schen Zeitschriften. ( 15. Mai bis 15. Juni 1878.) Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. Eine militairhistorische Studie. Von A. v. Crousaz, Major z. Disp. ( Schluss. ) . . . 109 Das Sächsisch - Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen 129 • Solde von 1756 bis 1763. (Fortsetzung. )
XI.
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff? 160 Von Gaertner, Oberst und Bezirks -Commandeur · XII . Der Verlust der Panzerschiffe : "Captain", „Vanguard “, „Ma177 genta" und „,Groszer Kurfürst" XIII. Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha. . 186 (Von einem Augenzeugen.) (Mit einer Skizze im Texte.) . 206 XIV. Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine . AP )
(REC
496228
IV
Inhalts-Verzeichniss .
Seite XV.
Umschau in der Militair- Literatur : Kurzer Lebens- Abriss des weil. Königlich Preuszischen Generals Ernst Ludwig von Aster. Nach Aufsätzen , Briefen , Aufzeichnungen etc. des Generals zusammengestellt und herausgegeben von einem Sohne desselben. Nebst einem Anhange, bestehend aus drei in neuerer Zeit von E. L. von Aster ver210 fassten Aufsätzen politischen Inhalts Die politische und militairische Lage Belgiens und Hollands in Rücksicht auf Frankreich - Deutschland. - Eine Studie 212 von Hauptmann Fritz Hoenig. - Mit zwei Plänen
XVI.
Leitfaden für den Unterricht in der Terrainlehre, im militairischen Planzeichnen und im militairischen Aufnehmen an den Königlichen Kriegsschulen. Auf Befehl der GeneralInspection des Militair-Erziehungs- und Bildungswesens ausgearbeitet von Hauptmann Burchardt. Mit 18 Holzschnitten • 214 Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi215 schen Zeitschriften. (15. Juni bis 15. Juli 1878.) .
XVII . Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. Eine militairhistorische Studie. Von A. v. Crousaz, Major z. Disp . ( Schluss. ) 221 XVIII. Das Sächsisch - Polnische Cavallerie -Corps im Oesterreichischen 237 Solde von 1756 bis 1763. (Schluss.) 278 XIX . Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 XX. Grundsätze für den Dienst der Französischen Artillerie bei Belagerungen nach der „Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. Mai 1876 ". Von Günther, Premierlieute306 nant im Fusz-Artillerie-Regiment Nr. 15 . XXI. Umschau in der Militair-Literatur : Der Russische Feldzug in Bulgarien und Rumelien 1877-1878. Eine militairische Studie von Rauptmann Adolf Horsetzky von Hornthal. Mit 12 in den Text gedruckten Uebersichts316 und Gefechts- Skizzen und 3 Beilagen Das gesunde Pferd . Bau und Thätigkeit desselben, seine Beurtheilung, Fütterung und Pflege. Für Offiziere und Besitzer besserer Pferde bearbeitet von Oberrossarzt L. Hoffmann. Mit 86 in den Text gedruckten Holzschnitten Handbüchlein zum Gebrauche bei Abrichtung des Remontepferdes von Oberst W. Rudorff
323 326
Die Cavallerie des Deutschen Reiches. Geschichte der Regimenter von 1656 bis auf die neueste Zeit nebst neuesten Rang- und Anciennetäts-Listen. Herausgegeben von Premier327 lieutenant R. von Haber. III. Jahrgang XXII. Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi332 schen Zeitschriften. (15. Juli bis 15. August 1878. ) .
Ca
si
no
I.
Friedrich's Strategie
des
Groszen
Zeitraume
im
Kriegspolitik der
beiden
und
ersten
Schlesischen Kriege. Eine militairhistorische Studie.
Von A. v. Crousaz, Major z. Disp. I.
Allgemeines.
Als Friedrich II. , König von Preuszen , Seine Kriegsthätigkeit begann, war in Ihm schon ein bedeutendes Capital der Weisheit, und dieses verdankte er reichlichsten Studien , zumeist aber dem selbstständig arbeitenden Genie,
welches Er besasz.
Seinen Augen
entschleierte sich auch das Einzelnwerk des politischen Horizontes ; Er erkannte Schein und Wahrheit , Urgründe und Hintergedanken, die Schwäche der Mächtigen, und das Kraftvermögen Derer, welche man bis hierher zu gering anschlug ; - was aber den Krieg betrifft , so ging schon aus einigen Seiner im „ Anti - Machiavell" gethanen Aussprüche
hervor,
Friedrich betrachtete.
wie tief ernsthaft und moralisch ihn
Wenn es in jenem Werke heiszt (Cap . 26) :
1 ) „ Die Ursache macht einen Krieg gerecht oder ungerecht etc. ,
immer aber bleibt der Krieg nur
der letzte Ausweg in der Noth , und man darf ihn daher nur mit Vorsicht und in ganz verzweifelten Fällen anwenden." 2)
Alle Kriege , welche nur die ungerechten Besitznehmer abwehren , die erhalten ,
gesetzmäszigen
Rechte
die allgemeine Freiheit , den Unter-
drückungen und Gewaltthätigkeiten der EhrJahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII. 1
2
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie süchtigen gegenüber , retten sollen , ―
diese ver-
tragen sich mit der Gerechtigkeit , und ein Fürst , welcher solche unternimmt , ist unschuldig an dem vergossenen Blute ; er handelt nur nach der Nothwendigkeit , und sein Krieg ist ein geringeres Uebel , als es in solchem Falle der Friede sein würde , " so ergiebt sich hieraus schon die principielle und rechtliche Basis, auf welcher die Kriegspolitik dieses Monarchen stand. Die Kriegspolitik ! ― Was ist sie und von wem kann sie
gehandhabt werden? Diese Kriegspolitik beschäftigt sich mit den Rücksichten, welche, in Betreff des Krieges , der Staat auf sich selbst , seine Gegner und Bundesgenossen zu nehmen hat, mit den Kraftverhältnissen, Spannungen und Sympathien, dem Soll und Haben der Regierungen und der Eigenart ihrer Völker ; jede derartige Erkenntniss stärkt die Siegesfähigkeit , - und die ganze Kriegskunst steht auf desto festeren Füszen, je richtiger die politische Speculation ist , durch welche sie bestimmt wird.
Nur ein ganz souverainer Feldherr, der zugleich
den Kriegsrath und die Staatsautorität in sich selbst trägt, kann die Kriegspolitik in normaler Weise handhaben, weil diese nur eben in ihm den Kriegsintentionen so still , so schnell und präcise,
wie es
nothwendig ist, die Hände reicht ; wenn der Feldherr hier und der souveraine Politiker dort steht , so wird auf dem Wege der Verständigung zwischen ihnen der innere Einklang ,
der schnelle Fluss
und die überraschende Wirkung, auch günstigen Falles, doch immer beschädigt werden. Man wird dies durch eine Vergleichung Friedrich's, der Alles Selbst war, und in Sich Selbst trug, mit jenen Feldherren Seiner Gegnerschaft, die erst von fernher instruirt werden mussten, genugsam bestätigt finden. Die Politik gilt häufig für ein Gegenstück der Moral , aber das ist sie höchstens im Zustande ihrer Unvollkommenheit ; eine volle und echte Politik hingegen, verlangt zu den Klugheits- auch die Weisheitsregeln, und empfiehlt so für nützliche und zugleich gerechte Strebungen nur würdige Mittel . Dass Friedrich der Grosze Seine Politik schon ursprünglich so auffasste, spricht sich ganz besonders an jener Stelle des „ Anti - Machiavell " aus, wo es heiszt : 29 List und Feinheit dürfen nicht gemissbraucht werden ;
sie gleichen den Gewürzen ,
deren zu
häufiger Genuss den Gaumen stumpf macht ; die . Rechtschaffenheit aber gleicht den einfachen
3
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
Nahrungsmitteln und passt überall hin etc. Ein aufrichtiger Fürst wird das Zutrauen von ganz Europa gewinnen , ohne Ränke glücklich , und blos durch seine Tugend mächtig sein etc. " . Man weisz hiernach schon, dass Er nur gerechte Kriege und eine ehrliche Politik derselben will ; wenn auf noch einige andere Aeuszerungen desselben Zusammenhanges geblickt wird, so lässt sich daraus die specielle Begriffsweise entnehmen, welche Friedrich, in Betreff des Europäischen Gleichgewichtes und der eigenen Verhältnissstellung zu selbigem, schon vor Seiner Thronbesteigung hatte. Wenn Er sagt : „ Europa's Ruhe gründet sich vorzüglich auf die Erhaltung dieses Gleichgewichtes , welches dadurch erzielt wird , dass dem Uebermächtigen ein Gegendruck der vereinigten Kräfte Anderer begegnet, etc.-- Die Europäischen Fürsten dürfen also nie die Bündnisse und Verträge auszer Acht lassen, durch die sie dem Uebergewichte einer ehrgeizigen Macht gewachsen sein können ," so erkennt man hierin die Hauptstrebung Seiner Politik, welche, nur um des Friedens willen, eine Kraftvereinigung, und im äuszersten Falle erst einen Krieg will , der dann, vermöge der ersteren, den Frieden so schnell als möglich wieder herstellen möchte . Sein weiterer Meinungsausdruck :
99 Ein Fürst ,
Lautet
der noch zwischen Oelzweig und
Lorbeerkranz wählen kann , unternimmt besser einen Angriffskrieg , als dass er auf hoffnungslose Zeiten wartet. Das Zuvorkommen ist dem Zuvorkommen lassen
vorzuziehen ,
und
grosze
Männer haben stets
wohl daran gethan ,
Macht zu brauchen ,
ehe der Feind ihnen die
Hände binden konnte ," —
ihre
und
Kräfte
ihre
bewältigen
so folgert man daraus, einerseits : dass in den letzten Jahren Seiner Kronprinzlichen Zeit, Ihn die Idee eines im Interesse des Gleichgewichtes zu führenden Angriffskrieges gegen Oesterreich schon be- andererseits : dass überhaupt , bezüglich des Krieges, schäftigte, das Princip der Initiative von Ihm bevorzugt war. Durch eine solche Kriegspolitik ist die Strategie Friedrich's bedingt worden.
1*
4
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie Die Strategie, diese Kunst der groszen und allgemeinen Heer-
leitung im Kriege, hängt mit der Kriegspolitik eng zusammen.
Ohne
letztere würde sie ein Schiff ohne Compass , und ohne Strategie würde die Kriegspolitik ein Wille ohne Wirkung sein.
Wenn der
Stratege die Heeresbewegung zweckentsprechend bemessen, zu rechter Zeit schlagen und schonen, den besiegten Feind verfolgen oder ihm goldene Brücken bauen, seinen eigenen Verlust richtig behandeln soll etc., so müssen die stets wandelnden Bilder der Tagespolitik von ihm erkannt und berücksichtigt werden. Hier steht ein Partner in Aussicht, das deckt ihm den Rücken und stärkt die Offensive ; dort zeigt sich am politischen Himmel drohendes Gewölk , -- das verlangt vorsichtiges Abwarten oder auch einen zuvorkommenden schnellen Streich etc. , - und je weiter der Stratege sehen kann, je mehr die politischen Bewandtnisse der Gegenwart von ihm durchdrungen , die der nächsten Zukunft schon vorgefühlt sind , in je regerer Wechselwirkung sich seine Strategie mit der Kriegspolitik und diese mit jener befindet, desto gröszer werden die Erfolge sein. Bei der Strategie Friedrich's gruppirt sich das Ganze dieser Ihm eigenen Kriegskunst, mit der Er das Verborgenste durchdrang, das Gröszte leistete, beim Speciellen stets das Allgemeine vor Augen behielt, und als Held so staatsklug, wie als Politiker moralisch war. Sie stand unter den Bedingungen eines nicht blos kriegerischen, sondern allfälligen Genies, und wenn, vermöge dessen selbst bunte und heitere Elemente in ihren Kreis traten, so war das hier so förderlich, wie es anderwärts störend gewesen wäre . Wie diese Kriegskunst sich giebt , so muss sie auch erörtert werden. Man kann bei einem Friedrich , der so vielseitig und so poetisch durchleuchtet war, der gleichzeitig politische Combinationen schuf, die Oesterreicher besiegte und Französische Verse schrieb, dessen profundeste Gedanken oftmals heiterer Scherz würzte, und dessen Briefe an d'Argens, Voltaire etc. weitgreifende Culturstudien sind , man kann bei Ihm auch die Kriegspolitik und Strategie nicht ganz von der generellen und ebenso wenig von der interessanten Arbeit des Geistes trennen.
Sein Ernst geht mit dem Humor, Seine
Praxis mit der Theorie, Sein Krieg mit den literarischen Arbeiten ; Er kennt kein liniirtes Schema und keine verschlossenen Fächer, und selbst Demjenigen, welcher nur eine einzelne Thätigkeitsrichtung Friedrich's ins Auge nimmt , darf dieser Gesichtspunkt nicht verloren gehen.
5
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
Die Vorschule und innere Begründung der Strategie Friedrich's wird , sammt deren Hebeln und Hülfen , schon einigermaaszen aus Demjenigen zu entnehmen sein, was über das Soldatenthum und Heersystem dieses Monarchen an anderer Stelle (Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine Band XXII SS . 227 ff. und 269 ff. ) von uns gesagt ist ; bezüglich Seiner vorhistorischen Kriegspolitik erinnere man sich einiger von Ihm gethanen Aussprüche, welche es deutlich kennzeichnen, in welchem Lichte Er von Haus aus , sowohl Seine späteren Gegner und Bundesgenossen, als auch das eigene Vaterland sah.
Er sagt da z. B. in Seiner
culturgeschichtlichen Einleitung zur „ Histoire de mon temps " in Betreff der Engländer und Franzosen :
" Die
Franzosen
wollen
überwinden ,
um
Er-
oberungen zu erhalten , die Engländer wollen Fürsten erkaufen , um ihre Sclaven daraus zu machen ; Beide spiegeln dem Publicum fremde Dinge vor, um seine Aufmerksamkeit von ihrer Herrschsucht abzuwenden ; " man sieht also, dass diese beiden Völker von Ihm durchschaut sind, und folgert daraus, dass diese Erkenntniss weiterhin, so wie es die Umstände mit sich bringen, ausgenutzt werden wird.
In Bezug auf
Oesterreich, nach seinem den Schlesischen Kriegen unmittelbar vorangegangenen Zustande , heiszt es : " Oesterreich besasz keine Reichthümer , und s0 viel Abgaben es auch seinen Unterthanen auflegen mochte , so bedurfte es doch fremder Subsidien , um seine Völker einige Jahre im Felde zu erhalten. Damals war es durch den Türkenkrieg ( 1737-1739 ) erschöpft und mit Schulden . belastet ;" und es ist wohl unverkennbar, dass dieser Schwächezustand Oesterreichs schon zu belangreichen Erwägungen anregte. Von dem Preuszischen Staate Seines Vaters sagt Friedrich : „ Der Friede und eine weise Regierung bildeten hier eine aufwachsende Macht , welche , weil sie im Stillen schuf und weil ihre Fortschritte das Werk der Zeit waren , Europa fast nicht kannte. " Das jugendkräftige Preuszen contrastirt also mit dem alternden, ermatteten Oesterreich, und das giebt ersterem, für den Fall des zuletzt doch unvermeidlichen Zusammenstoszes , gute Aussichten ; -
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
6
Europa kennt die Macht Preuszens nicht, und dieses wird also auch die Vortheile der Ueberraschung haben. Weiterhin äuszert Friedrich , der Intention eines auf geeignete Alliancen gestützten Kriegsunternehmens schon näher tretend : 99 Preuszen konnte damals nur etwas unternehmen ,
wenn es sich auf Frankreich oder England stützte. Mit Frankreich konnte man sich einlassen , da ihm sein Ruhm und die Erniedrigung Oesterreichs sehr am Herzen lag ; von England konnte man Subsidien ziehen , die es in der Absicht gab , fremde Kräfte für seinen eigenen Vortheil zu verwenden.
Russland wog damals in der Euro-
päischen Politik noch nicht schwer genug , um , durch seinen Beitritt zu einer Partei , entscheidend wirken zu können. "
Das sind einleitende Grundgedanken ; wenn aber alles Andere , was bis hierher gesagt wurde, sich zumeist auf die ganze Kriegspolitik und Strategie Friedrich's bezieht, so entsteht die Frage, warum man , nach dieser Richtung hin , hier nur Seine erste Kriegsperiode betrachtet ?
Die Ursachen davon liegen nahe genug. Die ganze Kriegspolitik und Strategie dieses Monarchen kann nur ein Werk darlegen ; soll dergleichen aber dennoch durch Aufsätze geschehen, so bleibt hierzu nur die Repräsentation des ganzen Zusammenhanges durch einzelne seiner interessantesten Abschnitte übrig. In diesem Sinne ist hier das in sich abgerundete Pensum der beiden ersten Schlesischen Kriege gewählt worden, und es wird nachstehend noch auf einige der besonderen Vorzüge hingedeutet, welche ihm, auch unter den Gesichtspunkten unseres Thema's, und gerade ganz besonders unter diesen, zuzugestehen sind. Friedrich führt in diesem Zeitraume den Krieg Seiner Jugendkräfte, und diese verbinden sich hier mit Seiner schon so vorgeEr macht in schrittenen Weisheit überaus wirksam und reizvoll. dieser Jugendkriegsperiode, und nur in ihr, den vollen Eindruck, dass Er gleichzeitig lernen und siegen, siegen und lernen kann ; Er stürzt, fast noch ein Jüngling, groszmächtige Götzenbilder von ihren Postamenten, und überwindet alte Irrthümer und neue Sünden mit Grazie.
Sein eisernes Würfelspiel und Seine scharfsinnige Politik
sind noch poetisch durchleuchtet ;
Er
ist
nie
so
vielseitig
und
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
7
interessant gewesen, hat das Schwerste nie mit solcher Leichtigkeit und das Kleinste mit solcher Sorgfalt behandelt, als in dieser Kriegszeit bis 1745, in der Er Schlesien und eine neue Weltstellung des Vaterlandes errang , das Gold der Erfahrung haufenweise sammelte, und, wie ein Antäus, Haupt um Haupt wachsend, aus Friedrich dem Zweiten schon im 33. Lebensjahre Friedrich der Grosze wurde.
Seine Selbstkritik ist , in Betreff dieser ersten Feldzuge , so überaus
objectiv ,
wie es hinsichtlich des späteren langwierigen Krieges nicht mehr auf gleiche Weise der Fall war, und wenn man die Ihm verdankten literarischen Darlegungen jener ersteren und dieses letzteren überhaupt mit einander vergleicht, so muss die Geschichte der beiden ersten Schlesischen Kriege vorgezogen werden. Auch das Heer ging bis 1745 mit Meilenstiefeln bergauf, während es im siebenjährigen Kriege , schon von 1759 an , bei täglich mehr schwindender Kraft , und nothwendiger Heranziehung unzuträglicher Elemente, sehr in die absteigende Linie kam.
In den beiden ersten Schlesischen Kriegen errang man fünf grosze Siege *) und verlor
keine Hauptschlacht , nachher aber haben sich , von 1756 bis 1763, neuen herrlichen Siegen **), im speciell Preuszischen Kriegsbereiche, doch sieben gröszere oder kleinere Niederlagen ***) gegenübergestellt. Was für die Politik und Strategie der ganzen Friedericianischen Kriegslaufbahn gilt, das wird im Hauptsächlichen schon durch diesen gegenwärtigen Abschnitt anschaulich gemacht werden, - im Lichte wie im Schatten , in Ideen , Handlungen und Schicksalen .
Dieser
Abschnitt bringt bereits eine glänzende Reiterschlacht , ihm gehört schon ein Meister des kleinen Krieges und ein detachirter Feldherr von groszer Bedeutung ; man tummelt sich darin, so wie später, auf Schlesischen ,
Böhmischen und Sächsischen Schlachtfeldern.
Eine
auf Friedrich's Untergang speculirende Coalition ist schon jetzt in Bewegung, und Friedrich bewältigt sie, politisch und strategisch, mit den Blitzen seines Geistes ; Er benutzt jetzt schon den bei Oesterreich stehenden Engländer, und bekämpft den mit Ihm verbündeten Franzosen, - nur anders , als es später, in der umgekehrten Verhältnissstellung, geschah ;
Sein Losbruch von 1744 prototypirt den-
jenigen von 1756 nicht minder strategisch , als nach der politischen Behandlung.
Principien , Mittel und Zielpunkte , Alles ist hier in
*) Mollwitz, Czaslau, Hohenfriedberg, Sorr, Kesselsdorf. **) Lowositz, Prag, Rossbach, Leuthen, Zorndorf, Liegnitz, Torgau, Burkersdorf, Freiberg. ***) Kollin, Grosz-Jägerndorf, Hochkirch, Kay, Kunersdorf, Maxen, Landshut.
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
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der engeren Sphäre so beschaffen, wie nachher in der weiteren, und wenn es nicht auf ein Studium aller einzelnen Facten, sondern nur auf das Erkennen groszer Charaktermerkmale ankommt, dann können auch die Kriegspolitik und Strategie Friedrich's , wie sie überhaupt gewesen sind, schon durch diese Beschäftigung mit der von uns gewählten einzelnen Kriegsperiode anschaulich werden. Diese ist ein "pars pro toto ", welcher uns nicht minder lehrreich, aber nur eben mit frischeren Farben und in jugendlicherer Haltung entgegentritt.
II.
Im ersten Schlesischen Kriege.
Die Thatsachen der Erbverbrüderung von 1537 , des Aussterbens des Schlesischen Mannsstammes und der Einziehung der hiermit von Brandenburg ererbten Schlesischen Länder durch den Deutschen Kaiser,
weiterhin der Entschädigung Brandenburgs durch den
Schwiebuser Kreis, und der Zurücknahme des letzteren, auf Grund eines dem Kurfürsten Friedrich III. abgedrungenen Retraditionsrecesses, sind bekannt genug und dürfen hier nicht wiederholt werden. Aus ihnen geht hervor, dass Preuszen an seinem Rechte geschädigt, und seitdem nur durch unabweisliche Rücksichten verhindert worden war, es geltend zu machen.
Die Nothwendigkeit hierzu lag gleich-
wohl um so näher, als es sich nicht verkennen liesz, dass eine noch weitere Vertagung dieses Anspruches denselben mehr und mehr abschwächen, ja vielleicht durch neue Ereignisse und Combinationen ganz in den Hintergrund drängen würde. So lagen die Umstände bis
1740 ,
dann aber veränderte
sich die ganze in Betrachtung
stehende Situation. Einmal durch die Thronbesteigung Friedrich's II., welche jener Aufgabe ihren Meister gab ; Carl's VI. ,
welches
dieser
zweitens durch das Ableben Kaiser Angelegenheit
einen geeigneten An-
knüpfungspunkt lieferte. Friedrich kannte, als Er zur Regierung kam, die Lage und das Bedürfniss Seines Vaterlandes genugsam , und wenn Seine hierauf bezüglichen Entschlüsse schon bereit lagen, so waren sie auch mit dem Ihm verliehenen Kraftvermögen balancirt worden, und harrten nur ihres richtigen Momentes. Rückblick und Umschau impulsirten Ihn nach Vorwärts , Er glaubte das Testament des groszen Kurfürsten vollziehen und ein historisches Recht Seines Vaterlandes durchsetzen zu müssen ; nicht minder trat auch die Nothwendigkeit an Ihn heran, dem Preuszischen Staate, welcher von übermächtigen und übermüthigen Nachbarn um-
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. ringt , durch seine unregelmäszige Gestalt preisgegeben, als Königreich nur langsam anerkannt, und in jeder Weise rücksichtslos behandelt war, eine neue Stellung in Europa zu geben. Das konnte nur mit kühnem Wagnisse und groszer Kraftanstrengung geschehen, aber Friedrich war Sich des Talentes dazu bewusst , einen Staatsschatz hatte Sein Vater aufgespart , und die von diesem überlieferte Armee konnte in ihrer Zeit für vortrefflich gelten.
Friedrich stand
also bereit, und wenn Sein historisches Stichwort klang, musste Er auftreten. Dieses Stichwort wurde durch den am 26. October 1740 erfolgten Tod Kaiser Carl's VI . gegeben.
Seine Erbschaft musste jetzt
streitig, der Kaiserthron umworben, die eigennützige Politik Frankreichs dem Hause Habsburg bedrohlich werden. Preuszen hatte dabei eine Rolle zu spielen ; wenn Oesterreich ihm jetzt nicht gerecht wurde, so trat es zu dessen Gegnern.
Hier lag also ein Hebe-
punkt unserer Interessen, und man trat um so gerechtfertigter an denselben, als die Pragmatische Sanction von König Friedrich Wilhelm I. nur unter der Bedingung seines von Oesterreich zu effectuirenden Erbrechtes auf Jülich und Berg verbürgt, diese Bürgschaft aber dann durch den Kaiser selbst , welcher sein Versprechen unerfüllt liesz, hinfällig gemacht worden war.
Friedrich fasste auf diesem gegenwärtigen Entscheidungspunkte sogleich den Entschluss, die Schlesischen Fürstenthümer von Oesterreich zurückzufordern und Seinen Anspruch , nöthigen Falles , mit den Waffen geltend zu machen ; doch aber wog Er zunächst die Vor- und Nachtheile eines solchen Unternehmens so sorgfältig ab, dass sich hierin schon ein Grundstein Seiner den ersten Kampf um Schlesien betreffenden Kriegspolitik erkennen lässt. so calculirte der König - besitzt Oesterreich „Einerseits reichliche Hülfsquellen , und die Tochter des verstorbenen Kaisers muss , wenn sie in Gefahr kommt, von England , Holland und den meisten Deutschen Reichsfürsten , Sanction, unterstützt werden.
als Garanten der Pragmatischen
Auch vermag sie vielleicht Russland
und Polen in ihr Interesse zu ziehen ; - die politischen Hindernisse, welche sich aufthürmen, sind also bedeutend, und die militairischen bleiben kaum dahinter zurück. Eine Magazinverpflegung der Truppen scheint in dem unfruchtbaren Jahre 1740 sehr schwierig ; den kriegsgewohnten Soldaten Oesterreichs kann man nur unerfahrene Krieger gegenüberstellen ; die Preuszische Reiterei , welche unter Friedrich Wilhelm I. vernachlässigt war, braucht einer Wiederherstellung ; von den Ihm
überlieferten Generalen sagt Friedrich ,
dass sie mehr
10
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Muth als Kopf hätten, und unter ihnen nur der Fürst von Anhalt eine Armee zu commandiren im Stande sei "." „Andererseits fehlt der jungen Maria Theresia jede Erfahrung ; die Finanzen Oesterreichs liegen darnieder, sein Heer ist durch den Misserfolg des letzten Türkenkrieges beeinträchtigt ,
und eine ge-
wisse Mattigkeit desselben hat Friedrich schon 1734, als Kronprinz, wahrgenommen.
Die Eifersucht zwischen England und Frankreich
verbürgt es, dass man Eines oder das Andere für sich haben wird ; Russland ist , nach dem Tode der Kaiserin Anna,
zu sehr mit sich
selbst beschäftigt, um nicht in nächster Zeit noch neutral bleiben zu müssen. Das Preuszische Heer hat mindestens grosze Erinnerungen, und so viel Disciplin und Präcision, dass die fehlende Kriegserfahrung damit zu compensiren ist ; sein Können wächst wohl in der Praxis, und auch die Preuszischen Generale werden sich, als das , was sie wirklich sind, erst im Kriege erkennen lassen. " Balancirte man dieses Pro mit jenem Contra,
so mochten sie
an sich gleich wiegen ; der Alltagsmensch bebte vor dem Gedanken eines Preuszischen Krieges gegen Oesterreich zurück , die Klugheit senkte davor ihr Haupt, und selbst dem Heldengeiste Leopold's von Dessau widerstrebte er. Die Wagschale der Verneinung schien hiermit zu überwiegen ; aber es schien nur so, die Frage an sich war nur durch den groszen Sinn und die Souverainetät Friedrich's zu entscheiden.
Durch diesen groszen Sinn , der, über den landläufigen
Calculationen schwebend , für die höchsten Interessen das Höchste einsetzen kann ; durch diese Souverainetät , welche nicht blos den Staat und das Heer, sondern auch das eigene Selbst bemeistert. Mit ihnen entschied Er für das Vorwärts, und das war schon evident, als der junge Monarch im October 1740 an Voltaire schrieb : „ Die Zeit ist da , wo das alte politische System eine gänzliche
Aenderung
leiden
kann ;
der
Stein ist losgerissen , der auf Nebucadnezar's Bild von viererlei Metallen rollen und es zermalmen wird. " Etwas später rüstete Er bedeutend , und machte der Königin von Ungarn Seine Eröffnungen.
Er verlangt Schlesien und will,
bei Berücksichtigung dieses Anspruches , die Königin gegen ihre Feinde schützen und für die Kaiserwahl ihres Gemahls , des Groszherzogs Franz Stephan von Toscana, stimmen ; anderen Falles erklärt Er ihr den Krieg.
Mit welcher mathematischen Gewissheit
man den Erfolg dieser Botschaft voraus wusste, geht schon daraus
11
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
hervor, dass bereits zwei Tage vor ihrer Effectuirung in Wien, nämlich am 23. December 1740, das Preuszische Heer Schlesien betrat.
In diesem ersten Kriege ( 1740–1742 ) , gann, wollte Friedrich nur Schlesien erobern.
der nun be-
Ueber diesen Ziel-
punkt ging er nicht hinaus, aber Seine Zuversicht und Begeisterung war grosz , und wenn Er schon am 14. Januar 1741 an Jordan schrieb : „ Ich melde Deiner Heiterkeit , dass Schlesien so gut als erobert ist etc. , - das muss für jetzt genug sein. Sei mein Cicero bei der Vertheidigung meiner Sache ; in ihrer Ausführung will ich Dein Cäsar sein , " so bewundert man nicht minder diesen genialen Ton eines zwischen kreisenden Bergen befindlichen Streiters, als die heitere Grazie, mit welcher derselbe seine ersten Erfolge hinnahm. Hierunter litt Friedrich's eigentliche Kriegsspeculation durchaus nicht, und wurde vielmehr, gleich von vorn herein, durch die Motivirung Seines dem Gebrauche der Zeit widersprechenden Winterfeldzuges 1740-1741 anschaulich. Er sagt darüber in Seinem 17 Unterrichte an die Generale Seiner Armee ",
da, wo von den Winterfeldzügen
die Rede ist , nachdem diese im Allgemeinen als nachtheilig bezeichnet sind :
17 Es
können dennoch Umstände vorfallen ,
die
einen General obligiren , dass er zu solchen Expeditionen schreiten muss , etc. Im Jahre 1740 , als Kaiser Carl VI. starb , waren nicht mehr als zwei Oesterreichische Regimenter in Schlesien , und da ich die Rechte meines Hauses auf dieses Herzogthum geltend machen wollte , so musste ich im ziehen ,
Winter agiren und von Allem Vortheil was mir
avantageux sein konnte , um
mich der ganzen Provinz
zu bemächtigen und
das eigentliche Kriegstheatrum bei dem NeisseFlusse zu etabliren.
Hätte ich das Frühjahr ab-
warten wollen , so würde man den Krieg zwischen Glogau und Crossen bekommen , und
erst nach
drei oder vier schweren Campagnen das erlangt haben , was ich jetzt auf einmal und durch einen simplen Marsch gewann."
12
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie Dieses Calcül rechtfertigten die Thatsachen.
Heer breitete sich in Schlesien schnell aus ;
Das Preuszische
Glogau , Neisse und
Brieg wurden belagert. Die sonstigen Kriegsvorfälle waren in erster Zeit nur unbedeutend ; als endlich ein Oesterreichisches Heer herankam, beherrschte man schon die Situation und Friedrich konnte Seine Schlacht auf dem erwünschten Kriegsschauplatze haben.
Als Neip-
perg's Absicht , Neisse zu entsetzen und sich zwischen die getrennt stehenden Preuszischen Heeres - Abtheilungen einzuschieben , von Friedrich erkannt wurde, trat dieser, die Belagerung von Brieg aufhebend , sofort mit Schwerin in Verbindung , ging am 8. April bei Michelau vom rechten auf das linke Neisse- Ufer, und suchte jetzt einen Entscheidungskampf, - da, anderen Falles, die Oesterreicher, welche von Grottkau aus bis in die Nähe von Brieg gelangt waren, die in Ohlau befindlichen Preuszischen Magazine genommen , und das Heer des Königs vielleicht sogar von Breslau abgeschnitten haben würden. Die am 10. April 1741 stattgefundene Schlacht von Mollwitz liesz zwei kleine Heere um ein groszes Object würfeln.
Das
Preuszische Heer entwickelte sich zwischen Hermsdorf und Pampitz, südwestlich von Brieg, in zwei Treffen ; sein linker Flügel war an den Laugwitz - Bach gelehnt , und seine Frontlinie gegen Mollwitz gewendet.
Die Formirung der Oesterreichischen Linie fand gegen-
über und schon im diesseitigen Geschützfeuer, zwischen Grüningen und dem Laugwitz-Bache, so statt , dass sie Mollwitz hinter ihrem Centrum hatte.
Die Oesterreicher, an Cavallerie bedeutend stärker,
beuteten diesen Vortheil aus und warfen mit ihrer Reiterei des linken diejenige des Preuszischen rechten Flügels , wurden aber von der Infanterie des zweiten Treffens zurückgewiesen. Die Infanterie des ersten Preuszischen Treffens rückte demnächst allgemein vor, und überwand , bei eisernen Ladestöcken und besserer Dressur, durch ihr schnelles Gewehrfeuer ; auch kommt es in Betrachtung, dass 31 Preuszischen nur
18
Oesterreichische
gröszerer Stärke , gegenüberstanden.
Bataillone ,
von allerdings
Den Schlusseffect gab eine
Rechtsschwenkung der zum Bajonnetangriffe übergehenden Infanterie des Preuszischen linken Flügels, und Neipperg ging demnächst am Abende dieses Tages auf Grottkau zurück . Das Oesterreichische Heer von Mollwitz besasz weniger Infanterie- Bataillone und Geschütze, überwog aber numerisch und besonders an Reiterei ; es war brav und kriegsgewohnt, aber schwerfälliger und minder gut geschult und bewaffnet als das Preuszische, welches noch überdies jene in ihrer Zeit einzige Disciplin für sich
13
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. hatte , die von Friedrich am Schlusse Seiner Abhandlung :
„ Du
Militaire " so hoch gerühmt wurde.
Die Mollwitzer Schlacht war für beide Heere gefahrvoll :
wenn
Friedrich darin verunglückt wäre, so würde Er keinen Rückzug gehabt, und vielleicht Sein Heer verloren haben ; wenn Er Neipperg's Sorglosigkeit so ausgebeutet hätte, wie in Seinem 17 Unterrichte an die Generale " (Cap. XXII sub a.) gesagt ist , dann wäre die Oesterreichische Armee ruinirt worden. Die dort und hier begangenen Fehler sind augenfällig, und der König urtheilte in diesem Punkte über Sich Selbst mit äuszerster Strenge. Sein Urtheil über diese Action überhaupt, war, nach allen Richtungen hin, eingehend und objectiv, aber es gipfelte in dem Ausspruche : „ Mollwitz war die Schule des Königs und Seiner Truppen. Dieser Fürst stellte reichliche Ueberlegungen über alle von Ihm begangenen Fehler an und suchte sie in der Folge zu vermeiden. " Wer als Sieger so sprechen kann, der wandelt auf dem Wege zur Vollkommenheit. Die militairischen Wirkungen dieser vom Könige nur herbeigeführten, aber von Schwerin gewonnenen Schlacht , sind von den politischen doch übertroffen worden.
Neipperg musste bis
über
Neisse hinaus zurückgehen, Niederschlesien war dem Könige freigegeben ; das Deutsche Reich stand einer so unerhörten Thatsache ganz verblüfft gegentiber. Alle Augen wandten sich jetzt auf Friedrich ; was bis zu diesem Augenblicke für abenteuerlich gegolten hatte, das bekam jetzt Ansehen.
Alle Büchsen rührten sich ,
jedes Glied der
Europäischen Staatengesellschaft suchte die neue Erfahrung nach seiner Art auszunutzen, und Friedrich, welcher jetzt im Centrum der Dinge stand, hatte, als Zielpunkt verschiedenartiger Manipulationen , eine Art kriegspolitischen Examens auszustehen.
Wenn Er dort zu
viel und hier zu wenig geantwortet , Schmeichlern vertraut , unreife Früchte gekostet , im Siegesrausche die Mäszigung versäumt , und mit den Factoren Seines Machtbereiches falsch gerechnet hätte, dann würde Er, trotz Mollwitz , sowohl Schlesien als Seinen Ruhm in kürzester Zeit verspielt haben. Welche Combination umstrickte den König, nach Seinem ersten Kriegserfolge, und wie entging Er den in ihr beruhenden Gefahren ? Vorerst kam der Marschall Belle-Isle, als Abgesandter Frankreichs , in das Mollwitzer Lager, um dem Könige einen AllianceTractat vorzuschlagen.
„ Der Kurfürst Carl Albrecht von Bayern
soll Deutscher Kaiser werden, und erhält Ober- Oesterreich, Böhmen,
14
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Tyrol und Breisgau ; dem Könige von Preuszen wird , wenn Er auf Jülich und Berg verzichtet , Niederschlesien zugesagt ; Sachsen will man durch Mähren und Oberschlesien ködern, Russland durch Schweden im Schach halten ; zwei Französische Heere sollen in Deutschland erscheinen , das eine zur Unterstützung Carl Albrecht's , das andere zur Fernhaltung Hannovers etc."
Die Forderungen Frank-
reichs sind nicht präcisirt, aber Friedrich liest zwischen den Zeilen , dass sie diejenigen des Löwenantheils sein werden. Friedrich ist zu klug, um auf derartige Propositionen sofort einzugehen ; Er hat im Anti - Machiavell ( Cap . XXVI) gesagt :
" In den kritischen Zeitpunkten , wo man ein Bündniss schlieszen will , muss die Vorsicht der Fürsten noch wachsamer sein als gewöhnlich ; " und Seine Meinung hierüber ist unverändert geblieben.
Auch die
glatte Zurückweisung dieser Vorschläge würde unklug sein ; Friedrich temporisirt und will dieses Französische Bündniss Sich als Nothmittel vorbehalten. Inzwischen unterhandelt Er auch nach anderen Richtungen, aber nicht erfolgreich.
England zeigt sich reservirt und
zweideutig ; Russland , wo inzwischen Elisabeth den Thron bestieg, changirt in eine fast schon drohende Haltung herüber, und Holland erklärt sich ganz unumwunden gegen die Preuszischen Ansprüche auf Schlesien. Wenn Friedrich jetzt das Französische Bündniss verschmäht, so bekommt Er auch Frankreich gegen Sich, und dann ist nicht nur Sein Schlesischer Anspruch, sondern auch Seine politische Existenz gefährdet ;
Er wird also genöthigt, dem zwischen Frank-
reich , Bayern und Spanien , Oesterreich gegenüber, geschlossenen Nymphenburger Bunde, für den auch Kursachsen gewonnen ist, am 5. Juli 1741 , im Sinne der früheren Verabredung mit Belle- Isle, beizutreten, wobei indessen eine noch zeitweilige Geheimhaltung dieser Seiner Stipulation bedungen ist. Inzwischen gesetzt.
wurde der
Krieg mit kleinen Schachzügen fort-
Neipperg stand bei Neisse ; der König war ihm nur bis
Grottkau gefolgt , und nahm dann eine Stellung auf den Strehlener Höhen, wo Er Breslau nahe stand, und ganz Niederschlesien deckte . Neue Recruten und Pferde wurden herbeigeschafft, man wurde immer schlagfertiger,
und pointirte auf die nur scheinbar neutrale,
innerlich doch gegen Preuszen
aber
arbeitende Hauptstadt Schlesiens.
Das originelle Zwischenspiel der dortigen Frauenverschwörung, welche Breslau den Oesterreichern zurückliefern, die Preuszischen Magazine entreiszen, und den König von Brandenburg abschneiden wollte, wurde
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
15
entdeckt, und Breslau, in Folge dessen, am 10. August überrascht und bewältigt. Maria Theresia offerirte, nach dieser Erfahrung , dem Könige, für eine Verzichtleistung auf Schlesien, Limburg und das Spanische Geldern, nebst zwei Millionen Thalern ; das war noch keine Versuchung und konnte leicht zurückgewiesen werden. Aber es ging weiter. Die Lage Oesterreichs wurde, dadurch dass Schweden gegen Russland auftrat, Polen sich zu den Gegnern Oesterreichs hielt, und England jetzt gehemmt war, peinlich , und es machte gröszere Anerbietungen.
Dem Könige von Preuszen wird jetzt ganz Nieder-
schlesien, bis zur Neisse, offerirt ,
aber Er kann , wegen eines
halben Resultates , Seinen gegen Bayern und Frankreich übernommenen Verpflichtungen nicht untreu werden. Diese Bundesgenossen zeigten eine rege Thätigkeit.
Der Fran-
zose bedrohte von Westphalen aus Hannover, der Bayer rückte bis Linz vor ; Friedrich Seinerseits erhielt durch einen auch nach Mähren und Böhmen herübergreifenden Diversionskrieg die Oesterreichischen Streitkräfte mindestens in Spannung. Je mehr Terrain die Königin von Ungarn gegen den von den Franzosen unterstützten Kurfürsten von Bayern verlor,
und je weniger ihr eine Hülfe Englands und
Russlands, die jetzt gehemmt waren, in Aussicht kam, desto höher stieg ihre Noth , und zuletzt blieb ihr nur ein volles Zugeständniss an Preuszen übrig.
Niederschlesien und ein Theil Oberschlesiens
sollen, wenn Friedrich nichts Weiteres gegen Oesterreich unternehmen will, an Preuszen übergehen ; Neipperg wird Schlesien baldigst verlassen, - im December wird Friede, und bis dahin Waffenruhe sein." Das war immerhin ein in Betrachtung kommendes Programm, und eine darauf bezügliche Rücksprache, zu der sich der König, Neipperg und Lord Hinfort begaben, fand am 9. October zu Oberschnellendorf im Fürstenthume Oppeln statt ;
unbedingt kam der
König hier in grosze Versuchung und stand an einer gefährlichen Stelle. Einerseits winkt Ihm das Ziel Seiner Kraftanstrengung , über jede Voraussicht hinaus, in nächster Nähe ; Er wird ein neues Haus mit drei Hammerschlägen erbaut , eine neue Aera der Politik und Cultur mit zehn Blutstropfen erobert haben, - welcher Ruhm, und welche Belohnung ! Aber andererseits :
Sind das nicht Fallstricke ?
Trägt sich das
tiefgrollende Oesterreich und das zweizüngige England nicht mit Hintergedanken ?
Kann diesem von der äuszersten Noth erpressten
Zugeständnisse vertraut werden ?
Steht nicht, wenn das Messer von
16
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
der Keble sinkt, die jetzige Combination zerstreut ist, und die gegenwärtigen Hülfen und Haltpunkte Preuszens fehlen, eine reagirende Krisis in Aussicht ? Man bricht mit Frankreich und versöhnt dadurch England nicht ; man ruinirt Carl Albrecht, damit Oesterreich verstärkt, und eine spätere Niederlage Preuszens um so gewisser sei ; man lässt Russland über seine jetzigen Hindernisse hinwegkommen, um es in Jahresfrist auch gegen sich zu haben. Solche Erwägungen machen es zweifelhaft, ob man sich auf dem Gipfel oder am Abgrunde befindet. Was soll geschehen ? Der Kriegspolitiker steht vor einem groszen Fragezeichen.
Aber das Genie Friedrich's fand sich durch diesen Engpass ; die hohe Gesinnung unterstützte es, und Seine Kriegspolitik bestand hier eine schwere Prüfung überaus glänzend. Der König trat in die erwähnte Besprechung ein, denn diese war an sich unschädlich ; aber die präcisesten Erwägungen hatten stattgefunden und Seinen Entschluss fertig gemacht.
Er statuirt eine
Waffenruhe und knüpft den demnächstigen Friedensschluss, der Ihm noch inopportun erscheint, an gewisse Vorbedingungen, die Oesterreich voraussichtlich nicht inne halten wird. Man misstraut den Danaern, auch wenn sie Geschenke bringen," -- " Oesterreich rettet sich nicht blos durch einen solchen Separatvergleich , sondern es speculirt auch mit ihm ; die bedrohliche Coalition wird dadurch zersprengt , und wenn die Königin von Ungarn dann freie Arme hat, wird sie das jetzt Verlorene mit Profit zurückbringen. " Friedrich braucht eigentlich keine Waffenruhe, und blos strategisch betrachtet, würde Er ohne dieselbe besser fahren, aber Er sucht sie dennoch, aus tieferer Ursache, die wir weiterhin angeben.
Die Vergleichungs-
punkte , welche zu Oberschnellendorf verhandelt sind ,
werden von
Ihm genehmigt, aber unter dem Bedingnisse ihrer absoluten Geheimhaltung bis zum Austrage der Sache ; wenn diese Clausel verletzt wird , so ist man an Nichts gebunden. Gegner, und weisz genau,
Der König kennt Seinen
dass er nicht schweigen wird ;
man hat
also den Waffenstillstand und sichert sich gleichzeitig die politische Rückzugslinie. Neipperg ging jetzt nach Mähren zurück ; Neisse wurde nur zum Scheine belagert und ergab sich nach zwölf Tagen ; der Erbprinz von Dessau begab sich mit einer Heeres - Abtheilung nach Böhmen , die übrigen Preuszischen Truppen , unter Schwerin, lagerten in Oberschlesien. Friedrich schrieb am 25. October sehr charakteristisch an Jordan :
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
17
„ Sie wollen durchaus Frieden und werden ihn doch nicht bekommen ;
aber dafür verspreche
ich Ihnen eine baldige Beendigung dieses Feldzuges.
Kommen Sie her ,
ich
will mit Ihnen
sprechen ; nachher soll es nur auf Sie ankommen , ob Sie voran nach Berlin gehen wollen ;" am 4. November aber schloss Er ein geheimes Trutz- und Schutzbündniss mit Bayern.
Nachdem am 7. November zu Breslau die
Huldigung der Stände Schlesiens angenommen worden , ging der König nach Berlin und beendete hiermit den Feldzug von 1741. In dem denselben behandelnden dritten Capitel Seiner n Histoire de mon temps " heiszt es am Schlusse sehr bedeutsam : „ Der König fing an durch seine Fehler den Krieg zu lernen ; aber die überwundenen Schwierigkeiten waren nur ein Theil dessen , was ihm zur Ausrüstung seines Werkes noch bevorstand. "
Die Waffenruhe sollte nicht lange dauern ; ehe aber der Feldzug von 1742 in Betrachtung kommt , müssen jene besonderen Gründe, aus denen der König einen derartigen Zwischenact gesucht hatte, erörtert werden. Friedrich wollte Schlesien erobern, und war deshalb mit Frankreich alliirt. Diese dem Deutschen Nachbar stets feindliche Macht hatte sich aber dabei ganz andere Ziele gesteckt.
Ihr kam es nur
darauf an, sich in die Deutschen Angelegenheiten zu mischen, um daraus, wie im dreiszigjährigen Kriege, unverhältnissmäszigen Vortheil ziehen zu können .
Ihr Interesse verlangte an der Rheinlinie
schwache Nachbarn ; wo hier ein widerstandsfähiger Fürst war, sollte er ruinirt werden, - wo sich ein Zusammenhalt fand, wünschte man ihn auseinander zu stören.
Der Gallier, als Oesterreichs historischer
Feind, wollte diesem und zugleich dem Deutschen Reiche ans Leben ; aber auch das kühn aufstrebende Preuszen belästigt ihn, und es gilt ihm im Ganzen fast gleich, ob er zuerst Oesterreich durch Preuszen, oder dann Preuszen durch Oesterreich niederwirft.
So wie die Um-
stände jetzt liegen , beabsichtigt gegenwärtig der „ Allerchristlichste König" in erster Reihe die Oesterreichische Groszmacht und den Deutschen Reichsverband abzuthun, aus deren Trümmern dann, mit knapp zugeinessenen Rayons, vier Mittelstaaten : Oesterreich- Ungarn, Preuszen, Bayern und Sachsen, hervorgehen sollen. Dieselben werden sich in der Dauer nicht mit einander vertragen, und , vermöge des Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. band XXVIII. 2
18
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Zwiespaltes, unter Frankreichs thätigster Mitwirkung, nach und nach aufgerieben werden ; wenn dann die Germanen entkräftet sind, macht man sie zu Französischen Vasallen. Es war das die Politik Philipp's von Macedonien, oder auch diejenige des Römischen " Divide et impera " ; dass man aber in Paris so speculirte, wusste Friedrich genau, und so konnte Ihm das Französische Bündniss eben nur ein unerwünschtes Nothmittel sein.
Er wurde durch die Umstände dazu
genöthigt, reservirte Sich aber innerlich dasjenige Verhalten, welches Ihn in die Lage setzen würde, bei Erstrebung des eigenen Zieles, doch stets das Gallische Project fern zu halten.
Die Königin von
Ungarn stand jetzt nahe am Ruin ; wenn ihr Nichts zu Hülfe kam , so konnte das Französische Programm in Scene gehen.
Das würde
der in Seinen Gesinnungen absolut Deutsche Friedrich auch dann nicht gestattet haben, wenn es für Ihn Selbst und Seinen Staat ungefährlich gewesen wäre.
Die Waffenruhe, welche er der Königin
von Ungarn zuliesz , gewährte ihr so viel Spielraum und Erholung, als nöthig war, um nicht ganz
zusammenzubrechen ; die Kräfte,
welche sie dadurch gewinnt, werden das fast schon verlorene Gleichgewicht zwischen Habsburg und Bourbon wieder herstellen . König von Preuszen will ,
Der
bei nachheriger Wiederaufnahme des
Kampfes gegen Oesterreich , die jetzige Versäumniss lieber durch doppelte Mühen und Opfer wieder einbringen, als durch stetige Kriegführung dem Franzosen behülflich sein ; Er wird auch so bis zu einer Friedensconjunctur durchdringen, wo Sein specieller Zweck erreicht , und das Französische Attentat auf Deutschlands Freiheit und Ehre doch gleichzeitig vereitelt ist .
Man hat selten die Politik
so mit der Moral, den Deutschen so mit dem Preuszischen Patriotismus, und die Umschau so mit der Vorherberechnung vereinigt gesehen, als in dieser Combination Friedrich's . Wie richtig Er in allen Hinsichten geurtheilt, das zeigten schon die nächsten Erfahrungen .
Der Wiener Hof mochte jene zu Ober-
schnellendorf gemachte Verschwiegenheitsclausel nur für eine Formalität halten , vielmehr, um
denn er band sich nicht daran, sondern publicirte Nutzen daraus zu ziehen , seine Abmachungen mit
Friedrich nach allen Seiten ; der König war also , wie die Stipulation lautete, von jeder Verpflichtung los, und der Krieg konnte, bis zum geeigneten Schlusspunkte, fortgeführt werden.
Andererseits hatte
sich Oesterreich in dieser Ruhepause nicht blos erholt, sondern auch, unter ihrem Beistande, eine durchaus günstige Situation gewonnen, günstiger als sie Friedrich wünschen konnte, aber für Ihn Selbst noch nicht bedrohlich,
Maria Theresia entzündete für sich die Be-
19
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
geisterung der Maggyaren ; ein Maggyarisches Heer trieb die Bayern und Franzosen aus Oesterreich ,
und während Carl Albrecht am
12. Februar 1742 in Frankfurt a. M. als Carl VII. zum Deutschen Kaiser gekrönt wurde, occupirte ersteres seine Hauptstadt München. Frankreich entrüstete sich über die Schnellendorfer Abmachung , und nahm doch mit der Aufklärung , welche es bekam,
zumal da der
Krieg fortgeführt wurde , fürlieb ; es sah aber an diesem Vorkommnisse, wie unabhängig Friedrich's Politik , und wie naheliegend die Ausgleichung dieser Deutschen Brüder sei , die sich , bei dem geringsten Uebergriffe des Fremdlings , in eine Deutsche Phalanx zusammenschlieszen würden. Das in Böhmen stationirte Preuszische Heer hatte pro 1741 bis 1742 seine Winterquartiere hinter der Elbe genommen ; die Chaine, welche dieselben deckte, dehnte sich, längs dieser Stromlinie, etwa von Königgrätz über Pardubitz nach Kollin, ostwärts aber von der Elbe bis Brandeis.
Von dieser Position, und derjenigen Schwerin's
in Oberschlesien gingen die Preuszischen Unternehmungen des jetzt beginnenden neuen Feldzuges aus. Olmütz war schon im December 1741 besetzt , Glatz im Januar 1742 erobert worden ; den König Selbst beschäftigten wohlerwogene Pläne, die dennoch , von Seinen Partnern durchkreuzt , wieder verändert werden mussten.
Als der
Kurfürst von Bayern im December aus Oesterreich gedrängt wurde , musste sich ein Französisches Corps unter Segur nach Linz zurückziehen, und war seitdem dort bloquirt ; das Oesterreichische Hauptheer aber gelangte demnächst bis in die Höhe von Budweis und stand, zwischen Moldau und Luschnitz, mit der Front gegen Tabor, sehr gut situirt.
Um es aus dieser Position zu treiben , plante der
König einen concentrischen Angriff mit vereinter Kraft aller Verbündeten ; da dieses Project aber an der Französischen Unwillfährigkeit scheiterte, so blieb Ihm nur ein Vormarsch gegen Mähren , durch den man Brünn und Iglau gewinnen, das Oesterreichische Hauptheer indirect delogiren , und auch wohl Segur aus Linz befreien möchte, übrig. Wenn Er hierzu nur theilweise Seine eigenen, vorwiegend aber Sächsische Streitkräfte, welche damals an der Sazawa standen, brauchen wollte, so rechtfertigte sich dies schon durch den Umstand , dass Mähren dem Kurfürsten von Sachsen zugesagt war, und es ihm also in erster Reihe oblag, sich um dieses Object zu bemühen.
Aber
Friedrich begegnete hierin politischen Schwierigkeiten und beseitigte diese nur mühsam und mit erheblichem Zeitverluste . Er nach Olmütz ,
Hierauf ging
zog aus Oberschlesien 15,000 Mann Preuszische
Truppen heran, und vereinigte diese mit den Sachsen, deren Lang2*
20
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
samkeit aber die Expedition neuerdings aufhielt.
Man ging nun vor-
wärts ; da aber diese Verbündeten bei Iglau stehen blieben, Segur sich in Linz ergab , der König von Polen diesem Feldzuge keine Opfer bringen wollte, und die Rüstungen Ungarns immer groszartiger wurden, so zerschlug sich auch dieser Plan Friedrich's, und man blieb zunächst auf eine Diversion Zieten'scher Husaren, welche bis in die Nähe Wiens schweiften, sowie auf einen kleinen Vorstosz, den der Prinz Dietrich von Dessau gegen Ungarn machte, beschränkt. Auch Brünn liesz sich nicht erobern, weil der König von Polen, wegen angeblichen Geldmangels, kein Belagerungsgeschütz senden wollte, und Friedrich lernte einsehen, dass Seine Strategie nur da Früchte in Aussicht gab, wo Er tiber gehorsame Truppen, wie die Seinigen, frei verfügen konnte.
Die üblen Folgen seiner Indolenz hatte in-
dessen zumeist August III. selbst zu büszen, denn er verscherzte so das ihm zugedachte Mähren.
Friedrich Seinerseits verliesz , da Er
nicht unterstützt wurde, diese Provinz mit 12 Bataillonen und 15 Escadrons, um nach Böhmen zu gehen, und als der Sächsische Minister v. Bülow Ihn bei dieser Gelegenheit fragte, wer denn nun dem Könige von Polen die Mährische Krone aufsetzen würde , gab ihm Friedrich die sehr charakteristische Antwort : „ Man gewinnt Kronen nur mit grobem Geschütz , und wenn es an diesem vor Brünn fehlte , so ist dies die eigene Schuld Sachsens. " In Mähren blieb nur der Prinz Dietrich mit 19 Bataillonen und 25 Escadrons und rückte von Olmütz aus südwärts vor, um bei Wischau, nordöstlich von Brünn, den Prinzen Carl von Lothringen, welcher mit dem Oesterreichischen Hauptheere in Mähren erschienen war, in guter Position zu erwarten ;
er wurde jedoch nicht ange-
griffen und ging demnächst, nach Verbrauch seiner Proviantvorräthe, ohne verfolgt zu werden, bis in ein Lager zwischen Troppau und Jägerndorf zurück. Der König war unterdessen am 17. April bei dem hinter der Elbe stehenden Heere des Erbprinzen Leopold angelangt, und verstärkte es durch die aus Mähren mitgebrachten Truppen .
Man besasz
hier, allen Uebelständen dieses Feldzuges gegenüber, eine ausgeruhete und ganz intakte Streitmacht ; auf ihr und überhaupt auf den eigenen Kriegsmitteln und Intentionen beruhte
aber auch
die Zuversicht,
welche man gewinnen konnte, ganz allein ; - der übrige Zusammenhang zeigte sich ganz unerfreulich .
Die Verbündeten Friedrich's
waren nicht nur voll Zwietracht und Uebelwilligkeit , sondern auch vielfach kriegsuntauglich ; man wurde durch sie mehr gehemmt als
127 21
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
gefördert , und ein ferneres Zusammengehen mit ihnen stellte nur endlose Verwickelungen, und vielleicht einen schlieszlichen Misserfolg in Aussicht.
Solche Partner verdienen keine Rücksichten ; sie nöthi-
gen dem Könige von Preuszen eine Schwenkung auf und haben die ganze Situation verändert.
Jetzt ist Oesterreich stark und Frank-
reich ziemlich impotent ; wenn ersteres unter diesen Umständen Schlesien an Friedrich überlässt, so wird dies werthvoller und dauerhafter sein, als die nur vom Nothstande erpresste gleichartige Concession, welche sich kürzlich darbot.
Der König kam mit diesem
Calcul auf die frühere Friedensunterhandlung mit Oesterreich zurück , aber letzteres zog jetzt andere Saiten auf; die Mäszigung im Glücke war
ihm so
Friedrich sah ,
wenig dass
gegeben ,
als
die
Festigkeit im
Unglücke.
Ihm zur Erreichung des Zweckes nur Sein
gutes Schwert übrig blieb ;
Er wird mit diesem, und nur mit ihm
allein die Oesterreicher nochmals schlagen, und wenn sie dann herabgestimmt sind, so schlieszt Er mit ihnen, ohne jede Rücksicht auf die Bundesgenossenschaft , einen Ihm das Schlesische Besitzthum garantirenden Frieden. Das in Böhmen befindliche Preuszische Heer zählte nur 33,000 Mann , aber es war ausgeruht und kriegstüchtig ,
seine Ernährung
schien gesichert , und die Verbindungen und Rückhalte,
welche es
besasz, gaben ihm eine um so gröszere Standfestigkeit. Bei Troppau stand Prinz Dietrich ; das Commando in Oberschlesien führte jetzt Fürst Leopold, und von ihm wurde General von Derschau mit 8 Bataillonen und 30 Schwadronen
zur Verstärkung Friedrich's nach
Böhmen gesendet, wonach Ersterer noch 18 Bataillone und 60 Schwadronen behielt. Während Derschau im Marsche war, erfuhr man , dass der Prinz von Lothringen mit dem Oesterreichischen Hauptheere bei Zwittau aus Mähren nach Böhmen übergetreten sei, und nun auf seinem Vormarsche gegen Prag den König angreifen wolle ; die Intention desselben begegnete sich also mit derjenigen Friedrich's, und Letzterer hatte zwischen einer Vertheidigung hinter der Elbe und dem offensiven Vorstosze zu wählen. Er entschied Sich, sowohl als Stratege wie als Politiker für letzteren, da der Zweck,
auf
welchen es Ihm ankam, nur durch eine den Habsburgern imponirende Action, wie sie blos aus der Offensive hervorgehen konnte, zu erreichen war. Wenn man sich hinter der Elbe gut vertheidigte und den Oesterreicher zurückwiese, so wäre das doch nur ein halber Erfolg ; man würde in diesem Falle doch immer von Prag abgeschnitten werden, und die Kriegslage Oesterreichs müsste sich hiermit verbessern, seine Zuversicht, welche man deprimiren wollte, ganz
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
22
im Gegensatze hiermit, nur erhöhen . Geht man hingegen dem Feinde kühn entgegen, schlägt man ihn im offenen Felde, und bleibt Herr in Böhmen, dann ist die Partie, in dem Sinne wie man es will und braucht, gewonnen. Solchen Erwägungen folgend, concentrirte der König Sein Heer bei Chrudim, und brach am 15. Mai mit der Avantgarde südwestwärts auf, indem der Erbprinz von Dessau Ihm in dieser Richtung mit der Armee folgte. Bei Czaslau traf man am 17. Mai den Feind , dessen Schlachtlinie sich nördlich dieses Dorfes ausbreitete, während die Preuszische, ihr gegenüber,
das Dorf Chotusitz im
Centrum hatte, und ,
mit südsüdwestlicher Front sich rechts an die Teiche von Cirkwitz und Trzebetitz, links an das Flüsschen Dobrawa lehnte.
Die rechtzeitige Besetzung einer Anhöhe vor dem Preuszi-
schen rechten Flügel ,
und die wirksame Beschieszung des Oester-
reichischen linken Flügels von dort aus, effectuirten schon beträchtlich , und nicht minder bereiteten , trotz einzelner Störungen , die Attaken der Preuszischen Cavallerie des rechten Flügels den Sieg vor ; die wirkliche Entscheidung aber wurde erst herbeigeführt , als der Erbprinz von Dessau mit der zuerst geworfenen Infanterie des Preuszischen linken Flügels
eine Flanke bildete ,
und das Dorf
Chotusitz, welches die Oesterreicher genommen hatten, zurückgewann. Der König benutzte dies, die Infanterie des Oesterreichischen linken Flügels , vom Preuszischen rechten her, heftig anzugreifen,
und da
erstere nun gegen die Dobrawa hingedrängt wurde,
so verwirrte dies die Schlachtordnung des Gegners und entschied, nach nur dreistündigem Kampfe , den Preuszischen Sieg. Das Oesterreichische Heer zog sich nach diesem Verluste auf der Strasze nach Iglau bis Deutsch-Brod zurück , der König aber bezog am 1. Juni ein Lager bei Kuttenberg. Friedrich tadelte , in Betreff dieser Schlacht , den Erbprinzen Leopold, weil er das Terrain nicht gehörig benutzt und den linken Flügel versäumt habe, Sich Selbst, dass Er bei der Avantgarde und nicht bei der Armee gewesen sei ; gleichwohl gewannen diese Beiden durch ihre Veranstaltungen die Schlacht , und gleichwohl hat ein Kriegsschriftsteller von Bedeutung , der nicht zu Friedrich's Lobrednern gehörte *) , ausgesprochen, 99 dass Friedrich gerade durch die Schlacht von Czaslau den ersten Beweis Seiner Bestimmung zum
*) Georg Heinrich v. Berenhorst, des Fürsten Leopold von Dessau natürlicher Sohn.
23
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. Feldherrn geliefert habe *).
Seinen Truppen spendete der König,
bezüglich dieser Affaire, das gröszte Lob, und schlieszlich that Er, um Seine beiden Hauptschlachten des ersten Schlesischen Krieges zu vergleichen, und im speciellen Hinblicke auf die kriegspolitische Wirkung der Czaslauer Action , den bedeutsamen Ausspruch : „ Die Schlacht von Mollwitz war lebhafter , blutiger , und wichtiger in Absicht auf ihre Folgen gewesen. Wären die Preus zen bei Chotusitz geschlagen worden , so war darum der Staat nicht ohne Hülfe ; aber der Sieg verschaffte hier den Frieden. "
Die Franzosen hatten
zwischenzeitig unweit
Budweis ,
über
Fürst Lobkowitz einen kleinen Vortheil erreicht, und suchten jetzt den König zu weiterem Vorgehen anzuregen, aber erfolglos . Friedrich hatte die lahme Hülfe und gleiszende Arglist dieses Partners genugsam kennen gelernt, und begann , ohne Rücksicht auf denselben, in neue Friedensunterhandlungen mit Oesterreich einzugehen.
Da im
Englischen Ministerium eine Veränderung stattgefunden und
der
neue Minister, Lord Carteret , sich , schon aus Hass gegen Frankreich, der Friedensvermittelung zwischen Preuszen und Oesterreich widmete , auch der Czaslauer Erfolg Friedrich's eindrucksvoll gewesen war, so zeigte sich der Wiener Hof jetzt nachgebend und die Königin von Ungarn trat, in den zu Breslau verhandelten Präliminarien , dem nebst
der
Könige von Preuszen Ober- und Niederschlesien ,
Grafschaft
Glatz ,
ausgenommen
die
Städte
Troppau,
Teschen und Jägerndorf und das jenseits der Oppa liegende Gebirge ab, -- wogegen Preuszen 1,700,000 Thaler, welche von England pfandweise auf Schlesien geliehen waren, an Oesterreich zurückzahlen sollte.
Die anderen Bedingungen betrafen nur Einzelnes und
Untergeordnetes ;
der definitive Friedensschluss erfolgte , in voller
Bestätigung der Präliminarien, am 28. Juli 1742 zu Berlin. Dieser erste Krieg um Schlesien zeigte, nach allen Richtungen hin, die eigenartigsten Bewandtnisse .
Von Auszen her ist in ihm
durch die Fehlgriffe Anderer die Preuszische Kriegsthätigkeit vielfach gehemmt, aber auch unterstützt worden ; dem allgemeinen Interesse Preuszens diente die Zwietracht der Staaten sehr belangreich . Der König und Sein Heer leisteten schon in diesem Feldzuge
*) In seinem Werke : ,, Betrachtungen über die Kriegskunst etc. , I. Abtheilung, 6. Abschnitt.
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
24
Auszerordentliches , doch ist ihnen auch Dasjenige zu Hülfe gekommen, ohne welches grosze menschliche Erfolge, auch bei auszerordentlicher Begabung und Strebsamkeit, kaum denkbar sind — das Glück.
Es ist das gröszte Agens des Lebens ,
und Geist , Kraft,
Tugend, Fleisz, Heldenmuth und Wissenschaft werden, selbst wo sie reichlich vorhanden sind , den vom Glücke Gemiedenen immer nur auf Dornenwegen führen.
Friedrich ist in Seiner Kriegslaufbahn,
und so auch im gegenwärtigen Feldzuge, von jener Macht sehr beZu Seinem günstigt worden , und erkannte das vollständig an. Glücke mischte sich das nur eigennützig speculirende Frankreich, unter falschen Voraussetzungen , in diesen Krieg ; ebenso wurde Russland durch Schweden beschäftigt, und das damals antipreuszische England vom Schicksale selbst impulsirt, einen für Preuszen günstigen Friedensschluss zu vermitteln.
Das waren Glücksfälle oder Vor-
sehungsgedanken, in jedem Falle Hülfen, deren Unabhängigkeit von der eigenen Kraft sich nicht verkennen liesz . Wie philosophisch über dergleichen dachte , das bewies Er durch den
Friedrich
Ausspruch : Es ist nur das Glück , was über den Ruf entscheidet ;
wer vom Glücke begünstigt ist , er-
hält Beifall , und wen es verschmäht ,
der wird
getadelt ; " doch hätte Er, bei minderer Bescheidenheit, noch hinzusetzen können, dass das sich darbietende Glück , um Wesen und Wirkung zu bekommen, doch immer erst als Glück erkannt, und im richtigen Momente ergriffen werden muss ; - und dass diese Kunst, wie sie Ihm geläufig war, den meisten anderen Politikern und Feldherren Seines Zeitalters fehlte.
Friedrich veränderte durch diesen nur zweijährigen Krieg die Weltstellung Preuszens und die Europäische Begriffsweise in Betreff desselben gänzlich. Vorher taxirte und behandelte man uns oberflächlich, jetzt standen wir in Ansehen, weil man uns fürchtete, und dies ist in nächster Folgezeit schon dadurch bewiesen worden, dass man gegen uns attentirte, und hierzu grosze Kräfte und ausgedehnte Verbindungen für nöthig hielt. 1740 galt der Preuszische Angriff auf Oesterreich für eine Abenteuerei und 1742 für eine groszartige und glänzende Unternehmung ; 1740 wies uns Oesterreich hochmüthig zurück und 1742 beugte es seufzend sein Haupt. Friedrich hat in diesen zwei Jahren Oesterreich um eine Provinz ärmer gemacht , aber doch zu dessen politischer Aufrechthaltung geflissentlich beigetragen ; Er benutzte den Franzosen und gab ihm doch eine Lection.
Dem
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. intriguirenden Gegner
an der
Themse
wurde ,
so
lange bis
25 er
schwenken musste , Stand gehalten , die Sache des Kaisers in den Grenzen bedient ,
welche sich durch die Pflicht der Selbsterhaltung
und vermöge der bundesgenossischen Indolenz bildeten ; dem Polen, welcher nur essen, aber nicht arbeiten, nur ernten, aber nicht säen wollte , ist einfach der Rücken gekehrt worden.
Es waren Viele
berufen , aber nur Einer war auserwählt , und Er hat von dieser Rennbahn nicht blos den äuszeren Siegespreis ,
sondern auch un-
schätzbare Kenntnisse und Erfahrungen nach Hause gebracht. (Schluss folgt.)
II.
Ueber
die
Nothwendigkeit
einer
positiven
Taktik. Nach dem Französischen des Generals Lewal.
Bedingt durch die wichtige Stellung, welche der Offizier in der heutigen Zeit einnimmt , ist die gründliche Ausbildung desselben. So unbestritten dieser Grundsatz ist ,
ebenso getheilt sind die An-
sichten über die Art und Weise der Ausbildung ; besonders in Frankreich hat man nicht immer das volle Verständniss für den besten einzuschlagenden Weg gehabt. Im Groszen und Ganzen lassen sich zwei Methoden der Belehrung unterscheiden : die eine strebt mehr das Verständniss für den Zusammenhang der militairischen Begriffe an, sie betreibt philosophische Speculationen, und findet in der Strategie das Feld ihrer Thätigkeit, - die andere steigt dagegen in das Detail der praktischen Ausführung einfacher Ideen, d. h. sie wendet sich der Taktik zu . In den verschiedenen Phasen der Geschichte findet man beide Methoden fast gleichmäszig vertreten, aber fast immer sieht man das specifisch auf die praktische Entwickelung der Dinge gerichtete Streben, die endliche Ueberlegenheit bewahren, während selbst das
26
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
blendende Genie, wenn es lediglich auf strategische Ueberlegenheit angewiesen bleibt , auf die Dauer das Feld nicht behaupten kann. In Frankreich hat man sich von jeher mehr dem Studium der Strategie zugewendet, ja die Kriege dieser Nation haben sehr häufig den Charakter abenteuerlicher Diversionen gehabt.
Um nur Bei-
spiele aus den letzten 60 Jahren anzuführen : was sind, der Krieg in Spanien , der Afrikanische, die Belagerung von Sebastopol ,
der
Italienische Feldzug , die Expeditionen nach China und Mexiko Anderes als der Ausfluss des nach Abenteuern strebenden Französischen Nationalcharakters ?
Die eigentliche
militairische Vervoll-
kommnung haben alle diese Feldzüge wenig gefördert.
Ganz anders
in Deutschland ; hier beschäftigte man sich fast ausschlieszlich mit der Prüfung taktischer und organisatorischer Fragen, ohne activ an diesen Kriegen theilzunehmen, und suchte in ernster, andauernder Friedensarbeit die Armee vorwärts zu bringen.
In Frankreich hatte
man allerdings nach der Restauration einen ähnlichen Anlauf genommen, doch trat man bald, ermattet, von dieser schwierigen Arbeit zurück, um wieder in die alte Gallische Sorglosigkeit zurückzufallen . Aus dieser Zeit schreiben sich auch die nebelhaften unklaren Lehrsätze her, mit denen man den Französischen Offizier in den letzten 50 Jahren abgespeist hat.
Lehrer und Schriftsteller waren unfähig , praktische Fragen zu erörtern , ergingen sich deshalb in müszigen Betrachtungen und sprachen der Strategie eine unbegründete Bedeutung zu , während doch diese Kunst zwar für das hervorragende Genie von Wichtigkeit, aber selbst für das Talent ohne entscheidenden Werth ist. Und doch sind die hohen strategischen Ideen nur das Erbtheil sehr vereinzelter, ganz hervorragender Wesen , während die Kenntniss und Ausführung des Details ein Gemeingut Aller bildet ; zudem findet sich wohl zuweilen Gelegenheit , eine strategische Idee zu verwerthen, von dem Verständnisse der Taktik muss man aber sein ganzes Leben zehren .
In Frankreich wollte man immer Armeen,
Armeecorps und Divisionen commandiren , wie aber ein Bataillon, eine Compagnie
zu führen sei , darum bekümmerte man sich nicht .
Man hielt es für möglich,
sich in taktischer Hinsicht aus der Ver-
legenheit ziehen zu können , man glaubte in der Organisation improvisiren zu können, und darin lag die Ursache zu unserem Unglücke .
In Deutschland hatte man die entgegengesetzte Auffassung und richtete die gesammte Aufmerksamkeit auf Entwickelung der
Taktik und Organisation ; hierauf beruhen die groszen Erfolge der Deutschen Heere. -
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
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Aus der Kriegsgeschichte geht aber noch die andere wichtige Lehre hervor, dass die strategischen Combinationen zu allen Zeiten annähernd dieselben waren, mit der Beschränkung , dass in der neuesten Zeit durch die Telegraphie, die schnellen Verkehrsmittel, die Grösze der Armeen ihnen an sich ein weit geringeres Feld der Wirkung zufällt wie früher.
Feldzüge, wie die Napoleon's im Jahre
1800 und 1805, wären heute geradezu unmöglich .
Die Eisenbahnen
geben heute ganz genau den Versammlungsbereich an, für die Ernährung der Armeen ist man auf sie allein angewiesen ;
auszerdem
geräth man bei Eröffnung des Feldzuges allemal so nahe an einander (? der Uebersetzer), dass für gekünstelte Märsche, für hochweise Pläne gar keine Bewegungsfreiheit herrscht. Dazu kommt, dass die ungeheueren Massen der modernen Heere, welche die Entscheidung herbeiführen, die geistvoll ausgedachten Bewegungen ungemein erschweren . Die gewandten Operationen Napoleon's in den Feldzügen 1796, 1800, 1805, 1814 wurden mit kleinen Armeen ausgeführt ,
sobald aber die Massen gröszer wurden, verkleinert sich
auch bei Napoleon der Einfluss der strategischen Beanlagung : 1808 , 1809, 1812, 1813. Dasselbe erkennt man in den Feldzügen von 1866, 1870, 1877 . Der Angreifer hat hier als Operationsziele nur die Hauptstädte : Wien, Paris , Constantinopel ,
auf diese lenkt er seine Massen, und
macht nur Halt , um die ihm in den Weg tretenden gegnerischen Heere aufs Haupt zu schlagen . Eigentlich giebt es nichts Einfacheres , nichts Vernünftigeres .
trotzdem aber auch
Die modernen Kriege haben also den Einfluss der Strategie abgeschwächt. Mit den Einzelheiten der Ausführung : der Taktik, der Organisation, der Ausrüstung , der Bewaffnung, verhält es sich aber ganz anders, hier sind geradezu vollständige Umwälzungen eingetreten, und wir stehen noch lange nicht am Ende der Uebergangszeit. Jomini behauptet, die taktischen Begriffe ständen fest , die Strategie sei im höchsten Grade wandelbar ; er hatte Unrecht mit dieser Behauptung ; Clausewitz nennt die Strategie eine keineswegs blos militairische Kunst , sondern eine zugleich politische, staatswissenschaftliche, der General Scharnhorst bestreitet sogar den Nutzen der Strategie überhaupt und sagt, die Combination an sich sei nebensächlich, es handle sich nur darum, eine bestimmte Idee schnell zu erfassen und dann energisch auszuführen.
Ohne die letzte Ansicht unbedingt anzunehmen , muss man zu-
28
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
geben, dass die neuere Kriegführung den Werth der Strategie zu Gunsten der Taktik herabgedrückt hat , das Studium der Kriege unseres Jahrhunderts beweist dies schlagend .
Die Lage der Französischen Armee nach der Restauration im Jahre 1815 hat in manchen Beziehungen einige Aehnlichkeit mit der heutigen. Auch damals beschäftigte man sich mit der Reorganisation auf neuer Grundlage ,
mit der Einführung von Aenderungen wie
jetzt ; aber trotz der Bemühungen bedeutender Personen widmete man der sorgfältigen Ausbildung der Truppe nur eine geringe Aufmerksamkeit, man gestand die Bedeutung einer peinlichen Ausbildung der Offiziere nicht allgemein zu .
Dreiundzwanzig Jahre lang hatte
man unter den verschiedensten Verhältnissen in allen Klimaten Krieg geführt, mit allen Fragen der Kriegskunst hatte man sich beschäftigt und Groszes geleistet.
Die Offiziere waren in praktischer Erfahrung
gereift, ihre theoretische Ausbildung war gering ; daraus hatte man den Schluss gezogen, dass die wahre Schule des Offiziers der Krieg sei und zu seiner wirklichen Schulung das Pfeifen der Kugeln gehöre.
Die Erfahrung gälte Alles , die Belehrung sehr wenig .
Vor
der ruhigen Beurtheilung hat jedoch diese Auffassung keinen Bestand . Es genügt keineswegs, Kriege mitgemacht zu haben, um den Krieg zu kennen , man muss über das Erlebte nachgedacht , die Gründe, Ursachen und Wirkungen der einzelnen Erscheinungen beobachtet haben, um über die einfachste Routine, die alltägliche Praxis sich zu erheben. Die Wahrheit dieser Thatsache kann man heute wie früher erproben, kriegserfahrene Menschen haben die schwersten Thorheiten begangen in dem Augenblicke, wo sie auf die Leitung einen Einfluss gewannen, denn Praxis und Erfahrung sind unendlich verschiedene Dinge. Gerade jetzt ist dies aber doppelt wichtig, weil die einschneidendsten Veränderungen eingetreten sind , gerade jetzt, wo Muth, Hingebung , Eifer für den Offizier nicht mehr genügt , um seiner schwierigen Aufgabe gerecht zu werden . Dazu kommt , dass man sich praktische Erfahrung überhaupt nicht mehr erwerben kann : früher dauerten die Kriege lange, und die in einem Feldzuge erworbenen Kenntnisse konnten im nächsten zur Wirkung kommen.
Jetzt , wo ein langer Frieden die einzelnen
Kriege trennt, muss das Studium schon die Erfahrung ersetzen , will man nicht im Moment der Entscheidung vom Gegner überholt sein. Frankreich musste dies mit schweren Opfern erlernen , während
29
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik .
die Französische Armee auf ihren Lorbeeren ruhte, vollzogen sich in Deutschland umfassende Veränderungen in taktischer wie organisatorischer Beziehung, in Frankreich war man denselben nicht gefolgt und wurde deshalb geschlagen . Es werden nur noch wenige Jahre verflieszen, und diejenigen Hauptleute, welche selber einen Krieg mitgemacht haben, sind zu zählen, in zwölf Jahren giebt es kaum noch einen Truppenoffizier, der den Krieg aus eigener Anschauung kennt ; ehe sich dann einige Kriegserfahrung bei den Offizieren gebildet hat , sind die groszen Entscheidungen gefallen. In der Zukunft wird man also im Kriege nur mit Offizieren rechnen können , die im Frieden herangebildet sind, und daraus ergiebt sich die unbedingte Nothwendigkeit , den Offizier im Frieden auf die hohe Aufgabe, die ihm im Kriege zufällt, vorzubereiten. — Man hat behauptet ,
dass man den Krieg nicht aus Büchern
erlernen könne : das ist wahr und falsch zugleich.
Aus den Büchern
lernt man nichts , wenn dieselben sich auf allgemeine Thatsachen oder unklare Berechnungen der Phantasie beschränken ;
ziehen die
Beleuchtungen der Feldzüge aber klare Lehren aus den Begebenheiten, erläutern sie die Gründe für das Scheitern dieser , das Gelingen jener Operation und leiten daraus bestimmte Regeln für das Verhalten ab , so sind sie im höchsten Grade bildend und es kann sich Jeder aus diesen Schilderungen bestimmte Verhaltungsmaaszregeln ,
d.
h. eine
positive Taktik entwickeln.
Diese
Ueberlegung würde schon ein vollständiger Beweis sein, die Deutsche Armee hat aber auch praktisch die Sache dargethan : in langer mühevoller Friedenszeit hat dieselbe Soldaten herangezogen, welche kriegserfahrene, für vorzüglich erachtete, aber der Arbeit entwöhnte Truppen besiegten . Deutschland hat von Frankreich viel entlehnt, Frankreich braucht sich nicht zu schämen, jetzt von Deutschland zu lernen. Sorgfältige Instruction der Offiziere ist also nöthig , aber dieselbe
besteht
nicht
darin ,
dass
der
Offizier
die
Schulen
be-
sucht , sich eine gewisse Summe von Kenntnissen angeeignet und die Reglements studirt hat.
Mit einer solchen Ausbildung wird man
wohl gute Friedenssoldaten erhalten, die auf dem Exercirplatze etwas leisten den Anforderungen des Krieges aber werden sie nicht genügen.
Zu einer sachgemäszen Förderung des Verständnisses der
Offiziere in diesem Sinne gehört neben dem praktischen Felddienste das eingehende Studium der Kriegsgeschichte.
30
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik. Alles Studium, alle mehr oder weniger eingehenden Erörterungen
über militairische Fragen haben nur dann wirklichen Werth , wenn sie irgend ein bestimmtes Ergebniss aus den ins Auge gefassten Verhältnissen ziehen, wenn sie in gewissem Sinne für die einzelnen Lagen des Krieges Grundformen schaffen . Die Kenntniss dieser Grundformen ist für den Offizier unbedingt nöthig, sonst wird er im Augenblicke der Gefahr und Entscheidung nicht im Stande sein , sich mit Erfolg seiner Aufgabe zu entledigen. Wird man, um nur ein Beispiel zu wählen, einen Offizier in der Schützenlinie, der von Cavallerie attakirt wird , immer nach eigenem Ermessen handeln lassen ? Ja, aber nur in dem Sinne, dass man ihm sagt, dieses und jenes Auskunftsmittel steht zu Gebote, unter diesen ist zu wählen, alle anderen sind im Allgemeinen falsch . Gerade so verhält es sich im Marsche, Vorposten- und Aufklärungsdienste. Die gröszte Mehrzahl der Schriftsteller (Frankreichs ) bleibt aber mit der Beleuchtung der Kriegsgeschichte ganz auf der Oberfläche ; anstatt bestimmte Urtheile abzugeben, ergehen sie sich in Allgemeinheiten, und unter dem Vorwande , aus der Kriegsgeschichte lieszen sich keine bestimmten Regeln ziehen, in Muth, richtigem Blicke, in der Entschlossenheit und plötzlichen Eingebung liege die Entscheidung, wollen sie den eigenen unklaren Geist verhüllen . Aus dieser Theorie ist dann das in Frankreich so verhängnissvolle débrouillezVous" entstanden.
Vor einem scharfen Beurtheiler kann diese Auf-
fassung keinen Bestand haben. Die Eingebung ist nichts Anderes,
als die Anwendung der be-
stimmten Form auf den bestimmten Fall ; um dies sachgemäsz zu können, muss man sie nur vollkommen begriffen haben.
Dem wohl-
ausgebildeten Offizier wird dies nicht schwer, für den hohlen Kopf ist es unmöglich . Derjenige aber, der sich ein Verständniss für die Grundformen angeeignet hat , kennt auch ihre ganze Wirkung , und daraus geht dann Sicherheit des Handelns , Energie hervor, während Derjenige, welcher im Dunklen tappt, den richtigen Augenblick verpasst. Ferner dienen genaue Vorschriften für die
einzelnen Kriegs-
lagen dazu, die Verantwortlichkeit des Untergebenen abzuschwächen. Im Kriege ist für umfassende Instruction darauf an ,
keine Zeit , es kommt
nach kurzen Befehlen zu handeln , schon aus diesem
Grunde muss Jeder wissen, was er in dem einzelnen Falle zu thun hat.
Wie er die Befehle aber auch ausführen mag, er ist schon an
sich niemals vollständig sicher, den Absichten seines Vorgesetzten gemäsz zu handeln, wenn nicht bestimmte Begriffe und Ausführungs-
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik. formen den einzelnen Befehlen untergelegt werden. wendigkeit tritt um so schlagender hervor,
31 Diese Noth-
als der Untergebene
gerade heutzutage in Folge der aufgelösten Ordnung eine gröszere Selbstständigkeit hat wie früher. Dieses und dem fehlerhaften Verständnisse für Initiative kann eben nur durch strenges Aufrechterhalten ganz bestimmter Formen entgegengetreten werden, d . h. durch Entwickelung einer positiven Taktik.
Die Initiative ist ein kostbares Ding in richtiger Anwendung ; artet sie aus , so wird sie ein Verderb für die Subordination, und schlieszlich könnte es dahin kommen, dass der höhere Vorgesetzte niemals mehr weisz , inwieweit er auf die bestimmte Ausführung seiner Befehle rechnen darf, d. h. inwieweit Maasznahmen auf der einen Seite, sein Handeln in anderer Richtung decken, sichern und bestimmen. Man glaube aber nicht, dass das strenge Festhalten an gegebenen Formen dem Genie Fesseln anlegt , man meine nicht , aus dem Gesagten schlieszen zu müssen ,
dass durch das Aufstellen gewisser
Formen ganz bestimmte Schablonen gebildet werden sollen, die nun jeder Lage anzupassen wären.
Es handelt sich nur darum, die Vor-
schriften so abzufassen, dass sie auf die vorliegenden Verhältnisse in ihrer Allgemeinheit zutreffen, thun sie das nicht ,
so sind sie
schlecht, und es ist nöthig, sie abzuändern. Die Initiative des Offiziers besteht nur in ihrer sachgemäszen Anwendung auf die verschiedenen Verhältnisse. Um ein Beispiel anzuführen : Die Gefechtsbreite der einzelnen taktischen Verbände wird in den Maximal- und Minimalgrenzen festgesetzt , daraus resultirt, dass im Principe diese Abmachungen festgehalten werden sollen, das Abweichen davon in ungebührlicher Weise ist unstatthaft. Es springt in die Augen , dass bindende Vorschriften um so strenger durchgeführt werden müssen, wenn man es mit weniger intelligenten Offizieren zu thun hat, von diesen muss verlangt werden, dass sie nur ganz bestimmte Grundformen anwenden. Hierdurch wird man vielleicht nicht immer die beste Ausführung erhalten, aber jedenfalls grobe Fehler vermeiden.
Die gewissenhafte methodische Ausführung bestimmter Formen und Vorschriften, die peinliche Vorsicht ist in den einzelnen Armeen keineswegs vollständig gleichmäszig vertreten. Die individuelle Veranlagung der einzelnen Nationen giebt denselben eine mehr oder weniger hervortretende Neigung für die Kenntniss des Details. Dem
32
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
Französischen Nationalcharakter spricht dergleichen nicht besonders an ; die Gründe hierfür liegen sehr tief.
Livius und Cäsar nennen
die alten Gallier schon ein kriegerisches , aber vom wenig verstehendes Volk.
Kriege
Auch heutzutage ist die Französische Nation mehr eine kriegliebende, wie militairisch ausgebildete .
Sie hat für den Krieg ein
natürliches Verständniss , sie liebt aber nicht die sorgfältige Vorbereitung, die den Erfolg auch sicher stellt. Der ritterliche Französische Sinn mit seinen tief im Volke liegenden Wurzeln neigt zum Abenteuerlichen, verachtet die vorsichtige Klugheit, wird mehr durch die Begeisterung als die kalte Ueberlegung geleitet , und diese blendenden Eigenschaften werden dann leicht von realistischen Gegnern ad absurdum geführt. Diese Charaktereigenschaften gehen auch auf die Unterrichtsmethode über.
Die Phantasie hat hier den Platz der Logik ein-
genommen, gekünstelte Zusammenstellungen, graue Theorie sind an die Stelle der methodischen Praxis getreten .
Die positiven Schlüsse
in Form allgemeiner Regeln sind in abstracter Metaphysik des Krieges untergegangen und mit derselben haben sich viele Militairs begnügt, weil sie in keiner Richtung bindend ist.
Man rechnet mit
imaginairen Gröszen, als ob die Wirklichkeit gar nicht existirte, und hieraus bildete sich eine militairische Philosophie, mit der man keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Man glaubte lange, der Unterricht bestehe in Betrachtung aller Fragen von einem erhabenen Standpunkte, dabei ging dann aber schlieszlich der Boden, das Schlachtfeld , ganz unter den Füszen verloren. Alle Vorträge, Schriften und Abhandlungen beschränkten sich ein halbes Jahrhundert lang darauf, die Thatsachen in den gröszten Zügen zu beleuchten.
Man glaubte sich zu schädigen, wenn man
auf das Detail und bestimmte Lehren aus demselben Werth gelegt hätte. Jeder hörte es gern, dass es im Kriege keine Regeln gäbe, dass man in demselben nach den Verhältnissen mit Muth und Entschlossenheit handeln müsse.
Diese Theorie hatte natürlich viele
Anhänger, denn sie verlangte keine Ausbildung, kein Studium, keine Ueberlegung und keine Arbeit.
Man erinnerte sich nicht des Wortes
eines wirklich praktischen Soldaten, der den Ausspruch Horaz's : „ Et mihi res ,
non me rebus subjungere conor " übersetzte.
Man sage
nicht , ich werde je nach dem Wetter, den Ereignissen, den Umständen handeln, sondern ich werde trotz derselben so und so handeln. (Marschall Bugeaud .)
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
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Zwischen beiden Theorien ist ein himmelweiter Abstand : die eine ist die Auffassung der unentschlossenen Thoren, die nicht wissen, was sie wollen, und sich dem Zufalle überlassen ; die andere aber dagegen diejenige der Entschlossenen, die alle Mittel zum Erfolge anzustreben bemüht sind. Die positive Taktik hat man auch deshalb verwerfen wollen, weil im Kriege nicht nur die materiellen, sondern auch die moralischen Factoren zur Geltung kämen ; als ob die positive Taktik nicht auch mit Bravour, mit dem Elan rechnete ! Aber sie weist diesen Dingen das richtige Maasz zu. -
Früher verfolgte man in
Frankreich das Princip der offensiven Colonnentaktik ; mit der Vervollkommnung der Waffentechnik glaubte man, es komme darauf an, die Feuerwirkung in der Defensive geltend zu machen ; doch diese Theorie hat sich als falsch erwiesen. Beides muss in richtiger Weise verbunden werden , um den Erfolg zu sichern.
Mit der ausschliesz-
lichen Anwendung der Colonnen- Stosztaktik , der Anerkennung des Suwarow'schen Ausspruchs :
„ Die Kugel ist eine Thörin , nur das
Bajonnet ist ein ganzer Mann " , ist der erste Angriff der Preuszischen Garden auf St. Privat gescheitert, die starre Befolgung der defensiven Feuertaktik hat sich bei den Franzosen im Jahre 1870 als ganz unzweckmäszig erwiesen .
Die eine
Gefechtsweise bewies , dass
selbst der entschlossenste Heroismus allein nicht den Sieg erringen kann, die andere , dass durch das grundsätzliche Befolgen der Defensive der moralische Gehalt einer Truppe der Vernichtung anheim gegeben wird. Nur durch ganz bestimmte taktische Formen, durch genaueste Kenntniss der Details und der Praxis kann man dem Offizier eine richtige Anwendung
dieser verschiedenen Gefechtsweisen sichern.
Der Marschall Montluc sagte :
„ Der Soldat müsste an die Fähig-
keiten seines Offiziers glauben ", der Marschall Bugeaud verlangt weit mehr in seinem Ausspruche : „ Dem Soldaten muss von seinem Offizier bewiesen werden, dass er ihn führen kann " , und nur durch ein volles Verständniss für das Detail ist dies möglich.
Nur
in den seltensten Fällen aber wird durch einen Appell an die moralischen Factoren bei schwierigen Lagen der Erfolg gesichert werden können. Sind sie nicht durch die sorgfältigste Ausbildung unterstützt, so werden selbst Muth und Todesverachtung nicht dem gründlicher geordneten Gegner stutzen machen. Der moderne Krieg ist weit schwieriger, weit künstlicher geworden, wie der frühere, er verlangt weit mehr das feste Bestehen der Formen wie bisher, er ist eine Wissenschaft und zwar eine Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII. 3
34
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
bestimmte, die nicht mit allgemeinen Ideen, mit verschwommenen Begriffen bewältigt werden kann ; das Wort Friedrich's ist so recht eigentlich auf ihn anwendbar : „ Der Krieg ist ein Handwerk für den Dummen, eine Kunst für den besser Beanlagten, eine tiefe Wissenschaft für den Befähigten."
Zu allen Zeiten und bei allen Armeen gab es eingehende Vorschriften für die Anwendung der einzelnen Gefechtsformen, und man findet die betreffenden in Gebrauch befindlichen dann selbst unter den verschiedensten Verhältnissen analog angewendet. In Frankreich hatte man seit der Mitte dieses Jahrhunderts auf den Fortschritt verzichtet , während sich in Deutschland das regste Streben in diesem Sinne geltend machte .
Trotzdem wurden gerade hier nicht
mit neuen Grundsätzen Versuche gemacht, man war nur bemüht, die Erfindungen auf die alte Taktik anzuwenden und diese dem entsprechend zu ändern. Daraus wurde dann ein bestimmtes System entwickelt , das dem Zufalle einen möglichst geringen Spielraum zuwies. In Frankreich hat man diesen Weg erst nach 1870 betreten ; eine wirkliche positive Taktik kann sich indessen erst herausbilden, wenn man den Boden unklarer allgemeiner Ideen ganz verlässt und sich an feste Thatsachen hält. - Ein gewisser Fortschritt ist ja auch hier unverkennbar, die neuesten Instructionen sind dafür der Beweis *). Diese bindenden Vorschriften sind aber von um so gröszerer Wichtigkeit, als die kleineren taktischen Verbände heute eine ganz erhöhte Bedeutung haben. Die Aufgabe der Compagnie- Chefs und Bataillons-Commandeure ist wichtiger geworden, ein Jeder derselben muss deshalb nicht allein über die Thätigkeit seiner eigenen Waffe im Klaren sein, er muss ebenso für das Zusammenwirken mit den Weder durch das anderen ein eingehendes Verständniss haben . Studium noch durch die Praxis des Einzelnen kann dies Gemeingut einer ganzen Armee werden , sondern bestimmte Vorschriften von oben herab müssen hierfür die erste Grundlage bilden. Diese würden zusammenzufassen sein in einer positiven Taktik. Unklare Köpfe haben gemeint, es wäre nicht möglich, für alle einzelnen Fälle bestimmte Verhaltungsmaaszregeln zu geben.
So richtig
*) Instruction pratique des cadres vom 15. December 1876 ; Instruction sur les manoeuvres de brigade avec cadres vom 26. Februar 1877; Instruction provisoire sur les marches vom 1. Juli 1877 .
Ueber die Nothwendigkeit einer positiven Taktik.
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dieser Grundsatz ist , kann er doch nicht im vollen Maasze zugestanden werden, die Verhältnisse im Kriege sind sich meist viel ähnlicher, als man es auf den ersten Blick glaubt, und es ist sehr wohl möglich , für die meisten bestimmte Grundformen , wenigstens in groszen Zügen, festzustellen. Ein besonders schlagender Grund für diese Ansicht ist aus den Untersuchungen über die Feuerwirkung zu ziehen, die augenblicklich in Frankreich angestellt werden, speciell beim 1. und 6. Armeecorps . In Deutschland hat bereits ein Reglement diese Dinge entschieden. Jedenfalls bemüht man sich nicht aus bloszer Wissbegierde mit der Feststellung von Angaben in dieser Richtung, dieselben haben vielmehr eine sehr tiefe einschneidende Bedeutung : Einmal will man bestimmte Anhaltspunkte für die Feuerarten schaffen , daneben handelt es sich dann um Feststellung derjenigen Formen, welche die wenigsten Verluste im Gefechte ergeben .
Es ist selbstredend , dass man
sich nicht darauf beschränkt zu sagen : dies sind die Thatsachen , rechnet mit diesen ; nein , die mit der Prüfung Beauftragten werden als Leute, die ihrer Aufgabe gewachsen, das Ergebniss ihrer Beobachtungen in ganz bestimmten Vorschriften niederlegen und darin Verhaltungsmaaszregeln für die einzelnen Fälle abgeben .
Aus diesen
Ergebnissen der Feuerwirkung bilden sich naturgemäsz auch taktische Formen, denn die Bewegungen der Infanterie, die Attaken der Cavallerie , die Stellung einer Batterie wird ganz wesentlich durch erstere bedingt. - Diese Betrachtung führt aber noch weiter : die Dispositionen für das Gefecht bilden allemal die Grundlage für die Bildung der Marschcolonnen, für die Dislocation, für die Ausrüstung und Ausbildung der Truppen, alle Momente eines Feldzuges haben das eine Endziel : die Schlacht. Hat man für diese eine gewisse Grundform, so ist damit auch ein Anhalt für alles Andere geschaffen ; denn die Vorbereitungen bilden eine ununterbrochene Kette ,
deren Glieder
Truppe festgestellt ,
sich bedingen.
Ist die Bewaffnung der
so handelt es sich um die mögliche Wirkung
bei einer bestimmten Anwendung : damit ist dann auch ihr Einfluss auf die Taktik, die Organisation und alle Nebenumstände gegeben, die mit ihr zunächst in gar keinem unmittelbaren Zusammenhange zu stehen schienen . Daran hat man nicht immer in militairischen Dingen gedacht, man glaubte das Eine verändern zu können, Mitleidenschaft zu ziehen.
ohne das Andere in
Das ist ein Irrthum, denn zwischen Allem
besteht ein bestimmter Zusammenhang und die Grenze der Leistung erreicht man nur durch volle Uebereinstimmung der einzelnen Mittel. 3*
36
Das Sächsisch - Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde Diese Uebereinstimmung in möglichstem Umfange zu erreichen ,
ist das Streben der positiven Taktik.
Sie will keine Theorien,
keine veralteten Systeme, sie will nur unleugbare Thatsachen als Grundlage.
Aus denselben zieht sie ihre Lehren und giebt so eine
Richtschnur, von der man sich nicht ohne Gefahr lossagen kann. Damit soll nicht behauptet sein, dass man den Krieg in bestimmte Formeln bannen könne, wie es von Einigen behauptet ist. Die positive Taktik will keine Recepte für den Sieg schaffen, sondern nur die Wahrscheinlichkeit des Erfolges nicht dem Zufalle überlassen. H. v. Z.
III.
Das
Sächsisch - Polnische
Cavalleriecorps
im
Oesterreichischen Solde von 1756 bis 1763 . Denjenigen Lesern der Jahrbücher, welche sich mit der Geschichte des siebenjährigen Krieges etwas eingehender beschäftigt haben, glauben wir nichts Neues damit zu sagen, dass, als in Folge der Capitulation vom 16. October 1756 am Fusze des Liliensteines das 14,000 Mann starke Sächsische Heer vor König Friedrich II. die Waffen strecken musste, ein Theil der Reiterei, welcher sich noch in Polen befand, diesem traurigen Schicksale nicht mit unterlag. Es ist nicht minder bekannt, dass Sachsen, Dank der unglaublich verblendeten Politik seines Premierministers, des Grafen Brühl, sich so wenig auf die vernichtend über den Kurstaat hereinbrechende Katastrophe vorbereitet hatte, dass die 11 Jahre , welche zwischen dem zweiten und dritten Schlesischen Kriege lagen, lediglich zu Reductionen des Heeres benutzt worden waren.
Gleich als ob der der
Kesselsdorfer Niederlage auf dem Fusze folgende Dresdener Friede der Welt eine Bürgschaft der Ruhe für ewige Zeiten gegeben habe, machte man sich sofort nach dem Abschlusse desselben frisch ans Werk der Entwaffnung, indem man auf einmal 268 Infanterie- und 100 Cavallerie- Offiziere entliesz , und fuhr damit so energisch fort, dass schon im zweiten Friedensjahre über vier Infanterie- und sechs Cavallerie - Regimenter das Geschick der Auflösung verhängt und der Bestand der noch verbleibenden auf ein völlig unzureichendes Maasz herabgesetzt war.
von 1756 bis 1763.
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Es gehörte zu den weiteren Ersparnissmaaszregeln in der Heeresverwaltung, in der man ein Finanztalent entfaltete, welches sich doch sonst in der langen Periode der Brühl'schen Herrschaft so wenig zu erkennen gab, dass man in den Jahren 1746 und 1747 drei CavallerieRegimenter, die Chevauxlegers- Regimenter Prinz Carl * ) ,
Prinz Al-
brecht **) und Sybilski (später Brühl) , von Sachsen nach Polen marschiren liesz ;
einige Jahre später folgte dahin auch das Garde-
Carabinier- Regiment.
Militairische Gründe kamen bei dieser Maasz-
regel nicht entfernt in Frage ; in Polen herrschte Ruhe ;
das Ein-
rücken fremder Truppen, denn als solche bezeichnete man dort stets die Sachsen, in das Gebiet der „ Republik " gab dem Polnischen Adel eher Anlass zur Unzufriedenheit , als dass es die Königliche Macht verstärkt hätte, aber die Unterhaltung der Truppe und die Ergänzung der Pferde war in Polen weniger kostspielig , als im Kurstaate. Gegen die dem letzteren drohende Gefahr verschloss die Sächsische Regierung, d. h. Brühl, denn eine andere Autorität kam neben diesem alle Fäden der militairischen und Civilgewalt mit geradezu wunderbarer Universalität in seiner Hand vereinigenden Manne nicht entfernt in Betracht, beide Augen ; das Ungewitter, welches alle Welt in Sachsen herannahen sah, und das sich gerade über Brühl persönlich am schonungslosesten entlud , für ihn, der sonst Alles allein wissen und verstehen wollte, blieb es bis zum Ausbruche unsichtbar. Zieht man freilich in Erwägung , dass bei den kopflosen und verkehrten Anstalten, zu welchen man in Sachsen beim Einfalle des Preuszischen Heeres seine Zuflucht nahm , jene
Regimenter doch
wahrscheinlich nur das bittere Verhänguiss , welches die übrige Armee traf, getheilt haben würden , so war es noch ein verhältnissmäsziges Glück, dass, als August III. , aus seinen Kurlanden vertrieben , in Polen anlangte, wo der egoistische Adel seinem Könige kaum Theilnahme heuchelte, er daselbst wenigstens noch eine kleine Schaar treuer Sächsischer Landeskinder vorfand , eine brave Reitertruppe, zu schwach freilich, um auf eigene Hand die schwerbedrängte Heimath dem Feinde wieder zu entreiszen, aber immerhin eine nicht zu verachtende Hülfe für die Verbündeten des von ihnen mit unerschütterlicher Mannestreue geliebten Monarchen. Es giebt kaum
einen Geschichtsschreiber des siebenjährigen
*) Prinz Carl von Polen und Sachsen, der dritte Sohn August's III. , nahm 1758 den Titel eines Herzogs von Kurland an . **) Prinz Albrecht, der jüngere Bruder des Prinzen Carl , vermählte sich später mit der Erzherzogin Christine, der Tochter der Kaiserin Maria Theresia, und nahm den Titel eines Herzogs von Sachsen-Teschen an.
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
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Krieges , der nicht der hervorragenden Betheiligung dieser Truppe an den Feldzügen desselben, besonders aber an der Schlacht von Kolin gedächte , der nicht gelegentlich dieses, den Oesterreichischen Kaiserstaat aus dringender Gefahr befreienden Sieges den Namen eines einfachen Sächsischen Stabsoffiziers , des an der Spitze des Regiments Prinz Carl stehenden Oberstlieutenants von Benkendorf, erwähnte.
Und doch fehlte es bis jetzt an einer selbstständigen Er-
zählung der Thaten und Schicksale dieses braven Corps , wie sie sich der vorliegende, meist archivalischen Quellen entlehnte Aufsatz zur Aufgabe stellt. Wenn trotzdem der Verfasser nicht ohne eine gewisse Befangenheit zu diesem Werke schreitet, so ist der Grund keineswegs etwa darin zu suchen, dass er bei den Lesern der Jahrbücher nicht derselben Objectivität des politischen Urtheiles zu begegnen fürchtete , welcher er selbst sich bei der Darstellung zu befleiszigen bestreben wird .
Die Zeiten haben sich in dieser Beziebung gottlob sehr ge-
Mit Freimuth hat der Verfasser bereits manchen alten , heiklen Conflict zwischen den jetzt im Deutschen Reiche glücklich ändert.
vereinigten Staaten öffentlich besprochen, und es ist ihm dabei ein paar ganz vereinzelte Stimmen abgerechnet - seitens der Kritik keine missliebige Deutung widerfahren .
Wo immer der Soldat treu
und ehrlich zu dem ihm heiligen Paniere seines Fürsten gestanden, da muss ihm auch, sobald sich die leidenschaftlichen Stürme gelegt haben, welche das Urtheil der Zeitgenossen leider häufig verdüstern , der Beifall späterer Geschlechter gesichert sein ; auf diesem Grundsatze fuszend , wird hoffentlich das ganze Deutsche Heer die Geschichte seiner Vorfahren schreiben . Aber dem Verfasser gehen in Bezug auf die Darstellung andere Bedenken bei .
Die Begriffe, welche man in neuerer Zeit mit den
Leistungen eines Cavalleriecorps von der Stärke des hier in Frage kommenden verbindet, sind wesentlich andere, als zur Zeit des siebenjährigen Krieges. Damals waren die Anforderungen auf dem Operationsfelde im Verhältnisse zur Gegenwart bescheidener ; die Cavalleriecorps durchbrausten nicht selbstständig im stürmischen Siegeslaufe ganze Provinzen ; mit wenigen Ausnahmen beschränkte sich ihre Thätigkeit auf den viel engeren Raum der Schlachtfelder.
Für
die beabsichtigte Darstellung ist es nun aber formell ein nicht zu unterschätzender Uebelstand, dass für die Leistungen des SächsischPolnischen Cavalleriecorps der Glanzpunkt gerade in den Anfang ihrer kriegerischen Thätigkeit fällt, und das Interesse, welches die Erzählung für die Truppe zu wecken sucht , während des in den
von 1756 bis 1763.
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letzten Feldzügen des siebenjährigen Krieges ohnehin schleppenden Verlaufes desselben sich allmälig immer mehr und mehr abschwächen dürfte.
Es gereicht dies natürlich nicht der Truppe zum Vorwurfe,
wohl aber der Erzählung zum Nachtheile. Trotzdem hat der Verfasser der naheliegenden Versuchung widerstanden, sich blos auf die Darstellung des Kriegsjahres 1757 zu beschränken, der sich mit der unglücklichen Katastrophe von Leuthen formell ein viel wirksamerer Abschluss geben liesz . tairischen Standpunkte aus betrachtet ,
Aber, vom mili-
bieten auch die folgenden
Feldzüge des Lehrreichen genug , wenn dies auch hier und da in Bezug auf die Verwendung der Cavallerie seitens der oberen Heeresleitung mehr negativer Art sein sollte. Selbstverständlich werden
die
Ereignisse
des
siebenjährigen
Krieges im Groszen und Ganzen hier als bekannt vorausgesetzt und nur so weit berührt, als sich zum Einrahmen des für die Darstellung gewählten Gegenstandes nöthig macht. Dagegen wird der Schilderung der Ereignisse ein prüfender Blick auf die Truppenkörper vorausgehen, aus denen sich der Heerestheil zusammensetzte, von dem im Folgenden die Rede sein wird . I.
Was zunächst die obenbezeichneten Chevauxlegers- Regimenter betrifft, so war das Regiment Prinz Carl unter diesem Namen 1735 in Polen errichtet worden *) . Es focht unter dem Obersten von Milckau in den beiden ersten Schlesischen Kriegen in Böhmen und Sachsen ; 1745 wurde der Oberst Graf Nostitz von der Schlesischen Linie dieser Familie Regiments-Commandeur ;
als
solcher rückte er 1751 zum
Generalmajor auf; der Ausbruch des Krieges brachte ihn 1757 an die Spitze des zur Oesterreichischen Hauptarmee stoszenden Cavalleriecorps . Alsbald nach dem Abschlusse des Dresdener Friedens war das Regiment Prinz Carl am 1. März 1746 von Sachsen nach Polen abgerückt und hatte seine Quartiere in der Königlichen Oekonomie Sambor in Galizien, südwestlich von Lemberg, angewiesen erhalten. Die Verhältnisse waren hier höchst eigenthümlicher Natur und übten auf alle auf den Königlichen Krondomänen vertheilten Cavallerie-Regimenter während des zehnjährigen Aufenthaltes derselben in Polen einen sehr merkbaren Einfluss aus .
*) Es ist das einzige dieser Regimenter, welches als Königlich Sächsisches 1. Husaren - Regiment Nr. 18 noch heute besteht.
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Das Sächsisch -Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde Die Verwaltung der Königlichen Oekonomien, von denen z. B.
die von Sambor aus 3 Städten und 143 Dörfern bestand, führte gegen eine Pacht, welcher theilweise in Salz erlegt wurde, der RegimentsCommandeur. Von diesem erpachteten wieder die Stabsoffiziere, welche ihre eigenen Compagnien hatten, und die Capitains *) die herrschaftlichen Wirthschaftshöfe ihres Quartierstandes, und machten, indem sie selber die Ausfütterung des Pferdebestandes auf Rechnung der Staatscasse übernahmen, gute Geschäfte , so dass die Meisten Capitale zurücklegen und doch dabei den ziemlich kostspieligen Anforderungen des Dienstes entsprechen konnten, denn der Recrutenersatz musste in der Hauptsache aus Sachsen, die Pferdeequipage und Bekleidung aus Warschau, ja selbst aus Königsberg und Danzig bezogen werden.
Im Verhältnisse zu ihrer vorzüglichen Beschaffen-
heit auszerordentlich billig war dagegen der Remonteersatz .
Die
Hauptleute theilten sich bei diesem Geschäfte in der Regel so ein, dass je zwei und zwei Compagnien sich gemeinschaftlich aus demselben Gestüte beritten machten, und gelangten so nach und nach in den Besitz eines gleichmäszigen , Pferde.
trefflichen
Schlages leichter
Für die taktische Ausbildung der auf so weite Strecken
Landes vertheilten Regimenter wurde durch Zusammenziehungen derselben in und bei den Stabsquartieren Sorge getragen, welche alljährlich während zweier Monate im Frühjahre und eben so lange im Herbste stattzufinden pflegten. Das Chevauxlegers - Regiment Sybilski war in demselben Jahre, wie das Regiment Prinz Carl, von dem Obersten Sybilski von Wolfsberg in Polen errichtet worden und hatte gleichfalls an den Feldzügen 1742, 1744 und 1745 Theil genommen.
Grosze Anerkennung
hatte sich das Regiment durch den glücklichen Ueberfall der Preuszischen Arrièregarde zwischen Lommatzsch und Lehren bei Meiszen am 13. December 1745 erworben,
eine schöne Waffenthat, die frei-
lich über das Unglück, welches wenige Tage darauf bei Kesselsdorf über Sachsen hereinbrach, schnell wieder der Vergessenheit anheim fiel.
Sybilski, geborener Pole und tüchtiger Parteigänger, hatte näm-
lich mit seinen Chevauxlegers und einem Pulk Ulanen die DragonerRegimenter Prinz Holstein und Röhl in ihrem Marsche auf Meiszen in dem Augenblicke überrascht und angegriffen, wo der eine Theil im Durchzuge durch einen Hohlweg begriffen, der andere aber die dadurch entstandene Stockung zum Absitzen und Ruhen benutzt hatte. Durch ein Gehölz war die Annäherung Sybilski's verborgen worden,
*) Rittmeister gab es damals in Sachsen blos bei der schweren Cavallerie.
von 1756 bis 1763.
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so dass eine grosze Anzahl Preuszischer Dragoner niedergehauen wurde, bevor sie noch zu ihren Pferden gelangen konnten.
Die
Sachsen machten 180 Gefangene und erbeuteten drei Standarten und zwei Paar silberne Pauken *) ;
der General von Röhl ward im Ge-
fechte getödtet. Sehr bald darauf, schon in den ersten Tagen des Jahres 1746 , war das Regiment , gleichzeitig mit den nach beendigtem Kriege wieder in ihre Heimath zurückkehrenden drei Ulanenpulks , nach Polen abmarschirt und den 18. Februar in Krakau eingetroffen.
Es
wurde demselben für sein Unterkommen die Oekonomie Lomacy südwestlich von Brzesc-Litewski angewiesen ; die Leib-Compagnie hatte Sybilski, welcher den Oberbefehl über die gesammte Sächsische Cavallerie in Polen erhielt , mit Brühl's Genehmigung auf den von ihm
bei
Warschau ,
seinem
Hauptquartiere ,
erpachteten
Gütern
eingelegt. Unter dem 1. Januar 1748 verkaufte Sybilski sein ChevauxlegersRegiment für 16,000 Thaler an den Minister Brühl, der, obgleich er nie Soldat gewesen, die Würde eines Generals bekleidete und natürlich auch den Gehalt als solcher empfing. Zu dem Kaufe veranlasste nur die er war bereits Inhaber eines Infanterie- Regiments ihn väterliche Sorge für seine Söhne, von denen er in der That wenigstens den drei ältesten, wie wir am Schlusse sehen werden, bei seinem Tode je eine mit werthvollen militairischen Privilegien ausgestattete Inhaberstelle testamentarisch vermachen konnte. Das Commando des Chevauxlegers - Regiments Brühl erhielt 1754 des Ministers Generaladjutant, der Oberst von Gösznitz, welcher nach der Schlacht bei Kolin zum Generalmajor avancirte und 1760 als Generallieutenant mit dem Commando des Corps betraut ward. Jünger als die beiden vorerwähnten Regimenter war das erst 1745 errichtete und dann bis zum Ende des Krieges blos zur Postirung längs der Schlesischen Grenze verwendet gewesene ChevauxlegersRegiment Prinz Albrecht. Ordre besagte,
Auch dieses wurde, wie die Königliche
zum Soulagement unserer getreuen Kur- und Erb-
lande " im Februar 1747 nach Polen verlegt, wo es seine Quartiere theils in der Gegend von Krakau, theils in der Oekonomie Sendomir angewiesen erhielt.
Commandant des Regiments war seit 1754 der
*) Ein Paar dieser Pauken verblieb beim Regimente und ging im Feldzuge 1812 mit dem letzten Reste desselben, welches seit 1801 den Namen von Polenz führte, an der Beresina zu Grunde. Das andere Paar wurde an das Regiment Carabiniersgarde abgegeben und gelangte bei dessen Auflösung im Jahre 1810 an das Leib-Cürassier-Garde-Regiment.
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
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bereits ziemlich bejahrte Generalmajor von Monro , ein geborener Irländer. Zu den drei Chevauxlegers-Regimentern trat in der Folge unter die Befehle des Generals Sybilski noch das schwere Cavallerie- Regiment der Garde- Carabiniers. Dasselbe war 1713 als Dragoner- Regiment aus Ansbach'schem Dienste übernommen und 1729 zur Carabiniers-Garde erhoben worden.
Nachdem es bereits in den Jahren
1733 und 1740 zur Dienstleistung im Königlichen Hoflager vorübergehend nach Warschau berufen worden war, mussten 300 Pferde desselben Anfangs April 1748 sich wieder dahin in Marsch setzen. Die Mobilmachung dieser kleinen Abtheilung , deren Führung der Regiments-Commandeur Oberst von Zezschwitz selbst übernahm und zu deren Erfüllung man drei volle Escadrons verwenden musste, machte grosze Schwierigkeiten ;
Brühl's Reductionen und andere
Finanzmaaszregeln hatten die Truppe bereits dem Ruine nahe gebracht ; Pferde, Ausrüstung , Bekleidung , Alles befand sich im erbärmlichsten Zustande. Den Offizieren war man mit ihren Gebührnissen seit vielen Monaten im Rückstande.
In einem langen, „ Prä-
tentiones der Garde- Carabiniere" überschriebenen, Vortrage machte Oberst von Zezschwitz auf die traurige Verfassung der Truppe aufmerksam, welche einen so weiten Marsch antreten und am Orte ihrer Bestimmung zum Glanze eines Königlichen Hoflagers beitragen sollte.
Sein Freimuth scheint wenigstens die Ungnade des allmächti-
gen Ministers nicht zur Folge gehabt zu haben, denn Zezschwitz wurde noch in demselben Jahre zum Generalmajor und Chef des Regiments befördert, dessen in Sachsen zurückgebliebener Rest Anfangs 1751 nach Warschau nachfolgte, wo Alles in Casernen untergebracht wurde. Gewissermaaszen als
Entschädigung
für die lange Vernach-
lässigung und zur Beruhigung der in Folge derselben im Regimente entstandenen Unzufriedenheit erschien am 22. Januar 1752 eine Königliche Verordnung, laut welcher bei dem Garde - Carabinier-Regimente die Stabs- und Oberoffiziere denen der übrigen Leibgarden gleichgestellt und innerhalb ihrer Dienstleistungen um einen Grad im Range erhöht wurden .
Die lange Liste der auf Grund dieser
Bestimmung eintretenden Beförderungen bildete in der That einen wunderlichen Gegensatz zu den bisherigen Klagen über rückständige Gebührnisse .
Die Maaszregel war übrigens, vom militairischen Ge-
sichtspunkte betrachtet, eine höchst fehlerhafte, und hatte während der Feldzüge, in welchen das Garde- Carabinier-Regiment mit den Chevauxlegers- Regimentern vereinigt focht , entschiedene Nachtheile
von 1756 bis 1763. zur Folge.
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Die Chevauxlegers fühlten sich natürlich bei jeder Ge-
legenheit gegen das privilegirte Regiment zurückgesetzt, und zwar gerade zu einer Zeit und unter Umständen, wo sie mehr als je auf Erkenntlichkeit Anspruch machen zu dürfen glaubten.
Da nun die
Chefs der Regimenter Carl und Albrecht mit im Felde waren, der allmächtige Brühl aber das eigene Regiment nicht minder berücksichtigt zu sehen wünschte, so suchte man durch Charakterverleihungen bei den Chevauxlegers eine gewisse Ausgleichung zu erzielen, gerieth aber, da nun die Willkür erst recht einriss, in Bezug auf Rangverhältnisse und Avancement in einen völligen Wirrwarr, so dass bei keiner Charge der entsprechende Dienstrang mehr eingehalten wurde. Stabsoffiziere standen an der Spitze von Compagnien und Hauptleute versahen den Dienst der Subalternoffiziere . Das Beispiel wirkte selbst in die Ferne auf das unter dem Prinzen Xaver in Hessen und Westfalen fechtende Sächsische Corps ; auch dort wollte man verdiente Offiziere im Avancement gegen ihre Cameraden bei den Oesterreichern nicht zurücksetzen und schüttete nun auch über jene einen Gnadenregen von Rangerhöhungen ohne entsprechende Dienstanstellung und selbstverständlich ohne Belastung der von Brühl verwalteten Königlichen Cassen aus. Die Zutheilung des Carabinier-Regiments zu dem übrigens blos aus leichter Cavallerie bestehenden mobilen Corps hatte im Felde aber auch weitere Nachtheile. Stellt man sich dasselbe freilich als einen taktischen Körper im Sinne unserer heutigen Cavallerie -Divisionen vor, so begreift man nicht, wie in demselben die Mischung von schwerer und leichter Reiterei einen schädlichen Einfluss habe äuszern können.
Und doch war dem so ;
denn die schwere Ca-
vallerie erhob zu jener Zeit noch Ansprüche, welche sie aus dem Bereiche der leichten Reiter, in denen sie schlechterdings keine ebenbürtigen Cameraden erkennen wollte, in die Schlachtreihen der bevorzugten Linien- Cavallerie versetzte.
Wir müssen den damaligen
Standpunkt , nach welchem leichte Truppen in der eigensten Bedeutung kaum als regulaires Militair angesehen wurde, vor Augen behalten und uns erinnern, dass die lockeren, blos für die Kriegsdauer bestehenden Formationen derselben sich meistentheils aus Bestandtheilen zusammensetzten,
welche dem Begriffe eines braven
Kriegsmannes damaligen Schlages nicht eben achtbar erschienen . Zu den leichten Truppen in diesem Sinne gehörten nun unsere Chevauxlegers keineswegs ; Offiziere wie Mannschaften derselben standen in ihrer Art denen der Carabiniere keineswegs nach ; die Ausbildung war eine nicht minder sorgfältige, und die Disciplin liesz nichts zu
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
wünschen übrig, aber dennoch sahen die langen Carabiniers von ihren hohen Deutschen Rossen auf die Chevauxlegers und deren kleine Polnischen Pferde, von denen sie horribile dictu unter Umständen sogar absteigen und zu Fusz nach der Trommel * ) manövriren sollten, mindestens mit einem gewissen Mitleide herab. Die Folgen dieses Vorurtheils machten sich auf beiden Seiten bemerkbar.
Die Carabiniers fühlten sich neben ihren Specialwaffen-
gefährten, den Kaiserlichen Cürassieren , behaglicher, als in ihrem Corpsverhältnisse ;
sie fanden sich durch eine Trennung von ihren
Sächsischen Landsleuten und ihre Einreihung in die Schlachtlinie im Geiste ihrer Waffe geehrt.
Die Chevauxlegers hinwieder über-
lieszen den eigentlichen leichten Dienst , für den sie doch bestimmt waren, als den minder ehrenvollen, gern den beim Corps befindlichen Ulanen, die in demselben ihr wahres Element erkannten, und die glänzenden Erfolge, welche die Chevauxlegers als Linien- Cavallerie bei Kolin errangen, trug nicht wenig dazu bei, sie in ihrer Meinung zu bestärken und ihrer ursprünglichen Bestimmung als selbstständige Doppelkämpfer zu Pferd und zu Fusz zu entfremden. Und gerade für diesen Beruf hätten sie in den beiden Ulanenpulks ein treffliches Vorbild gehabt. Diese Ulanen standen zu den Sächsischen Truppen in einem Sie waren von Haus aus für den eigenthümlichen Verhältnisse . Polnischen Dienst geworben worden und wurden auch, während sie auf dem Deutschen Kriegsschauplatze zur Verwendung kamen, aus Polnischen Cassen verpflegt.
Nun war aber Polen mit Preuszen
nicht in Krieg verwickelt ; schon im nordischen Kriege hatte der Adel dieses Landes eifersüchtig darüber gewacht, dass dasselbe den politischen Angelegenheiten seines Königs gegenüber völlig indifferent bleibe. Aber die lockeren staatlichen Verhältnisse dieser sogenannten Republik, deren Verfassung bei Licht besehen nur darin bestand, natürlich insoweit es der dass sie jedem einzelnen Individuum umfangreichen Adelscaste angehörte - das Recht wahrte, ohne jede Rücksicht auf das Gemeinwohl zu thun, was es wollte, lieszen sich, so unbequem sie auch sonst für die Krone sein mochten, doch auch da und dort zum Vortheile derselben verwerthen . Unter der Benennung „Tatarische Hoffahnen " geschieht dieser Ulanen zuerst im Jahre 1735 Erwähnung, wo König August III. von dem Woiwoden von Cujavien 15 solcher Fahnen - 1110 Pferde -in seinen Dienst nahm . *) Jedes Chevauxlegers-Regiment hatte statt der 16 Trompeter der Cürassier-Regimenter 16 Tamboure etatmäszig.
von 1756 bis 1763. Diese halbasiatische Nationalreiterei bewahrte
45 sich auch im
Dienste des Königs von Polen ihren Orientalischen Charakter.
Ob-
wohl das Gefecht zu Pferd ihr eigenstes Element war, bedurften die Ulanen doch der Unterstützung einer anderen Waffe nicht ,
da sie
ihr Fuszvolk mit sich führten und so zum Kampfe auf jedem Boden eingerichtet waren. Ihrer Abstammung nach waren sie zumeist Tataren, Bewohner der Steppen, welche sich über die Gegenden ausbreiten, wo damals die Grenzen von Polen,
Russland und der Türkei sich berührten ;
ein groszer Theil dieses Reitervolkes war Muhamedanischen Glaubens . Der freie, unabhängige Sohn der Steppe, der als solcher die Berücksichtigung eines Edelmannes für sich in Anspruch nahm, behielt sich den ritterlichen Dienst zu Pferde vor, welches, wie Lanze und Säbel, sein Eigenthum war . Diese Reiter, welche ihre Offiziere aus ihrer Mitte wählten und auch in einfacheren Fällen unter sich Gericht pflogen, hieszen Towarczycen. Nur wenn die erforderliche Zahl nicht durch Tataren zu erfüllen war, nahm man auch Polen unter die Towarczycen auf ; es geschah dies aber nur ungern und ausnahmsweise ; in den Werbecapitulationen müssen sich die Obersten stets verbindlich machen, als Towarczycen „ lauter Lipkarn und Tatarn " einzustellen . Als mit der Zeit der Ersatz durch ächte Tatarn immer schwieriger wurde, fasste man ernstlich den Plan ins Auge, die weitläufigen Königlichen Oekonomien in Polen mit diesem werthvollen Reitermateriale zu besiedeln .
Pocztowy Jeder Towarczyc hatte einen berittenen Diener oder Pacholke - bei sich, und diesem, auf dessen Abstammung weniger Werth gelegt wurde, lag es ob, erforderlichenfalls den Dienst zu Fusze zu versehen. Die taktische Einheit der Ulanen war die Fahne, deren jede einen Rittmeister, einen Lieutenant, einen Fähnrich, zwei Trompeter, einen Tambour und an Towarczycen und Pacholken zusammen 60 bis höchstens 80 Mann zählte. Der von einem Obersten befehligte Pulk umfasste eine völlig unbestimmte Zahl solcher Fahnen.
Wie fast überall, wo jemals freie
Werbung bestand, zur Zeit der Landsknechte, wie im Amerikanischen Secessionskriege, war auch hier der Oberst der Unternehmer, welcher je nach seinem Auftrage oder sonst nach Umständen eine gröszere oder kleinere Anzahl Einheiten sechs bis fünfzehn Fahnen aufstellte.
Das Werbegeschäft scheint übrigens kein leichtes ge-
wesen zu sein und viel Zeit in Anspruch genommen zu haben. Auch die ganze Verwaltung war Sache des Obersten, welcher
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
anfänglich allein ein festes Gehalt bezog.
Für seinen Pulk wurde
ihm eine bestimmte Anzahl Portionen und Rationen in Gelde gewährt, welche die des wirklichen Bestandes nicht unwesentlich überschritt.
Von diesem Betrage floss ein Theil in die Tasche des
Obersten ; der Rittmeister bezog die Gebührnisse für sechs Fehlende oder sogenannte Blinde, der Lieutenant für zwei , der Fähnrich für einen .
Erst nach dem ersten Schlesischen Kriege suchte der Feld-
marschall Herzog von Sachsen-Weiszenfels in Polen etwas Ordnung in die sehr mangelhaften administrativen Verhältnisse der Ulanenpulks zu bringen und die feste Besoldung der Offiziere durchzusetzen . Die Bekleidung und Bewaffnung , erstere natürlich ganz der Orientalischen Sitte entsprechend , war innerhalb der Pulks gleichmäszig.
Die Towarczycen betrachteten die Lanze, die Pocztowen
den Carabiner, den übrigens auch jene führten, als Hauptwaffe. Am ersten Schlesischen Kriege betheiligte sich nur der, allerdings aus 15 Fahnen bestehende, Pulk des Obersten Bleudowski *) ; ein anderer, welcher in Polen unter dem Obersten Wilczewski gebildet wurde, erreichte den vollzähligen Bestand zu spät, um mit ins Feld nachzurücken. Ein uns vorliegendes Schreiben dieses Wilczewski bezeichnet den eigenthümlichen Gesichtspunkt , von dem die Polnischen Führer den Krieg ihres Königs betrachteten ; er versichert in demselben, zugleich Namens seiner Offiziere und Towarczycen, dass sie bereit seien , " bei gegenwärtiger Revolution " Leib und Leben willig aufzuopfern.
Im zweiten Schlesischen Kriege kamen drei Ulanenpulks zur Verwendung ; wir haben dieselben nach hergestelltem Frieden gleichzeitig mit dem Regimente Sybilski wieder nach Polen zurückmarschiren sehen. Beim Ausbruche des siebenjährigen Krieges verfügte man in Polen über zwei Pulks, Wilczewski und Rudnicki ; jeder derselben bestand aus sechs Fahnen. II. Alsbald nach der Ankunft des Königs August III . in Warschau knüpfte Brühl durch den Gesandten in Wien, Grafen Flemming, Ver-
*) Nach der Eroberung von Prag trat dieser Pulk vorübergehend unter die Befehle des Grafen Moritz von Sachsen, des späteren Marschalls, der für die Truppe sogleich eine merkwürdige Vorliebe fasste, und die Nachbildung einer solchen sich zur Lebensaufgabe stellte, welche er in seinem berühmten Ulanen-Regimente zu lösen suchte. Vergl. den Aufsatz : „Marschall Moritz, Graf von Sachsen", in Band XXV, Heft 2 der Jahrbücher, Seite 194.
von 1756 bis 1763.
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handlungen mit dem Kaiserhofe wegen Ueberlassung der bei Krakau sich zusammenziehenden Cavallerie- Regimenter an Oesterreich an. Diese Verhandlungen wurden seitens des Wiener Cabinets ziemlich lässig betrieben ; bei der ewigen Geldverlegenheit desselben war die Uebernahme des Corps für
den Augenblick wenigstens mit Un-
bequemlichkeiten verbunden. Man fürchtete wohl auch schon damals in Oesterreich, mit dieser an sich zwar sehr erwünschten Verstärkung des Heeres doch Sachsen gegenüber stillschweigend gewisse politische Verbindlichkeiten einzugehen, die in der Folge auf den Gang der kriegerischen Operationen nicht ohne Einfluss bleiben würden.
Die
hülflose und verzweifelte Lage, in der sich die Sächsischen Kurlande gleich zu Anfange des Krieges versetzt sahen, der Druck der Preuszischen Occupation , welcher bis zum Ende desselben auf ihnen lastete, gab der Regierung August's III. in Warschau beständig Veranlassung, sich in Wien energisch für die Befreiung Sachsens zu verwenden, während man andererseits dort aus naheliegenden Gründen Schlesien als das Hauptziel der militairischen Operationen betrachtete.
Der
Führer des Sächsisch- Polnischen Corps war daher in einer Art diplomatischen Stellung ;
er hatte fortwährend über die Absichten und
Maaszregeln des Oesterreichischen Hauptquartiers an Brühl Berichte zu erstatten und erhielt wieder von diesem seine besonderen Instructionen.
Auch mit Flemming in Wien war eine ununterbrochene
Correspondenz über finanzielle Angelegenheiten im Gange ;
weder
die eine, noch die andere sprach sich über die Beziehungen zu dem Hauptquartiere günstig aus, und dieses wieder wollte in den Bundesgenossen, so bereitwillig man auch sonst ihren militairischen Werth zu schätzen wusste, doch nicht ganz dieselben gefügigen Werkzeuge erkennen, die es in den eigenen Truppen besasz. Es wurde daher auch mit der Sächsischen Regierung ein förmlicher Vertrag wegen Ueberlassung der Cavallerie-Regimenter, ähnlich wie er z. B. im März 1758 bezüglich der in Ungarn wieder neuformirten Infanterie mit Frankreich zu Stande kam , nicht abgeschlossen , wenn auch Oesterreich die volle Bezahlung und Verpflegung des Corps übernahm.
Jedem der vier Sächsischen Reiter-
Regimenter wurden zwei Oberstengehalte, eins für den Chef und eins für den Commandeur bewilligt ; die Generale bezogen die Gebührnisse ihrer Charge.
Die Ergänzung an Mannschaft und Pferden
sollte aus Polen erfolgen. Dem Corpscommandeur wurden die Offiziersbeförderungen bei den Garde-Carabiniers und den beiden Chevauxlegers -Regimentern der Königlichen Prinzen überlassen, doch sollte er
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
nur in Ausnahmefällen von der Berücksichtigung des Dienstalters absehen.
Bei dem Regimente Brühl behielt sich dessen Inhaber,
der Minister, dieses Recht selbst vor ; wunderbaren Charakters ,
es lag in der Natur jenes
seine Allgewalt nach
allen
denkbaren
Richtungen hin auszudehnen und seinen Einfluss bis ins Detail herab geltend zu machen . Die, wie erwähnt, halb diplomatische Stellung des Sächsischen Commandeurs war natürlich auch bei der Wahl desselben mit maaszgebend gewesen.
Sybilski erschien zu derselben nicht geeignet ; man
übertrug vielmehr die Führung dem bisherigen Commandeur des Chevauxlegers-Regiments Prinz Carl, dem Generalmajor Grafen von Nostitz.
Dieser hatte bisher an der Spitze seiner Truppe , deren
Ausbildung er sich sehr angelegen sein liesz, Energie und lebhafte Thätigkeit bekundet ; nervös und schwankend in seinen Entschlüssen, zeigte er sich dagegen oft übereilt in seinen Anordnungen.
Noch
unmittelbar vor dem Abrücken des Corps von Krakau stellte Nostitz am 5. November den Antrag , dass die Chevauxlegers - Regimenter, „um die Impétuosité des Choks " der Preuszischen Cavallerie besser aushalten zu können, mit Lanzen versehen werden möchten. erwartet der Entscheidung ,
Un-
liesz er die neuen Waffen sofort für
eigene Rechnung anfertigen ; diese Maaszregel fand aber in Warschau keine Genehmigung und hätte jetzt im Augenblicke der höchsten Spannung auf das Selbstvertrauen der Truppe leicht einen nachtheiligen Einfluss äuszern können.
Als Generalquartiermeister hatte man dem General Nostitz den Obersten Grafen Renard , einen befähigten Offizier, beigegeben, der als geborener Pole mit den Verhältnissen der Ulanen näher vertraut war.
In Rücksicht auf diese
seine Abstammung erhielt er auch
noch im November den durch Wilczewski's Abgang erledigten einen Ulanenpulk wenigstens nominell übertragen ; er verblieb jedoch nach wie vor in seiner Stellung als Generalquartiermeister, während der Major von Schiebell , auch geborener Pole, die Führung des Pulks übernahm . Der Bestand des am 15. November 1756
von Krakau auf-
brechenden Cavalleriecorps , wie es in Teschen von einem Oesterreichischen Commissar für den Kaiserlichen Dienst übernommen wurde, war folgender :
von 1756 bis 1763.
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12 Pf.
Generalstab .
10 Offiz.
Regiment Carabinier-Garde .
33
19
500 "
33
"
major v. Lezschwitz). 733 " in 8 Comp. (Oberst
Prinz Carl
·
in 8 Comp. (General-
von Prittwitz). "
Prinz Albrecht ..
33
509
in 8 Comp. (General-
"
Graf Brühl
•
33
"
733 "
in 8 Comp . (Oberst
...
18
"
v. Gösznitz). 384 "9 in 6 Fahnen (5 Mann beim Stabe).
Wilczewski (Renard)
18
19
384 "
major v. Monro) .
Ulanen Rudnicki
"
in 6 Fahnen (desgl .).
Summa : 178 Offiz. 3255 Pferde. Das Corps rückte Ende November in seine Winterquartiere in den Trentschiner und Neutraer Comitaten Ungarns (Stabsquartier O Tura), wo dasselbe eine völlig zufriedenstellende Verpflegung fand. Brühl hielt es übrigens für angezeigt, den General Nostitz hier ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Sächsischen Truppen nicht als Auxiliarcorps zu betrachten hätten ; die Uebernahme derselben sei blos guter Wille des Wiener Hofes ; Anlässe zu Beschwerden sollten daher durchaus vermieden werden. Sehr lebhaft waren von Ungarn aus die Beziehungen zwischen Nostitz und Brühl wegen der Ergänzung des Corps durch die immer zahlreicher aus der Preuszischen Gefangenschaft zurückkehrenden Revertenten der Cavallerie, deren Verwendung in Warschau groszes Kopfzerbrechen verursachte. Eine gewisse Gutmüthigkeit Brühl's, von der sein umfänglicher Schriftwechsel unverkennbare Beweise giebt und die in dem weichen Gemüthe des Königs Unterstützung fand, liesz ihn aus der Sorge nicht herauskommen, Preuszen könne diese Revertenten, trotz des ihrem rechtmäszigen Könige geschworenen Eides bei einer etwaigen Wiedererlangung, als Deserteure behandeln und am Leben strafen.
Er erklärte sich daher, obgleich die zurück-
kehrenden Chevauxlegers sämmtlich wieder bei ihrer Waffe
ein-
gestellt zu werden begehrten, gegen deren directe Verwendung gegen Preuszen und bestand auf deren Abgabe an das in Französischen Sold überlassene Revertentencorps, zu dem sich diese Leute nur mit Widerwillen bringen lieszen , da dasselbe damals noch keine Cavallerie enthielt.
Aber selbst in Oesterreich wurden Brühl's Besorg-
nisse getheilt ; die Desertion war damals für jedes Heer ein bedenklicher Punkt , und die massenhafte Einstellung solcher Revertenten 4 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee. u Marine. Band XXVIII.
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
konnte Preuszischer Seits unter Umständen Repressalien zur Folge haben, deren Consequenzen sich leicht auch mit gegen Oesterreich kehrten. Als jedoch von dem am Liliensteine mit gefangen genommenen Chevauxlegers-Regimente Rutowski die Revertenten sich in ganzen Schaaren in Krems, dem Hauptsammeldepot für die Cavalleristen, anhäuften, machte Nostitz erneute Vorschläge für deren Verwendung bei seinem Corps. Er wollte sie, um sie der Gefahr weniger auszusetzen, in einem Gliede mit 30 Schritt Abstand hinter den Regimentern aufstellen, eine Idee, die, wenn sie ernst gemeint war, den Urheber nicht gerade als praktischen Taktiker kennzeichnen Erst die Zeit half über die Bedenklichkeiten weg ; im dürfte. weiteren Laufe der Begebenheiten wurden die Mehrzahl der Revertenten vom Rutowski'schen Regimente dem Nostitz'schen Corps überwiesen, von der schweren Cavallerie dagegen nur einzelne Leute, da diese meist zur Bildung von Grenadier- Compagnien beim Corps des Prinzen Xaver verwendet wurden, aus welchen man endlich im Winter von 1760 zu 1761 wieder ein Cürassier-Regiment formirte. Während der Winterruhe in Ungarn erkrankte der Commandeur des Chevauxlegers-Regiments Prinz Carl , Oberst von Prittwitz, und übernahm auch in der Folge sein Commando nicht wieder, welches, vorläufig interimistisch , auf den Oberstlieutenant von Benkendorf übertragen wurde. In Bezug auf die persönlichen Verhältnisse Benkendorf's ,
auf
den wir in unserer Erzählung öfters zurückzukommen Veranlassung finden werden, ist zu bemerken, dass derselbe als ältester Sohn eines Markgräflich Bayreuthischen Hofmarschalls 1711 in Ansbach geboren war.
Anfänglich für das Verwaltungsfach bestimmt , hatte Benken-
dorf in Jena die Rechtswissenschaft studirt.
Ein Besuch, den er als
Student 1730 dem berühmten Zeithainer Lager abstattete, entschied über seine Zukunft ; von Kindheit auf leidenschaftlicher Reiter und Jäger, fasste er nun eine unbezwingliche Neigung zum Soldatenstande und trat im Sommer 1733 als Souslieutenant mit Capitainlieutenantsrang in die Kursächsische Garde du Corps.
1736 mar-
schirte er in seinem Regimente das erstemal mit nach Polen, stand zwei Jahre in Warschau und wurde 1738 zum Rittmeister befördert. Beim Ausbruche des ersten Schlesischen Krieges zum CürassierRegimente Maffei *) versetzt, versah Benkendorf während des Feldzuges 1742 Adjutantendienste bei dem Generalmajor von Dürfeld.
*) Dieses Regiment wurde 1763 Benkendorf verliehen , 1778 aber mit drei anderen Cürassier-Regimentern aufgelöst.
von 1756 bis 1763.
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Noch in demselben Jahre wurde er beim Regimente des Prinzen Carl, der Truppe, mit deren Ruhm in der Folge der Name Benkendorf sich so innig verschmelzen sollte, angestellt. Er marschirte mit derselben im December 1742 nach Litthauen ; der zweite Schlesische Krieg rief jedoch das Regiment nach Sachsen zurück , und es betheiligte sich mit an der unglücklichen Schlacht bei Kesselsdorf, nach welcher, wie wir bereits gesehen ,
Anfangs 1746 der Rückmarsch
nach Polen erfolgte, wo Benkendorf über zehn Jahre lang in der Oekonomie Zator sein Leben dem Dienste, der Landwirthschaft und der Jagd widmete und 1746 zum Major und 1752 zum Oberstlieutenant aufrückte.
Der Aufbruch des Sächsisch-Polnischen Cavalleriecorps aus den Winterquartieren, welcher schon Ende Februar erfolgen sollte, verzögerte sich bis Anfangs Mai ; den 15. traf es im Oesterreichischen Lager bei Olmütz ein und den 17. wurde von den hier vereinigten Truppen der Weitermarsch zur Daun'schen Armee in die Gegend von Czaslau fortgesetzt.
Den 26. Mai stiesz der Generalmajor Graf Nostitz zur Avantgarde derselben, welche unter dem Generale der Cavallerie Grafen Nadasdy bis Maleschan vorgeschoben und aus fünf Regimentern Husaren, 2500 Kroaten und 1000 Pferden Deutscher Cavallerie , Abgaben verschiedener Regimenter unter dem Generalmajor Grafen Louis Stahremberg, zusammengesetzt war. Durch die Ankunft der Sachsen erreichte diese Avantgarde eine Stärke von ungefähr 16,000 Mann. Nadasdy gegenüber bei Kaurzim stand zur Deckung der Belagerung Prags und zur Beobachtung der Daun'schen Armee das über 20,000 Mann starke Corps des Herzogs von Bevern .
Den 5. Juni
begann dieser eine Vorwärtsbewegung gegen die Höhen von Kuttenberg ; er gewann dieselben und nöthigte die Truppen Nadasdy's, sich aus der Gegend von Maleschan und Kuttenberg zurückzuziehen, ohne dass die Reiterei Nostitz's und Strahremberg's zur Verwendung gekommen wäre.
Daun war mit diesem Rückzuge sehr unzufrieden,
und Nadasdy musste in der Nacht wieder gegen Kuttenberg vorrücken , während die Oesterreichische Hauptarmee in eine Stellung bei Goltsch-Jenikau zurückging. Nachdem die in den Umgebungen von Kuttenberg befindlichen Magazine geräumt worden waren, folgte auch Nadasdy der Hauptarmee bis Czaslau, wo er bis zum 11. Juni stehen blieb. Die Chevauxlegers mussten während dieser Zeit beständig gesattelt behalten und den Vorpostendienst versehen. auf die
Vorstellungen
seines
Das Carabinier-Regiment war
Commandeurs ,
des
Generalmajors 4*
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
von Zezschwitz, von der Avantgarde ins Lager von Goltsch- Jenikau abberufen worden, wo es, wie derselbe berichtet, durch Haltung von Feldwachen und Bereitschaft, zwar auch starken Dienst thun müsse, ihm jedoch nichts angesonnen worden sei, was seinen Prärogativen nachtheilig sein könne ". Als am 12. Juni die Daun'sche Armee wieder bis Roth- Janowitz vorrückte, deckte das Nadasdy'sche Corps diese Bewegung in der rechten Flanke. Bei der Fortsetzung des Vormarsches am folgenden Tage kam es zwischen der Avantgarde und einigen Preuszischen Abtheilungen schon früh bei Bikan zum Gefechte ; die Sächsische Reiterei gelangte jedoch auch hier noch nicht zur Verwendung, und der Feind zog sich gegen Kolin zurück .
Nachdem Nadasdy Mittags
seine Avantgarde auf den Höhen von Kuttenberg, die sie am 5. Juni hatte räumen müssen, wieder vereinigt hatte, brach er Nachmittags 4 Uhr zur weiteren Verfolgung des Feindes auf.
Dieser bewerk-
stelligte seinen Rückzug in guter Ordnung, indem er seine Stellungen aufs hartnäckigste vertheidigte.
Die drei Chevauxlegers -Regimenter
geriethen bei der Unterstützung der Husaren in das Feuer der in den Straszengräben gut gedeckten Preuszischen Infanterie und einer Batterie, so dass ihnen einige zwanzig Mann und Pferde auszer Gefecht gesetzt wurden . Unter solchen Umständen erreichte der Herzog von Bevern Kolin ohne grosze Verluste .
Die Sachsen blieben den
14. Juli bei Suchdol, den 15. wurden sie bei Zasmuk auf dem linken Flügel der Oesterreichischen Hauptarmee, welche den von hier in nördlicher Richtung gegen Planian sich hinziehenden Höhenrücken von Krichnow besetzt hatte, aufgestellt ; sie hatten seit zehn Tagen und Nächten nicht abgesattelt und bei dem herrschenden Futtermangel stark gelitten.
Trotzdem war die Stimmung der Truppen
eine zuversichtliche, und der persönliche Einfluss Nadasdy's, dessen Fürsorge und herzliches Wesen ihm schnell das Vertrauen von Offizieren und Leuten erworben hatte, ein unverkennbar günstiger. Mittlerweile war Friedrich II. am 13. Juni mit etwa 10,000 Mann des Belagerungsheeres von Prag zur Unterstützung des Herzogs von Bevern abgerückt ; am 17. vereinigten sich beide Corps, zusammen 18,000 Mann Infanterie und 16,000 Pferde, zwischen Schwarz-Kosteletz und Kaurzim .
Unter dem Schutze seiner verhältnissmäszig starken
Cavallerie begann nun der König in der Richtung auf Planian die rechte Flanke Daun's zu umfassen ; es war das Lieblingsmanöver des genialen Feldherrn, nur brachte er dasselbe hier in so unmittelbarer Nähe des Gegners in Anwendung, dass die Umgehung fast zum zweitägigen Flankenmarsche längs der feindlichen Schlachtlinie wurde
von 1756 bis 1763.
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und auf den Charakter der Ueberraschung, in dem ja seine Hauptstärke lag , völlig verzichten musste. Daun liesz die Bewegungen des Königs, welcher am 17. Juni nur den kurzen Marsch bis in das Lager bei Wrptschan zurücklegte, nicht aus den Augen und folgte denselben durch eine Frontveränderung seiner Armee nach rechts , für welche er noch am Abende des 17. Juni die nöthigen AnordnunUm noch vor Tagesanbruch den rechten Flügel der neuen Front zu sichern, musste Nadasdy mit seiner Avantgarde Abends 10 Uhr von Zamuk nach Krzeczhorz abrücken. gen traf.
Als die Oesterreichische Hauptarmee am 18. Juni früh 45,000 Mann stark in ihre Stellung auf den Höhen südlich und parallel der Strasze von Prag über Planian nach Kolin eingerückt war, bildete Nadasdy's Corps den äuszersten rechten Flügel derselben .
Das hier
zwischen Krzeczhorz und Radowesnitz liegende Eichenwäldchen wurde von Nadasdy mit 1000 Kroaten und zwei Geschützen besetzt ; seine Husaren beobachteten das freie Gelände rechts des Gehölzes. Daun benutzte noch den Vormittag zur Anlage von Batterie- Deckungen, welche seiner Stellung grosze Festigkeit gaben, wie denn die Oesterreichische Artillerie an dem Gewinne der Schlacht wesentlichen Antheil hat. Der Raum, welchen Nadasdy's Deutsche Cavallerie, die drei Sächsischen Chevauxlegers - Regimenter und die 1000 Pferde Stahremberg's zwischen dem Eichenbüschchen und dem Centrum der Armee zu decken hatte , war ein sehr ausgedehnter ;
Oberstlieutenant von
Benkendorf machte den General Nostitz darauf aufmerksam,
dass
ohne Infanterie die Stellung schwerlich zu vertheidigen sein werde. Nostitz , diese Anschauungen theilend, wollte sich sogleich zu Nadasdy begeben, fand den General jedoch nicht, da dieser mittlerweile sich selbst nach der Sächsischen Stellung verfügt hatte und hier die Bedenken Benkendorf's gleich am Orte selbst zu hören und zu prüfen Gelegenheit fand.
Auch Nadasdy überzeugte sich schnell von der
Richtigkeit dieser Ansicht und liesz unverzüglich den Feldmarschall um Gewährung von Infanterie ersuchen, welche, als sie gegen 11 Uhr eintraf, rechts nach dem Wäldchen zu eine kleine Flanke bildend , ungefähr die bisherige Stellung der Sächsischen Regimenter auf der flachen Höhe einnahm, während diese ihren Platz einige hundert Schritte rückwärts erhielten. Stahremberg's Reiter blieben rechts der Sächsischen Cavallerie zwischen dieser und dem Eichbusche. Daun hatte schon am frühen Morgen, sobald er sich überzeugt hatte, dass die Preuszen von 4 Uhr an von Planian her ihre Linksschiebung fortsetzten und ihm so über ihren Angriffsplan keine
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
Zweifel mehr lieszen, das vor der Front seines rechten Flügels gelegene Dorf Krzezow mit zehn Grenadier-Compagnien und sechs Geschützen besetzt.
Hier begann auch Nachmittags 12 Uhr der An-
griff durch die Colonne des Generals Hülsen, sieben Bataillone, denen drei als Unterstützung folgten.
Obgleich von der Oesterreichischen
Artillerie aus guten Positionen im Vorrücken wirksam beschossen, bemächtigte sich Hülsen doch des Dorfes und drang von hier selbst bis in das Eichenwäldchen vor, wurde aber wieder aus demselben vertrieben.
Nun griff Fürst Moritz von Dessau mit der folgenden
Staffel , neun Bataillonen, die von den Sachsen im ersten Treffen stehende Oesterreichische Infanterie an und brachte dieselbe zum Weichen.
Auf der anderen
Seite
des Wäldchens war indessen
General von Zieten mit 80 Escadrons gegen Nadasdy's Husaren vorgegangen und hatte dieselben geworfen und bis hinter Radowesnitz zurückgetrieben , so dass sie während der Schlacht nicht wieder zum Vorschein kamen .
Dagegen erhielt die Preuszische Cavallerie vom
Waldrande her ein lebhaftes Feuer in die rechte Flanke, welches sie am weiteren Nachhauen hinderte.
Die Husaren Zieten's zogen sich
darauf in die Buschniederung zwischen Kutlierz und Kolin zurück ; die aus den Normann'schen Dragonern und dem Cürassier- Regimente Rochow bestehende Brigade Seydlitz dagegen wendete sich gegen die von Krzezow nach dem Eichbusche im Rückzuge begriffene Oesterreichische Infanterie und nahm derselben viele Gefangene und sieben Fahnen ab.
Hülsen hatte unterdessen seinen Angriff gegen die vor den Sachsen stehende Oesterreichische Infanterie innerhalb drei Stunden zum siebenten Male wiederholt, war aber stets durch das mörderische Feuer der Artillerie zurückgewiesen worden ; ein erneuter Vorstosz, den die Preuszen vorbereiteten, drohte, den rechten Flügel Daun's über den Haufen zu werfen . Da nun auch das Eichenwäldchen immer mehr und mehr vom Feinde umfasst wurde, glaubte der Generalmajor Graf Nostitz , seine Regimenter etwas weiter nach rechts heranziehen zu müssen und ertheilte demgemäsz die erforderliche Weisung an die Regimenter Prinz Albrecht und Brühl.
Benkendorf, ungewiss , ob der Befehl
auch seiner Truppe gelte, fragte, ob er folgen solle. Da dies bejaht wurde, erlaubte er sich die Bemerkung, dass er den Ort nur ungern verlasse, dessen Umgebungen er so genau recognoscirt habe und wo sich ihm gewiss bald Gelegenheit bieten werde , Gefecht einzugreifen . zurückzubleiben .
erfolgreich in das
Nach einigem Zögern gestattete ihm Nostitz
Benkendorf's Leute fühlten sich etwas beunruhigt,
von 1756 bis 1763.
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als sie ihre Cameraden abmarschiren sahen ; das Zurückgehen der Oesterreichischen Batterien vom rechten Flügel nach der Mitte trug ebenfalls nicht dazu bei , sie mit Zutrauen zu erfüllen. Eben hatte Benkendorf durch ein paar ermunternde Worte die gedrückte Stimmung verscheucht , als der Adjutant des Generals Nostitz herangesprengt kam und dem Oberstlieutenant jenes Blatt mit den historisch gewordenen Worten :
„ Der Rückzug ist nach Suchdol " , überreichte. Mittlerweile war das Infanteriefeuer vor der Front des Regi-
ments Prinz Carl immer schwächer und schwächer geworden ; Benkendorf's Scharfblick konnte es nicht entgehen, dass ein Bataillon des Regiments Wied, welches bereits über 300 Mann verloren hatte, nur noch mit äuszerster Anstrengung seinen Platz behauptete.
Er begab
sich zu demselben vor, liesz dessen Todte und Verwundete durch die Intervallen seiner Schwadronen zurückschaffen und versicherte die erschütterte Infanterie bei seiner Ehre, dass er sie mit seinem Regimente schützen werde.
Wirklich näherten sich in diesem Augen-
blicke schon zwei feindliche Escadrons des
Cürassier - Regiments
Rochow, und eben wollten diese auf das Oesterreichische Bataillon einbrechen, als auf Benkendorf's Wink zwei der seinigen, die LeibEscadron unter dem Rittmeister von Pöllnitz an der Spitze, um den linken Flügel des Bataillons Wied herumschwenkten, den Cürassieren in die Flanke fielen und sie in die Flucht schlugen. Weithin über das Blachfeld bis zum Wirthshause von Zlatislunz an der Koliner Strasze ging die Verfolgung, bei der der gröszte Theil der Cürassiere den Säbeln der Chevauxlegers erlag. Der Major von Kayserlingk war mit zwei weiteren Escadrons um den linken Flügel des Bataillons Wied gefolgt, sah aber vor sich nur die sich immer weiter entfernende Staubwolke der nachhauenden vorderen Escadrons .
Schnell entschlossen lässt er gegen die In-
fanterie Hülsen's links einschwenken ; war es der Kennerblick des Führers oder die Gunst eines glücklichen Augenblicks, der Chok trifft mit aller Wucht auf die Flanke der vom langen Kampfe erschöpften Linie, reiszt das auf dem linken Flügel stehende GrenadierBataillon des Majors von Waldow um und wirft es in wilder Verwirrung auf die danebenstehenden Regimenter Prinz Heinrich und Münchow. Jetzt eilen auch die Regimenter Brühl und Albrecht herbei ; dieses schlieszt sich der Verfolgung der geschlagenen Cavallerie an, jenes wendet sich, dem Beispiele der Kayserlingk'schen Schwadronen folgend, mit gegen die Infanterie . Während hier die Sachsen die Preuszische Linie vom linken Flügel her aufrollen und im Rücken anfallen, reitet auf diese nun auch die Oesterreichische Cavallerie in
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
der Front an und hilft den Sieg vervollständigen.
Der heldenmüthige
Widerstand der Preuszischen Infanterie ist vergeblich.
Der Com-
mandeur des Regiments Bevern commandirte wie auf dem Exercirplatze : Ganzes Bataillon rechts umkehrt euch ! und liesz mit Zügen chargiren, bis der letzte derselben niedergeritten war. Vierzehn Bataillone wurden so nach einander über den Haufen geworfen.
Das
Regiment Carl eroberte sieben Geschütze, Brühl deren vier und acht Fahnen und von diesen die Compagnie des Hauptmanns von Kracht allein vier *). Während nun der General Stahremberg die weitere Verfolgung übernahm, attakirten die Regimenter Carl und Brühl noch einige Bataillone, welche aus der Mitte der Preuszischen Schlachtordnung dem bedrängten Flügel zu Hülfe eilten und nicht minder auseinander- . gesprengt wurden.
Das Regiment Albrecht hatte mittlerweile seine
Verfolgung der feindlichen Cavallerie fortgesetzt und brachte gegen 900 Gefangene ein, unter denen sich viele zwangsweise in die Preuszischen Regimenter eingereihte Sachsen befanden. Nicht ganz der gleichen Gunst des Schicksals hatte sich in der Schlacht bei Kolin das von seinen Landsleuten getrennt , in den Reihen der Oesterreichischen Deutschen Cavallerie fechtende GardeCarabinier-Regiment zu erfreuen . Neben den Regimentern Alt- Württemberg-Dragoner, Starkenfels und Savoyen auf dem rechten Flügel im ersten Treffen aufgestellt, hatte es lange unthätig im feindlichen Geschützfeuer aushalten müssen. Nach dem kurzen Berichte des Regiments- Commandeurs, Generalmajor von Zezschwitz, welcher mitten im Verlaufe der Schlacht verwundet wurde und zurückgeschafft werden musste, hat das Regiment mit den bezeichneten Kaiserlichen Regimentern gemeinschaftlich einen Angriff auf Preuszische Cavallerie gemacht , dessen Erfolg ein günstiger genannt wird. Da jedoch Preuszische Berichte übereinstimmend erwähnen, dass das Sächsische Garde-Carabinier- Regiment von dem Dragoner- Regimente Normann geworfen worden sei, so muss dies, wenn nicht eine Verwechselung
*) Archenholz in seiner schönen Beschreibung der Schlacht erzählt , die Sächsischen Reiter hätten, eingedenk der zwölf Jahre zuvor bei Striegau (Hohenfriedberg) erlittenen schweren Niederlage, beim Einhauen gerufen : „Dies für Striegau!" Abgesehen davon, dass die Sächsischen Berichte dieses Umstandes mit keinem Worte erwähnen, glaubt der Verfasser darauf aufmerksam machen zu müssen, dass von den hier in Frage kommenden drei Chevauxlegers-Regimentern keins an der Schlacht bei Striegau betheiligt gewesen war.
von 1756 bis 1763.
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der Truppe vorliegt *) , entweder von Zezschwitz absichtlich verschwiegen worden sein oder zu den späteren Ereignissen des Kampfes gehört haben. Als Gegenbeweis soll das Stillschweigen des officiellen Berichtes durchaus nicht aufgestellt werden. Ueber den Verlust der vier Sächsischen Regimenter am 18. Juni 1757 liegen folgende Angaben vor : Garde-Carabiniers : 19 Mann 68 Pferde todt und verloren ; 65 Mann 58 Pferde verwundet (incl. 7 Offiziere). Prinz Carl : 9 Mann 23 Pferde todt und verloren ; 9 Mann 11 Pferde verwundet. Prinz Albrecht : 11 Mann 31 Pferde todt und verloren (incl. 3 gefangene Offiziere) ; 2 Offiziere).
16
Mann
6
Pferde
verwundet (incl.
Brühl : 14 Mann 55 Pferde todt und verloren ; 26 Mann 10 Pferde verwundet. Unter den Todten wird der Fähnrich von Radlitzki von Brühl namentlich bezeichnet ; der Stabscapitain von der Osten von Albrecht, starb am 23. September in Folge der bei Kolin erhaltenen Verwundungen. Es kann kaum in Zweifel gestellt werden, dass nach dem vom Feldmarschall Daun bereits erlassenen, bekannten Rückzugsbefehle nur das beherzte Eingreifen der drei Sächsischen Regimenter der Schlacht bei Kolin die Wendung gab , welche dieselbe zu einem so glänzenden Siege für Oesterreich gestaltete **).
Daun erklärte dies
unverhohlen bei einem Besuche, den er einige Tage nach der Schlacht dem Prinzen Carl abstattete, und ertheilte mittelst Armeebefehles den Sächsischen Regimentern die verdiente Anerkennung ; umsomehr aber muss es befremden, dass von dem zu Ehren des 14. Juni von der Kaiserin in der Freude ihres Herzens gestifteten Militair- St.-Theresienorden kein Sächsischer Offizier, nicht einmal Benkendorf, mit einem Kreuze ausgezeichnet ward. Generalmajor von Nostitz sendete
noch in der Nacht
vom
Schlachtfelde seinen Adjutanten, den Premierlieutenant Freund , als Courier zu mündlicher Berichterstattung nach Warschau ab ; vier-
*) Die „Geschichte des siebenjähriges Krieges, bearbeitet von Offizieren des groszen Generalstabes" (vergl. I, S. 265), erzählt , dass bei der Attake der Brigade Seydlitz zwischen Krzeczhorz und dem Eichbusche zwei Reiter-Regimenter geworfen worden seien, ohne dieselben näher zu bezeichnen. **) " Sachsens Krieger entrissen bei Kolin dem Könige den schon fast gewissen Sieg", bestätigt das so eben angezogene, vom Preuszischen Generalstabe bearbeitete Geschichtswerk (I, S. 17) .
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
undzwanzig Stunden später folgte Hauptmann von Zedlitz mit der schriftlichen Relation . Man kann sich denken, dass am Hofe August's III. die Freude nicht geringer war, als in Wien ; lieszen sich an das unerwartet glückliche Ereigniss doch eine Menge von Hoffnungen knüpfen, von denen sich freilich die meisten nur zu bald als Täuschungen herausstellten . Diejenigen Offiziere , welche sich in der Schlacht vorzugsweise hervorgethan hatten, wurden von dem dankbaren Monarchen durch Beförderung ausgezeichnet ; die Patente trugen sämmtlich das Datum vom 25. Juni, dem Tage, an welchem die frohe Botschaft in Warschau anlangte.
Der Generalmajor Graf Nostitz wurde General-
lieutenant, Oberst von Gösznitz Generalmajor, Oberstlieutenant von Benkendorf Oberst, Capitain von Kracht Major und Premierlieutenant Freund Capitain.
Nur Benkendorf's Patent enthielt die ausdrück-
liche Erwähnung : „ besonders wegen der von ihm in der Bataille am 18. Juni d. J. bei Kolin in Böhmen erwiesenen Bravour und tapferen Conduite. "
Sehr reiche Geldgeschenke wurden auch für
Eroberung von Geschützen und Fahnen an Unteroffiziere und Gemeine bewilligt . Die Verfolgung des zuletzt auch auf den anderen Theilen des Schlachtfeldes in die Flucht geschlagenen Gegners war eine sehr schlaffe ;
es bedurfte langer Zeit , bevor die schwerfällige, zögernde
Natur Daun's sich des vollen Umfanges des wider Erwarten doch noch erkämpften Sieges bewusst wurde. Nadasdy musste zwar am 19. Juni Früh ein Stück vorrücken, aber er brach erst um 7 Uhr auf und kam nicht über die Grenzen des Schlachtfeldes hinaus ; bei der Eile, mit der Friedrich seinen Elb-Uebergang bei Nimburg bewerkstelligt hatte , fanden nicht einmal die leichten Truppen die Fühlung am Feinde . Ohne sich nur vom Flecke zu rühren, verlor so Daun die kostbaren Tage bis zum 20. Juni, welcher zur Siegesfeier bestimmt war. Die Freude der Oesterreicher wurde noch durch die Nachricht erhöht, dass Friedrich am 20. Juni die Belagerung von Prag aufgehoben und einen Theil der Einschlieszungsarmee über Brandeis mit der bei Kolin geschlagenen vereinigt habe. Nach Absingung des ambrosianischen Lobgesanges unter Abfeuerung der Geschütze und dreimaligem Lauffeuer der Infanterie, sowie nach eingehender Besichtigung der zahlreichen Trophäen, kam man endlich dazu, Nadasdy noch den 20. Juni Abends bis BöhmischBrod vorzuschieben, und da am 21. König Friedrich noch bei Lissa, der Herzog von Bevern zwischen Ldonin und Nimburg stand ,
so
von 1756 bis 1763.
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hätte trotz aller bisheriger Versäumniss noch eine wirksamere Ausbeutung des Sieges erzielt werden können, wenn nun nicht wieder Nadasdy bis zum 26. Juni in völliger Unthätigkeit bei BöhmischBrod verharrt wäre, um den Anmarsch der Hauptarmee abzuwarten, welche sich am 22. Juni bis Schwarz- Kosteletz, am 23. bis Schworetz in Bewegung setzte.
Der durch den Koliner Sieg aus seiner be-
denklichen Lage in dem belagerten Prag befreite Prinz Carl von Lothringen traf in Schworetz beim Daun'schen Heere ein , dessen Oberbefehl nun auf ihn überging ; in seiner Begleitung befanden sich die beiden Sächsischen Prinzen Xaver und Carl, welche den 25. Juni das Lager Nadasdy's bei Böhmisch - Brod besuchten und von den Sächsischen Regimentern
mit freudigem Jubel
begrüszt
wurden .
Prinz Carl ertheilte besonders dem seinigen das verdiente Lob in den schmeichelhaftesten Ausdrücken ; die Mannschaft desselben erhielt von ihm ein Geschenk von 200 Ducaten. (Fortsetzung folgt.)
IV.
Carnot's Verdienste um das Französische Heer-
wesen. Nachdem die radicalen Parteien in der französischen NationalVersammlung der Jahre 1791 bis 1793 sich einen beherrschenden Einfluss erworben hatten, waren ihre Bemühungen besonders darauf gerichtet, die Gefahr, welche dem Bestand und der Ausbreitung ihrer Herrschaft durch eine starke , wohl disciplinirte Armee stets drohen musste, zu beseitigen. Sie erreichten dies Ziel durch drei verschiedene Mittel : durch ihre Armee - Reformen , durch Verbreitung der radicalen Ideen in der Armee und durch Beschäftigung der Armee im Kriege. Der Krieg führte die Armee an oder gar über die Grenzen des Landes ; hieraus erwuchs den Gewalthabern ein doppelter Vortheil : die Armee wurde durch die äuszern Feinde beschäftigt, konnte sich also der Machtentwickelung der Umsturz - Männer im Innern nicht entgegenstellen ; und ferner wurde sie durch den Krieg , falls man sie ohne die nöthige Ergänzung und pecuniäre Unterstützung liesz,
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
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in ihrem Bestande durch Gefechte, Strapazen und Desertion schnell reducirt. Die unter dem Einfluss der Jakobiner von der National-Versammlung beschlossenen militairischen Reformen zielten in Folge dessen zunächst darauf hin , der alten Königlichen Armee den zu ihrer FortExistenz nöthigen Ersatz an Mannschaften zu rauben. Die Freiwilligen - Bataillone , in denen man sich ein revolutionäres Gegengewicht gegen die Königliche Armee bilden wollte , wurden mit höherem Sold und gröszeren persönlichen Freiheiten ausgestattet, als die Linien-Regimenter, absorbirten in Folge dessen nicht nur die Werbe-Mannschaften, aus welchen früher die Linien- Regimenter sich ergänzt hatten , sondern verleiteten auch zahlreiche Linien- Soldaten zur Desertion und zum Eintritt in jene. Diese Neuformationen der Französischen Republik - die Freiwilligen- Bataillone - waren entsprechend ihrer Entstehung und Organisation, Dank den Bemühungen der Jakobiner, von sehr geringem militairischem Werthe .
Die Wahl
der Offiziere durch ihre Untergebenen , das Avancement nach dem Alter im Dienst und nicht in der Charge , die Ideen der „ persönlichen Freiheit "
lieszen
einen
Tüchtigkeit nicht überschreiten.
sehr geringen Grad
militairischer
Indem man ferner bei einer jedes-
maligen Aushebung die neueingestellten Mannschaften in neue Bataillone formirte , überliesz man die ältern , durch den Krieg schon einigermaszen ausgebildeten Abtheilungen der Auflösung , während man sich Massen unausgebildeter , unbrauchbarer Bataillone schuf. Die allmähliche Auflösung, welcher die Linien-Armee durch Entziehung des Ersatzes preisgegeben wurde, beschleunigten die Sendlinge
der Jakobiner durch Vernichtung
der moralischen
Grundlagen eines jeden leistungsfähigen Heerwesens. Geschützt durch die Macht ihrer Partei betrieben die Commissaire der Clubs in der Armee Wühlereien zur Aufhetzung der Soldaten gegen ihre Vorgesetzten, begünstigten und beschützten Feiglinge und Deserteure, verbreiteten Schmähschriften gegen die Generale , kurz suchten auf alle mögliche Weise den innern Halt der Armee , Disciplin und Vertrauen zu zerstören.
Einen nur zu fruchtbaren Boden
fanden diese Hetzereien bei einer Truppe, welche durch die Stürme der Revolution gewaltig erschüttert und der Mehrzahl ihrer Offiziere beraubt war. Dem Untergange Dumouriez's folgte die Vernichtung der Reste des alten Französischen Heeres . Die Flucht des Generals zu erneuten Anklagen gegen die Armee benutzend, setzten die Jakobiner mit gesteigerter Rücksichtslosigkeit ihr Zerstörungswerk fort.
Die
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
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„ patriotische Reinigung " der Armee , motivirt von St. Just durch den Ausspruch : ,,Alle Adeligen sind angehende Verräther" , vertrieb von Neuem zahlreiche , aus der Königlichen Armee übernommene Offiziere. Jedem Befehlshaber drohte je nach seiner gröszeren oder geringeren Tüchtigkeit mehr oder weniger das Schaffot. Das Kriegs - Ministerium , die höchste militairische Behörde, in den Händen der Jakobiner , beschützte die Insubordination der Soldaten und förderte die allgemeine Anarchie .
Custine brachte in
seine Linientruppen einigen Halt ; daher erregte er das Misstrauen Biron beklagte der Jakobiner und wanderte auf das Blutgerüst. sich über die unfähigen und unverschämten Agenten des KriegsMinisteriums - er wurde hingerichtet. Der Convents-Commissar Billaud verhaftete an einem Tage sechs Generale des Nordheeres ; Ronsin liesz 4 Generale und 17 Offiziere festnehmen. war fast stets gleichbedeutend mit Hinrichtung.
Verhaftung
Die „ Anklage"
eines einzelnen „,Patrioten" reichte hin, um den brauchbarsten General zu stürzen.
So wurde das Heer seiner Offiziere beraubt , die Dis-
ciplin vernichtet , die Magazine, welche für das Heer bestimmt waren, der Pariser Bevölkerung geopfert , das Selbstvertrauen und die Festigkeit bei Führer und Truppe erstickt in dem Geschrei von ,,Verrath " und von ,,Englischem Gelde". - Die Freiwilligen beklagten sich laut über das ewige Zurückgehen , warfen aber beim ersten Schuss die Waffen weg und liefen auseinander.
Das Nordheer allein verlor
17000 Mann durch Desertion ; die Nachschübe verschwanden spurlos. Jedes Ehrgefühl war in der Masse der Französischen Soldaten erstickt. Valenciennes ist ein trauriger Zeuge. Auf diese Weise erreichten die Radicalen von Paris ihren Zweck : Frankreich besasz im Sommer 1793 kein Heer, welches einem ernstlichen Angriffe hätte Widerstand leisten können .
So musste denn
das Land, machtlos gegenüber seinen äuszeren und inneren Feindep , schweigend sich der Tyrannei der Jakobiner unterwerfen . Der Wohlfahrts - Ausschuss trat an die Spitze der Regierung. Unter den geschilderten Zuständen übernahm der Ingenieur-Capitain Carnot am 14. August 1793 , als Mitglied des WohlfahrtsAusschusses die Leitung der militairischen Angelegenheiten. Die Regierungszeit Carnot's wurde epochemachend für das Französische Heerwesen. - Seiner politischen Ueberzeugung entsprechend, schloss er sich , als er 1791 als Abgeordneter in die National- Versammlung eintrat, der radicalen Partei an.
Von der groszen Mehr-
zahl seiner Partei - Genossen unterschied er sich jedoch wesentlich da-
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen .
62
durch, dass seinem Streben keine unlauteren Motive der Herrschsucht, des Ehrgeizes oder der Habsucht zu Grunde lagen; er hoffte vielmehr durch die Verwirklichung seiner Ideen sein Vaterland glücklich zu machen. Demgemäsz war es ihm auch ernst mit der Reorganisation des zerrütteten Heerwesens. Die kräftige Hand Carnot's machte sich bald in allen Zweigen des Heerwesens geltend. Die Levée en masse war stets ein Lieblings-Gedanke der Jakobiner.
Die Partei des Stadthauses gedachte dieselbe zur Aus-
führung zu bringen durch Einstellung aller besitzenden oder feindlich gesinnten Männer in die Regimenter der Feld - Armee , während im Innern des Landes eine demokratische Heeresmacht durch die Bewaffnung des Proletariats
geschaffen werden sollte.
Es lässt sich
nicht leugnen, dass diese Art der ,,allgemeinen Erhebung" eine möglichst radicale Durchführung des vom Stadthaus angestrebten Raubsystems ermöglicht haben würde.
Carnot dagegen , getreu seinen
schon 1791 ausgesprochenen Grundsätzen , glaubte durch eine allgemeine Wehrpflicht d . h. durch Wehrfähigmachen der ganzen Nation am besten einer, der Republik stets drohenden Militair-Despotie entgegenarbeiten zu können . Seiner Ansicht schlossen sich im Allgemeinen die Jakobiner des Wohlfahrts -Ausschusses an. So begegneten sich die Pläne beider Zweige der Jakobiner in einer gewissen Beziehung.
Durch die Verordnungen vom Juli 92, und Februar 93,
welche eventuell zwangsweise Aushebungen angeordnet hatten, wurde das Gesetz vom 16. August 1793 vorbereitet .
Am 12. August 93
stellten die Abgeordneten des Stadthauses im Convent den Antrag auf Levée en masse in ihrem Sinne. Die Partei des WohlfahrtsAusschusses ging darauf ein im Sinne Carnot's und beschränkte die Verpflichtung zum Dienst im Heere auf die jungen Leute vom 18. bis 25. Lebensjahr, ohne Unterschied der Parteien.
Dies war keine
Levée en masse sondern eine praktische Umgestaltung derselben in die lebensfähigere Form der allgemeinen Wehrpflicht.
So
kam in Frankreich ein Ersatz-System zu Stande, welches 1794 die Republik retten, aber auch zugleich die Armee bilden sollte, welche zum Verderben der Republik wurde. gebräuchlichen , Statten.
durch
die
Die Recrutirung ging mit der
Guillotine
unterstützten
Energie von
Die der Regierung zur Verfügung gestellte, gesammte waffenfähige Jugend Frankreichs ermöglichte der Republik mit bis dahin ungekannten Massen gegen ihre Feinde aufzutreten . Das von der Partei des Stadthauses besetzte Kriegs - Ministerium
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen. suchte ,
63
nachdem gegen seinen Willen die allgemeine Wehrpflicht
eingeführt worden war, den Nutzen dieser Maaszregel dadurch abzuschwächen, dass es die August- Requisitionaire, gemäsz dem bisherigen demagogischen Gebrauch , nicht zur Completirung der vorhandenen Cadres verwendete, sondern in selbstständige Bataillone formirte und Dass diese jungen , unausgebildeten den Feld- Armeen zuführte. Soldaten mit selbstgewählten ,
unerfahrenen Offizieren keinen mili-
tairischen Werth besaszen , ist klar.
Zahlreiche Berichte von der
Armee beklagten sich über die Neuangekommenen , mit denen man nichts anzufangen wusste. Selbst die bei den Armeen befindlichen radicalen Volksrepräsentanten baten um die Einstellung der Recruten So decretirte denn der Convent , auch in die älteren Bataillone. durch pecuniäre Rücksichten bewogen, am 22. November 1793 die Einstellung der Neuausgehobenen in die älteren Linien- und Nationalgarden-Bataillone . und Offiziere ,
Die neuformirten Bataillone
wurden aufgelöst
Unteroffiziere und Mannschaften als Gemeine, ohne
Rücksicht auf Geburtsort oder Departement, auf die schon vorhandenen Cadres vertheilt.
Diese Verschmelzung vollzog sich während
der Operationspause 93/94 unter der Leitung Carnot's . War auf diese Weise durch die Sicherung des Ersatzes schon ein bedeutender Schritt zu einer geordneten Armee- Organisation gethan, so geschah dies noch mehr durch die gleichzeitig durch das Gesetz vom 22. November 93 befohlene Vereinigung der Linienund Nationalgarden - Bataillone auf dem Wege des ,,Embrigadement".
Die Urheberschaft dieser , für die Brauchbarkeit der
groszen Masse der Französischen Infanterie so umgestaltenden Maaszregel kann Carnot nicht beanspruchen.
Der Abgeordnete Dubois-
Crancé hat das Verdienst, den betreffenden Antrag schon im Februar 93 ein- und durchgebracht zu haben.
Derselbe beabsichtigte durch
die Vereinigung der alten Liniensoldaten mit den neuen Nationalgardisten in Halbbrigade- Verbänden die ,, Demokratisirung " der alten Königlichen Armee zu vervollständigen.
Indem er zur Be-
gründung seines Antrages ausrief: ,, der jetzige Zustand der Armee ist Zerrüttung.
Ihr seid verloren , wenn Ihr nicht alle Soldaten zu
Freiwilligen macht !" ahnte er wohl kaum , dass erst durch diese Maaszregel die Freiwilligen zu Soldaten werden sollten, dass durch diese Maaszregel nicht der Linie sondern der Nationalgarde das Grab gegraben wurde.
Im Februar 93 war die Ausführung des Gesetzes
wegen der kurz bevorstehenden Operationen aufgeschoben worden. Carnot unterliesz
auch jetzt die Verwirklichung dieser Maaszregel,
weil er dieselbe in der augenblicklichen Lage für verfrüht hielt.
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
64
Nachdem der Winter Stillstand in den Operationen herbeigeführt hatte, wiederholte der Convent am 8. Januar 94 seine Aufforderung. In Folge dessen kam das Gesetz vom 22. Februar 1793 (22. Nov. 1793) zur Durchführung.
Mit rücksichtsloser Energie wurde die Ver-
schmelzung bewerkstelligt : Je ein Linien-Bataillon wurde mit zwei Nationalgarden-Bataillonen zu einer Halbbrigade zusammengestellt. Die schwächeren Nationalgarden - Bataillone wurden zusammengeworfen.
Auf diese Art entstanden :
209 Halbbrigaden Infanterie. 42 "" • leichter Infanterie. 99 Die letzteren wurden formirt aus überschieszenden NationalgardenDie Halbbrigaden erhielten ihre Nummern nach dem Loos. 23000 überzählige Offiziere und Unteroffiziere wurden zu Gemeinen gemacht. Gleichzeitig mit der Durchführung des EmbriBataillonen.
gadement verschwanden die alten Regiments-Namen und der weisze Rock der Königlichen Armee ; die blaue Uniform der Nationalgarde
wurde allgemein , Sold , Pflichten und Rechte der Soldaten
So war denn die „,Demokratisirung" der Armee , wie das Schlagwort der damaligen Zeit diese Verschmelzung nannte , voll-
egalisirt.
zogen. Mit dieser Eintheilung in Halbbrigaden wurde gleichzeitig vorgenommen die Regelung der Functionen und der Befehlsführung der
einzelnen Befehlshaber und das Ordnen der gröszeren
Truppen - Verbände.
Diese wichtige, die Grundlagen aller Trup-
pen-Eintheilungen heutiger Armeen bildende Organisation zuerst durchgeführt zu haben , ist das Verdienst Carnot's. Zwei Halbbrigaden wurden zu einer Brigade , zwei bis drei Brigaden zu einer Mehrere Divisionen bildeten eine Armee ; ihre Zahl war von dem Zweck ihrer Vereinigung abhängig. Die Division
vereinigt.
einmal einer Brigade und Division zugetheilten Truppen blieben stets in demselben Verbande. Auf diese Art behielten die Commandeure , solange sie in ihrer Stellung blieben , stets dieselben Truppen unter ihrem Befehl ; für Disciplinirung, Ausbildung und Verwendung war dies ein bedeutender Fortschritt, da jeder Commandeur innerhalb seines Wirkungskreises persönlich verantwortlich gemacht werden konnte. Das Bataillon wurde taktische , die Brigade Verwaltungs- und die Division strategische Einheit. So vollzogen sich im Winter 93/94 unter der Leitung Carnot's drei grosze durchgreifende und umgestaltende organisatorische Neuerungen , welche die Französischen zügellosen Schaaren des Jahres 1793 aus Anarchie und Verkommenheit in festgezogene Grenzen , zu
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen. einem geordneten Heere umgestalten sollten .
65
Mag es auch zweifel-
haft sein, ob der Einfluss Carnot's allein das Gesetz vom 16. August 1793 zu Stande gebracht hat ; mag auch Dubois- Crancé das Verdienst des Antrages auf Embrigadement haben ; mag auch das Bedürfniss der festen Truppen - Eintheilung sich in der Armee selbst zuerst geltend gemacht haben und aus derselben heraus die Anregung dazu gekommen sein , Carnot hat jedenfalls das Verdienst , alle diese für die Entwickelung und Leistungsfähigkeit des Französischen Heerwesens so heilbringenden Grundlagen trotz aller Hindernisse und Gefahren, welche ihm von seinen offenen Feinden wie von seinen Partei-Genossen drohten , mit seltener Thatkraft und durchgeführt zu haben.
Consequenz
Hand in Hand mit der Einstellung der zahlreichen Recruten, mit der Reorganisation der Armee mussten Neueinrichtungen zur Beschaffung von Waffen und Ausrüstung , von Verpflegung und Bekleidung gehen.
Nicht nur die neuausgehobenen Mann-
schaften befanden sich in unfertigem Zustande , auch die älteren Truppentheile
waren ,
in
Folge
der Fürsorge
des
Hebertschen
Kriegs-Ministeriums in einer erbärmlichen Verfassung aus der Campagne von 1793 zurückgekehrt. Um nur durch ein Beispiel ein Bild zu geben, sei erwähnt, dass 15 der Mannschaften des Nordheeres ohne Waffen war , dass
der Leute kein Schuhzeug besaszen.
gungs-Einrichtungen waren nicht vorhanden.
Verpfle-
Die Armee lebte von
Raub und Plünderung. Diesen Verhältnissen gegenüber zeigte sich die organisatorische Thätigkeit Carnot's von einer anderen Seite . Es handelte sich nicht sowohl um grosze principielle Umgestaltungen, wie die oben besprochenen , sondern betraf diejenigen Maaszregeln , welche zur Erhaltung und Ausbildung
eines jeden Heeres noth-
wendig sind. Es würde die gezogenen Grenzen überschreiten, wollte man das Eingreifen Carnot's und seiner Gehülfen bis in die einzelnen Zweige ihrer rastlosen Verwaltungs-Thätigkeit hier verfolgen . Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass im Jahre 1794 der Krieg für die Französischen Waffen nicht unentschieden bleiben dürfe , dass die Republik siegen müsse oder untergehen werde , da Frankreich in seinem augenblicklichen Zustande und mit der regellosen Regierungsform nur noch diese eine Anstrengung machen könne, hiervon ausgehend, wurde von den Jakobinischen Despoten , welche ihren Vortheil mit demjenigen Frankreichs identificirten , mit rücksichtslosester Energie, unterstützt durch die Guillotine, Alles, was Frank5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
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Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
reich an geistigen und
materiellen Mitteln besasz, herange-
zogen und zum Besten der Armee , zur Erlangung des Sieges verwendet.
So gelang es denn dem militairischen Rath des Wohlfahrts-
Ausschusses, die ungeheueren Menschenmassen nicht nur aufzubringen, sondern auch zu bekleiden, zu bewaffnen und zu verpflegen. Die wichtigste innere Frage, welche an Carnot fernerhin herantrat , war die Reinigung und Verbesserung des OffizierCorps.
Das Offizier-Corps der alten Armee war durch die Revo-
lution fast vollständig vernichtet worden. Nur ein kleiner Theil der Königlichen Offiziere diente noch in der Armee. Die Offiziersstellen waren theils mit Unteroffizieren der Königlichen Armee , theils mit brauchbaren, aber unerfahrenen Elementen der Freiwilligen , theils mit unbrauchbaren Producten des Pariser Stadthauses besetzt. Aus dem Unteroffizierstande der alten Armee recrutirten sich die tüchtigsten Generale : Hoche, Pichegru, Souham waren derartige Männer. Die neueren Elemente waren meist sehr zweifelhaften Werthes ; die Art ihrer Entstehung durch Wahlen unter Leuten, die sich meist nicht kannten , beeinflusst von Demagogen , erklärt gentigend , dass die Generale sich beschwerten , dass sie keine Offiziere und Unteroffiziere zur Ausbildung ihrer Recruten hätten, obgleich alle Chargen überzählig besetzt waren. Ein Eingreifen in diese Verhältnisse war nöthig, aber nicht leicht.
Die Absetzung der 23,000 Chargirten bei
Gelegenheit des Embrigadements hatte wohl viele untüchtige Elemente entfernt, doch auch manchen fähigen Offizier, je nach der Gesinnung des ausführenden Volksrepräsentanten, getroffen . Es mangelte nicht nur an tüchtigem Offizier- Ersatz, sondern die Demagogen beschützten auch ihre unbrauchbaren Lieblinge. Im December 1793 verordnete Carnot, dass alle diejenigen Offiziere , welche nicht lesen und schreiben könnten , ihre Stellen verlören . Hierdurch wurden hauptsächlich diejenigen Individuen getroffen, welche ihr Avancement lediglich ihrer demagogischen Befähigung verdankten .
Nur langsam vollzog sich daher diese Maaszregel. 4000 Offiziere wurden nach und
nach abgesetzt.
Die Hauptübel , an denen die Heranbildung eines
tüchtigen Offiziercorps stets scheitern musste , waren das Avancement nach dem Dienstalter und die Wahl der Offiziere durch ihre Untergebenen . Das Avancement nach dem Dienstalter, eine Einrichtung, welche die Armee für ihrer Offiziere dem Gesetze Dubois - Crancé's vom 20. Februar 1793 verdankte , musste, zu so merkwürdigen Consequenzen führen , dass es in der Praxis nicht durchführbar war. Carnot führte das Avancement nach der Dienstzeit in der Charge wieder ein.
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
Die Wahl von 2
der Offiziere bis
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zum Brigadechef aufwärts
durch ihre Untergebenen entsprach allerdings den Jacobinischen Absichten auf Schwächung der Armee, indem sie die Disciplin und Unterordnung bei den Untergebenen, die Festigkeit und Strenge bei den Vorgesetzten untergraben musste.
Wollte man sich einen tüchti-
gen Offizier-Nachwuchs sichern, so musste das Avancement nach Fähigkeit und nach Dienstalter in der Charge unbedingt eingeführt werden und an Stelle der Wahl treten . Entweder waren die Verhältnisse stärker als Carnot,
oder er selbst hielt , indem er seine militairischen Ansichten seinen politischen Grundsätzen unterordnete,
jene Einrichtung für nothwendig
für das Gedeihen der Republik. Im Principe wurde die Wahl beibehalten. Die Nothwendigkeit , wenigstens die höheren Offizierstellen nach Fähigkeit zu be-
setzen, beschränkte in der Praxis die Ausübung des Wahlrechtes auf die Besetzung der unteren Soldclassen. Sein besonderes Augenmerk richtete Carnot darauf, die höheren Führer mit tüchtigen Stäben zu umgeben.
Hierbei verfolgte er
einen doppelten Zweck : erstens konnte er erwarten, dass dieselben einen günstigen Einfluss auf die Ausbildung der Truppen , Befestigung der Organisation, sowie auf den Gang der Operationen haben würden ; und zweitens trug er hiermit den damaligen terroristischen Zeitverhältnissen sehr zweckmäszig Rechnung.
Der Geschäfts-
gang wenigstens wurde nicht gestört durch die Hinrichtung des betreffenden Commandirenden.
Der Stab
war nicht an den Befehlshaber, sondern an den Truppentheil gebunden. Die Bildung eines tüchtigen Offiziercorps ist keine Sache, die sich in einem Winter vollbringen lässt .
Unter den damaligen Ver-
hältnissen, in denen von einer Vorbildung keine Rede sein konnte die von Carnot eingerichteten Militair- Schulen erzielten keine nennenswerthen Resultate
, musste Carnot sich begnügen, durch die Be-
günstigung tüchtiger Elemente wenigstens die höheren Commandostellen passend zu besetzen und es im Uebrigen Jenen , dem Kriege und den durch die allgemeine Wehrpflicht der Armee zugeführten besseren Elementen überlassen ,
im Laufe der Zeit ein tüchtiges
Offiziercorps zu entwickeln . Das Selbstvertrauen und die Disciplin in den Truppen wieder herzustellen , war eine fernere Hauptsorge Carnot's. Ihm, dem alten Soldaten, kam das Vertrauen der Offiziere und Mannschaften mehr entgegen,
als den bürgerlichen Dilettanten, welche
durch ihre, häufig nur von Parteirücksichten eingegebenen Uebergriffe 5*
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
68
Misstrauen und Unzufriedenheit bei den Offizieren erregten und das Ansehen derselben bei den Mannschaften herabsetzten. Die „ Heureuses imprudences" und die „ Audace " der Volks- Repräsentanten schadeten unendlich mehr, als sie vielleicht in einzelnen, allerdings dann um so mehr gepriesenen Fällen nützten .
Der Geist der Ordnung ,
welcher sich unter der Einwirkung Carnot's bald in sämmtlichen militairischen Zweigen geltend machte, tibte seinen stärkenden Einfluss auch auf den Geist der Armee. In zahlreichen Erlassen an die höheren Truppenführer kommt Carnot immer wieder darauf zurück, dass vor Allem dahin gestrebt werden müsse, Selbstvertrauen und Disciplin wieder herzustellen. Durch Uebungen und allmälige Abhärtung in kleineren Unternehmungen während des Winters sollten die Truppen kriegsbrauchbar und feuerfest gemacht , an die neuen Formen gewöhnt, ihren Offizieren in die Hände gearbeitet werden.
Die Offiziere, von den höchsten
Stellen abwärts , sollten ihren Untergebenen in Pflichttreue und Gehorsam mit gutem Beispiele vorangehen.
Wenn man sich in Ge-
fechte einlasse, müsse man stets mit groszer Uebermacht auftreten ; der Französische Soldat müsse sich daran gewöhnen, stets zu siegen ! Die Ermahnungen, Einrichtungen und Befehle Carnot's in dieser Beziehung trugen erst in späteren Jahren ihre Früchte. Die zahl-
von Feigheit und Ungehorsam selbst ganzer Di-
reichen Beispiele
visionen im Feldzuge von 1794 zeigen, dass der Geist eines von allen Leidenschaften zersetzten Heeres nur langsam wieder zu befestigen ist. Wie erwähnt, ermahnte Carnot die Französischen Generale, stets ihre Truppen zusammenzuhalten, stets in Massen , in der Uebermacht aufzutreten. Da man an Menschenmaterial genügenden Ueberfluss, Dank der allgemeinen Wehrpflicht, hatte, so brauchte man Verluste nicht zu scheuen. konnte man hoffen , die
Durch das Einsetzen groszer Massen aber an Zahl unterlegenen ,
aber militairisch
tüchtigeren feindlichen Kräfte zu erdrücken, während die unzuverlässigen eigenen Elemente in den groszen Massen sich gegenseitigen Halt gewähren konnten .
Hiermit schuf Carnot die Grund-
sätze , welche in Strategie und Taktik bei der Französischen Heeresleitung während der Kriege der Republik blieben.
und
des
ersten
Kaiserreiches
maaszgebend
Schon im Jahre 1794 bildete die Massenverwendung
einen Factor zum Siege der Republik. Am 5. März schusse aus .
1795 schied
Carnot aus
dem Wohlfahrts - Aus-
Carnot's Verdienste um das Französische Heerwesen.
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Ueberblickt man die gesammte Thätigkeit, welche dieser Mann für das Französische Heerwesen entwickelte, so muss man zugestehen, dass derselbe sich grosze Verdienste um die militairische Stellung seines Vaterlandes erworben hat.
Die Sicherung des Ersatzes durch die anerkannte Dienstpflicht Aller, die Organisation der Befehlsführung und der Truppenverbände, die Einzwängung der Massen in die festen Rahmen, das Schaffen einer einheitlichen Grundlage für die Entwickelung des Heeres durch Verschmelzung der Linie und Nationalgarde, das Anpassen der Strategie und Taktik an die Eigenthümlichkeit der zur Verfügung stehenden Streitmittel , die Durchführung aller dieser wichtigen Maaszregeln und Verbesserungen, welche allein die militairischen Erfolge eines Napoleon ermöglichten, ist das bleibende Verdienst Carnot's. Die andere Seite seiner Verdienste, mit unwiderstehlicher Energie Alles , was Frankreich leisten konnte, für den einen Zweck, den Sieg der Republik im Jahre 1794 , herbeigeschafft zu haben, kann, da man nicht nur das Erreichen des Zweckes, sondern auch die angewendeten Mittel bei der Beurtheilung eines Erfolges berücksichtigen muss, weder vor der Kritik der Moral, noch derjenigen der Staatskunst bestehen. Für die kriegerischen Erfolge der republikanischen Heere im Jahre 1794 war jene Energie Carnot's allerdings grundlegend, in Frankreich selbst aber ist durch dieselbe der wirthschaftliche Ruin vollendet worden.
Ein Zug, welcher sich durch
die Institutionen der Revolutionshelden selbst bis auf Bonaparte hinab hinzieht, ist der der Eile, des Provisorischen. Ohne daran zu denken , wie sich ihre Regierung zum Besten des Landes gestalten würde, stets von dem Gefühle verfolgt , dass ihre Regierung ein Act der Gewalt sei, dessen Fortexistenz nur von dem augenblicklichen Erfolge abhänge, zerstören sie die Wohlfahrt des Landes, um den augenblicklichen Erfolg zu erlangen . So handelten die Jacobiner, so handelte auch Carnot. Frankreich war vollständig erschöpft.
Die Armeen wurden noth-
dürftig aus den eroberten Ländern durch Erpressungen unterhalten . Die Recruten waren durch den Krieg zu Soldaten geworden. Frankreich hatte grosze Heere an den Grenzen stehen, deren innerer Halt durch die Organisation Carnot's mit ihrem längeren Bestehen zunahm.
Es war der Fluch der Revolution , dass sie auf
ihr eigenes Kind , die „ demokratische Armee " , nicht mit Vertrauen blicken konnte.
Die Machthaber begannen die
Armee zu fürchten, glaubten sie beschäftigen zu müssen und führten sie zu Eroberungskriegen. Eine jede republikanische Regierung,
70
Operiren und Schlagen.
welche aus Mangel an innerer Stärke durch äuszere Kriege sich zu halten sucht, setzt sich der Gefahr aus, durch die Militair despotie gestürzt zu werden. Bonaparte erntete die Früchte der Organisationen Carnot's.
V.
Operiren und Schlagen. *) Operiren und Schlagen sind zwei Begriffe, die noch unlängst den Kriegstheoretikern groszen Kummer bereiteten, da das Bestreben, sie möglichst scharf von einander zu sondern und zu definiren, den natürlichen Zusammenhang völlig zerrissen hatte, der zwischen ihnen besteht.
Allerdings lassen sich die Einzelbeziehungen zweier zu-
sammengehörigen Begriffe
erst dann mit genügender Schärfe
er-
kennen und studiren, wenn sie von allem Fremden entkleidet sind, das gleichsam als Schlacke den eigentlichen Kern umhüllt und unkenntlich macht.
Daher ist eine vorläufige Trennung derselben der
Theorie unerlässlich .
Versäumt sie aber dann, ihre gegenseitigen
Beziehungen aufzusuchen, und die durch sie erzeugte Wechselwirkung zu verfolgen, so bleibt sie auf einem einseitigen Standpunkte stehen, auf dem sie nur mit Theilen rechnet , während das durch ihr Zusammenwirken gebildete Ganze ihr ein ungelöstes Räthsel bleibt. Auf einem solchen Standpunkte befand sich die Theorie des Krieges. Ihre secirenden Bestrebungen hatten die beiden Theilbegriffe der Kriegführung in möglichster Nacktheit hingestellt und durch die künstlichsten Definitionen einander so unähnlich gemacht, dass sie sich gegenseitig auszuschlieszen
schienen ,
und
die
Ermittelung,
welchem von beiden die Unfehlbarkeit des Sieges innewohne, als der mit allem Eifer gesuchte Schlussstein des Lehrgebäudes betrachtet wurde .
Bei der groszen Verschiedenheit beider Begriffe in ihrer
Abstractheit konnte das Urtheil nicht lange schwanken.
Dem durch
Jahrhunderte langes Ringen auf eine so hohe Stufe geistiger Bildung gestellten Menschen musste der Charakter der rohen Gewalt , den *) Dieser Aufsatz war bereits vor Beginn des Russisch-Türkischen Krieges geschrieben ; hierin liegt der Grund, dass in der Beweisführung nicht auf BeiDie Red. spiele aus diesem Kriege hingewiesen wurde.
Operiren und Schlagen.
71
selbst die ausgebildetste Technik in der Anfertigung und die vollendetste Routine in der Handhabung der Waffen dem Schlagen nicht nehmen konnte, im höchsten Grade zuwider sein.
Waltete
doch in dem modernen Kampfe derselbe thierische Trieb der Vernichtung vor, der den Faustkampf der Urmenschen beseelte , und blieb doch auch der Ausgang nach wie vor derselbe, der Verlust von Menschenleben ! Diese waren aber ungleich kostbarer geworden, als sie früher waren.
Der gesteigerte Werth des Besitzes , die erleichterte Aus-
nutzung desselben und die erhöhte Bequemlichkeit des Lebens verliehen dem letzteren einen höheren Reiz , und der Krieg sank von der Sache des Volkes zu der von wenigen Individuen herab, welche die Leidenschaft für ein ungebundenes Leben oder die Unttichtigkeit zu friedlicher Beschäftigung dazu trieb.
Das Bedürfniss , sie zu
schonen, gebar jene Caricaturen des Krieges, unähnlich den mannhaften Kämpfen des Alterthums und den Raufereien des Mittelalters , in denen doch noch immer der Werth des Mannes entschied , jene zierlichen Reigen der Condottierikämpfe, in denen Verwundungen nur durch eigene Ungeschicklichkeit zu erlangen waren, die Cabinetsund Manöverkriege, in denen es dem Feldherrn als Fehler angerechnet wurde, wenn er eine Schlacht nicht hatte vermeiden können . Die Kunst der Kriegführung wurde darin gesucht, durch geistreiche Marschcombinationen dem Gegner in dem Maasze poniren, dass er aus Furcht , schlagen zu müssen,
zu im-
sich zurückzog ;
und ihn ohne Schlacht vom Kriegstheater herunter marschirt zu haben, galt als der höchste Triumph. Dass dabei gewisse Punkte im Terrain einen hervorragenden Einfluss auf die kriegerische Thätigkeit gewannen, und letztere sich schlieszlich nur noch um sie drehte, war eine unvermeidliche Folge dieses Strebens ; das wochenlange Gegenüberliegen der feindlichen Armeen auf Kanonenschussweite wurde bald eine allgemeine Mode. Turenne und Montecuculi überboten sich darin in ihren Feldzügen am Rheine, und selbst Gustav Adolf, der so gut zu schlagen wusste, war so eingenommen von dieser gelehrten Kriegführung, dass er in elf Feldzügen nur zwei Schlachten schlug, und diese nur, weil er musste. Dass die Verluste auf den Märschen und vor Allem bei dem langdauernden Lagern auf einer Stelle dabei gröszer waren, als in den blutigsten Schlachten, beweist die Unzulänglichkeit des gewählten Mittels zum Zwecke der Schonung, die Winzigkeit der dadurch erlangten Erfolge seine gleich grosze zu dem der Entscheidung.
Und
72
Operiren und Schlagen.
doch lernte selbst Friedrich der Grosze erst durch den ersten Schlesischen Krieg, sich davon zu emancipiren, und seine Gegner brachten sogar die von ihm erhaltenen Lectionen noch nicht zu demselben Entschlusse.
Denn der Französische Kriegsplan für das Jahr 1799
ergeht sich wohl in den kühnsten Zusammenstellungen von geographischen Linien und Punkten, gedenkt aber der feindlichen Armee nur ganz
vorübergehend ,
und der Oesterreichische Hofkriegsrath
tadelte den Erzherzog Carl , als er im Gefühle , bisher nicht seiner Ueberlegenheit entsprechend aufgetreten zu sein, bis Donaueschingen vorgegangen war, und Suwarof, als er ohne eingeholte Erlaubniss an der Trebbia gesiegt hatte. Ja sogar das Auftreten Bonaparte's brach noch nicht völlig den Bann, den diese Verirrung der Theorie auf die Kriegführung gelegt Die Schwarzenberg'sche Kriegführung in den Jahren 1813 und
hatte.
1814 bewegte sich noch getreulich in dem alten Geleise, und wären nicht in der Preuszischen Armee Männer der That gewesen , so würde sie auch dem ganzen Feldzuge ihren Stempel aufgedrückt haben. Diese Männer im Preuszischen Heere waren es, die dem gewaltigen Corsen das Geheimniss seiner Stärke abgelauscht hatten und zur Kenntniss der militairischen Welt brachten. Die Namen Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz sind daher eng verbunden mit der Wiedergeburt einer gesunden Kriegstheorie ,
welche nach langem
Irrthume den Krieg endlich wieder in seiner wahren Gestalt darstellte, als letztes und wirksamstes Mittel der Politik , zur Nothwendigkeit gereift durch die Wirkungslosigkeit ihrer gewöhnlichen Mittel zum Ausgleich der Differenzen im staatlichen Verkehr. Als Zweck desselben ergiebt sich danach die Unterwerfung der feindlichen Politik bis zur Anerkennung der eigenen politischen Ansichten, und da sie sich dazu nur im Zustande der völligen Wehrlosigkeit versteht, als Ziel die Zerstörung der Stützen , welche ihr die Selbstständigkeit des Wollens sichern. Dieselben beruhen in der Wehrkraft des Landes und der für dasselbe eintretenden Verbündeten, und ihre Repräsentanten sind die Armeen, die Hülfsquellen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung, und das Land selbst mit seiner natürlichen und künstlich erhöhten Widerstandskraft. Zu selbstthätigem Auftreten allein befähigt, und daher der erste und wichtigste Factor derselben, ist die Armee. Sie ist deshalb auch das erste Object der kriegerischen Thätigkeit, und da eine Einwirkung von bewaffneten Kräften auf einander nur in gewaltsamer Weise zu denken ist, ihre Vernichtung das in erster Linie vom Feldherrn zu erstrebende Ziel.
In ihr liegt der Brennpunkt der
kriegerischen
73
Operiren und Schlagen.
Thätigkeit, und Alles, was bis zu ihrem Eintritte geschieht, gehört in das Gebiet ihrer Vorbereitungen. Alle zeitlich vor ihr liegenden Operationen erscheinen also als die Fäden , welche nothwendig sind , um den Knoten zu schürzen , der seiner Seits ihnen erst die Bedeutung geben kann , die der gebrachten Opfer würdig ist , da sie ohne ihn haltlos hin und her schwanken.
Ob aber das ganze Gewebe durch diesen einen Knoten
schon genügenden Halt bekommt , um zum Abschlusse gebracht zu werden, oder ob vor demselben noch neue zu knüpfen sind, das ergeben die Verhältnisse , unter denen die Arbeit vollbracht werden . muss.
Jedenfalls kann der ganze noch zu leistende Theil derselben
auf keinem sichereren Grunde ruhen, als auf dem durch die Vernichtung des Haupttheiles der feindlichen Wehrkraft geschaffenen , und diese, der Abschluss der vorhergegangenen Operationen, wird somit zur Basis für alle folgenden bis zur gänzlichen Niederwerfung des feindlichen Widerstandes. Denn
wenn das politische Motiv , welches den Krieg gebar,
stark genug, das Bewusstsein des Rechtes und der zu seinem Schutze noch vorhandenen Kraftfülle lebendig genug ist , so beugt sich die Regierung eines Staates nicht vor dem Ergebnisse einer Schlacht, sondern appellirt an den noch gebliebenen Kraftrest.
Und dass die
Wirkung desselben durchaus nicht auf einen absoluten Widerstand beschränkt ist , sondern unter Umständen in sehr offensiver Art zur Geltung kommen kann, zeigt der Feldzug 1870 zur Genüge. Immerhin aber ist durch den über die feindliche Feldarmee davongetragenen Sieg die ganze Situation so sehr zu Gunsten des Siegers umgestaltet, dass er der völligen Erreichung des erstrebten Zieles um einen sehr bedeutsamen Schritt näher gerückt ist. Aus diesem Verhältnisse resultirt die Wechselwirkung, in welcher Operiren und Schlagen zu einander stehen müssen, wenn die Kriegführung nicht an dem Uebel kranken soll, das ihr Jahrhunderte lang die schönsten Blüthen vergiftete.
Sie findet ihren Ausdruck in dem
Grundsatze : Nur zu operiren, um zu schlagen, und nur zu schlagen, um auf den Sieg neue Operationen aufbauen zu können, die in der gänzlichen Vernichtung der feindlichen Wehrkraft gipfeln. Der Krieg besteht sonach aus einer Reihe von Schlachten, verbunden mit einander durch die Operationen zu ihrer Inscenirung, und abgeschlossen durch den Zusammenbruch des feindlichen Widerstandes ; die Meisterschaft in seiner Führung ist nur dem Feldherrn zuzuerkennen, der es versteht, in der Combination beider stets das richtige Maasz zu halten.
74
Operiren und Schlagen. Sein erstes Ziel ist die Entscheidungsschlacht, der Sieg in der-
selben seine ernsteste
Absicht , die
unabweisliches Bedürfniss für ihn.
eigene Ueberlegenheit mithin Besitzt er sie , so ist er um so
mehr berechtigt , ja verpflichtet , sie auf dem kürzesten Wege zur Anwendung zu bringen, da jeder Aufschub die augenblickliche Situation nur zu seinem Nachtheile ändern kann.
Besitzt er sie nicht,
so ist er darauf angewiesen , die Situation so zu verschieben , die Entscheidung so lange aufzuhalten , dass sein Ringen um dieselbe eine gröszere Wahrscheinlichkeit des Erfolges erhält. Die
Ausnutzung
der Vortheile ,
welche
die
Schwächeren bietet, ist das geeignetste Mittel dazu .
Defensive
dem
Die geschickte
Benutzung von Festungen und Hindernissen zur Theilung des Gegners hebt dessen Ueberlegenheit zeitweise auf und überträgt sie auf den Vertheidiger.
Aber um diese Zeitpunkte ausnutzen zu können, muss
er auf strengste Oekonomie der Kräfte halten , da er sonst leicht in die traurige Lage kommt, aus mangelnder Kraft nirgends offensiv werden zu können .
Denn der Umsatz der einen Kampfform in die
andere hat an und für sich schon so viele Reibungen zu überwinden, dass nur vollendete Meister ihn erfolgreich zu handhaben verstanden , während alle Anderen den Ausweg aus der starren Defensive nicht fanden und mit gebundenen Händen den Operationen des Angreifers zu ihrer Vernichtung zusehen mussten. Die Rechnung auf die moralische Ueberlegenheit
der Truppe
ist zu Anfang eines Feldzuges mindestens so zweifelhaft , dass sie nicht den Ausschlag geben darf. In dem Maasze , als sie sich im Laufe der Begebenheiten als in der That vorhanden herausstellt, darf und muss mit ihr gerechnet werden , da sie einer der wesentlichsten Factoren zum Siege ist.
Aber für die ersten Schritte darf
nur die numerische maaszgebend sein , da sie allein einen sicheren Anhalt für die Grösze der zu erwartenden Wirkung abgiebt. Anders verhält es sich mit der persönlichen Kraftfülle des Führers . Trägt er das Bewusstsein der
eigenen Ueberlegenheit über den
Gegner in sich, so verdient er diese hohe Begnadigung nicht, wenn er sie nicht in sein Calcül mit einschlieszt ; denn sie ist die sicherste und fruchtbarste von allen ihm zu Gebote stehenden Stärkequellen. Worauf hätten die beiden groszen Feldherren des Alterthumes, worauf der grosze Preuszenkönig und der Französische Welteroberer ihre Uebermacht basiren sollen , als Genie's?
auf den Reichthum des eigenen
Der Abschluss dieser Rechnung ergiebt die Norm für die Anstrebung der Entscheidung, den Entschluss zur sofortigen Offensive
75
Operiren und Schlagen.
oder den zur vorläufigen Defensive ; und der Erfolg zeigt, in welcher Weise die Rechnung berechtigt war , die gefassten Entschlüsse zu bestimmen.
Er zeigt aber mit derselben Deutlichkeit auch, dass der
Entschluss allein den Sieg nicht herbeiführt. Was konnte Alexander's kühner Entschluss nützen, wenn die Myriaden des Perserheeres , der Friedrich's, wenn Schwerin's Ausbleiben vor Prag ihn erschütterte, und der unserer Heerführung in den beiden letzten Feldzügen, wenn die heiszen Kämpfe um die Böhmischen und Vogesen - Pässe ihn wankend machen konnten ? Die zäheste Consequenz in der Festhaltung des gesteckten Zieles und in der Ueberwindung aller Hindernisse, die noch von demselben trennen , vermag allein seine Erreichung herbeizuführen .
Jede Ab-
schweifung von demselben, jeder Umweg rückt es in weitere Ferne, und verringert in gleicher Weise die Wahrscheinlichkeit des überraschenden Eintreffens an demselben , wie die Schlagfähigkeit der Truppe , die unter nutzlosen Hin- und Herzügen leidet.
auszerordentlich
Das erste Erforderniss , um letztere vermeiden zu können , ist die genaueste Kenntniss der Verhältnisse beim Feinde , die beim Beginne der Feindseligkeiten meist nur durch Combination der Garnisonen und Transportlinien mit einiger Wahrscheinlichkeit sich feststellen lassen. Ihre schleunigste Aufklärung ist aber um so wichtiger, als eine unzweckmäszige erste Concentration der Armeen meist einen lähmenden Einfluss auf alle Operationen bis zur ersten Entscheidung ausübt, und jedenfalls eine vergebliche Mühe ist.
Das Mittel dazu
findet der Feldherr in der Organisation der heutigen Armeen .
Die
Cavallerie - Divisionen , durch ihre directe Unterstellung unter die Armee-Commando's unabhängig von den Corps gemacht , und durch ihre eigene Bewaffnung, sowie die Beigabe einer genügenden Artilleriestärke zu selbstständigem Auftreten befähigt , entsprechen allen an eine Aufklärungstruppe zu stellenden Anforderungen ; und wenn der Feldherr nicht versäumt, sie rechtzeitig an die Stelle zu setzen, wo sie ihn hören und sehen können , so wird es ihm selbst nie an Aufklärung über den Feind und seine Maaszregeln , seinen eigenen Anordnungen nie an Schutz gegen die auf dasselbe Ziel gerichteten feindlichen Bestrebungen fehlen. Ob die auf diesem Wege
eingebrachten
Nachrichten
schon
wesentlichen Einfluss auf die erste Versammlung der Armeen gewinnen können, hängt wesentlich von der Zeit ab , in welcher die Cavallerie - Divisionen zu diesem Zwecke bereit stehen , sowie von
76
Operiren und Schlagen.
ihrer Uebung in demselben.
Jedenfalls muss die Aufklärung abge-
schlossen sein, wenn die Armeen operationsfähig sind. Die Versammlung der Cavallerie - Divisionen an verschiedenen Punkten bedingen die bei der Feststellung des Kriegsplanes angestellten Erwägungen über die Möglichkeit der Concentrationen des Feindes und Bedrohungen des eigenen Gebietes , sowie die Rücksichten auf möglichste Ausnützung der verfügbaren Communicationen zur äuszersten Beschleunigung der Ansammlungen, auf Verpflegung und Vorwärtsbewegung der fertigen Armeen.
Ihre Aufgaben und
Ziele bis zur Entscheidung gegen die feindliche Hauptarmee bestimmt der Kriegsplan .
Was zeitlich hinter dieser liegt ,
entzieht
sich aber vorläufig noch jeder Berechnung, da es von ihrem Ausfalle abhängig ist. Alle Anordnungen des Obercommando's nach Beginn der Operationen können mithin nur darauf berechnet sein, den Zusammenhang zwischen den Armeen nicht aufhören zu lassen, und ihr Vorgehen in Uebereinstimmung zu erhalten, damit das gemeinsame Ziel nicht verloren gehe, und ihr Zusammenwirken an demselben gesichert sei.
Alle Einzelbestimmungen innerhalb dieser Sphären aber,
sowie alle , die der specielle Fall erheischt, liegen in der Hand der Armeecommando's . So lange dieselben mit den vom Obercommando verfügten im Einklange zu erhalten sind, müssen letztere auf das Genaueste innegehalten werden, da nur dann die Einheitlichkeit des Handelns gesichert bleibt.
Ergeben aber die an Ort und Stelle gemachten Er-
fahrungen eine andere Ansicht über die Absichten des Feindes oder eine Aenderung derselben, so ist es die erste Pflicht des Armeecommando's, das Obercommando davon in Kenntniss zu setzen.
Dem-
nächst aber liegt ihm ob, aus eigener Initiative Das anzuordnen, was ihm nach persönlicher Einsichtnahme in die Situation geeignet erscheint, derselben die für den gemeinsamen Zweck günstigste Wendung zu geben, ohne indessen einen zwingenden Einfluss auf die Entschlieszungen des Obercommando's zu gewinnen, dem allein die Initiative zur gewollten Entscheidung zusteht. Die eigene Situation und die beim Feinde, vor Allem aber das Verhältniss zu den Nachbar-Armeen müssen den Ausschlag geben, ob diese Anordnungen auf das Gefecht hinausgehen dürfen oder müssen.
Letzteres ist unbedingt der Fall ,
wenn nur Theile der
feindlichen Armee gegenüber stehen, deren Unterlegenheit den günstigen Erfolg auszer Zweifel stellt , oder deren Aufstellung den Weg zum Entscheidungsfelde sperrt.
Die in solchen Lagen aufgebotene
Operiren und Schlagen.
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Energie macht sich glänzend bezahlt durch das richtige Functioniren des schwierigen Mechanismus zur Entscheidung, sowie dadurch, dass jeder errungene Erfolg das moralische Element der eigenen Truppe in dem Grade hebt , der feindlichen dagegen herabdrückt , dass für die Entscheidung schon damit gerechnet werden darf. Hätte unsere Heerführung in den letzten Tagen des Juni 1866 und in den ersten des August 1870 nicht alle Kraft eingesetzt, um . da, wo sie schlug, auch zu siegen, und Freund und Feind dies Factum gleichsam als Naturgesetz einzuprägen , so
würden
die schweren
Kämpfe bei Königgrätz und um Metz sich vielleicht nicht zu Siegen für unsere Waffen gestaltet haben. In unmittelbarer Folge ergiebt sich hieraus der Grundsatz, Gefechte zu vermeiden, deren Ausgang aller Wahrscheinlichkeit nach nicht günstig sein kann, oder deren Verhältnisse nicht aufzuklären sind.
Damit verbieten sich alle jene Gefechte zum Loslösen toll-
kühner Avantgardenführer und aus reiner Lust zum Schlagen, die so oft den Beginn eines Feldzuges mit einer Niederlage bezeichnen. Das Schlagen, für die gesuchte Entscheidung Selbstzweck, ist während des Vormarsches zu derselben eben nur ein Mittel zum Zweck, also zu vermeiden, wo es denselben nicht fördert.
Die Beweglichkeit
unserer Heerkörper und ihre organische Gliederung machen es dem Führer möglich, seine Massen einem Gefechte mit ungünstigem Ausgange selbst dann noch zu entziehen, wenn es schon eingeleitet ist. Die Nothwendigkeit , nehmen ,
kann
aber
wichtige
Punkte
schnell in
auch unter ungünstigen
Besitz
Verhältnissen
zu zum
Schlagen zwingen, selbst ein Opfer erheischen, wenn dadurch spätere und ungleich gröszere erspart werden können . Im erhöhten Maasze ist ein solches Verfahren die Pflicht der Detachements , die den Marsch der Armeen zur Entscheidung gegen feindliche Anfälle schüitzen sollen, um letztere ihr womöglich gar nicht fühlbar werden und jedenfalls keinen Einfluss auf die Entscheidung gewinnen zu lassen, Die Führer
solcher Detachements müssen durchdrungen sein von
dem Bewusstsein, dass da, wo die Entscheidung fällt, das Schicksal der Armee entschieden wird , und dass sie den dort zu erringenden Sieg mit erkämpfen helfen , wenn sie den ihnen gegenüber stehenden feindlichen Streitkräften die Einwirkung auf denselben verbieten , wie Thielemann dem Corps Grouchy am 17. und 18. Juni 1815. Am
verhängnissvollsten kann die Wirkung dieser Störungen
werden, wenn sie die Armeen in der Concentrationsperiode treffen, da letztere in dieser Zeit erst ganz allmälig zu ihrer vollen Stärke und Gefechtsfähigkeit heranwachsen und daher selbst gegen un-
78
Operiren und Schlagen.
bedeutende feindliche Beeinflussungen sehr empfindlich sind.
So
hätte der anfängliche Verlauf des Feldzuges 1870 sich ganz anders gestalten können, wenn die Französische Armee wirklich in dem Maasze kriegsbereit gewesen wäre, wie sie sich träumte, und unsere sich sammelnden Armeen hinter den Rhein zurückgedrängt hätte. Die frühzeitige Bereitschaft der Cavallerie-Divisionen an den Grenzen der Sammelbezirke bietet die Möglichkeit, solche Gefahren schon in der Ferne zu erkennen und abzuwenden. Die völlige Aufzehrung ihrer Kräfte in der Erfüllung dieser Pflicht ist freilich nicht unmöglich, aber doch sehr wenig wahrscheinlich, wenn Nichts versäumt wird, um zu ihrer Aufnahme möglichst schnell operationsfähige Truppenkörper in den Grenzprovinzen aufzustellen ; und jedenfalls überwiegt der Umstand , dass dadurch die Hauptmasse des Heeres intakt erhalten bleibt , während die feindlichen Streitkräfte durch diesen Versuch gewiss nicht unbeträchtliche Einbuszen erleiden , die für die Entscheidung schwer ins Gewicht fallen müssen. Nach dem Beginne der Operationen verlieren diese Anfälle viel von ihrem gefährlichen Charakter.
Namentlich ist dann von Seiten
der Front und Flanken sorgsam umhüllenden Cavallerie nicht mehr jene Aufopferung nöthig, da sie die eigenen Massen hinter sich hat, die, rechtzeitig avertirt , ihr zu jeder Zeit eine sichere Aufnahme, der feindlichen Unternehmung einen passenden Empfang bereiten können. Mit der zunehmenden Kenntniss der Verhältnisse beim Feinde und der abnehmenden Entfernung von seiner Hauptmacht nehmen die Operationen allmälig einen veränderten Charakter an. Die Rücksicht auf Schonung und Bequemlichkeit der für das Schlagen bestimmten Massen weicht der Sorge für ihre stete Gefechtsbereitschaft Die Häufungen auf wenige Straszen werden dichter, die Quartiere enger, die Verpflegung schwieriger und wesentlich auf regelmäszigen Nachschub aus der Heimath angewiesen, dessen Vernachlässigung sich in dieser Zeit um so bitterer rächt , als die Truppen vor ihren höchsten Leistungen stehen , bis schlieszlich die Concentration zur Schlacht im Bivouak oder Rendezvous erfolgt.
Die Stärke des dort
vereinigten Theiles der ganzen Armee giebt den besten Prüfstein für die Zweckmäszigkeit der bisherigen Operationen ab .
Jedenfalls
muss die Hauptmasse der Infanterie und Artillerie sich dort befinden, wenn nicht Nebenzwecke dem Führer auf dem Vormarsche zu viel davon abgelockt haben.
Friedrich der Grosze und vor Allen Na-
poleon lieszen sich auch durch die Fehler der Feinde nicht zu excentrischen Operationen verleiten ,
und die Concentration unserer
Operiren und Schlagen.
79
Armee zu den Entscheidungsschlägen der letzten Feldzüge ist würdig, ihren Leistungen an die Seite gestellt zu werden. Für den Ausfall des Kampfes selbst ist es von wesentlichem Einflusse, wie die Massen auf einander stoszen, da nicht allein ein Sieg über die feindliche Armee, sondern deren Vernichtung erstrebt wird. Flanke und Rücken derselben und vor Allem ihre rückwärtigen Verbindungen sind daher sehr erstrebenswerthe Ziele des zum Kampfe entschlossenen Feldherrn , und die zweckmäszige Vertheilung seiner Massen für diesen Zweck seine nunmehrige Aufgabe. Dieselbe führt ihn aus dem Gebiete der Strategie in das der Taktik hinein, welcher letzteren es vorbehalten ist, die Entscheidung durchzuführen und ihr Resultat dann der Strategie zur Ausbeutung für ihre ferneren Zwecke zu übergeben. Der unmittelbare Anschluss der taktischen Arbeit an die strategische Vorarbeit ist dringendes Erforderniss, da jeder noch so kleine Zeitverlust dem Feinde Gelegenheit giebt , die auf sein Verderben hinzielenden Anstalten zu erkennen und Vorkehrungen gegen dieselben zu treffen , die jedenfalls ihre Ausführung nur erschweren können . Wie ungleich schwieriger die Verhältnisse für das Schlagen sich gestalten, wenn erst durch dasselbe die Erkenntniss heranreift, dass es sich um eine wirkliche Entscheidung handelt, zeigen die Schlachten bei Königgrätz und Metz. Der Charakter der Rencontreschlacht, den sie tragen, zwang zu einem Angriffe, wo man den Feind fand, ohne Kenntniss von seiner Stellung und ihren Schwächen, also auch ohne diese für den Entscheidungsstosz ausnutzen zu können. Die trotzdem errungenen Siege sind daher lediglich dem schnellen Entschlusse der Führer, der Bravour und Waffenbrüderschaft der Truppen, und der pünktlichen Befolgung der erhaltenen Marschbefehle zuzuschreiben. Eine Ausbeutung derselben in unmittelbarem Anschlusse an ihre Erringung war aber nicht möglich, da der Tag zu Ende, und der Zustand der Corps, die sie hätten übernehmen müssen, nach den überstandenen Marschleistungen ein derartiger war, dass er die Möglichkeit neuer Anstrengungen ausschloss. Die Vernichtung einer ganzen Armee ist eben nicht eine Stunden-, sondern eine volle Tagesarbeit, und die Truppe, die sie herbeiführen soll , muss schon am Abende vorher dazu bereit gestellt werden. Die Schlacht bei Sedan zeigt das Bild einer solchen, mit bewusster Absicht herbeigeführten und vorbereiteten Entscheidung.
Ihr Er-
gebniss war daher auch keineswegs ein zufälliges, sondern geradezu nothwendiges, wenn anders Führer und Truppen das Vertrauen nicht
80
Operiren und Schlagen.
Lügen strafen wollten , schenkte .
welches ihr Königlicher Kriegsherr ihnen
Es war der glänzende Abschluss glänzender Operationen ,
eine sichere Basis für die groszartigen Unternehmungen , die der Schlacht folgten, die erste Etappe auf dem Wege zur Erreichung des Feldzugszieles. Die peinliche Lage Friedrich's des Groszen nach der vergeblichen Belagerung von Olmütz , Napoleon's während der von Mantua , zeigt im Gegensatze dazu die Verlegenheiten, in welche das Ueberspringen dieser Etappe führen kann , und bestätigt von Neuem , dass kein anderes Mittel eine so unmittelbare und nachhaltige Wirkung auf die feindliche Streitmacht ausübt , mithin auch einen so sicheren Grund für den Aufbau der Operationen zur Erreichung der Feldzugsziele schafft , die nun um so mehr in den Vordergrund treten , als ihnen bisher nur eine nebensächliche Aufmerksamkeit werden konnte.
zugewandt
Diese Ziele sind ebenso zahlreich als wichtig , und jeder verlorene Augenblick rückt ihre Erreichung in weitere Ferne .
Die aus
der Entscheidungsschlacht entkommenen , und die gar nicht in dieselbe verwickelt gewesenen feindlichen Heerestheile, die Festungen und alle die Hülfsquellen des Landes zur Ergänzung und Stärkung seiner Wehrkraft sind nur unmittelbar nach der gefallenen Entscheidung in einem solchen Zustande, dass sie eine leichte Beute des Siegers werden.
Lässt er diese kostbare Zeit verstreichen , so schwindet
sein durch den Sieg erlangtes Uebergewicht sehr schnell , und er muss nach Friedrich dem Groszen „ eine entschiedene Sache noch einmal zur Entscheidung bringen ". Wenige Feldherren verstanden
es ,
in dem allgemeinen Er-
schlaffungsmomente nach dem gewaltigen Vernichtungsacte das Kriegsziel unverrückt im Auge zu behalten , und Angesichts der blutigen Opfer des taktischen Sieges die Spannkraft zu seiner Vollendung, zum strategischen Siege zu finden.
Daher hat manche Entscheidungs-
schlacht den Sieger nicht über die Wahlstatt hinausgeführt und blieb ein unnützes Glied in der Kette der kriegerischen Begebenheiten, da sie den Zweck, dem alle dienen müssen, nicht förderte . Denn die völlige Niederwerfung eines Staates ist meistentheils nur in seiner Hauptstadt zu erwarten, da ihr Schutz jedenfalls das mächtigste Motiv zum Aufgebote seiner letzten Kraft ist. In ihr ist mithin das Herz seines Widerstandes zu suchen, und die Schlichtung der Differenzen zu erwarten , die den Krieg hervorriefen , wenn es dem Sieger gelingt, mit einer so imponirenden Stärke dort aufzu-
81
Operiren und Schlagen.
treten, dass er alle militairischen und politischen Gegenströmungen bemeistern kann. Um aber dem Vormarsche auf dieses , nunmehr geographische Ziel gleich von vornherein den gefährlichsten Keim des Misslingens zu nehmen , darf er nicht unterlassen , durch Besitzergreifung des ganzen Landstriches , in dessen unbestrittenen Besitz ihn der Sieg gesetzt hat , sich eine neue materielle Operationsbasis zu schaffen , und die Lasten des Krieges thunlichst von dem
eigenen Lande ab-
zuwälzen , namentlich die Verpflegung der Armee ganz Mitteln des Feindes zu bestreiten.
aus den
Der Sieg hat seine numerische und in noch viel höherem Maasze seine moralische Ueberlegenheit so bedeutend erhöht , dass er mit dem Schrecken rechnen darf , den er Allem, was feindlich ist , einflöszt ; und das Moment der Ueberraschung ist noch so voll auf seiner Seite, dass er zu Unternehmungen berechtigt ist, die in jedem anderen Falle als Tollkühnheiten zu bezeichnen wären. Abgesprengte Heerestheile, volkreiche Städte und unvorbereitete Festungen ergeben sich auf die blosze Aufforderung hin , da eine grosze Zahl von Hülfsmitteln zu ihrem Schutze gar nicht auftreten kann ,
wenn ihnen
nicht eine gewisse Zeit zur Entwickelung gelassen wird. Der ungesäumte Vormarsch auf Paris, die Cernirung von Metz und Belagerung
von Straszburg , die Unternehmungen gegen die
kleinen Festungen, die Besetzung der durchmessenen Provinzen und die Detachirungen gegen die neu erstehenden feindlichen Armeen bilden eine Fülle von gleichzeitigen Unternehmungen
des letzten
Feldzuges , wie sie nicht reicher gedacht werden kann. Und doch durfte keine derselben unterbleiben , wenn nicht ein nachtheiliger Einfluss auf das Ganze daraus erwachsen sollte . Der grosze Erfolg hat die kleinen gereift, und es gilt nur, sie zu sammeln , um das Gesammtresultat für den Feldzug möglichst grosz zu machen.
Die Grenze desselben bezeichnet der Augenblick,
wo die eigene Kraftfülle zur Erringung von neuen Erfolgen nicht mehr ausreicht.
Sei es , dass dem feindlichen Staate neue Kraft-
quellen sich erschlieszen , dem eigenen neue Feinde erstehen , dass die Ungeheuerlichkeit der zu durchmessenden Strecken oder gerechte Zweifel in die Möglichkeit der ausreichenden Verpflegung den Erfolg in Frage stellen ; jedenfalls ist dann erst der Zeitpunkt herangekommen, wo die Politik wieder eintreten darf und muss, um aus dem bisher Erreichten das günstigste Resultat zu ziehen. Wie schnell selbst der glänzendste Feldzug an diese Grenze des Erreichbaren führt, zeigt unsere Lage im Jahre 1870 vor dem Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII. 6
82
Operiren und Schlagen.
Falle von Metz .
Dieselbe war zwar nur dadurch so kritisch ge-
worden, dass das Französische Volk sich in unerwarteter Opferbereitschaft erhoben hatte ; aber auf eine ähnliche Hingabe und Begeisterung muss man immer da rechnen , wo der Krieg den Stempel des Nationalen erhält, und sich Männer finden, die neben der Gabe, das Volk zu begeistern, auch die besitzen, es zu bewaffnetem Widerstande zu organisiren. Diese letzteren Momente , die um so mehr auszerhalb aller Berechnung liegen, als sie meist erst dann in Wirkung treten , wenn der Krieg schon beendigt zu sein scheint, vereinigen ihren Einfluss mit dem der Reibungen , welche die Handhabung der an sich so einfachen Grundsätze der Kriegführung so sehr erschweren . Die fortwährende Reaction gegen den eigenen Willen , die Ungewissheit, wo und wann sie eintreten wird, und die Anspruchnahme von Geist und Körper dessen zugleich, gegen den sie gerichtet ist, sind wohl geeignet, selbst eine ungewöhnlich reiche Mannesnatur in steter Spannung
zu erhalten.
Deshalb ist es auch nur wenigen
Feldherren gelungen, sich beständig über ihnen zu erhalten, und ihr Beispiel zeigt zur Genüge , dass nicht eine Ueberfülle von theoretischen Kenntnissen und Formenweisheit sie über ihre Zeitgenossen erhob , sondern die Aneignung jener einfachen Grundsätze bis zu dem Grade, dass sie sich völlig in ihnen verkörpert hatten, und die Stärke des Charakters , welche den momentanen Eindrücken die ruhige Consequenz der eingewohnten Ueberzeugung, den schlimmsten Situationen das Vertrautsein mit dem Gedanken an einen ehrenvollen Untergang entgegensetzte . Diese Factoren waren es , welche die Grösze eines Alexander, eines Caesar, eines Friedrich und Napoleon schufen , und ohne sie wird kein Feldherr sich an die Höhe heranarbeiten können , auf welcher sie stehen.
Nachrichtenwesen ehedem.
83
VI.
Nachrichtenwesen ehedem.
(Ein Fragment . ) Das Nonplusultra in Beschaffung schneller, zuverlässiger, vollständiger Nachrichten über des Feindes Stärke etc. leistete der Ungarnkönig Matthias Corvinus (gest. 4. April 1490 zu Wien, 47 Jahre alt) . Er beschränkte sich nicht darauf , Spione „ Königlich “ zu bezahlen, sondern verwerthete auch seine Höchsteigenen Augen und Ohren zur „ Kundschaft " , Falls Kriegscassen - Leerheit oder andere dringliche Ursach obwaltete.
So z. B. 1474, als König Kasimir von
Polen mit einem Polnisch-Böhmischen Heere eingetroffen war zwischen Ohlau und Breslau, da ritt Matthias, als Bauer verkleidet, aus Breslau nach dem feindlichen Lager und recognoscirte dasselbe von einem Flügel zum anderen. Vergeblich hatten Schlesisch - Ungarische Streitkräfte eine bis nach Posen sich ausdehnende Razzia ausgeführt, als Entgegnung auf die Polnischen Verwüstungen in Schlesien.
Vergeblich hatten die
Breslauer eine für König Kasimir bestimmte Lebensmittelzufuhr überfallen und weggenommen ; der Böhmische König Wladislaw, welcher bald darauf sich vereinte mit seines Vaters Schaaren bei Brieg (den 24. October 1474), brachte vollen Ersatz.
König Matthias vorbereitete
jetzt seinen Feinden eine Hungerzone, indem er durch Hunderte von Wagen die Nahrungsmittel vom platten Lande zu seinem Heere abholen liesz und den Dorfleuten befahl , mit ihrer Habe sich in die Städte zu begeben. In Breslau lagerte nun "" viel Bauervolk mit Weib und Kind " ; die Pest brach aus ; ihr Erlöschen konnte man nur von einem strengen Winter erhoffen. So die Umstände, unter welchen das nicht zu behemmende feindliche Vorrücken auf Breslau erfolgte .
Diese Sachlage giebt uns Aufschluss über das psycho-
logische Motiv jenes Ritts zum Lager des Gegners . Solch
Husarenstücklein ", für einen König jedoch ein ungewöhn-
lich starkes Wagniss , hob den Muth der Bewohner und Vertheidiger Breslaus . Man arbeitete fleiszig mit dem Spaten (zur Umwallung der Ohlauer Vorstadt). Man unternahm täglich Ausfälle (bei denen so viel Gefangene gemacht wurden, dass Matthias schlieszlich befahl, es sollten nur Vornehme eingebracht werden).
Man bethätigte 6*
Nachrichtenwesen ehedem.
84 vollste Wachsamkeit.
Kurz , man vereitelte die Anstrengungen der
Belagerer gänzlich. Das persönliche Zusammenkommen der drei sich befehdenden Könige in einem prächtigen Zelt ohnweit Breslau bewirkte den Friedensschluss, befreite Schlesien von der Anwesenheit des Slavenheeres und Breslau von den nach ihrem schwarzen Harnisch und ihren
dunkeln Gesichtern
als
schwarze Legion" be-
zeichneten magyarischen Gästen. Es würde leicht sein, darzuthun : wie der berühmte Ungarnkönig Matthias unablässige Thatenlust und unbeugsame Widerstandsbereitschaft gelegentlich gern paarte mit effectvollem Humor.
Wir er-
achten füglich seinen unter der Maske eines Bauern keck vollführten Recognoscirungsritt für einen gelungenen Scherz, dem wir freudigst Beifall zollen mit
"husarischem" Hurrah („ Eljen ! ") .
Der Humor
giebt allemal einem Vorhaben den poetischen Kern, und lässt zum Pfadfinden leuchten den glückverheiszenden Stern. Auch wäre sicherlich ohne die Frage nach "" dem Humor bei einer Sache " die Geschichtsforschung ein langweilig Geschäft. Einer der Biographen des Matthias Corvinus theilt als Sage mit, derselbe habe, um völlige Klarheit über die feindlichen Absichten zu gewinnen, einen ganzen Tag lang im Türkenlager Gerste verkauft. Ist dies nicht buchstäblich wahr, so bleibt die Wahrscheinlichkeit nicht fernab. Für Letztere und sonach für die besondere Befähigung zur Kundschafterei — reden folgende Umstände .
Fast alle
Sprachen Europa's waren dem Könige Matthias geläufig.
Auszer
solch umfangreichem Gedächtnisse besasz er, so behauptet man, die Gabe
aus jedem Menschengesichte sogleich die Charaktereigen-
schaften zu
erkennen.
„ Löwenblick " .
Ein
Hierfür
echter und
begünstigte
ihn
allerdings
rechter Husarenkönig ,
sein
„ war ihm
Nichts leichter als kriegerische Strapaze, Nichts schwerer als häusliche Musze". In Summa : Matthias Corvinus steht für den militairischen Geschichtsfreund in erster Reihe unter den historisch denkwürdigen Persönlichkeiten und verdient, obenan genannt zu werden, wenn man spricht vom „ Nachrichtenwesen ".
Kennzeichnend für die Schwerfälligkeit der ehemaligen Nachrichten-Fortbewegung ist die aus einer Zeitung vom Jahre 1609, in der Heidelberger Universitätsbibliothek, ersichtliche Thatsache : Ein Brief von Wien nach Heidelberg pflegte damals 8 Tage unterwegs zu sein, und aus Rom 21 Tage. Das 18. Jahrhundert brachte ein rascheres Tempo in diese Dinge.
Handhabte doch bereits der behende Eroberer Schlesiens
Nachrichtenwesen ehedem.
85
am 10. August 1741 eine rudimentaire Feld-Telegraphie und Telephonie.
König Friedrich II. , der an diesem Tage im Lager bei
Strehlen, wollte baldmöglichst Gewissheit haben über die Besetzung Breslaus .
Eine Begebenheit die , beiläufig bemerkt ,
blutig sondern auch spaszhaft verlief.
nicht nur un-
Der König hatte Geschütze
stationsweis postiren lassen ; und so erhielt er schon um ungefähr 712 Uhr Morgens durch artilleristischen Donner die erwünschte Nachricht von der kurz vorher erfolgten definitiven Beseitigung der sogenannten Parteilosigkeit" Breslaus , welche seit Jahrzehnten der Aufnahme einer landesherrlichen Besatzung widerstrebte .
Die brief-
liche Meldung seitens des Feldmarschalls Graf Schwerin, dass Rath und Bürgerschaft vereidet worden , gestattete noch am 10. August dem Preuszenkönige , den Gesandten der fremden Mächte , welche tagsvorher aus Breslau nach Strehlen gekommen, zu eröffnen : sie würden fortan sicherer wohnen in besagter Stadt, wie bisher, weil der dort „ prätendirte Neutralitätsstand " vertauscht worden mit der baldigen Aussicht, durch hinlängliche Garnison und durch fortificatorische Verstärkung geschützt zu sein vor einem Angriffe durch eine Armee von weniger als 80,000 Mann.
In der That trafen schon
am 10. August Preuszische Ingenieurs in Breslau ein, und begannen alsbald ihre Bauarbeit.
Der gesammte Humor in dieser so schnell
erledigten Angelegenheit fand Ausdruck in einem landläufigen Spottworte. * ) Wie durch Courierritte eine verhältnissmäszig sehr rasche Nachrichtenbeförderung stattfand Preuszischerseits während der drei Schlesischen Kriege, werden wir aus folgenden Notizen ersehen. Am 7. März 1741 erschien im Hauptquartiere des Erbprinzen von Dessau, zu Rauschwitz vor Glogau , der Königliche Flügeladjutant Freiherr von der Goltz mit der Ordre ,
baldmöglichst die Festung zu „atta-
quiren" und von dem Erfolge sogleich Se. Majestät nach Schweidnitz zu benachrichtigen.
Schlag 12 Uhr in der Nacht vom 8. zum 9. März
rückten die Bataillons vor zum Sturme. unbeschreiblicher Eilfertigkeit" . der Stadt.
Derselbe geschah mit „ fast
Um 1 Uhr Morgens war man Herr
Um 2 Uhr befanden sich auch die zum Blokadecorps
gehörigen Dragoner - Schwadronen innerhalb der Mauern Glogaus. Der obenerwähnte Adjutant befand sich unter den Ersten, welche die feindlichen Wälle
erstiegen.
Er überbrachte
dem Könige in
Schweidnitz am 9. März Nachmittags 5 Uhr die erwartete Botschaft. In Berlin hatte man die Nachricht am 10. März. *) Vgl. Grünhagen, Friedrich der Grosze und die Breslauer 1740 und 1741 . Breslau 1864. S. 163 u . ff.
Nachrichtenwesen ehedem.
86
Ein wegen des " Success" bei Plomnitz ohnweit Habelschwerdt vom Generallieutenant von Lehwaldt am 14. Februar 1745 entsendeter Offizier traf beim Könige in Berlin ein am Vormittage Mit der guten Kunde von der am 4. Juni 1745 des 17. Februars. circa 8 Uhr Morgens beendeten Hohenfriedberger Victoria kam den 6. Juni (Pfingstsonntag) 8 Uhr Morgens der Königliche Flügeladjutant von Wartenberg 99 unter Vorreitung von 16 blasenden Postillons " nach Berlin .
Er behändigte der Königin - Mutter und dem Minister
des Auswärtigen die auf dem Siegesfelde geschriebenen , in den Oeuvres “ und in Droysen's „ Kriegsberichten" abgedruckten Königlichen Zeilen. Der Adjutant des 1. Bataillons Garde (Nr . 15) Lieutenant von Oppen überbrachte am Frühmorgen des 3. Octobers 1756 der Königin-Gemahlin und der Königin- Mutter in Berlin die Nachricht vom glücklichen Ausgange der Lobositzer Schlacht ( 1. October). Die Königin-Mutter starb in Berlin den 28. Juni 1757 , Morgens gegen 9 Uhr. Der König erfuhr dies am 1. Juli Abends 7 Uhr in Leitmeritz. Seine den 2. Juli den Ministern Graf Podewils und Graf Finckenstein wegen Ort und Art der „Beisetzung" zugefertigte Ordre wurde in der Nacht des 4. Juli ausgeführt. Die Meldung des Herzogs Ferdinand von Braunschweig von seinem Siege bei Minden ( 1. August 1759)
erreichte den z. Zt. in
Müllrose ) befindlichen König in noch nicht voll drei Tagen .
Die
Königin erhielt diese Nachricht durch einen Flügeladjutanten ihres vorgenannten Bruders am 3. August in Schloss Schönhausen bei Berlin.
Prinz Heinrich Königliche Hoheit schickte wegen des Frei-
berger Sieges
(29. October 1762)
an die Königin nach Magde-
burg einen seiner Adjutanten ; derselbe traf dort am 31. October Abends ein. Der am 20. März
1762 nach Petersburg entsendete Königliche
Flügeladjutant Major Graf Schwerin übergab in Breslau den 20. Mai dem Könige den am 5. d . M. zu Petersburg unterzeichneten Friedenstractat. Da haben also die Herrn Flügeladjutanten sich scharf tummeln müssen.
Jedoch das Ueberbringen von besonders wichtigen oder
erfreulichen Depeschen galt als Auszeichnung , einzelnen Fällen reiche Ehrengaben.
veranlasste auch in
Obenerwähnten Lieutenant von
Oppen beschenkten die beiden Königinnen
aufs prächtigste " .
Der
Schotte Johann Grant welcher, weil er Adjutant des Russischen
*) Zwei Meilen südwestlich von Frankfurt a. O.
Nachrichtenwesen ehedem.
87
Feldmarschalls Graf Lascy gewesen, 1747 von König Friedrich II. als Flügeladjutant angestellt wurde, eilte in dieser Eigenschaft mit der Nachricht vom Siege bei Prag nach London.
Dort erhielt er
zum Geschenk : 1) einen Degen mit goldenem Gefäsz , 2 ) eine goldene Dose, 3 ) 1000 Pfund Sterling.
Am 28. Mai 1757 reist Major Grant
wieder von London ab ; den 12. Juni kömmt er zurück ins Preuszische Hauptquartier.
(Ein kriegsgeschichtlich fortdauerndes An-
denken stiftete sich Grant sechs Tage später, durch eine kaltblütige Frage an seinen hohen Gebieter. Innerhalb des Jahres 1758 stieg er zum Oberstlieutenant und Oberst , im März 1759 zum Generalmajor.
Grant starb 1764 als Commandant von Neisse. )
In einem Anekdotenbuch, betitelt
Kriegsfahrten und Charakter-
züge aus dem Leben des Prinzen Heinrich von Preuszen " (Göttingen 1804, 2 Bde. ) , wird uns eine Courierritts-Erzählung unterbreitet, als Zeugniss für dieses Prinzen Freigebigkeit.
Es ist dort von einem
Courier die Rede, welcher 30 Postmeilen in 12 Stunden auf schlechtem Wege zurücklegte ; die letzte Meile zu Fusz , weil zu viel Zeit verloren
wäre
mit Aufsuchen eines Bauerngauls
sammengebrochenen Pferdes .
statt des todt zu-
Nach Empfang eines gleichfalls gröszt-
mögliche Eile erheischenden Antwortschreibens begann der Courier auf einem ihm vom Prinzen geschenkten edeln Ross stolz den hastigen Heimritt, mit schulgerechten Lançaden.
Wie im Februar 1741 die Depeschenbeförderung geordnet war, behufs „ beständigen " brieflichen Verkehrs zwischen dem Schlesischen Operationsheere und der vom Fürsten Leopold von Dessau befehligten Reservearmee (bei Brandenburg), ist uns aufbehalten : Oeuvres T. XXX, 18. Ebenda S. 89 ersehen wir, dass die grosze Menge Husaren, deren sich der Feind bedienen kann ", den König 1742 in Böhmen nöthigte, auf eine Correspondenz mit dem z. Zt. in Oberschlesien commandirenden Fürst - Feldmarschall nur in „Hauptsachen“ zu rechnen. Es steht actenmäszig fest , dass Friedrich II. schon im ersten Während der Schlacht
Schlesischen Kriege Chiffren verwendete.
bei Sohr (1745 , 30. September) holten sich Pandurische Plünderer des Königs Chatoulle, Kleider, Wäsche, Flöte etc. und nahmen auch seine Schreibmappen, aus denen jedoch noch rechtzeitig der Geheime Kriegsrath Eichel die wichtigsten Briefe und den Chiffreschlüssel herausgesucht und zerrissen hatte. Im sieben- und einjährigen Kriege
sind Festungsbefehlshaber
und abgesondert operirende Generale vorweg ausgerüstet mit Zeichenschrift.
(Vgl. Oeuvres T. XXX ,
187 ;
213 ; 347. )
Für die Ver-
88
Nachrichtenwesen ehedem.
ständigung zwischen einem Festungsgouverneur und einem Entsatzcorps wurden im Voraus die Signale verabredet. (Ibid . S. 386.) Auf dem höchsten Thurme einer gefährdeten Festung soll ein Offizier, 77 welcher kein Windbeutel ist ", den ganzen Tag bleiben ; hat er ein wachsames Auge und ist er
attent ", so wird vor einem guten
Fernglase der Feind seine Annäherung (Ibid . S. 380 und 381. )
nicht verbergen können “.
König Friedrich's Oberfeldherrnsorge vor-
bereitete und nützte gleichmäszig vom Kriegshandwerkzeuge das Grosze wie das Kleine. Dass Er Höchstselbst viel Patrouillen- und Rondendienst gethan, ist männiglich bekannt. — „ Eil bringt im Kriege Heil " ; so lautet ein altes Sprichwort. Das elektrische und akustische Nachrichtenwesen, wie es heut unter dem Sinnbilde des vielzackigen Blitzstrahles Jedwedem zur Verfügung steht , bedurfte vieljähriges Sinnen , Prüfen und Vervollkommnen . In Friedrich's des Groszen Todesjahr las man mit Staunen in den Zeitungen, dass fürstliche Zuschauer und Beobachter, „deren Einsicht und Glaubwürdigkeit auszer Zweifel ", mittelst eines ihnen von
Herrn Bergsträsser " [Lyceumsrector in Hanau ] übergebenen
Signalschlüssels in Homburg (am 10. April 1786 ) die von Bergen (optisch) dorthin geschickte " Parole nebst Feldgeschrei ablesen und sich ins Ohr sagen konnten ". (Gr. L.)
Umschau in der Militair-Literatur.
89
VII.
Umschau in der Militair- Literatur . Ueber die Ausbildung der Compagnie zum Gefecht. Hannover, Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. 1878. Kl. 8º. — 47 S. — Es steht wohl auszer jeder Frage , dass die reiche Fülle von Schriften , welche seit der Beendigung des Deutsch- Französischen Krieges über die Taktik und die Ausbildung der Infanterie geschrieben sind, eine Uebersättigung herbeigeführt hat. Ein Opfer derselben ist in der letzten Zeit manches an und für sich beachtungswerthe Buch geworden.
Besonders zu bedauern wäre es aber, wenn das
kleine, oben bezeichnete Büchlein, dessen auffallend unansehnliches Aeuszere nicht zu seiner Empfehlung beiträgt, unbeachtet bei Seite gelegt würde .
Ich muss bekennen, dass mir kaum ein Aufsatz unter
die Augen gekommen ist , der in so klarer und bestimmter Weise, in so richtigen Grenzen und so Gedanken anregend das sich gestellte, höchst wichtige Thema behandelt.
Zugegeben, dass , wie der Ver-
fasser es in dem kurzen Vorworte ausspricht , das Büchlein für Viele nicht viel Neues bringt , so ist in dem Wenigen , was es bietet, unter voller Berücksichtigung der taktischen Bestrebungen der Neuzeit doch so Vortreffliches in sprachgewandter Form klar gelegt, dass es unbedingt ein hoher Genuss ist, sich in die kurze Abhandlung zu vertiefen. Verfasser verwirft vor Allem für die Ausbildung der Compagnie zum Gefecht das sogenannte „ Gefechts - Exerzieren " ,
welches
ja fast stets von Unnatürlichkeiten strotzt und dem Soldaten ein ganz falsches Bild von der Wirklichkeit giebt , im Uebrigen aber wohl weniger zur Ausbildung der Mannschaft mit viel Mühe und Zeitkosten eingeübt wird, als um eine Besichtigung u . s . w. mit einem angenehm in die Augen fallenden Bilde zum Abschlusse zu bringen . In der „ elementaren Ausbildung " unterscheidet der Verfasser
Geschlossene Formationen“ und „ die Formen der
Einzelordnung" .
Bei Einübung der ersteren und den hiermit
zusammenhängenden Bewegungen geht man vielfach über die Grenzen des Reglements hinaus und stellt durch selbsterfundene Commando's allerlei künstliche Formen her. Hierdurch soll eine gröszere Findig-
Umschau in der Militair-Literatur.
90
keit des Soldaten herbeigeführt werden ; aber er wird doch nur mit Formen vertraut gemacht , die er im Gefechte gar nicht anwendet . Ich stimme der Behauptung des Verfassers voll bei, dass das Reglement sämmtliche Formationen und Evolutionen enthält , die wir für das Gefecht brauchen, dass das Reglement in dieser Beziehung eher zu viel als
zu
wenig giebt.
Die auszerhalb der Bestimmungen
liegenden Formationen und Commando's eignen sich vor Allem nicht zur allgemeinen Verwendbarkeit , sie sind vielmehr das eigenartige Erzeugniss einzelner Führer , mit deren Scheiden dann auch meistentheils das mühsam Eingeschulte
allen Werth verliert und
nicht selten durch einen neuen Vorgesetzten vollständig umgestoszen wird.
" Darin liegt einer der Vortheile einer gleichmäszig geschulten
Armee " , sagt der Verfasser, "2 dass jeder ausgebildete Soldat in jedem taktischen Verbande seiner Waffe , unter jedem Befehlshaber , bei etwaigem Wechsel, sich sofort wieder zu Hause fühlt, und nicht in die Lage kommt, neue Commando's lernen zu müssen.
Was er etwa
Neues findet, kann höchstens der Geist , die Auffassung sein , die der Führer in dem Zusammenfügen der gegebenen Bausteine zeigt, aber niemals diese selbst." Auch das Reglement sagt : „... es ist verboten , den im Reglement gelassenen Spielraum mentirung und Schematisirung zu beschränken. "
durch
Regle-
Die elementare Ausbildung in den Formen der Einzelordnung umfasst eigentlich nur sehr wenig , und ist hierbei das Reglement selbstredend viel weniger bindend als da, wo es sich um geschlossene auch hier rechnet Verfasser lediglich mit Formationen handelt gegebenen Gröszen,
mit den Vorschriften des Reglements .
Dies
ist vielleicht auch der Grund, dass er nach meiner Ansicht sich etwas viel mit den einzelnen Rotten, mit der Richtung der Schützenlinie befasst , doch sind seine Winke und Hinweise praktisch und leicht ausführbar. Die Feuerarten einer Schützenlinie sollen in der Periode der elementaren Ausbildung nur rein formell eingeübt werden , bei den Bewegungen
der
Schützen sprungweises Vorgehen noch gar
nicht gelehrt, dahingegen in Seitwärtsbewegungen und Schwenkungen die Mannschaft durch häufige Uebungen recht gewandt gemacht werden.
In die Recruten-Ausbildungs-Periode wünscht der Verfasser
möglichst die ganze elementare Gefechts- Ausbildung verlegt, höchstens dürften hierzu noch die ersten Tage der Compagnie-Exerzier-Zeit mit verwendet werden. Nach der elementaren Ausbildung finden Terrain" statt.
die Uebungen im
Da an Stelle der Colonnen heutigen Tags die
Schützenlinien die Träger des Infanterie - Gefechtes geworden sind,
Umschau in der Militair-Literatur.
91
so muss die Führung sich mit dieser Haupt-Gefechtsform nach Möglichkeit vertraut machen. „ Die Leitung von Schützenlinien unter den verschiedenartigsten und schwierigsten Verhältnissen muss zum Gegenstande so vielfacher Uebungen gemacht werden , dass sämmtliche Führer hierin eine tüchtige Routine erlangen und sich in diese Gefechtsform im vollsten Maasze einleben . Wir dürfen die entwickelten Schützen nicht mehr als aus der Hand gegeben betrachten, sondern wir müssen dahin kommen, dass die Truppe, wenn auch ganz aufgelöst, doch vollkommen in der Hand der Führung und zwar nicht blos der Unterführer bleibt. " Von der einfachsten zur complicirteren Uebung, stets eine Gefechts- Idee zu Grunde legen, welche den Leuten mitgetheilt wird , dann eine Besprechung , eine Instruction an das Ausgeführte geknüpft ; dies verlangt der Verfasser im Allgemeinen von den Uebungen im Terrain . Er unterscheidet dann im Einzelnen nur das Offensiv- und das Defensiv- Gefecht. Mit der Durchführung des ersteren soll die Mannschaft zunächst vertraut gemacht werden.
Aus einem einfachen Vorgehen in Marschcolonne hat sich .
die Compagnie gegen eine vom Feinde besetzte Anhöhe zu entwickeln ; hierbei sehr richtig erster Grundsatz, gegen den sehr oft gefehlt wird :
Nach den Bewegungen der Schützen richtet sich die
weiter rückwärts befindliche Colonne und nicht umgekehrt ! Beginn des Feuergefechtes ist möglichst nahe
Der
an die feindliche
Stellung heran zu verlegen , so dass ein stehendes Feuergefecht, welches einer energischen Offensive widerspricht , möglichst lange vermieden wird ; in der Regel kein Schieszen auf weitere Distancen als etwa 400 Meter ; das Bewusstsein, weiter schieszen zu können , wird von genügender moralischer Wirkung auf den Angreifer sein ; sparsame Verwendung der Munition , also niemals ein ungezieltes Feuer , ein „Ueberschütten des Vorterrains mit Geschossen " .
Ge-
wöhnen wir den Mann nicht daran , immer zu zielen , so wird er leicht dahin kommen , nie zu zielen . -- Dem ungezielten Feuer ziemlich gleich stehend ist das Feuer in der Bewegung. Das Fener auf bestimmte Punkte und Momente concentriren und nicht eher beginnen , als bis man die Stelle in der Aufstellung des Feindes gefunden zu haben glaubt , an der ein Eindringen voraussichtlich am leichtesten zu erreichen ist . Bei den Friedens - Uebungen geflissentlich durch Herbeiführen erschwerender und verwirrender Umstände der Uebung annähernd ebensoviel Hindernisse bereiten , als dies in der Wirklichkeit der Fall sein wird (die Zugführer müssen z. B. beim Feuer-Gefechte in Mitten der Schützenlinie liegen und hier die Anordnungen treffen ; die unumgänglich nothwendigen Befehle sollen
Umschau in der Militair-Literatur.
92
in der Schützenlinie von den Leuten selbst weitergegeben werden, denn im wirklichen Feuer- Gefechte wirkt jedes Commando nur auf die nächsten Rotten) . Keine kleinen Soutiens hinter der Schützenlinie
(der auf 150 bis 200 Meter hinter der letzteren befindliche
Theil der Compagnie ist die Reserve , aus welcher die fechtenden Abtheilungen unterstützt werden) .
Sprungweises Vorgehen bis auf
etwa 150 Meter an die Stellung des Feindes heran , dabei jede Bewegung möglichst ausgedehnt, etwa 100 bis 120 Meter. Nach dem Terrain , den Gefechtsverhältnissen und der Grösze des fechtenden Truppentheiles hat sich die Grösze der vorlaufenden Abtheilung zu richten ; im Allgemeinen wird es schwer sein, das gleichzeitige Vorlaufen einer gröszeren Abtheilung als eine Compagnie möglich zu machen , mindestens muss aber ein Zug hierzu verwendet werden . Bei jedem Angriffe zu umfassen suchen, daher ein allmäliges Verlängern der Schützenlinie , Eindoubliren nach Möglichkeit zu vermeiden.
Etwa zwei Dritttheile der Compagnie werden dazu ver-
wendet, um das Einbrechen in die Stellung des Feindes vorzubereiten ; ist dieser durch das Feuer erschüttert, dann stürzt die ganze Schützenlinie, welcher der geschlossene Theil der Compagnie im Laufschritte ' folgt, im Marsch, Marsch auf den Gegner. Ein einmal unternommener Anlauf ist unbedingt durchzuführen . Beim Eindringen in die Stellung des Feindes über diese hinaus der Weichende nur mit Feuer verfolgen.
Das sind einige der Hauptgrundsätze , welche der Verfasser
für das Offensiv- Gefecht eingetibt wissen will.
Dieselben sind im
groszen Theile unanfechtbar und allgemein acceptirt, in der kleinen Schrift aber auch mit solcher Klarheit hingestellt , dass sie gewiss manchen Zweifler bekehren werden . Dass bei einer Cavallerie - Attake der Angriff in Linien-Formation abgewiesen werden soll , ist selbstverständlich ; dass aber bei mangelhafter Deckung die angegriffenen Schützenzüge in sich aufschlieszen sollen, will mir nicht recht praktisch erscheinen ; die einzelnen, auf freiem Boden liegenden Schützen bilden für den Cavalleristen ein sehr schlechtes Angriffs-Object und sind im Gebrauche ihrer Schuss- und Stoszwaffe weniger behindert als in zusammengeschlossener Abtheilung. Leichter und einfacher als die Einübung des Offensiv- Gefechtes ist für den Soldaten die des Defensiv- Kampfes , welchen Verfasser in die Fern - Vertheidigung , Nah- Vertheidigung und in den Gegenstosz oder den Rückzug gliedert ; für jedes Gefechtsstadium soll etwa ein Drittel der Truppe in das Gefecht geführt werden.
Der erste
Zweck der Vertheidigung , den Angreifer möglichst weit abzuhalten, verlangt ein Feuer auf weitere Distancen, als dies für den Angreifer
Umschau in der Militair-Literatur.
93
angängig. Da aber der Vertheidiger in Ruhe und bequemer Lage den Feind kommen sieht und aufs Korn nehmen kann, da er meistentheils die Mittel in der Hand hat, über die Entfernungen vollständig im Klaren zu sein , so hat er die Vortheile des sicheren Schusses auf weitere Entfernungen für sich.
Aber auch hier, räth der Ver-
fasser , muss die Munition für die letzten und entscheidenden Momente des Kampfes aufgespart werden.
Nur die Feuerwaffe ist
im Stande , den letzten Stosz des Gegners zu pariren ; die blanke Waffe kann dies nicht, sie ist der Bundesgenosse der Offensive. Ist der Gegner auf 250 Meter herangerückt, dann die noch geschlossenen Soutiens in die Feuerlinie hineingezogen.
Gleichzeitig mit dem Ein-
rücken der noch geschlossenen Abtheilungen in die Feuerlinie und der dadurch bis aufs Höchste gesteigerten defensiven Feuerkraft muss auch der offensive Gegenstosz vorbereitet werden , der nach des Verfassers Ansicht womöglich mit dem Momente zusammenfallen soll, in welchem
die Attake des Angreifers beginnt.
Hier allerdings
scheint mir das Speculiren auf dürre Haide geführt zu haben .
Wird
es in der Wirklichkeit möglich sein , diesen Moment sofort zu erkennen und zu erfassen ?! Ich meine : die ganze Kraft nöthigenfalls einsetzen zur Abwehr des Angreifers ; ist dieser entscheidend zurückgeschlagen , dann mit dem Theile , der noch gar nicht oder am wenigsten in Thätigkeit gebracht, kräftig nachstoszen ! Hiermit dürften die Ansichten des Verfassers in den Hauptzügen wiedergegeben sein ; doch muss ich eingestehen, dass die hier im Auszuge angegebenen Gedanken, die einzeln abgerissenen Stellen nur ein schwacher Abglanz von dem sind , was das kleine Büchlein selbst ist. Ich zweifle nicht daran , dass dasselbe in der Deutschen Armee mit Freuden begrüszt und recht viel Nutzen stiften wird. Zum Schlusse noch den Wunsch : Möge der anonyme Verfasser sich durch diese Zeilen angeregt finden, in eben so klarer und einfacher Weise seine Ansichten über die Ausbildung des Bataillons im Gefechte der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Umschau in der Militair- Literatur.
94
Erziehung zur Wehrhaftigkeit.
Von Dr. Heinrich Stürenburg.
(Sonderabdruck aus der Deutschen Turn - Zeitung.) kl. 8°. 75 Seiten. Ed. Strauch. 1878. -
Leipzig,
Ein oder der andere Leser der Jahrbücher erinnert sich vielleicht noch der im Januar - Hefte v. J. erschienenen Besprechung eines Buches des Dr. Walcker, in welcher mit scharfer Feder gegen die Idee einer militairischen Jugenderziehung zu Felde gezogen wurde . Zwei Vorwürfe durfte man dieser Besprechung machen ,
dass sie
einerseits von rein militairischem Standpunkte aufgefasst war und andererseits nur vernichtete , ohne aufzubauen. Das sonderbare Walcker'sche Werk
hat
nun
aber
auch
einem
kriegserfahrenen
Landwehroffiziere, der zugleich Philologe und ein eifriger Anhänger der Turnkunst , die Feder in die Hand gedrückt und obige kleine Schrift entstehen lassen.
Mit groszer Geistesschärfe werden in der-
selben die theils lächerlichen, theils völlig absurden Ansichten und Vorschläge des
Dr. Walcker der Vernichtung preisgegeben ,
und
dabei nicht jener beschränkte Standpunkt eingehalten, welcher der erstgenannten Besprechung anklebte . Wenn auch, zum Glück, ganz vereinzelte Stimmen in der Armee mit dem sonderbaren Buche des Dr. Walcker das gemeinsam hatten, dass sie von militairischer Jugenderziehung durch inactive Offiziere und invalide Unteroffiziere, von abgekürzter Dienstzeit u . s . w. träumen - Namen brauchen wohl hier nicht genannt zu werden, die Betroffenen werden schon Schuld beladen die Augen niederschlagen
, so halte ich es doch nicht für nöthig,
hier den Gründen näher zu treten, mit welchen der Verfasser obiger Schrift seinen Gegner aus dem Felde schlägt; das hiesze den Walcker'schen Ideen zu viel militairische Ehre erweisen ! Versagen kann ich mir es aber nicht, eine oder die andere ganz vortreffliche Ansicht des Dr. Stürenburg über Wehrpflicht und militairische Erziehung wiederzugeben.
Mit dem Capitel : „Vom Ideal der allgemeinen Wehrpflicht ", beginnt der Verfasser sein Büchlein folgendermaaszen : „ Es wird uns Deutschen doch recht schwer, auf Lorbeeren zu ruhen. Wissen wir doch, dass am Abende nach siegreichen Schlachten in unseren Heeren über der Siegesfreude nicht zu erwägen vergessen worden ist, wie man Blöszen, die man dem, wenn auch geschlagenen Feinde geboten , ihm nicht noch einmal biete, und können wir doch getrost behaupten , dass wir ein eitles Prahlen auf unsere Erfolge in gedankenloser Zuversicht für die Zukunft da am wenigsten
Umschau in der Militair-Literatur.
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zu hören bekommen haben, wo man den Geist in sich trug, der uns zu solchen Erfolgen geführt hat. So hat es denn der Warnungen, die Hände nicht etwa in den Schoosz zu legen, kaum bedurft, und wir sehen den Sieger mit nicht geringerem Eifer suchen, aus seinen Siegen zu lernen, als den Besiegten aus seinen Niederlagen. Nicht Wenige sehen freilich diesem Wetteifer der Völker in den Künsten des Krieges nur mit Seufzen zu, fügen sich in ihn nur als in einen durch die Ungunst unserer an Umwälzungen so reichen Zeit und durch den noch frischen Groll der Nachbarn vorübergehend entschuldbaren Zustand .
Sollte aber nicht auch dann ,
wenn die
Lämmer bei den Pardeln ruhen werden, für den Staat, als solchen , die erste und höchste Aufgabe seine Wehrhaftigkeit sein, das heiszt, die Sicherung seines Bestehens , und sollte wirklich unser Volk, in dem einst den Freien als schönstes Recht das Wehrrecht zierte, auf eine Zeit zusteuern, in welcher es nicht mehr zum Vollbegriffe der Männlichkeit gehörte, für seines Volkes höchste Güter mit allen Erfordernissen der Wehrbarkeit eintreten zu können ,
auch wenn sie
vor Gefährdung zunächst gesichert schienen ? Andere wieder wissen auf unsere
stehenden Heere" -- eine
ihnen sehr wohlgefällige Bezeichnung, weil sie die Meinung stützt, als seien sie nur da um des Stehens willen, nicht in erster Linie als eine Schule für das wehrpflichtige Alter - nur Klagen zu häufen über solche gleich unfruchtbare wie kostspielige Brachlegung der besten Arbeitskraft.
Schilt man aber nicht auch im gewöhnlichen
Leben den als kurzsichtig oder leichtfertig, der, um die Kosten der Versicherung gegen eine Gefahr zu sparen , lieber seinen ganzen Wohlstand dieser Gefahr gegenüber aufs Spiel stellt ? Ist auch wirklich die Schule unseres Heeres, wenn sie nicht sich in der Prüfung eines Krieges zu bewähren Gelegenheit findet , eine so unfruchtbare ? Lässt sich nicht in so mancher Hinsicht dieselbe als eine Ergänzung der Erziehung unseres Volkes in seinem kräftigsten Theile bezeichnen ?
Entweder also wir tragen die Pflicht der Wehrbarkeit
nicht als eine möglichst bald abzuschüttelnde oder auch nur zu erleichternde Last, oder man beweise uns, dass unsere Kraft mehr als nöthig angespannt werde, dass man das gleiche Ziel auf kürzerem Wege erreichen könne."
Einige Seiten weiter heiszt es alsdann : „ Aber noch Etwas hat, die kriegerische Tüchtigkeit der Massen anlangend um die es sich hier allein handeln kann - gerade unser Geschlecht als eine Art Bekenntniss auszusprechen.
Es gilt,
Umschau in der Militair -Literatur .
96 der so
oft in übertriebener Dankbarkeit und überschwenglichem
Lobe ausgesprochenen Meinung entgegenzutreten, als ob unser Heer an Mannesmuth
und Selbstüberwindung
das
Höchstmögliche ge-
leistet, eine Art Ideal erreicht habe, und ob es hierin nur zu erhalten, nicht zu steigern gäbe.
Die Dankbarkeit der Mitwelt und
das von ihrer Darstellung so oft beeinflusste geschichtliche Urtheil der Nachwelt hat seit den Kämpfen von Marathon und Thermopylä noch immer Heere, die groszartige Erfolge errungen haben, als eine einmüthige, kaum in einem seiner Glieder einer Anwandlung von Schwäche zugänglichen Vereinigung von Helden zu verherrlichen geliebt, und so war es auch jetzt, wenn man beliebten Schilderungen glauben darf, ein Geschlecht von lauter Heldensöhnen , das gegen Frankreich zu Felde zog, Alle den Wahrspruch : Sieg oder Tod ! in der unerschütterlichen Brust tragend . Wohl , was der Krieg vom Soldaten fordert, kann so sehr auch wohl die äuszersten Vorstellungen der Unbetheiligten überschreiten , und der Unterschied Derer, welche die Siege zu erringen haben, und Derer, die sie zu Hause feiern, ist oft ein so gewaltiger, dass die Betroffenen eine so überschwengliche Dankbarkeit erklärlich finden und sich gefallen lassen könnten. Dennoch aber könnte man unserem Heere und unserem Volke keinen schlimmeren Gefallen thun ,
wollte man nicht auch
hier der Wahrheit die Ehre geben und gestehen , dass auch wir in unserem Heere alle Stufen der Stufenleiter vertreten hatten, die vom höchsten Opfermuthe und , was höher steht , von mit Geistesgegenwart und Mäszigung verbundenem Muthe, bis hinab zu Denen führt, bei denen der bittere Zwang die Stelle des Muthes vertritt, und zu Denen, die nicht einmal dieser über kläglichen Stumpfsinn zu erheben vermag.
Jeder, der den Krieg ausreichend kennen zu lernen Gelegenheit hatte - sei es auch , wenn man solchen Unterschied überhaupt machen darf, bei den besten Truppentheilen - Jeder, der im Kampfe nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts zu schauen Veranlassung hatte, wird das bestätigen. Dass der Ruhm unseres Heeres durch solches Geständniss nicht geschmälert wird, dass es der Besseren wahrlich genug waren, um auch Schwache mit sich vorwärts- und den doch meist recht hartnäckigen Feind zurückzudrängen, darüber bedarf es für einen Krieg, der eine fast ununterbrochene Kette zum Theil beispielloser Siege gewesen ist, keines Wortes ; den Gefallenen wollen wir es aber auch hier zur Ehre nachrühmen , dass ihr Tod uns zumeist gerade um die Besten gebracht hat. "
Umschau in der Militair-Literatur.
97
Wie nach Verbesserung der Waffen und Taktik gestrebt wird, so muss auch , meint Verfasser, selbstredend auf eine Steigerung unserer Wehrkraft hingearbeitet werden . Fortschrittes vorliegt , ihn zu erstreben.
Wo die Möglichkeit eines
da sei auch zugleich die Pflicht vorhanden,
Dazu solle man aber keineswegs
den Boden
unserer bewährten Wehrverfassung und Heeresorganisation verlassen ; es gelte vielmehr, recht klar zu erkennen, was uns bisher gefördert hat, und dies dann mit verdoppelter Sorgfalt zu pflegen ! Das Mittel, um einen gewaltigen Aufschwung unserer Wehrkraft herbeizuführen, ist stets das gleiche, selbstverständliche : Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit. Nur über das Wie dieses Mittels gehen die Ansichten weit auseinander. Nunmehr in längerer Abhandlung die Schriften des Dr. Walcker widerlegend, kommt der Verfasser zu dem Resultate, dass eine militairische Jugenderziehung dem Staate und dem Heere Schaden bereite.
Er weist dabei auf Sparta hin, wo eine solche militairische
Jugenderziehung auf Kosten der Entwickelung der Cultur stattfand, um dann im Kriege gegen Athen die Hülfe des Erbfeindes Griechenlands anzurufen.
Athen hingegen erzog seine Jugend in der Gym-
nastik und in den geistigen Disciplinen von allgemeinem Bildungsgehalte ;
erst mit dem 18. Lebensjahre erhielt der Jüngling eine
zweijährige militairische Ausbildung und trat dann als Bürger und voller Wehrmann in das öffentliche Leben. Jeder Klardenkende wird mit dem Verfasser darin übereinstimmen, dass jede menschliche Tugend im Kriege ihre Verwerthung findet , dass also ein gut erzogener Staatsbürger auch den besten Erziehen wir also unsere Stoff zum guten Soldaten mit sich bringt. Knaben in der wahren Zucht des Leibes und des Geistes , wir ihre Glieder zu Gewandtheit und Stärke,
bilden
erhalten wir ihnen
die Frische der Sinne, bekämpfen wir stubenhockerische und wetterscheue Weichlichkeit und erschlaffende Unmäszigkeit , regen wir in ihnen die Lust an zu des Leibes Leistungs- und Widerstandskraft sie werden uns das danken im Leben wie in der Schule des Krieges.
Tummeln wir sie und machen sie heimisch in den Formen
unserer Ordnungskunst
daran werden sie lernen, sich als Theile
in die Ordnungs- und Bewegungsformen eines Ganzen zu finden, in der Lust des Tanzes, wie in den Reihen des Heeres. Schulen wir ihren Verstand, dann werden sie die Verhältnisse des Lebens verstehen, wie die gewaltige Logik des Krieges ;
statten wir sie aus
mit allen Kenntnissen, die das Leben voraussetzt, und die auch der 7 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band ·XXVIII.
Umschau in der Militair-Literatur.
98
Krieg zu verwerthen weisz .
Erziehen wir sie auch im Gehorsam,
aber in demjenigen, der, ehe er mit dem Schreckbilde der Strafe droht ," das Verständniss zu wecken sucht für die Vernunft des Gebotes oder doch das Vertrauen in den Befehlenden - das ist der wirksamste Gehorsam im Leben wie im Donner der Schlachten. Erziehen wir sie auch im Geiste echter Sittlichkeit ; lenken wir ihre Sinnenlust auf die Tummelplätze der Knaben, so werden wir sie ablenken von unkindlicher sinnlicher Lust. Erziehen wir sie in dem Geiste strenger Wahrheits- und Rechtlichkeitsliebe , dann werden wir die verderblichen Schäden mit tilgen helfen, die der wirthschaftlichen Grundlage unseres nationalen Lebens wie unserer Wehrkraft die zunehmende Lockerheit des Grundsatzes bereitet hat, als ob es im wirthschaftlichen Leben Echtheit und Wahrheit nur für engherzige Pedanten gäbe . Erhalten wir uns den Geist strengster Wissenschaftlichkeit - die Schule von Heerführern, die uns jüngst unvergänglichen Kriegsruhm gebracht haben, bietet uns ein glänzendes Beispiel, was Wissenschaftlichkeit gepaart mit Feldherrntugenden zu leisten vermag.
Leiten wir unsere Jugend an zu
Fleisz und Sparsamkeit, dann werden wir auch im Kriege nicht so leicht Gefahr laufen , dass uns die Mittel zur Kriegführung versiechen.
Erziehen wir sie aber auch in der Liebe zum Vaterlande ;
nicht in engherzig nationaler Erziehung , welche die Augen gegen die Vorzüge fremder Völker und gegen den reichen Antheil verschlieszt , den unsere
Cultur fremden Errungenschaften verdankt,
aber in der Erkenntniss, dass keine der den Menschen umschlieszenden Gemeinschaften ihn mit engeren Banden an sich zieht , als die Nation ,
die mit der Eigenart ihrer Sprache und Bildung jeder
höheren Bestrebung ihr nationales Gepräge verleiht, und dass jedes Losreiszen von dieser Gemeinschaft , jede Einbusze an Unabhängigkeit des Vaterlandes die Freude am Dasein vergiften kann bis in den Schoosz der Familie
dann werden wir ein Geschlecht grosz
ziehen, dem, wo es gilt, dem Schlachtentode ins Auge zu schauen, das Leben nicht der Güter höchstes sein wird. "
Was nützt es dem Staate, wenn er in vollständiger Verkennung seiner Aufgaben mit Hintenansetzung aller anderen Interessen nur danach strebt ,
seine Wehrkraft durch eine militairische Jugend-
erziehung zu steigern !
„ Nur wenn unser Volk an Intelligenz, wenn
es an Sittlichkeit und Pflichtgefühl , wenn es an Nationalbewusstsein fortschreitet, wird auch das Beste von seiner Wehrkraft sich steigern; geht es hierin zurück, so rettet uns keine militairische
Umschau in der Militair-Literatur .
99
Ausbildung, sei es in der Jugend, sei es im kriegsfähigen Alter, vor dem Niedergange unserer Wehrkraft. " Mögen diese Stellen aus der vorliegenden kleinen Schrift als Beweis dafür dienen, wie klar und vollbewusst der Verfasser über die Aufgaben des Volkes und des Heeres denkt.
Er weisz nach
beiden Richtungen hin den weitgehendsten Anforderungen , wenn sie das Wohl des Ganzen bezwecken ,
Rechnung zu tragen.
Er
geht in einzelnen Ansichten sogar weiter, als dies militairischer Seits geschieht ; aber auch hierin wird ihm jeder Unbefangene vollständig beipflichten.
Dass er als ein besonders treffliches Mittel,
um die Jugend in gesteigerter Weise körperlich wie geistig zur Entwickelung ihrer Kräfte und zur Wehrfähigkeit zu bringen , eine gründliche, sachgemäsze Uebung der Turnkunst in der Schule hinstellt, bedarf als selbstverständlich hier wohl keiner längeren Auseinandersetzung. Das Büchlein sei allen Kreisen des Heeres bestens empfohlen ! Es wirkt belehrend, erfrischend und anregend in den Pflichten, den Erziehern des Soldaten zufallen ;
die
es befestigt und stählt aber
auch die Ansichten , durch welche das Deutsche Heer sich auszeichnet !
Neuere Geschichte des Infanterie - Regiments
Prinz Friedrich
der Niederlande (2. Westfälisches) Nr. 15 nebst einem Abriss aus der Vorgeschichte
des
Regiments
bearbeitet von
v. Dambrowski , Hauptmann und Compagniechef. Hannover gr. 8 ° Verlagsbuchhandlung .
1878. Helwing'sche 202 Seiten.
Die vorliegende Geschichte des Regiments Nr. 15, dessen Chef bereits 62 Jahre lang Prinz Friedrich der Niederlande ist, bringt in kurzer Darstellung die Zeit vom tage des Regiments
1. Juli 1813 - dem Stiftungs-
bis zum Deutsch - Französischen Kriege ; be-
theiligt an den Befreiungskriegen, an den Feldzügen gegen Dänemark 1849 und 1864 ,
an dem Feldzuge von 1866, hatte das Regiment
namentlich Lorbeeren erkämpft in der Schlacht bei Dennewitz , bei der Belagerung von Torgau, in der Schlacht bei Belle- Alliance, beim Uebergange nach Alsen und in den Gefechten bei Dermbach, Kissingen und Laufach. 7*
Umschau in der Militair-Literatur.
100
Während des Deutsch-Französischen Krieges gehörte das Regiment als ein Theil der 13. Infanterie- Division zum VII. ArmeeCorps und mit diesem der I. Armee an.
Der Tag von Colombey-
Nouilly, wo die Fünfzehner als ein Theil der Brigade Goltz sich auf die abziehenden Französischen Heeresmassen warfen , brachte dem Regimente neuen Ruhm ein.
In der Schlacht bei Gravelotte hielt die
Brigade Goltz bekanntlich den äuszersten linken Flügel der Franzosen fest.
Nach der Capitulation von Metz zunächst als Besatzung
von Metz verwendet , wurde das Regiment alsdann der 13. Division der Süd - Armee des Generals v. Manteuffel überwiesen und drang hinter den Trümmern der Bourbaki'schen Armee bis an die Schweizer Grenze nach. Schlicht und einfach ist in dem vorliegenden Werke die Thätigkeit des Regiments während des Deutsch-Französischen Krieges geschildert , und sind hierbei mit groszer Ausführlichkeit die Namen der Offiziere und Mannschaften , welche sich bei den verschiedenen Gelegenheiten hervorgethan, zur dauernden Erinnerung in den Blättern dieser Geschichte verzeichnet.
So genau und richtig wie die An-
gaben sicherlich sind , insofern sie das Regiment betreffen, so ist es doch beim Heraustreten aus diesem Rahmen nicht immer geglückt, eine unanfechtbare Richtigkeit festzuhalten . Behauptung sei z . B. angeführt ,
Zum
Beweise dieser
dass auf S. 65 des Werkes steht,
bei Colombey - Nouilly sei ungefähr eine gleiche Anzahl auf Französischer wie auf Deutscher Seite am Kampfe betheiligt gewesen, während thatsächlich bekanntlich fünf Deutsche Brigaden gegen fünf Französische Divisionen kämpften . S. 103 wird gesagt, dass am 28. November zur Besetzung von Metz die bis dahin vom GefangenenTransport in Anspruch genommene Division Kummer disponibel geworden sei . General Kummer hatte aber am 27. November mit der ihm unterstellten 15. Infanterie-Division im Norden Frankreichs bei Amiens ruhmreich gekämpft ; bei Metz handelte es sich, zu dieser Zeit um einzelne Landwehr-Bataillone, welche früher der 3. Reserve-Division angehört hatten und zu Gefangenen-Transporten verwendet worden waren. S. 104 finden wir General Faidherbe in der Schlacht bei Amiens an der Spitze der Französischen Truppen. S. 108 heiszt es , General Goltz sei gegen Mitte December von Dijon zu einer Unternehmung gegen Langres aufgebrochen ; es handelt sich hier nicht um eine Unternehmung , sondern um die Einschlieszung von Langres. S. 114 wird uns das eigentlich doch längst abgetischte Mährchen nochmals vorgeführt , General Bourbaki habe über den
Umschau in der Militair-Literatur.
101
Oberrhein in Deutschland einbrechen wollen ; einige Seiten nachher heiszt es , dass , wenn Bourbaki an der Lisaine gesiegt hätte, das Elsasz von den Franzosen überfluthet und sämmtliche Verbindungen der Deutschen mit der Heimath bedroht worden wären.
Wer
sich dessen erinnert, wo zu der fraglichen Zeit, also am 17. Januar, General Manteuffel mit dem II. und VII . Armee - Corps stand , wird leicht solche Ansichten widerlegen können.
Der Werth des vor-
liegenden Werkes für das grössere Publikum ist in Folge der mehrfachen Ungenauigkeiten , von denen die vorstehenden , wie gesagt, nur als Belege herausgegriffen sind , nicht unwesentlich vermindert ; für das Regiment hingegen wird es in Folge der reichlichen und allem Anscheine nach sehr sorgfältigen Personal- Angaben ein werthvoller Schatz bleiben.
Der Russisch - Türkische Krieg 1877 bis 1878 veröffentlichten
Nachrichten
bearbeitet von
nach den bisher von Stuckrad,
Premier- Lieutenant und Lehrer an der Kriegsschule zu Neisse . - Erste Lieferung . Hannover 1878. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung.
gr. 8º.
96 Seiten.
Deutlich bekundet sich in der Deutschen Armee das Bestreben, recht bald der Oeffentlichkeit ein zusammenhängendes Werk über den kaum beendeten Russisch-Türkischen Krieg zu übergeben . Buchhändlerischer Seits wird demgemäsz auch Alles daran gesetzt, die Arbeit der Autoren so schnell wie nur irgend möglich unter die Druckpresse zu bringen, um so der Nachfrage nach einem solchen Werke baldigst gerecht zu werden . ist wohl das vorliegende Buch , fertig vorzuliegen scheint
Von diesem Standpunkte aus
welches im Manuscripte ziemlich
wir finden wenigstens bereits in einem
der ersten Capitel auf die Angaben eines viel späteren verwiesen lieferungsweise veröffentlicht worden , zu entschuldigen ,
ein Verfahren , das vielleicht
aber nie ganz zu rechtfertigen ist ; denn über
eine abgeschlossene Handlung bringt man doch in der Regel die Abhandlung nicht stückweise , sondern zusammenhängend. Der Rest des vorliegenden Werkes , welches auszer den erschienenen 6 noch etwa 19 Bogen umfassen wird , soll bis zum Herbste d. J. veröffentlicht sein. Ein bestimmtes Urtheil über das begonnene Werk kann jetzt selbstredend nicht gegeben werden ; aus dem Gebrachten lässt sich
Umschau in der Militair-Literatur.
102
jedoch folgern, dass das hier in Rede stehende Buch sprachlich durch Gewandtheit , sachlich durch Objectivität angenehm auffallen wird. Dabei unterliegt es aber auch keinem Zweifel, dass ihm die Mängel der Zeit deutlich anhaften werden : schon in der verhältnissmäszig wenig umfangreichen ersten Lieferung muss der Verfasser deshalb manchen Punkt im Unklaren lassen, weil bisher Nichts darüber bekannt geworden ist !
Solche
Lücken wird
die
Geschichte
des
Russisch-Türkischen Krieges allerdings nach Jahrzehnten auch noch haben, denn es dürfte schwerlich jemals auf Türkischer Seite eine officielle Darstellung der Kriegsbegebenheiten das Licht der Welt erblicken. Wenn ich nunmehr der vorliegenden Lieferung mit
einigen
Worten näher trete, so muss ich zunächst bemerken, dass ein genaues Verfolgen der Angaben den Besitz guter Karten und der Loebell'schen Jahresberichte, auf welche mehrfach verwiesen wird, verlangt , Bedingungen , welche sich nicht für jeden Leser ohne In dem ersten Capitel wird die EntWeiteres erfüllen lassen. stehung des Krieges kurz behandelt ; die Aufgabe war sehr schwierig und ist dem Verfasser meines Erachtens auch nicht so recht geSie setzt sehr eingehende geschichtliche Studien und den
lungen.
Einblick in das ganze diplomatische Getriebe voraus ; das vor der Geschichtsforschung bereits beseitigte Testament Peter des Groszen spielt bei dem Verfasser auch noch eine Rolle.
In dem zweiten
Capitel ist er mehr auf seinem Gebiete ; die Angaben über die Stärke-Verhältnisse, die Mobilmachung und Concentration der Truppen sind klar und sachgemäsz ; manchmal, so däucht es mir, hätte der Stoff ein wenig günstiger gruppirt werden können.
Hervor-
heben will ich hier noch, dass die Einzelheiten über die Aufstellung der Türkischen Armee ganz wesentlich von denen abweichen , die in dem letzten Bande der Loebell'schen Jahresberichte enthalten sind .
Wer von den beiden Verfassern Recht hat, vermag ich nicht
zu entscheiden. Auch in dem Capitel über die Beschreibung des Kriegsschauplatzes legt sich Verfasser eine weise Mäszigung auf; im Allgemeinen bilden seine Bemerkungen werthvolle Ergänzungen der Karte.
Bei seinen Betrachtungen über die beiderseitigen
Operationspläne, wo er mit den Türken scharf zu Gerichte geht, vergisst Verfasser, dass es bei der unglücklichen Lage der Verhältnisse wohl nicht Sache des Serdar Ekren war, einen Operations sondern des in Constantinopel tagenden KriegsIn dem fünften Capitel sind die Ereignisse bis zum Donau-
plan zu fassen , rathes .
Umschau in der Militair-Literatur.
103
Uebergange der Russen geschildert , und veranschaulicht eine beigefügte Skizze die Stellung der Russen am 20. Juni.
Aufgefallen
ist mir, dass Verfasser den Untergang des Lufti Dschelil mit voller Bestimmtheit einer Russischen Mörser-Batterie zuschreibt , während dies meines Wissens von anderer Seite sehr stark bezweifelt worden ist.
Das sechste Capitel des Buches , welches kurz und deutlich
den Donau-Uebergang der Russen bei Galatz und Braila, sowie bei Simnitza schildert, ist in der vorliegenden Lieferung nicht ganz zum Abschlusse gebracht. Hoffentlich erscheint recht bald die zweite Lieferung des mit sichtlichem Fleisze zusammengestellten Werkes ; eine sorgfältigere Correctur möge noch schlieszlich empfohlen werden, denn eine auszergewöhnlich grosze Anzahl von Druckfehlern enthält die im Uebrigen sachentsprechend ausgestattete erste Lieferung.
VIII.
Verzeichniss
der
bedeutenderen Aufsätze aus
anderen militairischen Zeitschriften . (15. Mai bis 15. Juni 1878.)
Militair-Wochenblatt (Nr. 40-47) : Die Englisch- Indische Armee und deren etwaige Verwendung auszer Landes. - Der BalkanUebergang des Generals Gurko im December 1877. - Untergang des " Groszen Kürfürsten ". Der Russisch - Türkische Krieg in Europa. Neue militairische Blätter (Mai- Heft) : Wanderungen eines militairischen Touristen auf dem Schauplatze des Suwarow'schen Feldzuges vom Herbste 1799 und einige Wahrnehmungen bei der jetzigen Italienischen und Schweizer Armee. --- Der Russisch-Türkische Krieg. Die militairische Correspondenz Napoleon's I. - Der General der Infanterie zur Disposition Johann Leopold Ludwig. Die Englisch-Ostindische Armee.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
104
Allgemeine Militair-Zeitung (Nr. 19—22) : Der Russisch-Türkische Vor 100 Ein kleiner Beitrag zur Pferde - Dressur.
Krieg. Jahren. -
Welche Gustav II . Adolph. -
Fortschritte
in der Taktik verdanken wir Ein Englisch - Russischer Krieg. - Die Mar-
Einige Bemerkungen zu den „ Denkwürdigkeiten aus dem tingale. Leben des Generals der Infanterie v. Hüser " . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 20-23) : Ueber den Mangel an Vergleichende Zusammenstellung Militairärzten in unserer Armee. der neuesten Schiesz - Versuche gegen Panzer. Militair-Zeitung für Reserve- und Landwehr- Offiziere (Nr . 15—19) : Die neuen Bestimmungen der Schieszinstruction vom 15. November Ueber den Festungskrieg. 1877. Ueber Planlesen und Cro―― Ueber den Meldedienst der Caquiren. Bazaine in Metz. vallerie . -- Die Theilnahme der Landwehr an dem Feldzuge von 1866. Das neue Exercir- Reglement für die Feld - Artillerie vom 23. August 1877. — Die Erziehung zur Wehrhaftigkeit. Charakterbilder aus Miliz- Heeren . - Betrachtungen über den Uebergang der Russischen Armee über den Balkan. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (Heft 5) : Aus den Reiseberichten „Medusa".
S.
M. S.
„ Ariadne " ,
" Elisabeth "
und
Streffleur's Oesterreichische militairische Zeitschrift (Heft 5): Ueber die Gruppirung der Kräfte in Ruhestellungen, bei Gefechtsund Angriffsmärschen und im Gefechte, im Flach- und Hochlande . — Gedenkblatt zur Feier des hundertEine taktische Uebungsreise. jährigen Bestehens der K. K. Ingenieur- (technischen Militair-) Aka― Ueber die Anwendung des Infanterie- Spatens und die mit demie. demselben auszuführenden flüchtigen Befestigungen vom Standpunkte des Infanterie-Offiziers . Organ der militair-wissenschaftlichen Vereine (Separatbeilage zum 3. Hefte) : mandanten.
Die letzte Friedensthätigkeit des Compagnie- Com-
Oesterreichisch - Ungarische
Wehr - Zeitung
99 Der
Kamerad “
(Nr. 41-48): Ueber den Werth und den Nutzen von Carré - ForUeber Distanzmesser und deren Nutzen für die Feldmationen. Das Artillerie. - Der Werth unserer Armee. - Requisition. Die modernen Schlachtschiffe. Französische Generalstabs Gesetz . Etwas über unsere militairische Situation Das Kriegsbudget 1878. in Süd-Dalmatien.
aus anderen militairischen Zeitschriften.
105
Oesterreichische Militair - Zeitung (Nr. 40-47) : Das K. K. militair-geographische Institut. -— Geschichtliches über die Cavallerie und deren Taktik. Ein Vorschlag zur Verbesserung der Mannschaftskost. Ueber das geistige und körperliche Wesen einer Armee. - Das K. K. militair-geographische Institut. Oesterreichisch -Ungarische Militair-Zeitung ,,Vedette" (Nr. 3947 ) : Die Reorganisation des Französischen Generalstabes. ―― Die Die Annexion Intendantur und ihre Verwendung im Dienste. Die Schlacht bei Znaim am 10. Bosniens und der Herzegowina. Die taktische Ausbildung der K. K. Armee. und 11. Juli 1809. Einführung der reitenden Artillerie in die K. K. Armee. L'avenir militaire (Nr. 498-503) : Der Anhang zur Instruction über die Schieszschulen. - Zweite Berathung des Gesetzes über den Generalstab.
Der Gesetzesvorschlag über die Unteroffiziere.
Das Senatsgesetz über den Generalstab. Die Ergänzung der Cavallerie. Die Nothwendigkeit der kleinen Manöver. Die Regiments-Conferenzen. Die Gensdarmerie-Offiziere . ― Adjutanten und Adjutants-Majors. - Die Regimentsschulen. Le Spectateur militaire (15. Mai 1878) : Marmora.
General Alphonse La
Geschichte des Orientalischen Krieges 1875-1878. -
Die Französische Kriegsmarine beim Beginne des hundertjährigen Die RechnungsKrieges . Ein Blick auf die Französische Armee. führung des militairischen Unterhalts. Journal des sciences militaires ( Mai -Heft): Betrachtungen über herzustellenden Befestigungen. - Militairische Einrichtungen rasch die der III. Republik .
Betrachtungen über den Krieg in der Vendée.
- Die Belagerung von Maëstricht.
Die Strategie und der Ge-
neralstab. Revue
d'Artillerie
(Mai - Heft):
Schlussbetrachtung
über
die
Thätigkeit der Deutschen Artillerie während der Belagerung von Belfort 1870-1871 . - Shrapnelschüsse. — Die praktische Instruction der Italienischen Artillerie .
Das Zielen vermittelst der
Kurbel. Revue Maritime et Coloniale (Mai - Heft) : Die Marine - Budgets von Frankreich und England. Die hydraulischen Laffeten des Vice-Admirals Popoff. - Die Etablissements der alten Marine. Die Reorganisation des Personals der Italienischen Marine. - Administration der Marine - Truppen- Corps . (Juni- Heft) : Summarischer Bericht
der in
Amsterdam
stattgehabten
Versuche
mit 7**
Schiffs-
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
106 kielen.
Die wissenschaftlichen Institute der alten Marine.
Die
Schieszversuche.
Torpedo- Schiffe.
Russ. Invalide ( Nr . 93–117) : Nachrichten vom Kriegsschauplatze. -- Die electrische Feder Edisson's und die von Latschinow vorgeschlagenen Veränderungen . - Die Fortschritte der Taubenpost in Europa 1877.
Die Englische Armee in Indien.
Russ. Artillerie-Journal ( Mai- Heft) : Die Verwendung der FeldArtillerie. Aus dem Tagebuche eines Artilleristen (Campagne 1877). - Versuche mit Schlagröhren, neuerdings vorgenommen in Italien. — Bericht über die in der Perm'schen Geschütz-Fabrik vorgenommenen Prüfungen zweier mit Stahlringen verstärkter Bronce 24-Pfünder. Russ. Ingenieur-Journal ( März- Heft) : Bemerkungen über die von unseren Truppen am 23. October 1877 genommene Dewe-Boinskische Position. Die Entstehung , Organisation und Thätigkeit unserer Sanitätszüge. Betrachtungen über die Bestimmung des in den Casernen zur Unterbringung der verschiedenen Waffengattungen erforderlichen Raumes. Die Blitzableiter, ihre Theorie und Ein-
richtung. Morskoi Sbornik ( Mai- Heft) : Kurzer Bericht über die mit dem von J. Alexandrowski erfundenen unterseeischen Boote. - Untersuchung der Eigenschaften oben genannten Bootes. L'Esercito (Nr . 55-60) : Die Unteroffizierfrage in Italien. Der Unterricht der Reserven. - Das neue Avancementsgesetz in England . Rivista militare italiana (Mai - Heft) :
Bemerkungen über den
taktischen Unterricht der Artillerie. Die Transporte des Italienischen Heeres im Felde . Die Ersatztruppen und die Organisation unserer Cavallerie. Rivista marittima (Mai - Heft) : Glanzzeit und Niedergang der mercantilen Marine von Venedig. ― Die Bewegungen des permaDie Bewegungen der Kaiserlich Türkischen nenten Geschwaders. Flotte auf der Donau während des Russisch- Türkischen Krieges von 1877 . - Allgemeine Verhältnisse der gegenwärtigen Portugiesischen Marine. Army and Navy Gazette (Nr. 964-967) : Russische Kreuzer. — Der Angriff auf einen befestigten Platz. Truppenschau in Aldershot. -- Die Russische freiwillige Marine. - Indische Truppen für
aus anderen militairischen Zeitschriften. Malta.
Unsere maritime Macht. -----
107
Die Aldershot - Division.
Die Küstenvertheidigung. - Die Russischen Torpedo -Boote. - Die Instruction der Französischen Armee.
Ramming.
Der Telegraph
bei militairischen Operationen . Naval and Military Gazette (Nr. 2370-2371) : Verwendung von Indischen Truppen in Europa, eine constitutionelle Frage. — Eine Reduction der Eingeborenenmacht in Colonial - Marine - Reserve. ___ Indien. Army and Navy Journal ( Nr. 39-43) : Vorschläge für die Marine. Die Armee und die Commune . — Caperei für Russland . Cavallerie gegen Indianer. -- Armee- Versorgungs - Bill . -- Die Armee beim Congresse .
Die Armee als ein Bollwerk des Gesetzes.
La Belgique militaire (Nr. 380-383 ) : Recrutirungsgesetz . -
Die
Reserven-Frage. Ist die Stellung der Belgischen Armee eine Gefahr für die Armee und das Land . Allgemeine Schweizerische Militair - Zeitung ( Nr. 20–24) : Die Handfeuerwaffen im Orientkriege 1877-1878 . ― Entwurf zu einem Dienst-Reglement für die Eidgenössischen Truppen. - Die Discussionen der Presse über die militairischen Verhältnisse unserer Westgrenze . Revue militaire suisse ( Nr. 10 und II) : Der Marsch im Felde. Verwendung der Divisions-Artillerie im Gefechte. - Gebirgsmarsch der 15. Infanterie-Brigade Oesterreichs. - Die Arbeiten im Felde. De militaire spectator ( Nr. 6 ) : Betrachtungen über das Infanterie- Feuer auf groszen Entfernungen . - Die Orient - Frage . Ueber Einschieszen im Felde. Norsk Militaert Tidsskrift (41. Band , 5. Heft) :
Betrachtungen
über das Verhalten der Behörden bei Untersuchung der Diensttauglichkeit. Kongl. Krigsvetenskaps - Akademiens Handlingar och Tidsskrift (Heft 7-8) : Das strategische Verhältniss zwischen Oesterreich und Russland . - Die Streitkräfte Englands. - Die neue Deutsche Schieszinstruction. - Der Zweck kriegsgeschichtlicher Studien . — Ein Infanterie- Scharfschieszen im Jahre 1877. — Zusammenstellung der 1877 für die Armee erlassenen Bestimmungen . - Betrachtungen über das Exercir - Reglement . Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar (Nr. 10 und 11) : Casernirungs- und Einquartierungs-Verhältnisse in Deutschland. —
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
108
Kritik des Generals Todleben über die Vertheidigung Plewna's. Defensiv - Eisenbahnen. Martinez y Rodriguez. ― (Beiheft) :
Frankreichs
Biographie des
Generals
Geschichte der in Catalonien
1873 detachirten Ingenieur - Compagnien. Ueber die Nutzhölzer der Provinzen Spaniens. Project eines Ge-
während des
Jahres
bäudes zur Unterbringung von Militair-Behörden. Revista militar (Nr. 9 und 10) : Betrachtungen über Recrutirung. - Grundzüge und Cadres - Ueber die projectirte Cavallerieschule. Avancement in Portugal. Das Offizierder Heeres- Reorganisation. Aus dem Orientkriege . Ueber Behandlung von Fohlen.
Verantwortlich redigirt von Major v. Marées, Berlin, Bülow - Strasze 6. Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin, Unt. d. Linden 21 .
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
IX.
Friedrich's Strategie
des
im im
Groszen
Zeitraume Zeitraume
Kriegspolitik der
beiden
und
ersten
Schlesischen Kriege. Eine
militairhistorische Studie .
Von A. v. Crousaz, Major z. Disp. (Fortsetzung.) *) III.
Im zweiten Schlesischen Kriege.
Dass Friedrich an keinen dauerhaften Frieden mit Oesterreich glaubte, würde man, wenn Er es nicht gesagt hätte, aus Seinem ganzen Verhalten erkannt haben.
Für die Förderung Seiner Streit-
kräfte wurden jetzt Anstrengungen gemacht, in denen sich mehr die Vorbereitung eines neuen Krieges , als die sachgemäsze Reparation nach dem beendeten aussprach ; die politischen Fäden sind so fortgesponnen worden und man blieb so auf Fühlung mit jedem nutzbaren Pro und jedem zu überwindenden Contra, wie dies nur in Durchgangsperioden zwischen Krieg und Krieg zu geschehen pflegt. Was das Militairische betrifft, so hatte der König Seine eigenen und die gegnerischen Truppen erprobt, Seinen Zieten und Seidlitz ** ) gefunden, und Sich Selbst in Seinem kriegerischen Genie, und nach den Bedingungen, an welche dieses gebunden war,
erkannt.
Er
schuf jetzt neue Regimenter, gab Dienst-Reglements für alle Waffen,
*) Vergl. Jahrbücher Band XXVIII , Seite 1 (Juli 1878) . **) Seidlitz war noch auf ganz untergeordneter Stufe, hatte sich aber schon so hervorgethan, dass ihn der König als einen Mann der Zukunft erkannte und er bald nacher vom Cornet gleich zum Rittmeister ernannt wurde. 8 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
110
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
und suchte Seine Reiterei, die sich wohl tapfer, aber an manchen Stellen noch unbehülflich gezeigt hatte, in einen mustergültigen Zustand zu bringen .
Das Meiste, was nach allen Richtungen hin ge-
schah, war innerlich, und entzog sich der Oeffentlichkeit ; wer aber den Intentionen nahe kommen und in die Werkstätten blicken konnte, dem entging es wohl nicht, dass hier neuen Unternehmungen rastlos entgegengearbeitet wurde . Politisch musste der König zumeist dafür interessirt sein, in dem fortgesetzten Kriege zwischen Oesterreich und Frankreich das Gleichgewicht dieser Mächte nicht verloren gehen zu lassen ; - jede merkliche Störung des letzteren wird Ihn neuerdings ins Gewehr rufen , denn Friedrich weisz zu genau, dass weder Habsburg noch Bourbon für Ihn irgend eine freiwillige Rücksicht hat. Dass Der oder Jener endlich unterliegen, und Preuszen dann vor die Klinge des Siegers kommen wird, ist nur eine Zeitfrage, die, so wie sich die Umstände jetzt gestalten, einer schnellen Lösung entgegengeht. Die Franzosen unter Belle- Isle hatten Prag, ihr letztes Böhmisches Bollwerk, fluchtartig geräumt ; das Glück wurde der Königin von Ungarn immer günstiger, und England that sein Bestes, sie zu unterstützen. Erstere machte bemerkbar, dass sie das ihr abgedrungene Schlesien nicht für unwiederbringlich hielt, letzteres suchte den König zu isoliren .
Russland verzögerte die Gewährleistung des
Berliner Friedens, und wurde , nachdem es Schweden bemeistert, ein in die Combination einzurechnender Factor. Kaiser Carl VII. gewann zwar im October 1742 sein Land wieder, im Mai 1743 musste er es aber neuerdings verlassen ; der König von England erschien selbst in Deutschland, und besiegte, mit den Oesterreichern vereint, die Franzosen bei Dettingen ; Holland , Sachsen und Sardinien traten zu Oesterreich etc.
Dennoch bekam Frankreich wieder Spielraum,
und der Krieg wurde, mit wechselndem Glücke, fortgeführt.
ziemlich planlos
Eine in Russland aufgestörte Agitation compromittite
den Oesterreichischen Gesandten in Petersburg , und da Friedrich Sich sehr entschieden gegen dergleichen aussprach , so brachte Ihn dies dem Russischen Hofe näher, ohne Ihm gleichwohl dessen Freundschaft zu sichern . Friedrich strebte mit allen friedlichen Mitteln für den Kaiser und eine allgemeine Ausgleichung ; aber Er kam damit nicht vorwärts, und man befand sich am Ende des Jahres 1743 in einem eigentlich Europäischen Kriege, welcher, wirr und unabsehbar, noch mehr durch politische Kunstgriffe als mit den Waffen geführt wurde . Als das Jahr 1744 hereintrat, blieb es gar nicht mehr zweifel-
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege . 111 haft, dass man Carl VII. des Kaiserthrones entsetzen , und zu einem den Preuszischen Besitz von Schlesien ganz ignorirenden Friedensschlusse gelangen wollte . Jetzt galt es bereit zu sein und jenen Grundsatz über das dem Zuvorkommenlassen vorzuziehende Zuvorkommen, welchen der König schon im „ Anti- Machiavell" geäuszert hatte, zu bethätigen. Es fragte sich nur , ob einerseits der eigene Zustand und andererseits die politische Combination einer erneueten Kriegführung Preuszens jetzt schon günstig sei . Im ersteren Punkte konnte man befriedigt sein, denn das für einen neuen Feldzug erforderliche Geld war durch gute Oekonomie erspart, und eine genügende Ergänzung , Kriegsfertigkeit und Verproviantirung des Heeres durch rastlose Thätigkeit bewirkt worden . Politisch brauchte es noch mancher Vorkehrungen, und unter diesen befand sich diejenige, ein absolut freundschaftliches Verhältniss mit Russland herbeizuführen, in erster Reihe .
Hierzu gab die
projectirte Verheirathung des Groszfürsten Peter, welcher der Neffe und präsumtive Nachfolger der Kaiserin Elisabeth war, einen geeigneten Haltpunkt . Der Sächsische Hof erstrebte eine Verbindung der zweiten Tochter August's III . mit dem Groszfürsten ; die Kaiserin selbst richtete ihr Augenmerk auf König Friedrich's Schwester , die Prinzessin Ulrike . Das gab ein kopfzerbrechendes Dilemma, denn eine Familienverbindung zwischen Sachsen und Russland schien für Preuszen bedrohlich, während es andererseits den natürlichsten Empfindungen widerstritt , eine Preuszische Prinzessin , zur Vereitelung jenes Vorhabens, mit in Concurrenz zu bringen. Man dachte auf einen Ausweg und hatte ihn gefunden, als Katharina, Prinzessin von Anhalt- Zerbst , deren Vater, Christian August Fürst von Anhalt - Zerbst , Preuszischer Feldmarschall und Gouverneur von Stettin war, als Braut des Groszfürsten Peter offerirt und angenommen war. Welch' ungeheueres Zukunftsmoment ist durch dieses Arrangement eingepflanzt worden ! - Für jetzt gewann man damit so viel , dass die Prinzessin Ulrike mit dem neuen Kronprinzen von Schweden , Adolph Friedrich, verbunden werden konnte, und so, gleichzeitig mit Russland und Schweden, mindestens für die nächste Folgezeit, dasjenige Einvernehmen gesichert war, dessen man so nöthig brauchte. War diese Operation leidlich geglückt, so misslang andererseits der von Friedrich gemachte Versuch , einen der Suprematie Oesterreichs entgegenwirkenden Verein Deutscher Reichsfürsten zu bilden , gänzlich. Hierzu brauchte es Subsidiengelder, welche Preuszen nicht besasz und Frankreich nicht zahlen wollte ; - an dieser Klippe scheiterte das gut erdachte Vorhaben . Ueberdies hatte man den 8*
112
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Kurfürsten von Sachsen ganz gegen sich, denn er gönnte dem Könige von Preuszen Schlesien, und dem Bayern die Kaiserkrone nicht ; von Beiden glaubte er um den Besitz Mährens gebracht worden zu sein, und so fiel es dem Wiener Hofe nicht schwer, ihn für sich zu gewinnen. Demnächst bildete sich ein Vertheidigungsbündniss
zwischen
Oesterreich , England und Sachsen, dessen Verabredungen in Warschau geheim unterzeichnet wurden, Kenntniss gelangten .
aber dennoch zu Friedrich's
Die Königin von Ungarn liesz sich vermöge
derselben von ihren Partnern den Besitz von Staaten garantiren , welche sie früher besessen, aber nachmals verloren hatte ; zu diesen gehörte auch Schlesien, und man ignorirte also hiermit den Berliner Frieden, nach dessen Stipulation jene Provinz von Oesterreich an Preuszen abgetreten war.
Hieraus ergab sich , mit einfachster Fol-
gerung, dass dies ein Zurückeroberungsvorhaben bedeute, und das Warschauer Bündniss sonach , in Bezug auf Preuszen, offensiv sei. Ueberdies verlangte die Königin von Ungarn, dass, nach Sicherung Italiens, ein Theil ihrer dort befindlichen Truppen, um in Deutschland verfügbar zu sein, zurückkehren sollte ; sie brauchte dieselben gegen den fast schon bezwungenen Kaiser durchaus nicht, und der Gallier wurde durch England im Schach gehalten, - wen galt es also damit zu bekämpfen ? Diese Umstände machten den Berliner Frieden hinfällig ; der König sah keine andere Hülfe mehr, als diejenige Seiner Waffen , und überwand den Widerspruch Seiner gegen den Krieg eingenommenen Minister durch unabweisliche Gründe . in dem Worte :
Diese gipfelten zumal
„ Die gegenwärtige Krisis fordert einen kühnen Entschluss , und es ist bei solcher Gelegenheit die schlechteste Partie , welche man ergreifen kann , wenn man gar keine ergreift. " Dem Kaiser, welcher um Hülfe bat , wurden die politischen Schwierigkeiten, welche es noch zu überwinden galt, klar gemacht ; mit Schweden und Russland suchte Friedrich baldmöglichst ins Reine zu kommen ; um die in jetzigen Umständen nothwendige Wiederherstellung der Alliance mit Frankreich bemühte Er Sich mit eben so viel äuszerer Geschicklichkeit als innerer Widerstrebung.
Dieselbe
kam auch endlich zu Stande , und Frankreich übernahm es , die Oesterreicher im Elsass zu beschäftigen und den Kaiser in sein Land wieder einzusetzen ; Friedrich Selbst wollte erst, wenn Seine Bündnisse mit Russland und Schweden gesichert wären, in Action treten .
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
113
Die Franzosen operirten nun in Flandern und am Rheine ; aber das Kriegsglück wendete sich dort zu Oesterreich , und schon im Juli 1744 lagen die Umstände so, dass sich befürchten liesz, Frankreich möchte auszer Gefecht gesetzt und die ganze Oesterreichische Streitmacht demnächst gegen Preuszen und zur Wiedereroberung Schlesiens verfügbar werden. , Dem musste Friedrich zuvorkommen, und trat sonach eher, als es ursprünglich beabsichtigt war, auf den Kriegsschauplatz. Das gute Einvernehmen mit Schweden wurde wohl zunächst durch die im Juli 1744 stattgefundene Vermählung der Prinzessin Ulrike mit dem Schwedischen Thronfolger verbürgt ; mit Russland hatte man noch kein Bündniss, glaubte aber doch, sich wenigstens in Betreff des gegenwärtigen Feldzuges seiner Neutralität für versichert halten zu können .
Die politischen Umstände waren so-
nach leidlich, und die kriegerischen drängten vorwärts ; der König zögert keinen Augenblick mehr, und will in Böhmen einrücken, um den Prinzen Carl von Lothringen vom Rheine ab und in Seinen Kriegsbereich zu ziehen.
Die Franzosen sollen diesem Oesterreichi-
schen Heere, während ein anderer Theil ihrer Streitmacht Hannover bedroht, auf dem Fusze folgen ;
so wird es zwischen zwei Feuer
kommen, und man endet diesen Krieg vielleicht mit einem einzigen Feldzuge. Schon am 7. August 1744 gab Friedrich's Gesandter in Wien die nöthigen Erklärungen ab ; die Kriegsdisposition war mit drei Strichen gemacht. Die Preuszische Hauptarmee theilt sich in drei Colonnen, von denen die westlichste der König Selbst am linken Elb-Ufer entlang nach Prag führen soll, während die mittelste unter dem Erbprinzen Leopold , mit ersterer parallel , durch die Lausitz , und die östlichste, unter Schwerin, aus Schlesien und über Braunau, gegen dasselbe Ziel vorzurücken bestimmt ist. Die ersten beiden Colonnen
decken
zugleich
zahlreiches
Geschütz
und
bedeutende
Proviantvorräthe, welche auf der Elbe zu transportiren sind ; der alte Fürst von Anhalt wird mit 17,000 Mann die Marken und das Magdeburgische Land , der General der Infanterie von der Marwitz mit einer anderen Heeresabtheilung Oberschlesien schützen." Alles ging schnell und präcise ; Sachsen war überrannt, ehe es sich von seiner Betäubung erholen konnte.
Dem Einmarsche in
Böhmen, das der König schon am 15. August erreichte, ging ein die Ursachen des Krieges darlegendes Manifest voraus . "„Die Reichsverfassung und Deutsche Freiheit soll erhalten, der Kaiser geschützt werden ; die Bevölkerung Böhmens wird vor jeder Feindseligkeit gegen die Hülfstruppen des Reichsoberhauptes gewarnt.
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
114
Die drei Preuszischen Colonnen vereinigten sich am 2. September bei Prag und gaben zusammen ein Heer von etwa 80,000 Mann ; die Hauptstadt Böhmens war nur schwach besetzt, aber südwestlich davon stand bei Beraun der Oesterreichische General Batthyani mit einem Corps leichter Truppen, sowohl um Handstreiche auszuführen, als zur Deckung der dortigen Magazine. Wäre dieses Detachement schnell beseitigt, und das Oesterreichische Hauptmagazin zu Beraun genommen worden, so würde weiterhin die Armee des Prinzen Carl in Böhmen keinen Lebensunterhalt gefunden, und das Preuszische Heer auf seinen rückwärts führenden Communicationslinien eine viel mindere Gefährdung durch die leichten Truppen des Gegners erfahren haben ; aber man unterschätzte das Batthyani'sche Streifcorps, und die gegen dasselbe entsandten Streitkräfte waren zu gering, um effectuiren zu können .
Die Magazinvorräthe wurden von Beraun
nach Pilsen gebracht , und da Batthyani in Thätigkeit blieb , so schadete das , gleich von Haus aus , der Preuszischen Sache sehr bedeutend. Inzwischen capitulirte Prag schon am 16. September, und der Feldzug von 1744 war hiermit glänzend eröffnet ; aber es hätten, um ihn auch zu einem guten Ende zu führen, abgesehen von dem Verhalten gegen Batthyani, noch mancherlei andere Schachztige ganz Theils er-
anders, als es wirklich geschah, gethan werden müssen.
giebt sich dies, schrittweise, aus den nachstehenden Darlegungen von selbst , theils wird man darüber durch die auszerordentlich objective Kritik , mit welcher Friedrich diesen Feldzug , und Sich Selbst in demselben, zu bemessen wusste, orientirt ; schon bis hierher rechnete Er es Sich als Fehler an, Sachsen nicht von vornherein unschädlich gemacht oder zur Parteinahme für Sich gezwungen zu haben, und da diese Unterlassung sich nachher bitter rächte, so ist das von Ihm notirt, und ein solcher Fehlgriff dann 1756, in ähnlichen Bewandtnissen, vermieden worden. Prag war genommen und musste dem Kaiser huldigen ; den Wiener Hof traf das wie ein Donnerschlag, und die Welt erstaunte kaum minder, als
es vor zwei und drei Jahren geschehen war.
Wenn Friedrich jene Hauptstadt und ihren Rayon festgehalten, das Batthyani'sche
Corps
aus Pilsen verjagt ,
die
dortigen Magazin-
vorräthe genommen, und Sich in dieser späten Jahreszeit, bei gehöriger Consolidation, auf das nördliche Böhmen beschränkt hätte, so
würde
das ,
wie Er
culation gewesen sein ; vorwärts.
Selbst
ausspricht ,
die
sicherste
Spe-
aber Sein offensives Naturell strebte
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
115
So wurde denn das weitere Vorgehen gewählt , und es boten sich, in Betreff desselben, zwei verschiedenartige Projecte dar. Der König wollte, nach Seinem Eigenen Programm, am linken Moldau-Ufer bleiben, über die Beraun gehen, und, nach Wegnahme Pilsens, Sich der nach der Oberpfalz führenden Pässe von WaldDie Gebirgsöffnungen, münchen , Fürth und Cham bemächtigen. durch welche Carl von Lothringen aus Bayern nach Böhmen kommen konnte, würden so verstopft worden sein, und wenn dieser Feldherr dann weiter nördlich, über Eger, hätte vormarschiren wollen, so wäre ihm dort die Verpflegung seines
Heeres kaum möglich
gewesen. Auch dieser Plan war sonach gut , und wenn er mehr Opfer und Anstrengungen forderte, als der erstere, so stellte er doch hiermit eine gröszere Beschäftigung des kriegerischen Thätigkeitstriebes und ein freieres Walten des Genies in Aussicht. Aber was der Fähige plante, wurde durch die Unfähigen, nämlich durch den Kaiser, den König von Frankreich und den Marschall Belle-Isle, vereitelt.
Diese bestanden darauf, dass der König am
rechten Moldau - Ufer, auf Tabor und Budweis vormarschiren sollte, um den Prinzen von Lothringen in Betreff Oesterreichs besorgt zu machen, was dann besonders erfolgreich sein würde.
Zeit zum Be-
sinnen gab es in dieser späten Jahreszeit nicht mehr ; es musste ein schneller Entschluss gefasst werden, und Friedrich liesz Sich von jenen Partnern einen Seiner Ueberzeugung widersprechenden Operationsplan aufdringen . Er hat das nachher an Sich Selbst desto bitterer getadelt, je mehr die üblen Folgen davon zu Tage kamen ; die allgemeine Moral der Sache aber ist , dass der Grosze nie mit den Kleinen conferiren , sondern seinen Rath nur aus sich selbst nehmen soll. Also der König trat statt des südwestlichen den südöstlichen Vormarsch an , und auch hierbei wurden wiederum Fehler begangen. Man versäumte die Heimsendung des nur vor Prag nothwendig gewesenen Belagerungsgeschützes, hinterliesz in dieser Hauptstadt eine allzukleine Besatzung , und schenkte dem Zustande der dem Heere das folgenden Proviantcolonnen eine zu geringe Aufmerksamkeit ; waren Versäumnisse, die sich demnächst rächen mussten . Das Land, welches die Preuszische Armee jetzt zu passiren hatte, war gebirgig und unwegsam ; man hatte aber nicht blos mit diesen Hindernissen des Terrains , sondern auch mit einem passiven Widerstande und Spionirsystem der Einwohnerschaft zu kämpfen.
Die
dem Heere folgenden Proviantcolonnen waren mit schlechtem Zugvieh
116
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
versehen und vermochten so nicht die sämmtlichen Lebensbedürfnisse heranzuführen ; die leichten Truppen Batthyani's fingen manche Transporte auf, und die Lieferungen des platten Landes, mit denen man' sich aushelfen musste, wurden durch jene ersteren vielfach vereitelt. In solcher Bedrängniss wurde am 26. September Tabor erreicht ; weiterhin verschlimmerte sich die Lage des Preuszischen Heeres noch, denn es fand nur wüste Strecken und leere Dörfer,
und die
Gefährdung seiner allseitigen Communicationslinien wuchs nach dem Eintreffen eines neuen Corps Ungarischer Husaren noch beträchtlich. Dennoch strebte man noch vorwärts, und das Hauptheer zielte auf Budweis, während das hart an der Oesterreichischen Grenze liegende Neuhaus durch ein Detachement besetzt wurde ; während dies aber geschah , traf die Nachricht ein , dass das Heer des Prinzen Carl von Lothringen sich schon an der Wottawa und in der Nähe von Pisek befinde. Prinz Carl war, nach der Preuszischen Occupation Böhmens, wie dies vorausgesehen worden, aus dem Elsass herbeigeeilt, und sollte nun, wie verabredet , durch die Franzosen verfolgt werden. Aber diese entzogen sich einer solchen Bemühung, und tiberlieszen selbige vielmehr, während ihrerseits Freiburg im Breisgau belagert wurde, dem Kaiserlichen Oberfeldherrn , Reichsgrafen von Seckendorf. Letzterer, über 30,000 Mann verfügend , folgte dem Prinzen Carl nur langsam, mied jeden Zusammenstosz, und war lediglich auf die Zurückeroberung Bayerns bedacht, welche ihm denn auch in solcher Weise gelang, dass Kaiser Carl VII. im October 1744 nach München zurückkehren konnte. Prinz Carl blieb eigentlich unbelästigt , gelangte schon am 25. September nach Waldmünchen, und konnte, da er die Gebirgspässe offen und keinen Gegner vor seiner Front fand, nach Böhmen eingehen, und bis zur Wottawa gelangen. Ein solches Factum entschied für den Preuszischen Rückzug,
um so mehr, als man in Erfahrung zog , dass die Sachsen sich mit dem Oesterreichischen Heere vereinigt hatten, und es auf der Hand lag, dass diese ganze gegnerische Macht sich nunmehr auf Friedrich's Rückzugslinie schieben und ihn schon von der Sazawa, also um so mehr von Prag abzuschneiden bestrebt sein werde. Er begab sich demgemäsz , um die Oesterreicher zu schlagen, schon mit Anfang October auf das linke Moldau- Ufer, fand den Prinzen Carl aber nicht mehr an der Wottawa, da dieser auf Beneschau an der unteren Sazawa, wo für ihn grosze Magazinvorräthe lagen, pointiren musste. Diesem Punkte galt nun vorerst auch der Preuszische Rückmarsch ; der König ging also wieder auf das rechte Moldau - Ufer zurück,
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
117
brachte Seine zu Tabor befindlichen Kranken in Sicherheit, und erreichte dann, gleichsam im Wettlaufe mit dem Oesterreichischen Heere, Beneschau, wo Er, noch vor jenem, am 14. October eintraf. Wenn durch diesen Erfolg die
eigene Lage gebessert und dem
Gegner ein Nachtheil zugefügt war, so musste man dagegen den Verlust der zu Budweis und Tabor hinterlassenen Detachements beklagen.
Bei Beneschau blieb Friedrich bis zum 24. October, dann
suchte er dem Oesterreichischen Heere eine Schlacht zu liefern, fand es aber stets in unangreifbaren Positionen. Prinz Carl , oder vielmehr der alte Feldmarschall Traun, welcher das eigentliche Herz und Haupt des Oesterreichischen Heeres war, kannte sowohl die Forçe als den schwachen Punkt seines Gegners sehr genau ; erstere beruhte im Schlagen und diesem entzog er sich sehr geschickt, letzterer wurde berührt, wenn man das Preuszische Heer von seinen Verpflegungsstationen fern hielt , und es in stets actionslosen Hinund Herbewegungen ermüdete .
Eine derartige Operation wurde sehr kunstfertig in Scene gesetzt , und der König blieb , während der
nächsten drei Wochen, in dem überaus schwierigen Terrainabschnitte zwischen Sazawa und Elbe stets engagirt, ohne doch je einen Kampf ermöglichen zu können. Auf einem natürlichen Schachbrette, welches vielleicht sechs Meilen lang und vier Meilen breit , mit Gebüsch, Felsenbildungen und Sümpfen durchsetzt ist, tummeln sich hier diese Parteien herum ; sie manövriren blos, aber mit groszem Raffinement, und es ist doch ein Spiel um Land und Leute . Kunst steht der Kunst, Fabius dem Marcellus , ein alter dem jungen Strategen gegenüber, und wenn Dieser von Jenem lernt, so ist Er doch viel gröszer veranlagt.
In dem nordwestlich liegenden Prag beruht Friedrich's nordöstliche Pardubitz ist Seine
Böhmisches Hypomochlium ; das
nächste Verpflegungsstation, und Traun's Bemühungen zielen darauf, Ihn von einem oder dem anderen Punkte abzuschneiden . Geht dem Könige Prag verloren, so ist damit Böhmen quittirt ; wenn man Ihm Pardubitz nimmt, so wird Er von Schlesien losgetrennt, und woher soll dann die Verpflegung und Ergänzung kommen, was steht für Schlesien und Brandenburg in Aussicht ?! Friedrich erkannte diesen schwierigen Alternativpunkt wohl erst mit Anfang November ; es musste schnell gewählt werden, und Er sicherte Sich , das kleinere dem gröszeren Uebel vorziehend , die Collin-Pardubitzer Strasze, und ging , nach vielen Kreuz- und Querzügen, stets erneuten und doch immer wieder fruchtlosen Offensivversuchen, am 9. November bei Collin vom linken auf das rechte Elb-Ufer.
Der Abschnitt zwischen Sazawa und Elbe war hiermit
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
118
verloren, Traun hatte das Preuszische Heer gleichsam aus demselben herausmanövrirt. Die etwa sechs Meilen betragende Strecke des Elb-Laufes zwischen Collin und Pardubitz wurde nunmehr durch die Preuszische Armee besetzt und vertheidigt.
Den Elb-Uebergang bei Neu-Collin
deckte, im Verhältnisse des rechten Flügels , der Generallieutenant v. Nassau ; die verschiedenen Heeres-Abtheilungen waren am rechten Elb-Ufer dislocirt , der linke Flügel stand bei Pardubitz , - und dieser ganze Theil der Stromlinie wurde, von Meile zu Meile, durch gröszere Infanterieposten und patrouillirende Husaren observirt.
Zu-
meist vermuthete man jetzt einen Oesterreichischen Vorstosz gegen den Preuszischen rechten Flügel ; dieser erfolgte aber nicht, und die Oesterreicher schlugen vielmehr in der Nacht vom 19. zum 20. November weiter östlich, bei Solonitz, Brücken, und gingen darauf über die Elbe . Dieser Punkt war gerade schwach besetzt ; der zunächst stehende Oberstlieutenant v. Wedell eilte mit seinem Bataillone sogleich herbei, und bestand, in Vertheidigung der bezeichneten Stelle, gegen die auszerordentlichste Uebermacht, fünf Stunden lang einen heldenmüthigen Kampf, welcher ihm den Namen : „ Der Preuszische Leonidas" erwarb.
Als er zuletzt doch weichen musste, und die
Oesterreicher das rechte Elb - Ufer gewannen, sammelte der König Sein Heer im Centrum der Cantonnirungen, welche es einnahm, und es trat jetzt momentan nochmals die Frage heran, ob man nicht dennoch nach Prag gehen und Böhmen behaupten solle.
Die Ge-
legenheit war günstig, die Oesterreicher konnte man jetzt angreifen und zurückschlagen, und Prag lag von der gegenwärtigen Position nur etwa neun Meilen entfernt.
Der Erbprinz Leopold trat lebhaft
für dieses Project ein, aber des Königs höhere Einsicht entschied anders .
Man geht nach Schlesien zurück , wo die Armee alle zu
ihrer Wiederherstellung nöthigen Hülfsmittel, und gleichzeitig die Verbindung mit Brandenburg findet ; steifte man sich auf Prag, so würden uns die Oesterreicher Schlesien und die Sachsen ihr Land zuschlieszen, wir wären dann während des Winters eingesperrt, und im nächsten Frühjahre zu Grunde gerichtet.
Was nützen uns Prag
und Böhmen, wenn wir sie schlieszlich doch mit unserer Existenz bezahlen müssen !" Friedrich's Wille wurde sogleich ausgeführt.
Alle detachirten
Corps, dasjenige in Prag mit eingerechnet, erhielten den Befehl zur sofortigen Räumung Böhmens ; das Preuszische Hauptheer dirigirte sich auf Königgrätz, und nachdem dieses passirt war, theilte sich ersteres am 27. November in drei Colonnen . Die östlichste derselben,
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
119
unter Prinz Leopold , wandte sich nach der Grafschaft Glatz ; die mittlere, bei welcher der König Selbst war, ging über Braunau ; die westlichste, unter Generallieutenant du Moulin, über Trautenau und Schatzlar nach Schlesien.
Die erstgenannte Colonne wurde gar nicht
angegriffen , die beiden anderen hatten Arrièregardengefechte von nicht groszer Bedeutung. Der König traf am 4. December zu Tannhausen unweit Waldenburg ein und begegnete dort dem alten Fürsten von Dessau , mit welchem Er eine Besprechung hielt ; dann aber musste Er, sowohl aus politischen Ursachen, als zur Vorbereitung des nächsten Feldzuges, nach Berlin eilen.
Prinz Leopold erkrankte in dieser Zeit
beträchtlich ; Schwerin, welcher sich mit dem Einflusse des Fürsten von Dessau und seiner Söhne nicht ins Gleichgewicht setzen konnte, hatte das Heer schon vor dem Rückzuge nach Schlesien verlassen. Der Besatzung von Prag , unter Generallieutenant v. Einsiedel, ging es übel.
Letzterer hatte die ihm anbefohlene Zerstörung des Preuszi-
schen Belagerungsgeschützes zu lange hingezögert und selbiges fiel deshalb in die Hände der Oesterreicher.
Sein Ausmarsch aus Prag
fand am 26. November unter groszen Schwierigkeiten statt ; über Leitmeritz hinaus standen Sächsische Truppen auf seiner Rückzugslinie, und er gelangte, diese nur mühsam vermeidend, erst am 16. December über Böhmisch-Friedland in die Schlesische Lausitz.
Dieser ganze Feldzug war glänzend begonnen und endete übel . Er zeigte im Ganzen eine Preuszische Niederlage, aber doch im Einzelnen so viel Preuszischen Geist , Schick und Heroismus , wie oftmals selbst glückliche Feldzüge kaum aufzuweisen haben. Der strategischen Entwickelung Friedrich's zeigte er sich überaus hülfreich , und das , was von Ersterem über diesen Feldzug und Seine Fehlgriffe während desselben , sowie in Anerkennung des Gegners gesagt wird , steht unter den Zeugnissen Seiner unvergleichlichen Erkenntniss und Wahrheitsliebe oben an. Es heiszt in diesem Sinne in Seiner „ Histoire de mon temps " :
1) , Das grosze Kriegsheer , welches Böhmen verschlingen und selbst Oesterreich überschwemmen sollte , hatte das Schicksal jener für unüberwindlich gehaltenen Flotte , welche Philipp II. auslaufen liesz , um England zu erobern." 2) 17 Kein General beging wohl mehr Fehler , der König in diesem Feldzuge.
als
Der erste von
120
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie allen war sicherlich , dass er sich nicht hinlänglich mit Magazinen versehen hatte , um wenigstens sechs Monate in Böhmen aushalten zu können.
Es ist bekannt , dass , wenn man
das
Gebäude einer Armee aufführen will , man nicht vergessen darf, dass der Magen der Grundstein ist.
Etc. "
3) "9 Der ganze Vortheil dieses Feldzuges war auf Seiten Oesterreichs.
Herr von Traun spielte in
demselben die Rolle des Sertorius , der König diejenige des Pompejus.
Traun's Benehmen ist
ein vollkommenes Muster, welches jeder Krieger, der seine Kunst liebt ,
studiren muss , und
der König gestand zu , dass er diesen Feldzug für seine Schule in der Kriegskunst und Herrn von Traun als seinen Lehrer angesehen hat. " Auch in jener Epistel, welche der König 16 Jahre später, von Pretschendorf aus, an Seine Schwester Amalie richtete, ehrte Er jenen alten Feldherrn durch das Wort :
22 Was nur Erfahrung oder Kunst gewährt , das wandt' er an , damit das Schicksal an seine Seite träte ; " und noch im Jahre 1770 sprach Friedrich, bei Seiner in MährischNeustadt stattgefundenen Zusammenkunft mit Kaiser Joseph II., gegen den Prinzen von Ligne aus : „ Savez vous qui m'a appri le peu que je sais ? — C'est votre ancien maréchal Traun ; voilà un homme cela ; " --
und an einem anderen Tage : 29 Le maréchal Traun est mon maître , il me corrigeoit des fautes que je faisois . " *) Wenn der grosze König Sich so,
bezüglich dieses Feldzuges ,
einer sehr strengen Selbstkritik unterwarf, so müssen doch von Anderen auch Seine den ersteren betreffenden Erkenntnisse und Musterhandlungen accentuirt werden.
Der Feldzug wurde gut vor-
bereitet und angefangen ; der auf die Pässe von Fürth und Waldmünchen zielende Operationsplan liesz nichts zu wünschen übrig, und wenn Friedrich demnächst dieses richtige Programm Seinen Bundes-
*) Vergl. „ Memoire sur le Roi de Prusse, Fréderic le Grand , par Msgr. le Prince de Ligne".
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
121
genossen aufopferte, so war dies ein Fehler, den Er nicht als Stratege, sondern als Politiker beging. In dieser Concession wurzelte der ganze Misserfolg ; da hiermit von Haus aus das Richtige verfehlt war, so mussten auch alle Consequenzen des Irrthumes eintreten . Diesen gegenüber fasste Friedrich stets die bestmöglichsten Entschlüsse, aber Er konnte damit nicht zu einem Hauptresultate durchdringen, weil sich das, was im Ganzen verfehlt ist, nie im Einzelnen einbringen lässt. Dass das Hauptheer nicht auf Neuhaus ging , auf dem Rückmarsche Beneschau vor den Oesterreichern gewonnen, die Elbe erreicht , die Besatzung von Prag gerettet , der Rückzug nach Schlesien möglich gemacht wurde , - dies Alles dankte man nur Friedrich's Eigensten Erkenntnissen , die Er, zum Theil gegen die Ansichten Seiner höheren Heerführer, durchsetzte. Den Rückzug an sich verschuldeten nur die Franzosen durch ihren falschen Operationsplan ; dass er aber, nach Verhältniss seiner ganzen Schwierigkeit, mit immer noch mäszigen Opfern zum Ziele geführt, in seiner Dauer dem Feinde doch manche Lection gegeben werden, und man überhaupt aus diesem Garne herausmanövriren konnte, war Friedrich's Ein anderer Feldherr wäre in dem Labyrinthe zwischen Sazawa und Elbe aufgerieben worden, oder in Prag verhungert ; durch solche Fangeisen und Stratageme aber durchbrechen, das konnte nur ein Friedrich.
groszes Verdienst.
Man weisz, dass die Kunst guter Rückzüge eine bedeutende ist ; wo von solchen die Rede ist, da mögen auch Friedrich's Leistungen von 1744 , trotz der Fehler, welche begangen wurden, und trotz Seiner strengen Selbstkritik , unterschätzt werden.
mit in Betracht kommen und nicht
Traun seinerseits liesz Ihm gewiss Gerechtig-
keit widerfahren, und die Oesterreicher mussten sich für diesen Erfolg viel Mühe geben.
Der Wiener Hof hatte doch allerlei Verluste
zu beklagen , und dem Kaiser gaben diese Vorgänge in Böhmen immerhin sein Land zurück, so wie denn auch die Franzosen durch sie sehr erleichtert wurden.
Kaum hatte der König das Heer verlassen, als auch die Oesterreicher in Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz einrückten. Marwitz musste von Troppau nach Ratibor zurück und endete dort sein Leben ; Prinz Dietrich führte statt seiner dieses Detachement zum Hauptheere zurück.
Auch Lehwald musste die Grafschaft Glatz
räumen ; die ganze Lage wurde peinlich ,
und Fürst Leopold von
Dessau erhielt den Auftrag , sie zu repariren .
Seine Aufgabe war
recht schwer, aber er bewältigte sie vollständig, und wenn hier ein
122
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Uebergang geschaffen und ein solcher Standpunkt erreicht wurde, von dem Friedrich wiederum Seine Blitze schleudern konnte, so ist dies nur dem alten Dessauer verdankt worden . Friedrich Selbst war dabei im Groszen und Ganzen immerhin der intellectuelle Urheber des in diesem Durchgange Geschehenen, denn Er war es ja , welcher jenen Mann ans Ruder stellte, und es gehörte überhaupt mit zu den Kennzeichnungen Seines Kriegsgenies, dass von Ihm für jede Kriegsarbeit im richtigen Momente auch stets der richtige Mann gefunden wurde. Traun, der in Schlesien eingerückt, war bis Neustadt gekommen ; General Wallis tiberzog die Grafschaft Glatz.
Fürst Leopold seiner-
seits concentrirte sich , etwa 36,000 Mann stark , bei Neisse, überschritt am 9. Januar 1745 den Neisse - Fluss und vertrieb am 12. Januar die Traun'sche Heeres -Abtheilung von Neustadt. Er operirte langsam , aber energisch ; vor seinem strammen, drohenden Heranmarsche hielten die Oesterreicher nirgends Stand, und man sah hier die Kunst vor der Kraft retiriren.
Traun wurde bis Jägerndorf getrieben und
ging nach Mähren zurück ; das Preuszische Hauptheer stand am 24. Januar 1745 abermals bei Neisse, während der Generallieutenant Markgraf Carl von Brandenburg das Commando in Oberschlesien erhielt ,
und Lehwald
mächtigte.
sich der
Grafschaft Glatz neuerdings be-
Der Preusze war jetzt wieder Herr in Schlesien , und
ein neues Kriegs- und Siegescapitel der Aera Friedrich's konnte begonnen werden. Während dieses Schlesischen Intermezzo's zogen sich im politischen Horizonte schwere Wetter zusammen.
Belle- Isle, welcher in
Berlin den neuen Feldzug besprechen sollte, war auf Hannoverschem Gebiete gefangen und nach England gebracht worden ; Ludwig XV. erkrankte, - und beide Vorfälle hemmten die Verständigung zwischen Preuszen und Frankreich . Auszerdem starb Kaiser Carl VII. am 20. Januar 1745, und dieses Factum veränderte die ganze Situation . Die der Hegemonie Oesterreichs widerstrebenden Deutschen Fürsten , welche bis hierher die Kaiserliche Autorität für sich gehabt hatten, verloren jetzt den Vereinigungspunkt und die allgemein Deutsche Befugniss, - der Krieg gegen Oesterreich bekam fortan ein anderes Aussehen.
Friedrich hatte den Krieg vom Rheine weg und in Sein
eigenes Land gelenkt, Preuszen war jetzt aus einer Hülfsmacht des Kaisers zur selbstständigen Kriegspartei geworden, und konnte auf Das Haus Habs-
Frankreichs Unterstützung kaum mehr rechnen .
burg- Lothringen hob sein Haupt täglich höher, und wenn von ihm für den Groszherzog von Toscana , Maria Theresia's Gemahl , die
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
123
Deutsche Kaiserkrone erstrebt wurde, so war dieselbe andererseits von Frankreich, August III. , Kurfürsten von Sachsen, welcher Preuwelch' eine üble Perspective szen so bitter anfeindete, zugedacht ; dort und hier ! Die Kaiserkrone kam indessen, was auch immer noch besser war, den Habsburgern in sichere Aussicht , denn Sachsen bekam einen Theil des „unfehlbar zurückzugewinnenden Schlesiens " zugesagt, und verpflichtete sich, unter dieser Bedingung, dem Groszherzoge von Toscana seine Stimme zur Kaiserwahl zu geben ; damit Schlesien desto schneller zurückerobert würde, wollte es auch mit 30,000 Mann gegen Preuszen cooperiren. Mit dem endlich eingehenden
Kriegsplane Frankreichs
war
Friedrich durchaus nicht einverstanden , und Seinen Gegenvorschlägen Er musste also um so mehr darauf ging es in Paris nicht besser, bedacht sein, Seiner Erfahrung von 1744 gemäsz , auf jedes fernliegende Ziel verzichtend, Seinen Krieg nur vorsichtig und in engeren Grenzen zu führen. Da von Frankreich fast nichts mehr, von Oesterreich aber, in anderem Sinne, Befriedigendes zu erhoffen war, so dachte der König jetzt schon an einen Separatvergleich mit letzterem, und bemühte Sich um die bezügliche Mediation Englands, wo ein wiederum
neues Ministerium Seinen Auffassungen und Wünschen
zugänglich schien. Aber König Georg wünschte die Fortsetzung des Krieges ; das neue Ministerium Englands konnte , trotz deutlicher Sympathie für Friedrich, sich noch keiner Friedensvermittelung unterziehen, und da auch der junge Kurfürst von Bayern sich am 22. April 1745 zu Füssen mit Oesterreich verglich, so sprang es deutlich ins Auge, dass Preuszen für jetzt, und ohne ferneren Erfolg, noch keinen annehmbaren Friedensschluss erreichen würde. Es war auf sich selbst gestellt, und ihm blieb nur die eine Hülfe äuszerster Kraftanstrengung, mit welcher es das Kriegsglück wieder an seine Fahnen fesseln möchte . Bei solcher Bewandtniss bereitete Friedrich den neuen Feldzug, welcher Ihm bevorstand , mit gröszter Sorgfalt vor.
In Schlesien
wurden grosze Magazine angelegt, man completirte die Truppen und ergänzte seinen Pferdebestand ; der Staatsschatz gab für alle benöthigten Ausgaben 6 Millionen Thaler her, und von den Landständen wurden noch 12 Millionen zugeschossen. Man unterliesz Nichts , um ganz kriegsfertig zu sein, und die Verluste von 1744 wieder einzubringen.
Der König traf schon am 26. März 1745 in
Neisse und bei Seinem Hauptheere , dessen Oberbefehl Er wieder Selbst übernahm , ein ; Leopold wurde in Schlesien abkömmlich und
124
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
erhielt den Auftrag, in der Gegend von Magdeburg ein gegen Hannover bereites Beobachtungscorps zu concentriren. Die Monate März und April vergingen in Schlesien mit Recognoscirungen , Streifereien und kleinen Gefechten ; nach diesem Vorspiele zog der König Sein Hauptheer bei Frankenstein zusammen, um hier, in der Mitte des südlichen Schlesiens , eine Aufstellung zu nehmen, in welcher Er den verschiedenen aus Böhmen herüberführenden Gebirgsstraszen nahe genug sein, und die es ihm ermöglichen möchte, den Prinzen von Lothringen, gleichviel aus welcher der ersteren er herausträte, bei seinem Erscheinen in Schlesien sogleich anzugreifen und zu schlagen.
Da sich erkennen liesz , dass
die Oesterreicher Friedrich's Aufmerksamkeit auf Oberschlesien lenken und inzwischen mit ihrem Hauptheere über Landshut vordringen wollten , so traf man hiernach seine Maaszregeln .
Oberschlesien
wurde vom Hauptheere schon im Mai geräumt, die Magazinvorräthe von Troppau und Jägerndorf kamen nach Neisse, der Generalmajor von Winterfeld *) übernahm einen gegen Landshut vorgeschobenen Beobachtungsposten ,
und den Oesterreichern wusste man ,
durch
doppelzüngige Spione, die Vorstellung beizubringen , dass der König, sobald ihr Hauptheer aus den Gebirgspässen herausträte, nach Breslau abziehen wolle, und sie sonach südlich der Oder vorerst keinem Widerstande begegnen würden.
Der König sagte über dieses Stra-
tagem in Seinem „ Unterrichte an die Generale " ** ) : „ Wollt ihr euch mit dem Feinde schlagen , und scheint es , dass er das Engagement zu evitiren geneigt sei , so stellt euch an , als wenn ihr timide wäret , wie wir diese Rolle vor der Bataille bei Hohenfriedberg zu spielen obligirt waren. Ich liesz nämlich die Wege bessern , als ob ich , bei Annäherung des Prinzen von Lothringen , in vier Colonnen nach Breslau marschiren wollte ; er kam aus den Gebirgen in die Ebene , und ward geschlagen ." Inzwischen sollte der Markgraf Carl, welcher gegenwärtig bei Jägerndorf stand , zur Verstärkung des Hauptheeres herangezogen werden ; da sich aber ein Oesterreichisches Truppencorps zwischen ihn und den König geschoben hatte, so war das überaus schwierig. Gleichwohl musste
es geschehen , wenn nicht der
*) Er wurde hier Generalmajor. **) Capitel XI. Von den Stratagems und Kriegslisten.
Markgraf ab-
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
125
geschnitten , und dieser Ausfall von 12,000 Mann für die Armee Friedrich's höchst nachtheilig werden sollte. Was sollte geschehen ? Das Hauptheer durfte, im Hinblicke auf den Landshuter Pass, seine Position durchaus nicht verlassen ; mit einem Detachement gegen Jägerndorf vorzugehen, erschien zu geräuschvoll und unsicher ; es blieb, als Mittel zum Zwecke, nur eine Kriegslist übrig, und der König übertrug deren Wahl und Ausführung Seinem Meister des kleinen Krieges und der Husarenstreiche , Seinem Factor für das Besondere und Schwierige, dem Generalmajor von Zieten. Dieser soll sich mit seinem alleinigen Husaren-Regimente durchschleichen oder durchschlagen, wie es kommt ; dem Talente des Husarenvaters bleibt Alles anheimgestellt, aber der Befehl zum Heranmarsche muss dem Markgrafen um jeden Preis überbracht werden. Der bekannte und berühmte „ Zietenritt " , welcher, in Folge dessen, stattfand , gehört an sich nur zu den kriegerischen Meisteraber der König hatte doch dieses Mittel stücken dieses Generals ; und diesen Mann dazu gewählt, und hiermit einen strategischen Hauptzug gethan. Der Markgraf wurde erreicht und concentrirte sich sogleich ; er bestand, unter Zieten's Mitwirkung, am 22. Mai ein siegreiches Gefecht bei Neustadt, und vereinte sich demnächst mit dem Könige, der jetzt 60,000 Mann stark, und hiermit erst ganz operationsfähig wurde. Prinz Carl von Lothringen war inzwischen durch jenen Doppelspion, welcher selbst getäuscht worden, zu falschen Voraussetzungen gelangt.
Er sammelte sein, mit dem Sächsischen Contingente zu-
sammen auf 80,000 Mann berechnetes Heer bei Trautenau, und rückte über Landshut nach Hohenfriedberg ; er kannte die Stärke und Position Friedrich's nicht, aber aus seinem Verhalten ging hervor, dass ihm
dies ziemlich gleichgültig erschien .
Er hielt den König für
eingeschüchtert und widerstandsunfähig, und schien, bei voller Zuversicht in Betreff der Zurückeroberung Schlesiens, nur die einzige Besorgniss zu hegen, dass das kleine Preuszische Heer ihm entgehen möchte . Der König Seinerseits ,
über Alles ,
was geschah , genügend
orientirt, ging von Frankenstein über Reichenbach nach Schweidnitz, passirte diese Festung am 1. Juni und schob sich dann, durch den Nonnenbusch verdeckt, nach Striegau, welches Er in der Nacht vom 3. zum 4. Juni passirte, um Sich dann jenseits, mit nordwestlicher Front, so in Schlachtlinie zu formiren, dass Sein rechter Flügel bei Ober-Streit, das Centrum auf den Striegauer Bergen , und der linke Flügel bei Teichau und am Striegauer Wasser stand. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
126
Das Oesterreichische Heer hatte sich unterdessen, nachdem es aus dem Gebirge herausgetreten, schon am 3. Juni, mit der Front gegen Striegau und Schweidnitz , so aufgestellt ,
dass sein rechter
Flügel bei Hohenfriedberg an das Striegauer Wasser stiesz , das Centrum die Ebene von Hausdorf einnahm, und der durch das Sächsische Contingent gebildete linke Flügel sich bis gegen Fegebeutel hin ausdehnte, wo er dann, als die jenseitige Aufstellung genommen war, von den nördlichsten Preuszischen wurde.
Abtheilungen
überflügelt
Die jetzt ins Werk gegangene Schlacht von Hohenfriedberg steht unter den Actionen Friedrich's in erster Reihe. Er hat sie, als Stratege, durch Kriegslisten und geschickte Bewegungen, als Taktiker schon allein durch jene berühmte "" Reiterinstruction vom 25. Juli 1744 " , in der Dasjenige, was in dieser Schlacht cavalleristisch geschah , fast schon prototypirt ist , vorbereitet ; der Feind wurde, als er am 4. Juni den König in Schlachtordnung fand, aufs Aeuszerste überrascht, und Friedrich wusste, als philosophischer Menschenkenner, dass solche Ueberraschungen für Denjenigen, der sie bewerkstelligt, schon halbe Siege sind. An den so geschaffenen knüpft sich folgerecht der taktische und materielle Ueberraschungscoup , denn es wird diesseits ein cavalleristisches moralischen ,
Hagelwetter losgelassen, wie es kein Oesterreicher ahnen konnte. Friedrich hat den Vortheil der von Ihm besetzten Striegauer Berge, und denjenigen der Ueberflügelung bei Ober-Streit ; auch denjenigen des ersten Angriffes.
Er sichert Sich
Das Sächsische Corps wird
vom linken Flügel aufgerollt , das, hiermit und durch einen gleichzeitigen Frontalangriff, schon irritirte Oesterreichische Centrum wird von der Preuszischen Reiterei des linken Flügels über den Haufen geworfen, -- alle Stösze wirken, alle Maaszregeln greifen ineinander, und man erringt , gleichsam im Rennen und doch so überaus planmäszig und vorbedacht, einen Sieg, der noch viel glänzender ist, als diejenigen von Mollwitz und Czaslau. Der König rühmte, hinsichtlich dieser Action , die Heldenthat Seines Gessler, und nicht minder den Heroismus Seiner Truppen ; von Sich Selbst , den Er bei jedem geringsten Anlasse sonst reichlich tadelte, schwieg hier, wo es nur Löbliches zu sagen gab, dieser bescheidene Feldherr gänzlich.
Und doch war nur Er der Meister
und Autor, nur von Ihm war die Situation gestaltet, das Heer zu dem, als was es sich zeigte, gemacht worden ; Sein Geist war in Allem und Seine Hand leitete alle Figuren dieses verhängnissvollen Schachspieles.
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
127
Dass die das Schlachtfeld räumende Oesterreichische Armee, nach diesem Siege, nicht eifriger, als geschehen, verfolgt wurde, entsprang zunächst einer sehr weisen Rücksicht auf die sehr angestrengten Kräfte unserer Truppen, und die erschöpfte Kriegsmunition ; die noch intakte Nachhut der Oesterreicher stand überdies günstig auf den Höhen bei Hohenfriedberg, und warum sollte man diesem glorreichen Siege einen Nachakt folgen lassen, dessen abzusehender Erfolg mindestens mit dem Einsatze nicht ganz verhältnissmäszig sein konnte ?! -- Man folgte sonach dem abziehenden Oesterreichischen Heere, über Landshut, Friedland , Nachod gegen Königgrätz hin, nur in gemessenem Tempo ; dort konnte man es, in einer unangreifbaren Position, welche von ihm am Zusammenflusse des Adlers mit der Elbe eingenommen wurde, vorerst nur beobachten . Welches war indessen , nach der Hohenfriedberger Schlacht, die weitere Kriegsspeculation Friedrich's , und mit welchen politischen Bewandtnissen hatte Er zu rechnen ? Die Schlacht von Hohenfriedberg hatte dem Könige Schlesien gerettet, aber der Feind war nicht bezwungen oder entmuthigt ; ihm standen vielmehr reiche Hülfsmittel zu Gebote, und ein einziger Fehlzug unsererseits würde sein vorheriges Uebergewicht wieder hergestellt haben. Man musste vorsichtig sein und sich mit der alleinigen Behauptung Schlesiens begnügen ; eine Böhmische Offensive Friedrich's durfte nur im Sinne einer Zurückscheuchung des Feindes, einer Vereitelung seiner Subsistenz, nahe an der Schlesischen Grenze, stattfinden.
Demgemäsz conservirt man sich im nördlichen Böhmen,
wählt die besten Lagerplätze, pflegt und schont die Truppen nach Möglichkeit, und spiegelt, bei wirklicher Defensivhaltung, aggressive Absichten nur vor, damit der Feind irre geleitet und beunruhigt, und hierdurch theils ermüdet, theils zu Bloszgebungen verleitet, auch ihm in der Dauer seine Ernährung in diesen an Schlesien grenzenden Localen unmöglich gemacht werden möchte. Ein solches Programm wurde hier, während General von Nassau nach Oberschlesien detachirt war, vier Wochen lang durchgeführt, und das dadurch bewirkte demonstrative Sichgegenüberstehen beider Armeen, welches keine eigentlichen Actionen mit sich brachte, kann nur für eine Zwischenpause der gröszeren Kriegsthätigkeit gelten. Die Aufmerksamkeit Friedrich's konnte sich in dieser Zeit wieder ganz besonders der Politik zuwenden . Die Franzosen hatten das Englische Heer bei Fontenay besiegt, aber das nützte dem Könige von Preuszen nichts , und da dessen 9*
128
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie etc.
Interesse von der Französischen Regierung immer mehr vernachlässigt, und die Finanzlage Preuszens zu einer langwierigen Kriegführung nicht angethan war, so neigte Sich Friedrich wiederum zu friedlichen Bestrebungen. Einen Anknüpfungspunkt hierzu gab unser jetzt doch wesentlich gebessertes Verhältniss mit England ; die früheren Unterhandlungen wurden neuerdings aufgenommen , und wenn aus ihnen
ein Vergleich Preuszens mit Hannover,
dessen
Grundlage der Berliner Friede von 1742 bildete, hervorging, so hätte man glauben sollen, dass dieser auch den innerdeutschen Frieden herbeiführen würde, zumal als Friedrich, im Hinblick auf den Ihm von England garantirten Besitz Schlesiens, für die Kaiserwahl des Groszherzogs von Toscana zu stimmen versprach.
Aber ehe der
Hannoversche Vergleich noch ratificirt war, wurde der Groszherzog schon am 15. September ohne Brandenburgs Kurstimme gewählt, und die bezügliche Protestation Frankreichs änderte hieran nicht das Mindeste. Wenn die Uebergehung Seiner Kurstimme bei der Kaiserwahl dem Könige, in Seiner Eigenschaft als erster Reichsstand, überaus verletzend war, so wurden auch die Friedensvorschläge, welche Er indirect und von Weitem in Wien thun liesz, absolut verworfen. Das Selbstgefühl der nunmehrigen Deutschen Kaiserin war durch die Ascension ihres Gemahls zu sehr erhöht , und das Programm ihres Hauses von Friedrich zu sehr durchkreuzt worden ; in ihren und der gegenHänden blieb immerhin die eigentliche Macht , wärtige politische Zusammenhang begünstigte, trotz der Hohenfriedberger Niederlage, Oesterreich zu sehr, als dass Maria Theresia sich schon jetzt hätte zu einer friedlichen Verständigung herbeilassen mögen.
Was Sachsen betrifft, so hatte es sich gegen das ihm über
den Kopf gewachsene Preuszen in eine gewisse Erbitterung hineingelebt ; auszerdem aber konnte seine Speculation auf die ihm von Oesterreich zugesagten Theile Schlesiens nur durch eine Niederlage Friedrich's in Erfüllung gehen, und die Sächsische Politik widerstrebte sonach dem Friedenswerke noch mehr als diejenige Oesterreichs.
Der Einfluss Englands wirkte nicht mehr ; in der Zeit aber, wo dieser noch arbeitete und sich der bezügliche Misserfolg noch nicht erkennen liesz , war vom Könige das Sächsische Gebiet noch immer geschont und gegen das Oesterreichische Heer nichts Ernstliches unternommen worden. Diese Schonung musste, jetzt, wo man klar sah, aufgegeben werden ; sie hätte den aufgeregten Feind doch nicht besänftigt, sondern ihm nur für Schwäche gegolten. Der Sieg mit den Waffen , und nur er allein kann den Frieden herbei-
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde etc.
129
führen ; der Hohenfriedberger Schlag genügt noch nicht, der eiserne Hammer muss , damit der Stein gesprengt werde, noch mehrfach niederfallen . (Schluss folgt .)
X.
Das
Sächsisch -Polnische
Oesterreichischen Solde
Cavalleriecorps
im
von 1756 bis 1763 .
(Fortsetzung.) *) Friedrich II . war am 28. Juni von Lissa, nachdem er das Corps des Herzogs von Bevern durch einen Theil seines Heeres verstärkt hatte, mit 14 Bataillonen und 7 Cürassier-Regimentern aufgebrochen und bezog ein Lager auf dem rechten Elb-Ufer bei Leitmeritz ; auf dem anderen Ufer bei Lobositz befand sich bereits der vom Marschall Keith befehligte Theil der bisherigen Belagerungsarmee von Prag.
Trotz der erlittenen Niederlage wagte der König in dieser
Stellung bis zum 20. Juli auszuharren. bis
zum 27. Juni bei Nimburg ,
Das Bevern'sche Corps blieb
marschirte an diesem Tage bis
Lustienitz und erreichte den 28. Juni über Jung-Bunzlau Tscheditz (Czegtitz) , wo am 1. Juli der Prinz von Preuszen auf Befehl des Königs das Commando vom Herzoge von Bevern übernahm. Nadasdy setzte sich, alle seine Bewegungen nach denen des geschlagenen und in Folge massenhafter Desertionen in der bedrängtesten Lage befindlichen Gegners bemessend, den 27. Juni endlich auch wieder von Böhmisch-Brod in Bewegung , gelangte aber blos bis Celakowitz ; den 28. Juni überschritt er die Elbe bei Brandeis und ging bls Alt-Benatek , den 30. erreichte er Stranow, südlich von Jung - Bunzlau .
3
Meile
Die Hauptarmee rückte ihrer Avant-
garde ebenso bedächtig und vorsichtig nach und stand am 1. Juli , nachdem sie erst an diesem Tage, dem dreizehnten nach dem Koliner Siege, ihren Elb-Uebergang bewerkstelligt hatte, bei Lissa. Der Prinz von Preuszen begann am 2. Juli von Tscheditz über Hirschberg und Neuschloss langsam in die Stellung von BöhmischLeippa zurückzuweichen, in der er am 7. Juni anlangte ; Nadasdy
*) Vergl. Jahrbücher Band XXVIII , Seite 36 (Juli 1878).
130
Das Sächsisch - Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
verlor abermals mehrere Tage in Unthätigkeit ;
erst den 9. Juli
machte er wieder einen herzhaften Marsch bis Gasdorf, von wo er sich am folgenden Tage gegen die Stellung des Königs auf den Höhen von Tirnowan bei Leitmeritz wendete. Friedrich liesz sich durch die Nähe Nadasdy's wenig stören ; erst als er die Nachricht erhielt, dass sein Bruder, der Prinz von Preuszen, sich bei BöhmischLeippa nicht zu halten vermöge, ertheilte er endlich den 20. Juli den Befehl zum Abmarsche des nach rechts der Elbe lagernden Theiles seiner Armee nach dem linken Ufer.
Ungeachtet Nadasdy
mehrere Tage Zeit gehabt hatte, die Preuszen bei Leitmeritz zu beobachten, gelang diesen doch der Uebergang wider Erwarten ohne erhebliche Verluste ; sie hatten sogar noch Zeit, ein Joch der Brücke zu verbrennen, so dass Nadasdy's leichte Cavallerie die stark angeschwollene Elbe schwimmend überschreiten musste, während man drei Bataillone und einige Geschütze in Kähnen übersetzte. Noch immer hätte Nadasdy, ein braver Soldat, aber wenig befähigter Führer, der auf dem linken Elb-Ufer durch die Pässe des Sächsich-Böhmischen Grenzgebirges auf Pirna sich zurückziehenden Preuszischen Hauptarmee viel Schaden und Abbruch zufügen können , wenn er nur einigermaaszen geschickt manövrirt hätte.
Statt aber,
während er mit den übergesetzten leichten Truppen, wie dies auch wirklich geschah, den nur langsam von der Stelle kommenden Gegner lebhaft verfolgte, sein noch auf dem rechten Elb- Ufer verbliebenes Gros den Marsch der Preuszen cotoyiren zu lassen, um dem Könige einen Vorsprung abzugewinnen ,
blieb dieses unbegreiflicherweise
ruhig bei Leitmeritz stehen, verlor dann, als es sich den 23. Juli endlich zu dem Marsche nach Wernstädtl entschloss, hier wieder den folgenden Tag in Unthätigkeit und traf natürlich bei seiner dadurch bis zum 25. Juli verzögerten Ankunft in Tetschen den Feind hier nicht mehr ; denn Friedrich II. hatte mittlerweile, allerdings nicht ohne Verluste, aber doch im Ganzen glücklich, mit seinem Heere Pirna erreicht, wo er dasselbe wieder auf das rechte Elb-Ufer übergehen liesz, um sich dann weiter gegen Bautzen zu wenden. Während die drei Sächsischen Chevauxlegers - Regimenter das Avantgardencorps Nadasdy's
auf seiner Unternehmung gegen die
Preuszische Hauptarmee an der Elbe begleiteten, war das GardeCarabinier-Regiment bei dem Daun'schen Heere geblieben, welches seine Operationen zur Verdrängung des Prinzen von Preuszen aus Böhmen fortsetzte. Wie wir schon gesehen haben, hatte Letzterer, durch die Ge-
von 1756 bis 1763.
131
fangennahme das Generalmajors von Puttkammer in Gabel ( den 15. Juli) in seiner linken Flanke bedroht , die Stellung bei Böhmisch-Leippa aufgeben müssen.
Durch das falsche Gerücht, dass die Oesterreicher
bereits in seinem Rücken ständen, irregeleitet, hatte der Prinz nicht gewagt, die gerade Strasze nach Rumburg einzuschlagen, sondern vielmehr zu seinem Rückzuge den elenden Weg über Kamnitz und Kreibitz gewählt, auf dem er den gröszten Theil seines Trosses mit sämmtlichen Pontons musste .
in den Händen der Verfolger zurücklassen
In weiterer Fortsetzung seines Marsches erreichte der Prinz
von Preuszen über Georgenthal und Seifhennersdorf am 22. Juli die Höhen von Herwigsdorf nordwestlich der Stadt Zittau. Dieser Ort , welcher nur von einer alten Stadtmauer umgeben war, aber reichgefüllte Preuszische Proviantmagazine enthielt, sollte, wenn irgend möglich , gedeckt werden , und der Prinz hatte daher seiner Avantgarde unter dem Generale von Winterfeld den Befehl ertheilt, sich der Höhen von Eckartsberg zu versichern.
Diese jedoch
fanden sich bereits von den Oesterreichern besetzt, welche seit dem 20. Juli allmälig vor Zittau eingetroffen waren und sich hinter der Neisse in der Linie Grottau, Ullersdorf, Friedersdorf, Türchau aufgestellt hatten. Noch in der Nacht gelang es dem General von Schmettau , nachdem er die Oesterreicher durch Capitulationsverhandlungen getäuscht hatte, sieben Bataillone und eine grosze Anzahl Brod- und Mehlwagen aus der Stadt nach dem Preuszischen Bivouak auf den Herwigsdorfer Höhen in Sicherheit zu bringen .
Den 23. Juli früh aber
begannen die Kaiserlichen nicht eben im Interesse Sachsens, ihres Verbündeten, und ohne jede zwingende Kriegsraison die blos noch von einigen hundert Mann besetzte reiche und blühende Stadt zu beschieszen, der durch diese unverantwortliche Rücksichtslosigkeit ein Schade von mehreren Millionen Thalern zugefügt ward.
Mit
dem Commandanten, dem Obersten von Dierke, und dem General von Kleist, der noch Truppen zur Unterstützung herbeigeführt hatte, wurde der gröszte Theil der Besatzung - dabei die ersten Bataillone von Prinz Heinrich und Seers - kriegsgefangen ; fünf Fahnen und mehrere Geschütze fielen in die Hände der Oesterreicher ; dasselbe Resultat aber wäre auch ohne Beschieszung mit einem nicht wesentlich gröszeren Zeitaufwande erreicht worden. Bataillon
des
Ein 570 Mann starkes
Preuszischen Regiments Wietersheim ,
Sächsischen Dienste den Namen Rochow geführt
welches
hatte
und
im am
Lilienstein mit gefangen worden war, gab in Zittau durch den Ruf :
132
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
„ Es lebe der König von Polen ! " den Wunsch zu erkennen , in sein altes Verhältniss zurückzukehren * ). Ueberhaupt war auf dem Rückzuge der Preuszen nach der Schlacht bei Kolin der Verlust durch Desertion sehr bedeutend gewesen.
Während aber sonst der Zuwachs, welcher auf diesem Wege
der siegreichen Partei zugeführt zu werden pflegte, erfahrungsmäszig nur von höchst geringem Werthe war, fand hier eine Ausnahme von dieser Regel statt, da die Mehrzahl der Ueberläufer, geborene Sachsen, nur durch politische Beweggründe zum Fahnenwechsel veranlasst wurde. Hatten doch die drei Chevauxlegers- Regimenter wenige Tage nach der Schlacht ihre während des Feldzuges bisher erlittenen Verluste reichlich wieder ersetzt, während den Oesterreichern allein bei Zittau in zwei Tagen 1023 Deserteure, meist Sachsen, zuliefen . Der Prinz von Preuszen marschirte am 23. Juli von Herwigsdorf ab und langte über Löbau den 27., wohl nicht in der besten Verfassung, bei Bautzen an. Zwei Tage darauf, den 29., traf König Friedrich nach seinem bei Pirna bewerkstelligten Elb- Uebergange ebenfalls bei Bautzen ein und gab dem Bruder, den er sofort seines Commando's enthob , die Unzufriedenheit mit dessen Führung rückhaltslos zu erkennen.
Den 30. Juli liesz der König sein nun glück-
lich wiedervereinigtes Heer in ein Lager bei Weiszenberg rücken . Mittlerweile hatte Nadasdy nach einer zweitägigen Rast bei Tetschen den 28. Juli sein Corps den Rückmarsch über Kamnitz und Rumburg zur Oesterreichischen Hauptarmee an der Neisse antreten lassen, mit der er sich am 14. August bei Herwigsdorf wieder vereinigte. An Stelle des Vertrauens, mit welchem die Sachsen anfänglich dem General Nadasdy entgegengekommen waren, hatte, besonders unter den höheren Offizieren, grosze Unzufriedenheit Platz gegriffen, welche sich in unverhohlenen Klagen Luft machte. Auch gegen die oberste Heeresleitung war man von Misstrauen erfüllt. Von Tetschen aus schrieb General Nostitz unter dem 26. Juli an den Grafen Flemming nach Wien : „ Ce qui se passe à la grande armée denote assez le système maintenant adopté, où pour conserver ses forces peutêtre contre l'ennemi, peutêtre contre l'allié, pour n'en recevoir pas la loi .
On laisse échapper bien des occasions à porter des coups
décisifs . Dieu veuille que nous ne soyons pas nous mêmes les dupes d'une politique trop raffinée. " *) Davon, dass dieses Bataillon den Oesterreichern ein Stadtthor geöffnet habe (vergl. „ Geschichte des siebenjährigen Krieges vom groszen Generalstabe“ , I, S. 288), erwähnen die Sächsischen Berichte nichts.
von 1756 bis 1763.
133
Den 9. August schrieb derselbe aus Rumburg, wo Nadasdy auf seinem Marsche von Tetschen nach Zittau zur Deckung der Hauptarmee gegen Bautzen vierzehn Tage stehen geblieben war : " Wir sind noch immer hier und ist Interessantes weder geschehen noch zu erwarten. Wir lassen nur unsere Vorposten handeln. " Ein anderer Sächsischer Offizier klagt aus dem Lager der Oesterreichischen Hauptarmee, dass die Generale zwar insgesammt brav, aber ohne alle Intelligenz seien, höchstens möchten einige derselben zur Führung leichter Truppen , also zum Parteigängerkriege, noch allenfalls geeignet erscheinen.
Der gröszte Theil aber sei alt und
ohne Gedächtniss ; selbst Daun, wenn auch voll Eifer und Thätigkeit, sei doch erschreckend langsam und brauche Stunden, um nur einen einfachen Entschluss zu fassen. Wir glauben diese Urtheile, in denen sich wahrscheinlich die damalige Stimmung des ganzen Sächsischen Corps spiegelt, unseren Lesern nicht vorenthalten zu dürfen ; auch mag nicht unerwähnt bleiben, dass in der Meinung der Sachsen und zweifellos auch in der weiterer Kreise der General Lascy der Einzige war, welchem höhere militairische Talente beigemessen wurden und auf den man noch mit einem gewissen Vertrauen blickte . Von Weiszenberg näherte sich Friedrich II . am 15. August den noch immer unverrückt an der Neisse stehenden Oesterreichern, indem er an diesem Tage ein Lager bei Bernstadt bezog.
Das am
14. August eingetroffene Corps Nadasdy's hatte bei Herwigsdorf bivouakirt ; am folgenden Tage sollte in der Richtung auf Görlitz vorgegangen werden. Man war von dem Anmarsche der Preuszen auf Bernstadt noch so wenig in Kenntniss, dass man das Gepäck , blos unter der Begleitung der Fourierschützen, der Colonne voraussandte, und dass Nadasdy persönlich sich diesem Trosse anschloss .
Diese
Unvorsichtigkeit wäre dem Generale beinahe theuer zu stehen gekommen, denn die Preuszischen Husaren hoben den Transport auf, Nadasdy rettete sich selbst mit genauer Noth und unter Verlust seiner ganzen eigenen Habe.
Der kaum angetretene Vormarsch des
Kaiserlichen Heeres wurde nun sogleich eingestellt, und der Prinz von Lothringen liesz dasselbe die Stellung Radgendorf- Ober- Seifersdorf beziehen, in welchem die Sächsischen Chevauxlegers- Regimenter ihren Platz auf dem äuszersten rechten Flügel des zweiten Treffens angewiesen erhielten . Der König liesz den 16. August von den gegenüberliegenden Höhen ein lebhaftes Artilleriefeuer auf die Oesterreichischen Linien eröffnen, welches in gleicher Weise erwidert ward das im Thale zwischen beiden Armeen liegende Dorf Wittgensdorf
134 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde war der Gegenstand eines erbitterten Kampfes , indem es aus der Hand der Oesterreicher in die der Preuszen überging , um endlich doch von jenen wiedergenommen zu werden.
Einen ernstlichen An-
griff auf die starke Stellung des Prinzen von Lothringen wagte Friedrich nicht ; der geniale Feldherr hatte bereits seinen Thüringischen Operationsplan im Auge, der ihm jetzt weniger als je erlaubte, sich hier der Chance einer Niederlage auszusetzen.
Da er indessen
doch vor seinem beabsichtigten Abmarsche den Oesterreichern gern einen Schlag versetzt hätte, um dieselben vor einer Unternehmung gegen das unvertheidigte Schlesien zurück zuschrecken, so machte er noch einen Versuch, den Prinzen, seinen Gegner, zur Aufgabe seiner vortheilhaften Stellung zwischen Radgendorf und Ober- Seifersdorf zu veranlassen.
Während daher am 17. August der Geschützkampf des
vorangegangenen Tages mit gleicher Heftigkeit fortgesetzt wurde , liesz der König den General Winterfeld mit 17 Bataillonen und 50 Escadrons bei Hirschfelde die Neisse überschreiten , um auf dem rechten Ufer derselben die Oesterreichische rechte Flanke zu bedrohen.
Aber der Prinz Carl begnügte sich , dieser Umgehung blos
das auf 20,000 Mann verstärkte Nadasdy'sche Corps entgegenzustellen, welches gleichfalls auf das rechte Neisse-Ufer übergeben und das Gelände zwischen dem Flusse und Reichenau besetzen musste. Hier kam es zwischen Winterfeld und Nadasdy am 18. August zu einem Geschützkampfe , welcher ebenso wenig einen Erfolg herbeiführte, wie die Kanonade bei Wittgensdorf. In unmittelbarer Nähe und scharfer Spannung blieben sich beide Heere hier bis zum 20. August gegenüber stehen, wo Friedrich II. doch endlich die Offensive wieder aufgab und den Rückmarsch nach Bernstadt ausführte . Winterfeld zog sich auf dem rechten NeisseUfer hinter die Wittiche bei Radmeritz zurück , Nadasdy aber ging sofort wieder auf das linke Ufer und stand am 23. August dem Preuszischen Lager beobachtend gegenüber zwischen und Ober-Hennersdorf.
Dittersbach
Den 24. August trat endlich König Friedrich seinen Siegesmarsch nach Thüringen an und begann damit jene glänzenden Operationen, welche allein ihm einen Platz unter den ersten Feldherren sichern würden.
Die Deckung Schlesiens und der Lausitz vertraute
er dem Herzoge von Bevern an, den er zu diesem Zwecke mit 40 Bataillonen und 70 Schwadronen zurückliesz .
Der Herzog stellte
sich mit dem Haupttheile seiner Streitkräfte südlich von Görlitz auf dem linken Neisse-Ufer auf; das Winterfeld'sche Detachement wurde auf dem rechten nach Ober- Moys herangezogen .
Oesterreichischer
von 1756 bis 1763 . 135 Seits gewann man in Folge der Entfernung des Königs neue Zuversicht und fasste den Beschluss , die Trennung des Bevern'scher Heeres durch das bei Görlitz tief eingeschnittene Thal der Neisse zu einem überraschenden Angriffe auf die schwächere Hälfte bei Ober- Moys zu benutzen . Leider entsprach die zögernde Ausführung nicht diesem löblichen Entschlusse . Nadasdy mit 5 Bataillonen , 36 Grenadier - Compagnien , 5 Dragoner- und 5 Husaren - Regimentern , 2500 Kroaten und den 3 Sächsischen Chevauxlegers - Regimentern hatte verhältnissmäszig schnell das Neisse - Ufer wieder gewechselt und stand mit diesem beträchtlichen Corps am 26. August bei Seidenberg . Um so längerer Zeit bedurfte es , bis die übrigen zu dieser Unternehmung bestimmten Streitkräfte des Herzogs von Aremberg unter diesen auch das Sächsische Garde - Carabinier - Regiment -herangezogen waren, so dass erst den 7. September früh 7 Uhr der Angriff auf Ober - Moys beginnen konnte . Obgleich von Ueberraschung des Feindes nun nicht mehr die Rede war , gelang es doch gegen Mittag , die Preuszen nach heldenmüthigem Widerstande aus dem Dorfe zu vertreiben ; sechs Kanonen , sieben Fahnen und ein groszer Theil ihres Gepäckes fielen dabei in die Hände der Sieger. Winterfeld selbst , einer der begabtesten Generale Friedrich's , ward im Kampfe durch eine Flintenkugel getödtet .
Das nachtheilige Gefecht seines linken Flügels bestimmte den Herzog von Bevern , mit dem Haupttheile seines Heeres ungesäumt das rechte Neisse - Ufer zu gewinnen und über Naumburg am Queisz und Liegnitz sich auf Breslau zurückzuziehen . Nadasdy übernahm wieder die Führung der Avantgarde der Kaiserlichen Hauptarmee ; mit den Sächsischen Chevauxlegers - Regimentern an der Spitze , folgte er dem Heere des Herzogs fast auf dem Fusze . Es wird dem Leser, welcher unserer Erzählung bisher mit einiger Aufmerksamkeit gefolgt ist , nicht wenig aufgefallen sein , dass , während der Gang der Darstellung sich zumeist an die dem Nadasdy'schen Avantgardencorps zugetheilten drei Chevauxlegers - Regimenter anknüpft und dem, den schwerfälligen Bewegungen des Oesterreichischen Gros folgenden Garde- Carabiniers - Regimente eine doch wenigstens nebensächliche Beachtung schenkt , der mit zur Ordre de bataille des Sächsischen Cavalleriecorps gehörigen beiden Ulanenpulks seit dem Abmarsche aus Krakau auch mit keinem Worte erwähnt wird. Der Verfasser sieht sich jedoch , da sich alle Berichte des Jahres 1757 über die Ulanenpulks in völliges Schweigen hüllen , ausschlieszlich darauf beschränkt , über die Verwendung dieser Truppe Ver-
136
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
muthungen aufzustellen . Wahrscheinlich ist dieselbe den beim Corps Nadasdy's befindlichen Kroaten zugetheilt gewesen, mit welchen sie allerdings ihrer ganzen Natur gemäsz mehr innere Verwandtschaft besasz, als mit der Deutschen Cavallerie und selbst mit den Husaren. Aber auch angenommen, dass dies der Fall war, so macht diese Verwendung der Ulanen noch keineswegs das hartnäckige Schweigen, das von officiellen, wie vertraulichen Berichten über dieselben beobachtet wird, begreiflich, und es muss immerhin sowohl bei dem General Nostitz, als auch andererseits in den Kreisen des Warschauer Hofes nur ein sehr geringfügiges Interesse für diese treffliche Nationalreiterei vorausgesetzt werden. Dass zwischen dem Offizierscorps derselben und dem Sächsischen nur geringe Sympathien bestehen konnten, erklärt sich schon aus der Verschiedenheit der Abstammung , der Sprache und der Bildung ; die Polnischen Elemente wurden nächstdem in Folge der langen , mit äuszerster Erbitterung geführten Kämpfe zwischen Polen und Sachsen von den letzteren mit einem sehr natürlichen Vorurtheile betrachtet. Wenn aber bis jetzt wenigstens Grund zu der Vermuthung vorliegt, dass das Sächsische Cavalleriecorps zum Mindesten noch innerhalb des weiten Rahmens einer und derselben Heeres-Abtheilung vereinigt erhalten wurde, so tritt jetzt für einen längeren Zeitabschnitt die Lösung auch dieses lockeren Bandes ein. Die Chevauxlegers - Regimenter haben wir an der Spitze des Nadasdy'schen
Avantgardencorps
dem Marsche des
Herzogs von
Bevern gegen Breslau folgen sehen ; hier beinahe angelangt, hatte Nadasdy den Befehl erhalten , mit seinem Corps nach Schweidnitz abzurücken und die Belagerung dieser Festung zu übernehmen. gegen war die
Da-
Carabiniersgarde mit sechs Oesterreichischen Ca-
vallerie- und ebensoviel Infanterie- Regimentern unter dem General von Marschall in Sachsen zurückgeblieben, um das Land möglichst zu beschützen.
Da aber Dresden und der ganze westliche Theil
des Kurstaates nach wie vor von den Preuszen besetzt blieb, so war der Schutz, den Marschall, ein geborener Sachse, der von den Lasten des Krieges so schwer bedrückten Bevölkerung von seiner Stellung bei Bautzen aus gewähren konnte, ein sehr unzureichender und erstreckte sich kaum über das rechte Elb-Ufer hinaus . Indessen glaubten die Oesterreicher doch einmal den Umstand, dass sich Preuszische Streifcorps rechts der Elbe nicht mehr sehen lieszen, zu einem etwas weiter ausgreifenden Unternehmen in kühnerem Stile benutzen zu müssen. Man übertrug dasselbe dem General Haddik, welcher mit seinem fliegenden Corps , meist Kroaten , unter denen
von 1756 bis 1763.
137
man wahrscheinlich auch die Polnischen Ulanen zu suchen hat, über Stolpen gegen Dresden herangezogen war, und dieser traf mit Marschall's Unterstützung, der ihm noch 1200 Mann Infanterie und 800 Pferde zutheilte , bei welchen sich auch ein Detachement von 96 Sächsischen Carabiniers befand, mit groszer Beschleunigung und Verschwiegenheit seine Vorbereitungen zu dem bekannten Zuge nach Berlin . Von Elsterwerda aus setzte sich den 11. October Haddik mit 3400 Mann und 4 Geschützen in Marsch und langte den 16. vor der überraschten Preuszischen Hauptstadt an. Besonders wenn man das Unternehmen Haddik's, welches Berlin wirklich auf einige Stunden in die Gewalt der Oesterreicher brachte , mit den handwerksmäszig-methodischen, schläfrigen Operationen der Kaiserlichen Hauptarmee vergleicht, vermag man demselben die verdiente Anerkennung nicht zu versagen ; erst die jüngere Vergangenheit hat dem kühnen Streifzuge wieder Aehnliches stellen.
zur Seite zu
Die Verluste des Haddik'schen Corps, bei dem der General
Babucsay getödtet und allein vier Generale und Obersten verwundet worden waren, beweisen, dass das Unternehmen nicht blos mit List und Verschlagenheit, sondern auch mit Tapferkeit ausgeführt ward . Abgesehen von der nach heutigen Begriffen fast lächerlich bescheidenen Contribution von 200,000 Thalern, welche Haddik der feindlichen Hauptstadt auferlegte, fielen 6 Fahnen, 4 Geschütze und 460 Gefangene in die Hände der Kaiserlichen ; unter den Gefangenen befand sich ein Major von Langen, welcher am Liliensteine vom Sächsischen Regimente Königin in Preuszische Dienste getreten war. Das Carabinier - Detachement hatte einen Mann und drei Pferde verloren . Nicht minder bewunderungswürdig, wie der Anmarsch, war der durch den Prinzen Moritz von Dessau von Torgau her bedrohte Rückzug Haddik's ,
welchen er noch in der Nacht des 16. Octobers.
antrat und sogleich mit einem Marsche von sechs Meilen eröffnete . Dem Sächsischen Hofe in Warschau konnte aus leichtbegreiflichen Gründen an Haddik's verwegenen Unternehmen nur wenig gelegen sein ; es war einleuchtend, dass die in Preuszischen Händen befindlichen zwei Dritttheile der Sächsischen Lande für die mit einem solchen Streifzuge unvermeidlich verbundenen Ausschreitungen von Kroaten , Panduren , Tataren und andere Freischaaren ähnlicher Gattung schwer würden büszen müssen, und die Folge lehrte, dass man sich in dieser Beziehung keineswegs getäuscht hatte. Auch sonst war man mit dem Schutze, welchen Oesterreich den Sächsischen Erblanden angedeihen liesz , in Warschau wenig zufrieden ,
138
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
wie unter Anderem die den 8. October ergangene Vorstellung an das Wiener Cabinet beweist,
dass endlich seitens der sogenannten
Kaiserl . Königl. Hülfscorps etwas geschehe, da dieselben bis jetzt das Land mehr ruinirten, als der Feind ; bliebe alle Aufforderung fruchtlos und würde nicht bald die oft versprochene werkthätige Hülfe geleistet , so würde sich der Königliche Hof genöthigt sehen, andere nothgedrungene Mésures zu nehmen, um sich nicht länger leeren Vertröstungen auszusetzen und so den gänzlichen Ruin abzuwenden ". Gewiss mochten Brühl's Beschwerden ihre volle Berechtigung haben, aber der Ton , den er hier anschlug, kann als ein der Lage der Verhältnisse entsprechender nicht bezeichnet werden, und die Drohung am Schlusse hätte sich eine Wirkung allenfalls nur dann versprechen können , wenn Sachsen noch im Besitze eines schlagfertigen Heeres gewesen wäre. Marschall's Aufgabe der Deckung Sachsens gelangte übrigens sehr bald völlig zur Erledigung ,
als der siegreiche Friedrich nach
der Schlacht bei Rossbach im November zur Befreiung Schlesiens herbeieilte, worauf die Oesterreicher am 2. December über Zittau ihren Rückzug nach Böhmen antraten.
Hier bezog das Corps Mar-
schall's nördlich von Prag Winterquartiere, das Garde - CarabinierRegiment bei Welwarn, Generalmajor von Zezschwitz in Swolinowes. Anfangs Januar wurden die Quartiere noch etwas weiter nördlich hinter die Eger verlegt ; das Garde-Carabinier- Regiment blieb , den ganzen Winter hindurch von den Chevauxlegers getrennt , mit den beiden Ulanenpulks im Verbande des Marschall'schen Corps . Nadasdy war mittlerweile, wie wir gesehen haben, am 13. October vor Schweidnitz angelangt. Dieser Ort, dessen Befestigung nach ganz alter Manier nur aus kleinen thurmartigen, durch lange Courtinen verbundenen Bollwerken bestand, war von Friedrich durch vorgelegte Schanzen verstärkt worden, um eine förmliche Belagerung aushalten zu können.
Da es sich hier nicht um eine Beschreibung
derselben handelt, sei blos erwähnt, dass die Sächsischen Chevauxlegers anfangs zur Einschlieszung und Beobachtung der Festung, später aber nach Eröffnung der Laufgräben zur Deckung des Belagerungscorps in den Flanken und im Rücken verwendet wurden. Nachdem in der Nacht vom 11. November zwei Schanzen durch Sturm genommen worden waren, capitulirte am folgenden Tage die Festung. Als die 6000 Mann starke kriegsgefangene Besatzung nach der Uebergabe vor dem General Nadasdy vorbeimarschirte, erkannte das unter derselben befindliche, aus Sächsischer Mannschaft bestehende
von 1756 bis 1763.
139
Bataillon Jung- Bevern die zu Pferde neben dem Oesterreichischen General haltenden Sächsischen Prinzen Xaver und Carl wieder. fort schlugen die Tamboure den Sächsischen Marsch ein,
So-
und der
endlose Jubelruf: „Es lebe der König in Polen ! " huldigte von Neuem dem angestammten Landes- und Kriegsherrn. Während der Belagerung von Schweidnitz waren sich der Prinz von Lothringen und der Herzog von Bevern in ihren Lagern bei Breslau ruhig gegenüber stehen geblieben. Als Nadasdy am 17. November wieder hier eintraf, erhielt er seinen Platz auf dem rechten Oesterreichischen Flügel
zwischen
Opperau
und Bettlern ;
durch
vier Regimenter Infanterie verstärkt , musste er am 21. November das vor seiner Front gelegene Dorf Hartlieb dem Feinde entreiszen und besetzen lassen . Am 22. November, dem Tage der Schlacht bei Breslau, wurde das Nadasdy'sche Corps früh zwischen Oltaschin und Krietern aufgestellt, die drei Chevauxlegers- Regimenter bildeten den linken Flügel desselben.
Fast während des ganzen Verlaufes der Schlacht führte
Nadasdy mit dem ihm gegenüber stehenden Preuszischen linken Flügel Zieten's ein beinahe selbstständiges Gefecht, in dem der Gegner, ungeachtet er über eine geringere Zahl verfügte, seine grosze taktische Ueberlegenheit zu zeigen Gelegenheit fand.
Die anfänglichen Ver-
suche Nadasdy's, die linke Flanke Zieten's durch seine Kroaten zu umgehen, wurden vereitelt und letztere in die Flucht geschlagen. Nun richtete Nadasdy seinen Angriff auf das gerade vor seiner Front liegende Dorf Kleinburg , stiesz aber auch hier auf den heftigsten Widerstand. Denn wenn es auch den Oesterreichischen Grenadieren gelang, nach heiszem Kampfe das Preuszische Freiwilligen-Bataillon Angenelli ein Stück hinter das Dorf zurückzutreiben, mussten sie Kleinburg , als drei feindliche Bataillone zur Unterstützung herbeieilten, doch wieder aufgeben, und die erneuten Angriffe auf dasselbe blieben fruchtlos.
Bei dem letzten Vorgehen wurden die Oester-
reichischen Bataillone sogar von Preuszischer Reiterei in der linken Flanke attakirt und theilweise auseinander gesprengt , so dass vier Grenadier- Compagnien gefangen genommen wurden und vier Geschütze verloren gingen.
In Folge dieses Unfalles verzichtete Na-
dasdy auf alle weiteren Unternehmungen und stand, als im Centrum und auf dem linken Flügel die Schlacht sich zum Vortheile der Oesterreicher entschieden hatte, seinem Gegner unthätig in der anfänglichen Stellung gegenüber. Die drei Chevauxlegers -Regimenter waren noch in den zeitigen Nachmittagsstunden vom linken Flügel Nadasdy's hinweg zum Reserve-
140
Das Sächsisch -Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
corps
des
Feldmarschall - Lieutenants
Wied
Preuszische Cürassiere verwendet worden.
gezogen
und gegen
Detailangaben und Ver-
lustlisten fehlen gänzlich , doch erwähnt eine kurze Bemerkung des Obersten Benkendorf und seines Regiments wieder mit Auszeichnung. Die geschlagene Preuszische Armee zog sich bekanntlich in der
Nacht durch Breslau und blieb den 23. November jenseits der Stadt stehen ; ihr Führer, der Herzog von Bevern, wurde am 24. November beim Recognosciren von den Oesterreichischen Vorposten gefangen genommen. Die Uebergabe von Breslau, dessen Garnison freier Abzug zugestanden wurde, folgte der Schlacht auf dem Fusze. Grosze Schwierigkeiten stellen sich einer nur einigermaaszen befriedigenden Darstellung der Geschicke der Chevauxlegers - Regimenter in der Schlacht bei Leuthen in den Weg, da dem Verfasser Zeitberichte gar nicht und spätere Aufzeichnungen von Augenzeugen nur in sehr beschränktem Umfange zur Verftigung stehen.
Officielle
Sächsische Berichte fehlen gänzlich, was theils in der tödtlichen Verwundung des Generals Grafen Nostitz , theils in der der Schlacht folgenden angestrengten Thätigkeit der Regimenter seine Erklärung findet. Hierzu tritt noch der weitere Uebelstand, dass für die Sachsen das Gefecht mit einer Niederlage begann , welche allem Anscheine nach im Wesentlichen durch die fehlerhaften Maaszregeln ihres kurz darauf gefallenen Commandeurs verschuldet war.
Da diesem jedoch
durch den Tod seine Vertheidigung abgeschnitten wurde, so sind die nachträglichen Erzählungen mit um so gröszerer Vorsicht aufzunehmen , als nur zu häufig dem Verstorbenen ein Theil der Schuld Anderer mit ins Grab gelegt wird. Auf die Nachricht von der Annäherung der Armee Friedrich's gegen Breslau war General Nostitz mit seinen Regimentern - nach der Aussage eines Offiziers auf dessen besonderes Erbieten vom Prinzen von Lothringen gegen Neumark vorgeschickt worden.
Hier
fanden schon am Tage vor der Schlacht, am 4. December, lebhafte Auseinandersetzungen zwischen Nostitz und Benkendorf statt , in Folge deren sich der Erstere in gereizter Stimmung befand .
In der
Nacht vom 4. zum 5. December bivouakirte die an der Spitze der Preuszischen Armee marschirende Cavallerie vorwärts Neumark quer über die Breslauer Strasze der Sächsischen in unmittelbarer Nähe gegenüber ; die letztere stand in einer Linie hinter einem flachen Höhenrücken, den rechten Flügel in der Richtung auf Kattlau an ein Gebüsch gelehnt, das Dorf Borne hinter sich. Den 5. December waren hier beide Theile noch vor Tagesanbruch gefechtsbereit ; die Preuszische Cavallerie setzte sich in Bewegung und demonstrirte
von 1756 bis 1763.
gegen beide Flügel der Chevauxlegers.
141
Der Oesterreichische General
Luczinsky, der mit zwei Husaren- Regimentern in der Nähe stand, zog sich hierauf ab ; Nostitz dagegen blieb, obgleich er vom Prinzen von Lothringen benachrichtigt wurde, dass die Hauptarmee in Stellung gerückt sei ; er wollte durchaus an keine Gefahr glauben und setzte die drei Regimenter, welche in der letzten Zeit stark gelitten hatten und in ihrem Bestande heruntergekommen waren, in zwei Treffen. Benkendorf befehligte nach seiner eigenen Angabe den rechten Flügel der zweiten Linie . Der Generalmajor von Gösznitz machte den Grafen Nostitz warnend darauf aufmerksam, dass sich der Feind immer mehr und mehr gegen Kattlau in die rechte Flanke ziehe ; Letzterer glaubte sich hier durch das Gebüsch hinreichend gedeckt. Als aber das erste Treffen mit Uebermacht angegriffen und auf das hintere geworfen wurde, gerieth dieses, dessen Zwischenräume zu eng waren, mit ins Schwanken ; der unmittelbar darauf folgende Stosz des Feindes warf es vollends über den Haufen. Die Verwirrung wurde jetzt um so gröszer, als die Preuszen mittlerweile schon den Rücken der Sachsen gewonnen hatten und von allen Seiten auf diese einhieben. Der Verlust war sehr beträchtlich ; das Regiment Prinz Carl scheint fast die Hälfte seines Bestandes eingebüszt zu haben. Der Rückzug ging nach der bereits in Schlachtordnung aufgestellten Kaiserlichen Armee, vor deren Front die Prinzen Xaver und Carl ihren geschlagenen Regimentern entgegeneilten.
Nostitz schob die
Schuld auf das erste Treffen, Benkendorf auf das zu lange Verharren in der ausgesetzten Stellung ; der Prinz Xaver mag dem Ersteren harte Vorwürfe nicht erspart haben.
Die drei Regimenter wurden
nach dem linken Oesterreichischen Flügel gewiesen,
wo zwischen
Sagschütz und Grosz - Gohlau die Regimenter Albrecht und Brühl neben einander in die Linie des Nadasdy'schen Corps zu stehen kamen, während Carl eine Flanke nach links bildete. Vor der Front der Sachsen lag eine Anhöhe mit Bäumen, welche von Württembergischen und Bayerischen Truppen besetzt war, etwas weiter nach links ein kleiner Wald. die ganze Alsbald nach dieser Aufstellung der Regimenter Schlacht dauerte nur von 1 bis 5 ' Uhr Nachmittags wurden die
auf der Anhöhe stehenden Württemberger, sehr junge, des Feuers wenig gewöhnte Truppen, angegriffen ; sie verlieszen nach kurzem Widerstande den Posten. Da sie auf ihrem Rückzuge heftig mit Kartätschen beschossen wurden, so war an ein Sammeln derselben nicht zu denken.
Jetzt zeigte sich auch die Preuszische schwere
Cavallerie und ging unverzüglich zum Angriffe über. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
Wir glauben 10
142
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
diesen Moment nicht besser,
als mit Benkendorf's Worten schildern
zu können, wenn dieser in seinen nachgelassenen Aufzeichnungen auch blos seines Regiments Erwähnung thut. Er hatte von Nostitz Befehl , Alles anzugreifen , was um den Wald herum sich nähern werde ; bald darauf rückte hier das Regiment Gendarmes an. „ Ich setzte mein Regiment , "
erzählt Benkendorf, „ in kurzen
Galopp, und als ich der ersten Escadron der Gendarmen gleichkam, welche mit zwei Gliedern vom linken Flügel abmarschirt war, machte sie Front.
Ich traf auf den Offizier vom ersten Zuge, nach dem ich
einigemal haute, der aber die Hiebe mit dem Degen parirte ; ich verliesz ihn und griff das Glied hinter ihm an, fand aber die feindlichen Pferde so sehr ermüdet und an einander gelehnt, dass sie nicht fühlten, wenn sie gehauen wurden, und mich verhinderten durchzukommen.
So
suchte ich nun den Flügel , drang zwischen beide
Glieder, brachte die ersten 10 oder 12 Mann des vordersten Gliedes zum Weichen , fand meinen Offizier wieder und zwang ihn durch einen Hieb in den Arm zur Flucht. Das zweite Glied war unbeweglich auf der Stelle geblieben ; ich hoffte, die mir nachkommenden Leute würden auch mit ihnen fertig werden ; als ich mich aber umsah , hatte ich nicht mehr als zwei Lieutenants und einen Wachtmeister hinter mir ; ich entschloss mich daher schnell, suchte bei dem zweiten Gliede vorbeizukommen, das mich auch nicht zu verhindern suchte, und sprengte gegen das nicht weit davon stehende Kaiserliche Dragoner- Regiment Sachsen- Gotha, wo mir der daselbst commandirende Oberst Pompiatti diese Auskunft gab : als ich angeritten sei , wären die folgenden feindlichen Escadrons losgebrochen und hätten meine Leute von mir abgeschnitten.
Unsere beiden anderen
Regimenter waren auch in das Gedränge gekommen, und ich sah nun auf dem Platze Freund und Feind wie einen Bienenschwarm unter einander herumreiten.
Einige Leute des Regiments fanden
sich zu mir ; da ein Tambour dabei war, liesz ich Appell schlagen, passirte links vor mir einen Graben mit Wasser und wollte dort das Rendezvous zum Ralliement machen.
Es glückte mir auch insoweit,
dass sich einige hundert Mann daselbst bei mir einfanden ; da indessen unsere beiden anderen Regimenter über eine Brücke dieses Grabens gegen Lissa zu kommen suchten , während ich mich beschäftigte, das Regiment zusammenzubringen, zeigten sich ein paar Trupps feindliche Cavallerie jenseits des Grabens ; der Major Kayserlingk liesz ein Dutzend Leute absitzen und auf sie feuern, worüber bald eine Stunde hinging ; endlich verloren sich diese Trupps , ich hatte immer mehr Leute zusammengebracht und suchte nun mit
von 1756 bis 1763. 143 ihnen unseren rechten Flügel auf , wo ich hoffte , dass die Sachen besser stehen würden. Unterwegs rief mir der Feldmarschall - Lieutenant Wöllwarth einen Befehl vom Feldmarschall Daun zu, ich sollte
unverzüglich nach der Brücke bei Neukirchen marschiren, ehe die feindlichen Husaren sie gewinnen könnten . Ich stellte dagegen die schlechten Umstände des Regiments vor , welches diesen Tag schon zweimal mit dem Feinde handgemein gewesen sei und schon einige Tage weder Brod noch Futter gehabt hätte ; es half aber nichts ; ungeachtet zwei Cavallerie- Regimenter , die nichts gethan hatten, in der Nähe standen ; er beharrte darauf, und ich marschirte. " Die Deckung dieser Brücke war nicht die schwierigste Aufgabe, welche auf dem Rückzuge der Oesterreichischen Armee gegen Breslau dem Obersten Benkendorf zufiel . Denn bei dem Angriffe auf die Preuszische schwere Cavallerie bei Sagschütz war der Generalmajor Graf Nostitz schwer verwundet und gefangen worden ; in der heftigen Erregung, in welcher sich der nicht immer umsichtige und besonnene , aber stets tapfere und von fast zu lebhaftem Ehrgefühle beseelte Mann nach den Ereignissen des Morgens befand, hatte er den Tod wohl gesucht , der ihn erst am 7. Januar 1759 in Breslau Der gegenwärtige nächstälteste von schweren Leiden befreite. Generalmajor von Monro, bejahrt und von den Anstrengungen physisch und moralisch niedergedrückt, konnte das Commando blos dem Namen nach antreten ; der Generalmajor von Gösznitz erkrankte , und die ganze Last der Verantwortung fiel auf Benkendorf, der sich in Bemühungen erschöpfte, die während der Schlacht und auf dem Rückzuge versprengten Leute wieder zu sammeln und mit den drei Regimentern den Anforderungen des Arrièregardendienstes zu entsprechen . Die Verluste derselben bei Leuthen waren sehr bedeutend und vertheilen sich wie folgt : 1 Standarte,
Regiment Prinz Carl ... 205 Mann, 206 Pferde , "
Albrecht . 121
114 " " " Brühl . . • 92 103 17 1 Waren für Oesterreich schon die materiellen Verluste17 in der Schlacht bei Leuthen nach Tempelhoff 6500 Todte und Verwundete und 21,500 Gefangene - sehr empfindlich, so knüpfte sich
"
an dieselbe auch noch die schmerzliche Folge , dass ganz Schlesien geräumt und den Preuszen wieder überlassen werden musste . Von der Kaiserlichen Armee, welche einige siebenzigtausend Mann stark siegreich in Schlesien
eingerückt war,
kehrten
nur
9000 Mann
10 *
144
Das Sächsisch - Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
regulairer Infanterie und 28,000 Pferde (einschlieszlich der Kroaten u. s. w.) wieder über Schweidnitz nach Böhmen zurück.
III. Die Winterquartiere wurden den Chevauxlegers-Regimentern in Mähren angewiesen. Der Generalmajor von Monro, welcher bis zum Eintreffen des am 24. Januar 1758 zum Commandeur des Sächsischen Cavalleriecorps ernannten Generalmajors von Zezschwitz die Führung behielt, hatte sein Stabsquartier in Sternberg, wo sich zugleich der Stab des Regiments Albrecht befand ; der von Prinz Carl lag in Littau, der von Brühl in Leipnik.
Oberst Benkendorf war alsbald
nach dem Eintreffen Mitte Januar nach Wien geschickt worden, um hier als Persona grata unter Beistand des Generalstabssecretairs Tischer, eines sehr gewandten Büreaumannes , die rückständigen Zahlungen für die Regimenter, vielleicht auch den Ersatz für die bei Leuthen erlittenen Verluste zu vermitteln . Ueber diese Niederlage fand Benkendorf Wien noch in der tiefsten Bestürzung ; seinem zuversichtlichen und doch bescheidenen Wesen gelang es, bis in die höchsten Kreise hinauf manches verzagte Gemüth wieder mit neuem Vertrauen in die Zukunft Oesterreichs zu erfüllen . Er erwarb sich dadurch schnell zahlreiche Freunde am Hofe der Kaiserin, und wiederholt machte man ihm vergebliche Anträge, in Oesterreichische Dienste überzutreten und hier ein Chevauxlegers - Regiment nach dem Muster eines Sächsischen zu errichten.
Auf um so gröszere Schwierigkeiten stiesz er dagegen mit
seinen Geldgeschäften, mit deren Erledigung er von einem Tage zum anderen vertröstet wurde. Den 25. Februar traf der Generalmajor von Zezschwitz aus Raudnitz, wo er mit dem Garde- Carabinier- Regimente zuletzt gelegen hatte, in Sternberg ein. Da man in Wien mit den Geschäften noch immer um keinen Schritt vorwärts gerückt war, glaubte er dieselben an Ort und Stelle fördern zu müssen und begab sich daher gleichEs handelte sich darum, die nöthigen Mittel flüssig zu
falls dahin .
machen, um die vier Sächsischen Cavallerie-Regimenter auf den erhöhten Bestand von je 640 Gemeinen zu ergänzen, was bei den Carabiniers und bei Albrecht einen Zuwachs von je 240, bei Carl und Brühl von je 40 Mann bedingte. Leider war bereits zu viel kostbare Zeit verloren worden, um diesen Plan noch bis zum Frühjahre bei allen Regimentern vollständig in Ausführung zu bringen, aber die Mittel wurden doch endlich gewährt , auch unter dem 10. März 228 Dragoner vom Regimente Rutowski ,
Revertenten,
武
von 1756 bis 1763.
145
welche zeither völlig unbeschäftigt in Prosznitz gestanden hatten, mit Oesterreichs Genehmigung unter die drei Chevauxlegers - Regimenter vertheilt. Zur weiteren Ergänzung stellten sich selbst jetzt noch Preuszische Deserteure, meist Sächsische Landeskinder, in geleichte Pferde wurden ohne Schwierigkeit aus eigneten sich diese natürlich nicht für die doch Ungarn bezogen, Carabiniergarde, deren Pferde schwereren Schlages in Böhmen und nügender Zahl ein ;
Mähren einzeln aufgekauft werden mussten, wodurch bei diesem Regimente sich das Ergänzungsgeschäft bis zum Ende des Jahres 1758 hinausschob. Der ganze Winter verstrich in Ruhe, welche aber, wie dies nach überstandenen auszergewöhnlichen Anstrengungen häufig der Fall zu sein pflegt, typhöse Fieber erzeugte, so dass bei den Chevauxlegers allein am 1. Februar 1758 der Krankenbestand 397 Mann betrug. Vom Garde - Carabinier - Regiment wurden aus Böhmen um Mitte Februar zwei Escadrons - von Preen und von Rex - unter dem Major von Grünberg zur Verstärkung der Vorposten des Generals Haddik an die Mährisch- Schlesische Grenze entsendet. In Wien hatte der General von Zezschwitz auch durchzusetzen gewusst , dass das Garde- Carabinier-Regiment endlich wieder mit seinen Landsleuten, den Chevauxlegers, vereinigt wurde ; dasselbe traf , mit des Generals Rückkehr von Wien ziemlich gleichzeitig, Mitte April in Mähren ein, wo es die Quartiere des nach Eulenberg verlegten Regiments Prinz Carl bei Littau bezog. Um dieselbe Zeit mögen auch die beiden Ulanenpulks aus Böhmen mit beim Corps in Mähren angelangt sein ;
wenigstens wird
derselben ,
obgleich
ibres Eintreffens nicht besonders erwähnt wird, von jetzt an in allen Sächsischen Berichten vollkommen gleiche Berücksichtigung mit den anderen Regimentern des Corps zu Theil.
J In der zweiten Hälfte des April erhielt General von Zezschwitz , wahrscheinlich zu seiner groszen Ueberraschung, vom Grafen Flemming aus Wien die Weisung , sein Corps in Marschbereitschaft zu setzen, um jeden Augenblick zur Russischen Armee des Generals Fermor abrücken zu können. Was zu dieser veränderten Bestimmung des Corps Veranlassung gegeben haben mag , ob dieselbe als Anzeichen einer damals zwischen dem Warschauer und dem Wiener Hofe eingetretenen Missstimmung zu betrachten ist und vielleicht gar mit den obenerwähnten Drohungen Brühl's im Zusammenhange steht , ist schwer zu beurtheilen. Zunächst wurde der Plan durch den
unerwarteten
Mähren gestört ;
Einbruch
Friedrich's
II.
aus
Schlesien
nach
er tauchte jedoch noch monatelang gelegentlich
146
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
wieder von Neuem auf, ohne indessen je zur Ausführung zu gelangen. Als in den ersten Tagen des Mai 1758 der Einmarsch der Preuszen in Mähren erfolgte ,
wurden die Sachsen in höchster Eile
bei Ollschann zusammengezogen und mit einigen Oesterreichischen Cavallerie - Regimentern den Befehlen des Generals Deville unterstellt *).
Dieser zog sich vor dem Preuszischen Obersten Werner
über Prosznitz auf Prödlitz zurück ; die auf dem Marsche fast täglich vorkommenden Scharmützel gaben besonders den Ulanen Gelegenheit, ihre grosze Geschicklichkeit in allen Zweigen des kleinen Krieges zu zeigen und sich dadurch bei Freund und Feind in Achtung zu setzen.
Eine weitere Thätigkeit fand jedoch das Deville'sche
Corps zu entwickeln um so weniger Veranlassung, als es vom Hofkriegsrathe die strengste Weisung hatte, sich in der Defensive zu halten und vor jedem ernsten Angriffe zurückzuziehen . Den 13. Mai ging Friedrich II . selbst mit einem groszen Theile seines Heeres gegen Prödlitz vor. Die überraschend auftretende Uebermacht hatte Oesterreichischer Seits den sehr übereilten Rückzug der Vorposten zur Folge und nöthigte Deville, nach Brünn auszuweichen. meister,
Die Sachsen verloren bei dieser Gelegenheit einen Ritt-
1 Fähnrich,
12 Mann und 38 Pferde ; die übertriebensten
Gerüchte über die Bedeutung dieses Gefechtes verbreiteten sich bis Wien und setzten die Stadt, die sich seit der Schlacht von Leuthen noch nicht wieder vollständig beruhigt hatte, in Furcht und Schrecken. Aber des Königs Interesse war jetzt ganz auf Olmütz gerichtet, wohin er sich alsbald wieder zurückwendete. Auch Deville trat den 23. Mai wieder den Vormarsch an und blieb bis zum 17. Juni in Wischau stehen.
Nur das Regiment Carl und die Rudnicki'schen
Ulanen fanden eine besondere Verwendung, indem sie zum General St. Ignon nach Prerau detachirt wurden, welcher sie mit zu einer Unternehmung gegen die Preuszische Cernirung bei Holitz und Wisternitz benutzte . Man brach dazu den 16. Mai Abends von Prerau auf und erreichte nach einem angestrengten Nachtmarsche die feindlichen Posten. Wisternitz wurde den 17. Mai früh durch die Husaren - Regimenter Löwenstein und Desöffi und die Ulanen von Rudnicki , Holitz von dem Dragoner- Regimente Württemberg und es glückte , den Feind
dem Regimente Prinz Carl angegriffen ;
das Dragoner- Regiment Bayreuth , zwei Escadrons Zieten-Husaren
*) Nadasdy, dem man seine ungeschickte Führung bei Breslau und bei Leuthen zum Vorwurfe machte, hatte kein Commando erhalten.
von 1756 bis 1763.
und das Freibataillon Rapin -
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zu überraschen und mit dem Ver-
luste einer Standarte , eines Paares
silberner Pauken und einige
hundert Gefangener in die Flucht zu schlagen.
Nach Tempelhoff's
Darstellung (II. Band , S. 82) hatte der Marschall Keith von dem Unternehmen Kunde erhalten und dem General Meyer, der die Preuszischen Posten befehligte, eine Warnung zugehen lassen. Wirklich hatte dieser auch seine Leute die Nacht hindurch unter den Waffen gehalten und Wisternitz mit einem Grenadier- Bataillone besetzt ; da jedoch bei Tagesanbruch die ausgesendeten Patrouillen, welche den Oesterreichern in die Hände gefallen waren, nichts hören lieszen, so gestattete er der Cavallerie abzusatteln und den GreGleich darauf erfolgte nadieren , in ihre Quartiere abzurücken. 1/25 Uhr der Angriff, welcher besonders dem Dragoner-Regimente Bayreuth schwere Verluste zufügte, denn es verlor nach Preuszischen Angaben einige 50 Todte und über 100 Verwundete, darunter vier Offiziere .
Der General Meyer selbst wurde im Gefechte verwundet
und beinahe gefangen .
Als der Marschall Keith mit Unterstützung
vom rechten March- Ufer herbeieilte, war das Gefecht bereits entschieden und St. Ignon nach seinem Erfolge wieder auf dem Rückzuge nach Grosz-Teinitz.
Das Regiment Prinz Carl, welchem beim
Angriffe die Hauptrolle übertragen gewesen zu sein scheint , hatte 12 Mann und 24 Pferde todt , 10 Mann und 11 Pferde verloren verwundet ; die Ulanen Rudnicki zählten 5 Todte und 7 Verwundete. Der General von Zezschwitz beklagte sich später,
dass die
Wiener Zeitungen in den Berichten über das Treffen von Holitz und Wisternitz der Sachsen mit keinem Worte gedächten und fügte bitter hinzu : „Wir sind aber schon gewohnt, in diesem Punkte nicht eitel zu sein, sonst würden wir es negiren." Die übrigen Sächsischen Regimenter, welche am Gefechte des 17. Juni nicht betheiligt waren, rückten an diesem Tage unter dem General von Zezschwitz , an dessen Befehle gleichzeitig auch die Karoly'schen, Draskowicz'schen und Karlsfelder Husaren gewiesen waren, nach Morzitz, um hier die rechte Flanke der unter dem Feldmarschall Daun zum Entsatze von Olmütz bestimmten Hauptarmee zu decken, welche am 17. Juni über Protiwanow in der Gegend zwischen Prödlitz und Ewanowitz angelangt war. Es begann jetzt eine Zeit lebhafter Thätigkeit, da Daun's nächste Bestrebungen sich darauf richteten , der bedrängten Festung Verstärkung zuzuführen, was durch die mannigfaltigsten Scheinbewegungen der Aufmerksamkeit des Feindes verborgen werden sollte.
Wirk-
lich gelang es auch auf diese Weise, 1300 Mann unter dem General
148
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
von Bülow von Prerau aus, auf einem Umwege durch Gebüsche und Terrainfalten mitten durch die Preuszische Einschlieszungsarmee, am 22. Juni bei Tagesanbruch der Festung glücklich zuzuführen. St. Ignon unterstützte das kühne Wagniss durch fortwährende Beunruhigung der ihm gegenüber stehenden Vorposten, wobei die Ulanen von Renard grosze Thätigkeit entfalteten, aber auch nicht ohne Verluste wegkamen.
Noch den 22. Juni Nachmittags , wo man im Haupt-
quartiere St. Ignon's von dem Gelingen des Bülow'schen Unternehmens keine Nachricht hatte,
rückte der General
mit seinem
Corps und dem Regimente Carl zur Alarmirung der feindlichen Vorposten wieder in der Richtung auf Wisternitz und Holitz vor und hielt dieselben die ganze Nacht hindurch unter den Waffen, zog sich jedoch am folgenden Morgen zurück, als Raketensignale die glückliche Ankunft Bülow's in der Festung verkündeten.
Während der
Abwesenheit St. Ignon's war dessen Hauptquartier in Prerau durch einen Preuszischen Angriff in so grosze Bestürzung versetzt worden, dass der Tross in kopfloser Eile nach Kremsier abgefahren war. Denn auch Preuszischer Seits hatte man um jene Zeit ein lebhaftes Interesse, die Aufmerksamkeit der Oesterreicher von einer Unternehmung abzulenken, von deren Gelingen der Ausgang der begonnenen Belagerung wesentlich abhängig war. Der König erwartete nämlich aus Schlesien jenen wichtigen Transport, welcher am 21. Juni von Neisse und Kosel abgegangen war und aus nicht weniger als 3000 bis 4000 Wagen bestand , von denen allein 818 die zur Fortsetzung der Belagerung nöthigen Artilleriebedürfnisse herzuführten. Die von dem Obersten von der Mosel, einem bewährten Offizier, befehligte Bedeckung bestand aus 8 Bataillonen, 3000 Infanterie - Recruten und Reconvalescenten in 4 Bataillonen und 1100 CavallerieRecruten.
Die Hauptschwierigkeit lag in der durch die traurige
Beschaffenheit der Gebirgswege bedingten Langsamkeit des Fortkommens ; die Gefahr, in dem waldbedeckten Hochlande einem Hinterhalte in die Hände zu fallen, wurde durch die den Preuszen feindselige Gesinnung der spärlichen Bevölkerung noch erhöht. Dabei sah sich der König auszer Stand , seine zur wirksamen Einschlieszung von Olmütz angesichts einer starken feindlichen Entsatzarmee nur eben hinreichenden Streitkräfte noch durch Entsendungen zu schwächen, und musste sich darauf beschränken, den General Zieten seitwärts des nördlich von Olmütz gelegenen heiligen Berges so aufzustellen, dass er zwar das Debouchiren des zu erwartenden Transportes aus den Gebirgspässen unterstützen, gleichzeitig aber auch die Festung mit eingeschlossen halten konnte.
von 1756 bis 1763. 149 Daun war jedoch durch die Patrouillen, welche Oberst Lanius von Sternberg , General St. Ignon von Prerau aus um den Einschlieszungsbereic herum gege Troppa entsendet h n en, von den Veru hältnissen des Transportes besser unterrichtet , als der König. Der
groszen Ueberlegenheit seines genialen Gegners auf dem Schlachtfelde eingedenk , hatte der vorsichtige Daun den festen Entschluss gefasst , das Schicksal des Kaiserstaates nicht auf den ungewissen Ausgang einer Schlacht ankommen zu lassen, sondern seine Operationen so viel als möglich auf die Geschicklichkeit seiner leichten Truppen zu stützen . Sein tüchtigster und umsichtigster General auf dem Gebiete des Parteigängerkrieges, Laudon, erhielt daher von ihm den Auftrag , sich, mit dem Obersten Lanius vereinigt , auf einem weiten Umwege über Müglitz den von Troppau auf Olmütz führenden Straszen in der Höhe von Hof zu nähern , während ein anderer gewandter Führer, der General Ziskowitz , durch Truppen St. Ignon's verstärkt , um die Belagerungsarmee östlich herumgehen und sich über Libau heranziehen sollte . Bei den 4000 Mann Ziskowitz's befand sich von St. Ignon's Abtheilung ein Detachement unter dem Obersten von Benkendorf , bestehend aus dem Regimente Carl und 300 Pferden der Oesterreichischen Regimenter Württemberg und Löwenstein .
Auf Seitenwegen
gelangte Ziskowitz durch den Wald bis Ohlstadt, wo man in Erfahrung brachte, dass selbigen Tages , am 28. Juni , der Transport bei Bautsch von Laudon angegriffen worden sei , der Oberst Mosel aber denselben mit Glück vertheidigt und die Oesterreicher zurückgeschlagen habe *) . Ziskowitz nahm hierauf bei Ohlstadt eine verdeckte Aufstellung und setzte sich durch einen Boten mitten durch den Feind hindurch mit Laudon in Vernehmen . Der Fehler , den Letzterer begangen hatte , indem er, ohne Ziskowitz's Eintreffen abzuwarten, auf eigene Hand zum Angriffe vorgeschritten war, glich sich zum Vortheile der Oesterreicher zumeist dadurch wieder aus , dass die Preuszen in Folge der bei dem Transporte eingerissenen Unordnung - die Mehrzahl der Fuhrknechte war bei den ersten Schüssen weggelaufen und die Hälfte der Wagen umgekehrt den ganzen folgenden Tag nicht von der Stelle kamen. Ziskowitz verbrachte den 29. Juni in tiefster Stille im Seibersdorfer Walde zwischen Libau und Domstadtl.
Obgleich der von Laudon
*) Der General Zieten hatte persönlich dem Obersten von der Mosel von Olmütz her ansehnliche Verstärkung entgegengeführt, welche den Transport am 28. Juni Abends nach dem Gefechte mit Laudon erreichte .
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Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
zurückkehrende Bote von diesem, dessen Verlust am 28. Juni gegen 500 Mann betragen hatte, keine ganz bestimmte Zusage zum gemeinsamen Handeln überbrachte, fasste Ziskowitz in Uebereinstimmung mit Benkendorf und seinen beiden anderen Obersten doch den Entschluss, am folgenden Tage den Angriff zu unternehmen. Den 30. Juni früh
19 Uhr ging bei Ziskowitz die Meldung
ein, dass die Spitze der Wagencolonne auf der Strasze von Neudörfel gegen Domstadtl herannahe. Das Regiment Haller wurde dem Ausgange des Städtchens Domstadtl gegenüber verdeckt aufgestellt und richtete seine Geschütze auf das Thor.
An der Spitze
des Transportes marschirten 1000 Pferde von Zieten- Husaren, dann das Fusilier-Bataillon Rahden, dem wieder ein Trupp Husaren und dann der Transport , Wagen dicht an Wagen, folgten.
Man liesz
die Zieten'schen Husaren ruhig aus der Stadt heraus , von der die Strasze etwa eine Meile weit als Hohlweg fortlief.
Das Füsilier-
Bataillon marschirte zu beiden Seiten der Strasze auf, während der Rest der Husaren durch die Infanterie hindurchging.
Als aber der
erste Wagen unter dem steinernen Thore sich zeigte, erhielt derselbe einen Kanonenschuss , so dass das zertrümmerte Fuhrwerk den Durchgang verstopfte.
Gleichzeitig rückte die Oesterreichische In-
fanterie zum Angriffe vor und stürzte sich Benkendorf's Cavallerie auf den noch diesseits des Städtchens befindlichen Theil des Transportes .
Chevauxlegers und Husaren verjagten die Bedeckung, hieben
die Stränge durch und verursachten die gröszte Verwirrung und Bestürzung.
77 Indessen feuerten," erzählt Benkendorf, „das Regiment Haller und die Kroaten auf das Rahden'sche Bataillon, welches sich aber so auszerordentlich vertheidigte, dass die Warasdiner sich etwas in den Wald zurückziehen mussten . Der General Ziskowitz wurde dadurch betreten und sagte, es ginge nicht gut.
Ich fragte,
ob ich
die Cavallerie hinunterschicken sollte ; er glaubte aber, dass sie nicht würde agiren können , indem ein felsiger Abhang dazwischen sei, wo man hinunterspringen müsse . Ich liesz mich durch dieses nicht abschrecken und befahl dem Hauptmann von Woiski, mit 100 Pferden den Berg hinabzueilen ; dieser kam glücklich hinunter und schickte mir nach Verlauf einer halben Stunde den Major Rahden und sechs andere Offiziere, so dass wir nun an dieser Seite keinen Feind mehr hatten . Aber jetzt stellte sich die Preuszische Bedeckung vor Bautsch in Schlachtordnung , und es stand noch ein harter Kampf bevor, da unser Corps viel kleiner war, als das feindliche. Es blieb mir nichts übrig, als den Uebergang über einen zwischen uns liegenden Graben
von 1756 bis 1763.
151
so lange als möglich zu verhindern und dann zu sehen, wie jeder von uns Uebriggebliebenen den Weg nach Hause finden würde . Indem kam von der kahlen Anhöhe rechter Hand jenseits der Strasze, wo ich bis dahin keine Truppen gesehen hatte, eine Kanonenkugel geflogen und schlug in die Bäume über mir ; ich konnte nicht anders vermuthen, als der Feind habe diese Höhe eingenommen . Es geschahen noch zwei solche Schüsse, doch ohne Nachtheil für uns ; da sah ich endlich , dass auf jener Höhe sich fünf bis sechs Batterien schweres Geschütz hervorzogen und auf die Preuszen in der Tiefe feuerten. Das Räthsel war gelöst ; es war General Laudon, der nun mit seiner ganzen Infanterie den Berg herunterkam, Front gegen die feindliche Linie machte, sie mit Heftigkeit angriff und zum Weichen brachte. Da ich sah, dass Laudon's Cavallerie ganz auf seinem linken Flügel stand , so bat ich den General Ziskowitz, mir zu erlauben, mit zwei meiner Schwadronen Laudon's rechten Flügel zu decken und eilte, mich an seine Grenadiere anzuschlieszen. Der Feind hielt nun nicht mehr, sondern zog sich in Eile zurück und überliesz uns den ganzen Transport. Der Oberst Rethay hatte dieselbe Erlaubniss von Ziskowitz erhalten, eine dem Feinde gegenüberliegende Anhöhe einzunehmen, wäre aber beinahe ernstlich vom Laudon'schen Corps kanonirt worden, wenn ich den General nicht von dem Missverständnisse unterrichtet hätte. Da der Feind völlig weg war, gab mir der General Laudon auf, dem General Ziskowitz zu danken, dass er mir ihn zu unterstützen erlaubt hätte, und nun liesz er den ganzen Transport , bei dem so viel Munition war, anstecken und auffliegen, --- eins der kostbarsten Feuerwerke , die es geben kann.
Alles , was von der Wagenburg übrig geblieben war,
wurde geplündert , da ich aber nicht zugeben konnte, dass meine Leute aus Reihe und Glied gingen, weil der Feind zurückkehren und uns überfallen konnte, so konnten meine Leute keine andere Beute machen, als ganze Mützen voll Ephraimiten, welche die Ulanen ihnen zugetragen brachten, weil sie selbst nicht Alles fortbringen konnten, und so viele Schlesische Vorspannpferde, dass fast jeder Dragoner den anderen Tag ein paar an der Hand führte, so dass ich befehlen musste, sie wegzuschaffen, wo dann Manches für ein paar Siebzehner weggegeben wurde . " Das ganze Gefecht hatte etwa zwei Stunden gedauert. Die Avantgarde des Transportes , 250 Fuhrwerke unter dem General von Krokow, welche das Defilé von Domstadtl wahrscheinlich schon am 28. Juni Abends überschritten hatte und bei der sich die meisten Geldwagen befanden, erreichte,
obgleich sie ganz nahe am Ziele
152 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde beim Heiligen Berge noch einmal von Husaren überfallen wurde, doch glücklich die Königliche Armee bei Bistrowan. Der General von Zieten wurde durch das Gefecht bei Domstadtl von letzterer abgeschnitten und musste mit nach Troppau zurück ; erst den 30. Juli gelang es demselben, sich in der Gegend von Nachod in Böhmen wieder mit der Armee des Königs zu vereinigen. Das Regiment Prinz Carl hatte bei dem kühnen Unternehmen seinen Ruf wieder glänzend bewährt. sein tapferer Commandeur,
„ Freund und Feind, " schreibt
lässt ihm die Gerechtigkeit widerfahren,
dass es seine Schuldigkeit gethan und gottlob seinem Namen keine Schande macht. Uebrigens, " fährt er heiter gelaunt fort, leben wir die ganze Zeit wie die vollkommensten Zigeuner, haben nichts mehr als einen Rock und ein Hemd auf dem Leibe, essen und trinken aus freier Hand , wenn wir etwas haben, und schlafen wie Adam im Paradies .
Während der ganzen Affaire regnete es den ganzen Tag, als wenn es mit Krügen gösse, wodurch aber doch Niemand retourbiret worden." Der Feldmarschall Daun war, nachdem er zwischen Kremsier
und Kojetein hatte Brücken schlagen lassen , in der Nacht vom 30. Juni zum
1. Juli mit der Armee aus dem Lager von Dobro-
mielitz (südlich von Prosznitz ) aufgebrochen und erschien Abends nach einem Marsche von fünf Meilen auf den Höhen von GroszTeinitz und Czechowitz (eine halbe Meile südöstlich von Olmütz ) zur groszen Ueberraschung des Königs, der diesmal der Getäuschte war und eben die unerfreuliche Nachricht von dem Geschicke seines groszen Transportes erhalten hatte. Das Unglück , welches die Preuszen bei Domstadtl betroffen hatte , entschied tiber den Ausgang der Belagerung von Olmütz ; Friedrich sah sich durch den Verlust seines gesammten Artilleriematerials in die Nothwendigkeit versetzt, auf sein Vorhaben zu verzichten. dem
Aber die Wahl des Rückzugsweges sollte wenigstens noch
Gegner eine Täuschung bereiten ; nicht umsonst hatten die
letzten Bewegungen Daun's dem Könige den Weg nach Böhmen freigemacht.
Dorthin ,
nicht nach Schlesien, trat er schnell ent-
schlossen den 2. Juli seinen Marsch an, nachdem die Aufhebung der Belagerung und der Abzug des von 4000 Wagen begleiteten Heeres angesichts der mit der Festung in unmittelbaren Verkehr getretenen Oesterreichischen Armee mit dem kaum nennenswerthen Verluste einiger in den Laufgräben schütze erfolgt war.
zurückgelassener ,
unbrauchbarer Ge-
Ziskowitz stand den 2. Juli Abends in Eulen-
berg , Laudon in Langendorf;
den 3. Juli rückten Letzterer bis
von 1756 bis 1763.
153
Hohenstadt , Ziskowitz und St. Ignon bis Bladendorf ;
es gelang
diesen Abtheilungen jedoch nicht , den Marsch des Königs wesentlich zu stören. Der Feldmarschall-Lieutenant Deville ging zur Verfolgung des abziehenden Feindes den 3. Juli nach Prosznitz, den 4. nach KrakoVon hier wurde dem Corps jedoch die Richtung auf Schlesien angewiesen ; die Sachsen trafen mit demselben über Littau und Bärn
witz.
am 9. Juli in Troppau ein, wo ein Stillstand von mehreren Tagen eintrat, und am 12. auch das Regiment Prinz Carl und der Ulanenpulk Rudnicki vom St. Ignon'schen Corps , durch die letzten Anstrengungen in ihrem Bestande sehr geschwächt, anlangten. Den 29. Juli wurde von Troppau wieder vorgerückt und , da man vor dem Fouqué'schen Corps in Schlesien Befürchtungen hegte, am 1. August eine befestigte Stellung bei Neustadt bezogen, während die Vorposten Neisse und Kosel einschlossen. In der letzten Hälfte des Septembers schritt man zu einer engeren Einschlieszung Neisse's , dessen Belagerung dem General Harsch übertragen war, welcher sein Corps am 25. August mit dem Deville'schen vereinigte. Zezschwitz , dessen Stabsquartier sich vom 23. an in Kalkau, zwei Meilen westlich von Neisse, befand, schrieb damals an Flemming : „ Bei unserem Vorhaben habe das Einzige zu erinnern, wir hätten im solstitio thun sollen, was wir im aequinoctio anfangen." Mit der Betreibung des Dienstes bezeigt sich Zezschwitz wenig zufrieden ; in Bezug auf seine Truppe beklagt er, dass die Reiter als Vedetten und Wachen oft stundenlang ganz nahe der Festung halten und dabei auf sich schieszen lassen müssten ; die Folge davon sei , dass Viele mitsammt dem Pferde zum Feinde desertirten . Friedrich II. , bekanntlich nach jeder erlittenen Niederlage auf der Höhe seiner geistigen Ueberlegenheit, liesz sich wider Erwarten durch den Unglückstag von Hochkirch nicht abhalten, wieder von Görlitz aus in Schlesien angriffsweise vorzugehen.
Die blosze Nach-
richt davon genügte, um dem General Harsch alle Gedanken an die Fortsetzung der mattgeführten Belagerung auszutreiben, und wirklich begann man schon vom 1. November an, das schwere Geschütz und einen Theil der Bagage auf Zuckmantel zurückzusenden, obgleich nur wenige Tage zuvor, den 28. October, die erste Parallele eröffnet worden war.
Natürlich schwand hiermit der letzte Rest der
Energie auf Seiten der Belagerer, während in der Festung der Muth so weit wuchs, dass man den 6. November einen Ausfall wagte, bei dem ein Bayerisches Bataillon in Gefangenschaft gerieth.
Die Ab-
sicht der Preuszen, von hinten in die Laufgräben einzufallen, wurde
154 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde durch den General Renard vereitelt , der noch im rechten Augenblicke mit 200 Ulanen zu Hülfe eilte. Das letzte Artilleriematerial, welches sich noch vor der Festung befand ,
wurde nun abgeführt ;
thatsächlich war die Belagerung längst zu Ende, vember deren nominelle Aufhebung erfolgte.
als am 23. No-
Deville trat nun den
Rückzug gegen die Mährische Grenze an ; Fouqué, der vom Könige Verstärkung erhalten hatte, nisse
ein ;
schwächer.
die
flöszte auf dem Marsche ernste Besorg-
Widerstandskraft
wurde
immer
schwächer und
Von Roswald , dem Hauptquartiere Zezschwitz's vom
1. bis 8. December, schreibt derselbe : „Auf unsere Infanterie ist nicht viel und auf unsere Artillerie gar wenig zu rechnen." Ueber Hultschin ging der Rückmarsch weiter nach Mähren und dem Fürstenthume Teschen , wo man die Winterquartiere bezog. Das Hauptquartier Deville's war Mährisch- Ostrau ; Zezschwitz lag 12 Meile südlich von da in Paskau.
Die Regimenter Garde- Cara-
biniers und Albrecht hatten ihr Cantonnement in und bei Teschen, die Regimenter Carl und Brühl in der Umgebung der Orte Braunsberg, Friedeck und Freiberg. Anstrengungen aller Art hatte der Feldzug 1758 sämmtlichen Abtheilungen des Sächsisch- Polnischen Cavalleriecorps reichlich gebracht, Gelegenheit zu kriegerischer Auszeichnung aber nur den bei St. Ignon und Ziskowitz eingetheilt gewesenen , dem Ulanenpulk Rudnicki und vor Allem wieder dem Regimente Prinz Carl unter Benkendorf's Führung geboten . Besonders die hervorragenden Leistungen dieses
Offiziers
bei
Domstadtl bilden
ein
würdiges
Seitenstück zu seinem glänzenden Verhalten bei Kolin ; dort , wie hier, hätte Oesterreich wohl dem Danke, den es ihm und seiner braven Truppe schuldete, können .
einen etwas wärmeren Ausdruck geben
IV. Der Generalmajor von Zezschwitz , obwohl körperlich leidend, entwickelte während des Winters von 1758 zu 1759 eine für die innere Organisation des Corps sehr ersprieszliche Thätigkeit, welche sich namentlich auch mit auf die Ulanenpulks erstreckte.
Während
er, den Werth dieser trefflichen Truppe richtig erkennend, ihre Bewirthschaftung - von jeher die schwache Seite derselben - besser ordnete , wusste er es zugleich durchzusetzen ,
dass ihr Bestand
wesentlich erhöht wurde, so dass derselbe am 1. April 1759 sich in nachstehender Weise bezifferte :
von 1756 bis 1763.
1 Oberst •
1 Regent (Adjutant)
155
Gehalt : 83 Thlr. 8 Ngr., 18 Port. 18 Rat. 12 77 12 " 3 "" 3 " ""
1 Regimentsfeldscheer. 3 Escadronsfeldscheere. 1 Pauker. 1 Schmied.
"
41
"
à
29
16
29
6 Souslieutenants .
à
""
12
""
999
6 Fähnriche .
à
""
12
"
12
à
"
4
29
·
à
22
4
22
·
à
•
6 Lieutenants
•
16
"
10
27
10
29
16
29
4
99
4
35
12
"
3
3
""
29
3
3
92
4
"3
1
"
1
"
4
"
1
22
1
99
4
12
1
22
1
"
3
6 Rittmeister
270 Towarczycen (bisher 180) . 294 Pocztowy (bisher 198)
6 Trompeter
4
Woher die Mittel zu dieser Vermehrung bezogen wurden, ist aus den vorliegenden Quellen nicht zu erkennen ; bei der Schwierigkeit jedoch, die es machte, von Oesterreich nur das zur Erhaltung der Truppe unbedingt Nothwendige zu erlangen, erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass man sich in Wien zu einem solchen Opfer entschlossen habe. Bis zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten, Mitte April 1759, hatte man dem Corps folgenden Bestand gegeben : Generalstab .
Pferde .
22 Mann
.
807 •
812
Albrecht Chevauxlegers
·.
813
Brühl Chevauxlegers
•.
812
Ulanen Renard
603
Ulanen Rudnicki .•
602
19
Garde-Carabiniers
•
Carl Chevauxlegers .
•
"
770
"
"
775
"
"
775
29
23
775
"
"
575
"9
575
29
Summa : 4471 Mann 4245 Pferde. Die Winterquartiere waren bis zum 19. März unverändert geblieben, von da an rückte das Corps ein Stück nach Osten und zog sich in ein engeres Cantonnement um das Stabsquartier Fulnek zusammen. Es blieb nach wie vor dem Deville'schen Corps zugetheilt , welches mittlerweile
durch 14 Infanterie-Bataillone ver-
stärkt worden war, so dass es jetzt 26 Bataillone, 3000 Mann leichte Truppen und neben den Sachsen noch 10 Oesterreichische Schwadronen, im Ganzen etwa 25,000 Mann zählte.
156
Das Sächsisch -Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
Den 17. April vereinigte Deville seine Streitkräfte in einem Lager bei Heidenpiltsch auf der Hälfte des Weges von Troppau nach Sternberg , während die Sachsen den Aufmarsch gegen die Vortruppen des Fouqué'schen Corps deckten. Es kam mit diesen nahe vor der Oesterreichischen Front zu einem heftigen Geschützkampfe ; die Sachsen mussten beständig in Erwartung eines feindlichen Angriffes zwei Nächte im Sattel bleiben. Endlich am 19. April trat die Avantgarde Fouqué's den Rückzug an.
Renard ,
welcher
im Februar Generalmajor geworden war, hatte beim Deville'schen Corps die Führung der aus den beiden Ulanenpulks, Kroaten und Husaren zusammengesetzten Avantgarde erhalten und beunruhigte mit derselben den über Dorf-Teschen auf der Strasze abziehenden Gegner fast bis an die Thore Troppau's. Erst den 23. April entschloss sich Deville zum Vorrücken von Heidenpiltsch gegen Troppau ,
bei dem Renard ein Gefecht mit
2 Escadrons Werner-Husaren hatte , von welchen 3 Offiziere und 88 Mann gefangen genommen wurden. schütz gegen Neisse zurück ;
Fouqué zog sich über Leob-
die Oesterreicher folgten langsam und
zögernd über Jägerndorf bis in die Gegend von Roswald .
Es lag
im Interesse Fouqué's , welcher seinem Gegner besonders an Artillerie sehr überlegen war und stündlich die Ankunft des Königlichen Heeres erwartete, Deville aus dem Gebirge in das ebenere Gelände zu locken ;
aber dieser ging vielmehr den 29. April in ein
Lager auf dem Hutberge zwischen Ziegenhals und Zuckmantel zurück und vertauschte auch dieses wieder am 1. Mai mit einem weiter rückwärts zwischen Hermannstadt und Würbenthal gelegenen, als er durch Spione die Nachricht von der Ankunft Friedrich's II. bei Fouqué erhalten hatte. Die Ulanen deckten das Corps als Vorposten in Johannesthal und Grosz- Hennersdorf. Der Generalmajor von Gösznitz schreibt unter dem 18. Mai aus diesem Lager: „Von unserem Aufbruche ist noch nichts zu vernehmen, und es lässt sich so wenig von demjenigen muthmaaszen, was wir unternehmen wollen, dass man meinen sollte, wir hätten gar keine eigentliche Absicht. " Endlich flöszte die Nachricht von dem Zurückgehen der Preuszen auf Neisse wieder so viel Zuversicht ein, dass man sich am 27. Mai wieder in die Stellung auf dem Hutberge vorwagte, von wo das Lager nach einigen Tagen in die Nähe von Johannesberg verlegt wurde.
Von hier führten die leichten Truppen ziemlich weit nach
Schlesien hinein Streifzüge aus , um Contributionen zu erheben und Lebensmittel wegzunehmen .
So überfiel am 12. Juni ein aus Mann-
von 1756 bis 1763.
157
schaften der Chevauxlegers-Regimenter zusammengesetztes Detachement einen Lebensmittel- und Fourage-Transport, welcher aus Neisse zur Armee auf dem Wege war ; es konnten jedoch nur einige hundert Säcke Hafer entführt werden, da eine Infanterie-Unterstützung aus der Festung herbeieilte.
Ein Angriff, den darauf am 30. Juni die
Preuszen auf die Vorposten Deville's bei Weiszwasser und Gostritz unternahmen, wurde mit einem Verluste derselben von 2 Geschützen und 400 Mann zurückgeschlagen. Ein den 3. Juli eingehender Befehl des Feldmarschalls Daun versetzte das Deville'sche Corps nach einer anderen Gegend des Schlesischen Grenzgebirges , indem er dasselbe nach Trautenau in Böhmen berief.
Deville traf hier, jeden Tag auf den schwierigen
Wegen über Berg und Thal drei Meilen zurücklegend , den 12. Juli ein und vereinigte sich mit dem Corps des Generals Harsch , unter dessen Commando nun 5 Compagnien Grenadiere zu Pferd, 58 Escadrons und 37 Bataillone standen. Schon in der Nacht vom 13. zum 14. Juli mussten drei Sächsische Schwadronen (wahrscheinlich von jedem Chevauxlegers - Regimente eine) den Ueberfall eines Preuszischen Bataillons in Friedland zwischen Trautenau und Waldenburg ausführen,
und es wurden bei
dieser vom Glücke begünstigten Unternehmung auszer dem BataillonsCommandeur, Major von Lüderitz, noch 2 Capitaine, 5 andere Offiziere und 150 Mann zu Gefangenen gemacht.
Mit den Sachsen als Avantgarde voraus , trat nun das Corps den 16. Juli Abends den Vormarsch über das Gebirge an und nahm Stellung zwischen Schömberg und Kloster-Grüssau dem Fouqué'schen Corps nur eine halbe Meile gegenüber. Dieses machte am 18. Juli einen Vorstosz mit fünf Bataillonen, welche jedoch von den Vorposten mit Verlust zurückgewiesen wurden. Um die Verbindung Fouqué's mit Schweidnitz zu bedrohen, setzten die Oesterreicher den 21. Juli ihren Vormarsch nach den zwischen Fürstenstein und Freiburg liegenden Höhen fort ; die Ulanen und Chevauxlegers hatten . dabei fortwährende Gefechte, wobei sie ganz in der Nähe von Freiburg das Preuszische Bataillon eines Majors Franklin attakirten und trotz seines tapferen Widerstandes zum gröszten Theile niederhieben. Zwei Offiziere und 130 Mann wurden gefangen, wogegen auch das Regiment Carl „ einige Gemeine" und die „fast allzubraven Ulanen " über 30 Todte und Verwundete verloren. Obwohl man sich in der Stellung von Fürstenstein befestigte, konnte man sich doch nur bis zum 27. Juli früh in derselben halten, 11 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee. u Marine. Band XXVIII.
158 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde denn Fouqué , welchem ansehnliche Verstärkungen zugeführt worden waren, begann ernstlich mit seinen leichten Truppen die Rückzugswege der Oesterreicher zu bedrohen.
Deville, der für den erkrankten
Harsch das Corps befehligte, gelangte den 27. Juli bis Gottesberg, Conradswalde aber war bereits vom Feinde besetzt und der vergebliche Versuch, denselben aus dem Orte zu vertreiben, kostete über 300 Mann. Der weitere Weg über Langenwaltersdorf fand sich durch eine Preuszische Abtheilung in Friedland verlegt, und da dieselbe es möglich gemacht hatte ,
sich in dem Städtchen zu ver-
schanzen, scheiterte der am 28. Juli von dem General Janus ohne Artillerie ausgeführte Angriff auf dasselbe vollständig .
Nun blieb
Deville Nichts übrig, als Friedland auf steilen, schmalen Waldwegen zu umgehen ; das Corps musste aber 18 Stunden aufwenden, um die drei Meilen betragende Entfernung bis Böhmisch- Johannesberg, eine Stunde nördlich von Braunau,
zurückzulegen , das es den 29. Juli
Abends aufs Aeuszerste erschöpft erreichte . Das waren die Erfolge des mit nicht geringen Hoffnungen begonnenen Einfalles in Schlesien ! Für die Sachsen begann mit dem Tage des Wiedereinrückens im Lager von Trautenau (den 1. August) eine monatelange Periode der Unthätigkeit , während welcher die Truppen in den volkreichen Gebirgsdörfern einquartiert waren, und der General Zezschwitz sein Stabsquartier in Weigelsdorf hatte.
Zur
groszen Betrübniss der Sächsischen Regimenter mussten hier dieselben bei dem General Harsch zurückbleiben, als Deville den Befehl erhielt, mit den übrigen unter seinem Commando stehenden TruppenAbtheilungen zur Hauptarmee des Feldmarschalls Daun nach Sachsen abzurücken. Die schweren Unglücksfälle, welche damals gerade den König Friedrich betroffen hatten , rückten den Gedanken an eine vollständige Wiederbesetzung des Kurstaates jetzt doch etwas näher ; man beschäftigte sich mit Entwürfen, das Xaver'sche Corps mit dem Zezschwitz'schen zu vereinigen und an die Daun'sche Hauptarmee in Sachsen anzuschlieszen, und die letztere hatte wirklich damals, wie Zezschwitz im October dem Grafen Flemming mittheilt , den bestimmten Befehl erhalten, „ Sachsen zu befreien, es koste was es wolle ". Die erste Abtheilung, welche sich von Trautenau in der Richtung auf Sachsen in Bewegung setzte , war der Ulanenpulk Schiebell, welcher auf Verlangen Daun's den 19. November nach Lowositz und Teplitz entsendet wurde, um hier die Böhmische Grenze gegen die umberstreifenden Preuszen zu decken . Schiebell *) hatte kurz zuvor *) Er wurde bei dieser Gelegenheit zum Obersten befördert. Nach dem siebenjährigen Kriege erhielt Schiebell seine Anstellung als Kurfürstlicher
von 1756 bis 1763.
159
den Pulk, der bisher von ihm nur interimistisch geführt worden war, von dem Generalmajor Grafen Renard käuflich erworben , während dieser von dem kränklichkeitshalber in den Ruhestand versetzten Generalmajor von Monro das Regiment Prinz Albrecht auf gleiche Weise an sich gebracht hatte. Während der Schiebell'sche Pulk seiner neuen Bestimmung entgegenmarschirte,
wurde
der Rudnicki'sche dem Detachement des
Generalmajors von Wolffersdorff beigegeben, welches in entgegengesetzter Richtung nach Oberschlesien abging. Den 29. November traf endlich in Trautenau die von den Sächsischen Regimentern sehnlichst erwartete Weisung Daun's ein, welche dieselben nach ihrem Vaterlande berief. Die Sache ging jedoch keineswegs so schnell von statten, wie die Ungeduld der nach frischer, kriegerischer Thätigkeit mehr noch, als nach dem Wiedersehen der lange vermissten Heimath verlangenden Sachsen erwartete. Der Abmarsch derselben sollte nämlich in zwei Colonnen erfolgen und nicht früher angetreten werden, als bis die zum Ersatze bestimmten Oesterreichischen Cavallerie- Regimenter in Trautenau eingetroffen sein würden . Zezschwitz allein, der vergeblich gegen diese Bedingung Einwendungen erhob, durfte schon den 4. December seinem Corps nach Dresden vorausgehen ; den 12. setzte sich die erste Colonne, Carabiniers und Albrecht , über Rumburg und Schluckenau nach Sachsen in Bewegung. Die beiden anderen Regimenter unter Generalmajor von Gösznitz folgten in der zweiten Colonne, der sich unter dem Feldmarschall-Lieutenant Meyer 11 Oesterreichische Bataillone und schwere Artillerie anschlossen . Diese Colonne, zu der über Königgrätz auch der Ulanenpulk Rudnicki stiesz , nahm ihren Weg über Reichenberg und Zittau . Es hatte dem General Zezschwitz grosze Mühe gekostet, die Verfügung über diese Ulanen wieder zu erlangen, welche man den bestimmtesten Weisungen des Feldmarschalls zum Trotze durchaus in Mähren zurückbehalten wollte, und nur auf die dringenden Vorstellungen des Grafen Flemming beim Hofkriegsrathspräsidenten Grafen Neipperg wurde endlich den Befehlen Daun's der erforderliche Nachdruck gegeben. Die ganze Angelegenheit ist eine der besten Illustrationen der damaligen Oesterreichischen Armeeverhältnisse, über die sich Zezschwitz sehr richtig mit den Worten ausspricht : „ Denn dieses finde ich nun überall, dass
Generaladjutant und 1781 als Generallieutenant das Commando des adeligen Cadettencorps. 1790 wurde er General der Cavallerie und Kriegsminister. Er starb 1796 im 77. Lebensjahre. 11*
160
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
hier der Eine nicht thut, was ihm der Andere befiehlt, wenn dieser es ihm gleich zu befehlen hat."
Schiebell's Pulk befand sich Ende
December beim Corps des Feldmarschall-Lieutenants Beck zwischen Meiszen und Torgau. Die Sächsischen Regimenter scheinen übrigens , wenigstens in materieller Beziehung, auf dem Boden der lieben Heimath nicht ganz das gefunden zu haben, was sie hier wohl erwartet hatten, denn aus ihren Winterquartieren bei Neustadt und Stolpen lieszen sich über das dürftige Unterkommen zahlreiche Klagen hören . (Schluss folgt.)
XI.
Ist heute die Vertheidigung
wirklich stärker
als der Angriff?
Von Gaertner, Oberst und Bezirks-Commandeur.
Den öfters
ausgesprochenen Grundsatz :
„ Neue Waffen , alte
Taktik", wohl mit Recht als überwundenen Standpunkt betrachtend, stöszt man heutzutage fast in allen Kriegs- Lehrbüchern und militairischen Zeitschriften nur zu oft auf Aussprüche, dass durch die so auszerordentliche Verbesserung der Waffen der Neuzeit wesentlich die Vertheidigung gewonnen habe, dass dieselbe dem Angriffe überlegen sei, natürlich unter der Voraussetzung, dass sich im Wesentlichen gleiche Kräfte gegenüberstehen.
Denn sind die Kräfte un-
gleich und erheblich verschieden, so liegt es auf der Hand, dass der schwächere Theil sich hauptsächlich hinter seine Befestigungen zurückzieht und durch deren Vertheidigung Zeit zu gewinnen sucht , bis politische Verhältnisse etc. eventuell einen Umschwung zu seinen Gunsten in der ganzen Kriegslage herbeiführen. Daher erklärt sich sehr natürlich ,
dass Mächte zweiten oder
dritten Ranges danach streben, sich wenigstens einen groszen starken Waffenplatz (Antwerpen in Belgien) zu schaffen, der zur Aufnahme der ganzen Armee geeignet erscheint, daher ertönen in der Schweiz
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
161
so manche militairische Stimmen, welche die Anlegung von Befestigungen dringend verlangen. Ebenso begreiflich ist es aber auch, dass die Groszmächte es ebenfalls nicht an Anstrengungen fehlen lassen, um durch groszartig angelegte Festungen dem siegreichen Gegner ein Halt zu gebieten, oder ihn wenigstens zu zwingen, nicht unbedeutende Theile seiner Truppen vor derselben zurückzulassen, wodurch das
verloreue Gleichgewicht
wiederhergestellt werden soll.
der Kräfte einigermaaszen
Nebenbei möge die Bemerkung ein-
flieszen, wie man heute auf kleinere Festungen, namentlich auch, wenn sie nicht günstig gelegen sind , keinen Werth mehr legt, und dass man höchstens an Fluss -Uebergängen, Eisenbahnen, schwer zu umgehenden Defiléen und wichtigen Küstenpunkten starke Sperrforts anlegt , winden sind.
kleine ,
aber
die nicht durch Feld-Artillerie zu über-
Wäre die Frage in der Ueberschrift unserer kleinen Studie bejahend zu beantworten, so hätten ja die Franzosen Recht gehabt, als sie 1870 nach einem schwachen Versuche zum Angriffe sofort zur Defensive übergingen, wozu sie die unzweifelhafte Ueberlegenheit ihres Gewehres, die sie aber rationell auszubeuten nicht verstanden, zu veranlassen schien.
Französische Stimmen in Menge hatten sich
damals für diese Art der Kriegführung ausgesprochen, natürlich mit dem Hintergedanken , wenn sich die Deutschen die Stirn beim Anlaufe gegen ihre Stellungen blutig gerannt, später selbst in die Offensive überzugehen.
Dann dürfte es aber auch heute nicht zu ver-
wundern sein, wenn man sich überhaupt von Hause aus in jedem Kriege für die Defensive entschiede, und nur unter ganz besonderen Umständen zur Offensive überginge . Wir sind sicher, dass wir jetzt schon nach dem eben Gesagten die meisten Deutschen Stimmen für uns haben werden , um keinen Preis die auszerordentlichen Vortheile der altbewährten offensiven Deutschen Kriegsführung aufzugeben.
Es kann sich also im
All-
gemeinen nur noch darum handeln, zu untersuchen , ob es nicht oft genug angemessen sein wird , die Offensive zeitweise mit der Defensive auf kürzere oder längere Zeit zu vertauschen, da letztere doch unstreitig auch ihre groszen Vorzüge hat, oder ob es nicht von wesentlichem Nutzen sein wird , an einer Stelle des Kriegsschauplatzes sich auf die Vertheidigung zu beschränken, um dann an einer anderen mit um so gröszerer Energie angriffsweise zu verfahren . Auch kann man ja, von dem Gegner in der Mobilmachung überrascht, von Hause aus genöthigt sein, sich zunächst defensiv zu verhalten, bis man mit genügenden Kräften dem Feinde entgegenzutreten
162
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ?
im Stande ist.
Am besten halten wir es selbstverständlich, an allen
Punkten sogleich mit aller Energie dem Feinde offensiv zu begegnen, und ihm das Gesetz seines Verhaltens groszentheils durch unsere Initiative vorzuschreiben. Um der nuserer Aufgabe zu Grunde liegenden Frage alsbald näher zu treten, scheint es angemessen, dieselbe in zwei andere zu zerlegen : 1 ) Welches sind die Vortheile, welche heute der Vertheidigung beizumessen sind ?
2) Worin liegen die wesentlichen Vorzüge des Angriffes gegenüber der Vertheidigung ? ad 1.
Nachdem wir bereits oben die Defensive an und für sich
von Hause aus verworfen haben, d. h. wenn uns die Wahl gelassen ist und der Gegner uns nicht von vorneherein dieselbe aufgezwungen hat, so lässt sich doch nicht verkennen, dass ihr auch und besonders seit der so wesentlichen Verbesserung der Feuerwaffen erhebliche Vortheile zuzuerkennen sind .
Sagt doch Todleben zu einem Corre-
spondenten der „Vossischen Zeitung" u. A.: „Plewna lehrt, dass der moderne Vertheidigungskrieg ein ganz
anderer geworden ist und
unendliche Vortheile dem Angriffskriege gegenüber besitzt. " Dann : „ Mit Sturm derartig (Plewna) befestigte Stellungen zu nehmen, ist bei den modernen Feuerwaffen unmöglich und wenigstens inopportun .
Man soll nie mehr als das Mögliche vom Soldaten oder
vom Offizier, auch vom bravsten, verlangen ; aber die Anforderungen, welche man beim Sturme auf Plewna an unsere Soldaten und Offiziere stellte, überstiegen das Mögliche. "
Elgger erklärt in seinem
Werke „ die neue Fechtart ", „ gegen das Schnellfeuer vermag das Bajonnet nichts .
Selbst der kühnst ausgeführte Angriff muss scheitern .
Einzelne Compagnien können, wenn sie ihr Feuer richtig verwerthen , ganze Bataillone zurückweisen .
Ein (bekanntes) Beispiel hat die
9. Compagnie des 2. Magdeburgischen Infanterie- Regiments Nr. 27 in der Schlacht von Königgrätz geliefert. "
Aus dem letzten Deutsch-
Französischen Kriege könnten wir der Beispiele genug anführen, wo die Defensive erhebliche Resultate erzielte ; wir erinnern nur an die ersten Verluste unserer Garden bei St. Privat und an die Vertheidigung von Beaune la Rolande. In den vortrefflich geschriebenen „ Militairischen Betrachtungen über den Russisch - Türkischen Krieg" vom Generallieutenant von Hanneken im ersten Beihefte zum Militair-Wochenblatte dieses Jahres finden wir, nachdem auch hier Seite 11 die unleugbare Ueberlegenheit der Vertheidigung im Allgemeinen durch die neuen Waffen
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ? betont ist , beherzigenswerthe Aussprüche, wie z. B.:
163
„Eine durch
Feldwerke gut befestigte Position ist, wenn sie durch eine ausreichende , mit dem neuen weittragenden und schnellfeuernden Gewehre bewaffnete Infanterie besetzt ist, gegen den directen gewaltsamen Angriff gesichert. "
Näher ausgeführt wird dieser Aus-
spruch dahin, dass vor den Befestigungen ein freies Schussfeld bis 2000 Schritt verlangt wird , dass auszer der Besatzung an den Brustwehren eine freie Reserve zur Verfügung bleiben müsse, und dass die verschanzte Stellung nicht gestatten darf, einzelne Theile derselben von allen Seiten umfassend anzugreifen .
Letzteres schliesze
nicht aus, dass eine nach allen Seiten verschanzte Stellung auch von allen Seiten zugleich angegriffen werden könne, nur müsse sie dann so ausgedehnt sein, dass der Angriff der einen Seite nicht zugleich ein flankirender oder gar ein Rückenangriff einer anderen Seite, sondern stets ein örtlicher Frontal-Angriff bleibe. Auch hier hat Verfasser
die
vortreffliche
Vertheidigung von Plewna im
Auge .
Gleichwohl giebt der Herr Verfasser später doch an, wie man einer solchen Stellung kommen kann.
nach und
nach ohne
zu
grosze
Verluste bei-
Wir wollen hier gleich einstreuend bemerken, dass das Beispiel von Plewna doch schlieszlich nicht maaszgebend erscheinen kann , da den Türken nicht allein Zeit gelassen war, aus ihrer Position ein sehr starkes verschanztes Lager zu schaffen, gegen dessen Befestigungen Feld- Artillerie nur wenig ausrichten konnte, und dass am Ende die offensiv operirenden Russen, nachdem sie sich dem Orte gegenüber auch defensiv verhielten, doch ihren Zweck und in einem Maasze erreichten, welches entscheidend für den ganzen Feldzug ausfiel. Es muss ja zugegeben werden, dass in den allermeisten Fällen in einer gut gewählten Position, die noch durch geschickt angelegte Feldbefestigungen verstärkt , und mit Annäherungshindernissen vor der Front, die aber die eigene Waffenwirkung nicht stören, versehen ist, und die endlich gegen Umgehungen möglichst gesichert ist, selbst eine schwächere Armee einer stärkeren gegenüber zunächst energisch Widerstand leisten , und , gleiche Kräfte vorausgesetzt, dieser Widerstand so weit fortgesetzt werden kann, dass der Vertheidiger später in die Offensive überzugehen im Stande ist, besonders wenn der die gedachte Position Angreifende seine Kräfte gegen dieselbe erschöpft hat. Man darf aber unseres Bedünkens nach eben nicht darauf rechnen, immer solche Stellungen zu finden , und hätte man sie ja gefunden, dass sie immer direct angegriffen werden. Und das heiszt
164
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ?
unseres Erachtens nach noch nicht auf die Offensive verzichten, wenn man vermeidet ,
den Stier bei den Hörnern
zu ergreifen.
Dennoch lässt sich nicht verkennen, dass man durch solche günstige Positionen schon sehr viel erreicht hat, wenn man den Angreifer zwingen kann, von einem Vorgehen in einer bestimmten selbst gewählten Richtung abzuweichen , einer der seltenen Fälle, wo die Defensive dem Angreifer wenigstens in einer gewissen Art das Gesetz vorzuschreiben im Stande ist. Wir wollen aber hierbei nicht vergessen, dass wir für die Vertheidigung gerade auch den denkbar günstigsten Fall angenommen haben, nämlich eine Stellung , die in der Front und Flanke nicht leicht angegriffen und erst in gröszerer Entfernung umgangen werden kann.
Aber zugestehen muss man es sicher, dass auch in weniger
allgemein günstigen Stellungen der Vertheidigung erhebliche Vortheile erwachsen, wenn man die Flanken möglichst gut anlehnen oder durch starke Reserven schützen kann, und wenn man gleichzeitig die Front ,
die vielleicht an und für sich schon ihre Stärken
besitzt, noch durch, wenn auch nur flüchtig, aufgeworfene Deckungen, befestigte Lisièren, Schützengräben, Batterie- Einschnitte etc. und mancherlei Hindernisse widerstandsfähiger macht.
Ueberhaupt be-
kennen auch wir uns zu der nun wohl allgemein verbreiteten Ansicht, dass der Spaten und die Hacke in zukünftigen Feldkriegen eine hochbedeutsame Rolle spielen werden, und dass nicht genug darauf hingewiesen werden kann, diese Werkzeuge in viel gröszerer Zahl als bisher bei der Truppe selbst mitzuführen, damit man sie im Gebrauchsfalle, und der wird sicher sehr oft eintreten, sofort zur Hand hat.
Wir verkennen dabei keineswegs den Uebelstand , dass
man dazu entweder den einzelnen Mann noch mehr belasten, vielleicht lässt sich sein Gepäck sonst dafür etwas erleichtern, oder die Bataillonsfahrzeuge vermehren oder aber letztere mehr befrachten muss , wodurch wieder deren Beweglichkeit leiden würde . Man muss eben wie so oft von den nicht zu vermeidenden Uebeln das kleinste auswählen, und wir halten am besten, die Spaten etc. gleich durch die Mannschaft tragen zu lassen, um sie im Gebrauchsfalle ohne Zeitverlust sofort zur Hand zu haben. Kürzlich lasen wir auch irgendwo von einer Art schmaler Spaten, die zugleich als Bajonnet dienen können . Nachdem wir oben schon kurz angedeutet haben, welche Anforderungen man an eine gute Vertheidigungsstellung macht, wollen wir noch ein wenig näher auf eine solche eingehen, wobei wir den Fall unberücksichtigt lassen, in welchem sich eine Armee auf eine
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ?
165
Festung gröszeren Ranges stützt , oder in einem vorbereiteten verschanzten Lager steht.
Die Hauptbedingungen für eine gute Stellung
sind folgende : Zuerst verlangt man möglichst freies Schussfeld mindestens auf die wirksame Tragweite der neuen Geschütze und Gewehre, ferner dass der Angreifer innerhalb derselben keine günstigen Positionen findet, von denen aus er die unserige kräftig unter Feuer nehmen kann. Ein nach dem Feinde zu sanft abfallendes Terrain hinter einem flachen Höhenrande, der dem Gegner die diesseitige Aufstellung möglichst verbirgt, mit freiem Schussfelde bis circa 2500 Schritt wäre dazu besonders wünschenswerth, wird aber nicht zu oft gefunden werden.
Der Fehler der Französischen Aufstellung bei
Wörth und Spichern war bei ihren sonstigen Vorzügen, dass die Deutschen der steilen Abhänge wegen in gröszerer Nähe bald einigen Schutz fanden.
Vorspringende Zungen und steilere Hänge müssen
von beiden Seiten kräftig zu flankiren sein.
In der Stellung selbst
werden Ortschaften , Waldparcellen etc. in den Lisièren möglichst zur hartnäckigen Vertheidigung eingerichtet, der Kamm selbst durch Schützengräben und Geschützeinschnitte verstärkt.
Auf dem Hange
bringt man ebenfalls Schützengräben an , um Etagenfeuer zu gewinnen. Vorliegende Gehöfte, Gebüsche, die man von rückwärts gut flankiren kann, werden zur Vertheidigung hergerichtet und von den Vortruppen besetzt ; im anderen Falle sucht man sie niederzubrennen, zu zerstören oder zu verhauen, damit sie dem Angreifer keine Vortheile bieten . Wir erinnern hierbei an Abbrennen gröszerer Getreidefelder, welche gegen Sichtbarkeit , einigermaaszen auch gegen Gewehrfeuer, Kartätschen und Shrapnelkugeln Schutz bieten . Hat man Zeit , so sucht man Annäherungshindernisse aller Art im allerwirksamsten Feuer (Kernfeuer) herzustellen, wenigstens an den für die Vertheidigung ungünstigen
Punkten .
Uebergänge über Gewässer,
Dämme, vor der Front und in der Flanke, zerstört man .
Zu An-
stauungen gehören viel Zeit und grosze Mittel. Der Rückzug ist heutzutage gegenüber den schnellfeuernden Waffen ein sehr übles Ding ,
ebensowohl für einen in groszer Nähe abge-
schlagenen Angriff, als auch im Massenfeuer einer gelungenen Attake. Im letzteren Falle gleichen sich die gröszeren Verluste des Angreifers häufig mehr wie aus.
Es ist daher nöthig, hinter einer selbst sonst
guten Stellung bald eine Aufnahme-Stellung zu finden, von der aus dem heftig nachdringenden, aber wohl auch sehr durch einander gekommenen Sieger energisch Halt geboten werden kann .
Defiléen
hinter einer Vertheidigungsstellung sucht man zu vermeiden, weil dadurch der Abzug zu Katastrophen führen kann .
166
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff? Ein Hauptaugenmerk hat der Vertheidiger auf seine Flanken zu Findet man starke Anlehnungen, um so besser ; der weniger
richten.
gut geschützte Flügel muss durch starke Reserven gesichert werden. Reserven überhaupt müssen dem Auge des Feindes entzogen sein, sie müssen aber gleichzeitig so zur Hand sein, dass sie nicht zu spät kommen (Gravelotte- St. Privat). Die Aufstellung und Vertheilung der Reserven ist eine nicht leichte Aufgabe.
Hält man sie an einem oder zwei Punkten zu-
sammen, so kann man vielleicht der Entfernung wegen nicht rechtzeitig Hülfe gewähren, da man vorher nicht weisz , wo der Gegner seine Hauptkräfte entwickelt.
Zu sehr zersplittert treten sie viel-
leicht nicht in genügender Stärke ein.
Doch hat man bei der wirk-
lich vorhandenen Stärke der Vertheidigung in guter Stellung, und wenn man die Maaszregeln des Angreifers rechtzeitig erkennt, meist Zeit genug , die mehr zusammen gehaltenen Reserven im richtigen Augenblicke und an der rechten Stelle einzusetzen.
Damit die Flan-
ken, die wohl jetzt am meisten gefährdeten Theile einer Stellung mehr gesichert sind , verlangt man, dass sie erst in gröszerer Entfernung umgangen werden können. Eine solche Vertheidigungsposition, wie wir sie hier geschildert, ist allerdings wohl nicht leicht anzugreifen, besonders wenn, wie wir vorausgesetzt haben, die gegenseitigen Kräfte nicht zu ungleich sind, und von ihr kann man wohl sagen, dass sie Zeit gewinnen lässt und Terrain schützt, zwei Momente, die in den heutigen wie früheren Kriegen viel bedeuten und bedeutet haben.
Dennoch aber kommen
wir auf unseren ersten Ausspruch zurück, die reine Defensive, wenn sie nicht mit der Idee verknüpft ist, zur richtigen Zeit in Offensive überzugehen, ist absolut zu verwerfen, durch sie allein kann man einen Feldzug nicht entscheiden .
Ueberdem hat die Defensive den
Nachtheil , dass man aus der schönsten Position heraus manövrirt werden kann, wenn es dem Gegner z. B. gelingt, in der Front den Vertheidiger festzuhalten, seine Rückzugslinien zu bedrohen, und ihm seine Hülfsquellen, Nachschübe aller Art , abzuschneiden. Als ein fernerer Nachtheil der Defensive dürfte noch erwähnt werden, dass der Cavallerie des Vertheidigers meist die
Gelegenheit zu
ihrer
eigentlichen Wirksamkeit genommen ist ; ihr offensives Element, und ein anderes können wir derselben nicht zuerkennen, wird sehr bald beeinträchtigt, wenn es ihr nicht gelingt, den Angreifer selbst in der Flanke zu bedrohen.
Stehend eine Attake anzunehmen , auch mit
dem heute so verbesserten Carabiner, hiesze den Geist der Cavallerie völlig misskennen ,
und die Idee ,
eine Art reitender Jäger nach
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
167
Elgger, die die Pferde nur zum schnellen Fortkommen und Einbohren in den Feind benutzen sollen, einzuführen, halten wir für verfehlt. Im Aufklärungsdienste wird sie in der Vertheidigung bald auf einen engen Raum beschränkt sein. Eine Bemerkung anderer Art möge gestattet sein, hier einflieszen zu lassen.
In den neuesten Kriegen hat wohl nicht mit Unrecht
Alles zu einer raschen, möglichst ausgiebigen Entscheidung gedrängt. Dies wird aus vielen nicht hierher gehörigen Gründen auch in den folgenden Kämpfen erstrebt werden.
Ob aber trotz der Massen, mit
denen man heute auftritt, ein solcher Erfolg, wie ihn unsere letzten Kriege wiederholt gezeigt haben, immer wieder so schnell eintreten wird, will uns bei der nicht 6 ganz zu leugnenden Stärke der Vertheidigung nicht recht einleuchten. Wir glauben sogar, dass es nicht selten zu mehrtägigen und längeren Schlachten kommen wird , wie auch der letzte Russisch-Türkische Krieg bei Plewna und am SchipkaPasse gezeigt hat.
Ferner, ob die Schlachten so entscheidend aus-
fallen werden, wie z. B. bei Sedan, dürfte bei der gleich guten Bewaffnung und der annähernd gleichen Stärke der Heere eine neue Frage sein.
Und oben haben wir schon davon gesprochen, welchen
Werth es hat , Zeit zu gewinnen und Terrain zu decken. rücksichtige
dabei noch den
Man be-
hohen Werth der heutigen groszen
Festungen , in die allerdings mit einem groszen Heere sich auf längere Zeit einschlieszen zu lassen, ein groszer Fehler wäre, wie der letzte Deutsch-Französische Feldzug gezeigt hat.
Einmal darin
eingeschlossen, kommt man, wenn dem Gegner Zeit gelassen ist, sich ringsum selbst gut zu verschanzen, schwer wieder heraus, und man hat immer zu fürchten, mit dem Heere und der Festung wegen Mangel an Subsistenzmitteln zugleich capituliren zu müssen . Ein fernerer Vortheil des Vertheidigers über den Angreifer ist, dass ersterer in Ruhe ist und die Vorzüge des womöglich aufgelegten Gewehres besser ausnutzen kann, während letzterer in Bewegung unruhiger schieszt .
Dazu kommt, dass der Angreifer nur zufällige
Deckungen zu benutzen im Stande ist , während der Vertheidiger ausgewählten und wohlvorbereiteten Schutzes genieszt.
Diese Vor-
theile muss letzterer durch die möglichste Steigerung des Feuers richtig verwerthen. Zum Schlusse über die Vortheile der Vertheidigung wollen wir noch die Ansicht aussprechen, dass es wohl von groszem Nutzen sein kann, an einer Stelle sich auf die Vertheidigung zu beschränken , wenn es sich darum handelt, an einem anderen Orte mit Uebermacht aufzutreten und um so energischer die Offensive zu ergreifen.
Dieser
168
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
Fall ist sowohl denkbar in einer Schlacht, als auch auf von einander entfernten Kriegsschauplätzen.
Darauf näher einzugehen, wird man
uns wohl erlassen, um nicht zu weitläufig zu werden, und weil derselbe sich am Ende von selbst erklärt. Aber dieser Vortheil kommt doch im groszen Ganzen mehr der allgemein angenommenen Offensive zu gut, die eben nur auf einer oder der anderen Stelle defensiv auftritt.
Und hiermit wollen wir zum zweiten Abschnitte unserer Be-
trachtungen übergehen, welcher lautet :
2) Worin liegen die wesentlichen Vorzüge des Angriffes gegenüber der Vertheidigung ? ad 2.
Die einzig wahre Idee in einem jeden Kriege geht darauf
hinaus, den Feind zu vernichten .
In einem meist gut geschriebenen
Artikel der „ Deutschen Heeres-Zeitung" , welcher in Nr. 1 dieses Jahrgangs beginnt und „ Ueber Operationen und Schlachten " betitelt ist, lesen wir darüber : „ Die Absicht, den Feind zu vernichten, lässt sich direct nur erreichen, indem man auf denselben losgeht, ihn anfasst und in taktischem Ringen zu Boden wirft. Operation ist die angriffsweise geführte.
Die einschlägliche Kommt die eigene
Vorwärtsbewegung am Feinde zum Stillstande, um demnächst in eine Rückwärtsbewegung überzugehen etc., so ist die Operation eine (den Feind) aufhaltende geworden. " Als dritte Art der Operation ist die abwartende erläutert. Letztere beiden Arten beziehen sich auf die Defensive .
Dann heiszt es weiter :
„ Die angriffs-
weise Operation ist es , welche mit den Absichten der auf moralische Principien gegründeten Kriegsführung am vollkommensten harmonirt, beide Abarten müssen als Ausnahmen gelten. "
Wenn auch insofern die Vertheidigung, wenigstens im Beginne einer Schlacht, die stärkere Kampfesweise genannt werden kann, als sie erheblichen Nutzen aus geschickter Benutzung der Waffen und des Terrains, sowie aus taktischen Ueberraschungen ziehen kann, so wird derselbe doch mindestens ausgeglichen durch das moralische Element des Angriffes und vorzugsweise dadurch, dass sich der Vertheidiger das Gesetz vom Angreifer vorschreiben lassen muss .
Wie
lange ist häufig die Defensive unschlüssig über die eigentlichen Absichten des Gegners , und wie oft resultiren daraus Unsicherheiten in den zu ergreifenden Gegenmaaszregeln !
Wie schwer ist es oft,
einen Scheinangriff oder Nebenangriff von der wirklichen Hauptaction zu unterscheiden ?
Hat nicht Bazaine am 18. August seine Reserven
hinter seinem vorzugsweise bedroht geglaubten linken Flügel zu lange festgehalten ? Und dient ihm nicht zur Entschuldigung , dass auch dieser Flügel so anhaltend und energisch angegriffen wurde,
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
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während die Entscheidung erst am späten Abende auf dem anderen von den Deutschen erkämpft wurde ? Wie schwer muss es auch einem Oberfeldherrn in der Defensive werden, bei der heutigen Ausdehnung der Schlachtfelder, die wahre Absicht der Offensive zu erkennen.
Die Offensive ist sich dagegen von Hause aus ihres End-
zieles bewusst, sie weisz genau, wo, wann und wie sie ihre Hauptkräfte einzusetzen hat. Von Boguslawski bezeichnet als Charakteristik der heutigen Angriffsschlacht Umfassung und concentrischer Angriff.
Ihm schwebte
dabei sicher Sedan vor, wo von allen uns bekannten Schlachten diese Kampfesweise am deutlichsten zum Ausdrucke kam. Bei Plewna hat wenigstens die Umfassung schlieszlich auch den Erfolg davongetragen. die
Bedenklich scheint auch uns, wie von Boguslawski, heute
Verwendung groszer
Schlachtfelde.
Cavalleriemassen
auf dem
eigentlichen
Ihr am deutlichsten ausgeprägtes offensives Element
ist vorher im weiten gewaltsamen Aufklären, im Verschleiern der Bewegungen der Heere, und kommt allenfalls in einer gesonderten Reiterschlacht mit der feindlichen Cavallerie zum Ausdrucke. Während der entscheidenden Hauptkämpfe der Infanterie- und Artilleriemassen bleibt sie in Reserve oder bedroht die feindlichen Flanken, und wird dann noch einmal in Verbindung mit reitender Artillerie zur Ausbeutung des Sieges, wenn möglich in langer Verfolgung eingesetzt. Aber auch in diesem Falle, wo der Cavallerie manche Trophäe zufallen wird, muss bald frische Infanterie nachgeschickt werden, weil der retirirende Feind sich an jedem Abschnitte, an jedem Defilée festsetzen wird, um Ordnung und Halt herzustellen.
Im Gegensatze zu
dieser Verwendung gröszerer Cavalleriekörper müssen aber die den Infanterie - Divisionen zugetheilten Reiter- Regimenter jede Gelegenheit zu einem blitzähnlichen Eingreifen unter geschickter Benutzung des Terrains ergreifen, sei es um Tirailleurlinien von der Flanke aus aufzurollen oder plötzlich in eine Batterie einzufallen etc. Zu den obenerwähnten Scheinangriffen lässt sich heute besonders gut Artillerie mit ihren weittragenden Geschützen verwenden.
Die-
selbe tritt dann als sparsamste Waffe auf und riskirt selbst sehr wenig.
Sie bedarf nur geringen Schutz an Infanterie auf ihren
Flügeln, während Cavallerie mit reitender Artillerie vielleicht noch eine Umgehung einer führen kann .
feindlichen
Flanke
andeuten
oder durch-
Dass man nun ferner nach den Erfahrungen von 1870 bis 1871 und des letzten Russisch - Türkischen Krieges nicht mehr gröszere geschlossene Truppenkörper im wirksamen Bereiche der feindlichen
170
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
Feuerwirkung
zeigen darf, dass selbst ein Vorgehen mit dichten
Schwärmen im freien ungedeckten Terrain sich schwer bestraft, darüber brauchen wir nicht mehr viele Worte zu verlieren. In der Entwickelung der Taktik seit dem Kriege von 1870 bis 1871 hat von Boguslawski, II . Theil, Band I, Seite 138, die Nothwendigkeit dargethan, dass man selbst Umwege nicht scheuen soll, wenn auch einiger Zeitverlust damit verknüpft sei, im Falle man dadurch mehr Deckung für den Anmarsch gegen den Feind erreicht.
In den zu-
künftigen Schlachten würden sonst auch nach unserer Ansicht die reinen Frontal-Angriffe bei der colossalen Feuerwirkung auf sehr bedeutende Entfernungen schon zu den gröszten Verlusten führen. Dieselben würden bald die fortwährend verstärkten Feuerlinien zum Stocken bringen, der Angriff lässt sich nicht mehr gut vorwärts tragen, und greifen schlieszlich auch feste geschlossene Truppenkörper mit ein, so werden sie nicht selten so geschwächt an den Feind herankommen, dass schnell und plötzlich auftretende Reserven des Feindes meistens den Angriff scheitern machen werden, ja denselben durch Schnellfeuer, und hier ist gewiss der richtige Ort für dessen Verwendung, leicht in eine Katastrophe verwandeln können . Eine so abgewiesene Truppe scheint uns nur ausnahmsweise an demselben Tage noch einmal verwendungsfähig.
Von einer solchen
reinen Frontal-Angriffsweise sind aber auch die meisten bedeutenden Militairschriftsteller abgekommen . Ganz zu vermeiden ist sie natürlich nicht , aber nach unserer Ansicht nur durchführbar in Verbindung mit Flankenangriffen und Concentriren des Angriffes auf einzelne Theile der feindlichen Stellung, durch Einbohren in dieselbe. In der letzten Nummer des Militair-Wochenblattes vom vorigen Jahre sind die Folgerungen aus von Boguslawski's mehrfach genanntem Werke, Band II , so zusammengefasst , deren Richtigkeit nicht zu bestreiten, sondern allgemein anerkannt sei : „ Geschlossene Abtheilungen in erster Linie sind in freiem Felde nicht verwendbar ;
der Schützenschwarm ist die eigentliche Gefechtsform ,
Schützenanlauf die des Angriffes."
der
Wir müssen hier einschalten,
nachdem die Artillerie den Feind genügend erschüttert hat.
„ Die
Besetzung der Waldränder muss bei jetziger Feuerwirkung betont werden. Deutsche Reiterei zeigt sich im Aufklärungsdienste überlegen, ihre Schusswaffe als unzureichend, die Beigabe von Infanterie als nothwendig. Reiterangriffe gegen unerschütterte Infanterie bleiben ohne dauernden Erfolg ; ihnen gegenüber ist das Feuer der Artillerie nicht von einschneidender Wirkung." Dabei möchten wir doch zwei Bemerkungen einflieszen lassen ,
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ?
171
erstens, dass durch Beigabe von Infanterie zur Reiterei, ähnlich wie wir es bei den letzten Oesterreichischen Manövern gesehen haben, wo die Jäger-Bataillone dazu bestimmt waren, die Beweglichkeit der letzteren sehr empfindlich beeinträchtigt werden muss .
Das schlieszt
nicht aus, dass man Infanterie in geeigneten Fällen bald folgen lässt, wie wir es z. B. oben bei Ausbeutung einer gewonnenen Schlacht in der Verfolgung durch Cavallerie und reitender Artillerie ausgesprochen haben.
Zweitens halten wir die Ansicht nicht für richtig,
dass das Feuer der Artillerie gegen Reiterangriffe nicht von einschneidender Wirkung sei . Hat sich doch unsere Artillerie im letzten Kriege oft genug mit der noch ziemlich mangelhaften Waffe sogar den gefährlicheren Feind , die Tirailleurlinien, vom Halse geschafft, wie sollte es ihr nicht gelingen, mit dem heutigen so verbesserten Geschütze und dem auszerordentlich kräftigen Shrapnelschusse das nicht zu verfehlende grosze Ziel anstürmender Cavallerie gründlich abzuweisen.
Ueberdem ist der Kartätschschuss viel wirksamer ge-
worden, besonders durch gröszere Zahl der Kugeln und 2½ Mal stärkere Ladung besseren Pulvers , wenn auch die Schusstafel nur bis 400 Meter (gegen 450 und 500 des älteren Geschützes) reicht. Ueber die Mitwirkung der Artillerie behufs Vorbereitung eines Angriffes sagt ein Aufsatz der Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine " im 36. Hefte derselben : „ Es dürfte (daher) zu behaupten sein, dass bei dem heutigen Zustande der Feuerwaffen und bei den Formen der Einzelordnung die angreifende Infanterie nicht im Stande ist, durch ihr Feuer den Gegner zu erschüttern, zu verdrängen. Um dies zu ermöglichen, müssen dem Truppenführer andere Mittel zu Gebote stehen : die Mitwirkung der Artillerie !
Nur die Ar-
tillerie ist heutzutage noch in der Lage, einen im Terrain gedeckten Gegner durch ihre Geschosse zu erreichen und zu erschüttern. Hinter die Deckungen im freien Felde, Schützengräben u. s . w. vermag sie mit Shrapnels von oben herab zu gelangen ; die Deckungen, welche Gebäude oder andere ähnliche Gegenstände bieten, vermag sie durch Granaten zu zertrümmern. "
Die schöne Zeit , um mit Arkolay zu
sprechen, wo noch die Kartätsche nicht allein das beste Mittel zur Vertheidigung , sondern auch zum Angriffe war, sind freilich längst vorüber. Auch von Elgger sagt Seite 88 seiner neuen Fechtart : „ Da der Angriff gegen früher sehr schwierig geworden ist ,
so wird er, von
Infanterie allein unternommen, in den seltensten Fällen zum Ziele führen.
Nur die Mitwirkung des Geschützes vermag dem Vor-
theile, den der Hinterlader dem Vertheidiger gewährt, einigermaaszen
172
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff ?
die Wage zu halten. "
Dann schreibt Ernestus (?) in den kritischen
Betrachtungen über die Zukunft der Feld-Artillerie :
„ Das Feuer-
gefecht hat im letzten Kriege weitaus die erste Rolle gespielt etc. Es ist aber natürlich, dass bei einer solchen Gefechtsweise diejenige Waffe, deren ganzes und alleiniges Wesen das Feuergefecht ist, zum Gipfelpunkte ihrer Thätigkeit gelangen muss. Diese Waffe ist die Artillerie, und ihre Zukunft ist eine Frage, welche nicht nur die Waffe selbst, sondern auch das ganze Heer tief berührt."
Und wie
freudig hat immer die Infanterie den ersten Schuss der Artillerie begrüszt ! Endlich lesen wir wohl mit allgemeiner Zustimmung bei Major von Schell in der „ Studie über die Taktik der Feld-Artillerie " , dass diese Waffe sich ihrer früheren Eigenschaft , lediglich „ Hülfswaffe " der anderen Waffen zu sein, entkleiden konnte, und bewiesen hat, dass sie unter besonderen Verhältnissen auch selbstständige Aufgaben zu lösen vermag und selbstständig Entscheidungen herbeizuführen Ferner : „ Es bietet diese Waffe reiche Mittel , den
im Stande ist.
Gefechtszweck oft in kürzester Zeit und mit den geringsten Verlusten zu erreichen . Denn gerade die Artillerie besitzt die ausgedehnteste Wirkungssphäre und noch auf bedeutendste Entfernungen eine gewaltige Vernichtungskraft ; sie nutzt sich im Kampfe am wenigsten ab , unterliegt moralischen Einflüssen weniger leicht als die anderen Waffen und bleibt selbst eingesetzt und ausgegeben, auch unter schwierigen Verhältnissen am meisten in der Hand der Gefechtsleitung."
Wir möchten hinzufügen, ihre Feuerkraft verliert,
selbst wenn über die Hälfte der Bedienungsmannschaften auszer Gefecht gesetzt ist, Nichts an Werth, so lange noch kein Geschütz demontirt ist. Man denke dagegen an ein Bataillon, welches die Hälfte seiner Leute verloren hat. In den Grenzen unserer Aufgabe liegt es nun keineswegs, den voraussichtlichen Gang einer Angriffsschlacht zu schildern, wir wollen uns vielmehr streng an den Inhalt unserer zweiten Frage, die sich mit den Vorzügen des Angriffes beschäftigt , halten, und dabei der nicht zu verkennenden Stärke der Vertheidigung Rechnung tragen . Dem Angriffe ist es sicher gestattet, sich die Schwächen der feindlichen Stellung zum Ziele auszuwählen, und wenn auch Irrthümer im Einzelnen dabei möglich sind, so wird doch darüber kein Zweifel herrschen, dass schwach angelehnte Flanken , Bedrohung der HauptRückzugslinie des Gegners zu Maaszregeln veranlassen, welche die Vertheidigung schwankend machen. Der Versuch des Festhaltens des Vertheidigers in der Front und damit zusammenhängend Um-
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
173
fassungen und Umgehungen in groszem Maaszstabe, werden oft schon genügen, denselben zum Aufgeben einer an und für sich festen und noch fester gemachten Stellung zu veranlassen.
Glaubt derselbe aber
dem Umfassen und Umgehen begegnen zu können, und will es auf den Kampf um die Stellung ankommen lassen, so entsteht eine neue Verlegenheit für ihn. Er weisz nicht früher, wohin, auf welche Punkte derselben der Angreifer seine besonderen Kraftanstrengungen richten wird, bis der Angreifer durch concentrische Wirkung seiner Artillerie aus einer zweiten näheren Aufstellung ihm dies klar macht. Aber auch ein Schein- oder Neben- Angriff wird seine Artillerie ähnlich gebrauchen, und es fragt sich sehr, ob es dem Vertheidiger gelingt , seine Haupt- Reserven rechtzeitig und am richtigen Orte zu verwerthen, da die Entfernungen bei der heutigen Ausdehnung der Schlachtfelder oft sehr grosz sein werden. Der Vertheidiger ist auszerdem an seine Stellung gebunden. Wollte er daraus bald vorbrechen, so würde er die sonstige Stärke derselben aufgeben . Der Angreifer dagegen kann sich dem feindlichen wirksamsten Feuer durch geschickte Terrain-Benutzung und Bewegung mehr oder weniger entziehen. Sehr schön spricht der General der Cavallerie von Hartmann in seinen kritischen Versuchen über diese Schwächen des Vertheidigers (Seite 32, Heft 1 ) , nachdem allerdings kurz vorher ebenfalls von der Stärke der Defensive die Rede war . Ueberdem wird der Angreifer erst, nachdem die Position des Vertheidigers durch concentrirtes Massen-Artilleriefeuer erschüttert ist, zum wirklichen Angriffe vorgehen und zwar in einer Richtung, dass möglichst lange das diesseitige Artilleriefeuer nicht maskirt wird.
Staffelweise folgt die Artillerie des Angreifers, welcher über-
dies auf das Sorgfältigste jede Terrainfalte benutzt , bis auf circa 600 Meter, und wartet hier den Erfolg des groszen Anlaufes der Schützen ab, zwischen welche sich zuletzt nach und nach geschlossene Soutiens eingeschoben haben. Gelingt der Angriff , so wird der geworfene Feind mit Schnellfeuer überschüttet, die Artillerie eilt in die genommene Position mit vor und verfolgt mit ihrem Feuer mögIm anderen Falle nimmt sie die abgeschlagene Infanterie auf und geht mit ihr bis zu den diesseitigen Reserven zurück. lichst lange.
Spricht man dann endlich davon, dass der Vertheidigung ganz besonders die Verbesserung der neuen Feuerwaffen zu Gute gekommen ist , so können und wollen wir dies ganz besonders nicht Wir sehen es wenigstens nicht ein , dass der Angriff durch diese Verbesserung nicht ebenfalls und ebensoviel gewonnen verstehen.
haben sollte. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
12
174
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff? Wir möchten hierbei, indem wir allerdings der Stärke der Ver-
theidigung eine neue Concession machen, ventilirte Frage berühren.
eine neuerdings vielfach
Es handelt sich um eine verlangsamte
Offensive mit dem Spaten in der Hand, welche man eine DefensiveOffensive nennen könnte, wobei der Hauptnachdruck immer noch auf der Offensive ruht.
Es würde dies für den Feldkrieg ähnliche
Maaszregeln involviren, wie bei einer Cernirung im Festungskriege . Wir brauchen wohl nicht erst an die Russisch-Rumänische Cernirung von Plewna zu erinnern, die aber nur theilweise hierher passt, weil bei dieser Cernirung schlieszlich mehr die Defensive als die Offensive prävalirte und der Gedanke vorschwebte, den Türken jede Zufuhr
und jeden Entsatz
abzuschneiden ,
sie
auszuhungern.
Der
Durchbruchsversuch wurde ja bekanntlich fast nur durch die Defensive abgeschlagen. Sehr interessant ist , was Generallieutenant von Hanneken in dieser Beziehung in seinen schon oben berührten Betrachtungen über den Russisch-Türkischen Krieg , Seite 6 unten und folgende, sagt. Nur will uns nicht wohl einleuchten, warum der Herr General Seite 7 oben in der Vertheidigung die Artillerie für fast ganz entbehrlich hält , während der Angreifer mit ein Hauptgewicht auf die Verwendung seiner Geschütze legen wird und muss. Wir führen die hier niedergelegten Ansichten, die im Allgemeinen den unserigen widersprechen, aber nur an, um auf seine sogenannten Schanzenschlachten einzugehen, und zugleich uns gegen seine nächtlichen Schlachten auszusprechen. Wer sich erinnert, wie schwer es ist, sich in fremdem Terrain in der Dunkelheit zu orientiren und zu marschiren ; wer sich erinnert, wie oft freundliche Truppen bei Einbruch des Abends etc. sich gegenseitig beschossen haben, wird sich schwer für nächtliche Gefechte und Schlachten erwärmen können, und die gehofften Vortheile, namentlich etwaige eigene geringere Verluste beim Angriffe, aufgeben . Etwas ganz Anderes ist es mit nächtlichen Unternehmungen im Festungskriege, aber auch da, wo man durch längeren Aufenthalt und bessere Bekanntschaft mit dem Terrain mehr orientirt ist , dürfte man ebenso oft auf Fehlschlagen als Reüssiren in der Kriegsgeschichte stoszen. Ein gedecktes Vorgehen in einem sonst wenig Deckung bietenden Terrain gegen eine verschanzte Stellung mit dem Spaten und der Hacke in der Hand halten wir übrigens auch für sehr ersprieszlich .
Von Elgger meint darüber : „ Bei der Schwierigkeit , welche offener Angriff auf einen für die Vertheidigung günstigen (und ein
noch befestigten) Höhenzug darbietet, dürfte es in vielen Fällen das
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
175
Angemessenste sein, den Vertheidiger gegen Abend in seine Hauptstellung zurückzudrängen und sich der vorliegenden Punkte zu bemächtigen. Während der Nacht werfen die Schützen möglichst nahe an der feindlichen Aufstellung Jägergräben auf (sowie Geschützemplacements fügen wir hinzu) ; unter dem Schutze der Dunkelheit werden die Colonnen herangezogen, und gegen Morgen sucht man die feindliche Stellung im raschen energischen Anlaufe zu erstürmen.“ Wir finden dies Verfahren doch noch etwas bedenklich. Es scheint nur einen Vortheil zu bieten, nämlich den, dass man im gewaltigen Feuer nicht so grosze Strecken zurückzulegen hat, und weniger Verluste erleiden wird.
Aber ohne vorher die feindliche Stellung be-
sonders durch starkes Artilleriefeuer zu erschüttern, scheint uns das Gelingen des Angriffes in dieser Weise nicht mehr Chancen zu bieten als das Misslingen. Wir neigen uns mehr in Bezug auf einen Angriff mit dem Spaten in der Hand den Ansichten des Generals von Hanneken zu , wenn derselbe auch etwas weit ab die erste Gegenverschanzung (bis 3500 Schritt) unter Umständen annimmt.
Demnächst soll der Angreifer
sich gedeckte Annäherungswege schaffen, die so weit fortzuführen seien, bis der freie Raum, der zum Sturme durchschritten werden muss, auf ein möglichst geringes Maasz zurückgeführt ist (Seite 13 und
14 :
Mehrtägige Schanzenschlacht).
Er will auch
nächtlich
rascher vorschreiten und sich befestigen. Nicht selten findet man in militairischen Abhandlungen Andeutungen, dass man mit dem Ausspruche einer Mobilmachung zugleich auch einen Belagerungstrain, wenigstens eine gröszere Zahl Belagerungsgeschütze mittleren Calibers ,
vielleicht 12 Centimeter,
mobil machen müsse, die in nicht zu groszer Entfernung den über die feindliche Grenze vorrückenden Heeren
zu folgen haben.
Es
lag gewiss bei dieser Idee der Gedanke zu Grunde, mit Hülfe dieser Geschütze kleinere Festungen, die bekanntlich alle einem Bombardement von Feldgeschützen widerstanden ,
Sperren von Eisenbahn-
brücken etc. rasch zum Falle zu bringen und dadurch besonders die Haupt-Eisenbahn-Communicationen, die Verbindung nach rückwärts, frei zu machen. Wir stellen hier die Ansicht auf, dass es entschieden auch von Vortheil sein würde, diese Geschütze gegen eine stark verschanzte Stellung zu verwenden, aus welcher der Feind nicht herausmanöverirt werden kann, die langer Hand vorbereitet ist und unbedingt angegriffen werden muss .
Dies wird um so nöthiger werden, wenn der 12*
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff?
176
Feind etwa selbst in seiner Position über Geschütze schwereren Calibers, als die Feld-Artillerie mitführt, gebietet. Ehe wir zum Schlusse eilen, sei es uns noch gestattet , einige Lehren aus den militairischen Werken Friedrich's des Groszen, entnommen der Nr. 5 des jetzigen Jahrganges der „ Deutschen HeeresZeitung", für die bessere Begründung unserer bisher niedergelegten Ansichten herbeizuziehen, die trotz der veränderten Sachlage groszentheils immer ihren Werth behalten : n Eine ausschlieszliche Defensive taugt nichts , denn es ist Alles dabei zu verlieren und Nichts zu hoffen. Ich ziehe einem solchen Verhalten die Kühnheit eines Generals vor, der zur rechten Zeit eine Schlacht wagt, denn er hat Alles zu hoffen, und selbst im Unglücke bleibt ihm noch immer das Hülfsmittel der Defensive. Jeder offensive Feldzugsplan verlangt, dass man die Grenzen des Feindes genau prüfe, dass man, nachdem über die Punkte zum Angriffe gründlich berathen worden, den Ort bestimmt , wo sich die Armee versammeln soll, dass man für Lebensmittel sorgt. Es ist eine alte Regel der Kriegskunst , dass ,
wenn ihr Eure
Kräfte theilt , die einzelnen Corps geschlagen werden.
Wenn Ihr
eine Schlacht schlagen wollt , so zieht so viel Truppen zusammen, als Ihr nur immer könnt, denn man kann sie niemals nützlicher anwenden. " Heiszt Letzteres nicht getrennt marschiren, vereint schlagen ? „ Kleine Geister wollen Alles conserviren, vernünftige Leute sehen aber nur auf die Hauptsache. Nichts.
Wer Alles bewahren will , bewahrt
(Will die Defensive nicht Alles bewahren ?)
Ich für meine Person würde niemals in der Nacht angreifen, weil die Dunkelheit derselben allerlei Verwirrung verursacht , und weil viele Soldaten ihre Pflicht nur dann thun, wenn man sie unter Augen hat und sie Strafe befürchten müssen . Das System einer stärkeren Artillerie muss man, so belästigend es auch ist, durchaus annehmen. vermehrt.
Ich habe die Meinige beträchtlich
Sie soll mir in der Folge die Infanterie, die, je länger
der Krieg dauert und je mörderischer er geführt wird , sich immer mehr vermindern muss , ersetzen. " Zum Schlusse unserer kleinen Studie möchten wir uns nach allem bisher Gesagten wohl die Behauptung aufzustellen erlauben, dass man keineswegs bestimmt aussprechen darf, die Vertheidigung sei heute stärker als der Angriff, wobei wir nicht vergessen, dass wir sicher nicht genug Werth auf das moralische Element gelegt haben und dieser ist nicht hoch genug anzuschlagen. Im Gegentheil,
Ist heute die Vertheidigung wirklich stärker als der Angriff? wir vertreten gern die Ansicht ,
177
dass der Offensive unbestreitbare
Vorzüge vor der Defensive eingeräumt werden müssen.
Das frische
fröhliche Preuszische und Deutsche Vorwärts, wir meinen kein blindes Darauflosgehen, möge, wenn es sein muss, noch lange unsere Fahnen siegreich in Feindes Land führen .
Die anfänglich beim Angriffe
unvermeidlichen groszen Verluste, ohne die nun einmal kein Sieg zu erlangen ist, darüber muss man sich klar geworden sein, sie gleichen sich bald mehr wie aus, ist die Schlacht einmal und zwar ກ offensiv durchgeführt" gewonnen. Die reine Defensive erscheint uns demnach die am wenigsten Erfolg versprechende Kriegführung, man kann aber durch Verhältnisse und den Feind dazu gezwungen werden. Vollkommener erscheint die Defensive-Offensive, die Palme verdient unter allen Umständen die reine Offensive. ----- -com
XII .
Der Verlust der Panzerschiffe : „ Captain“ , „ Vanguard", „ Magenta" und ,, Groszer Kurfürst". Das Leben des Seemanns ist ein stetes Schweben über dem Abgrunde, lange Uebung und fortwährende Wachsamkeit sind seine Waffen gegen die ihn umgebenden Gefahren, reicht eine derselben nicht aus , oder fehlen beide, oder überwältigen die Elemente in irgend einer Form seine Kräfte, dann treten jene Katastrophen ein, welche im seemännischen Leben nur zu oft zu verzeichnen sind. In dem letzten Jahrzehnt sind die Katastrophen auch in den Kriegsmarinen ziemlich häufig gewesen, so versank im Jahre 1870 bei stürmischem Wetter im Biskayischen Meere durch Kentern das Englische Panzerthurmschiff „ Captain " , es retteten sich in einem zufällig Kiel unten treibenden Boote von seiner Besatzung nur ein Feuerwerker und 22 Mann. Der „ Captain" dampfte unter gerefften Marssegeln, er fiel um während einer Mittelwoche gegen 12 Uhr Nachts und verschwand, ohne dass man auf den anderen Schiffen etwas davon gemerkt hätte . Der " Captain" war das erste gröszere Thurmschiff und nahm seinen Erbauer, den Captain Coles, mit in Tiefe.
178
Der Verlust der Panzerschiffe : „Captain“ , „Vanguard“, Trotz vielen Widerstrebens ist der Bau der Panzerthurmschiffe,
denen im Allgemeinen eine geringe Stabilität zugeschrieben wird, bis in die neuesten Tage bei fast allen Nationen eingeführt worden. Der Seemann kann sich mit derartigen Schiffen nur selten befreunden, die Thürme erschweren und verhindern fast jedes Manöveriren an Deck , die Thürme selbst , in denen die Hauptwaffen enthalten sind ,
schlieszen die Bedienungsmannschaften vollständig von
der
Auszenwelt ab, und nehmen ihnen die Umsicht, die von kämpfenden Leuten verlangt wird ; schlieszlich sind die Boote auf Thurmschiffen nur schwer zu Wasser zu bringen und, wie schon oben bemerkt, ist das Zutrauen in die Seeeigenschaften dieser Schiffe durch den Untergang des „ Captain " ein für alle Mal stark erschüttert worden. Die jüngsten Vorgänge mit dem schweren Panzerthurmschiffe „ Inflexible " ( 11,500 Tonnen, 610 Millimeter Panzer, 4 80-Tonnen-Kanonen) haben diese Vermuthungen nur wieder bekräftigen können. Das nächste Panzerschiff, welches vom Wasser verschwand, war das Englische Panzerschiff „Vanguard " ; ebenfalls im Geschwader dampfend, wurde es von seinem Hintermanne, den „ Iron Duke " , allerdings bei sehr nebeligem Wetter, gerade in dem Momente gerammt, als der Letztere, um jeder Gefahr auszuweichen, aus der Kiellinie des Vordermannes gehen wollte ; das Unglück wollte es, dass kurz vorher, um einem Kauffahrer aus dem Wege zu gehen, der „ Vanguard" ebenfalls aus dem Course gefallen war, auszerdem aber seine ursprüngliche Fahrgeschwindigkeit vermindert hatte.
Das Leck des
„ Vanguard" (4,60 Meter breit , 1,20 Meter hoch) war so bedeutend, dass nach kurzer Zeit die Maschine mit ihren Feuern unter Wasser kam, um das Schiff zu erhalten, also nur noch die Möglichkeit übrig blieb , entweder das eindringende Wasser auf ein oder zwei Compartments zu beschränken, oder es durch den Iron Duke " nach einer möglichst seichten Stelle, deren verschiedene in nächster Nähe waren, hinschleppen
zu lassen.
Man schloss daher alle wasser-
dichten Abtheilungen, eine Arbeit, welche auf dem gut einexercirten Schiffe in fünf Minuten ausgeführt wurde (später bewies man auf dem gleichen Schiffe „ Iron Duke " , dass zehn Minuten nothwendig seien zum vollkommenen Verschlusse) , und bemannte die sämmtlichen groszen Handpumpen. Die Thatsache, dass das Schiff dennoch versank, bewies, dass die Pumpen im Verhältnisse zum Leck nicht gentigendes Wasser schafften, und dass die Compartments nicht ganz geschlossen waren. Später stellte es sich dann auch heraus, dass auszer nicht vollständigem Schlusse der Compartments ein nicht gentigend bekanntes Loch in eine der Zwischenwände eingeschnitten war, ein
"Magenta" und "Groszer Kurfürst". Loch von zwei Quadrat-Fusz Englisch , das Schiff sinken zu machen.
179
welches immer hinreichte,
Der „Vanguard " versank nach hefti-
gem Schwanken, bei dem die oberen Stängen brachen, 60 bis 70 Minuten nach dem Zusammenstosze, und 15 Minuten, nachdem der Commandant das Schiff verlassen hatte ; derselbe hatte bis zu seinem Boote nur zwei oder drei Stufen der Treppe hinunter zu steigen. Der Verlust dieses Schiffes hatte den Beweis geliefert , dass das Schiff , welches durch ein anderes in der Grösze des „ Iron Duke " (6000 Tonnen) mit gegen acht Seemeilen Fahrt gerammt wird, sich vermöge gut geschlossener und gut angelegter Compartments über dem Wasser halten kann, eventuell dass Zeit vorhanden ist , wirksame Gegenmittel anzuwenden ; dass ferner das rammende Schiff bei einem Auftreffwinkel von 25 bis 30 Grad, von hinten aufkommend, wie in diesem Falle, nur einen geringen Schaden davon zu tragen hat.
Schlieszlich wurde noch beobachtet, dass das Schiff erst seine
letzten Bewegungen machte, als das Wasser das Deck erreichte. Demnächst ging eine Französische Panzerfregatte unter, die „ Magenta " ; sie verbrannte im Hafen von Toulon.
Der Verlust an nichtgepanzerten Kriegsschiffen ist der groszen Anzahl entsprechend ein sehr viel höherer gewesen. Die allerletzten gröszeren Unglücke trafen die Amerikanische Marine durch den Untergang des 99 Huron " , ein Schiff von 1020 Tonnen, dann die Englische Marine durch das Kentern der Segelfregatte „ Eurydice " , wobei die ganze Besatzung von 320 Mann bis auf 2 umkam. Aber auch die Deutsche Marine ist nicht von dergleichen tragischen Begebenheiten verschont geblieben, sie verlor am 2. September 1860 im Gelben Meere, während eines heftigen Sturmes, den Segelschooner " Frauenlob " und im Jahre 1861 im Herbste die Segelcorvette " Amazone " in der Nähe der Holländischen Küste. Beide Schiffe
sind mit Mann und Maus untergegangen, und nur von der „ Amazone " sind einige wenige Ueberbleibsel an den Strand gespült worden . Bis in diese Tage blieb dann die Deutsche Marine vor weiteren Schiffsverlusten verschont ,
als
plötzlich den 31. Mai Mittags um
3 Uhr ein Telegramm aus Folkestone eintraf: „Ein Deutsches Panzerschiff von einem anderen gerammt versunken, das zweite im Sinken. " Der bald darauf eintreffende officielle Bericht des Geschwaderchefs , des Contre- Admirals Batsch ,
verringerte insofern zwar die Besorg-
niss, als er nur den Untergang des einen Schiffes meldete, aber er machte auch zur Gewissheit ,
dass der
satzung des "9 Groszen Kurfürsten " gegangen sei.
gröszere Theil
der
Be-
mit ihrem Schiffe unter-
Der Verlust der Panzerschiffe : „Captain“, „Vanguard " ,
180
Die Schiffe „ König Wilhelm " , „ Groszer Kurfürst “ und „ Preuszen " waren den 29. Mai von Wilhelmshaven im Geschwader abgedampft und hatten die Absicht, Plymouth anlaufend, nach Süden zu steuern ; vor dem Canale angekommen, traf das Geschwader die schwere Katastrophe, welche das vollständige Aufgeben des genannten Projectes zur Folge hatte. Der veröffentlichte erste Bericht des Contre- Admirals Batsch an den Chef der Admiralität enthielt unter Anderem das Folgende : „ S. M. S.
„ König Wilhelm " im Canale den 31. Mai 1878. Ew.
Excellenz habe ich die traurige Pflicht, im Verfolge der von Folkestone bereits abgehenden Telegramme den durch eine Collision mit S. M. S.
„ König Wilhelm " heute herbeigeführten Verlust S. M. S.
„ Groszer Kurfürst " zu melden .
Die Katastrophe vollzog sich , als
ich , nachdem Dover passirt und der Cours des Geschwaders auf Dungeness gesetzt war, um 10 Uhr Vormittags das Deck soeben verlassen hatte, und im Begriffe stand, wieder hinauf zu gehen.
Oben
angekommen, sah ich den „ Groszen Kurfürst " in einer diagonalen Stellung vor dem Steuerbordbug des Flaggschiffes , und erschien mir schon da der Zusammenstosz unvermeidlich.
Er erfolgte auch so-
gleich der Art, dass der Rammbug dieses Schiffes den hinteren Theil des Unterschiffes des anderen aufriss, das Letztere zwar abglitt, aber doch so schnell füllte, dass die Absicht des Commandanten, mit der vorhandenen Maschinenkraft das Schiff auf Strand zu setzen, und auf diese Weise vor dem Kentern und Sinken zu bewahren, leider nicht mehr erreicht werden konnte. Das Schiff neigte sich zusehends, füllte dann auch von oben durch die Pforten, kenterte und sank. Die Mannschaft war, so weit die kurze Zeit (die Sache vollzog sich nach meiner Schätzung in etwa einer Viertel- Stunde) es gestattete, aus allen Räumen an Deck gerufen worden ; „ König Wilhelm " sandte, so schnell es ging, alle Boote, dasselbe geschah von S. M. S. „ Preuszen“, eine Anzahl Englischer Boote (Fischer, Lootsen etc.) waren ohnehin da ; trotzdem aber muss ich die an Sicherheit grenzende Befürchtung aussprechen,
dass der weit gröszere Theil der Ver-
unglückten ihr Grab in den Wellen gefunden habe ,
als
gerettet
konnte ich nur Diejenigen melden, die von unseren Booten an Bord dieses Schiffes und S. M. S. Preuszen" geborgen worden waren. Ein Verzeichniss derselben füge ich auch hier bei, nachdem ich es bereits telegraphisch gemeldet.
Die Havarie dieses Schiffes ( „ König
Wilhelm" ) am Bug ist nicht unbedeutend, lässt sich aber vor der Ankunft in Portsmouth und vor dem Docken nicht übersehen . Das Compartment Nr. 1 ist voll Wasser und dringt dasselbe auch in Nr. 2.
„Magenta" und "Groszer Kurfürst".
181
Ueber die Ursache der Collision kann ich hier nur kurz anführen, dass ein Befehl des Wachthabenden, B. B. Ruder zu stützen und dasselbe St. B. zu legen, falsch verstanden, und statt St. B. das Ruder hart B. B. gelegt wurde, so dass auch das Rückwärtsgehen der Maschine nichts mehr fruchtete.
Die Formation des Geschwaders war doppelte Kiellinie mit gewöhnlichen Distancen, aber
mit geschlossenem Treffen Interval von einem Hectometer. „ Groszer Kurfürst" befand sich jedoch reichlich vor seiner Position. Beide vorderen Schiffe wollten einem quer vorübersegelnden Schiffe ausweichen, thaten es auch und schor namentlich „ Groszer Kurfürst“ weit nach Steuerbord aus , lenkte aber, als das Schiff vorbei war, wieder in seinen Cours ; dies hat auch „König Wilhelm " thun wollen und ereignete sich dabei die gerade umgekehrte Ausführung des Ruder- Commando's , welche demnächst die entsetzliche Katastrophe herbeiführte." Die veröffentlichte Liste der Ertrunkenen
ergab
269 Mann,
welche von der Besatzung , bestehend aus 491 Mann, umgekommen waren, und zwar 4 Seeoffiziere, 1 Zahlmeister, 1 Ingenieur, 1 Seecadet , 1 Garantie - Maschinist , 1 Feuerwerker, 1 Ober- Maschinist, 2 Maschinisten, 1 Zimmermann, 1 Ober- Magazinverwalter, 30 Unteroffiziere , 122 Matrosen , 52 Heizer und Handwerker und 52 Seesoldaten . Während des Sinkens , welches mit groszer Schnelligkeit vor sich ging, legte sich das Schiff nach B. B. und fiel schlieszlich ganz nach dieser Seite um. Die Rettung der Verunglückten wurde einestheils sehr begünstigt durch ein vollständig klares und stilles Wetter, anderentheils aber wiederum beeinträchtigt durch den Mangel an Booten, an Bord des sinkenden Schiffes ; dieselben waren beim Anpralle des
König Wilhelm" fast alle seeuntüchtig oder ganz zer-
quetscht worden. Die Beschädigungen des „ König Wilhelm" wurden gleich an Ort und Stelle untersucht und nach Möglichkeit Vorsichtsmaaszregeln getroffen.
Um den Bug herum spannte man einige
Segel , welche das Eindringen von Wasser vermindern sollten, und wurde das Schiff alsdann in Begleitung mehrerer Dampfer, unter anderen dem Englischen Panzerschiffe
Lord Warden" , nach Ports-
mouth in ein daselbst bereit gehaltenes Dock gebracht.
Daselbst
zeigte es sich erst , dass der durch den Stosz angerichtete Schaden bei Weitem alle Voraussetzungen übertraf. Der ganze Bug des Schiffes war seitlich gebrochen und nahezu im rechten Winkel nach B. B. weggebogen, woraus sich das Volllaufen der ersten Abtheilung und die sehr verminderte Steuerfähigkeit des
Schiffes nach der
182
Der Verlust der Panzerschiffe : " Captain", "Vanguard",
Collision zur Genüge erklärt. Es bestärkt dieser auszerordentliche Eindruck auf das rammende Schiff ferner die Annahme, dass der Winkel beider Schiffe zu einander sehr wenig von 90 Grad ab gewesen sein mag. Mit dem oben wörtlich wiedergegebenen Berichte stimmt auch das Ergebniss der Havarie vollständig überein ; der „König Wilhelm “ , anfänglich in rascher Fahrt , schlieszlich dieselbe nach Möglichkeit mindernd, kam nur noch mit geringer Fahrt an den „ Groszen Kurfürsten", dieser aber, in voller Fahrt begriffen, riss nicht allein sich selbst unter Wasser vollends auf, sondern er bog auch vermöge seines Momentes mit seinen festen Theilen, Querwänden und Panzerplatten, den Bug des „ König Wilhelm " fassend, denselben seitlich ab ; dies geschah um so mehr, je mehr das Ruder an Bord des „ Groszen Kurfürsten" nach Steuerbord gelegt war, wie man anfänglich ja schon gethan hatte, um wieder auf den erst gegebenen Cours zu kommen. Die Reparatur des „ König Wilhelm", als eine provisorische aus Holz vorgenommen, dauerte gegen drei Wochen, und kam das Schiff den 29. Juni vor Wilhelmshaven an, wo es der weiteren Beseitigung der Schäden entgegengeht . --Das gesunkene Schiff „Groszer Kurfürst " war ein Thurmschiff, dessen Bau im Jahre 1869 in Wilhelmshaven begonnen worden und dessen erste Fahrt diese so unglücklich endende Reise war.
Zuerst
als Breitseitschiff entworfen , wurden die Pläne des „ Groszen Kurfürst " später nach dem Typus des Englischen Thurmschiffes „ Monarch " umgeändert. Der Schiffskörper war aus Eisen, mit doppelten Wänden und einer sehr groszen Anzahl wasserdichter Zellen im Boden und den Wänden versehen. Bei einer Länge von fast 94 Meter und einer Breite von 16 Meter, einem Deplacement von 6663 Tonnen (Totalgewicht) , einer Maschinenkraft von 5400 indicirten Pferden, trug das Schiff einen Panzergürtel von 235 Millimeter gröszter Stärke. Dieser nimmt aber sehr rasch gegen unten auf 183 Millimeter und gegen vorne und hinten an der Wasserlinie auf 105 Millimeter ab. Die Brustwehr war an den Seitenwänden mit 208 Millimeter und an den Querwänden mit 131 Millimeter starken Platten gepanzert, endlich war die Panzerung der Thürme 210 Millimeter, bei den Pforten 262 Millimeter stark.
Die Armirung der gepanzerten Dachthürme
bestand aus je zwei langen 26- Centimeter-Kanonen, welche aus Minimalpforten feuerten und von
den Geschütz - Commandeuren durch
Löcher in den Thurmdecken dirigirt wurden.
Da der
Grosze Kur-
fürst" wegen seiner Masten kein Bug- und Heckfeuer für die Thurmgeschütze hatte, gab man ihm noch zwei Stück lange 17- Centimeter-
n Magenta " und "Groszer Kurfürst ".
183 Kanonen zu diesem Zwecke, die ohne Panzerschutz vorne und hinten. placirt wurden. Der allerwärts als Autorität geltende Ingenieur
Dislère , welcher überhaupt über die Thurmschiffe folgendes Urtheil abgiebt : „Als echtes Hochseeschiff kann daher nach unserer Ansicht ein Schiff nur dann gelten , wenn es mit einer Segellage versehen ist, grosz genug , um mit voller Sicherheit fahren zu können. Da man aber bis jetzt bei den Thurmschiffen diese Aufgabe nicht zufriedenstellend lösen konnte , kommen wir wieder auf die sch on früher vertheidigte Ansicht zurück , dass das richtige gepanzerte Schlachtschiff durch das Casemattschiff repräsentirt wird", spricht sich über die Schiffe „ Preuszen “ , „ Groszer Kurfürst“ und „ Friedrich der Grosze“ , welche alle drei Schwesterschiffe sind, folgendermaaszen aus : „ Wie aus der näheren Beschreibung ersichtlich , ist man weit hinter den Leistungen der Schiffe vom „ Typ Audacious" zurückgeblieben , welche bei einem geringeren Deplacement 6200 Tonnen , eine gröszere Geschwindigkeit und einen gröszeren zurücklegbaren Weg erreichen , und 10 Stück 23 - Centimeter- Kanonen führen . Der einzige Punkt, in welchem letztere zurückstehen , ist die Panzerung, da die Platten beim „ Audacious Typ" nur 203 Centimeter stark sind. " Der "2 Grosze Kurfürst" war am 17. September 1875, getauft von dem Chef der Admiralität General von Stosch, in Wilhelmshaven vom Stapel gelaufen, und im Mai 1878 zum ersten Male in Dienst gestellt worden. Die Kosten der Ausrüstung und Erbauung betrugen gegen acht bis neun Millionen Mark. Sofort nach dem Untergange des „ Groszen Kurfürsten " machten sich die Englischen Taucher daran und untersuchten das Wrack, welches auf einer Tiefe von gegen 16 Faden Wasser liegt. Das erste Ergebniss dieser Arbeiten schien die Annahme zu bestätigen, dass beim Stosze oder erst beim Sinken der von den Beiwohnern der Katastrophe beobachtete entströmende Dampf auf eine Explosion der Kessel schlieszen liesz , und dass diese gewaltigen Explosionen einer Maschine, welche mit annähernd 5000 Pferden noch eben gearbeitet hatte , die Schiffswände durchbrochen hätte . Es berichteten nämlich die Taucher, das Schiff läge in zwei Stücken zerrissen, das eine mit dem Boden nach oben, auf dem Grunde . Doch damit nicht zufriedenentsendete die Kaiserliche Admiralität gegen Mitte des Monats Juni von Wilhelmshaven den Dampf- Aviso „ Loreley" mit Tauchern nach Folkestone zur genauen Feststellung der Lage des Wracks . Diese berichteten denn auch nach wenigen Tauchversuchen , dass das Schiff, in seiner ganzen Länge erhalten, mit dem Boden gestellt ,
theilweise nach oben gerichtet läge, dass also schon aus diesem
Der Verlust der Panzerschiffe : „Captain", " Vanguard “,
184
Grunde eine Hebung des Schiffes nicht ausgeschlossen sei . Da aber der „ Grosze Kurfürst" gegen 6700 Tonnen wiegt, so ist die Hebung eine sehr schwierige Arbeit , und bedarf es dazu sehr bedeutender Vorbereitungen, die, weil nur etwa im Ganzen sechs Tage für den Monat zu Arbeiten unter Wasser wegen der Fluthverhältnisse geeignet sind , in diesem Jahre wohl kaum mehr ausgeführt werden können.
Das Schiff, welches unter Wasser etwa noch 5000 Tonnen
wiegt, welche Last sich noch wesentlich durch die leeren Räume im Boden und den Wänden vermindert , während aber eingedrungener Sand ,
Festsaugen des Schiffskörpers am Boden , Festhalten von
Ankern, Masten, Tauen , das Eigengewicht sehr vermehren, wird zur ersten Hebungsarbeit mindestens einen Kraftaufwand von 8000 Tonnen beanspruchen .
Die Hebungsversuche der Englischen Fregatte „ Eury-
dice " haben es übrigens klar vor Augen geführt, dass in ähnlichen Fällen Unterschätzungen sich nur
zu leicht geltend machen.
Es
wurden daselbst 300, 400, 600 Tonnen hintereinander, jedes Mal mit vergeblichem Resultate , angewendet .
Ein Schiff, wie die „ Eurydice",
wird gehoben, indem man Trossen um das ganze Schiff herumlegt, und dann von Steven und Stern die Hebetrossen nach oben nimmt, auszerdem werden in alle Pforten, deren man habhaft werden kann, starke Riegel zur Aufnahme von Trossen eingelegt.
Die Trossen
selbst nimmt man lose nach oben, glaubt man die genügende Anzahl am Schiffskörper angebracht zu haben , dann bringt man die Lichterfahrzeuge in richtige Position und setzt bei tiefstem Wasserstande alle Trossen steif.
Fängt nun das Wasser an zu steigen, so brechen
entweder die Trossen , wenn sie nicht stark genug oder zu wenige angebracht sind, oder die hebenden Schiffe werden unter Wasser gezogen, wenn sie nicht schwer genug waren, oder endlich das Wrack wird gehoben und zwar um die ungefähre Fluthhöhe ; diese würde bei Folkestone ungefähr neun Fusz Englisch betragen.
Will man
die Hebungshöhe vermehren, dann kann man die Lichterschiffe durch eingelassenes Wasser etwas versenken, während des Lichterns pumpt Bereit gehaltene Schiffe schleppen man dann das Wasser aus . während des Hebens den ganzen groszen Mechanismus mit jeder neuen Tide mehr dem Strande zu. Bei eisernen Schiffen ist das Heben insofern leichter als bei Holzschiffen, als diese einen viel stärkeren Längsverband , auf den es hauptsächlich ankommt, haben, als jene, und weil es eine Kleinigkeit ist, auch unter Wasser die beliebigste Anzahl Löcher zum Anbringen von Haken in den Schiffskörper zu schlagen.
Erst vor
„Magenta“ und „Groszer Kurfürst" .
185
wenigen Monaten wurde der Dampfer „ Edith ", welcher der London and North-Western Railway Company gehörte, gelichtet.
Die anderen Mittel , Kameele, starke Ballons, welche man voll Luft pumpt u. s . f., können wohl wesentlich bei einer ähnlichen Operation, wenn in Massen angebracht, helfen, die groszen Lichterschiffe müssen aber immer den Ausschlag geben. Hatte der Stosz des „Ferdinand Max " gegen den „ Re d'Italia" in der Schlacht von Lissa die Rammtaktik zur maaszgebenden im Seekriege erhoben, so hat der Stosz des „ König Wilhelm " gegen den "9 Groszen Kurfürsten " fürs Erste geboten, die Taktik zur See Der voreiner sehr eingehenden Reorganisation zu unterwerfen . liegende Fall hat gezeigt, dass das rammende Panzerschiff, welches, selbst wenn es zu den gröszten, schwersten und allerbesten gehört, ein ebenso gutes, neu construirtes unter solchen Verhältnissen trifft, wie es hier der Fall war, und diese Verhältnisse hielt man bis auf heute für das Gefecht für die günstigsten, bald nach dem Sinken des Gerammten die Beute eines jeden noch bewegungsfähigen Feindes werden muss ; es bedarf wohl keiner Erläuterung mehr, dass der
König Wilhelm " nach vollbrachtem Stosze eigentlich ein wider-
standsloser Gegner für einen anderen gewesen wäre, wenn man sich die tragische Begebenheit von Folkestone in den Rahmen eines Seegefechtes einzuziehen versucht. Dass der Stosz des „ Ferdinand Max " von geringeren Folgen für dieses Schiff gewesen ist , mag zum gröszten Theil seinen Grund darin finden, dass der „ Re d'Italia" ein altes Holzschiff war . Die Ramme, die bisher als die Hauptoffensivwaffe im Seegefechte galt, wird man von jetzt ab verwerfen, wenn der Stosz nicht unter solch geringen Winkeln geführt wird, dass er dem rammenden, von hinten aufkommenden Schiffe ungefährlich bleibt. Sowie die eine Waffe somit zurückgeht, werden die anderen Waffen des Seekrieges wieder in den Vordergrund treten , die Torpedos, wenn sie überhaupt einmal Waffen im Seekampfe werden sollten, und die Artillerie.
Die Gefechtsstärken , welche man jetzt bestrebt
" war wenn möglich in die Längsrichtungen der Schiffe zu legen, wird man nun wohl wieder mehr den Breitseiten zuwenden, und werden in
der Reihe
der wirklichen
Schlachtschiffe
die
Casematt-
und
Breitseitschiffe den ihnen gebührenden ersten Platz hoffentlich bald wieder einnehmen. Aber nicht allein Aenderungen und Lehren für die Taktik werden aus der bedauernswerthen Katastrophe des „ Groszen Kurfürsten " gezogen werden ; auch die Technik, die Schiffsbaukunst wird Manches finden, was nutzbar zu machen ist.
Der Werth der wasserdichten
186
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
Abtheilungen ist aufs Neue eclatant bewiesen worden.
Der zu-
sammengestoszene Bug des „König Wilhelm", die Construction seiner wasserdichten Abtheilungen werden zu den verschiedensten nutzbringenden Studien Anlass geben. Ja selbst der innere Schiffsdienst wird seine Modificationen erfahren, manche Uebungen, welche früher in zweiter Linie standen, werden nun die ersten werden, kurz überall wird aus dem Grabe des Versunkenen von Folkestone für alle Marinen ein neuer Impuls zum Streben und zum Weiterschaffen erwachsen.
XIII.
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed
Ali
Pascha.
(Von einem Augenzeugen.) (Mit einer Skizze im Texte. ) Die Armee Osman Pascha's war bekanntlich nach den abgeschlagenen Russischen Angriffen der Juli- und Septembertage in der stark befestigten Stellung bei Plewna verblieben. Zu einer Erfolg verheiszenden Offensive schien dem Türkischen Obergeneral seine Armee nach den starken Gefechtsverlusten und mit Rücksicht auf die zahlreichen Kranken nicht befähigt ; auch hatte die Dari Choura, der Türkische Kriegsrath in Constantinopel , auf die Anfrage Osman Pascha's , ob er sich auf Orhanie zurückziehen könne, in bestimmt ablehnendem Sinne geantwortet , und es sogar für geboten erachtet, an eine Verstärkung der Besatzung von Plewna zu denken, da ja auch die feindliche Westarmee bedeutenden Zuzug erhielt.
Ferner beschloss man, den Proviant- und Munitions-Transporten auf der Strasze Orhanie-Plewna, in deren Nähe in letzter
Zeit mehrfach starke feindliche Cavallerie-Abtheilungen sich gezeigt hatten, durch Befestigung wichtiger Etappenorte einen gesicherten Halt zu geben . Mit der Durchführung dieser Absichten wurde der Divisionsgeneral Chefket Pascha, als Commandant der Armee - Abtheilung von Orhanie betraut. Dieser hatte sich durch sein energisches Vorgehen
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
187
bei Suchum Kale einen guten Namen gemacht und galt auch sonst für einen fähigen , energischen , jedoch in seinen Mitteln wenig wählerischen General. Chefket gelang es , Proviant für mehrere Monate und 12,000 Mann zur Verstärkung der Armee bei Plewna durchzubringen . Nach gegenseitiger Vereinbarung zwischen ihm und Osman Pascha sollte alle vierzehn Tage ein neuer Transport an Proviant und Munition für Plewna stattfinden, auszerdem wurden nach Telisch und Gorni Dubniak, welche Orte durch zweckmäszige Schanzenanlagen eine bedeutende Widerstandsfähigkeit erhielten , starke Besatzungen gelegt. Chefket, der sich durch die erwähnte Abgabe von 12,000 Mann an die Armee Osman's wesentlich geschwächt sah und zu jeder selbstständigen Offensive unfähig fühlte , verweilte unterdessen mit seinen übrigen Truppen bei Orhanie, und war bedacht , die angehäuften Vorräthe aller Art für Plewna durch entsprechende Vertheidigungsmaaszre geln zu bergen und namentlich bei Vracesi, sechs Kilometer südwestlich von Orhanie, durch Befestigungsanlagen den Pass über den Etropol- Balkan zu sperren. Als dann aber am 24. October in Gorni Dubniak Achmed Hifzi Pascha nach heldenmüthiger Vertheidigung gegen achtfache Uebermacht mit 53 Offizieren und 2235 Mann die Waffen strecken musste , am 28. October Ismail Haki Pascha fast ohne Gegenwehr Telisch verlor und mit 100 Offizieren und 3000 Mann in Kriegsgefangenschaft ging , da glaubte die Dari Choura in Constantinopel, in der Wahl Chefket Pascha's einen Missgriff gethan zu haben, erklärte denselben seiner Stellung für verlustig und ersetzte ihn am 12. November durch Tschakir Pascha . Zur Beurtheilung der Verhältnisse muss hier erwähnt werden , dass, seit Chefket Pascha sein Commando angetreten, kein gröszerer Truppentransport auf der Bahnstrecke Constantinopel - Tatar Bazardzik stattgefunden hatte , sondern täglich nur etwa 60-80 Mann , meist Mustaphis , in Classenwagen vertheilt , der Armee von Orhanie zugeführt wurden , welche auszer den nach Plewna gesendeten Truppen noch starke Besatzungen zur Sicherung der Etappenstrasze abgegeben hatte , während sowohl in Constantinopel , als auch in Adrianopel schon seit Monaten stärkere Truppenmassen versammelt waren. In Constantinopel hatte man inzwischen schon seit einiger Zeit Bil dung einer Entsatz- Armee für Plewna ins Auge gefasst. Mehdie med Ali Pascha, der am 2. October im Commando der Lom-Armee durch Suleiman abgelöst war, wurde von der Dari Choura als die für diesen schwierigen Auftrag geeignetste Persönlichkeit angesehen ,
188
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
in ihm glaubte man den Mann der rücksichtslosen Offensive zu besitzen, der die Schwierigkeiten besiegen und eine Vereinigung mit der Armee Osman's durchsetzen werde. Man beschloss zunächst im Kriegsrathe, Mehmed Ali Pascha zu den Sitzungen heranzuziehen, sein Urtheil zu hören und ihn hinsichtlich etwaiger Maaszregeln auszuhorchen. Der Muschir erklärte, dass zur Durchführung des ihm vorgelegten Planes zum Mindesten 60 zuverlässige Bataillone, 10 Batterien und einige Cavallerie- Regimenter erforderlich seien . Es wurden ihm jedoch wegen Herbeischaffung dieser Truppen grosze Schwierigkeiten gemacht , da die in der Bildung begriffenen Armeen von Constantinopel und Adrianopel nach Ansicht der Dari Choura für unvorhergesehene Fälle intakt bleiben sollten. Nach längerer Debatte entliesz man schlieszlich Mehmed Ali mit dem Bedeuten, man wäre noch nicht schlüssig über die betreffenden Maaszregeln und würde ihm specielle Ordres seiner Zeit zugehen lassen . Mehmed Ali wurde nun, zwanzig Tage nach seinem Eintreffen in Constantinopel , durch Kaiserliche Irade vom 28. October zum Obercommandanten sämmtlicher Truppen in Bosnien, mit dem Hauptquartiere in Serajevo, ernannt.
Gleichzeitig wurde der Befehl bei-
gefügt, binnen 48 Stunden abzureisen. Am 30. October stieg Mehmed Ali zu Schiff und landete am 2. November in Salonichi . An der Landungsstelle erwartete ihn der Gouverneur des Ortes und führte ihn sofort aufs Telegraphenbureau, woselbst ihm von Constantinopel mitgetheilt wurde, dass die Dari Choura unter Präsidium des Groszveziers versammelt wäre und er die vorgelegten Fragen umgehend zu beantworten habe : „Wie viel Truppen sind Sie im Stande von der Ihnen unterstehenden Armee für Orhanie abzugeben ?" " 17 Bataillone und 2 Batterien." Uebernehmen Sie das Commando der Entsatz-Armee von Plewna. Sie haben die Bataillone und Batterien aus Alt- Serbien und Bosnien östlich der Drina selbst auszuwählen und nach Orhanie zu beordern. " Es liegt auf der Hand , dass die Ausführung dieser Maaszregel, der gemäsz Mehmed Ali nur nach eigenem Augenschein und genauer Prüfung an Ort und Stelle die einzelnen Bataillone bestimmen und nach Sofia und Orhanie heranziehen konnte, ganz besonderen Zeitaufwand erforderte und bei der obwaltenden Sachlage gewiss sehr bedenklich war. Von einer Veröffentlichung der getroffenen Anordnungen wurde seitens des Kriegsrathes schon deshalb Abstand genommen, um die
t
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
189
Russische Oberleitung, deren Späher man überall annahm, nicht zu verschärften Gegenmaaszregeln zu veranlassen. Es blieb sorgfältig verbreitet, dass Mehmed Ali das Obercommando gegen Montenegro übernehmen würde und gleichzeitig zum General en chef sämmtlicher Türkischen Truppen in Bosnien ernannt wäre. Der Muschir begab sich zunächst nach Sjenica , südlich des Javor, war dort einige Tage zu verweilen genöthigt , ertheilte die bezüglichen Ordres und ging nach gleichem Aufenthalte in Nisch , Pirot und anderen bedeutenderen Orten nach Berkovac, um hier die näheren Anordnungen zu einem Vorstosze auf Plewna zu treffen, wobei er von der Ansicht ausging , dass seine Operation einen besonderen Erfolg verspräche, wenn er dieselbe aus einer Richtung unternehme, deren sich der Gegner am wenigsten versah . Es ergab sich jedoch bei sorgfältigem Erwägen der Verhältnisse , dass der Gebirgszug zwischen Berkovac und Vraca dem Fortschaffen des schweren Kriegsmaterials zu bedeutende Schwierigkeiten bereite, auf ein Mitführen von groszen Wagencolonnen nicht zu rechnen, endlich auch die Verbindungslinien zu den Depots sehr ausgedehnt und durch einen energischen Vorstosz des Gegners gegen Orhanie sehr gefährdet sei . Einen Vormarsch von Berkovac daher aufgebend, wandte Mehmed Ali nun seine ganze Aufmerksamkeit der wichtigen Gebirgsstrasze Sofia- Orhanie zu. Am 19. November traf er in Sofia ein , hatte daselbst zwei Tage mit der Besichtigung der angelegten Schanzen , der Prüfung der Verpflegungsverhältni sse und der Erledigung der laufenden Geschäfte zu thun, und begab sich am 22. zu Wagen, von dreiszig regulairen Cavalleristen begleitet, über Taschkössen und den Etropol- Balkan nach Orhanie . Zu beiden Seiten des Baba Konak - Passes fand Mehmed Ali sieben Schanzen angelegt , von denen namentlich die des rechten Flügels , die Güldis Tabia , das vorliegende Gelände weithin beherrschte . Der felsige Boden hatte einen Grabenausstich nicht gestattet ; die Brustwehr der Schanzen war daher von abgestochenem Rasen aufgeführt; Traversen und Hohlräume waren nicht angelegt . In der Güldis Tabia befanden sich zwei Krupp'sche Feld- und zwei Gebirgsgeschütze ; die Schanzen II und IV hatten jede zwei , die Schanze VI sechs , die Schanze VII fünf Feldgeschütze erhalten. Als Besatzung dieser ausgedehnten Stellung waren sieben Bataillone, grösztentheils Mustaphis , vorhanden , welche zugleich als Repli für vier nach Etropol vorgeschobene Mustaphis - Bataillone dienten, während Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine, Band XXVIII. 13
190
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
drei Bataillone mit drei Geschützen nördlich Lazan und fünf Bataillone mit einer Gebirgs-Batterie die Strasze bei Lazan sicherten. Dieselbe Truppenzahl war in dem Rebresch-Thale westlich Skriwena vorgeschoben, fünf andere Bataillone und zwei Batterien standen hingegen bei Vracesi in Reserve.
Da auszerdem fünf Bataillone zur
Besetzung von Slatitza verwendet und drei zwischen diesem Orte und Taschkössen aufgestellt waren, so hatte Mehmed Ali im Ganzen 37 Bataillone zur Verfügung, zu denen noch 40 Geschütze, 5 Schwadronen regulairer Cavallerie und etwa 500 Tscherkessen hinzukamen.
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Lazan Han Prawza Prawza
Orhanie Vracesia Güldis TabiaSahaReha N
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Etropol Balkan
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Pass v Baba-Konah Gr.Kamirlio
ArabKonak
Taschkössen ia Sof
Slatiza
Berechnet man die durchschnitttiche Stärke des Bataillons auf 450 Mann, die Schwadron auf 80 Pferde, so betrug die Kopfstärke dieser Truppen 16,650 Mann Infanterie und 400 Mann regulairer Cavallerie. An demselben Tage, an welchem Mehmed Ali die Besichtigung der Stellungen an der Strasze nach Plewna vornahm, waren zwei Schwadronen Russischer Garde-Dragoner mit zwei Geschützen , aus der Richtung von Vraca her kommend , über die Karaula Romanja vorgegangen und durch das enge Thal der Rebresch bei Skrivena in
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha. die Ebene von Orhanie gelangt.
191
Dichter Nebel hatte bis dahin die
Russischen Reiter unbemerkt vorrücken lassen, ihren Blicken aber auch die Stellung der Türken westlich Skriwena entzogen. Nachdem die beiden Schwadronen in der Ebene etwas weiter vorgerückt waren, theilte sich plötzlich der Nebel und kurz darauf eröffnete die Türkische Artillerie und Infanterie ein mörderisches Rückenfeuer auf die Dragoner. Während dieselben Kehrt schwenkten und behufs Passiren des Rebresch- Defilée's in die Marsch-Formation übergehen wollten, wurden sie in der rechten Flanke und im Rücken von 300 Tscherkessen unter Mehmed Bey, der zur Recognoscirung im Rebresch - Thale vorgerückt war, angegriffen und in Auflösung nach Skriwena zurückgeworfen, wobei der gröszte Theil derselben niedergehauen wurde .
Auch die beiden Geschütze und ein Patronen-
wagen fielen in die Hände der Sieger. Letzteren stürzten die Tscherkessen in eine Schlucht, die beiden Geschütze brachte man Tags darauf nach Sofia. Mehmed Bey wurde am Abende des 22. November von dem Muschir Mehmed Ali , der in Vracesi Quartier genommen hatte , laut des ihm eingeräumten Rechtes, zum Liva Pascha (Brigade-General) ernannt. Während dieser
kleine Erfolg bei Orhanie für Mehmed Ali's
Auftreten eine günstige Vorbedeutung zu sein schien, gingen an demselben Abende dem Obergenerale Nachrichten aus Pravca und Etropol zu, welche den Vormarsch stärkerer Russischer Abtheilungen aller drei Waffengattungen von Osikova her im Thale des Mali Isker gegen Etropol anzeigten. Am Morgen des
23. November meldete Ibrahim Pascha , der
greise Commandant von Etropol , dass Tags zuvor eine Russische Colonne in der Stärke von ungefähr zehn Bataillonen ,
zwei Bat-
terien und einem Regimente Kosaken im Thale des Mali Isker vorgerückt wäre und ein starkes Feuer gegen die das Fluss-Defilée des Mali Isker nördlich Etropol bestreichende Schanze am Kloster Troica eröffnet hätte.
Da gleichzeitig auch vom Thale der Lipenska eine
Russische Truppen - Abtheilung im Anrücken wäre ,
so glaube
er
(Ibrahim Pascha) nicht , dass die schwache Besatzung der Schanze und des Klosters Troica dem concentrischen Angriffe würde widerstehen können .
Er werde die Besatzung an sich ziehen, jedoch auch
Etropol räumen und, in südwestlicher Richtung abziehend, mit seinen vier Bataillonen Stellung auf den bewaldeten Höhen nehmen , um das Thal der Suha Reka unter Feuer zu halten. Gegen 10 Uhr Vormitttags stieg Mehmed Ali in Vracesi zu Pferde und trabte mit seiner Suite bis Lazan vor. Als man dort 13*
192
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
gegen 11
Uhr lebhaftes Gewehrfeuer in nordöstlicher Richtung
vernahm, wurde sofort in dieser Richtung vorgeeilt und auf einer freien Bergkuppe nordöstlich Lazan das stattfindende Gefecht beobachtet.
Mehmed Ali hatte kaum einige Minuten dort Stellung ge-
nommen, als er und sein Stab von einem heftigen Infanteriefeuer, dem bald Granatschüsse folgten ,
überschüttet wurden.
Das Feuer
rührte von einer Russischen Infanterie-Abtheilung her, welche , verstärkt durch zwei Gebirgsgeschütze, in einer Türkischer Seits für ungangbar angesehenen Schlucht vorgedrungen waren und nun die linke Flanke der nordwestlich Han Pravza stehenden Türken bedrohte. Im Begriffe, die erforderlichen Gegenmaaszregeln durch Zurückziehen seines linken Flügels zu treffen, bemerkte der Obergeneral auf der groszen Strasze von Osikova, kaum 2000 Meter nördlich von Han Pravza, eine Russische Batterie, welche sofort ein lebhaftes wohlgezieltes Feuer auf das kleine, von den Mustaphis besetzte Plateau eröffnete.
Gleichzeitig erstiegen Russische Tirailleurschwärme die
bewaldeten Hänge in der rechten Flanke. Der Russische Ueberfall, denn so musste dieser Angriff genannt werden, war so plötzlich und mit solcher Energie durchgeführt, dass die zur Stelle befindlichen Mustaphis -Bataillone, an keine Vertheidigung denkend, sich in regelloser Flucht zurückzogen. Mehmed Ali, der den weichenden Truppen entgegensprengte und sie mit kernigen Worten zum Haltmachen bewegen oder sie wenigstens zur Rettung der verlassenen drei Geschütze vorführen wollte, wurde nicht gehört. Unaufhaltsam drängten die Bataillone, vom Gegner verfolgt , in der Richtung nach Lazan. Die fünf dort aufgestellten Bataillone brachten den Vormarsch der Russen zum Stehen und retteten die MustaphisBataillone, welche nun bei Orhanie gesammelt wurden , vor vollständiger Vernichtung. --Nach Vracesi zurückgekehrt, kam Mehmed Ali bei Betrachtung der augenblicklichen Verhältnisse zu nachstehendem Gesammtergebnisse : Weder die Zahl, noch die Beschaffenheit seiner Bataillone erlaubte ihm, einen Vorstosz zur Vertreibung des Gegners zu machen. Die beste Russische Truppe (2. Garde- Division) stand ihm, numerisch überlegen, in guter Position in der Front auf dem nördlichen Plateau von Lazan, in der rechten Flanke bei Etropol gegenüber. Die Rückzugslinie der fünf Bataillone bei Skrivena führte über Orhanie. Dieser zur taktischen Vertheidigung ungünstig gelegene Ort war durch das Auftreten der Russen nördlich und nordwestlich von Lazan unhaltbar geworden. Ein zweiter Rückzugsweg für die erwähnten fünf Bataillone
Fit
Die Vertheidigung des Etropol- Balkans unter Mehmed Ali Pascha .
193
ging zwar über Lutikowa in südwestlicher Richtung nach Ogoja ins Thal des groszen Isker ; aber diese schlechte Gebirgsstrasze, auf der nur mit gröszter Mühe und zeitraubendsten Anstrengungen der Transport der Geschütze möglich war, trennte die Bataillone vom Gros der Armee leicht auf unberechenbare Zeit. Etropol, in den Händen der Russen , bedrohte auf das Empfindlichste die Rückzugslinie Vracesi - Baba Konak ; die sieben Bataillone auf der ausgedehnten Position von Grosz - Kamirli ( Baba Konak) waren nicht ausreichend zu ihrer Vertheidigung. Wie von Etropol aus im Thale der Suha Reka, so konnten die Russen auszerdem im Thale des Mali Isker stromaufwärts den Slatiza- Balkan passiren und, die Ebene von Slatiza steigend , die dort stationirten fünf Bataillone von jeder Verbindung mit den übrigen Truppen abschneiden. Auf Grund dieser Erwägungen zog Mehmed Ali daher am Abende des 23. November die nach Lazan und Skrivena vorgeschobenen in
Abtheilungen bei Vracesi zusammen und befahl für den folgenden Tag : „ Tschakir Pascha verbleibt mit fünf Bataillonen und zwei Batterien bei Vracesi zur unbedingten Festhaltung des Defilée- Ausganges und zum Schutze der Vorräthe für Plewna ; 500 Tscherkessen unter Mehmed Pascha werden ihm zugetheilt . Die Ebene von Orhanie wie das Thal der Rebresch sind abzupatrouilliren , die Strasze von Lazan durch eine detachirte Abtheilung zu beobachten. Der Rest der Truppen von Orhanie, dreizehn Bataillone Infanterie, fünf Schwadronen Cavallerie und eine Batterie marschiren um 7 Uhr Morgens von Vracesi nach dem groszen Lager am Passe Baba Konak , woselbst sie weitere Bestimmung erhalten werden. Die fünf Bataillone bei Slatiza ziehen sich nach dem Arab Konak, am Knotenpunkte der Strasze von Slatiza, in das Defilée Orhanie - Sofia zurück , behalten jedoch die nächsten fünf Kilometer im Auge und vertheidigen sie nach Möglichkeit. " Dieser Befehl wurde an demselben Abende im Auszuge telegraphisch von Vracesi der Dari Choura nach Constantinopel mitgetheilt . In der befohlenen Ordnung brachen die Truppen von Orhanie am Morgen des 24. November auf und trafen Mittags, nach Zurücklegung von etwa 18 Kilometern, am Passe von Baba Konak ein, wo Mehmed Ali Vormittags 10 Uhr angelangt war und sein Hauptquartier in einer Baracke dicht neben dem Telegraphenzelte südlich der Schanze VI aufgeschlagen hatte. Die fünf Bataillone von Slatiza waren der befohlenen Rückwärtsbewegung bereits zuvorgekommen und hatten gemeinschaftlich mit den drei beim Arab Konak befindlichen Bataillonen die dortige Stellung eingenommen . -
194
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha. Den
Nachmittag des
24. November benutzte der Türkische
Oberbefehlshaber zur Besichtigung der Schanzenstellungen am Baba Konak und liesz kleine Veränderungen vornehmen ; auch trat er in einen lebhaften Depeschenverkehr mit der Dari Choura, die, mit den angegebenen Gründen nicht einverstanden, ein Festhalten der ganzen Stellung von Orhanie in ihrer früheren Ausdehnung verlangte und befahl, sofort Verstärkungen an Tschakir Pascha zu senden und einen Entsatz Plewna's zu planen . In Folge dessen wurde angeordnet , dass acht Bataillone und eine Schwadron am anderen Morgen um 7 Uhr wieder nach Vracesi vorrücken sollten. Am Abende wurden die Truppen bei Grosz-Kamirli noch durch drei Redif-Bataillone und eine Batterie verstärkt, welche aus Bosnien eingetroffen waren und nun als Schanzen I bis III vertheilt wurden.
Besatzung auf die
Für die Vertheidigung der Schanzen westlich der Strasze standen am 25: November Vormittags vier, für die östlich der Strasze eilf Bataillone bereit.
Nordöstlich der Güldis Tabia , welche im
Speciellen mit zwei Bataillonen besetzt war, hatte Ibrahim Pascha mit seinen vier aus Etropol herangeführten Bataillonen Stellung genommen. Der 25. November, sowie die beiden folgenden Tage vergingen ohne besondere Ereignisse ; in der Stellung von Kamirli wurden kleine Veränderungen und unbedeutende Truppen-Dislocationen vorgenommen. Tschakir Pascha hatte die acht als Verstärkung erhaltenen Bataillone in der Richtung auf Vracesi und Lazan vertheilt, nur im Vergleiche zu der früheren Stellung sie näher an seine Reserve bei Vracesi gehalten. Auszer eingehender Terrainbesichtigung war die Zeit Mehmed Ali's während dieser Tage durch unausgesetzten Depeschenverkehr mit der Dari Choura, von der die eigenthümlichsten Fragen gestellt wurden (wie z. B.:
" Was werden Sie thun, wenn die Russen, Sie
umgehend, in die Ebene von Slatiza herabsteigen ?" Antwort : „ Ich werde sie umgehen und gefangen nehmen ") in Anspruch genommen. Am 28. November Vormittags 10 Uhr liefen bei dem Obercommandirenden in kurzem Zwischenraume verschiedene Meldungen von den Vorposten auf den bewaldeten Höhen gegen Etropol ein. Anfangs war nur eine auffallende Bewegung bei
den Russischen
Vorposten wahrgenommen ; bald hiesz es aber, dass der Feind ungefähr eine Division stark, mit Kosakenschwärmen an der Tête, von Etropol aus im Thale der Suha Reka vorrücke ; dann, dass er diese Richtung verlassen und sich gegen die bewaldeten Höhen östlich der
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
195
Guldis Tabia gewendet habe ; die Russischen Tirailleure ständen den Türkischen Bataillonen fast auf Schussweite in der Front gegenüber ; das Gewehrfeuer habe bereits begonnen. Mehmed Ali eilte sofort mit seinem Stabe nach der gefährdeten Stelle ,
der
Güldis Tabia , woselbst er,
um
1
Uhr Mittags
an-
gelangt, lebhaftes Gewehrfeuer, das nur selten von einzelnen Kanonenschüssen unterbrochen wurde, in nordöstlicher Richtung vernahm. Das Gewehrfeuer näherte sich merklich und zeigte zur Genüge die Fortschritte der Russen an, welchen die Mustaphis-Bataillone Ismail Pascha's bereits zwei Stunden lang tapferen Widerstand geleistet hatten. In und neben der Güldis Tabia befanden sich drei Bataillone Redif ; eins derselben wurde sofort in nördlicher Richtung zur Unterstützung des linken Flügels der vorgeschobenen Truppen verwendet. Diese Maaszregel schien dem Obergeneral wichtiger als eine Verstärkung des rechten Flügels, auf den gestützt der linke hätte zurückgenommen werden können .
Mehmed Ali wollte die Russen ver-
hindern, auf dem Plateau nordwestlich der Güldis Tabia, das nur wenig von dieser Schanze überhöht wurde, Fusz zu fassen. Gegen 2 Uhr Nachmittags fuhren in einer kleinen Waldlichtung östlich der Güldis Tabia zwei Russische Geschütze auf, denen sich sehr bald ein drittes zugesellte, und eröffneten auf eine Entfernung von 3000 Meter den Kampf gegen die beiden Krupp'schen Kanonen auf der östlichen Front der Türkischen Schanze . Die Russischen Geschütze, deren Feuer nach etwa einer Stunde noch durch zwei, nördlich der Güldis Tabia aufgefahrene Gebirgsgeschütze verstärkt wurde, hatten gleich anfangs die Entfernung ziemlich richtig geschätzt und crepirten die Geschosse in nächster Nähe und auf der Brustwehr der Schanze, ohne jedoch in die Schanze selbst zu gelangen ; die Türkischen Geschütze schossen fortwährend zu kurz , obgleich die Schüsse auf der überhöhenden Seite leicht zu controliren waren. Etwa um 3 Uhr trafen alsdann noch zwei aus Bosnien angelangte Redif - Bataillone an der Güldis Tabia ein
und wurden in
nördlicher Richtung vorgeschoben , um die in erster Linie tapfer kämpfenden, aber allmälig von der Uebermacht immer mehr zurückgedrängten Mustaphis - Bataillone zu unterstützen und den dort vordringenden Gegner womöglich von der östlich der Güldis Tabia aufgetretenen Russischen Abtheilung vollständig zu trennen. Mehmed Ali begleitete die vormarschirenden Redif- Bataillone, den Commandeuren Instruction ertheilend , bis zu den Schützengräben nördlich der Guldis Tabia, und befahl einem dort gedeckt liegenden .
196
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
halben Bataillon Mustaphis , zuschlieszen.
sich den beiden Redif- Bataillonen an-
Dieser Befehl wurde nicht sofort ausgeführt, und erst den Offizieren und Unteroffizieren gelang es mit der blanken Waffe,
das
Halb-Bataillon (Araber) zum Verlassen der gedeckten Stellung zu bewegen, von dem jedoch ein Theil den gesicherten Ort bald wieder aufsuchte. Die beiden Bataillone Redifs gingen in der vorgeschriebenen Richtung mit begeistertem Allahrufe gegen den Feind vor und begannen das Feuergefecht. Jedoch bald mussten sie es einstellen, da man den Leuten im Lager für ihre Snider- Gewehre Henri MartiniPatronen gegeben hatte. Die braven Commandeure lieszen nun ihre Leute mit aufgepflanztem Bajonnete vorstürmen. Der eine der Führer, ein Oberst , wurde durch einen Schuss in die Stirn zum Tode getroffen, der andere, ein Oberstlieutenant Osman Bey, ein Tscherkesse, durch einen Schuss in die rechte Brust tödtlich verwundet. Der Bajonnetangriff gelang nicht ; würdig und still folgten die beiden Bataillone, welche nur schrittweise zurückgingen, den Mustaphis- Bataillonen in der Richtung auf die Güldis Tabia, woselbst man Vorkehrungen traf, dem erwarteten Sturme zu begegnen.
Die Russen
begnügten sich aber mit dem errungenen Erfolge, und bald nach 5 Uhr schwieg das Kleingewehrfeuer, während bis zur anbrechenden Dunkelheit der Geschützkampf fortdauerte. Türkischer Seits blieben lange Tirailleurketten über Nacht aufgestellt,
um die versprengten Mannschaften aufzunehmen und unter
dem Schutze der Vorposten Schützengräben
zur Verbindung der
Schanzen I und II und zur Bestreichung des Thalhanges aufzuwerfen . An Stelle der im Kampfe gewesenen Truppen wurden acht Bataillone aus der Reserve- Stellung an der Strasze nach der Güldis Tabia vorgeschoben, während Erstere in die Reserve gingen, welche in der Nacht noch durch vier aus Bosnien eingetroffene, sowie drei von Arab Konak herangezogene Bataillone verstärkt wurde. In Betreff des Kampfes am 28. November muss noch besonders hervorgehoben werden ,
dass
zwar eine Telegraphen - Leitung von
der Güldis Tabia nach der Reserve- Stellung bei Grosz- Kamirli führte, die dazu gehörige Batterie jedoch seit Wochen schadhaft war und somit der ganze Apparat nicht benutzt werden konnte ; die Verbindung mit den übrigen Abtheilungen musste daher durch Ordonnanzen unterhalten werden. von dem
Als nun Mehmed Ali Mittags gegen 1 Uhr
Vorrücken der Russen über Etropol Kenntniss
erhielt,
schickte er Ibrahim Pascha, welcher den Befehl auf dem rechten
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
197
Flügel und an der Güldis Tabia hatte, mit dem Auftrage nach dem Lager zurück, von dort mit zehn Bataillonen und zwei Batterien vorzurücken , um den im Suha Reka - Thale vorgehenden Russen in Flanke und Rücken zu fallen .
Eine reifliche Ueberlegung machte
alsdann aber klar, dass Ibrahim nicht vor Dunkelwerden an den Feind herankommen könne ; er erhielt daher eine halbe Stunde nach Erlass der erwähnten Anordnung Gegenbefehl und sollte nun als Commandant im Lager verbleiben. Da mit vollem Rechte für den 29. November ein allgemeiner Angriff der Russen erwartet werden durfte, so hielt Mehmed Ali den vorgeschobenen Posten bei Orhanie für unhaltbar, er schickte daher um 11 Uhr Nachts Kiazim Pascha, einen Schwager des Sultans, mit 20 Tscherkessen nach Vracesi , um dem dort stehenden Tschakir den Befehl zu überbringen, die angehäuften Getreidevorräthe zu vernichten und unter Zurücklassen der für Plewna bestimmten Munition sofort mit allen Truppen den Marsch zum Gros nach Baba Konak anzutreten. Diese Abtheilungen erreichten am Morgen des 29. Novembers in aller Frühe unbehindert vom Feinde und in guter Haltung die angewiesene Stelle ,
nachdem Tscherkessen zur Beobachtung des
Feindes bei Vracesi zurückgeblieben, drei Bataillone aber etwa zwei Kilometer vorwärts Baba Konak als Vorposten aufgestellt waren. Mehmed Ali verfügte nun also, einschlieszlich der gegen die Strasze von Slatiza entsendeten Truppen, über die ansehnliche Zahl von 44 Bataillonen, von denen 38 vollkommen intakt , 39 ihm unmittelbar zur Hand auf einem Raume von neun bis zehn Kilometern versammelt waren. Diese 44 Bataillone repräsentirten, da die letzt hinzugekommenen aus Bosnien gegen 600 Mann zählten, ungefähr eine Effectivstärke von 20,000 Mann Infanterie , wozu 46 Geschütze und valleristen traten.
1000 Ca-
Der Verlust des 28. Novembers war nicht fest-
zustellen, konnte jedoch Türkischer Seits nur gegen 200 Mann an Todten und Verwundeten betragen haben . Mehmed Ali
verblieb den Vormittag des 29. Novembers im
Lager, besichtigte die angekommenen Bataillone, übergab Tschakir Pascha das Commando der Reserven am Passe Baba Konak , liesz Ibrahim Pascha wieder das Commando der Güldis Tabia und der daselbst concentrirten acht Bataillone übernehmen und wurde im Uebrigen von der Dari Choura derartig mit Depeschen überschüttet, dass er kaum Zeit fand, die Mittagsmahlzeit einzunehmen. Von der Güldis Tabia ausgesandte Patrouillen stellten inzwischen
198
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
fest , dass die Verbindung zwischen den nördlich und östlich der Türkischen Schanze am 28. November getrennt aufgetretenen ArmeeAbtheilungen in der verflossenen Nacht vollzogen worden sei und der Gegner Geschützstände aufwerfe. Gegen 12 Uhr Mittags machte
sich alsdann eine auffallende
Bewegung der Russen im Norden der Türkischen rechten Flügelschanze bemerkbar.
Kleine Kosakenpatrouillen nahmen zum Schutze der rechten Flanke gegen das Defilée von Orhanie Stellung hinter einzelnen Baumgruppen , bis zur Stärke
andere gröszere
Cavallerie - Abtheilungen
einer Escadron stiegen in
das erwähnte Defilée
hinab und setzten innerhalb des Vertheidigungsbereiches der Türken nach Norden wie
Süden Posten
aus ,
während andere De-
tachements des Feindes den Weg ins Thal der Suha Reka einschlugen. Das Geschützfeuer der Russen, welches am Vormittag langsam unterhalten und ebenso beantwortet worden war, nahm um diese Uhr Russischer Zeit an Lebhaftigkeit zu, schwieg aber gegen 12 Dichte Schützenschwärme des Feindes verlieszen
Seits gänzlich.
nun den schützenden Wald und schlugen die Richtung auf die Güldis Tabia ein. In einer Entfernung von 400 bis 500 Metern folgten die Reserven, die auf fünf Bataillone geschätzt wurden. Gegen diese richteten die beiden Geschütze der Nordfront der ebengenannten Schanze ein lebhaftes, jedoch ziemlich wirkungsloses Feuer. Die Schanze VII nahm ebenfalls das Feuergefecht gegen die
aus nördlicher Richtung vorrückenden feindlichen Colonnen und die Batterie an der Waldlisière auf, welche lebhaft antwortete. Die grosze Schanze VI schwieg hingegen aus Besorgniss, dass durch das Gegenfeuer der Russen dem weiter rückwärts befindlichen groszen Lager Schaden erwachsen und, da dort auch viel Train versammelt war, leicht Unordnung und Panik entstehen könnte. Das Feuergefecht zwischen den sprungweise vorgehenden Russischen Schützen und der Türkischen Besatzung der Güldis Tabia wurde auf etwa 1000 Meter von dieser Schanze eröffnet. Der Vertheidiger, anfänglich auf weite Distance dem Angreifer antwortend, stellte dann sein Feuer ein, als die Russen auf 400 bis 500 Meter herangerückt waren,
um dasselbe
mit vernichtender Wirkung in
nächster Nähe gegen den anstürmenden Feind von Neuem beginnen zu lassen. Der Anlauf der Russen scheiterte vollständig ; einzelne Schützen, welche die vier Meter hohe Brustwehr erstiegen hatten und in die Schanze feuerten, wurden von den Vertheidigern mit dem Bajonnete
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
199
niedergemacht. Drei Bataillone der Türken folgten den Russen mit einem kurzen Vorstosze und sendeten dann ihre Geschosse den Zurückeilenden nach , welche jedoch , schon 2000 Meter von der Türkischen Schanze entfernt, im Granatfeuer der Geschütze aus der Güldis Tabia zusammengezogen und geordnet hinter die Waldlisière zurückgeführt wurden. Nachdem die Russischen Bataillone auf dem Plateau nördlich der Güldis Tabia in dieser Weise zurückgewiesen wurden, fand ein zweiter Angriff der Russen von Osten her gegen die Süd- und Eingangsseite der Schanze und das dabei liegende Türkische Zelt- und Barackenlager statt.
Der Sturm, der im Vereine mit dem nördlichen
Angriffe vor sich gehen sollte, theilte das Schicksal des ersteren ; die mit Hurrah vorbrechenden fünf Bataillone eilten nach zehn Minuten in voller Auflösung dem Walde zu .
Sie hatten, in Compagnie-
Colonnen auseinander gezogen, anfänglich ein sehr günstiges Angriffsterrain, einen bewaldeten Grund, zu durchschreiten und konnten, nur in kurzen Augenblicken, bei kleinen Lichtungen auftauchend, von den Geschützen in der Güldis Tabia aufs Korn genommen werden, dann ihren Vormarsch gedeckt wieder fortsetzen.
Schlieszlich
hatten die Compagnien, von der Türkischen Schanze aus nicht bemerkt, ihre Vereinigung zu Bataillonen vollzogen und in dieser Formation ganz freies Terrain von etwa 500 Meter im Feuer der Türkischen Besatzung zu durcheilen gehabt. Der Gesammtverlust der Russen betrug nach Türkischer Schätzung etwa 250 bis 300 Mann, doch liesz sich schwer hierüber ein Urtheil bilden, da die Russen bemüht waren, ihre Verwundeten nach Thunlichkeit zurückzuführen , ja selbst die Todten mitzunehmen. Nur 30 Todte des Feindes waren in der Nähe der äuszeren Brustwehrböschung der Türkischen Tabia zurückgelassen worden.
Der Ver-
lust der Letzteren war in Folge der gedeckten Stellung nur unbedeutend und erreichte kaum die Zahl 50 , unter denen acht Todte. -— Geraume Zeit , nachdem die Russische Infanterie sich zurückgezogen hatte, eröffneten die beiden Russischen Batterien wieder ihr Feuer gegen die Schanze der Türken, welche langsam antwortete. Dies hinhaltende Artilleriegefecht wurde auch in der Nacht und dem Vormittage des 30. Novembers fortgesetzt , ohne dass ein nennenswerther Erfolg erzielt wurde . Mehmed Ali, welcher den Kampf am 29. November seit Mittags 1 Uhr von der Güldis Tabia aus geleitet hatte, erwartete am 30. einen stärkeren Russischen Angriff gegen seine gefährdete rechte Flügel- Schanze ; die Besatzung zu vermehren , schien ihm bei der an
200
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
sich schon gedrängten Aufstellung in derselben nicht rathsam ; die vorhandenen acht Elite - Bataillone waren wohl im Stande , einen doppelt so starken Gegner abzuweisen. Von einem Vormarsche nahm der Marschall Abstand, da er über die Russischen Stärkeverhältnisse nicht unterrichtet war , lichen Mangel an Offizieren gröszere Truppenverbände
hatte
wesent-
und seine Bataillone nicht in
zusammengestellt waren ,
ohne welche
ihm eine Offensive unmöglich schien. In dem Stabe des Generals wurde dagegen die Ansicht ausgesprochen, dass mit jeder Stunde Zeitverlust die Stellung der eingeschlossenen Armee Osman Pascha's eine schlimmere würde ; der Zweck der Formation der Armee auf der Position vor Kamirli allein der Entsatz Osman Pascha's wäre, und von diesem Gesichtspunkte aus selbst kühnere Unternehmungen geboten schienen.
Der Gegner habe jeden-
falls alle zur Zeit verfügbaren Kräfte zum Sturme gegen die taktisch so wichtige Güldis Tabia verwendet gehabt ,
mit jeder Zögerung
wachse die feindliche Macht, während die eigenen Kräfte sich nur langsam und durch wenig zuverlässige Bataillone verstärken könnten. Ein Vormarsch am nächsten Tage mit 15 Bataillonen von der Güldis Tabia gegen die Russische Stellung im Norden der Schanze und von den 20 Bataillonen unter Tschakir im Thale der Suha Reka concentrisch ausgeführt , habe viel Chance des Gelingens für sich. Die Russische Stellung östlich der Güldis Tabia verlöre alsdann jede Bedeutung und die dort versammelten geringen feindlichen Kräfte wären in eine um so gefährlichere Lage gebracht, als durch den näheren Weg im Thale der Suha Reka nach Etropol, wohin das Türkische Operationsobject festzustellen wäre , die Russische Abtheilung dabei leicht von der Rückzugslinie abgeschnitten werden könnte. Es wurde ferner erwähnt, dass der moralische Impuls der siegreichen Türkischen Bataillone,
die einen Umschwung der Er-
eignisse annahmen, ausgenutzt werden müsse.
Was die Organisation
der Türkischen Bataillone anbetreffe, so verlange sie zwar viel Zeit, aber auch bei einem Mangel von Offizieren schlügen sich die Türkischen Truppen umsichtig und mit Begeisterung.
Als Beispiel wurde
das Gefecht am 21. September bei Cairkioj am Baniska - Lom angeführt. Mehmed Ali hörte die Entgegnung ruhig an , räumte ihr eine gewisse Wahrheit ein, beschloss jedoch den nächsten Tag ,
in ab-
wartender Stellung zu bleiben, den Vorschlag einer Diversion gegen Etropol aber im Auge zu behalten ziehen. -
und näher in Erwägung zu
Die Vertheidigung des Etropol - Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
201
Es dürfte hier vielleicht eine Einschaltung am Platze sein, die in die verflossene Zeit zurückgreift , sich aber erst später geklärt hat , um zu constatiren, wie wenig Mehmed Ali sich auf das Versprechen der Dari Choura verlassen durfte, und wie seinen Nebenbuhlern mehr an der Durchführung eigener ehrgeiziger Pläne lag, als an der Errettung ihres Vaterlandes und speciell der Befreiung der Armee Osman's.
Suleiman Pascha, auf eine starke Hofpartei gestützt, hatte gegen den Willen des Sultans Mehmed Ali im Obercommando am Lom abgelöst.
Nicht zufrieden mit diesem Triumphe über seinen Rivalen,
hatte er es (ungeachtet seines unmotivirten Rückzuges nach Rasgrad und dem Preisgeben der Lom-Linie) durchzusetzen gewusst, dass er laut Kaiserlicher Irade vom 14. November zum Serdar Ekrem (Generalissimus) sämmtlicher Truppen auf dem Europäischen Kriegsschauplatze ernannt wurde. Mehmed Ali war trotz des ihm zugesicherten selbstständigen Commando's durch diese Irade in ein Abhängigkeitsverhältniss zu Suleiman getreten, dem er seine Meldungen und Wünsche nun auch mittheilen und zur Begutachtung vorlegen musste. Der Verkehr wurde durch den zwiefachen Weg Baba Konak - Constantinopel und Constantinopel - Rasgrad natürlich viel zeitraubender und nicht selten durch Uebergehung einer Instanz sehr störend.
Mehmed Ali be-
schloss demnach, seine Meldungen zum gröszten Theile auf die Dari Choura zu beschränken und es dieser zu überlassen, Suleiman Pascha Mittheilung zu machen. Mehmed Ali's Argwohn , dass Suleiman , dieser l'homme fatal für die Türkei , auch ihm persönlich keine Kränkungen ersparen würde, bestätigte sich nur zu sehr. Bei seinem Eintreffen in Sofia fand er bereits eine Depesche Suleiman Pascha's vor, welche die sofortige Abgabe seines Stabschefs, Mussapher Bey, der in der Dari Choura verwandt werden sollte, verlangte.
Erst nach erfolgtem Eintreffen dieses Offiziers in
Constantinopel würde dann Mehmed Ali von dort aus ein Ersatz zu Theil werden . Der Muschir, der seinen umsichtigen Chef nicht missen wollte, wandte sich direct an die Dari Choura mit der Bitte, Mussapher Bey ihm zu belassen. Erst viele Tage später wurde von Constantinopel aus geantwortet, dass Mussapher Bey bei Mehmed Ali verbleiben könne. Letzterer richtete hierauf nach Rasgrad an Suleiman direct die Bitte um Zutheilung Nedjib Pascha's , den er mit einer starken Division zum Entsatze Plewna's ganz selbstständig auftreten lassen
202
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
wollte.
Nedjib Pascha hatte zur Zeit keine besondere Verwendung
bei Rasgrad . Wider Erwarten traf der umgehende Bescheid Suleiman's ein, Nedjib Pascha wäre behufs Antrittes des gewünschten Commando's bereits auf dem Wege nach Constantinopel. Hier aber wurde Nedjib festgehalten und zum Mitgliede der Dari Choura bestimmt ,
ohne dass man es der Mühe werth hielt,
Mehmed Ali , der den tüchtigen General schon zu den Seinen zählte, davon Mittheilung zu machen. Am 30. November änderte sich die Lage der Türken am Baba Konak nicht.
Mehmed Ali konnte sich unter den dargethanen Um-
ständen jedoch nicht zu einer Offensive entschlieszen. Nedjib Pascha, auf dessen Urtheil er so groszen Werth legte, erschien aus erwähnten Gründen nicht, dafür trieben sich aber abenteuerliche Gestalten aller Art im Lager des Pascha umher. Wollte doch selbst der ci-devant-General der Pariser Commune, Cluseret, der, mit einem Amerikanischen Bürgerbriefe und mit einer Empfehlung des Ungarischen Generals Klapka versehen, bei Mehmed Ali eintraf, als Geschichtsschreiber sein Quartier auf der Position von Kamirli aufschlagen. Mehmed Ali erklärte mit der ausgesuchtesten Höflichkeit, dass er aufs Lebhafteste bedauere, von den bekannten Fähigkeiten des Generals keinen Vortheil hinsichtlich Strategie und Taktik zu seines Landes und seinem eigenen Besten ziehen zu können ; seine Ordres lauten bestimmt , und nur der Groszvezier könne durch ein directes Wort ihn entbinden. Der 1. December brachte die alltägliche Beschieszung , die je nach der Laune der Batterie- Commandanten einen ruhigeren oder An thatsächlicher Wirkung wurde, erregteren Charakter annahm. trotz des concentrischen Feuers acht Russischer Geschütze, während vier Tagen gegen die Güldis Tabia wenig erreicht.
Die Russischen
Granaten, meist vor und hinter der Schanze aufschlagend, waren nur selten auf der Brustwehr crepirt , und hatten dieser so wenig geschadet , dass nicht einmal eine Reparatur vorgenommen zu werden brauchte.
Nachmittags 3 Uhr vernahm man in nordwestlicher Rich-
tung und unweit der Schanze VII ziemlich heftiges Tirailleurfeuer. Dem Schalle folgend , fand Mehmed Ali kaum 1000 Meter nördlich der Schanze VII auf einem bewaldeten Bergkegel ein Türkisches Bataillon in Stellung, und erhielt von dem commandirenden Obersten die Meldung, dass Russische Schützen der Garde vom Thale der Suha Reka und der Strasze von Orhanie vorgedrungen wären , das Gefecht jedoch ganz bedeutungslos sei.
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
203
Auf die Frage des Generals , wo denn die Vorposten-Brigade Nassif Pascha's stände, die auf vier Bataillone verstärkt und näher an die Centralstellung gezogen worden war, erhielt er zur Antwort, dass diese in westlicher Richtung abgezogen wäre und auf der linken Seite der Strasze nach Orhanie Stellung genommen hätte. Mehmed Ali befiehlt nun seinem Stabschef Mussapher Bey, bei anbrechendem Morgen des nächsten Tages mit drei Bataillonen, die er ihm noch senden würde, die vorliegende kleine Waldparcelle, die bisher vom Feinde unbesetzt wäre, unter allen Umständen in die Linie der Türkischen Vertheidigung zu ziehen . ― Bei beginnendem Tagesgrauen des 2. Decembers ritt auch Mehmed Ali nach Erledigung der nothwendigsten Depeschen an der Schanze VII vorbei gegen die Strasze von Orhanie vor. Nur wenige hundert Meter von der Schanze traf er Mussapher Bey mit den drei Bataillonen. Dem Ausdrucke des Erstaunens kam der Chef des Stabes zuvor, indem er erklärte, er hätte versucht, mit den Bataillonen vorzugehen, die Waldparcelle wäre jedoch bereits im Besitze des Feindes gewesen und er mit einem solchen Kugelhagel überschüttet worden, dass er das Gefecht hätte aufgeben müssen. Nassif Pascha war auch am 2. December noch immer nicht auf der ihm anbefohlenen Position angelangt , sondern auf einer Recognoscirung in nordwestlicher Richtung begriffen. auch heftiges Geschützfeuer gegen die Güldis
Da mittlerweile
Tabia vernommen
wurde, so hinterliesz Mehmed Ali den Befehl für Nassif Pascha, jede weitere Recognoscirung zu unterlassen und in der ihm angewiesenen Stellung zur Deckung des Türkischen linken Flügels zu verbleiben. Sodann begab sich der Marschall ins grosze Lager, und nach kurzer Unterredung mit Tschakir Pascha ertheilte er diesem den Auftrag, sich genau über das Terrain auf dem linken Türkischen Flügel zu orientiren und einen Angriff für den nächsten Tag vorzubereiten, wozu er ihm 18 Bataillone zur Verfügung stellte. Dann eilte Mehmed Ali zur Güldis Tabia.
Die Russen hatten
nach Anlegung von Colonnen- Wegen ins Thal der Suha Reka die leichten und Gebirgsgeschütze aus ihren beiden Batterien zurtickgezogen und diese durch eine fast doppelte Anzahl gröszeren Calibers ersetzt, so dass der Güldis Tabia nun 12 bis 15 schwere Geschütze gegenüberstanden.
Da aber keinerlei Bewegung auf einen feind-
lichen Infanterieangriff schlieszen liesz , so kehrte bei anbrechender Dunkelheit Mehmed Ali ins Lager am Baba Konak zurück, woselbst auch Baker Pascha am späten Abende aus Sofia anlangte. —
204
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha. Der Morgen des 3. Decembers wurde mit einer Kanonade aus
48 Russischen Geschützen gegen die Güldis Tabia, sowie die Schanzen VI und VII eröffnet. Mehmed Ali , der kaum 1000 Meter nördlich der Schanze VII eine Russische halbe Batterie von vier Geschützen in Position sah und seine Anwesenheit auf dem linken Türkischen Flügel, wo auch bereits ein hartnäckiges Infanteriegefecht sich entwickelt hatte, für geboten hielt, übergab Baker Pascha das Commando über das grosze Lager und die Reserve-Bataillone. Auf dem linken Türkischen Flügel hatte sich bei Mehmed Ali's Eintreffen folgende Gefechtslage entwickelt :
Tschakir Pascha hatte
mit sieben Redif-Bataillonen von der Schanze VII, in scharf nordöstlicher Richtung vorbrechend, versucht, sich in Besitz des von den Russen behaupteten Bergkegels zu setzen.
Durch dicht bestandenes
Gehölz und Gestrüpp aufgehalten, war er genöthigt worden, mit dem linken Flügel weiter auszuholen. Der Feind, der hinter erwähntem Gehölze eine vollkommen gedeckte Aufstellung und Anlehnung fand, verhinderte jeden Fortschritt durch Auftreten in der rechten Türkischen Flanke. Auch hatten die Türkischen Bataillone bereits durch die vier Russischen Geschütze wesentlich gelitten, während gegen diese nur selten eine Granate aus der Schanze VII herübergeworfen wurde. Mehmed Ali zog sofort aus der Reserve eine Batterie auf die offene Kuppe nördlich der ebengenannten Schanze und liesz sie Schnellfeuer auf die Russischen vier Geschütze abgeben, die nach einer Stunde zum Schweigen gebracht und zurückgezogen wurden. Die sieben Türkischen Bataillone der ersten Linie hatten unterdessen Terrain gewonnen.
Durch eine bedeutende Detonation, die
zu dieser Zeit durch das Auffliegen zweier Türkischer Protzen in der Schanze VII entstanden war, glaubten sich mehrere in zweiter Linie stehende Mustaphis- Bataillone im Rücken angegriffen und gaben Feuer auf die vor ihnen fechtenden Redif- Bataillone.
Diese begannen
nun sich dem Kreuzfeuer, das sie ebenfalls in dem schwer übersichtlichen Waldterrain für feindliches hielten,
zu entziehen und in stid-
westlicher Richtung auf die Schanze VII zurückzuweichen. Mehmed Ali hatte sich auch überzeugt , dass das unpassirbare Waldterrain vor seiner Front von dem Feinde zwar nicht vertheidigt werden konnte, wohl aber diesem die Möglichkeit bot, seine Flanke fest anzulehnen, jedem Türkischen Angriffe durch gesicherte Reserven zu begegnen und einen verdeckten Anmarsch nach der Schlucht zwischen den Schanzen VII und VI zu unternehmen.
Die Vertheidigung des Etropol-Balkans unter Mehmed Ali Pascha.
205
Da man sich auf keine andere Weise dieses lästigen Buschwerkes entledigen konnte, so wurde beschlossen, dasselbe niederzubrennen.
Um dies mit einiger Aussicht auf Erfolg durchzusetzen,
schickte Mehmed Ali gegen Mittag einen Trainwagen zur Uebernahme eines Fasses Petroleum nach Sofia.
Der Wind , der bisher
lebhaft von Süden wehte, schien diesem Vorhaben günstig . Gegen Abend schwieg das beiderseitige Geschützfeuer, doch auch der Wind legte sich vollständig ; als daher zur Nacht der Zündstoff eintraf, musste von den vorgenommenen Versuchen, den Wald in Brand zu stecken, bald Abstand genommen werden. Die Russischen Batterien setzten in der Nacht zum 4. December das Feuer fort, schwiegen dagegen am Vormittage, bis gegen 12 Uhr Mittags ein vereinzelter Schuss gegen die Schanze VII das Zeichen zum Angriffe nach dieser Richtung war. Die vorstürmende Russische 2. Garde - Infanterie - Division vermochte trotz öfteren Vorbrechens nicht, die Türken aus ihrer während der Nacht durch ein Erdwerk und einige Schützengräben verstärkten Stellung nördlich der Schanze VII zu vertreiben und wurden schlieszlich hinter ihren früheren schützenden Abschnitt zurückgenommen. Das Gefecht hatte beiderseits schwere Opfer gekostet. Am Abende dieses Tages wurde Mehmed Ali , 17 Tage nach seinem Eintreffen , in Sofia des Oberbefehls der Position bei GroszKamirli entsetzt und nach Constantinopel abberufen, wo er die Befestigung der Hauptstadt leiten sollte. Tschakir Pascha trat im Etropol-Balkan an seine Stelle ;
die
dort stehende Türkische Armee , durch Zuzüge aus Bosnien vermehrt, hatte mittlerweile eine Stärke von 52 Bataillonen, 10 Batterien, 10 Schwadronen und 500 Tscherkessen erhalten und betrug nunmehr 25,000 Mann Infanterie, 1300 Cavalleristen, einschlieszlich der Tscherkessen, und 60 Geschütze.
Der genannte General behauptete be-
kanntlich seine wichtige Stellung bis zum 31. December, wo er sich vor den umgehenden Russischen Colonnen eiligst zurückzog. Bei einem Rückblicke
auf die Thätigkeit Mehmed Ali's im
Etropol-Balkan ist vor Allem zu betonen , dass er den ertheilten Auftrag, zum Entsatze Plewna's vorzurücken, nicht ausgeführt hatte. Die Gründe, welche ihn leiteten, sind bereits angegeben.
Es sei
aber noch erwähnt, dass die Truppen, die er unter seinem Befehle hatte, bei Weitem nicht solche waren, wie er sie am Lom in den siegreichen Gefechten von Ajaslar, Karahasankiöj und Kaceljevo, vor Allem aber bei Tschairkioj geführt hatte ; zu der Unzuverlässigkeit 14 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine.
206
der Mustaphis trat der Mangel an Offizieren. Auszerdem wirkte auf des Marschalls Willenskraft seine Umgebung nachtheilig ein , die meist treue Untergebene , aber nicht Leute waren, welche ihre Stellung vollständig ausfüllten ; die ganze Thätigkeit des Obercommando's lastete vielmehr auf der Person Mehmed Ali's . So oft nur ein Gewehrschuss fiel , herrschte überall Rathlosigkeit und Mehmed Ali musste stets persönlich eingreifen und Alles anordnen. Zu dieser in der That aufreibenden Thätigkeit trat dann der sehr störende Verkehr mit der Dari Choura, die in barocken Fragen und Belästigungen Auszerordentliches leistete. So Tag und Nacht in Anspruch genommen, konnte er nicht die Ruhe und den Ueberblick finden, die zu klaren Entschlüssen nothwendig waren.
Er verlor schlieszlich das Vertrauen auf sich und
auf das Kriegsglück seines Heeres .
XIV .
Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine. Ueber die seit dem Deutsch- Französischen Kriege bereits durchgeführten und noch in Aussicht stehenden Reformen innerhalb des Französischen Heerwesens und der Kriegsmarine liegt seit Kurzem ein sehr verdienstvolles Werk *) des Englischen Majors C. J. East des 57. Infanterie-Regiments vor, welcher dem Englischen Generalstabe
und
speciell dem Nachrichten - Büreau
(Intelligence
Branch) des Kriegsministeriums in London zugetheilt ist. Jenes Werk registrirt nicht allein in erschöpfender Weise alle jene in Frankreich vorgenommenen Reformen und neuen Einrichtungen, sondern bringt auch überaus werthvolle , mit groszem Fleisze gesammelte militair- statistische Daten und Tabellen, die in die Stärke und Verhältnisse der gegenwärtigen Wehrkraft Frankreichs
einen
genauen Einblick gestatten.
*) The armed strength of France. Compiled in the Intelligence Branch of the Quartermaster General's Departement, Horse Guards, War Office, by Major C. J. East, 57th Regiment. - London : Printed under the Superintendence of Her Majesty's Stationery Office and sold by W. Clowes and Sons, 13 Charing Cross , London, 1877.
Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine.
207
Das Französische Marine- Budget für 1878 wird in diesem Werke, nach officiellen Daten, auf 7,557,069 Pfund Sterling beziffert .
Von
dieser Summe sind indess 1,965,766 Pfund Sterling für den Colonialdienst und 499,500 Pfund Sterling für Strafanstalten in Abzug zu bringen.
Der Rest von 5,091,803 Pfund Sterling ist zur Deckung
der eigentlichen Marineausgaben bestimmt, welche sich auf folgende Posten belaufen :
Central- Verwaltung (Personal) Central-Verwaltung (Material)
36,210 Pfund Sterling. 8438 "7 17
•
Depôt der See-Karten und Pläne
20,784
ກ.
Offiziere und Matrosen zu Land und in See (Navigations - Personal) •
Truppen
1,423,379
17
61,963
17
164,282 104,869
n
667,859
ກ
17
Verschiedene Corps und Agenten (nicht
Arbeitslöhne
17 17
688,052
3
zum Navigations-Personal gehörend) Aufsichtsorgane, Wächter u. s. w. Vorräthe und Lazarethe
"
Flottenbedürfnisse (Schiffsbauten und Artillerie) •
1,500,800
Hydraulische Arbeiten und Civil-Gebäude
268,000
17
**
10,376
17
17
Seejustiz . Drucksorten und Ankauf von Büchern Reisekosten, Lootsen und Fischcultur
17
15,114 •
121,686
17 "
11
Summa : 5,091,803 Pfund Sterling. Die verschiedenen Französischen Flottenstationen zählen folgende Schiffe :
Uebungsgeschwader 8 Schiffe mit 3833 Mann ; Englische
Canal- Division 4 Schiffe mit 1901 Mann ; Algerien 3 Schiffe mit 382 Mann ; Levante 3 Schiffe mit 342 Mann ; Antillen 4 Schiffe mit 778 Mann ; Neufundland 3 Schiffe mit 191 Mann ; Martinique 1 Schiff mit 67 Mann ; Guadeloupe 1 Schiff mit 67 Mann ; Guyana 4 Schiffe mit 145 Mann ; Island 2 Schiffe mit 289 Mann ; Südatlantischer Ocean 8 Schiffe mit 1085 Mann ; Senegal 4 Schiffe mit 217 Mann ; Stiller Ocean 5 Schiffe mit 982 Mann ; Taïti 1 Schiff mit 25 Mann ; China und Japan 5 Schiffe mit 875 Mann ; Indo -China 7 Schiffe mit 1288 Mann ; Neu-Caledonien und Sträflingsdienst 7 Schiffe mit 412 Mann ; Réunion und Comoro 3 Schiffe mit 114 Mann ; Küstendienst 13 Schiffe mit 897 Mann ; in besonderer Verwendung 12 Schiffe mit 2303 Mann ; Küstenhydrographie
1
Schiff mit
50
Mann ;
Versuchsschiffe (?)
(Vessels under trial) 8 mit 899 Mann ; Vessols fer reliefs (?) 7 mit 999 Mann ;
Schulschiffe 6 mit 2630 Mann und schwimmende 14 *
Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine.
208
Schulen (Floating schools) mit 2963 Mann. mit 23,764 Mann.
Zusammen 120 Schiffe
Ueberdies sind noch an Offizieren und Mannschaften 1514 als überzählig eingeschifft oder stehen in den verschiedenen Häfen der Colonien in Verwendung.
Dies ergiebt an Offizieren und Mannschaft
eine Totalsumme von 25,278 Mann. Unter den 120 Schiffen der verschiedenen Flottenstationen sind : 10 gepanzerte Schraubendampfer, 50 nicht armirte Schraubendampfer, 18 Raddampfer, 21 Segelschiffe , 6 Navigations - Schulschiffe und schwimmende Schulen (Floating schools). ----Die Französische Panzerflotte besteht nach den Angaben des Englischen Autors aus 21 Panzerschiffen erster Classe, nämlich : Redoutable . • · 1500 Pferdekraft 16 Geschütze. Richelieu •
Colbert
Friedland •
1000
29
14
"
1000
"
14
29
950
"
"
14
Trident
•
950
"
15
"
Marengo Océan
•
950
29
·
Suffren .
99
14
950
19
16
29
950
29
12
" "
Solferino
·
900
12
Flandre
.
900
29
12
"
900
"
20
"
900
Gauloise Guyenne
• · •
12
"
17
16
29
900
n
14
900
3
Magnanime Provence
99
900
15
900
"
15
Surveillante •
900
99
12
Valeureuse Heroïne ·
900
Revanche .
•
·
Couronne Gloire
"
"
15
900
29
15
"
800
"
12
"
800
·
3
"9
Savoie .
"
10
Dévastation, Amiral Duperré und Foudroyant sind im Bau begriffen. Panzerschiffe zweiter Classe sind :
Lagalissonnière .
•
500 Pferdekraft 10 Geschütze.
Victorieuse
575
"
8
"
Alma
450
19
10
"
Armide
450
"
10
17
Atalante
450
19
10
19
Zur Statistik der Französischen Kriegsmarine. Jeanne d'Arc
•
•
450 Pferdekraft 10 Geschütze. 450
Montcalm Reine Blanche Thétis .
.
Belliqueuse
·
209
10
"
450
10
"
450
"
10
,,
450
29
10
""
"
Bayard, Turenne und Triomphante sind im Bau begriffen.
Küstenwachtschiffe (gepanzerte). Tonnerre
900 Pferdekraft 2 Geschütze.
Tempête Bélier .
375
"
2
530
27
2
י
530
29
2
22
530
27
2
"2
2
29 "
Bouledogue • Cerbère
.
Tigre Taureau
530 430
""
1
Onondaga (Monitor)
250
29
4
Fulminant, Furieux, Tonnant und Vengeur sind im Bau begriffen. 11 Gepanzerte Kanonenboote (Floating Batteries). 120 Pferdekraft
Arrogante Implacable Opiniatre Embuscade
Refuge Nr. 8 · Nr. 9
•
.
120
"
6
""
120
"
6
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·
120
"
4
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·
120
"
6
"1
120
4
99
120
4
19
2
29
•
•
·
•
99
40
40
Nr. 10
40
Nr. 11
40
2222
Imprenable Protectrice
7 Geschütze.
"
19
"
2
""
"
2
"
Summe der Panzerschiffe in See 50.
Im Bau begriffen
. 10. Zusammen 60.
Leider gestattet der beschränkte Raum es nicht, aus dem Werke des Majors East weitere Auszüge über den gegenwärtigen Stand und die Verhältnisse der Französischen Kriegsmarine zu geben, doch sei Denjenigen, die sich darüber zu orientiren wünschen, das Buch auf das Beste empfohlen.
Umschau in der Militair-Literatur.
210
XV.
Umschau in der Militair- Literatur.
Kurzer Lebens-Abriss des weil. Königlich Preuszischen Generals Ernst Ludwig von Aster. Nach Aufsätzen , Briefen , Aufzeichnungen etc. des Generals zusammengestellt und herausgegeben von einem Sohne desselben. Nebst einem Anhange, bestehend aus drei in neuerer Zeit von E. L. von Aster verfassten Aufsätzen politischen Inhalts. Berlin 1878. Buchhandlung (Strikker). - 8º. ― 139 Seiten.
Vossische
Das vorliegende Buch will keine erschöpfende Lebensbeschreibung des bekannten Generals bringen, sondern durch Wiedergabe der in Händen der Familie gebliebenen Briefe und Aufzeichnungen desselben seine zahlreichen Freunde einen Blick in das geistige Leben des begabten und unermüdlich thätigen Mannes thun lassen. Ueber die äuszeren Lebensschicksale enthält das Werk nicht viel mehr, als jedes gute militairische Wörterbuch (z . B. die Webel'sche Encyclopädie
oder das Poten'sche Handlexicon) über ihn
berichtet.
Aster's Wirksamkeit im Preuszischen Ingenieur - Corps ist in dem zweiten Theile des vortrefflichen Bonin'schen Werkes : „Geschichte des Ingenieur-Corps und der Pioniere in Preuszen" sogar bei Weitem eingehender dargestellt , als dies hier geschehen. Allgemeines militairisches Interesse dürfte das Buch daher nur in beschränktem Maasze beanspruchen, um so mehr, da ein sehr groszer Theil desselben nur Briefe Aster's an seine Brüder veröffentlicht, in welchen namentlich Privat-Ansichten über einzelne Werke des jüngeren, als Schriftsteller bewährten Bruders u . s . w. ausgesprochen werden. Hervorheben aus den Aufzeichnungen möchte ich die
„Aus dem
Gedächtnisse niedergeschriebene Erfahrungen eines Chursächsischen Offiziers, gesammelt während des Feldzuges der verbündeten Sachsen und Preuszen gegen Frankreich im Monat October 1806 " .
Aster
war zu jener Zeit Premierlieutenant im Sächsischen Ingenieur-Corps und wurde dem Sächsischen Generalstabe ins Feld nachgeschickt ; er war an den verhängnissvollen Octobertagen nicht selbst thätig, sah und erlebte aber viel. Seine lebenswarmen Schilderungen sind
Umschau in der Militair-Literatur.
211
eine schätzenswerthe Ergänzung zu den geschichtlichen Darstellungen Höpfner's und Montbé's. Die veröffentlichte Druckschrift über die Befestigung von Dresden ist militairisch vollständig veraltet ; anders verhält es sich mit den Schriftstücken aus der Zeit, als Aster im Jahre 1815 Chef des Generalstabes bei Corps (Pirch I ) war.
dem 2. Preuszischen
Bekanntlich hatte jenes Corps am Abende
nach der Schlacht bei Belle-Alliance den Auftrag erhalten, in Verbindung mit dem 3. Corps (Thielmann) den Rückmarsch des Marschalls Grouchy auf Namur zu verhindern .
Der Plan gelang nicht.
In seinem vor Kurzem erschienenen Werke über den Feldzug von 1815 misst General von Ollech dem Generalstabe des 2. Corps einen Theil der Schuld des Misslingens bei, indem er sagt : „ Dass die Meldungen zu spät eingingen, fällt den Vorposten der Cavallerie zur Last, spricht aber den Generalstab des 2. Armeecorps von dem Vorwurfe nicht frei, sich nicht persönlich von der Ausübung dieses wichtigen Dienstzweiges, für den Zweck bestimmt befohlener, weit reichender Recognoscirungen, überzeugt zu haben. "
Das leicht erklärliche Be-
streben, diesen den Vater treffenden Vorwurf hinfällig machen
zu
wollen, lässt nun der Sohn aus dem Tagebuche des Oberst Aster, sowie aus der vorgefundenen Copie eines nicht von Letzterem herrührenden Berichtes einzelne Stellen veröffentlichen ; er äuszert sich dabei , dass das Original dieses Berichtes dem Verfasser der eben erwähnten Feldzugsgeschichte nicht bekannt gewesen zu sein scheint, denn sonst würde sein Urtheil über den Generalstab des 2. Armeecorps doch anders gelautet haben, als dies der Fall ist .
Kindliche
Pietät hat hier, so glaube ich , den klaren Blick umflort.
Weder
die angeführten Stellen des Tagebuches, noch die des angezogenen Berichtes bringen meines Erachtens etwas von Bedeutung, was nicht in dem gründlichen Ollech'schen Werke Erwähnung und Berücksichtigung gefunden hätte.
Ob dem Verfasser der Geschichte des Feld-
zuges von 1815 der mehrerwähnte Bericht bekannt war oder nicht, mag dahin gestellt bleiben,
aber selbst nach Kenntniss desselben
würde das Urtheil über den Generalstab des 2. Corps wohl schwerlich ein anderes geworden sein. Auch ich möchte behaupten, wenn Gneisenau beim 2. Corps persönlich anwesend gewesen wäre, Grouchy hätte nicht unbemerkt und ungestraft vor der Front des Corps hinziehen können. Erschien es mir nothwendig, in diesem Punkte, wo es sich um ein wichtiges geschichtliches Ereigniss handelt und wo nach meiner Ansicht ein Dritter ungerecht angegriffen wird , mich mit meinem.
Umschau in der Militair-Literatur .
212
Urtheile vorzudrängen, und konnte ich in diesem Falle den Sohn nicht als einen vorurtheilsfreien Vertheidiger des Vaters ansehen, so muss ich andererseits aber auch zugestehen, dass das Buch im Uebrigen mit sehr groszer Bescheidenheit geschrieben ist und das Maasz des Lobes niemals überströmt. General von Aster erscheint in diesem Werke als ein Mann, der reich an Wissen, aber eine grosze Neigung zum Philosophiren und Reflectiren in sich aufkommen lässt. Dass das Buch seine Freunde auch auszerhalb der militairischen Kreise sucht, beweist der Anhang, welcher drei Aufsätze des Generals von Aster politischen bezw. religiösen Inhaltes enthält.
Die politische und militairische Lage Belgiens und Hollands in Rücksicht auf Frankreich-Deutschland. Eine Studie von Fritz Hoenig , Königlich Preuszischer Hauptmann a. D. Mit zwei Plänen. Berlin 1878. Fr. Luckhardt. 8º. 117 Seiten. ---Verfasser hat sich nach dem Deutsch - Französischen Kriege längere Zeit in Frankreich aufgehalten und die Ueberzeugung gewonnen , dass das Französische Volk durch Presse und Geistlichkeit fortwährend gegen Deutschland aufgehetzt wird, und es sicherlich über kurz oder lang zwischen den beiden Staaten nochmals zur blutigen Abrechnung kommen muss.
Bei einem neuen Kriege, führt
Verfasser aus, wird Frankreich schwerlich Deutschland in der starken Rhein-Front angreifen, vielmehr über Belgien vorzudringen suchen. Belgien muss also Anlehnung an Deutschland suchen , um gegen Frankreich geschützt zu sein .
Holland hingegen ,
wo bekanntlich
ein groszer Theil der Bevölkerung in der fixen Idee lebt, dass Deutschland bei passender Gelegenheit die Niederlande annectiren werde, neigt aus diesem Grunde schon zu Frankreich. Grundlage ausgehend, untersucht Verfasser die Vertheidigungsfähigkeit Hollands .
auf das
Von dieser eingehendste
Er macht uns zunächst mit
den topographischen Verhältnissen des Landes und dann mit den ganz
eigenartigen ,
auf Ueberfluthung basirten Vertheidigungsein-
richtungen desselben bekannt.
Unterstützt von den beigegebenen Karten und von einer Menge von Einzel-Angaben entwirft Verfasser ein deutliches Bild der Holländischen Festungs- und Vertheidigungswerke.
Nicht minder ausführlich und belehrend
sind seine Mit-
Umschau in der Militair-Literatur.
213
theilungen über das Niederländische Heer, wobei nicht nur Zahlen und Bestimmungen aufgeführt , sondern der Werth und die Tüchtigkeit der einzelnen Einrichtungen nach selbst gewonnenen Anschauungen besprochen werden. Interessant sind namentlich die Bemerkungen über die Schuttery
und das
Holländische Offizier-
Corps. - Verfasser kommt schlieszlich zu dem Ergebnisse, dass die Befestigungsverhältnisse des Landes doch noch Manches zu wünschen übrig lassen , die Wehrverhältnisse aber einer vollständigen Umgestaltung bedürfen, wenn die Armee im Falle der Noth den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht werden soll.
Im Uebrigen ist
Verfasser der Ansicht , dass Holland sich nicht nur politisch, sondern auch durch die Bodenbeschaffenheit in ähnlichen Verhältnissen wie die Schweiz befinde ,
die militairischen Einrichtungen
letzteren Landes demgemäsz auch für Holland entschieden die besten wären.
So gerne ich zugestehe, mit Vergnügen die kleine Schrift durchgelesen und Manches aus ihr gelernt zu haben, so lässt sich aber auch nicht leugnen , dass sie sich ― da eigentlich doch nur die militairische Lage Hollands in Frage steht - in viel zu ausgedehnter Weise mit den Verhältnissen Frankreichs beschäftigt ; dabei sind die „Plaudereien “ über das Land eigentlich nur politischer Natur und In vieler Beziehung anregend
auch nicht immer ohne Vorurtheil.
und voller schätzenswerther Angaben, ist andererseits das Buch in seiner Ausdrucksweise und seinem Style nicht immer tadellos ; neben der im Allgemeinen vorherrschenden Frische der Gedanken, dem freien, aber maaszvollen Urtheile finden sich doch manche an das Naive streifende Aeuszerungen vor. Bei der guten Absicht, die dem Werke offenkundig innewohnt , wollen wir dieselben gerne mit in den Kauf nehmen und uns der Hoffnung hingeben, dass durch das Buch manchem der allzusehr besorgten Holländer die Furcht vor Deutschen Annexionsgelüsten genommen wird.
Umschau in der Militair-Literatur..
214
Leitfaden für den Unterricht in der Terrainlehre, im militairischen Planzeichnen und im militairischen Aufnehmen an den Königlichen Kriegsschulen.
Auf Befehl der General-
Inspection des Militair-Erziehungs- und Bildungswesens ausgearbeitet von Burchardt, Hauptmann und Compagniechef im Anhaltischen Infanterie- Regiment Nr. 93 ,
früher Lehrer an
der Kriegsschule zu Schloss Engers. Mit 18 Holzschnitten. 4º. - 71 Seiten. — Berlin 1878. ― E. S. Mittler und Sohn. Preis : 2,40 Mark. Bei der Wichtigkeit, welches das Planzeichnen und militairische Aufnehmen namentlich für den jüngeren Theil des Offizier- Corps hat, und bei der nicht leichten Aufgabe, das Erforderliche in klarer und fasslicher Weise darzustellen , halten wir uns für verpflichtet , mit einigen Worten auf diese recht gelungene Arbeit aufmerksam zu machen.
Nach einer kurzen Einleitung bringt der Verfasser in dem
ersten Abschnitte : „Die Terrainlehre " , das Bezügliche aus der Orographie, Hydrographie und allgemeinen Topographie , dann kurze Betrachtungen über das Terrain hinsichtlich seiner militairischen Bedeutung und einige Worte über Terrain- Recognosciren.
Recht an-
schaulich ist in dem zweiten Capitel „ das militairische Planzeichnen ", namentlich die Theorie der Bergzeichnung auseinandergesetzt, während das letzte Capitel sich mit den Instrumenten für das militairische Aufnehmen , mit der Art und Weise der Messtisch-Aufnahmen und mit einer kurzen Anleitung zum Croquiren beschäftigt. ist mir, dass
Aufgefallen
auf Seite 24 von einer Schlacht (statt Treffen) bei
Weiszenburg , von der Schlacht bei Gravelotte (anstatt GravelotteSt. Privat) gesprochen wird.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
215
XVI.
Verzeichniss
der
bedeutenderen Aufsätze aus
anderen militairischen Zeitschriften . (15. Juni bis 15. Juli 1878.) Militair -Wochenblatt (Nr. 48-57) : Frankreichs Territorial Armee. -- Das Französische Kriegsministerium . Der erste nichtpreuszische Ritter des Ordens pour le mérite. - Generaladjutant Totleben's Aeuszerungen über die Vertheidigung von Plewna. Der Feld-Pionierdienst der Infanterie. - Die Russische Marine . Streifereien auf das GeDie Verbesserung der Truppenmenagen. biet der neuen Französischen Militair- Literatur.
Das Cavallerie-
Reglement Friedrich's des Groszen. Neue militairische Blätter *) (Juli- und August-Heft) : Neue Waffen. Neue Taktik ? - Cavalleristische Brtrachtungen, angeregt durch Gruson's v. Verdy's : „ Die Cavallerie-Division im Armee- Verbande. " Hartgusspanzer. Ideen über die Gefechtsthätigkeit der Fusz- Artillerie mit der Handfeuerwaffe. ― Mittheilungen aus dem Gebiete der Handfeuerwaffen. - Der Selbstmord in der Armee. -- Wan-
derungen eines militairischen Touristen auf dem Schauplatze des Suwarow'schen Feldzuges vom Herbste 1799 und einige Wahrnehmungen bei der jetzigen Italienischen und Schweizer Armee. Der Russisch -Türkische Krieg. Militairisch-politische Studien aus der neuesten Geschichte Spaniens. Allgemeine Militair-Zeitung ( Nr . 23-27) : Der Russisch-Türkische Einige Bemerkungen zu den „ DenkKrieg. - Ueber Disciplin. würdigkeiten aus dem Leben des Generals der Infanterie v. Hüser “ . - Ueber die Anwendung von Gewehrschlägen beim gefechtsmäszigen Schieszen der Infanterie . - Ein Ausflug an die Grenze. - Der Untergang der Panzerfregatte
Groszer Kurfürst" . —
Ein Beitrag
Die Truppenschau der Armee von Paris und der zur Telemetrie. Das Feuergegenwärtige Zustand des Französischen Heeres. gefecht der Feld-Artillerie. *) Im Juli - Hefte S. 103 , Z. 7 von unten muss es heiszen : Juni - Heft statt Mai-Heft. Auf Z. 2 von unten ist zu ergänzen: v. Brese - Winiary".
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
216
Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 24-28) : Das erste Potsdamer - Der Fourier-Offizier der Infanterie im Felde. -„Herbstmanöver". " Groszbrittanien und seine Colonien. -
Die
Schieszversuche
bei
Bredelar und Meppen am 27. Juni und 2. und 3. Juli. — Ueber Einführung von Pferdeverbrauchsgeldern. Militair-Zeitung für Reserve- und Landwehr-Offiziere (Nr. 20-23) : Das neue Exercir- Reglement für die Feld-Artillerie vom 23. August ― 1877. Ueber den Festungskrieg. Das Völkerrecht im Kriege. — Charakterbilder aus Miliz- Heeren. Einige Angaben über Bekleidung und Anzug der Offiziere. Die neue Gliederung einer Preuszischen mobilen Batterie. Das Gefecht bei Taschkösi und die Einnahme von Sophia. Ueber einige Grundbegriffe der Lehre von der TruppenVerwendung oder taktischen und strategischen Theorie. - Der Untergang des "7 Groszen Kurfürsten" . Archiv für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere des Deutschen Reichsheeres (83. Band, 3. Heft) : Zur Theorie der Geschossbewegung. Nachtrag zu dem Aufsatze : „Ein Beitrag zur Ballistik der gezogenen Geschütze ".
Bemerkungen über ballistische Rechnungen.
Beiträge zur Ballistik des Infanterie-Gewehrs.
Der Dienst der InDer FranZur Geschichte der Torpedos . ― der Uebungsmunition für die Handfeuerwaffen.
fanterie-Pioniere. zösische Etat
Aenderungen in dem Material der Königl. Italienischen Artillerie. — Versuchs -Vollgeschosse von Stahl und getempertem Gusseisen für den Russischen Neun-Zöller. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (Heft 6) : Zur Theorie der Meeresströmungen . Aus den Reiseberichten S. M. S. ,,Leipzig", „ Elisabeth" und „,Augusta". Aus den Reiseberichten S. M. Kbt. ,, Nautilus ". Organ der militair-wissenschaftlichen Vereine (XVI . Band , 4. Heft) : Das feldmäszige Schieszen der K. K. Fusztruppen taktischer Abtheilungen bis zur Stärke eines Kriegs - Bataillons. -- Ueber Dispositionen. -
Ueber Distanzschätzen und Distanzmessen in mili-
tairischer Beziehung im Allgemeinen.
Englands Landmacht in
einem continentalen Kriege in Europa.
Der Siemens Halske'sche
Vorposten-Telegraph. Oesterreichisch - Ungarische
Wehr - Zeitung ,, Der Kamerad " Socialismus und Militarismus. Ueber Marine-Administration und Controle. --- Die letzte Friedensthätigkeit des Compagnie-Commandanten. Militairisches von der Pariser Weltaus(Nr. 49-57) :
stellung. Die Sprengtechnik auf der Pariser Weltausstellung 1878 . Eine Studie über das Carré. - Mängel unseres Genie- Corps. -
aus anderen militairischen Zeitschriften.
217
Ueber die Verwendung der Schützen im Gefechte. Wehrpflicht Menschenrechte. und Zur Durchführung des Wehrgesetzes. Zur Conservirung des Mannes . - Die Familien der Reservemänner. Oesterreichische Militair - Zeitung (Nr. 48-56 ) : Ueber das geistige und körperliche Wesen einer Armee. - Mängel unseres Genie-Corps . - Waffentibungen der Landwehr- Cavallerie- Offiziere. Zur Frage der Einführung der Offiziersmessen in der K. K. Armee . — Organische Bestimmungen für die Feldpost der K. K. Armee. Oesterreichisch - Ungarische Militair-Zeitung „ Vedette" (Nr. 4856) : Der Untergang des „ Groszen Kurfürsten" und was er uns lehrt. -- Die Transsilvanischen Pässe und ihre militairische Bedeutung.
Die Feld -Artillerie der Groszmächte Europa's.
Die
militairische Wichtigkeit der Karpathenlinie . Die strategische BeDer deutung von Eperjes vom Standpunkte der Geschichte. Russische Feldzug in Bulgarien und Rumelien 1877 bis 1878. - Das Angriffsobject Napoleon's I. gegen England. Cis- und TransOrganibalkanisches Bulgarien vom militairischen Standpunkte . ― sation, Stärke und Mobilmachung des Italienischen Heeres . - Ueber den Festungskrieg der Cavallerie. Zusammenstösze auf der See. — ― Die Martingale. Orographische Verhältnisse in Bosnien- Herzegowina.
Wozu wir ein Cavallerie-Reglement haben.
Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens Erprobung
(4. und 5. Heft) : Die Feldgeschützfrage in Schweden.
bombensicherer Decken verschiedenartiger Construction . L'avenir militaire (Nr. 504-509) : Das Schieszen der Infanterie auf weite Entfernungen. -- Ueber die Schwierigkeiten des Unterrichts bei der Cavallerie. Verbesserungen des Reglements vom 12. Juni 1875. — Die Compagnie- Commandanten und die Instruction Gefechtsübungen in für die Cadres. Vom Bekleidungsdienste. -Wäldern. Die Revue vom 20. Juni. Die Stationnements-Taktik des Generals Lewal. -- Die Marine- Reserve. Gesetz über die Verabschiedung der Unteroffiziere. - Ueber das Tiercement. - Vom thierärztlichen Dienste in der Armee. - Die dritten Bataillone. 1 Le Spectateur militaire (15. Juni 1878) : Ueber den Unteroffizierstand. - Geschichte des Orientalischen Krieges. - Die Kriegsmarine
in Frankreich beim Beginne des hundertjährigen Krieges.
Die In-
fanterie- Formationen seit der Renaissance, bei Gelegenheit des neuen Französischen Manövrir- Reglements besprochen. - Gefechtsbeispiele zur praktischen Anwendung des Reglements vom 12. Juni 1875 über die Infanterie-Manöver.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
218
Journal des sciences militaires (Juni - Heft) : StationnementsTaktik. Studie über die Mobilisation. - Die Vorpostenfrage. Die Tragewaffen bei der Artillerie. Die Armee in Frankreich von Karl VII. bis zur Revolution ( 1439 bis 1789). Geschichte der Dragoner. Revue d'Artillerie (Juni-Heft) : Die Artillerie bei der Ausstellung von 1878. - Studie über die Praktik des Bresche - Schieszens auf Das 15- Centimeter-Geschütz Oesterreichs. --groszen Distanzen . Schieszen der Küsten- Batterien gegen Schiffe.
Die Handfeuerwaffen
in Schweden und Norwegen . Revue Maritime et Coloniale (Juli- Heft) : Bericht an den Präsidenten der Französischen Republik über den Elementarunterricht bei der Flottenmannschaft . - Die Besitzergreifung von Gebieten jenseits des Meeres von Seiten Frankreichs. - Bericht über Torpedos. Studie über die Colonie von Guadeloupe . - Einführung der Chronometer in der Französischen Armee. Russ. Invalide ( Nr. 117-144) : Nachrichten vom Kriegsschauplatze. - Die Thaten der Garde- Cavallerie im Jahre 1877. - Das Telephon und
seine Vervollkommnung.
-
Nachrichten aus dem
Lager von Krasnoe Selo . Wojenny Sbornik (Mai- und Juni - Heft) :
Erinnerungen an die
Polnische Campagne von 1831. - Unser Infanterie- Exercir - Reglement. Einige praktische Folgerungen aus unserem letzten Kriege. -Die Bevölkerung und das Territorium der Kasaken in Europa und Asien. Gedanken über Der Amu-Darja. Karategin. den Kampf und die Ausbildung dazu im Frieden. - Die Kämpfe bei Elena und Slataritza. Russ. Artillerie-Journal (Juni - Heft) : Der von Oberst Engelhart Ueber das Inprojectirte Munitionskasten und seine Prüfung. fanteriefeuer auf weite Distanzen. - Die Anwendung des electrischen Lichtes zu Kriegszwecken. Untersuchung der Eigenschaften des unterseeischen Bootes, System Alexandrowski. - Die gegenMorskoi Sbornik (Juni-Heft) :
seitige Lage Englands und Russlands im stillen Ocean. L'Esercito ( Nr. 69-79) : Rückblickende Betrachtungen über das Avancement. - Bericht über das Kriegsbudget für 1878. Noch einmal die Instruction der Reserven. Die Bezirks - OberCommandanten . - Ein schönes Beispiel von Corpsgeist. Die letzten militairischen Verhandlungen . Artillerie-Brigade im Felde.
Dienstvorschriften für eine
aus anderen militairischen Zeitschriften.
219
Rivista militare italiana (Juni - Heft) : Die Militair -Verhältnisse im früheren Königreiche beider Sicilien. - Bericht über den FeldBericht über Distanzmesser der Arzug von 1813 in Italien. tillerie. - Ueber militairische Administrationsdienste. Giornale d'artiglieria e genio ( Mai- Heft) : Bericht der Versuche zur Verbesserung der Wirksamkeit der 7- Centimeter-Kanone BR. — Ueber Ueber Küstenvertheidigung. ―― Zwei Briefe über Plewna. Blitzableiter. Rivista marittima (Juni - Heft) : Die Anker der Kriegs- und Kauffahrteischiffe. Bewegung der permanenten Geschwader. Die gegenwärtigen Panzerschiffe und die Linienschiffe der Zukunft. -Die Operationen der Kaiserlich Türkischen Flotte auf der Donau, während des Russisch-Türkischen Krieges 1877. Army and Navy Gazette ( Nr . 968-972) : Der Kaffernkrieg. Die Entwickelung der Marinemacht. - Der militairische Unterricht. Die Armee-Reserven. ― Die Japanesische Marine. -- Geschütze
und Panzer. Naval and Military Gazette (Nr. 2372—2377) : Riesen-Panzerschiffe. - Muskeln und Gehirn. ―― Die nördliche Grenze der Türkei. Army and Navy Journal ( Nr. 44-47) : Die Zukunftsmarine. Was soll für die Marine geschehen ? - Russlands Lage und Fortschritt. - Die Marine-Akademie.
Der neue Stand der Armee.
La Belgique militaire (Nr. 384-389) : Betrachtungen tiber improvisirte Milizen und irregulaire Truppen. Belgische MilitairErinnerungen. Militairische und technische Karten. - Studie über den Gesundheitsdienst in der Deutschen Armee. Das rothe Kreuz.
-
Die Belgische Neutralität und die allgemeine Wehrpflicht.
Zwei Capitel aus Frankreichs Militairgeschichte. De militaire spectator ( Nr. 7) : Die Stellung bei Amsterdam. Ueber das Einschieszen im Felde. Die Indische Brigade. De nieuwe militaire spectator (Nr. 7) : Thomas Johannes Stieltjes. --- Ein Raid im Jahre 1712.- Wissenschaftliche Zusammenkünfte der Offizier- Corps . -
Bemerkungen über die Kartographie in den
Niederlanden , besonders vom Ausbildung des Soldaten.
militairischen Standpunkte.
Die
Norsk Militaert Tidsskrift (41. Band, 6. Heft) : Ueber den FernErinnerungen sprecher und die hierzu dienenden Instrumente . eines Offiziers über seine Theilnahme am Russisch-Türkischen Kriege. Allgemeine Schweizerische Militair - Zeitung ( Nr. 25-28) :
All-
gemeine Betrachtungen über die Schweizerische Befestigungsfrage Entwurf zu mit besonderer Berücksichtigung der Westgrenze. —
220
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
einem Dienst-Reglement für die Eidgenössischen Truppen.
Die
Das Heergrosze Revue auf dem Longchamps am 20. Juni 1878. wesen auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1878. — General Lecourbe im Feldzuge 1799 in der Schweiz. Revue militaire suisse ( Nr . 12) : Der Russisch - Türkische Krieg 1877 bis 1878. -- Neue Zünder mit doppelter Wirkung. - Vertheidigung von Plewna. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie ( Nr. 5 und 6) : Die Stellung der Parkcolonnen in unserer Artillerie. - Panzerungen (System Gruson) und ihre Bedeutung im Allgemeinen und speciell für die Schweiz. Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar (Nr. 12) : Das Telephon von Hughes. Die Defensivbahnen Frankreichs. Biographie des Französischen Generals Martinez y Rodriguez . Ueber die Nutzhölzer der verschiedenen Provinzen Spaniens. Project eines Gebäudes in Buena- Vista für die Direction der MilitairVerwaltung und das Sanitätswesen, Kriegs- Auditoriat, Militair- Geistlichkeit u. 8. W. Revista militar ( Nr . II und 12) : Die Offizieravancementsfrage in Portugal. Das neue Englische Infanterie - Reglement. Kurze Betrachtungen über die Behandlung von Fohlen in Cavallerieschulen. Grundzüge und Cadres für die Reorganisation des Heeres. Sanitätswesen.
Verantwortlich redigirt von Major v. Marées, Berlin, Bülow- Strasze 6. Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin, Unt. d. Linden 21. Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
XVII .
Friedrich's Strategie
des
im
Groszen
Zeitraume
Kriegspolitik der
beiden
und
ersten
Schlesischen Kriege . Eine
militairhistorische Studie. Von
A. v. Crousaz, Major z. Disp. (Schluss.)*) Der Krieg musste also jetzt wieder eifriger geführt werden ; die für denselben bestimmten Preuszischen Streitkräfte befanden sich in Sachsen, Schlesien und Böhmen. In Sachsen stand Fürst Leopold von Dessau.
Er hatte, nach
seiner ursprünglichen Instruction, sich bei Magdeburg concentrirt, und war dort, gegen Hannover Front machend, so lange stehen geblieben, bis der Hannöverisch-Preuszische Vergleich diese Maaszregel aufhob, und dieses Corps nun nach Dieskau bei Halle gezogen wurde, um die Sachsen ins Auge zu nehmen. Das südöstliche Schlesien hatte General Nassau vom Feinde befreit ; Cosel war von ihm zurückerobert und sogar das nördliche Mähren in Contribution gesetzt worden. Die beiden Hauptheere standen sich ,
bis tief in den August
hinein, bei Königgrätz und resp. Chlum gegenüber ; am 23. August aber ging der Prinz von Lothringen über den Adler, und begab sich in eine Stellung zwischen Pilletitz und Tschibus , worauf der König am nächsten Tage Sein Lager bei Chlum verliesz , und Seine Armee zwischen Schmirschitz und Jaromircz hinter der Elbe auf-
*) Vergl. Jahrbücher Band XXVIII, Seite 1 und 109 (Juli und August 1878). 15 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
222
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
stellte . Hier stand Er vorerst unangreifbar und wartete Seines Momentes zum Schlagen ; wenn aber in diesem Punkte momentan eine gröszere als die sonst gewöhnliche Zurückhaltung waltete ,
so ist
dies durch ein jetzt eingetretenes Missverhältniss der beiderseitigen Streitkräfte bedingt worden.
Der Prinz von Lothringen war durch
neue Zuzüge Oesterreichischer Truppen bedeutend verstärkt worden, und wenn ihn auch ein groszer Theil des Sächsischen Contingentes verlassen hatte, um gegen den Fürsten von Dessau Front zu machen, so glaubte er doch durch seine Verstärkungen operationsfähiger geworden zu sein und kennzeichnete dies schon durch jene Vorwärtsbewegung am 23. August.
Der König Seinerseits hatte schon im
Juni den General von Nassau nach Oberschlesien, gegen Ende Juli den General von Gessler zur Verstärkung Leopold's nach Sachsen, und ganz kürzlich den General von Polenz zur Deckung der Neumark entsendet , und Ihm blieben, nach diesen Detachirungen, nur etwa 19,000 Combattanten.
Der Oesterreicher war mindestens
doppelt so stark, aber die Neigung zur Offensive war bei ihm , den Preuszen gegenüber, von Haus aus nicht vorwiegend.
Der Prinz von
Lothringen würde, trotz seiner Uebermacht, im Rückblicke auf 1744 die Rolle des Cunctators jeder anderen vorgezogen haben, aber die ausdrücklichen Befehle, welche er aus Wien empfing, drängten ihn vorwärts, und überdies hatte man ihm einen Kriegsrath beigeordnet, in welchem das Princip rücksichtsloser Offensive durch den Fürsten Lobkowitz ebenso heftig , als unbedachtsam vertreten wurde . Da nun, vermöge dessen, von den Oesterreichern die Metau forcirt und das Städtchen Neustadt an derselben verbrannt wurde, so ging der König am 18. September auf das linke Elb-Ufer, marschirte nordwärts ab und bezog am 22. September bei Staudenz, zwei Meilen südsüdöstlich von Trautenau , und über drei Meilen nordöstlich von Königinhof , eine Lagerstellung , in welcher man , die Front nach Süden kehrend , mit dem rechten Flügel nahe an Burkersdorf, mit dem linken nahe an der Aupa war, und das Dorf Staudenz südwärts vor sich hatte.
Dass die Oesterreichische Armee sich dieser Position,
von Königinhof her, immer mehr näherte, würde in anderen Verhältnissen , weil es einen Zusammenstosz in Aussicht stellte, erwünscht gewesen sein ; wie aber hier die Umstände lagen, musste der König besorgt sein , mittelst jener gegnerischen Bewegungen, von Trautenau und also von Schlesien abgeschnitten zu werden . Dieser Eventualität vorzubeugen, sollte am 30. September Morgens der vom Könige befohlene Rückzug nach Trautenau eben begonnen werden,
als man den Heranmarsch des Oesterreichischen Heeres
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. gegen den Preuszischen rechten Flügel meldete.
223
Jetzt war die Krisis
da, und unter den für das Preuszische Heer ungünstigsten Umständen , da der Gegner an Truppen weit überlegen war, und sowohl die Vortheile der Ueberraschung, als des Flankenangriffs für sich hatte. Der Prinz von Lothringen hielt, bei dieser Sachlage, seinen Erfolg für ganz sicher. 27 Ein Standhalten des kleinen Preuszischen Heeres ist in diesen Umständen nicht denkbar ;
es wird sich nord-
wärts durch die dort liegenden schwierigen Defiléen zurückziehen, und man vernichtet vorerst seinen Nachtrab
mit Leichtigkeit , um
dann, in jenen Engwegen nach Trautenau , die übrigen Abtheilungen vielleicht einzeln aufzureiben etc. "
Truppen-
Aber Friedrich will jetzt keinen Rückzug mehr, sondern eine Schlacht ; Sein Plan ist augenblicklich gemacht, und eine blitzschnell ausgeführte Viertelschwenkung rechts bringt Sein Heer in eine der Oesterreichischen parallele Schlachtlinie. im
Diese Bewegung wurde
heftigsten feindlichen Geschützfeuer so schnell , wandellos und
präcise ausgeführt, wie es nur vermöge Preuszischer Disciplin möglich war ; sie war schon der erste Schritt zum Siege, zumal der zuerst überraschende Feind nun selbst überrascht sein musste. Der Prinz von Lothringen irrt sich immer und immer wieder über diesen Ausnahmefeldherrn, welchem er gegenüber steht ; bei Hohenfriedberg wurden seine Voraussetzungen aufs Haupt geschlagen, und hier geschah es neuerdings , trotz aller Erfahrungen und trotz der versprechendsten Umstände, die er für sich hatte.
Die Moral davon ist,
dass der Gewöhnliche, wenn er einem Auszerordentlichen gegenüber steht, Nichts voraussetzen, sondern auf Alles gefasst sein soll. Die Oesterreichische Schlachtlinie dehnte sich ,
mit südostwärts
gekehrter Front, so aus, dass der linke Flügel an dem sogenannten ,,Bataillen Berge", der rechte Flügel gegenüber dem südwestlichen Ende von Deutsch-Prausnitz stand , und das Dorf Sorr hinter sich hatte. Die kürzere Preuszische Linie stand, nach vollführter Rechtsschwenkung , bei nordwestwärts gekehrter Front , mit dem rechten Flügel nördlich von Burkersdorf , dem Bataillen - Berge gegenüber, mit dem linken an der Mitte von Deutsch - Prausnitz. Das Dorf Staudenz befand sich jetzt, in geraumem Abstande, ziemlich hinter ihrer Mitte. Die Cavallerie des Preuszischen rechten Flügels ,
unter dem
Feldmarschall von Buddenbrook, attakirte die ihr gegenüber stehende Oesterreichische Reiterei mit äuszerster Heftigkeit , und da diese, 50 Schwadronen stark, in knappem Raume und mit einem Abgrunde hinter sich ,
beengt und unbehülflich war, so wurde sie in den 15 *
224
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Georgengrund herabgestürzt und erschien
nicht wieder auf dem
Kampfplatze.
Die Infanterie unseres rechten Flügels nahm, von ihrer Reserve unterstützt, eine grosze feindliche Batterie ; ein Oesterreichischer Angriff auf Burkersdorf prallte ab , und während demnächst die feindliche Infanterie gegen ihren rechten Flügel hin aufgerollt wurde, verstärkte der König Seine Reiterei des linken Flügels vom rechten her, und machte dann, da die Oesterreichische Cavallerie des rechten Flügels nicht Stand hielt , mit 30 Schwadronen einen durchgreifenden Choc gegen die Infanterie-Regimenter Damnitz und Kollowrath . Solche Facten entschieden die Schlacht ; die noch stehenden Ueberreste des Oesterreichischen Heeres verlieszen das Schlachtfeld und zogen sich in den Königreicher Wald zurück. Der König hatte binnen fünf Stunden, und wohl über Seine eigenen Vermuthungen hinaus , wiederum einen vollen Sieg erfochten.
Die Verfolgung des
Feindes fand nur bis zum Dorfe Sorr, nach welchem diese Schlacht benannt ist , statt ; Prinz Carl führte sein Heer vorerst nach Königinhof zurück, rückte dann aber schon am 1. October am rechten ElbUfer abwärts und nahm sein Hauptquartier in Ertina .
Der König
Seinerseits blieb nur fünf Tage auf dem Schlachtfelde von Sorr, dann marschirte Er nach Trautenau und ging endlich über Schatzlar nach Liebau in Schlesien, wo Er am 19. October eintraf und demnächst Sein Heer zwischen Schweidnitz und Rohnstock Cantonnirungen beziehen liesz.
Da der Feldzug dieses Jahres beendet schien, so be-
gab Sich der König, im Interesse Seiner weiteren politischen Thätigkeit, oder eventuell zur Ausmittelung der für einen noch ferneren Feldzug benöthigten Gelder, nach Berlin ; dass man sich nur in einer Kunstpause des Feldzuges von 1745 befinde, konnte jetzt noch nicht erkannt werden. Man sollte vor Hereinbruch des Winters noch schwer bedroht und zu harter Kriegsarbeit gezwungen werden ; ehe dies aber in Betrachtung kommt , muss , im Sinne kritischer Erörterung, nochmals auf die Schlacht von Sorr und den ihr folgenden Preuszischen Rückzug nach Schlesien zurückgeblickt werden. Zuerst vom Standpunkte Friedrich's Selbst, der sowohl das jenseitige wie das eigene Verhalten wiederum ganz objectiv besprochen, und zumal Sich Selbst mit gewohnter Strenge und Selbstlosigkeit kritisirt hat. Den für die Schlacht von Sorr erdachten Plan Seines Gegners belobte Er höchlich ; die Preuszische Aufstellung hingegen erschien Ihm um so fehlerhafter, als bei ihr nur auf die Front Bedacht genommen, der rechte Flügel aber, der in der Ebene stand, und von der jenseitigen Höhe dominirt wurde, ganz vernachlässigt
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. worden sei.
225
,, Die Oesterreicher besaszen nicht die Geschicklichkeit,
einen guten Plan auch gut auszuführen ; aber doch verdankte man den Preuszischen Sieg eigentlich nur dem engen Terrain, auf welchem das Oesterreichische Heer den König angriff, und welches ihm keine freie Bewegung seiner Massen und so kein Geltendmachen seiner Der König hatte Seinen numerischen Ueberlegenheit gestattete. Standort bei Staudenz übel gewählt , und war in Folge dessen zu einer Schlacht gezwungen worden, statt dass ein geschickter General sich nie aus Nöthigung , sondern immer nur, wenn er es selbst für zuträglich hält, schlagen soll. Mindestens hätte der König von dem Heranmarsche des Feindes rechtzeitig unterrichtet sein , und Sich andererseits nicht durch Detachirungen so schwächen sollen,
dass
Er hier mit 19,000 gegen 40,000 Mann stand." Im Hinblicke auf solche an Sich Selbst gerügte Fehler, und speciell aus Grund Seiner reichlichen Detachirungen sagt demnächst Friedrich, in Seinem ,, Unterrichte an die Generale etc. ", da, wo von der Sendung von Detachements die Rede ist :
,, Ich hätte verdient , bei Sorr 1745 geschlagen zu werden , wenn nicht die Habilité meiner Generals und die Tapferkeit meiner Truppen mich für dieses Unglück präserviret hätte ." Friedrich war Sich aber auch der Gründe Seiner Maaszregeln und Unterlassungen bewusst, und das, was Er in diesen Hinsichten sehr bescheiden sagte, muss von jedem unparteiischen Beurtheiler desto mehr accentuirt, der grosze Held muss damit gleichsam gegen Sich Selbst in Schutz genommen werden. Der Standort bei Staudenz war allerdings nicht günstig, aber er diente ja doch nur als zeitweilige Station ; mit der durch die nachherige Rechtsschwenkung gewonnenen Schlachtlinie, die ein im Rennen vollbrachtes Werk des Augenblickes und der Nothwendigkeit war, kann so subtil ,
wie es der König that , kaum gerechtet werden.
Ehre genug, dass diese Auskunft mit so viel Geistesgegenwart augenblicklich gefunden und demnächst so schnell und präcise ausgeführt wurde ! ―― Dass der König durch diesen Oesterreichischen Heranmarsch überrascht werden konnte, erklärt sich durch den damals bei Ihm eingetretenen Mangel an leichter Cavallerie ; die mehrfachen Detachirungen , welche Sein Heer bis auf 19,000 Mann reducirt Auch wusste hatten , waren durchaus unvermeidlich gewesen. Friedrich genau, dass Seine Siegesfähigkeit nicht in den groszen Streitkräften, sondern in der überwiegenden Disciplin und Manövrirfähigkeit der Preuszischen Truppen , in Seinem Genie und dem
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
226
Heroismus Aller beruhte ; wo diese walteten, da konnte der Feind so gut mit 19,000 wie mit 30,000 Mann geschlagen werden.
Manche
Kunstrichter meinten, dass der König, ehe Er eine Schlacht wagte, hätte nach Schlesien zurückgehen sollen, um mit den dort erreichbaren Hülfen dem Kampfe mehr gewachsen zu sein, - aber dieses Urtheil schlug Er ganz aus dem Felde .
„Wenn es zur Schlacht
kommt, so muss auch gleich der Fall eines unglücklichen Ausganges derselben vorbedacht sein ,
dass aber eine in Böhmen verlorene
Schlacht nicht so schwer gewogen hätte, als eine in Schlesien verlorene , ist wohl augenfällig. nissen,
Ueberdies hätte , in jenen Bewandt-
vor der Schlacht von Sorr,
ein schneller Rückzug nach
Schlesien den Krieg in dieses dem Könige gehörige Herzogthum geführt, und man würde hier seine eigenen Lebensmittel verzehrt haben, während man in Böhmen diejenigen des Feindes verzehrte. "
Auch
hat Friedrich die Schlacht von Sorr nicht herbeigeführt, sondern sie ist Ihm aufgenöthigt worden ; als Er aber vom Feinde überrascht war, erschien der Rückzug viel bedrohlicher, als die Annahme des Kampfes. Warum hat aber das in zwei Schlachten siegreiche Preuszische Heer sich, nach seinem Erfolge bei Sorr, dennoch, ohne sein Kriegsglück weiter auszubeuten , nach Schlesien zurückgezogen ? - Der König antwortet auf diese Frage mit drei Worten : „ Wollte der König Seine Winterquartiere in Böhmen nehmen, so stiesze Er dabei auf ungeheuere Schwierigkeiten .
Das Land ist ausfouragirt, die localen
Verhältnisse bringen es mit sich, dass man, um sicher zu sein, die Soldaten sehr eng zusammenpferchen muss, und dies giebt ansteckende Krankheiten in Aussicht ; Fuhrwerk ist hier schwer zu beschaffen, und man wird damit kaum das Mehl für die Truppen, noch weniger die Fourage der Reiterei heranführen können.
In Schlesien dagegen
hat man Ergänzungen und Nahrungsmittel, überhaupt alles Nöthige zur Hand , und die Truppen sind dort gesichert , um in spielräumlichen Cantonnements ausruhen und erforderlichen Falles dann wieder schlagfertig sein zu können, also - "
Je befriedigender in diesem Jahre der Preuszische Waffenerfolg war, desto missgünstiger zeigten sich die politischen Gestaltungen . Als der König von England die Hannoversche Convention kaum vollzogen hatte,
zwang ihn die von dem Prätendenten Carl Eduard
Stuart angestiftete Insurrection Schottlands, welcher eine Französische Machination zu Grunde lag , seine . Truppen aus Flandern zurückzuziehen, um mit ihnen seinen bedrohten Thron zu schützen ; in dem
227
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
Maasze aber, wie dies der Fall war, die Aufmerksamkeit Englands und Frankreichs sich gleichzeitig nach Norden wendete, und dem Könige von Preuszen so die Protection des ersteren verloren ging, und die Unterstützung des letzteren noch mehr als vordem entzogen wurde, bekam die Deutsche Kaiserin , Friedrich gegenüber, auch wiederum mehr Spielraum. Verschob dies an sich Seine Zielpunkte und verschlimmerte es Seine Lage, so wurde diese letztere, durch Entdeckung eines gegnerischen Attentates, geradezu als verhängnissvoll erkannt.
Der Schwe-
dische Gesandte am Dresdener Hofe, Namens Wolfenstierna, welcher dem Könige persönlich zugethan, aber auch in Umgangsbeziehungen mit dem Grafen Brühl war, entdeckte, vermöge dieser letzteren, dass Dresden und Wien ein gemeinsames Complot gegen Friedrich spannen . Der Hauptinhalt desselben war, dass, während man Schlesien und Brandenburg durch Nebenpartien angriff , das Oesterreichische sich mit dem Sächsischen Hauptheere vereinigen, und diese sehr beträchtliche Streitmacht dann überraschend gegen Berlin vorrücken sollte ; der im offenen Felde zu gefährliche Gegner sollte also auf diesem Schleichwege ,
durch
einen
Stosz
ins
Herz ,
vernichtet werden.
Wolfenstierna unterrichtete den König von dieser Conspiration durch seinen Berliner Collegen Rudenskiold ,
und es wurde auch gleich-
zeitig mitgetheilt , in welcher Weise man jenseits diesen Ueberfall, dessen Gelingen vorausgesetzt war, ausnutzen wollte. " Die Kaiserin erhält natürlich Schlesien zurück ; der König von Polen soll durch Magdeburg , Halberstadt und Halle entschädigt werden ; "
was an
Verdruss, Zerstörung , Geldeinbusze und Herabwürdigung, dem Könige aus dieser Büchse Pandora's sonst noch hervorgegangen wäre, kann man sich leicht denken .
Es handelte sich hier um eine politische
Lebensgefahr, und man musste ihr sofort kräftig begegnen . Das Lager von Dieskau war, als der diesjährige Feldzug beendet schien, aufgelöst worden ; jetzt musste es sofort wieder in Action treten.
Der König informirte deshalb vorerst den Fürsten
von Dessau über die schwebende Machination, fand ihn aber, selbst den beweisenden Schriftstücken gegenüber, Umstände lagen hier ganz eigenthümlich.
ganz ungläubig .
Die
Fürst Leopold kann eine
Combination wie diejenige, von welcher jetzt die Rede ist, nicht begreifen und zählt überhaupt zu den hartnäckigsten Widerspruchsgeistern seines Zeitalters. Seine Stimmung ist bitter und gereizt, weil er bis hierher im zweiten Schlesischen Kriege nur an eine Nebenrolle gewiesen war ; das Neue, was hier an ihn herantritt, wird vorerst mit solchen Empfindungen an- und aufgefasst.
Der Feind
228
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
soll auf Berlin attentiren, -
das ist ja nicht möglich ; aber Er, der
Fürst von Dessau, ist zum Schwert und Schilde gegen jene Unternehmung ausersehen und das kann ihn zu einer groszen Nummer des gegenwärtigen Krieges machen.
Es wäre doch schön, wenn es
sich so, wie behauptet wird , verhielte ; Leopold würde kommen, sehen und siegen, er zeigte sich noch am späten Abende seines Lebens als groszer Feldherr, und dieser junge buntfarbige König, der trotz aller Illusionen doch ein Held und Stratege ist , würde dann vor Seinem oberflächlich behandelten Groszoheim den Hut abnehmen müssen. "
Der Ehrgeiz und die kriegerische Leidenschaft
überwiegen ; Leopold giebt, nach alter übler Gewohnheit , natürlich nicht nach, aber sein Widerspruch besteht nur noch äuszerlich, und er sieht es gern, dass die Königliche Autorität gebraucht, und die Concentration eines unter Leopold's Oberbefehl tretenden Preuszischen Truppencorps bei Halle einfach befohlen wird .
„Das ist etwas
Anderes ; wo befohlen ist , muss gehorcht werden, jetzt kommt die eigene Meinung nicht mehr in Betrachtung. "
Der alte Held freut
sich , dass er, ohne mit seinem Eigensinne darüber abrechnen zu dürfen, auf denjenigen Punkt gestellt ist , wo der Disput schweigt und das Commando redet. Friedrich kennt Seinen Mann und weisz ihn zu behandeln ;
das Stichwort ist da , welches den Heros des
Spanischen Erbfolgekrieges wieder auf die Bretter ruft, und es lässt sich voraussehen, dass er seine Sachen gut machen wird. Fürst Leopold ging
zu seiner Bestimmung ab ;
der Minister
von Podewils musste von demjenigen, was gegen Preuszen geplant und von diesem zu seiner Sicherung beabsichtigt sei, die auswärtigen Höfe in Kenntniss setzen ; dem Könige von Frankreich schilderte Friedrich Selbst Seine Lage, und forderte von ihm die tractatmäszigen Hülfstruppen,
ohne gleichwohl auf einen Erfolg dieser Maasz-
nahme zu rechnen ; kriegerisch wurden sofort alle zweckdienlichsten Maaszregeln ergriffen.
Man sicherte Berlin ; Winterfeld wurde, zur
Beobachtung und Flankirung des Prinzen von Lothringen, mit einem Corps leichter Truppen nach Böhmisch-Friedland entsandt ; der König Selbst traf, zur Uebernahme der Hauptaction, am 15. November bei Seinem Heere ein. Dieses bestand aus 30,000 . Mann , hatte vier Wochen geruht, und war kriegsgeübt und schlagfertig. Die Operation, welche es jetzt beginnen sollte, fuszte hauptsächlich auf der Absicht, dem Kaiserlichen Heere nordwestwärts einen Vorsprung zu lassen, und ihm dann seine Rückzugslinie und Proviantirung abzuschneiden, damit der Prinz von Lothringen eine Schlacht anzunehmen, oder sich an anderer Stelle nach Böhmen zurückzubegeben gezwungen
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege. sei.
229
Zur Sicherung der in Schweidnitz befindlichen Magazine wurde
General von Nassau nach Landshut detachirt, und da die Lage jetzt ähnlich war, wie vor der Schlacht von Hohenfriedberg , so suchte man auch, ebenso wie dort, den Feind über dasjenige, was diesseits beabsichtigt wurde, zu täuschen.
Man stellte sich , als ob Sachsen
ganz unberührt bleiben solle, und Friedrich's Streben nur darauf gerichtet sei , reichen.
Crossen noch vor dem Oesterreichischen Heere zu er-
Diese geräuschvoll in Scene gesetzte Vorspiegelung wirkte
sofort , und der Prinz von Lothringen wurde jetzt wieder eben so getäuscht, wie vor kaum sechs Monaten. Friedrich rückte am 22. November bis Naumburg am Queis vor ; das zu dieser Zeit zwischen Görlitz und Lauban befindliche Oesterreichische Heer war Ihm also hier ganz nahe.
Da man er-
fuhr, dass es seinen Vormarsch gegen die Sächsische Grenze baldigst fortsetzen wollte, so musste jetzt ein Schlag gethan werden, und das Preuszische Heer ging deshalb am 23. November vom rechten auf das linke Ufer des Queis , dirigirte sich in vier Colonnen suidwestwärts nach den Oesterreichischen Marschquartieren, und erschien an der Ostseite des Dorfes Katholisch - Hennersdorf, welches etwa zwei Meilen von Naumburg entfernt und mit mehreren SächsiDieselben wurden gänzlich überschen Regimentern belegt war. rascht, und die vierte Preuszische Colonne war es hauptsächlich, welche sie theils aufhob und theils zersprengte. Es war das keine eigentliche Schlacht, aber doch eine belangreiche Action, welche zumeist durch den von ihr hervorgebrachten moralischen Eindruck Dieser Stich ins Fleisch schuf eine gewisse Panik des wirkte. Gegners ; hastige Bewegungen und widersprechende Befehle kennzeichneten sogleich die jenseitige Verwirrung , und dieser Zustand musste unverzüglich benutzt werden. Der König rückte deshalb am 24. November gegen Görlitz vor, und begegnete überall nur den Kennzeichnungen eines in drangvoller Eile zurückgehenden Heeres ; am 25. wurde Görlitz, am 27. Zittau erreicht, und nachdem hier der Oesterreichische Nachtrab noch stark beschädigt worden, erreichte der Prinz von Lothringen, auf Gabel retirirend , nur unter ansehnlichen Verlusten das Böhmische Gebiet. Hier in der Lausitz war jetzt , ganz schnell und mit geringen Opfern und Anstrengungen , Bedeutendes vollbracht worden ; man hatte die halbe Arbeit, deren es brauchte, eigentlich schon gethan . Aber nur die halbe, denn im Centrum Sachsens stand das Sächsische Heer, zu welchem noch die vom Rheine herbeigekommene Division des Feldmarschall- Lieutenants Grünne stiesz, und dessen Unterstützung
230
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
durch den zurückkehrenden Prinzen von Lothringen sich voraussehen liesz.
Aber man hat Zeit gewonnen und Eindruck gemacht ; wenn
der Fürst von Dessau mit seinen Operationen nicht zu spät kommt, so kann Alles gut werden. Was that Leopold zwischenzeitig und wo befand er sich mit Anfang December ? Das Truppencorps gegen Sachsen wurde von ihm rechtzeitig concentrirt, und er traf seine Anstalten mit Vorsicht und Gründlichkeit, aber nicht so schnell, wie es in den Wünschen Friedrich's lag.
Sein Vormarsch gegen Leipzig begann erst am
29. November ; nachdem dieser nur schwach vertheidigte Punkt gefallen war, wurde am 3. December Eilenburg und am 6. Torgau, letzteres durch Capitulation, gewonnen .
Den diese Erfolge melden-
den Bericht erhielt der König erst am 9. December zu Bautzen ; Seine Geduld war aber nach dieser Richtung fast schon erschöpft, und Er schrieb dem alten Dessauer in bereits unwilligem Tone : „Dass eine so langsame Operation der Sache des Heeres und Vaterlandes nachtheilig sei, und dem Sächsischen Heere dadurch, sowohl zum Abbrechen der Elb-Brücke bei Meiszen, welches dann die Communication der beiden Preuszischen Heere unterbräche, als zur Vereinigung mit dem Oesterreichischen Heere, Spielraum gegeben würde. " Meiszen wurde indessen von Leopold am 12. December erreicht. Die dortige Elb- Brücke war erst theilweise abgebrochen und konnte so schnell wieder passirbar gemacht werden, dass der dem Könige vorausmarschirende Generallieutenant von Lehwald sich schon am 13. December mit dem Fürsten vereinigte . Auch das Oesterreichische Heer hatte dem Sächsischen noch nicht die Hand gereicht, und es war also bis hierher noch nichts versäumt worden. Während Leopold alle diese Bewegungen ausführte und der König Sich noch abwartend in der Lausitz befand , wurden von Letzterem, dem Könige von Polen, trotz dessen erbitterter Stimmung, Friedensvorschläge gemacht.
Dieselben entsprangen aus einer weisen
Mäszigung und Umschau, welche sich über jede gewöhnliche Kriegspolitik erhob.
„ Man kann nur Frieden suchen, wenn man mit den
Waffen glücklich ist, die jetzige Situation scheint also dazu geeignet, und wenn dabei frühere Anfechtungen, welche man erfuhr, vergessen werden, so ist dies so nützlich als edel.
Wenn man jetzt Frieden
schlieszt, so wird viel Blut und eine Feuersbrunst des Nachbarhauses, die auch uns bedrohen könnte, erspart werden.
Man berücksichtigt
so die Wünsche der für Sachsen interessirten Czarin, und beugt einer möglichen Intervention Russlands vor ; man kann auch vom KriegsSchwankt die Entglücke verlassen werden, und was dann?
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
231
scheidung , so wird der Krieg den jetzigen Winter überdauern und Oesterreich bekommt Spielraum , seine Heere vom Rheine heranzuziehen und seine reicheren Hülfsmittel aller Art geltend zu machen, unsere Finanzen sind aber bald erschöpft und eine weitere Fortsetzung des Krieges wird uns, nach der schlechten Erndte von 1745 und bei den hohen Getreidepreisen, um so schwerer fallen .
Man
versöhne sich zu der Zeit, wo man es will, so ist es gedeihlich und rubmvoll ; - wenn man aber, bei Versäumniss der rechten Stunde hierzu, sich die Versöhnung nachher aufzwingen lässt , so wird sie demüthigend sein. "
Die Bedingungen, welche Friedrich dem Dres-
dener Hofe stellte, waren überaus billig , und es liesz sich darin keine Spur von Eigennutz und Vergeltungssucht finden. Sachsen soll einfach der Hannöverschen Convention beitreten ; Opfer an Geld und Land werden von ihm nicht verlangt .
Auch das geschah im
Geiste normaler Politik , deren Regeln so nahe liegen und doch so selten befolgt werden.
„Ein geschwächtes , beschädigtes Sachsen
würde naturgemäsz immer mehr zu Oesterreich gravitiren, und diese Alliance, welche man, im Interesse Preuszens, will , wäre dadurch in Permanenz erklärt.
eben durchkreuzen
Ein , Sächsische Länder-
theile erobernder Friedrich ginge über Sein nur der Behauptung vaterländischer Rechte geltendes Programm hinaus und würde die Europäischen Staaten herausfordern etc. " Solche Anerbietungen und Grundsätze waren ihres Lohnes werth, aber hier verfehlten sie ihn dennoch. Der in Sachsen damals souveraine Minister Brühl war dem Könige von Preuszen persönlich abgeneigt, und wollte schon deshalb keinen Frieden ; die Bedingungen, welche er für den Beitritt Sachsens zur Hannöverschen Convention stellte, erschienen kaum für einen besiegten, also viel weniger für einen siegreichen Fürsten annehmbar. „Friedrich soll Seine Truppen unverzüglich aus Sachsen ziehen, allen gethanen Schaden, --- Graf sowie die Kosten des Rückmarsches baar vergütigen etc. " — Brühl bemäntelte hiermit nur die Ablehnung, und alles Weitere geschah im Sinne der letzteren.
Der König von Polen begiebt sich
nach Prag ; das wieder schlagfertig gewordene Heer des Prinzen Carl ist von Gabel nach Leitmeritz gegangen und rückt nur am linken Elb-Ufer gegen Dresden vor.
Man glaubt ,
trotz aller bis-
herigen Niederlagen, im jenseitigen Heerlager nun doch , mit der Masse durchdringen, und sich überdies auf den Beistand Russlands verlassen zu können ; aber man betrügt sich mit diesen Annahmen, denn was ist die Masse gegen den Geist ? - was wird sich Alles vollziehen, ehe eine Russische Hülfe auf den Platz kommen kann ?
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
232
Ihre Leidenschaft verblendete diese Gegner Friedrich's, und sie hatten im Wesentlichen aus ihren Erfahrungen nichts gelernt und von ihren Anmaszungen nichts vergessen. Es hing jetzt Alles vom Schwerte ab, und die sich nähernde Schlussscene dieses Kriegsdrama's stellte, da alle betheiligten Streitkräfte jetzt zu einem Punkte strebten, Groszartigeres in Aussicht, als während des ganzen worden .
Kampfes um Schlesien
bisher gesehen
Fürst Leopold verfügte, nach seiner Verstärkung durch Lehwald, über 40,000 Mann .
Er dirigirte sich mit dieser Streitmacht am
14. December nach dem eine Meile südwärts von Meiszen liegenden Röhrsdorf, und ging am 15. December, Wilsdruf links lassend, gegen Kesselsdorf an der Freiberger Chaussée vor, wo das durch die Division Grünne verstärkte Sächsische Heer in Schlachtordnung stand. Dieses Heer, welches der Graf Rutowsky, ein natürlicher Sohn König August's II. , befehligte, war mit der Oesterreichischen HeeresAbtheilung zusammen etwa 35,000 Mann stark, und stand, bei nordwestwärts gekehrter Front, zwischen Kesselsdorf und der Elbe, und durch den vor ihm liegenden, sehr steilrandigen Zschoner Grund geschützt , in festester Position.
Leopold musste diese aus ziemlich
freiem Terrain angreifen und war also, trotz seiner etwas gröszeren Streitmacht , äuszerlich ganz bedeutend im Nachtheile.
Der König,
von Bautzen über Königsbrück heranmarschirt, erreichte, 30,000 Mann stark , am 15. December erst Meiszen und hätte sonach für die Kesselsdorfer Schlacht in keinem Falle mitwirken , höchstens den Fürsten von Dessau, wenn er geschlagen worden wäre, aufnehmen können.
Der Prinz Carl von Lothringen war mit etwa 56,000 Com-
battanten schon am 14. December bei Dresden eingetroffen , und konnte also viel eher zur Hand sein ; doch hielt sich Rutowsky für stark und sicher genug und glaubte gar nicht , dass Leopold seine starke Position angreifen würde. Alles zusammengefasst, standen jetzt zwischen Meiszen und Dresden, in einem von Nordwest nach Südost an der mittleren Elbe erstreckten Parallelogramm von kaum sechs Quadrat-Meilen, 70,000 Preuszen gegen 91,000 Oesterreicher und Sachsen ; und dieser kleine Terrainabschnitt beherbergte also tiberhaupt 161,000 streitbare Krieger, eine Proportion, wie sie in jener Zeit nur selten vorkam. An Leopold's Degenspitze hing jetzt Auszerordentliches .
Wenn
er hier nicht durchdringt, so vereinigt sich das Oesterreichische mit dem Sächsischen Heere, und die Offensive, welche sie dann ergreifen, effectuirt vielleicht vermöge ihrer Uebermacht.
Wenn Leopold gar
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
233
eine Niederlage erleidet, was, solchen Felsen und Abgründen gegenüber,
auch einem groszen Helden geschehen kann, so verspielt er
damit dem Könige Schlesien, und sich selbst, am späten Lebensabende Es ist ein groszer Stundennoch , seinen historischen Lorbeer. alle Völker blicken auf diesen Punkt , alle nächsten schlag ! Schicksale Deutschlands werden durch diese sich hier kreuzenden Schwerter entschieden werden.
Friedrich weisz, was dem Dessauer
zuzutrauen ist ; Rutowsky kennt seinen Gegner noch nicht und wird diese Harmlosigkeit theuer bezahlen. Der Prinz von Lothringen ahnt das Bevorstehende vielleicht ; wenn sein Talent so grosz wäre, als seine Erfahrung mit den Preuszen, so würde ihn dies zum Herrn Graf Brühl operirt nur mit der grauen der Situation machen. das sind aber Theorie, dem gelben Neide und feuerrothen Zorne, hier ohnmächtige Geister.
Der König von Polen ist von seinem
eigenen Minister exilirt worden, und will die Leiden seines Volkes, Die trotz Friedrich's bestem Willen , durchaus nicht abkürzen. Deutsche Kaiserin endlich sitzt in ihren Burggemächern an der Donau und beseufzt die grosze Erfahrung : dass das Rad der Weltgeschichte nicht zu halten und ein von Gott gegebenes Genie auch mit Habsburgischem Golde und Eisen nicht zu bemeistern ist. Der Fürst von Dessau, dem Friedrich nach dem Handstreiche von Hennersdorf geschrieben hatte : J'ai frappé mon coup en Lusace , - frappez le vôtre à Leipzig ", ging mit seiner jetzigen Leistung weit über diesen Anspruch hinaus, denn nachdem Leipzig und Torgau von ihm genommen worden, erfocht er jetzt einen groszen und glänzenden Sieg , welcher militairisch mit dem von Hohenfriedberg auf gleiche Linie kam, und politisch noch höher anzuschlagen war, weil dieser dornenreiche Krieg durch ihn nun doch absolut beendet, der vorher durch keine Bemühung erreichbare Friede, damit , bei immerhin einiger Aussicht auf Dauerhaftigkeit, herbeigeführt wurde .
Die Schlacht von Kesselsdorf ist an anderer
Stelle von uns beschrieben worden *) ; hier sei nur wiederholt, dass auf dem Preuszischen rechten Flügel ein durchgreifender Reiterchoc gemacht ,
demnächst die Sächsische Schlachtlinie in ihrer linken
Flanke angegriffen und von dorther aufgerollt, auf dem Preuszischen linken Flügel aber der Zschoner Grund vom Prinzen Moritz von dort und hier geDessau und dessen Regimentern überschritten, siegt, und der Feind binnen zwei Stunden aus allen Positionen vertrieben wurde. *) Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine pro 1875. XV. Band , S. 302 ff.
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Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
Friedrich bekam die Siegesbotschaft noch in der Nacht vom 15. zum 16. December ; Er marschirte am 16. auf Wilsdruf und vereinigte Sich am 17. mit Leopold.
Wenn Er ihm jetzt Lob und Be-
wunderung spendete, so war dies der zweite Act eines Schicksalsdrama's, in welchem zwei so überaus verschiedenartige und einander abstoszende Helden, wie Friedrich und Leopold , doch von der Vorsehung selbst, zu gegenseitiger Anerkenntniss geleitet wurden. Zuerst schlug, nach Hohenfriedberg, der Dessauer an seine Brust und staunte das Wunder an, einen jungen poetischen König, den er auf Irrwegen glaubte, so zum Kriegsgotte der Zeit werden zu sehen. Jetzt überzeugte Sich der König , dass auch eine langsame Mühle gut mahlen, auch ein solcher Urahn der Kriegskunst noch neue Lorbeeren verdienen kann. Leopold hatte mit dem Munde widersprochen und mit dem Schwerte zugestimmt ; - der König war noch ganz kürzlich gegen den Zauderer aufgebracht, und musste ihn doch jetzt als Helden und Sieger in Seine Arme schlieszen.
So widerlegt
das Schicksal auch die Groszmächtigen, und so widerlegen Sie Sich Selbst, vermöge seiner. Friedrich besah das Schlachtfeld von Kesselsdorf und erfuhr alle einzelnen Umstände ;
Er lohnte und lobte, und der Sieger wurde
durch Seine historischen Aussprüche gefeiert. Als Rutowsky mit den Ueberresten seines Heeres in Dresden ankam ,
proponirte
ihm Prinz Carl
einen Angriff
mit vereinten
Kräften ; aber Ersterer musste dies, bei dem jetzt so desolaten Zustande seines Heeres , ablehnen.
Prinz Carl allein konnte es mit
den jetzt vereinten Heeren Friedrich's und Leopold's nicht aufnehmen ; die Partie war also verspielt und man überliesz Dresden dem Sieger. Beide gegnerische Heere zogen nun südwärts, der König aber rückte am 18. December in Dresden ein, und widerlegte durch das rücksichtsvollste Verhalten gegen diese Hauptstadt und ihre Bewohner sofort das von Seinen Feinden ausgesprengte Gerücht : Leopold's Anrathen eine Plünderung beschlossen sei . hierüber sehr schön :
dass
auf
Friedrich sagt
29 Der Fürst von Anhalt würde einen solchen Vorschlag nie gemacht haben , und dergleichen ist auch bei Preuszischen Kriegsvölkern , die nur für die Ehre und den Ruhm kämpfen , gar nicht möglich. "
Die Politik Friedrich's wurde jetzt in ihrer vollen Consequenz , moralischen Klugheit und klugen Moralität, ganz besonders anschaulich.
Denn von diesem Gipfel herab , wo Er jetzt stand , als Herr
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
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der Situation, bot dieser Monarch dem Könige von Polen, welcher auf Seinen Ruin attentirt , und sich noch kürzlich den billigsten Friedensvorschlägen verschlossen hatte, Seine Hand genau unter den früheren Bedingungen. Keine Spur von Uebermuth oder Rachegefühl macht sich bemerkbar ; Friedrich beharrt, sowohl Sachsen als Oesterreich gegenüber, bei Seinem vorherigen Anspruche , und will , unverblendet vom Glücke, Seine Forderungen weder erhöhen noch erniedrigen. Was bleibt den Gegnern übrig ?
Sie weichen einerseits dem
Verhängnisse, und können sich andererseits , wenigstens für jetzt, der Anerkennung einer so sittlichen und philosophischen Grösze , wie sie Friedrich hier offenbarte, nicht ganz entziehen. Herr von Villiers und Graf Harrach erschienen mit Friedensvollmachten der Kaiserin und des Königs von Polen, und als hiermit der Friedensschluss schon in ganz sichere Aussicht kam, war es, im gegenwärtigen Zusammenhange, Friedrich's letzte politische Handlung, das Bündniss mit Frankreich , dieses schwer drückende und in seiner Zeit doch unvermeidliche Uebel , abzuthun .
Hierzu gab ein Schreiben Ludwig's XV. an
Friedrich, in welchem Ersterer den im November gethanen Hülferuf seines Bundesgenossen nur mit ablehnender Ironie beantwortet hatte, den geeignetsten Haltpunkt.
Friedrich war darauf, so lange bis Er
mit Thatsachen rechnen konnte ,
die Antwort schuldig geblieben,
jetzt aber schrieb Er „ Seinem Herrn Bruder an der Seine “ : „ Dass Er die Gründe nicht untersuchen wolle , aus welchen Seine Partner Ihn dem Schicksale überlassen hätten . Die Tapferkeit Seiner Truppen habe Ihn gerettet ; wäre das nicht geschehen , so würde man sich begnügen , Ihn zu bedauern . Ein Bündniss , in welchem nicht alle Theilhaber für ihre gemeinschaftliche Erhaltung gleicheifrig strebten , könne nicht bestehen. Ludwig habe den König auf Seine Eigenen Rathschlüsse verwiesen , und nach diesen müsse jetzt ein Krieg , für welchen keine vernünftigen Gründe mehr sprächen , zu allseitigem Besten , beendet werden. In diesem Sinne stehe Er jetzt am Friedensschlusse , werde Sich aber der Eintracht mit Seiner
"9 Allerchristlichsten Majestät "
und
der Ver-
ehrung und Freundschaft für dieselbe stets befleiszigen etc. " Man konnte nicht in besserer Form, und mit gröszerer Berechtigung, einem solchen Alliirten den Abschied geben. Der Friede von Dresden, welcher am 25. December 1745 abgeschlossen wurde, erneuerte nur den Berliner Friedensschluss von
236
Friedrich's des Groszen Kriegspolitik und Strategie
1742 *) und bot also, in Bezug auf Oesterreich, nichts dar, was besonders erwähnt werden müsste . Sachsen trat der Hannoverschen Convention, resp. dem Dresdener Frieden bei, entsagte allen vorher gemachten Ansprüchen auf Schadloshaltung etc.
und erhielt das
baldige Aufhören jeder Kriegsschatzung und den Zurückzug der Preuszischen Truppen zugesagt. Der Weihnachtsbaum wurde in diesem Jahre mit der Friedensfahne geschmückt ; die Erfahrungen hatten tiefer gegriffen als 1742 ; - wie lange sie aber nachwirken und die aufgeregten Geister im Schach halten würden, das liesz sich für jetzt noch nicht beurtheilen.
Der zweite Schlesische Krieg hatte 16 Monate gedauert, und war von Oesterreich für seinen alten Machtstandpunkt, von Preuszen für sein historisches Recht , von Frankreich für seine herrsch- und habstichtigen Gelüste, und von Sachsen eigentlich nur aus Eifersucht geführt worden.
Er befriedigte nur eine dieser Parteien, und darum
stellten sich dem Kenner und Denker alsbald spätere Nachacte, die von den Unbefriedigten herbeigeführt werden würden , in Aussicht." Staatsumwälzungen sind durch diesen Krieg nicht herbeigeführt, dem Hause Habsburg ist in seinem Verlaufe die Kaiserwürde zurückgegeben, die Kriegskunst Friedrich's, Traun's und Leopold's ist bewundert worden.
Manchen groszen Gefahren und Erschütterungen,
die anderen Falles eingetreten wären, wurde offenbar vorgebeugt, aber es floss auch viel Blut , man verausgabte dort und hier grosze Geldsummen, und gewann doch im Ganzen keinen gegen 1742 sehr veränderten Standpunkt.
Der König sagte sehr richtig :
,, Seitdem die Kriegskunst in Europa so weit vorgeschritten ist , und die Staatskunst ein gewisses Gleichgewicht unter den Mächten zu errichten gewusst hat , bringt auch das gröszte Unternehmen nur selten die erwartete Wirkung hervor. Gleiche Stärke und abwechselnder Gewinn und Verlust führen dahin , dass auch am Ende des blutigsten Krieges , wenn es die erschöpften Geldkräfte herbeiführen , sich die Parteien mit einander in derselben Lage befinden wie vorher. " Preuszen opferte in diesem Kriege acht Millionen Thaler, um damit Schlesien zu gewinnen, welches es schon vorher besasz ; aber
*) Vergl. S. 110.
237
im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege.
es musste in Betrachtung ziehen , was es verloren haben würde, wenn diese Summen und jene Blutströme nicht geopfert worden wären. Ueberdies stellt Sich Friedrich auf den Standpunkt des Ruhmes und sagt : ووWenn Ansehen und Ruhm der Waffen es verdienen ,
dass man ,
um sie zu erlangen ,
seine
Kräfte aufbiete , so sind die Preuszen dadurch für die Unternehmung dieses zweiten Krieges belohnt worden." Ueber Sich Selbst äuszert der grosze Held nichts , aber die Weltgeschichte verkündet von Ihm , dass Er nicht blos Schlesien genommen, sondern es auch consolidirt , nicht blos Oesterreich als Gegner gemäszigt, sondern es auch als Deutscher Patriot geschont, nicht blos mit den unbezwinglichen Waffen, sondern auch mit einer Politik der Weisheit Sich den Namen des Groszen, der Ihm fortan beigelegt wurde, erobert hat.
XVIII .
Das
Sächsisch - Polnische
Cavalleriecorps
im
Oesterreichischen Solde von 1756 bis 1763. (Schluss .) *) V. Die eintönige Ruhe, über welche sich die Sächsischen Regimenter während ihres langen Verbleibens bei Trautenau beschwert hatten, folgte ihnen nicht mit in die Winterquartiere.
Auf die Nach-
richt, dass die Preuszen wieder bis Görlitz vorgerückt seien, musste General von Zezschwitz Mitte Januar 1760 nach der Oberlausitz abmarschiren und diese bis Löbau und Reichenbach vom Feinde säubern. Nach und nach gelang es , denselben auch über die Neisse zurückzudrängen, wobei viele kleine Gefechte, fast alle zum Vortheile der Sachsen , wurden.
welche dabei
zahlreiche
Gefangene
machten ,
geliefert
*) Vergl. Jahrbücher Band XXVIII, Seite 36 und 129 (Juli und August 1878). 16 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
238
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde Im Winter von 1759 zu 1760 kam der Plan einer abermaligen
Verstärkung der Ulanenpulks zur Ausführung , indem man gleichzeitig in jedem derselben die Zahl der Fahnen von sechs auf acht erhöhte, von denen je zwei und zwei zu einer Escadron vereinigt werden konnten.
Durch diese Maaszregel , deren Urheber Renard,
ein junger, ehrgeiziger und thätiger General, war, der sich, um die nöthigen Mittel hierzu flüssig zu machen, persönlich nach Warschau begeben hatte, erreichte man eine vollkommene Gleichförmigkeit der Eintheilung der Ulanenpulks mit den Sächsischen Cavallerie - Regimentern. Abgesehen vom Stabe , welcher unverändert blieb ,
war vom
1. April 1760 an der Bestand eines Pulks : 8 Rittmeister, 8 Lieutenants, 8 Souslieutenants , 8 Fähnriche, 464 Towarczycen zu 58, 496 Pocztowy zu 62 und 8 Trompeter. Die Gesammtstärke des Corps belief sich an dem gedachten Tage auf 5288 Mann mit 5047 Pferden . Den 8. April erfolgte die Ablösung des Sächsischen Corps in der Lausitz durch den General Beck ; bis auf ein schwaches Detachement , welches zur Verbindung mit dem Letzteren in Bautzen zurückblieb ,
wurde jenes
zur Verstärkung des Feldzeugmeisters
Lascy nach Radeberg herangezogen.
Die Sachsen traten mit freudi-
ger Zuversicht unter den Befehl dieses Generals , nicht nur weil dieser, wie wir bereits zu erwähnen Gelegenheit hatten, allgemein im Rufe groszer geistiger Befähigung stand , sondern auch weil es hiesz , dass
sein Corps zunächst
zum Vormarsche gegen Torgau
und Wittenberg , also zur Befreiung des Landes vom Feinde , stimmt sei.
be-
Der General von Zezschwitz hatte mittlerweile sein Corps folgendermaaszen in Brigaden eingetheilt : I. Brigade : Generalmajor von Gösznitz - Prinz Carl, Brühl, Rudnicki. -- Carabiniers, Prinz II. Brigade : Generalmajor Graf Renard Albrecht, Schiebell. In dieser Formation rückten die Sachsen auf den rechten Flügel Lascy's , dessen Corps , nunmehr auf einige 20,000 Mann verstärkt, nördlich von Dresden bei Wahnsdorf und Boxdorf stand. Die Brigade Gösznitz kam nach Hermsdorf, die Brigade Renard nach Radeberg und Lotzdorf zu liegen ; die Ulanenpulks waren jedoch nach Moritzburg und Radeburg vorgeschoben und ihre Patrouillen gingen bis Brockwitz , Niederau, Krayerhof und Groszenhain . Ueberhaupt fehlte es denselben hier nicht an Gelegenheit , ihren alten Unter-
von 1756 bis 1763. nehmungsgeist zu bethätigen.
239
Oberst Rudnicki kam am 2. Mai dem
Oesterreichischen Major Baron Hofer zu Hülfe, welcher bei Groszenhain von Zieten'schen Husaren überfallen worden war, und hieb ihn heraus ; an demselben Tage gelang es dem Obersten Schiebell, bei Liebenwerda einen Offizier mit neun Husaren gefangen zu nehmen. Noch besseren Erfolg hatte ein Ueberfall, den Schiebell in der Gegend von Cottbus ausführte, wo er am 7. Mai einen Offizier und 69 Husaren aufhob. Hinter so trefflichen Vorposten konnten die cantonnirenden Regimenter verhältnissmäsziger Ruhe pflegen, was sie benutzten, sich in gute Verfassung zu setzen und ihre Pferde gehörig auszufüttern, um, wenn nöthig, ernsteren Anforderungen entsprechen zu können . Diese lieszen nicht lange auf sich warten . Ein von Torgau auf dem rechten Elb-Ufer bis Cosdorf, Belgern gegenüber, vorgeschobenes Preuszisches Husaren- Detachement (Regiment Zieten und zwei Escadrons Kleist) sollten von drei Seiten überraschend angegriffen und womöglich gefangen genommen werden. Zur Ausführung des Unternehmens wurde der Morgen des 2. Juni festgesetzt , Leitung desselben dem Generalmajor von Zezschwitz
die
übertragen.
Der Aufbruch erfolgte den 1. Juni bei Beginn der Dunkelheit von Groszenhain in drei Colonnen . Die erste Colonne, zwei Oesterreichische Husaren - Regimenter unter dem Generalmajor Fürsten Liechtenstein, ging über Mühlberg der Elbe entlang auf dem linken Flügel.
Die zweite unter Renard,
bestehend aus dem Ulanenpulk Schiebell und einem aus Commandirten der drei Chevauxlegers-Regimenter combinirten Detachement, hatte die Bestimmung, in weitem Bogen rechts ausholend, von Norden her über Lennewitz gegen Cosdorf vorzubrechen, während die dritte von Gösznitz geführte Colonne, die Rudnicki'schen Ulanen und eine Abtheilung Carabiniers , rückte.
in gerader Richtung von Groszenhain an-
Der Feldzeugmeister Lascy hatte sich der Unternehmung
persönlich angeschlossen. Wie es von dem künstlich angelegten Plane kaum anders zu erwarten war, entsprach die Ausführung demselben nicht vollständig. Die erste und dritte Colonne langten allerdings am 2. Juni früh zur bestimmten Stunde vor den Preuszischen Vorposten bei Cosdorf an, welche überfallen und theils niedergehauen, theils gefangen wurden, aber Renard war auf seinem weiten Umwege durch zufällige Hindernisse aufgehalten worden, und seine Ankunft konnte, da man vom Feinde schon bemerkt war, nicht abgewartet werden .
Obgleich da-
her der Vortheil einer vollständigen Ueberraschung verloren ging, 16 *
240 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde und man das Gros des feindlichen Detachements schon in Gefechtsbereitschaft fand , gelang es doch , demselben 4 Offiziere und 130 Husaren abzunehmen und einen namhaften Verlust an Todten, Verwundeten und Versprengten zuzufügen.
Noch auf dem Rückzuge
wurde es von dem inzwischen eingetroffenen und plötzlich hinter dem Walde von Ketten hervorbrechenden Renard attakirt und bis an die Thore von Torgau verfolgt. Friedrich II. ,
welcher während dieser ganzen Zeit auf dem
linken Elb-Ufer, hinter dem tiefeingeschnittenen Triebsch-Thale und den linken Flügel seiner Armee an Meiszen gelehnt , unbeweglich stehen geblieben war, entschloss sich endlich in der unangenehmen Alternative, in die er sich durch die Umstände versetzt sah ,
ent-
weder Schlesien oder Sachsen aufgeben zu müssen, für das letztere. Den General Bülow zwischen Meiszen und Schletta, Hülsen bei den Katzenhäusern zurücklassend , ging der König in der Nacht vom 14. zum 15. Juni mit seiner Infanterie auf einer bei Zadel geschlagenen Schiffbrücke über die Elbe, wohin am Morgen die Cavallerie und Artillerie nachfolgten.
Bis zum 18. Juni stand Friedrich
mit dem rechten Flügel auf den Proschwitzer Höhen, mit dem linken bei Naundörfel.
Obgleich Daun von dem Abmarsche der Preuszi-
schen Armee rechtzeitig Nachricht erhalten hatte und nach dreitägigem Zögern den 17. Juni gleichfalls auf das rechte Elb- Ufer überging, wo er sich links neben dem Lascy'schen Corps bei Reichenberg aufstellte ,
wagte er
doch nicht zum Angriffe zu schreiten ,
was bei seiner Ueberlegenheit, der Trennung des feindlichen Heeres durch die Elbe und die ihm entschieden vortheilhaften Terrainverhältnisse des rechten Ufers als groszer Fehler bezeichnet werden muss. Da ebenso wenig auf der linken Seite der Elbe ein Angriff der Oesterreicher erfolgte, so liesz der König auch die übrigen hier noch stehen gebliebenen Abtheilungen bis auf sieben Bataillone, welche das Lager bei Schletta besetzten, der Armee auf das rechte Elb-Ufer nachrücken .
Die Sächsische Cavallerie bezog am 17. Juni eine Stellung zwischen Radeburg und Marsdorf; Nachmittags wurden die Vorposten, Rudnicki's Ulanen, durch Preuszische Husaren, die sich nach und nach bis auf 13 Schwadronen verstärkten, bei Grosz-Dobritz angegriffen und zurückgeworfen ; durch die rechtzeitige Unterstützung des Regiments Prinz Carl wendete sich jedoch der Vortheil auf Seite der Sachsen, welche dem Feinde 16 Gefangene abnahmen. Als aber Friedrich II. am 18. Juni früh 3 Uhr seinen Vormarsch in der Richtung auf Radeburg antrat, mussten sich die Vorposten
von 1756 bis 1763.
241
auf das Gros Lascy's , der bis Bernsdorf vorgerückt war, zurückziehen. Hier blieben sich beide Theile in lebhaftem Artillerie- und Infanteriefeuer den ganzen Tag über einander gegenüber stehen, am folgenden Morgen aber trat Lascy seinen Rückmarsch in die alte Stellung von Boxdorf an. Defensive auch ,
Die Oesterreicher verharrten in ihrer
als am 23. Juni die Reichsarmee bei Dresden ein-
traf und Daun dadurch bis auf 80,000 Mann verstärkte, während Friedrich nur über 34,000 Mann verfügen konnte. In der That wäre einem unternehmenderen Feldherrn als Daun gegenüber die Lage des Königs damals eine sehr bedenkliche gewesen, und dessen Missgeschick schien den höchsten Grad zu erreichen, als ihm am 25. Juni durch das Victoriaschieszen der Oesterreicher die erste Kunde von der Gefangennahme Fouqué's bei Landshut zuging. Es mag aber gerade die Nachricht von diesem Unglücksfalle den Absichten des Königs eine andere Richtung gegeben und ihn auf den Gedanken der Belagerung von Dresden gebracht haben, nur um damit etwas dem Feinde gänzlich Unerwartetes zu beginnen. Zur Ausführung dieses kühnen Unternehmens war es jedoch nöthig, dass zunächst Daun aus seiner festen Stellung bei Reichenberg gelockt wurde , weshalb Friedrich sich den Anschein gab , als ob er den durch die inzwischen eingetretene Entscheidung und Fouque's Gefangennahme vor der Hand gegenstandslos gewordenen Abmarsch nach Schlesien jetzt ernstlich in Ausführung zu bringen beabsichtige. Er liesz daher seine Armee den 2. Juli wieder aus dem Lager aufbrechen und über Radeburg vorrücken ; Lascy machte an demselben Tage einen Parallelmarsch bis Pulsnitz . Den 4. Juli wurde Letzterer von der Preuszischen Armee angegriffen und genöthigt , in eine Stellung zwischen Radeberg und Grosz -Erkmannsdorf zurückzugehen ; Ulanen unter dem Oberstlieutenant von Zezschwitz, vom Regimente Albrecht, der an Stelle des kranken Obersten Rudnicki dessen Pulk führte, überfielen an demselben Tage ein Detachement Dragoner und machten 1 Capitain, 2 Offiziere und 40 Mann gefangen . Am nächsten Morgen folgte Lascy wieder den gegen Bautzen abmarschirenden Preuszen ; seine Cavallerie erreichte Bischofswerda , die Infanterie blieb bei Hartha. Den 6. Juli verfolgte die Oesterreichische Avantgarde
unter
General Ried die langsam abziehenden Preuszen bis Bautzen, drang auch in die Vorstadt ein, musste sich jedoch aus derselben wieder zurückziehen.
Die auf dem Protschenberge zunächst Bautzen re-
cognoscirende
Oesterreichische Generalität wurde
Preuszen aus dem Schlosse Ortenburg beschossen.
dabei von den Nur die Ulanen-
242
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
vorposten blieben vor Bautzen stehen, die Chevauxlegers zogen sich auf Gödau, eine Meile gegen Bischofswerda, zurück. Bei früher Morgenstunde, den 7. Juli , griff der König mit den Vorposten, denen Zieten mit seiner Cavallerie als Unterstützung folgte, die Ulanen bei Rattwitz an und warf sie auf Gödau zurück. Aber hier stiesz er auf die Sächsischen Chevauxlegers, und es entspann sich ein heftiges Gefecht.
Da es dem Könige nicht möglich
wurde, die Infanterie- Unterstützung, nach der er einen Adjutanten abgeschickt hatte, rechtzeitig heranzubringen, so sah er sich endlich zum Rückzuge genöthigt, auf dem er bis an die Vorstadt von Bautzen verfolgt wurde.
Die Sächsische Cavallerie ging hierauf wieder in
die Stellung von Gödau ; sie hatte 200 Gefangene gemacht und dem Feinde an 300 Mann verwundet und getödtet. Aber auch die Sachsen hatten in diesem Reitergefechte - Infanterie war auf beiden Seiten nicht herangebracht worden - 142 Mann verloren.
Der Fähnrich
von Queck, vom Regimente Albrecht, starb an seiner bei Gödau erhaltenen Verwundung. Aber Friedrich hatte mittlerweile Nachricht erhalten, dass Daun mit seiner Armee eilig in der geradesten Richtung von Dresden auf Görlitz marschirt und am 6. Juli bereits in Reichenbach eingetroffen war. Einen besseren Erfolg hätte der König von seiner Scheinbewegung gar nicht erwarten können, und er beschloss nun, sofort umzukehren und sich zunächst mit seiner ganzen Kraft auf Lascy zu werfen. Um durch Deserteure, das damals unvermeidliche Uebel, nicht verrathen zu werden,
liesz er am 8. Juli bei der Parole be-
fehlen, dass die Armee den 9. den Weitermarsch über Weiszenberg und Reichenbach antreten werde. Aber noch Abends versammelte er dieselbe in aller Stille und setzte sie wieder rückwärts so in Bewegung , dass zehn Bataillone rechts über Salzenforst , Bloaschütz und Dahren gegen Potschapplitz in die linke Flanke des Feindes gerichtet wurden, während eine andere Colonne über Ober-Förstchen, Grosz-Seitschen und Bürkau in die rechte Flanke desselben und die Reiterei auf der groszen Strasze von Rattwitz gegen Gödau vorrückte.
Die schwache Avantgarde der letzteren sollte die feindlichen
Vorposten zu einer übereilten Verfolgung herauszufordern suchen, damit sie zwischen die in der Tiefe gedeckt marschirenden InfanterieColonnen gelockt würden .
Aber trotz
aller Vorsichtsmaaszregeln
wurde das so geheim angelegte Vorhaben des Königs
doch dem
General Lascy verrathen, welcher mit seinem Stabe bei Tagesanbruch sich bei den Vorposten einfand und die Vorbereitungen zum Empfange des feindlichen Angriffes selbst anordnete.
Wahrscheinlich
von 1756 bis 1763.
243
hatte sich jedoch der nächtliche Anmarsch des Königs etwas verzögert , denn trotz der allgemeinen Bereitschaft bei den Vorposten war von Lascy nach längerem Warten doch eben die Erlaubniss ertheilt worden, die Pferde in die Tränke zu reiten, als der Feind anrückte . Ueber das nun folgende Gefecht giebt Oberst von Benkendorf nachstehenden Bericht. „ Bei Gödau ritt am Morgen nach unserer Ankunft General Lascy mit dem Generallieutenant von Zezschwitz und dem Generalmajor Prinzen Liechtenstein recognosciren, kam in einigen Stunden zurück und erlaubte,
dass die Cavallerie tränken dürfe, welches in einem
Bache eine starke Stunde hinter uns geschehen musste. waren durstig und Alles eilte zum Wasser.
Die Pferde
Ich war vor unserer
Front, hörte ein paar Schüsse vor mir im Dorfe, liesz sogleich die wenigen Leute, die noch da waren, aufsitzen und schickte nach denen an der Tränke.
Indem kam der Feldzeugmeister mit verhängtem
Zügel aus dem Dorfe geritten und schrie mir zu, wir sollten aufsitzen.
Ich sagte ihm, dass der gröszte Theil auf seinen Befehl an
der Tränke sei, dass ich aber so bald als möglich nachkommen wolle ; indess gab ich ihm die etwa 60 noch vorhandenen Mann mit , und da diese im Abreiten nicht Reih und Glied hielten, rief ich ihnen nach, sie sollten ordentlich marschiren, worauf mir aber Lascy antwortete, dass hier keine Ordnung nöthig sei .
Sobald die Leute von
dem Wasser kamen , jagte ich mit einem ebenso starken Truppe nach und holte Lascy ein.
Dieser befahl mir,
hinter einen vor-
liegenden Hügel zu gehen, ohne mich gewahr werden zu lassen ; er aber wolle ein feindliches Bataillon, das in einem tiefen Wasserrisse auf dem Felde postirt sei , anfallen und über den Haufen werfen. Der Feind liesz sich aber nicht überrumpeln ; es kamen etwa 50 Dragoner aus der Tiefe hervorgeprellt und schossen sich mit unseren Leuten auf dem Felde herum.
Lascy kam einzeln zu mir und sagte
mir in der ersten Hitze, dass meine Leute nicht hätten beiszen wollen ; ich antwortete ärgerlich , sie hätten immer gebissen , wenn ich sie geführt hätte ; nur sei meine Prophezeiung eingetroffen, dass Alles, was nicht ordentlich wäre, nicht gut gehen könne .
Er ritt
fort und sagte mir, ich sollte suchen, meine Leute wieder zusammen zu bekommen, wozu aber so bald kein Anschein da war. Ich rückte zwar mit meinem Truppe vor und liesz Appell schlagen, erhielt aber einen Kanonenschuss , welcher drei Pferden auf einmal die Beine wegnahm ; als dies der Feldzeugmeister sah, liesz er mir sagen, ich sollte mich so viel als möglich ohne Schaden zurückziehen. " Während die Cavallerie Lascy's sich zurückzog und, von der
244
Das Sächsisch -Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
des Königs lebhaft verfolgt, sich mit dieser tapfer herumschlug, hatte die Oesterreichische Infanterie bereits früh vor Tagesanbruch den Rückmarsch von Bischofswerda gegen Dresden
antreten
müssen.
Die Preuszische Artillerie unterstützte ihre Cavallerie , wo es die Oertlichkeit nur irgend gestattete.
In der Gegend von Schmiedefeld
beabsichtigte Lascy, Stellung zu nehmen , da aber beide feindliche Flügel sich dadurch in ihrem Vormarsche auf Radeberg und Stolpen nicht aufhalten lieszen und Daun ernstlichere Gefechte ausdrücklich verboten hatte, so erschien eine Verzögerung des weiteren Rückzuges nicht gerechtfertigt, und Lascy setzte denselben daher bis zum Weiszen Hirsch, eine halbe Meile von Dresden, fort, während seine Vorposten sich bei Dürr- Biela aufstellten und Schiebell mit seinem Ulanenpulk zur Deckung der linken Flanke nach Radeberg vorgeschoben wurde.
Um die Reichsarmee bei Dresden von einer Unterstützung Lascy's abzuhalten, war Hülsen vom Könige die Weisung zugegangen, den 9. Juli von Meiszen her einen Scheinangriff gegen dieselbe auszuführen, und dieses Mittel hatte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt.
Ohne alle Hülfe gelassen, musste Lascy auch am 10. Juli den Rückzug fortsetzen und sich durch Dresden theils über die steinerne Brücke, theils über eine oberhalb derselben geschlagene Schiffbrücke nach dem linken Elb - Ufer abziehen ; seiner Arrièregarde sendeten
die Preuszen von den Höhen des heutigen Waldschlösschens noch ein lebhaftes, aber zum Glücke wirkungsloses Artilleriefeuer nach. Lascy erhielt seine Stellung zwischen Laubegast und Sedlitz angewiesen ; Friedrich schlug sein Lager bei Schönfeld auf ; die beiderseitige Artillerie setzte den Kampf noch längere Zeit über das ElbThal fort. Das Verhalten der Reichsarmee bei Dresden ist über alle Begriffe mattherzig ; ihr Führer, der Herzog von Zweibrücken , liesz sich von seinem schwächeren Gegner jede Bewegung vorschreiben. Zunächst mussten aus Besorgniss vor einem Angriffe die Truppen in beständiger Gefechtsbereitschaft bleiben, wodurch dieselben ganz unnöthig ermüdet wurden, dann wieder liesz sich am 12. Juli die ganze Reichsarmee in ihrer Stellung hinter dem tief eingeschnittenen Plauenschen Grunde von den Scheinangriffen, welche Hülsen mit seinen unzureichenden Kräften von Meiszen her machte, zur vollen Entwickelung ihrer Streitkräfte verleiten, so dass sogar Lascy mit vorrücken musste. Die Demonstration Hülsen's hatte nur den Zweck, den Abmarsch des Königs aus dem Lager von Schönfeld auf dem rechten Elb-Ufer bis Scharfenberg zu verbergen, wo zwei Brücken
von 1756 bis 1763.
245
geschlagen waren, auf denen Friedrich sein Heer in der Nacht vom 12. zum 13. Juli über den Strom führte. Unaufhaltsam ging nun, sobald er davon Kenntniss erlangt hatte, der Herzog von Zweibrücken mit der Reichsarmee bis auf die Höhen von Burkhardswalda zurück, und Lascy musste sich zwischen Lockwitz und Dohna aufstellen, um dem jetzt über den Plauenschen Grund entschlossen nachfolgenden Hülsen die Stirn zu bieten.
Nur die Ulanen wussten
sich unter diesen unerquicklichen Verhältnissen ein ihrer Natur entsprechendes Feld der Thätigkeit zu bewahren, indem sie über die Elbe hinweg fleiszige Streifzüge unternahmen und hier dem Feinde manchen Schaden zufügten. Bevor wir jetzt auf die Zeit der Belagerung Dresdens durch Friedrich II. übergehen, haben wir noch eines Planes zu erwähnen, welcher kurz vor Beginn derselben in Warschau auftauchte. Es handelte sich dabei nämlich um die Organisation eines Sächsischen Bataillons , das man Oesterreich in ähnlicher Weise, wie die Cavallerie - Regimenter,
zur Verfügung
zu stellen und vorläufig der
Dresdener Garnison einzuverleiben gedachte. An den Sächsischen Sammelplätzen, wo man unter dem Schutze der Kaiserlichen Armee die in groszer Menge eintreffenden Landeskinder - theils am Liliensteine gefangene Soldaten, theils in Sachsen zwangsweise ausgehobene Recruten in Empfang nahm, befanden sich eine erhebliche Anzahl , welche man Bedenken trug , zu dem im Französischen Solde stehenden Sächsischen Infanteriecorps des Prinzen Xaver abgehen zu lassen. Es herrschte nämlich unter den , dem Preuszischen Dienste sich entziehenden Mannschaften zwar der beste Wille , Blut und Leben für ihren angestammten Herrscher einzusetzen, aber doch nur im Kampfe für die unmittelbare Befreiung ihres Heimathlandes von dem ihm aufgedrungenen Preuszischen Joche, nicht aber im Französischen Solde auf dem fern liegenden westlichen Kriegstheater. Der Gedanke an die Wiedereroberung Sachsens ,
der unter den
Führern so lebendig war und sich so oft in bitteren Beschwerden über die schleppende, methodische Kriegführung der Oesterreicher Luft machte, war unter der Mannschaft nicht minder allgemein verbreitet.
Hierzu kam noch Manches, was den Leuten, die mit Gefahr
des Lebens die Preuszischen Fahnen verlieszen, um zu denen ihres schwergeprüften Vaterlandes zurückzukehren, den Dienst im Französischen Solde verleidete ; standen sie doch dort neben einem hochmüthig auf sie
herabblickenden fremden Verbündeten Deutschen
Landsleuten, Hannoveranern , Hessen , Braunschweigern gegenüber, von denen ihrer Sächsischen Heimath keine Unbill widerfahren war,
246
Das Sächsisch -Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
und deren Sache den mit den politischen Combinationen der Cabinette unbekannten, harmlosen Gemüthern des gemeinen Mannes sympathischer war, als die ihrer Verbündeten, deren Sprache sie nicht einmal verstanden.
Es war daher gewöhnlich die erste Be-
dingung der Ueberläufer bei ihrer Ankunft ,
dass sie, so bereit sie
auch zu jedem Dienste gegen Preuszen seien, doch nicht zur Französischen Armee gebracht werden wollten.
Wohl mochte von den
beim Sammeldienste angestellten Offizieren manches im ersten Eifer gemachte Zugeständniss dieser Art , in der Folge, wenn der Mann erst wieder seinem alten Landesherrn den Eid erneuert hatte, vergessen worden sein ; das Misstrauen der Leute wurde dadurch nur vergröszert.
Um die Stimmung bei den Sammeldepots zu heben,
hatte der Sächsische Oberst von Carlsburg am 17. März 1760 von Neustadt a. d. Orla aus mit den dort vereinigten Revertenten in Verbindung mit Oesterreichischen leichten Truppen eine Unternehmung gegen das von den Preuszen besetzte Zeitz ins Werk gesetzt , bei welchem sich dieselben sehr brav bezeigten, 244 Mann, unter denen zwei Obersten und mehrere Offiziere, gefangen nahmen und Standarten erbeuteten.
zwei
Als aber Carlsburg darauf mit einer Ab-
theilung dieser selbigen Leute am 16. April zum mobilen Corps abmarschiren wollte, brach unter denselben
eine Meuterei aus ; ein
groszer Theil entwich und nur mit Mühe und gegen das Versprechen, dass sie nicht den Franzosen zugeführt werden sollten, liesz sich die erregte Menge bewegen, zu ihrer Pflicht zurückzukehren *).
Man war nun in Betreff dieser Leute in groszer Verlegenheit ; einerseits wirkte ihr Beispiel ansteckend auf die noch immer zahlreich sich anmeldenden Flüchtlinge, andererseits fiel die Unterhaltung der Widerspenstigen, welche beim Xaver'schen Corps aus Französischen Cassen erfolgt wäre, nun der aller Mittel beraubten Sächsischen Regierung in Warschau zur Last. Aber auch die Versuche, die kleine Truppe in Oesterreichischen Sold zu geben, schlugen fehl ; dieselben Bedenken, welche von den Kaiserlichen Generalen gegen die trefflich ausgebildeten und disciplinirten Reiter - Regimenter erhoben worden waren, lieszen sich natürlich mit weit gröszerer Berechtigung gegen die mittlerweile in ihrem moralischen Werthe zurückgekommene Infanterietruppe geltend machen, bis diese endlich, nachdem man sie den Winter von 1760 zu 1761 hindurch bei der Reichsarmee gelassen hatte, doch noch
*) Vergl. in von Weber : „ Archiv für Sächsische Geschichte" , neue Folge, IV. Bd., 1. Heft : ,,Das Sammelwerk des Majors von Eberstein".
von 1756 bis 1763.
247
durch Zureden dahin gebracht ward, in ihren Abmarsch zum Xaver'schen Corps zu willigen. Nachdem König Friedrich , wie wir schon gesehen haben, bei Scharfenberg die Elbe überschritten hatte, liesz er auf die Nachricht, dass der Herzog von Zweibrücken den Rückzug angetreten habe , seine Armee links schwenken und verschritt sodann , nachdem die Kroaten aus dem Groszen Garten vertrieben worden waren, zur Einschlieszung von Dresden.
Er wusste, dass Daun, der mittlerweile
noch im guten Glauben, der Armee des Königs zu folgen, den Marsch nach Schlesien fortgesetzt hatte, unmöglich lange noch in seinem Irrthume beharren könne und trotz der Schwerfälligkeit seiner Bewegungen doch bald zum Entsatze Dresdens herbeieilen werde . Alle Hoffnung Friedrich's, die von dem General Macquire mit 13,000 bis 14,000 Mann vertheidigte Hauptstadt Sachsens zum Falle zu bringen, beruhete daher auf der Einschüchterung, die eine rücksichtslose Beschieszung der Festung bewirken konnte. Diese wurde denn auch vom 18. bis zum 21. Juli mit aller Energie in Ausführung gebracht, ohne jedoch bekanntlich zu dem erwünschten Ziele zu führen. Daun hatte am 10. Juli in Reichenberg die Meldung erhalten, dass Friedrich in Bautzen umgekehrt sei und sich wieder gegen Dresden gewendet habe.
Sofort entsendete er den General Ried mit
leichten Truppen quer durch das Lausitzer Gebirge, so dass dieser bereits am
13. in Stolpen eintraf.
Aber erst den 16. Abends er-
folgte Seitens Ried's der Angriff auf die Preuszischen Vorposten am Weiszen Hirsch bei Dresden, ohne dass es dem General gelungen wäre, sich mit der Festung in Verbindung zu setzen. Unterdessen war Daun mit der Armee über Bautzen in gemächlicherem Tempo auf Dresden gefolgt ;
durch Raketen gab er den
Belagerten das Zeichen seiner Annäherung .
Den 18. Juli traf der
Feldmarschall bei Schönfeld ein und eröffnete sich , indem er die feindlichen Abtheilungen an der Bautzener und Königsbrücker Strasze zurückdrängte, die Verbindung mit Dresden.
Der Preuszische Ge-
neralmajor von Tettenborn, der mit drei Bataillonen beim Fischhause in der Dresdener Haide aufgestellt gewesen war, wurde dabei abgeschnitten und gefangen ; sieben Geschütze desselben fielen in die Hände der Oesterreicher. Den 20. Juli rückte vor Tagesanbruch das Lascy'sche Corps bis Gommern vor, um die Aufmerksamkeit des Königs vom rechten ElbUfer abzulenken, wo das noch bei Boxdorf stehende Preuszische Corps des Prinzen von Holstein von Daun angegriffen und nicht ohne bedeutende Verluste auf Meiszen zurückgeworfen wurde.
Der schon
248
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
erwähnte Oberstlieutenant von Zezschwitz , ein Sohn des Generals , nahm bei dieser Gelegenheit mit einer Abtheilung Rudnicki'scher Ulanen 26 Preuszische Husaren gefangen. Lascy rückte Mittags wieder in sein Lager bei Klein- Sedlitz, Daun aber entsendete nach seinem Erfolge bei Boxdorf über eine unmittelbar unterhalb Dresden ,
zwischen dem Weiszen Thore und
Neudorf geschlagene Schiffbrücke, 6000 Mann, welche mit den Besatzungstruppen in der Nacht einen Ausfall machten.
Der König
war jedoch auf seiner Hut und hatte seine Armee unter Gewehr stehen.
Man drang zwar in die Laufgräben und führte einige Ge-
schütze weg ;
in der Finsterniss
schossen aber die Kaiserlichen
Truppen aufeinander, was grosze Verwirrung erzeugte.
Mitten in
derselben griffen die Preuszen wieder an und nahmen den Oesterreichischen General Nugent mit 200 Mann gefangen.
Jedenfalls
wurde die mit der Unternehmung verbundene Absicht nicht erreicht, aber auch Friedrich war über seine Truppen ungehalten und bestrafte das Regiment Bernburg durch Entziehung der Huttressen und Seitengewehre. Den 22. und 23. Juli schwieg das Feuer der Belagerer, welche sich gegen das Lascy'sche Corps im Rücken durch Erdwerke gedeckt hatten.
Letzteres verhielt sich die darauf folgenden Tage zur
groszen Unzufriedenheit der Sachsen, die mit stummem Ingrimme ihre schönste Hauptstadt hatten in Trümmer schieszen sehen,
voll-
kommen unthätig ; es sollte erst der Erfolg der Abtheilung abgewartet werden, welche unter dem General Ried elbabwärts nach Meiszen und Torgau entsendet worden war, um die Zufuhr der Belagerer von dorther abzuschneiden. In In der That glückte es auch den Kroaten, sich den 27. Juli zwischen Seuszlitz und Riesa in den Besitz von 20 mit Munition und Lebensmitteln beladenen Elbkähnen zu setzen. Noch an demselben Tage entschloss sich der König zur Aufhebung der Belagerung von Dresden.
Den 29. Juli überschritt das
Gepäck den Plauenschen Grund ; Abends 9 Uhr setzte sich die Armee in drei Colonnen in Bewegung und stand in der Nacht zwischen Pesterwitz und Alt - Franken ; am 30. Juli gelangte die Königliche Armee kaum eine halbe Meile weit bis Unkersdorf.
Lascy war bis
in den Plauenschen Grund nachgerückt, die Reichsarmee bei Dohna geblieben. Den 31. Juli marschirte der König bis Merschwitz ,
während
Lascy auf das rechte Elb-Ufer bis an die Trachenhäuser vorgezogen wurde. Wie man richtig vermuthet hatte, ging Friedrich am folgen-
von 1756 bis 1763.
249
den Tage bei Merschwitz über den Fluss und schlug, nunmehr ernstlich auf die Idee des Abmarsches nach Schlesien zurückkommend, die Richtung auf Camenz ein.
Lascy, der Armee Daun's voran,
folgte dem Könige wieder auf dem Fusze über Langebrück, Bischofswerda, Bautzen und erreichte den 6. August Görlitz . Die Sächsischen Regimenter waren auf diesem mit groszen Anstrengungen verbundenen Marsche als Avantgarde in fortwährender Berührung mit der feindlichen Nachhut ; sie verloren in den kleinen Gefechten Leute und Pferde, machten aber auch viele Gefangene, und es liefen ihnen, besonders vom Regimente Bernburg, zahlreiche Deserteure zu . An der Schlacht bei Liegnitz am 13. August hatte das Lascy'sche Corps keinen Antheil ; nur eine Patrouille desselben stiesz bei Rüstern auf das Preuszische Gepäck und griff dasselbe an, wurde aber zurückDen 18. September bezog Lascy ein Lager bei Langenwaltersdorf am Zobtenberge, wo er einige Tage stehen blieb. General Zezschwitz beklagt sich , 99 dass die Cavallerie bei dieser rüden und
geschlagen.
unbeschreiblich fatiganten Campagne sehr viel leide " . Die Capitains hätten schwere Verluste, und was das Schlimmste sei , sie erhielten von Wien ihre Zahlungen in Papier oder entwerthetem Gelde, an dem sie neue, empfindliche Einbuszen erlitten. Flemming , an den sich Zezschwitz mit seinen Beschwerden wendete, konnte in Wien keine Abhülfe erreichen ; man hielt ihm dort einfach entgegen, dass die Oesterreichischen Truppen sich dasselbe gefallen lassen müssten . Diese leidigen Klagen über die unzureichende Bezahlung hörten bis zum Ende des Krieges nicht auf und fielen als grelle Dissonanz in die ohnehin nicht immer ungestörte Harmonie zwischen den Cabinetten zu Wien und zu Warschau. Die Belagerung von Schweidnitz , welche Lascy durch seine Aufstellung am Zobten decken sollte, kam nicht recht in Fluss ; die Nähe des Preuszischen Heeres bereitete fortwährende Störungen und gab zu mehrfachen Kreuz- und Querzügen Lascy's in der Gegend zwischen Jauernick und Waldenburg Veranlassung , bei welchem letzteren Orte sich vom 18. September ab Oesterreicher und Preuszen vier Tage lang in unmittelbarer Nähe gegenüberstanden, ohne dass es, von beiderseitigem Kanonieren abgesehen, zu einem ernsten Zusammenstosze gekommen wäre. In der Gegend von Friedland erreichte Lascy der unerwartete Befehl , in beschleunigten Märschen nach der Niederlausitz abzurücken.
In Bunzlau, wo am 1. October Rasttag gehalten wurde und
das Regiment Palatinal-Husaren als Verstärkung zum Corps stiesz , ging diesem die erste Benachrichtigung über das Ziel seiner Be-
250
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
stimmung zu.
Oesterreich hatte sich erboten ,
die auf Berlin ge-
richteten Russischen Armee - Abtheilungen von Fermor und Czernitscheff durch eine gleichzeitige Operation gegen
die Preuszische
Hauptstadt zu unterstützen, und beauftragte Lascy mit der Ausführung.
Von Cottbus aus setzte dieser am 5. October mit den
Regimentern Albrecht und Brühl und den Oesterreichischen Dragoner-Regimentern Birkenfeld und Liechtenstein, sowie den beiden Ulanenpulks seine Bewegung bis Luckau fort ; die beiden anderen Sächsischen Regimenter blieben bei der Infanterie , welche unter General Buttler einen Marsch nachfolgte. Den 7. October kam über Zossen die Avantgarde vor Berlin an, wo bereits Hülsen, welcher die Stadt mit seinem schwachen . Corps deckte, mit den Russen unter Tottleben im Gefechte stand. Lascy nahm sogleich auf dessen linkem Flügel Stellung ; die Preuszen traten nach kurzem Feuergefechte den Rückzug nach Berlin Die Nacht hindurch blieb Tottleben bei Köpenick , Lascy bei Buckow.
Als am folgenden Tage das
Gros unter dem General
Buttler anlangte, bezog Lascy ein Lager bei Mariendorf, am 9. nahm er Stellung beim Weingarten vor Berlin, während Tottleben dem auf Spandau abziehenden Hülsen nachging.
Mittlerweile hatte sich auf
dem linken Spree - Ufer auch Czernitscheff genähert, so dass am 9. der Commandant von Berlin, Generallieutenant von Rochow, mit den Die Oesterreicher Russen eine Capitulation abschlieszen musste. wurden dabei von den Russischen Generalen gar nicht gefragt ; letztere beriefen sich vielmehr auf eine von dem im Russischen Hauptquartiere befindlichen Oesterreichischen Feldmarschall-Lieutenant Plunquet ausdrücklich eingegangene Bedingung, der zu Folge jeder aus der Einnahme von Berlin den Verbündeten erwachsende Vortheil nur Russland zu Gute gehen sollte. Von den neun Thoren der Hauptstadt wurden daher den Oesterreichern nur zwei, das Potsdamer und das Brandenburger, eingeräumt, von 12 Millionen Thalern Brandschatzung erhielten sie den bescheidenen Antheil von 50,000 Thalern. Auch die militairischen Etablissements, Magazine und Montirungskammern wurden von den Russen übernommen und in ähnlichem Verhältnisse mit den Bundesgenossen getheilt , welche ihrem Grimme über diese Rücksichtslosigkeit in vergeblichen Beschwerden Luft machten. Den 9. und 10. October wurde von den Russen noch fortgeschafft, was irgend zu erlangen war ; vom 11. Abends an verstattete man den Oesterreichern und Sachsen, Nachlese zu halten. Alle Vorräthe des Zeughauses , der Pulvermühlen und Gieszhäuser wurden vernichtet oder in die Spree geworfen ; die Russen plünderten
von 1756 bis 1763.
251
das Schloss in Charlottenburg und verwüsteten dessen Umgebung. Die Oesterreichischen und Sächsischen Truppen , welche
Potsdam
besetzt hatten, schrieben eine Contribution von 60,000 Thalern aus, führten aber, laut der von Zezschwitz ausdrücklich ertheilten Versicherung , aus dem Königlichen Schlosse nur militairisches Eigenthum fort *) .
Mit den Berliner Cadetten verfuhren die Russen ganz
nach dem Beispiele, welches Friedrich in Sachsen gegeben hatte, indem sie alle kriegstüchtigen in ihre Regimenter steckten. Der beste Gewinn, welcher den Sachsen zufiel, bestand in der Befreiung einer groszen Anzahl Gefangener. Mittlerweile hatte der Herzog von Zweibrücken mit der Reichsarmee Wittenberg eingeschlossen .
Befürchtend , die schwachen Ab-
theilungen von Hülsen, Stutterheim und dem Prinzen von Württemberg könnten die Belagerung stören, rief er Lascy herbei , der den 12. bis Trebbin, den 13. bis Jüterbogk zurückging und den 14. October in ein Lager zwischen Zahna und Wittenberg rückte .
Der Com-
mandant dieses Platzes , Generalmajor Salomon , capitulirte am 14. October, und abermals wurde hier eine ansehnliche Zahl Sächsischer Gefangener befreit. Die Ulanen fanden am 15. October Gelegenheit ,
den Obersten
Pallasti , welcher in Belzig von der Avantgarde des Prinzen von Württemberg überfallen worden war, aus einer sehr bedrängten Lage zu befreien.
Am folgenden Tage trat Lascy seinen Marsch zu der
bei Hoyerswerda stehenden Daun'schen Hauptarmee an, blieb jedoch vom 17. bis 21. October bei Prettin und rückte dann in einen Bivouak zwischen Zwethau und Zschockau.
Die Hauptarmee überschritt am
24. October die Elbe bei Torgau und bezog ein Lager bei Dommitzsch ; Lascy folgte erst den 28. auf das linke Ufer und stellte sich zwischen Zinna und Groszwig auf. nach Eilenburg marschirt war,
Daun, der den 27. October
nahm am 29. den Platz Lascy's ein
und schob diesen nach Mockrehna an der Strasze von Torgau nach Eilenburg vor. Leider sind die Berichte, welche die uns vorliegende officielle Correspondenz über die Schlacht bei Torgau enthält, überaus dürftig. Es ist dies um so bedauerlicher, als die daraus entstehenden Lücken unserer Darstellung sich in Bezug auf die Sächsischen Regimenter
*) Die gegentheiligen Beschuldigungen, welche von Archenholz und anderen Geschichtsschreibern wider die Oesterreicher und Sachsen erhoben werden, finden ihre Widerlegung in der " Geschichte des siebenjährigen Krieges, bearbeitet von den Offizieren des groszen Generalstabes" , Th . IV, S. 162.
252
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
nicht durch andere Quellen ergänzen lassen.
Erklärlich wird das
Schweigen der Berichterstatter wohl mehr durch die Unthätigkeit, zu der die Sachsen in der Schlacht verurtheilt waren, als durch die derselben folgende Unordnung und Bestürzung des Rückzuges ; denn wenn auch die ersten Tage desselben in angestrengter Thätigkeit verstrichen und wenig Zeit zum Schreiben lieszen , so war doch die Verfolgung keineswegs eine sehr hitzige ; auch erreichte man, wie wir sehen werden, verhältnissmäszig bald einen Zustand der Ruhe, in welchem die Ergänzung der ersten flüchtigen Meldungen über die Theilnahme der Regimenter an der wichtigen Schlacht des 3. Novembers um so eher hätte erfolgen können, als während der langen Dauer dieser Erholungszeit die Aufmerksamkeit wenig von anderen Ereignissen in Anspruch genommen wurde. Lascy war am 2. November bei Mockrehna frühzeitig angegriffen worden und trat Vormittags 10 Uhr, wie es scheint nicht ohne Verluste, den Rückzug auf Torgau an, wo er auf dem linken Flügel der Hauptarmee zwischen der Stadt und dem groszen Teiche den Bivouak bezog.
Am Morgen des 3. Novembers rückte das Lascy'sche Corps
in eine Stellung , deren linker Flügel sich an die Nordseite
des
groszen Teiches , der rechte an die Leipziger Strasze und das auf den Süptitzer Höhen in Schlachtordnung aufmarschirte Gros der Daun'schen Armee lehnte.
Die Sächsischen Regimenter standen auf
dem linken Flügel Lascy's , welcher durch den groszen Teich und eine östlich an denselben sich anschlieszende Kette kleinerer Teiche gegen eine Umgehung geschützt war ; die Front deckte der längs derselben hinlaufende Röhrgraben, der aber freilich auch die Offensive sehr behinderte. Das Regiment Prinz Carl war zur Beobachtung der gegen Schilda und Oschatz führenden Wege links vorwärts auseinandergezogen ; zwei Escadrons desselben unter dem Obersten Benkendorf standen in Beckwitz . Bei der Annäherung Zieten's von Mockrehna her mit 21 Bataillonen und 54 Escadrons zog sich das Regiment Carl auf die Stellung Lascy's zurück.
Da wo die Torgau - Eilenburger Strasze
von dem Schilda-Dommitzscher Wege (der sogenannten Butterstrasze) gekreuzt wird , stiesz Zieten um 1 Uhr Mittags auf einen Oesterreichischen Posten , zwei Bataillone Warasdiner. Der Widerstand derselben nöthigte den Feind, zu beiden Seiten der Leipziger Strasze aufzumarschiren, worauf jene mit Verlust von zwei Geschützen den Rückzug antreten mussten.
Zur Aufnahme der Warasdiner liesz
Lascy seine gesammte Cavallerie über den Röhrgraben und Entenfang vorgehen und dem Waldrande gegenüber in eine Linie auf-
von 1756 bis 1763.
253
marschiren, während er seine Infanterie mehr rechts an das Gros der Hauptarmee heranrückte.
Die Cavallerie Lascy's scheint in dieser Stellung keine Gelegenheit zum Angriffe gefunden, wohl aber stark durch das Feuer der ihr gegenüber aufmarschirten Preuszischen
Batterien
gelitten
zu
haben, denn Zezschwitz sagt in seinem Berichte : „ Mit was für Contenance diese Cavallerie das heftige Feuer ausgehalten, und wie sehr dadurch die linke Flanke der Armee sichergestellt worden, solches überlasse ich Anderen zu sagen, weil es die meinige ist. “ Noch bevor es der Cavallerie Zieten's gelang, den beabsichtigten Angriff auf den linken Flügel der Lascy'schen auszuführen, ging die letztere wieder über den Röhrgraben in ihre vorige Stellung zurück, und der ganze Preuszische rechte Flügel bewerkstelligte nun, vollends aus dem Walde debouchirend und sich rechts an den groszen Teich anlehnend , seinen Aufmarsch.
Von beiden Seiten war hier in An-
betracht der taktischen Verhältnisse und der Eigenthümlichkeit des Geländes wenig weiter zu thun ; die Versuche, welche Lascy mit der Cavallerie seines rechten Flügels machte, in die linke Seite des Zieten'schen Corps einzudringen, führten zu keinem Erfolge.
Als aber gegen Abend das Feuer in der Mitte der Preuszischen Front
schwächer zu werden begann, gab Zieten den Vorstellungen seiner Generale nach und liesz das Corps treffenweise nach links abmarschiren, um sich zur Unterstützung des Königs näher an denselben heranzuziehen . Die Nachrichten, welche um 5 Uhr Nachmittags von der Mitte und dem rechten Flügel der Oesterreicher bei Lascy eingingen, lauteten so günstig und stellten den Gewinn der Schlacht in so sichere Aussicht , dass der General von Zezschwitz es für angezeigt hielt, bereits jetzt den Hauptmann von Dieskau als Courier mit der Siegesbotschaft an den Kurprinzen nach München abzusenden. Das Geschützfeuer, welches um 2 Uhr Nachmittags begonnen und mit seltener Heftigkeit bis gegen 9 Uhr Abends angehalten hatte, verstummte endlich , und bis Mitternacht hatte man bei den Sachsen noch keine Ahnung von dem Verluste der Schlacht.
Benkendorf,
welcher die Ereignisse des 3. Novembers in seinen Aufzeichnungen nur kurz erwähnt, behauptet, dass, als er mit Lascy am 4. nach Tagesanbruch vom Bivouak, den man noch vor der Linie, in der die Regimenter in der Schlacht gestanden, bezogen gehabt habe, nach der Wahlstatt zu geritten sei, sie auf derselben nur 10 bis 12 feindliche Husaren hätten gewahren können. Und doch war seitens der Kaiserlichen Armee der Rückzug über die Elbe schon seit Mitternacht in Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII. 17
254
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
vollem Gange, und da die Preuszen erst in den späteren Vormittagsstunden zum vollen Bewusstsein des erkämpften Sieges gelangten, so fand Daun hinreichende Zeit , sein Heer noch in leidlicher Ordnung auf das rechte Elb-Ufer in Sicherheit zu bringen.
Nur das
Lascy'sche Corps folgte nicht mit über den Fluss nach , sondern blieb diesseits desselben und führte seinen Rückzug in der Richtung Strehla, Riesa, Schieritz und Pennerich aus . Die Armee des Königs befand sich selbst am zweiten Tage nach der Schlacht , den 5. November, noch nicht in der Verfassung , um die Früchte ihres Sieges durch die Verfolgung des geschlagenen Gegners auszubeuten. Ueber die Verluste des Sächsischen Corps, welche, da dasselbe zum Nahkampfe nicht gelangt war und blos durch das Artilleriefeuer gelitten hatte , kaum sehr bedeutend gewesen sein können, findet sich in den Berichten nirgends eine Angabe ; die Statistik war damals noch eine ganz vernachlässigte Wissenschaft , und Zahlenaufstellungen konnten nur so lange einen Anspruch auf Beachtung erheben ,
als es sich um Fragen des nächstliegenden materiellen
Interesses oder um Täuschung des Gegners handelte. Die Oesterreichische Hauptarmee bezog am 8. November das Lager hinter dem Plauenschen Grunde bei Dresden ; die Sächsischen Regimenter trennten sich hier von derselben und stieszen zum Corps des Generals Macquire , welches , 14 Bataillone und 19 Escadrons stark, bisher die Besatzung Dresdens gebildet hatte und nun nach Dippoldiswalda und Umgegend abrückte.
Die Preuszische Armee
lagerte sich der Oesterreichischen dicht gegenüber auf der Nordseite des Plauenschen Grundes ; man war bei der letzteren noch immer in der Besorgniss vor einem Angriffe , und die Sächsischen Regimenter mussten in Erwartung eines solchen am 15. November noch einmal zur Unterstützung der Hauptarmee bis Rabenau vorgehen. Erst vom 21. December an wagte man, in Folge eines mehrere Tage vorher mit den Preuszen geschlossenen Vertrages, sich zwischen Elbe und Weiszeritz etwas weitläufiger zu vertheilen ; die Sachsen blieben in der Gegend von Dippoldiswalda ; General von Zezschwitz hatte sein Stabsquartier in Liebstadt. Der Feldzug des Jahres 1760 hatte den Hoffnungen des Sächsi- * schen Reitercorps eine leider nur
zu schnell vorübergehende Er-
füllung und ihrem hartbedrängten Heimathlande für einen Augenblick die ersehnte Freiheit gebracht ; die verhängnissvollen Folgen der Schlacht bei Torgau gaben Sachsen bis auf dessen Hauptstadt und den südlich von dieser gelegenen schmalen Grenzbezirk aufs
von 1756 bis 1763.
255
Neue dem siegreichen Gegner preis. Auch das Erzgebirge, welches in der ersten Hälfte des Novembers noch von der Reichsarmee besetzt war, musste den Preuszen wieder überlassen werden.
Den
21. November räumte Haddik, der an der Stelle des Herzogs von Zweibrücken commandirte, Chemnitz, den 23. Zwickau ; dann gab die Reichsarmee auch das Voigtland auf und zog sich hinter die Saale zurück, wo sie den Winter verbrachte. hatte den Haupttheil
Der König Friedrich
seines Heeres hinter die Triebsche zurück-
gezogen und hier in weitläufige Quartiere vertheilt ; sein Hauptquartier befand sich in Naustadt bei Meiszen. VI. Auf beiden Seiten empfand man dringend das Bedürfniss der Ruhe und störte sich daher in den Winterquartieren wenig ; auch fühlte Friedrich ,
da er sich wieder im Besitze der für ihn nie ver-
siechenden Hülfsquellen von fast ganz Sachsen befand , keine Veranlassung, die Feindseligkeiten allzufrüh wieder zu beginnen.
Den
Oesterreichern war vollends jeder Rest von Unternehmungsgeist geschwunden ; sie hatten nur noch die stricteste Defensive im Auge, und der Feldzug des Jahres 1761 gestaltete sich daher auf dem Sächsischen Kriegstheater zu dem thatenlosesten aller bisherigen. Der Generallieutenant von Zezschwitz war im Winter zur besseren Betreibung der leidigen finanziellen Angelegenheiten wieder in Wien gewesen ; auf der Rückreise wurde er am 8. März 1761 , als er eben in Prag über die Moldau-Brücke fuhr, von einem tödtlichen Schlaganfalle betroffen.
Zum Nachfolger desselben im Commando des
Sächsischen Corps ernannte der König August , unter gleichzeitiger Beförderung desselben zum Generallieutenant, den bisherigen Commandeur des Regiments Brühl, Generalmajor von Gösznitz . Man benutzte diesen Commandowechsel in Warschau zu einigen Veränderungen beim Corps , welche bisher nur aus Rücksicht auf Zezschwitz , eine bei Hofe sehr in Gnaden stehende Persönlichkeit, unterblieben waren. Zunächst wurde Oesterreichischer Seits zwar, aber auf Wunsch des Sächsischen Cabinets , die Stelle eines Commandeurs der Cavallerie des Macquire'schen Corps geschaffen und dem Prinzen Albrecht von Sachsen übertragen.
Da nun aber die gesammte Reiterei
des gedachten Corps auszer den Sächsisch-Polnischen Regimentern nur noch aus einem einzigen Oesterreichischen, dem Dragoner- Regimente Zweibrücken, bestand , so beschränkte sich die neue Maaszregel auf wenig
mehr,
als darauf,
dass dem Generallieutenant 17 *
256 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde von Gösznitz noch ein unmittelbarer Vorgesetzter ernannt wurde. Der junge Prinz , der übrigens sehr bald darauf von der Kaiserin das Commando eines selbstständigen Oesterreichischen Corps übertragen erhielt, scheint übrigens seine Anstellung mehr im Sinne eines Ehrenamtes aufgefasst zu haben, da, so weit sich aus den schriftlichen Berichten Gösznitz's schlieszen lässt, diesem alle Dienstbefugnisse seines Vorgängers ungeschmälert überlassen blieben. Eine andere Maaszregel ,
welche unmittelbar aus dem Cabinete
Brühl's hervorging , hatte die wohlgemeinte Absicht , in das bereits zu Eingang dieses Aufsatzes besprochene, beim Corps sich immer mehr und mehr zur Ungebühr gestaltende Beförderungswesen wieder einige Ordnung zu bringen .
Unter dem 22. April wurde nämlich
dem General Gösznitz die Weisung ertheilt , künftig keinen Offizier mehr zu einer Rangerhöhung vorzutragen, für welche die bezügliche Stelle im Etat der Truppe nicht zur Erledigung gekommen sei .
Bei
dem Garde- Carabiniers- Regimente war es damals allerdings , hauptsächlich aus Rücksicht für Zezschwitz , dem früheren Commandeur dieses Regiments, bereits dahin gekommen, dass sämmtliche bestandsmäszige Rittmeister nicht nur den Charakter als Stabsoffiziere besaszen, sondern dass sich unter denselben, die Stabsrittmeister, welche noch keine eigenen Compagnien hatten, eingerechnet, nur noch ein einziger Major befand , während die übrigen Oberstlieutenants und Obersten waren. In diesem Verhältnisse ging es natürlich durch alle Offiziersgrade weiter ;
einige Premierlieutenants hatten Majors-
patente, und Cornets mit Lieutenantsrang waren in Vortrag zu Rittmeistern gebracht worden.
Die gegen diesen Missbrauch gerichtete Verordnung Brühl's zeugt, wie so Manches, was im Detail von dem bei aller Frivolität die vielseitigste Thätigkeit entfaltenden Staatsmanne ausging, von richtiger Beurtheilung der Verhältnisse und einer gewissen verständigen Fürsorge *), es war aber ein Fluch seines Systems, oder vielmehr seiner Systemlosigkeit ,
dass gerade die guten Maaszregeln die geringste Beachtung fanden, ein Schicksal, welches auch dieser wohlgemeinten Ordnung des Beförderungswesens zu Theil geworden zu sein scheint. Die erst seit Jahresfrist eingeführte Formation der Ulanenpulks zu acht Fahnen und vier Escadrons mag wohl den alten Gewohn-
*) Der Verfasser, den man gewiss der Voreingenommenheit für Brühl nicht beschuldigen kann, verweist in dieser Beziehung auf das Urtheil, welches von Eelking , der Herausgeber der „,Correspondenz des Grafen von Brühl mit dem Generallieutenant von Riedesel", auf S. 422 fällt.
von 1756 bis 1763.
257
heiten der Truppe nicht ganz entsprochen haben, denn ohne dass die Pulks sich in ihrem Bestande von 600 Mann herabgemindert zeigten, wurden dieselben im Laufe des Winters von 1760 zu 1761 wieder auf sechs Fahnen gebracht.
Der Standesausweis des ge-
sammten Sächsischen Corps führt unter den Waffen 3955 Mann mit 3796 Pferden auf; auszerdem befinden sich laut desselben auswärts commandirt *) : 376 Mann 313 Pferde , beurlaubt : 31 Mann,
krank : 150 Mann 140 Pferde, in Preuszischer Gefangenschaft : 13 Offiziere. Von Mitte März an wurden bei den Oesterreichern wieder engere Quartiere bezogen ; den 26. März langte der Feldmarschall Daun bei der Armee in Sachsen an , in deren Stellung sich während des Winters nichts Wesentliches verändert hatte. Das Lager bei Boxdorf war befestigt , General Beck mit einem Corps leichter Truppen rechts gegen die Lausitz hin vorgeschoben. Die Preuszischen Vorposten hielten die Linie Freiberg, Nossen, Meiszen besetzt. Von den Chevauxlegers - Regimentern befanden sich 400 commandirte Pferde nebst den beiden Ulanenpulks bei den Vorposten des Generalmajors von Zedtwitz. Am 4. Mai wurde Freiberg , nachdem diese
Stadt von den
Preuszen freiwillig geräumt worden war, von den Oesterreichischen Vorposten besetzt , aber schon wenige Tage darauf , den 8. Mai, rtickte der Feind mit 19 Escadrons und 4 Freibataillonen wieder vor, bemächtigte sich der Stadt von Neuem und drängte die Truppen des Generals Zedtwitz bis Hilbersdorf zurück .
Freiberg wurde zwar
von den Preuszen nicht behauptet und blieb einige Zeit von beiden Theilen unbesetzt, das Gefecht vom 8. Mai hatte jedoch den Sachsen verhältnissmäszig starke Verluste
beim Pulk Schiebell 4 Offiziere,
29 Mann und 43 Pferde, beim Chevauxlegers -Detachement 16 Mann und 23 Pferde an Todten, Verwundeten und Vermissten - zugefügt. Der Feldzeugmeister Macquire liesz nun vom 10. Mai an seine Infanterie ein Lager bei Dippoldiswalda beziehen, während die Ca-
*) Die auffallend grosze Zahl auswärts Commandirter erklärt sich am natürlichsten aus der derselben wenigstens annähernd entsprechenden Abgabe der Chevauxlegers -Regimenter an den General Zedtwitz , von der wir sogleich sprechen werden. Andererseits scheinen aber auch beim Abmarsche der Sachsen aus Böhmen im December 1759 starke Commando's dort zurückgeblieben zu sein ; denn es wird ausdrücklich erwähnt , dass mit dem am 19. Mai 1761 aus Böhmen bei der Hauptarmee eintreffenden Corps des Generals Guasco 150 Sächsische Chevauxlegers mit bei ihrer Truppe angelangt seien.
258 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde vallerie in ihren engen Cantonnements blieb.
Die Vorposten unter
dem Generalmajor von Zedtwitz- Dragoner-Regiment Zweibrücken, -der Ulanenpulk Schiebell und 700 Kroaten hatte die Bobritzschlinie besetzt, ein starker Rückhalt unter dem Generalmajor Brentano - Infanterie-Regiment Pallavicini, der Pulk Rudnicki und 900 KreuzWarasdiner stand bei Berreuth. In der zweiten Hälfte des Mai wurde jedoch Macquire mit der Infanterie seines Corps in die vordere Linie der bei Dresden stehenden Hauptarmee vorgezogen ; das Commando über die bei Dippoldiswalda verbleibende Cavallerie übernahm der General Haddik ;
es beharrte jedoch hier, wie bei der
Hauptarmee *) , bis auf die Neckereien der Vorposten , Alles in der bisherigen Unthätigkeit. Den 7. Juli gingen mit dem Regimente Zweibrücken 300 Chevauxlegers, Commandirte der drei Regimenter unter dem Rittmeister von Kracht, über Stolpen und Putzkau nach der Oberlausitz ab, wo dieselben in folgender Weise vertheilt wurden : 1 Offizier und 100 Pferde nach Bautzen und Hoyerswerda , 1
Offizier und 30 Pferde
nach Löbau, 1 Offizier und 50 Pferde nach Friedland, 1 Offizier und 45 Pferde nach Reichenbach, 1 Offizier und 50 Pferde nach Nickern und 1 Unteroffizier und 10 Pferde nach Deutsch- Ossig. Um diese Zeit erfolgte auch die Versetzung des Obersten von Rudnicki in den Ruhestand mit Generalmajorscharakter ; den Abgang dieses verdienstvollen
der durch
Offiziers erledigte Ulanenpulk
wurde dem bisherigen Rittmeister Bielak unter Ernennung desselben zum Obersten übertragen.
Zögernd und schwerfällig, wie immer, war die Reichsarmee bis Mitte Juli durch das Voigtland wieder bis in die Gegend von Zwickau vorgegangen ; in der zweiten Hälfte des Monats besetzte sie noch das Schönburgische und das Altenburgische.
Zwischen derselben
und dem Haddik'schen Corps hindurch streiften aber trotzdem die Preuszischen Husaren noch über das Erzgebirge nach Böhmen hinein, und , um dies zu verhindern, musste von dem Letzteren Anfangs August der Generalmajor von Zedtwitz mit einer Abtheilung , der auch das Regiment Prinz Carl beigegeben war, nach Marienberg und Annaberg vorgetrieben werden ; es kehrte dieselbe jedoch den *) Wie man sich bei derselben alle Gesetze des Krieges in der stumpfesten Passivität nur vom Gegner vorschreiben liesz , wird in dem officiösen Berichte eines im Daun'schen Hauptquartiere commandirten Sächsischen Subalternoffiziers unter dem 6. Juli sehr charakteristisch mit den Worten ausgedrückt : „ Der Abgang des Feindes wird sehr gewünscht , denn eher thut man nichts ; wenn er aber läuft, geht man sacht hinterdrein."
von 1756 bis 1763.
259
13. August , ohne mit dem Feinde zusammengetroffen zu sein, wieder zurück. Eine abermalige Entsendung des Generals Zedtwitz mit einem etwas stärkeren Detachement dem Regimente Prinz Carl , dem Ulanenpulk Schiebell, 2 Bataillonen Kroaten, 150 Husaren und 200 Mann Deutsche Infanterie, in Summa 2900 Mann mit 2 Geschützen fand den 5. September zunächst in die Gegend von Augustusburg statt ,
von wo Zedtwitz suchen sollte, in den Rücken des Prinzen
Heinrich zu gelangen, welcher mit 12,000 Mann von Leipzig gegen die Reichsarmee vorrückte .
Schiebell erreichte mit der Avantgarde
am 5. September Penig, musste jedoch, da der Vormarsch des Gros ins Stocken gerathen war, wieder bis Chemnitz zurück, wohin jenes am 13. noch nicht nachgefolgt war.
Auf die Nachricht , der Prinz
Heinrich habe Verstärkungen erhalten, war nämlich Zedtwitz stehen geblieben, um sich noch das Regiment Albrecht nachsenden zu lassen. Aber noch bevor dieses abgehen konnte, erfolgte Gegenbefehl, da der Prinz Heinrich wieder seinen Rückzug nach Leipzig angetreten und in Folge dessen Zedtwitz's Auftrag sich erledigt hatte. Letzterer, der bei diesem völlig verunglückten Unternehmen den Nachweis lieferte, dass ihm alle zu einem solchen erforderlichen moralischen Eigenschaften fehlten, bezog daher am 17. September wieder seine Vorpostenstellung an der Bobritzsch. Erst als am 6. October das Haddik'sche Corps eine Verstärkung von vier Infanterie- und zwei Cavallerie- Regimentern erhalten hatte, wurde ein Stück weiter nach Westen gerückt ; die Vorposten überschritten die Freiberger Mulde,
den 14. aber bezog die Infanterie
ein Lager bei Hilbersdorf und General Zedtwitz besetzte am folgenden Tage von Neuem Freiberg.
Man legte nun eine aus sieben
einzelnen Schanzen bestehende Befestigungslinie zwischen der Stadt und dem tiefeingeschnittenen Mulden-Thale, ungefähr in der Richtung der jetzt nach Halsbrücke führenden Chaussée an, so dass Tuttendorf hinter die Mitte dieser Vertheidigungsfront zu liegen kam ; der Nonnenwald vor derselben ward von Zedtwitz's Kroaten besetzt. Die Infanterie des Haddik'schen Corps schlug den 18. ihr Lager vor den Thoren Freiberg's auf; das Hauptquartier befand sich in der Stadt , die Cavallerie cantonnirte in den nächsten Dörfern, wohin wegen des anhaltenden Regenwetters schon vom nächsten Tage an auch die Infanterie verlegt wurde. Es lag den Oesterreichern viel daran, sich vor dem Eintritte des Winters noch des ganzen Bereiches auf dem linken Ufer der Freiberger Mulde zu versichern, und der General von Zedtwitz er-
260
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
hielt daher den Auftrag , den Feind aus Döbeln zu vertreiben, von wo er beständig Streifpatrouillen entsendete. Das Corps des Generals wurde durch den Ulanenpulk Schiebell und 300 Commandirte der Chevauxlegers - Regimenter verstärkt und rückte den 12. October bis Etzdorf bei Rosswein vor, erschien aber erst den 14. vor dem nur eine starke Meile von Etzdorf entfernten Döbeln.
Der General von
Gösznitz war inzwischen mit den drei Chevauxlegers- Regimentern bis Littdorf gefolgt ; das Regiment Carabiniers-Garde und das Oesterreichische Regiment Brettlach hatten sich weiter rückwärts bei Arnsdorf aufgestellt.
Die geringe Besatzung von Döbeln zog sich bei
der Annäherung Zedtwitz's zwar zurück , erhielt jedoch Verstärkungen, gegen welche Jener die Stadt nicht zu behaupten wagte.
Beide
Theile blieben die Nacht hindurch, durch die zwischen steilen Thalrändern flieszende Mulde getrennt , auf den Höhen über derselben einander gegenüber stehen.
Eine Oesterreichische Abtheilung unter
dem Obersten Török war gegen Schweta und Technitz gerichtet worden, hatte eine schwache Preuszische Besatzung aus Leisnig vertrieben und streifte bis in die Gegend von Mügeln und Wermsdorf. Am Morgen des 15. Octobers begann mit Tagesanbruch eine heftige Kanonade über das Mulde - Thal hinweg ,
bei welcher die
Sächsischen Regimenter einige 30 Mann und 40 Pferde einbüszten ; endlich aber traten die Preuszen doch den Rückzug an und überlieszen Döbeln den Oesterreichern, welche die gewonnene Stellung durch Anlage von gedeckten Batterien auf den Höhen des linken Mulde - Ufers bei Ebersbach , auf dem Steinberge und beim Rothen Vorwerke sicherten. Auch der Ulanenpulk Bielak, der bisher zwischen Rosswein und Nossen in der rechten Flanke aufgestellt gewesen war, wurde den 20. nach Heida herangezogen ; Streifparteien gingen bis Rochlitz, Colditz und Grimma. Aber die frühzeitig eintretende strenge Kälte machte weiteren Unternehmungen ein Ende, und die Oesterreichische Generalität war herzlich froh , den thatenlosen Feldzug hier wenigstens mit einem bescheidenen Theilerfolge abschlieszen zu können . Nur Gösznitz bricht in seinem Berichte vom 29. November in die berechtigte Klage aus , es würde doch weit mehr zu erlangen gewesen sein,
17 wenn
das Lascy'sche Corps und die Hauptarmee sich daran hätten betheiligen wollen ". Der Verpflegungsbereich in dem armen, ausgesogenen Sachsen hatte sich indessen doch für den Winter von 1761 zu 1762 um ein Weniges erweitert ; die Sächsischen Regimenter konnten endlich einmal ihre Erholungsquartiere in bessere Gegenden verlegen und ein
von 1756 bis 1763.
261
Cantonnement zwischen Penig und Mittweida beziehen.
Das Haupt-
quartier des Generals von Gösznitz befand sich erst in Chemnitz , später in Penig.
VII. Wenn die letzten Feldzüge des siebenjährigen Krieges den Eindruck machen, als ob nach langem Ringen beiden Theilen der Athem ausgegangen sei und hier wie dort die äuszerste Erschöpfung alle weitere Thatkraft gelähmt habe, so bestand dabei doch der wesentliche Unterschied , dass Preuszen den Fusz , den es auf die beiden wichtigen Unterpfänder eines künftigen vortheilhaften Friedens, Schlesien und Sachsen, gesetzt hatte, beharrlich festhielt. Zu Anfange des Januars 1762 finden wir die Sächsischen Regimenter in das Altenburgische Winterquartiere hatten.
verlegt , wo die Oesterreicher ihre
Die Regimenter Garde-Carabiniers, Carl und
Albrecht, dem Corps des Generals Lobkowitz einverleibt, betheiligten sich von hier aus mit an dem Vorstosze, den Kaiserliche und Reichstruppen vereinigt am 9. Februar gegen das von den Preuszen besetzte Pegau unternahmen.
Hierzu waren der General Veczay von
Naumburg , der General Lobkowitz von Altenburg aus vorgerückt ; der überraschte Feind wurde bei Audigast und Groitzsch mit Verlust von 300 Mann, die zu seinen besten Truppen gehörten, geworfen und musste sich, bis zum Einbruche der Dunkelheit lebhaft verfolgt, auf Leipzig zurückziehen. Für den in Schlesien abwesenden Daun übernahm in Sachsen der Feldmarschall Serbelloni Mitte April den Oberbefehl über die vereinigte Kaiserliche und Reichsarmee.
Als am 12. Mai der Prinz
Heinrich hier den Feldzug mit seinem Mulde-Uebergange bei Döbeln eröffnete, befanden sich die Sächsischen Regimenter wieder bei Freiberg, wo der Feldzeugmeister Macquire noch in seinem im Herbste 1761 befestigten Lager stand.
Aber die Vorposten an der Mulde
wurden so schnell überwältigt *) und Prinz Heinrich drängte mit seiner Avantgarde so energisch nach , dass die Oesterreicher in der Nacht zum 14. Mai aus ihrem Lager schleunigst aufbrachen und sich in die Berge von Dippoldiswalda, ihre wohlbekannte Zufluchtsstätte , zurückzuziehen für gut befanden.
Das Regiment Prinz Al-
brecht hatte nebst dem Oesterreichischen Cürassier-Regimente Deville am 13. bei Arnsdorf durch einen Ueberfall nicht unbeträchtlichen Verlust erlitten.
*) General Zedtwitz wurde auf dem Rückzuge bei Greifendorf mit 44 Offizieren und 1400 Mann gefangen.
262
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde Aber auch bei Dippoldiswalda hielt sich der Oesterreichische
General vor einem Angriffe nicht gesichert und erwartete solchen für den 17. Mai.
einen
In einem Tagesbefehle ermahnte er die
Sachsen, die Stellung mit der gröszten Tapferkeit zu vertheidigen, da von der Behauptung derselben auch die des den Preuszen bisher entrissenen Theiles von Sachsen, ja sogar die Sicherheit Böhmens und der übrigen Oesterreichischen Erblande abhänge ; ein Rückzug könne daher zu einem sehr ungünstigen Friedensschlusse Veranlassung geben.
Der gefürchtete Angriff erfolgte übrigens nicht ; man blieb
sich im Gegentheile wieder lange unthätig gegenüber stehen. Den Preuszischen Obersten von Kleist ermuthigte der Mangel allen Unternehmungsgeistes auf Seiten der Oesterreicher, sich dicht vor deren Vorpostenlinie in Reichstädt aufzustellen.
Das war doch
selbst einem Serbelloni zu stark, und er gab Befehl , diesen vorgeschobenen Posten zu überfallen. Den 1. Juni früh 1 Uhr rückten daber Macquire mit seinem Corps von Dippoldiswalda , der General Buttlar aber von Ruppendorf her gegen Reichstädt vor.
Dem Ober-
sten Kleist gelang es zwar, sich mit dem Haupttheile seines Detachements noch rechtzeitig zurückzuziehen, er liesz jedoch 11 Offiziere, 300 Mann und 2 Geschütze in den Händen der Oesterreicher zurück, deren Verlust an Todten und Verwundeten gegen 100 Mann betrug. Unter den ersteren Sulkiewitz .
befand sich
der Ulanen - Lieutenant
Hiermit glaubte Serbelloni aber Alles gethan zu haben,
was
man von ihm unter den obwaltenden Umständen zu fordern berechtigt sei , und verfiel wieder in die alte Unthätigkeit. Gösznitz ergeht sich über die Schlaffheit der Kriegführung, zu der nach seiner Ansicht die Kaiserlichen, als die Stärkeren, viel weniger Grund hatten, als die Preuszen , und deren Schuld er durchaus nicht Macquire, sondern der höheren Leitung beigemessen haben will , in bitteren Klagen gegen Flemming.
Die versteckte Anschuldigung, welche in
den Schlussworten eines dieser Berichte lag :
"Genug , die Grenzen
der Kaiserl. Königl . Erblande sind vollkommen gesichert , so dass der Feind dieselben wohl nicht leicht beunruhigen wird , " verstand der Sächsische Gesandte in Wien recht wohl. Er schrieb zurück, er begreife die Saumseligkeit des Feldmarschalls nicht, der, so viel ihm bekannt sei , die bestimmteste Weisung habe, die Feindseligkeiten unverweilt zu beginnen. Gösznitz solle sich ohne jeden Rückhalt darüber aussprechen , ob er glaube, dass die Oesterreichische Armee sich in der Lage befinde , etwas Ernstes zu unternehmen und,
von 1756 bis 1763.
263
wenn dies der Fall sei , auf die Gründe näher eingehen , warum nichts geschehe . Wirklich hat es auch den Anschein, als ob Serbelloni um diese Zeit herum von Wien eine Anregung erhalten habe , sich etwas thätiger zu bezeigen ; wenigstens erging aus seinem Hauptquartiere am 24. Juni an Macquire die Weisung, das beabsichtigte Vorrücken der Hauptarmee bei Dresden durch einen Vorstosz auf Pretzschendorf und Frauenstein zu unterstützen.
Dem seiner phlegmatischen
Trägheit wegen allgemein verrufenen Serbelloni aber war es mit diesem Vorhaben durchaus nicht ernst ; selbst wenn sich , wie hier wirklich der Fall war, bei seinen Generalen einige Unternehmungswar er der Erste, dieselbe zu dämpfen und dafür zu sorgen, dass der Gang der Ereignisse ja nicht die Bahnen des alten Schlendrians verlasse .
lust zeigte,
Macquire hatte nicht so bald die Befehle des Feldmarschalls erhalten, als er die Generale seines Corps zu einem Kriegsrathe um sich versammelte, " um in reifliche Ueberlegung zu ziehen, was eigentlich gegen den Feind vorzunehmen thunlich sein möge " . Wenn mit vereinten Kräften angegriffen werde ,
erklärte der
Feldzeugmeister, so sei mit Sicherheit darauf zu rechnen , dass der Feind , "2 wo nicht totaliter geschlagen, so doch einen empfindlichen Echec erleiden werde ". Aus dem Zurückdrängen des Gegners aber erwachse der Vortheil , dass der Verpflegungsbereich erweitert und die Kaiserlichen Erblande besser geschützt würden , denn in die grosze Lücke zwischen der Oesterreichischen und der Reichsarmee gelänge es den feindlichen Streifparteien nur zu häufig , ihre Züge nach Böhmen hinein auszudehnen. Wenn nun aber die Front der Preuszischen Stellung zu stark sei , um etwas gegen dieselbe mit Wahrscheinlichkeit des Erfolges zu unternehmen, so sei dagegen der rechten Flanke über Frauenstein und Klingenberg weit leichter beizukommen, und es empfehle sich daher der Angriff auf dieselbe, während auf die Mitte des Feindes von Rothenbach bis Kunnersdorf blos demonstrativ vorgegangen werde. Alle anwesenden Generale und unter diesen auch Gösznitz und Renard pflichteten der Ansicht des Feldzeugmeisters bei, dafern nämlich gleichzeitig mit dem hier geplanten ernstlichen Flankenangriffe das Hülsen'sche Corps bei Wilsdruff mit genügenden Streitkräften beschäftigt und abgehalten würde, dem Prinzen Heinrich Unterstützung zu gewähren. Der Feldmarschall Serbelloni wurde noch am 24. Juni durch einen Courier von dem Beschlusse des Kriegsrathes in Kenntniss
264
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
gesetzt , worauf am folgenden Tage in Wendisch-Karsdorf eine gemeinschaftliche Berathung sämmtlicher Generale der
Hauptarmee
und des Macquire'schen Corps unter Serbelloni's Vorsitze abgehalten und festgesetzt wurde, dass dem Sinne des ersten Beschlusses entgegen der Angriff des Hülsen'schen Corps der ernste , der auf den Prinzen Heinrich aber der demonstrative werden solle. Macquire entwarf nun dementsprechend den 26. Juni Vormittags seine Dispositionen und wollte diese eben an den Feldmarschall nach Dresden absenden, als von diesem Mittags eine neue Anordnung eintraf, welche Alles wieder über den Haufen stiesz .
Der Scheinangriff
gegen den feindlichen rechten Flügel sollte gänzlich aufgegeben werden, wogegen Macquire die Weisung erhielt , von seinem Corps drei Infanterie-Regimenter und drei Schwadronen zum General Buttlar in Possendorf stoszen zu lassen, sonst aber von Dippoldiswalda aus den 27. Juni früh blos starke Patrouillen gegen Seyffersdorf und Borlas zu entsenden, um den Feind zu beobachten und ihm, falls er sich zurückzöge, auf dem Fusze zu folgen.
Auf Grund der mittler-
weile im Hauptquartiere Serbelloni's eingegangenen Dispositionen Macquire's fühlte man sich hier noch zu einer Erläuterung der ertheilten Bestimmungen veranlasst, welche noch Abends an den Feldzeugmeister gelangte und diesem eröffnete, dass es zwar bei den für den 27. ertheilten Weisungen sein Verbleiben haben müsse, es Macquire jedoch demohnerachtet nicht untersagt sein sollte, wenn er etwas Dienliches machen könne" .
Dem Sinne dieser Worte entsprechend glaubte Macquire es nicht blos bei Patrouillen bewenden lassen zu müssen und liesz daher den 27. Juni früh 1000 Pferde in der Richtung auf Rothenbach vorgehen, und wirklich hatten diese bereits die Preuszischen Vorposten über die Weiszeritz zurückgeworfen, als dem Feldzeugmeister abermals ein schriftlicher Befehl Serbelloni's überbracht wurde, welchem zu Folge überhaupt jedes Gefecht unterbleiben solle. Wie bisher immer war also wiederum Nichtsthun das Endergebniss dieser langen Berathungen und der vielen Befehle und Gegenbefehle !
Die Sicherung der Böhmischen Grenze gedachte man nun, ohne sich der gefahrvollen Chance einer Niederlage auszusetzen , zweckmäsziger durch ein unter dem General Pellegrini über Altenberg in die Gegend von Teplitz entsendetes Detachement von zwei Bataillonen und sieben Escadrons bewirken zu können. Von den letzteren bestanden zwei aus je 100 Sächsischen Carabiniers und 100 Chevauxlegers ; die Pferde der einen, wie der anderen, befanden sich
von 1756 bis 1763 .
265
in Folge mangelhafter Ausfütterung und beständiger Anstrengungen im Zustande völligster Entkräftung.
Pellegrini besetzte den Pass über das Erzgebirge bei Böhmisch-Einsiedel mit 300 Kroaten, welche hier einen Verhau und einige leichte Verschanzungen anlegten. was weiter rückwärts stellten sich die Chevauxlegers auf.
Et-
Am 2. Juli
wurden die Kroaten bei Tagesanbruch von dem uns schon bekannten Obersten von Kleist mit groszer Uebermacht angegriffen und nach kurzem Widerstande zum Rückzuge genöthigt. Die zur Unterstützung herbeieilenden Chevauxlegers wurden von der feindlichen Cavallerie über den Haufen geworfen, und dasselbe Schicksal widerfuhr den unglücklicherweise gerade zur Ablösung eintreffenden Carabiniers. Beide Abtheilungen wurden nahezu aufgerieben ; von den vier gefangenen Offizieren starb der Capitain von Oebschelwitz vom Regimente Albrecht nach wenigen Tagen an seinen Wunden. Der Verlust an Menschen, Pferden und Material, den bei dieser Gelegenheit das Sächsische Corps erlitt, wurde um so schmerzlicher empfunden, als ein Ersatz unter den obwaltenden Verhältnissen überaus schwierig war.
Der General von Gösznitz macht, indem er sich
über die fehlerhafte Verwendung seiner Truppen, welcher das Missgeschick derselben allein zuzuschreiben sei , beim Grafen Flemming bitter beschwert, diesem zugleich ernste Vorstellungen, wie es namentlich bei dem gänzlichen Mangel an Geld geradezu unmöglich sei, den starken Abgang an Pferden durch Neuanschaffungen zu decken, und dass das ganze Corps daher binnen kurzer Zeit zu Grunde gehen müsse ; er legt daher dem Gesandten dringend ans Herz, sich dahin zu verwenden, dass man Oesterreichischer Seits das Corps bei den Zahlungen mit den neuen Bankzetteln verschonen möge, welche im gewöhnlichen Verkehre auszerhalb des Kaiserstaates gar nicht, von den eigenen öffentlichen Cassen aber nur in beschränkter Weise angenommen würden. Wenn wir uns
bei dieser Gelegenheit einen Blick
auf die
finanziellen Maaszregeln zu werfen gestatten, deren sich im siebenjährigen Kriege beide Theile bedienten, um den selbst nach heutigen Begriffen sehr bedeutenden Bedürfnissen ihrer Heere zu entsprechen, so müssen wir wohl in Betracht ziehen, dass, wenn einerseits auch damals Vieles wohlfeiler zu beschaffen war, als heutzutage, andererseits jener Zeit die groszartigen finanziellen Operationen ,
durch
welche kriegführende Mächte in der Gegenwart, selbst in der ärgsten Bedrängniss noch unter verhältnissmäszig nicht allzu ungünstigen Bedingungen ihre Millionenbedürfnisse zu befriedigen im Stande sind, mehrentheils unbekannt waren . Dafür bedienten sie sich freilich
266
Das Sächsisch- Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
anderer Mittel , zu welchen wir uns , ihrer verderblicheren Nachwirkungen für die Volkswirthschaft wegen , nur im letzten und Friedrich II. be-
äuszersten Nothfalle zu greifen berechtigt halten.
zog von England kraft der mit diesem Staate abgeschlossenen Convention jährlich die Summe von 670,000 Pfund Sterling oder 42 Millionen Thalern , welche er mit Hülfe seiner Münzjuden und deren Münzverschlechterung allermindestens in 10 Millioneh umzuwandeln Auch die von den innerhalb des Preuszischen Machtverstand. bereiches gelegenen Theilen Sachsens unter den verschiedensten Bezeichnungen als Requisitionen , Brandschatzungen , Recrutengelder, Accise , Schutzgelder, Ritterpferde, Executionsgebühren, Strafgelder, ordentliche und auszerordentliche Kriegscontributionen, Fouragegelder u. s . w. erhobenen Zahlungen, welche sämmtlich in guter Silbermünze geleistet werden mussten, wanderten in den Schmelztiegel, aus welchem sie, durch freigebigen Zusatz unedler Metalle auf das Drei- bis Vierfache ibres angeblichen Werthes erhöht, hervorgingen. Die kupfernen Braukessel in den Sächsischen Städten waren daher in den Augen der umherstreifenden Preuszischen Husaren und Freibataillone kaum minder begehrte Gegenstände , als das Silbergeld der Kurfürstlichen Cassen, denn durch die Verbindung der beiden Metalle erlangte das eine fast denselben Werth, als das andere. Im Gegensatze zu diesem Systeme
der Münzverschlechterung
hatte Oesterreich zu der hier von jeher beliebteren Maaszregel der Papiergeldausgabe seine Zuflucht genommen ; denn die Ausprägung einer ungewöhnlich groszen Zahl von Kupfermünzen kann, da man dieses Metall kaum unter seinem Handelswerthe ausprägte und in Verkehr setzte, nicht mit jener in Vergleich gebracht werden. Dagegen waren die sogenannten Coupons , ein in überschwenglichem Maasze angefertigtes Papiergeld , trotz der für dessen Sicherheit gebotenen Gewährleistung der Böhmischen Stände, ein sehr missliches Auskunftsmittel für die geprägte Münze, dessen Werth sich nur im Inlande durch Zwangscurs nothdürftig aufrecht erhalten liesz , das aber jenseits der Staatsgrenze um so schwieriger anzubringen war, als bei der ungenügenden technischen Ausführung desselben Falsificate unter dem Schutze des Feindes in Unmassen auf den Markt gebracht wurden. Unleugbar war es seitens der Oesterreichischen Regierung eine grosze Härte, dass sie auszerhalb ihres Landes , wo der Zwangscurs ihres Papiergeldes
nicht aufrecht zu erhalten und dieses nahezu
werthlos war, den Truppen ihren Sold in diesem Münzsurrogate auszahlen liesz.
Die Capitaine, welche die Anschaffungen für ihre Com-
von 1756 bis 1763.
267
pagnien nicht bezahlen konnten und das nöthige Geld zu Wucherzinsen erborgen mussten, geriethen in drückende Schulden und Verlegenheiten, und zwar um so mehr, als sich Oesterreich auch noch mit den Zahlungen, die es auf eine für sich so bequeme Weise leistete, im hohen Grade säumig bewies , so dass das Sächsische Corps in der Mitte des Jahres an Rückständen die bedeutende Summe von 126,735 Gulden zu fordern hatte. Es kann nicht verwundern, dass die Berichte des Generals von Gösznitz an Flemming um diese Zeit eine sehr gedrückte Stimmung bekundeten. So schreibt derselbe am 19. Juli aus Heselicht : „Unsere Situation ist nicht die beste.
Der vortheilhafte Zeitpunkt , da wir
dem Feinde überlegen und unsere Truppen in einem guten Zustande waren, ist verabsäumt worden, ohne das Geringste zu unternehmen, so grosz und so gewiss auch die zu bewirkenden Vortheile waren . Nachhero hat man die Cavallerie verhungern und totaliter ruiniren und die Truppen in üble Umstände gelangen lassen.
Damit man
aber dabei doch wenigstens den Anschein eines guten Willens behaupten möchte, wurden verschiedene Projecte gemacht, und allerhand Entreprisen vorgenommen . Allein auch hierbei ist aus allen Vorkehrungen und der Art des Verfahrens gar deutlich wahrgenommen worden, dass es kein rechter Ernst gewesen .
Kurz, wir sind
allhier nunmehr in denen Umständen , dass von uns beinahe keine Denn was Dienste mehr gegen den Feind zu verlangen stehen . kann mit verhungerter Cavallerie wohl ausgerichtet werden ?
Ich
rede hier nur von unserem hiesigen Corps, denn bei der eigentlichen Armee bei Dresden befindet sich die Cavallerie unverbesserlich wohl und cantonnirt bei gutem Futter. Wir hingegen müssen bei bloszer Fouragirung oder höchstens bei kaum einer halben Portion Korn, Hafer und Gerste durcheinander die schwersten und Husarendienste gegen den Feind thun." Der Oberst von Benkendorf, welcher in Folge einer schweren Krankheit Urlaub nach Karlsbad erhalten hatte, traf Ende Juni wieder bei der Truppe ein und erhielt bald darauf, den 29. Juli ,
das
Patent als Generalmajor . Auch in Wien wurde man doch endlich des schlaffen, energielosen Serbelloni überdrüssig und ersetzte denselben in der ersten Hälfte des Septembers durch den unternehmenderen Haddik .
Die
Armee begrüszte diesen Wechsel im Obercommando mit unverhehlter Freude, und wirklich trat jetzt an die Stelle des bisherigen mattherzigen Experimentirens eine regere, planvollere Thätigkeit. Haddik stellte sich sogleich die Aufgabe, den Prinzen Heinrich,
268 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde der es einem Gegner wie Serbelloni gegenüber gewagt hatte, sein Lager schon seit längerer Zeit bis Pretzschendorf vorzuschieben, durch Bedrohung seiner rechten Flanke zum anlassen.
Rückzuge
zu
ver-
Hier hatte sich der rastlose Kleist , welcher inzwischen
zum Generalmajor befördert worden war, mit seinen leichten Truppen ganz in der Nähe der Böhmischen Grenze in Purschenstein eingenistet ; auf diesen isolirten Posten sollte der erste Angriff gerichtet werden.
Den 27. September rückten daher der Oesterreichische
General Fürst Löwenstein ,
der sich bereits am Tage vorher von
Teplitz in Marsch gesetzt hatte, sowie aus der Gegend von Altenberg der General
Campitelli gegen Purschenstein vor, vertrieben
Kleist aus diesem Orte und fügten demselben auf seinem Rückzuge ansehnliche Verluste bei. Gleichzeitig mit diesem Vorstosze war das Corps Hülsen's bei Grumbach und die ganze Front der Preuszischen Vorposten längs der wilden Weiszeritz alarmirt worden ; von Ober- Cunnersdorf, Beerwalde, Sadisdorf und Ammelsdorf rückten Oesterreichische Colonnen aller Waffen an.
Die über das letztgenannte Dorf vorgehende Co-
lonne, bei der sich die Sächsischen Regimenter befanden, wurde von dem General Gösznitz befehligt ; da man aber die Entscheidung blos von den Fortschritten des linken Flügels erwartete, scheint Gösznitz's Thätigkeit sich darauf beschränkt zu haben, dass er auf der Höhe des linken Weiszeritz-Ufers zwischen Reichenau und dem Kreuzwalde eine drohende Stellung einnahm. Ungeachtet der linke Oesterreichische Flügel, durch das schwierige, die Truppen überaus ermüdende Terrain und den umsichtigen, dem Verfolger überall in den vielen günstigen Defensivstellungen Verzögerungen bereitenden Rückzug Kleist's aufgehalten, nicht in vollem Umfange das zu erreichen vermochte, was Haddik von demselben erwartet hatte, fühlte sich der Prinz Heinrich doch durch dessen Erscheinen bei Mulda so ernstlich bedroht , dass er am 30. Juli früh sein Lager bei Pretzschendorf aufgab und sich auf Freiberg zurückzog . Der Feldmarschall-Lieutenant Luczinski blieb bei Pretzschendorf und Colmnitz ;
sonst zogen sich die Oesterreicher wieder auf die
Weiszeritz-Linie Höckendorf, Ober- Cunnersdorf, Beerwalde, Sadisdorf, Reichenau, Nassau zurück ; Buttlar nahm mit seinem Corps nördlich vom Tharandter Walde auf dem Landsberge bei Herzogswalda Stellung.
Haddik , der seine Erfolge mit verhältnissmäszig so geringen Opfern erreicht und seinen Gegner aus dessen lange behaupteter
von 1756 bis 1763.
269
Stellung vertrieben hatte, glaubte nun das begonnene Werk vollends durchführen und den Prinzen Heinrich wieder über die Mulde, die er im Mai siegreich überschritten hatte, zurückdrängen zu müssen. Im Oesterreichischen Hauptquartiere setzte man dabei sein Vertrauen auf dasselbe Manöver, dessen sich Haddik so eben mit Glück bedient hatte, indem man den Angriff wieder auf die rechte Flanke des Feindes richtete, die Ausführung desselben aber jetzt der bisher so wenig beschäftigten Reichsarmee übertrug, welche am 4. October nach Frauenstein herangezogen wurde.
Der Beginn der Operationen
ward jedoch durch ein mehrere Tage andauerndes, heftiges Regenwetter verzögert ; die unter Macquire auf der Höhe von Ober- Cunnersdorf lagernden Sächsischen Regimenter mussten in Folge desselben enge Cantonnirungsquartiere beziehen . Den 13. October rückte der General Buttlar,
zu dem auf dem
Landsberge die drei Sächsischen Chevauxlegers-Regimenter gestoszen waren, über Silbergrund gegen Falkenberg vor ; Macquire mit dem übrigen Theile seines Corps bezog zur Unterstützung Buttlar's dessen verlassene Stellung auf dem Landsberge.
Gleichzeitig hiermit wur-
den die Vorposten Hülsen's bei Seeligstadt vom General Ried angegriffen, und begann auf dem linken Osterreichischen Flügel der Prinz Stolberg mit der Reichsarmee den Vormarsch von Frauenstein über Mulda nach Helbigsdorf. Der folgende Tag war zur Ausführung des von Haddik entworfenen Angriffsplanes bestimmt.
General Buttlar liesz das von
den Preuszen hartnäckig vertheidigte Conradsdorf durch Freiwillige stürmen, fand aber die Mulde-Brücke jenseits des Dorfes abgebrochen und den diesseitigen schroffen Thalabhang von feindlichen Jägern stark besetzt , welche durch abgesessene Chevauxlegers unter der Führung des Lieutenants von Rex vom Regimente Albrecht vertrieben werden mussten, so dass man sich erst Abends im Besitze des rechten Mulde - Ufers befand .
Macquire war dieser Vorwärts-
bewegung bis auf die Höhe von Nieder- Schöna gefolgt. Auf dem linken Flügel machte die Reichsarmee den 14. und 15. October gute Fortschritte , indem hier der Prinz Stolberg den Feind immer weiter gegen Freiberg zurückdrängte und den 15. Nachmittags 3 Uhr den wohlverschanzten Kuhberg bei Brand erstürmte, wobei den Preuszen zahlreiche Gefangene nebst Geschützen und Fahnen abgenommen wurden . Weiter nach rechts hatte Luczinski sich in den Besitz von Weiszenborn und Berthelsdorf gesetzt, während Schiebell's Ulanen den Feind aus Hilbersdorf verdrängten. 18 Jahrbücher f. d . Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
270 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde Buttlar, welcher sich am 15. October Vormittags noch bei Conradsdorf über das Mulde-Thal hinweg mit den Preuszen gegenüber beschossen hatte, liesz, sobald er von den Erfolgen des linken Flügels und der Mitte Kenntniss erhalten, bald nach Mittag sein Corps den Fluss überschreiten , ohne auf dem linken Ufer jedoch viel Boden gewinnen zu können. In Folge der weiteren Fortschritte der Reichsarmee, welche bei Einbruch der Dunkelheit den Preuszischen rechten Flügel bis auf den Galgenberg zurückgedrängt hatte und bis zum Spittelwalde vorgerückt war, hielt es der Prinz Heinrich für gerathen, von 10 Uhr Nachts an den Rückzug aus Freiberg auf der Nossener Strasze anzutreten.
Ungestört ,
wenn auch mit groszer Anstrengung , wurden
die schwierigen Defiléen bei Lossnitz und Klein -Waltersdorf zurückgelegt , und am 16. October früh hatte die Preuszische Armee ihre Stellung zwischen Reichenbach und Grosz -Voigtsberg eingenommen. Das stürmische Schneewetter des 16. Octobers , welches nicht über zehn Schritte weit zu sehen erlaubte, kam dem Prinzen Heinrich , dessen Verluste in den Gefechten der letzten Tage 5000 bis 6000 Mann betragen hatten, sehr zu statten ; die Reichsarmee verfiel nach den Erfolgen, welche hier einmal der Preis ihrer rühmlichen Ausdauer gewesen waren , sofort wieder in ihre zum Spotte gewordene, gewohnheitsmäszige Langsamkeit ; erst den 19. erreichte ihr Gros Freiberg.
Auch Macquire, der am 15. Abends bereits der
feindlichen Rückzugslinie ganz nahe stand, zog sich, statt energisch in die Flanke des Prinzen Heinrich vorzugehen , wieder nach dem Landsberge zurück und liesz bei Conradsdorf nur die vier Sächsischen Regimenter stehen, damit dieselben bei einem etwaigen Angriffe zur Hand seien.
Zu einem solchen kam es aber nicht ; blos
der General Kleist wurde den 21. October aus dem Nonnenwalde vertrieben ; Prinz Heinrich setzte am folgenden Tage seinen Rückzug in eine Stellung zwischen Siebenlehn und Augustusburg fort. Man wird unserer Darstellung leicht ansehen, dass dieselbe sich bezüglich der letzten kriegerischen Ereignisse nur wenig noch auf Originalberichte stützt ; mühsam hat der Verfasser aus den zahlreich vorhandenen Werken über den siebenjährigen Krieg da und dort einige zerstreute Andeutungen über die Theilnahme der Sächsischen Regimenter zusammensuchen müssen, da derselben in der Gösznitz'schen Correspondenz
nur noch dürftige Erwähnung gethan wird .
Der Bestand des Corps, welches bereits durch die starken Verluste bei Arnsdorf und Böhmisch - Einsiedel sehr zusammengeschmolzen war und seit dem 26. September fast beständig unter freiem Himmel
von 1756 bis 1763.
271
campirte, sank von Tag zu Tage mehr herab , und die noch verwendbaren Pferde befanden sich im elendesten Zustande. Kein Wunder, dass die Leistungen des einst so trefflichen Corps keinen Vergleich mehr mit den früheren aushielten und es ein wenig erfreuliches Geschäft war, über dieselben Bericht zu erstatten, besonders für einen von schweren körperlichen Leiden heimgesuchten Mann wie Gösznitz, der sich fast bis zum letzten Athemzugeer starb den 4. Januar 1763 , also noch vor dem Friedensschlusse mit seltener Energie und Ausdauer im Sattel erhielt. Auch über die Schlacht vom 29. October, in welcher der Prinz Heinrich , mit frischer Kraft wieder gegen Freiberg zum Angriffe vorrückend , dem Prinzen von Stolberg die in den vorangegangenenGefechten mühsam errungenen Vortheile wieder entriss, sind schriftliche Meldungen über die Betheiligung des Sächsischen Corps nicht vorhanden, und man würde anzunehmen sich für berechtigt halten, dass eine solche gar nicht stattgefunden habe , wenn nicht in Berichten von anderer Seite ausdrücklich erwähnt würde, dass zwei Sächsische Regimenter, wahrscheinlich Carl und Brühl , Corps des Generals Meyer befunden hätten .
sich beim
Dieses, aus 6000 Mann
Oesterreichern bestehend, war zur Deckung des äuszersten linken Flügels der übermäszig ausgedehnten Stellung , in der der Prinz Stolberg den Angriff seines Gegners annahm, und welche sich von den Höhen zwischen Klein -Waltersdorf und Lösznitz hinter dem Spittelwalde bis gegen Erbisdorf erstreckte, letztgenanntem Dorfe aufgestellt.
auf dem Kuhberge bei
Da Meyer hier die rechte Flanke
der südlich vom Spittelwalde zum Angriffe vorgehenden Preuszischen Colonne überflügelte, so würde ein entschlossener Vorstosz desselben jene sicher in grosze Verlegenheit versetzt und möglicherweise dem unglücklichen Verlaufe der Schlacht eine andere Wendung gegeben haben .
Aber der General Meyer fühlte in sich keinen Beruf zu
selbstständigem Handeln und liesz sich von der Brigade Diringshofen, welche während des ununterbrochenen Vormarsches der Preuszischen Angriffscolonnen auf der Höhe zwischen St. Michael und dem Spittelwalde Halt machen musste, in einen nutzlosen Artilleriekampf verwickeln, bis sich die Schlacht zum Vortheile des Feindes entschieden hatte , und er dann den Rückzug auf Berthelsdorf und Weiszenborn und dann weiter auf Dippoldiswalda antrat .
Nach "9 Beust , Feldzüge der Kursächsischen Armee, IV, 248 " verloren die Sachsen bei Freiberg 1 Offizier (Lieutenant von Mandelsloh von Brühl) und 24 Mann Todte. Abermals sehen sich jetzt nach der Schlacht bei Freiberg auf 18 *
272
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
dem linken Elb-Ufer die Kaiserlichen und Reichstruppen auf die von der Weiszeritz umschlossene, dürftige und bis aufs Aeuszerste erschöpfte Gebirgsgegend beschränkt , in welcher sie auf dem Sächsischen Kriegstheater schon so lange die Thatkraft eines an Hülfsquellen ärmeren, aber rastlosen und entschlossenen Gegners wie in einem Zauberkreise gebannt hielt. Ihre Truppen drängten sich in dem engen, zum groszen Theile mit Wald bedeckten Raume in solcher Zahl zusammen, dass hier etwas Luft geschafft und einige derselben, darunter auch das Sächsische Corps , vom 1. November an nach dem rechten Elb-Ufer verlegt werden mussten.
Das Stabs-
quartier des Generalmajors von Gösznitz kam nach Fischbach bei Radeberg. Mag auch der körperliche Zustand desselben die traurige, verdüsterte Stimmung mit beeinflusst haben, welche sich in seinen letzten Berichten ausspricht, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass der Druck von Verhältnissen , wie sie hier thatsächlich vorlagen, auch eine kräftigere Natur allmälig aufgerieben haben würde.
Bei dem Mangel
an Vertrauen zu der höheren Heeresleitung, der Hoffnungslosigkeit, die sich der Gemüther nach all den langen, vergeblichen Anstrengungen bemächtigte, und dem trostlosen physischen Zustande der Truppe liesz sich von einer Fortsetzung des Krieges nur noch gesteigertes Elend für das unglückliche Sächsische Vaterland erwarten .
Eine
Herstellung der früheren Schlagfertigkeit der Truppe war bei der kläglichen Finanzlage Oesterreichs zur Unmöglichkeit geworden ; auf die seit dem Sommer jedenfalls wieder höher angewachsene Summe der Rückstände war dem Corps eine Abschlagszahlung von 47,000 Gulden in Aussicht gestellt worden ; jetzt endlich erfolgte dieselbe mit - 9000 Gulden in Bankzetteln ! Von einer Ergänzung des Pferdebestandes konnte natürlich keine Rede sein, aber auch die nothdürftige Bekleidung der in der vollsten Bedeutung des Wortes in Lumpen einhergehenden Mannschaft war nicht zu bewirken , denn die Capitaine, welche, wie alle Offiziere, ihr Gehalt in Papiergeld bezogen, waren verschuldet und vermochten bei der geringen Aussicht auf künftigen Ersatz nirgend mehr einen Vorschuss aufzutreiben, denn, wie Gösznitz versichert , hatten alle sechs Regimenter nicht mehr für sechs Groschen Credit im Lande.
Aber auch auf Preuszischer Seite war dringendes Verlangen nach Frieden vorhanden ; nachdem Friedrich II . am 6. November von seiner Armee in Schlesien in Meiszen angelangt war, kam es den 27. November in Wilsdruff zum Abschlusse eines Waffenstillstandes.
Die wilde Weiszeritz und die Triebsche bildeten auf dem
von 1756 bis 1763.
273
linken Elb-Ufer die Grenzlinie zwischen beiden Heeren ; auf dem rechten lief dieselbe von oberhalb Meiszen gegen Königsbrück , nördlich um Bautzen herum auf Reichenbach und Radmeritz . Den 16. December wurde das Stabsquartier des Generals Gösznitz von Fischbach nach Putzkau bei Bischofswerda verlegt , und hier befreite denselben der Tod von der Last seiner Leiden und Sorgen. Der General Benkendorf war sogleich nach der Schlacht bei Freiberg mit dem Oberkriegscommissar Tischer, dem unentbehrlichen Factotum, nach Wien entsendet worden, um zu versuchen, dort etwas 99herauszuplagen " .
Er erhielt, als er am 26. November daselbst
anlangte, zwar durch Flemming's Vermittelung eine Audienz bei der Kaiserin Maria Theresia, die ihn sehr gnädig empfing und sich von ihm als Augenzeugen einen mündlichen Bericht von der Schlacht bei Freiberg erstatten liesz, die geschäftlichen Angelegenheiten aber nahmen darum keinen schnelleren Verlauf, und erst nach drei Monaten erfolgte die Zahlung , bei welcher sich Sachsen noch einen Agioverlust von sieben Procent gefallen lassen musste. Als Benkendorf im März nach Sachsen zurückkehrte, fand er die Chevauxlegers-Regimenter nicht mehr im Lande ; sie waren alsbald nach dem Abschlusse des Hubertusburger Friedens, welcher am 15. Februar den langen , unheilvollen Krieg beendigt hatte, gleichzeitig mit den beiden Ulanenpulks wieder nach Polen, wahrscheinlich in die früher dort von ihnen innegehabten Quartierbezirke, abgerückt.
Aus den vorhandenen Quellen ist nicht zu erkennen, ob
der Rest der Ulanen in Polen wieder in die Dienste der Republik aufgenommen oder aufgelöst und entlassen worden ist ; die brave Truppe konnte von ihren Sächsischen Waffengefährten, mit deren Schicksalen die ihrigen so lange in Freud und Leid verknüpft waren , mit dem Bewusstsein scheiden, dass, so lange es eine Geschichte des Sächsischen Heeres giebt , die dankbare, achtungsvolle Erinnerung an die von ihnen in schwerer Zeit geleistete Hülfe und ihre glänzende Tapferkeit nie erlöschen wird. Die Verpflegung der Sächsischen Regimenter aus Oesterreichischen Cassen hörte mit dem 1. April 1763 auf.
Das Garde- Cara-
biniers -Regiment marschirte aus der Gegend von Putzkau in seine vorläufigen Friedens - Garnisonen bei Eilenburg ; seine garnison Zeitz erhielt dasselbe nicht wieder.
alte Stabs-
Da bei der Reorgani-
sation der Armee zunächst das Regiment Gardes du Corps
nicht
sogleich wieder errichtet wurde dies geschah erst 1770 , so war von den Garde-Carabiniers ein Commando von 200 Pferden zum
274
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
Wachdienste am
Königlichen Hofe zu Dresden , der sogenannten
Herrenwache, detachirt. Noch im März 1763 trat der bisherige Commandeur des GardeCarabiniers-Regiments, Generalmajor von Wickede, seinen Platz an den zweiten Sohn des Premier-Ministers , den Generalmajor Grafen Carl Adolf von Brühl *) „ gegen Aequivalent " ab und begab sich in den Ruhestand, und als kurz darauf , den 14. April , der Chef des Regiments, Generallieutenant von Rex, mit Tode abging, rückte Brühl nun zum „ Generallieutenant, Chef und Commandant der Garde- Carabiniers " auf. Auch die Geschicke der übrigen Söhne des Ministers Brühl stehen am Schlusse des siebenjährigen Krieges zu denen des Sächsischen Heeres und vorzugsweise der Regimenter, welche unser Interesse in der gegenwärtigen Darstellung in Anspruch genommen haben, in zu naher Beziehung, als dass der Leser uns nicht eine beiläufige Erwähnung derselben gestatten sollte . Der älteste derselben, Aloysius Friedrich, Königlich Polnischer Kron-General- Feldzeugmeister und Kurfürstlich Sächsischer Generalmajor, hatte am 11. August 1763 die wirkliche Obersten- und Commandantenstelle des Leib- Grenadier - Garde - Regiments erhalten,
in
welchem er zuvor auf dem Papiere bis zum Capitain gedient hatte. Aber bereits im Februar 1757 war der Capitain und Kammerherr zum Obersten und Commandanten des Chevauxlegers-Regiments seines Vaters avancirt, in Betracht seiner von Jugend auf ihm beiwohnenden und bisher auf Akademien und Reisen rühmlichst cultivirten Qualitäten, auch in allen Orten von Militairwissenschaften erlangter Geschicklichkeit und Application" . Der dritte Sohn des
Premiers ,
Albrecht Christian Heinrich,
aggregirter Oberst beim Brühl'schen Infanterie-Regiment, wurde noch den 28. Mai 1763 an des verstorbenen Generalmajors von Bolberitz Stelle zum wirklichen Obersten (Commandanten) dieses Regiments ernannt.
Derselbe war im August 1758 vom Könige „ in der gnädi-
gen Zuversicht, dass er die vor sich habenden rühmlichen Exempel seiner um das Königliche Kurhaus unsterblich verdienten Familie nachahmen werde", zum Major im Chevauxlegers-Regimente Brühl befördert worden.
*) Die Enkelin dieses 1802 als Preuszischer General der Cavallerie und Obersthofmeister zu Berlin verstorbenen Brühl, Gräfin Marie Brühl, wurde die Gattin des Generals Carl von Clausewitz und die verdienstvolle Herausgeberin der classischen Schriften desselben.
von 1756 bis 1763.
275
Der vierte Sohn endlich , Hans Moritz , der bis zum Major in den Listen der Carabiniers- Garde gestanden hatte und dann Oberstlieutenant beim Chevauxlegers- Regiment des Vaters gewesen war, rückte, als sein Bruder Carl Adolf zum Chef des Garde- CarabiniersRegiments ernannt ward , in dessen erledigte Stelle zum Commandanten dieses Regiments auf. Somit war es dem allmächtigen Minister, dem zu jener Zeit wohl nicht blos Gedanken an das bevorstehende Ende seines Monarchen, sondern auch an das seiner Macht beigehen mochten, gelungen, seine Söhne in militairische Stellungen zu bringen, in welchen er dieselben gegen das Unwetter geborgen glaubte, das sich, wie er bei der Abneigung , die er bei dem Kurprinzen Friedrich Christian und dessen Brüdern gegen sich nicht mit Unrecht voraussetzte , drohend über seinem Haupte zusammenzog.
Während die zur Zeit
durch den Krieg allerdings gründlich ruinirten Güter Brühl's und sein , wenn auch vielfach übertriebenes , immerhin aber selbst nach jetzigen Begriffen groszartiges Capitalvermögen für seinen Todesfall der Familie ein glänzendes Auskommen in Aussicht stellten, sicherte den Söhnen der Besitz ihrer hohen militairischen Aemter die entsprechende Ehrenstellung im Staate und am Hofe .
Hierbei begnügte
sich übrigens der schlaue Vater, obgleich er in seinem Testamente „die lieben Kinder auf den ganzen Himmel als ihr wahres und unvergängliches Erbtheil " verwies ,
noch nicht ;
er bezeigte vielmehr
in seinen Privatangelegenheiten eine weit gröszere Vor- und Umsicht ,
als er zum Unglücke Sachsens besonders in der dem Aus-
bruche des siebenjährigen Krieges vorangegangenen Periode auf dem Felde der Politik bekundet hatte. In richtiger Beurtheilung der Umstände, welche zu den bald darauf eintretenden Ereignissen Veranlassung gaben, liesz er sich noch unter dem 23. September 1763 , zwölf Tage vor dem Tode August's III., von diesem eine Urkunde ausstellen ,
dass Sie Dero Premier - Minister und General Grafen
Brühl die ehedem ertheilte Versicherung , wie dessen beide Regimenter, sowohl das Chevauxlegers- , wie das Infanterie - Regiment bei dessen Familie beständig verbleiben sollen , nochmals gnädigst wiederholen". Trotz alledem bewährte sich auch an diesen schlauen Entwürfen und Vorkehrungen die alte Erfahrung von der Nichtigkeit menschlicher Berechnung . Bekanntlich folgte Brühl seinem Königlichen Heere und Gönner, welcher das Zeitliche am 5. October 1763 segnete, schon nach Verlauf weniger Tage am 28. desselben Monats in den Tod ; der Himmel
276
Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde
entzog den verwöhnten Günstling des Glückes zwar der Ungnade des neuen Monarchen, aber die Folgen seiner Schuld fielen, wie dies so häufig zu geschehen pflegt, auf seine für dieselbe in keiner Weise verantwortliche Familie. Kurfürst Friedrich Christian regierte nur wenige Wochen und starb noch vor Ablauf des Jahres 1763 , den 16. December, an den Blattern.
Da der Kurprinz Friedrich August noch unmündig war,
übernahm für denselben dessen ältester Oheim, der Prinz Xaver die Verwaltung der Regierung.
Er hatte sich , als Führer des Sächsi-
schen Corps in Französischem Solde, während des siebenjährigen Krieges zwar nicht seinen Ruf als Feldherr, wohl aber den eines ritterlichen, beherzten Führers erworben ; als Administrator Sachsens zeigte er sich, wenn auch nicht frei von einer gewissen Rücksichtslosigkeit, als gerechter,
ökonomischer,
straffer, allen Missbräuchen
abholder Regent , wie ihn sich ein von langer Misswirthschaft und den Greueln eines an Drangsalen überreichen Krieges erschöpftes Land nur wünschen konnte. Längst der erbittertste Feind des Brühl'schen Systems , liesz der Prinz sogleich die strengste Untersuchung gegen die Verwaltung des verstorbenen Ministers einleiten und daneben eine Verordnung ergehen, kraft welcher
die von der Familie
desselben geltend gemachten Expectanzen, wie jede dergleichen, von welcher Art und Beschaffenheit sie immer sein möge , gänzlich annullirt wurde “ .
Das Chevauxlegers-Regiment Brühl erhielt gleich-
zeitig der General Renard, während an dessen Stelle der Oberst von Kayserlingk *) zum Commandanten des Regiments Prinz Albrecht ernannt ward. Die vier Söhne Brühl's verlieszen hierauf insgesammt den Sächsischen Dienst und begaben sich nach Preuszen, wo die drei jüngeren im Hof- und Militairdienste gute Anstellungen fanden. Gegen Anfang November 1763 traten die drei ChevauxlegersRegimenter unter Renard's Führung wieder ihren Rückmarsch aus Polen nach Sachsen an, wo sie, von Artillerie begleitet, die ihr Fortkommen durch Mähren und Böhmen auf den vom schlechten Wetter aufgeweichten Wegen sehr verzögerte, in der zweiten Hälfte des Januars 1764 eintrafen und ihre Friedens- Garnisonen bezogen .
Bei
der unter den Augen des Prinzen Xaver von dem Feldmarschall
*) Kayserlingk, einer der Haupthelden von Kolin, erhielt, als Benkendorf 1757 Inhaber eines Cürassier- Regiments wurde, das Commando des Regiments Kurland , in dessen Reihen er sich so glänzend hervorgethan hatte und das er bis zu seinem Abschiede 1778 befehligte.
von 1756 bis 1763.
277
Ritter von Sachsen, einem Sohne des Königs August II. und der Reichsfürstin von Teschen, nun geleiteten Reorganisation der Sächsischen Armee wurde auch das , 1756 in Gefangenschaft gerathene vierte Chevauxlegers- Regiment Rutowski wiederhergestellt. Zum Schlusse sei dem Verfasser vergönnt , noch einmal mit wenigen Worten auf diejenigen Persönlichkeiten zurückzukommen, welche im Laufe seiner Erzählung eine hervorragende Rolle gespielt haben. Die drei während des Krieges hintereinander folgenden Commandeure des Sächsisch-Polnischen Cavalleriecorps im OesterreichiNostitz , Zezschwitz und Gösznitz ---- haben wir schen Solde sämmtlich sterben sehen ; obgleich auch der Letzte derselben den Frieden nicht erlebte, war doch nur Einem unter ihnen der Tod auf dem Schlachtfelde beschieden . Wir können denselben , wenn wir ihre Laufbahn noch einmal im Zusammenhange überblicken , das Zeugniss nicht vorenthalten, dass, wenn auch Keiner derselben eine besondere militairische Begabung zu zeigen Gelegenheit fand , doch alle drei Männer von edlem Eifer und Patriotismus und treuer, ehrenhafter Gesinnung waren, ein Urtheil, welches auch durch ihre hinterlassene Correspondenz bestätigt wird , die uns zugleich einen Einblick in ihre für jene Zeit durchaus nicht geringe geistige Bildung gestattet. Als militairisch bedeutender treten dagegen aus dem Rahmen der von uns geschilderten Ereignisse Renard und Benkendorf hervor. In Sachsen bestand zwar seit 1736 in dem St. Heinrichsorden ein von dem Könige August III. gestiftetes, ausschlieszlich für militairische Verdienste bestimmtes Ehrenzeichen ; dasselbe war jedoch schon von 1739 an nicht mehr verliehen worden. Als nun kurz vor Ablauf seiner fünfjährigen Minorennitätsverwaltung der Prinz Xaver sich am 4. September 1768 veranlasst fühlte, den St. Heinrichsorden wieder zu erneuern , befanden sich der mittlerweile zum Generallieutenant aufgerückte Graf Renard, der Generalmajor von Benkendorf und der Oberst von Kayserlingk mit unter der kleinen Zahl der Auserwählten, welche die neue Decoration zu Pillnitz in feierlicher Sitzung aus den Händen des Prinzen empfingen . Renard nahm 1778 seine Entlassung aus Sächsischen Diensten und trat in Preuszische über ; er wurde der Begründer des in Oberschlesien ein Jahrhundert lang blühenden Grafengeschlechts, welches erst vor Kurzem im Mannesstamme erloschen ist.
Benkendorf's Name, der gleich zu Anfange unserer Erzählung im hellen Glanze aufleuchtet und im Verlaufe derselben immer
278 Das Sächsisch-Polnische Cavalleriecorps im Oesterreichischen Solde etc. wieder von Neuem das Interesse auf sich zieht , sei auch hier am Schlusse mit der gebührenden Hochachtung und Verehrung genannt. Nachdem Benkendorf 1777 zum Generallieutenant befördert worden war, schien ihm im folgenden Jahre das Glück noch einmal die Gelegenheit zu bieten, seine reiche militairische Erfahrung und seine Talente im ernsten Kampfe zum Besten von Fürst und Vaterland verwerthen zu können. Er erhielt bei der Mobilmachung 1778 den Befehl über zwei ihm und auch dem Leser wohlbekannte Chevauxlegers -Regimenter, über sein ihm so theueres Regiment Prinz Carl und das Regiment Prinz Albrecht, und wohl mag kaum jemals Führer und Truppe mit gröszerem gegenseitigem Vertrauen dem Feinde entgegengezogen sein ; aber leider bot der ereignissarme Feldzug keine Gelegenheit zu neuen gemeinsamen Thaten.
1780 wurde Benken-
dorf General der Cavallerie und zwei Jahre später Chef der Garde du Corps.
Auf diesem Ehrenposten, der dem Greise seinen Platz
in der Nähe seines dankbaren Monarchen anwies ,
erreichte er in
voller geistiger Frische das hohe Alter von 90 Jahren. Sein sehnlicher Wunsch, noch die Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts zu überschreiten, wurde ihm vom Geschicke freundlich gewährt, und er konnte den 1. Januar 1801 noch mit lebhafter Freude begrüszen . Aber nun war ihm sein Ziel nahe gesteckt, denn am 5. Mai endete ein sanfter Tod das Leben des Helden, den jeder ächte Deutsche Reitersmann mit Stolz zu seinen Ahnen rechnen wird. H. v. S.
XIX.
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805. Die vorliegende Studie versucht es , ein kriegerisches Ereigniss zu beleuchten, das in doppeltem Sinne der Geschichte angehört : es ist nie über das Stadium der Vorbereitung hinausgekommen und wurde aufgegeben, als es das der Ausführung kaum betreten hatte. Rein militairisch betrachtet war die von Seiten Napoleon's pro-
jectirte Landung in England ein Unternehmen, das in dieser Groszartigkeit in der Kriegsgeschichte seines Gleichen nicht findet ; es stellt auszerdem einen seit dem Jahre 1066 nicht mehr wiederholten
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
279
Versuch dar, und kehrt seine politische Spitze gegen ein Volk , das seit eben dieser Zeit fast einzig unter allen ein feindliches Heer auf eigenem Boden nicht gesehen hatte.
Und doch war England unter 713 Jahren 262 Jahre, also über ein Drittheil der Zeit, mit Frankreich im Kriegszustande . Dieser Umstand verleiht dem zu betrachtenden Ereignisse noch Auf der einen Seite ein Volk , das die
ein besonderes Interesse.
Leiden feindlicher Invasionen wohl kannte, sie Anderen noch öfter bereitet, aber selbst gerade von England am schmerzlichsten empfangen hatte, welches seinerseits alle Arbeit, allen Wohlstand , den die Völker des Continents der Vertheidigung des heimischen Bodens opfern mussten, seit Jahrhunderten nur dem Angriffe, nur der eigenen Machtausbreitung widmen durfte. Gerade diese beiden, durch den Canal getrennten Völker bedrohten sich seit den Zeiten von Crecy mit einem sprichwörtlich gewordenen Nationalhasse, und Englands geographische Lage hatte ihm eine mercantile und politische Sonderstellung zu erwerben gestattet, welche ihm wohl die Furcht , nie aber die warmen Sympathien des Continents verschaffte.
Und es wird sich zeigen, dass
Napoleon I. , welcher, der Consequenz von sieben Jahrhunderten zum Trotze, England in Mitleidenschaft zu den Opfern der übrigen Völker zu ziehen beabsichtigte, nicht nur der Forderung einer augenblicklichen politischen Lage folgte,
nicht nur ein groszartiges militairi-
sches Exempel statuiren wollte, sondern auch der Träger einer allerdings erfolglosen ― Reaction des Continents gegen die langsame, aber intensive Thätigkeit dieser sieben Jahrhunderte in England gewesen ist. Die ersten Pläne Napoleon's bezüglich einer Landung in England und die ersten thatsächlichen Vorbereitungen hierzu liegen zeitlich ziemlich weit auseinander. Wenn die letzteren nicht über das Jahr 1803 zurückgreifen, so erzählt Bourienne, dass er bereits 1798 mit Napoleon über diesen Gegenstand eine Unterredung hatte, in welcher der Letztere die hauptsächlichsten Gesichtspunkte hierfür entwickelte . Die Idee einer Landung in England hatte sich übrigens in Frankreich seit dem vorigen Jahrhundert fortgeerbt.
Ludwig XVI .
und das Directorium hatten schon Rüstungen in diesem Sinne geplant, und Napoleon eine, allerdings sehr ungefährliche Demonstration mit Kanonenbooten im Canal im Juli 1801 als Pression für Abschluss des Friedens von Amiens benutzt. Eine festere Gestalt nahmen Napoleon's Pläne allerdings erst
280
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
an, als die Engländer den durch den Abschluss des Friedens von Amiens im März
1803 begangenen politischen Fehler durch die
Wiederaufnahme der Feindseligkeiten im Mai 1803 gut machten, welcher Napoleon noch im selben Monat zunächst durch die Occupation von Hannover antwortete. Selten wohl war politischer Antagonismus zwischen zwei Staaten schärfer zugespitzt , als zu jener Zeit der zwischen England und Frankreich ; selten ist ein Krieg so lange mit immer gleicher Erbitterung geführt worden.
Gab es für das Inselreich keinen „ modus
videndi " mit dem genialen Emporkömmlinge Bonaparte, der durch die Expedition nach Egypten bewiesen hatte, dass er England an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen wisse, konnte Pitt seit Campo formio Frankreich unmöglich im Besitze der Niederlande lassen, so war es andererseits einem Napoleon unerträglich , die Gewalt über die Geschicke Europa's gleichsam nach den beiden Elementen Land und Wasser in zwei Theile getrennt zu sehen, deren einen er England unbedingt zugestehen musste.
Und dazu war England um
diese Zeit die Leiterin der Europäischen Politik ; es ist kein Zweifel, dass nur die unermüdlichen ,
freilich auch sehr egoistischen Be-
mühungen Englands die dritte Coalition 1805 zum Entstehen brachten . Es war ein immer thätiger Herd , ein unermüdlicher Hebel an alle Mächte des Continents , das Napoleonische Frankreich durch immer neue Kriege zu erschöpfen, bis zum allgemeinen Ziele, der Niederwerfung des bestgehassten und gefürchteten Corsen. In London liefen so ziemlich alle Fäden zusammen, welche Napoleon in seinen Plänen zur Gründung einer Dynastie und zu Frankreichs unbedingtem Uebergewichte zu stören drohten , und es biesz jedenfalls das Uebel an der Wurzel bekämpfen, wenn er in London einen Frieden zu dictiren strebte , der England vielleicht auf ein halbes Jahrhundert zu politischer Ohnmacht verdammen sollte. Geschichtsschreiber und Militair- Schriftsteller haben abweichende Ansichten geäuszert, ob Krieg, ob Friede nach 1802 mehr im Interesse Napoleon's gewesen sei.
Ohne Zweifel waren Napoleon einige
Jahre der Ruhe unerlässlich ; die Restitution des katholischen Cultus, die Schöpfungen auf dem Gebiete des Rechts und des Unterrichtswesens , die Reorganisation der Armee, die Schaffung eines neuen Feld-Artillerie- Materials u . s . w., das Consulat auf Lebenszeit, endlich der Schritt zum Throne - all das bedurfte Zeit und gutes Einvernehmen mit den Mächten Europa's.
Aber ebenso sicher wusste
Napoleon, dass nur Krieg, und zwar nur ein glücklicher Krieg, ihm den Boden unter den Füszen erhalten konnte, sobald die Grundlagen
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 . des Friedens von Campo formio angetastet würden.
281
Da musste ein
gewaltiger Schlag auf jenen Punkt , von wo aus ihn täglich kleine Stiche verwundeten, und wo sich grosze Unternehmungen gegen ihn vorbereiteten, da musste eine Landung in England als das gründlichste Mittel zu all seinen groszen Entwürfen erscheinen.
Fasst man das Unternehmen nach seinem allgemeinen strategischen Charakter auf, so ergeben sich folgende drei Haupt- Gesichtspunkte für die Ausführung : Geheimhaltung von Ort und Zeit Ueberraschendes Uebersetzen einer dem Zwecke vollkommen entsprechenden Armee
Gesicherte Verbindung nach rückwärts .
Allein die Groszartigkeit des Unternehmens , die auszerordentlichen Schwierigkeiten in jeder dieser drei Hauptbedingungen mussten dieselben, wie ja auch andere kriegsgeschichtliche Beispiele theilweise zeigen , ganz wesentlich modificiren. Thatsächlich hat Napoleon eigentlich nur den zweiten Punkt - Bereitstellen und Uebersetzen der Invasions -Armee
in seiner Reinheit aufrecht erhalten .
Unmöglich war es, ein derartiges Unternehmen mit jahrelangen Vorbereitungen, die localisirt werden mussten ,
der Kenntniss
des
Gegners zu entziehen . Selbst die Unkenntniss desselben in Bezug auf den Ort und die Zeit der Ausführung konnte nur in sehr engen Grenzen aufrecht erhalten bleiben.
Bei der groszen Inferiorität der
Französischen Flotte gegenüber der Englischen, stellten sich der dritten Anforderung Gesicherte Verbindung nach rückwärts fast unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen ;
und diesen Punkt
hat Napoleon, wie es scheint, in den Vorbereitungen fast ganz fallen gelassen. Ein Blick auf die Land- und Seemacht beider Staaten in jener Zeit ergiebt , dass das Unternehmen wenigstens in seinen ersten Stadien -- mit Wahrscheinlichkeit als gesichert betrachtet werden durfte, wenn es gelang, den Widerstand der Englischen Flotte bei der Ueberfahrt auf irgend eine Weise zu brechen, oder demselben auszuweichen. Einige Tage Herr des Kanals bleiben , innerhalb zehn Stunden 150,000 Mann an den Englischen Strand werfen, die unmittelbar nach der Landung bereit wären, eine Schlacht zu liefern, das Schloss von Dover in Trümmer schieszen, fünf Tage nach der Landung vor London stehen und bald darauf Herr von England sein : das war der Grundgedanke Napoleon's , den er bei mehr als einer GelegenAus allen Vorbereitungen und Anordnungen Na-
heit aussprach.
poleon's, so weit uns darüber historisches Material gegeben ist, muss angenommen werden, dass er zunächst nicht mehr erreichen wollte ;
282
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
und so sicher war er -
und durfte es sein - des Erfolges in
einem von nur geringen regulairen Streitkräften, und kaum einer nennenswerthen Befestigung vertheidigten Lande , dass er, wie es scheint, der dritten Hauptbedingung Gesicherte Verbindung nach rückwärts fast gar keine Aufmerksamkeit schenkte, und seine Rückfahrt am Ende wohl auf Englischen Schiffen zu machen beabsichtigte . Seine gesammte vorbereitende Thätigkeit in dieser Richtung concentrirte
sich also auf die Bereitstellung der überzusetzenden
Landmacht , und das Ueberwinden des Hindernisses.
beide Länder trennenden
Die meisten Berichte aus damaliger Zeit stimmen überein, dass die Französische Armee in den Jahren 1803 und 1804 weder der Verfassung der einzelnen Waffen, noch ihrem organischen Verbande nach, schon zu einer groszen Unternehmung nach Napoleon's Wünschen befähigt war. Es war dies die Uebergangsperiode , aus der das glänzende Heer von 1805 hervorging.
Allein noch viel zwin-
gender als diese, und Rücksichten der inneren Politik für die Verzögerung der Expedition war die Inferiorität der Flotte gegenüber der Englischen.
Eine Inferiorität, welche nicht nur in numerischem
Verhältnisse bestand , sondern auch im Materiale der Mannschaften und Führer.
Das Personal der Flotte war 1803 noch gering und
mittelmäszig ; um die Marine nach Napoleon's Wunsch zu vergröszern, fehlte es vor Allem an Matrosen ; viele der besten höheren Führer waren unter der Guillotine gefallen ; und noch im Februar 1805 schrieb Napoleon :
Mais le grand mal de notre marine est, que les
hommes qui la commandent , sont neufs dans toutes les chances du commandement. " Es darf als wahrscheinlich angenommen werden, dass Napoleon ursprünglich der Landung durchaus den Charakter einer gewaltsamen geben wollte. Die Kriegsflotte war für die grosze Armee, welche er nach England hinüberzuwerfen gedachte, durchaus unzureichend , wollte er das Unternehmen nicht auf zehn Jahre hinaus Er ergriff daher das schon 1801 in Erwägung gezogene Auskunftsmittel , die Ueberfahrt auf einer sehr groszen Anzahl neu
vertagen.
zu erbauender kleiner Boote, für Segel- und Ruderbewegung gleichmäszig eingerichtet, zu bewerkstelligen . Sowohl um auf den Flüssen des Continents gebaut werden, als um überall an der Englischen Küste einfach an den Strand laufen zu können, durften dieselben nicht über 2,5 Meter Tiefgang haben. In der Idee der gewaltsamen Landung regte er schon Anfang 1803 eine Streitfrage an, ob solche
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
283
Boote mit 24- oder 36 -Pfündern armirt, Flottenschiffe zu bekämpfen vermöchten ;
ob die gegenseitigen Verhältnisse von Beweglichkeit, Zielfläche und Feuerleistung den kleinen Booten Chancen zur Brechung des Widerstands der Englischen Flotte böten . Die Ansichten über diese Streitfrage, welche auch Deutscher Seits literarisch genährt worden ist, lauteten sehr verschieden.
Die zahlreichen kleinen Ge-
fechte, welche die ersten der erbauten Boote mit Englischen Kreuzern und Kriegsschiffen bestanden, schienen unbedingt zu ihren Gunsten zu sprechen. Schlieszlich verhielt sich die enthusiasmirte Marine, wohl wider bessere Einsicht , der Frage gegenüber grösztentheils bejahend und Napoleon , selbst wenn er damals schon im Geheimen auf eine rein gewaltsame Landung verzichtete, stellte sich wenigstens völlig von der Möglichkeit überzeugt.
Der Marineminister Decrès
erklärte, mit Aufopferung von 100 Booten und 10,000 Mann könnte die Landung gelingen, und Napoleon erwiederte, das sei nicht mehr als der Verlust einer Schlacht und gegen den zu erringenden Erfolg eine kleine Einbusze .
Indessen war die Englische Flotte neben
Sturm oder Meeresströmung doch ein ungünstiger Factor mehr, und als später Decrès und andere Fachmänner ihre Vorstellungen gegen eine derartige Ueberfahrt immer eindringlicher wiederholten, und Napoleon wohl selbst fühlte, wie schwach die Basis dieser Combination sei, fasste er den Plan, die Englische Flotte durch gut angelegte Demonstrationen zur See vom Canale wegzulocken, um dann bei der Ueberfahrt unter dem Schutze seiner eigenen Flotte höchstens nur mehr einigen unschädlichen Kreuzern zu begegnen. Fingirte Angriffspunkte boten sich genug : Malta, Aegypten, die Antillen, vielleicht Ostindien . Aber diese Chance schien bedeutend vermindert, sobald die Engländer sich bewusst waren, dass Napoleon seiner Flotte als Schutz der Ueberfahrt bedürfe ; denn dann war nichts sicherer, als dass sie sich der Französischen Flotte eng an die Fersen heften, sie immer wieder im Canale erwarten würden. Um dies zu vermeiden, ergriff er ein geniales Mittel , das ihm gleichzeitig weitere Vortheile bot.
Er behielt die Armirung seiner
Flottille kleiner Boote vollständig bei, und während sie in Wahrheit nur zum Uebersetzen unter dem Schutze seiner Flotte dienen sollte , erhielt sie doch allgemein den Glauben an eine, nur mit ihr allein beabsichtigte gewaltsame Landung aufrecht. So war Napoleon auch der Nothwendigkeit der Geheimhaltung bis zu gewissem Grade überhoben. Die Englische Flotte erhielt eine vermeintliche Freiheit des Handelns zurück ; sie sollte die Französische als unabhängig von der Landung betrachten und ihren
284
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
Demonstrationen folgen ; und wenn die Französische Flotte dann nur vier Tage vor der von ihrem Irrthume zurückgekommenen Englischen im Canale war, so trug die Pseudo-Kriegsflottille Englands Untergang über die See. Diese Flottille konnte Monate, Jahre lang an Frankreichs Küsten liegen und musste so Englands Aufmerksamkeit durch vergebliches Warten erschlaffen. Die Ereignisse haben bewiesen , wie richtig Napoleon in all diesen Dingen gerechnet hatte ; und als später die Wahrheit erkannt war, da gestand ganz London, dass der Staat noch nie seinem Untergange so nahe gewesen sei . Nochmals auf die früher erwähnten drei
Hauptbedingungen
zurückkommend, muss bemerkt werden, dass Napoleon von Anfang an die Geheimhaltung des Unternehmens im Allgemeinen als unmöglich erkannte. Auch auf den Ort wies geographische Lage und Natur der Küsten zu deutlich und zwingend, einerseits auf Boulogne, andererseits auf die Bai von Hastings hin. Ueberraschung im Zeitpunkte suchte er durch die so täuschend versteckte wahre Bestimmung der zu schaffenden Flottille zu erreichen. Im Gegentheil unterstützte er die naturgemäsz sehr bald in allen Journalen und Flugschriften Europa's über das beabsichtigte Unternehmen laut werdenden Stimmen. Und dies beinahe drei Jahre lang. Nie aber hat selbst öffentlich Napoleon - wie wohl auch behauptet wurde seine Absicht zugestanden ; es sollte die Landung wie ein drohendes Gespenst über England walten, und sie sollte so lange besprochen, befürchtet, bezweifelt und verlacht werden, bis die ursprünglich gespannte Aufmerksamkeit wieder etwas nachgelassen habe. So heiszt es in einem der zahlreichen von Napoleon über die Landung und Georg's III. wie seine eigene Politik geschriebenen Artikel des „Moniteur " vom 16. November 1803 : "" Wann hat denn der erste Consul gesagt , dass er in England landen wolle ?
Bis
jetzt lagern seine Truppen an der Küste ; gut ; aber das kann er wohl ohne diese Absicht thun, da Frankreich sich im Kriegszustande befindet."
Und erst am 15. August 1805 , zu einer Zeit ,
wo Na-
poleon bereits die Unausführbarkeit der Expedition für dieses Jahr ahnen konnte ,
schreibt er ebenda :
depuis deux ans ,
faites pas la paix ;
on la prépare
Elle arrivera, si vous ne
elle arrivera peut - être dans un an , peut - être
dans deux , peut - être dans trois. " seit 1803
„ La descente ,
et elle ne vient pas ?
Indessen liesz Napoleon doch
alle Engländer in Frankreich arretiren und mehr als
Einer davon wurde als der Spionage überführt erschossen.
oder verdächtig
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
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Wenn, wie erwähnt, aus mehreren Quellen nachgewiesen werden kann , welchen Verlauf Napoleon der Expedition in ihren ersten Stadien geben zu können glaubte, so fällt es doch sehr schwer, sich über die muthmaaszliche Weiterentwickelung derselben etwa nach einer gewonnenen Schlacht und der Einnahme von London ein Urtheil zu bilden.
Glaubte Napoleon mit der Einnahme von London
sein Ziel erreicht, oder gab er Lord Hawkesbury Recht, wenn dieser sagte , England würde sich auch nach Verlust seiner Hauptstadt nicht für besiegt halten, und sich um keinen Preis von Napoleon auf Britischem Boden einen Frieden abnöthigen lassen ? Fürchtete Napoleon eine Massenerhebung des Englischen Volks, glaubte er an die Möglichkeit eines langwierigen Volkskrieges, wie er ihn später in Spanien schmerzlich genug empfinden musste ?
An die Kriegs-
tüchtigkeit der Hunderttausende von Milizen und Freiwilligen, die zweifellos den heimischen Boden zu vertheidigen suchen würden ? War er nicht von der Unmöglichkeit
einer vollständigen Unter-
werfung des Inselreichs überzeugt, nicht von dem schlieszlich kaum vermeidlichen Untergange der Invasions- Armee, wenn die Regierung mit der Gewalt auch feste Besonnenheit behielt ? Oder genügte es ihm, die Expedition nur als eine räuberische Episode im weiteren Verlaufe des Krieges mit England zu betrachten, welche als einzigen Zweck materielle Schädigung des Gegners, ein groszartiges historisches Exempel, vielleicht einen, gewiss nur sehr ephemeren Frieden verfolgte ? Jedenfalls hat Napoleon der Expedition stets nur eine kurze Dauer nicht über drei Monate hinaus - zugemessen ; und es liegen Anhaltspunkte vor,
dass er einer gewissen Unterstützung
seiner Zwecke aus dem feindlichen Lande selbst heraus gewärtig war. Vor Allem hoffte er Irland , damals ein so wunder Fleck im Englischen Staate, durch Unterstützung der katholischen Fraction , und ebenso die Dissenters
zu gewinnen .
In dieser Hoffnung liesz
er sich von Irländischen Emigranten das Versprechen der Insurrection von 20,000 Mann geben, wenn er 18,000 in Irland lande . Hierfür wurden denn auch gleichzeitig mit demonstrativem Zwecke speciell in Brest auf dem dortigen Flottengeschwader alle Vorbereitungen getroffen . Uebrigens schmeichelte er sich auch , nicht als „ conquérant “ , sondern als „libérateur" in England zu erscheinen ; er sprach von den „ demokratischen Principien " , die mit seiner Avantgarde in England einzögen, von dem „ bienfaits de l'égalité, portés aux Anglais " 19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
286
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
(Moniteur 31. Juli 1803) , und hielt eine zu seinen Gunsten sich gegen die Englische Oligarchie erhebende Parteispaltung für unausbleiblich. Ob Napoleon in dieser Voraussetzung sich nicht irrte, ob die Engländer wirklich über Parteihass und den bienfaits de l'égalité, de la démocratie" ihr Nationalgefühl zurückgedrängt hätten, ob die seit sieben Jahrhunderten genossene Sonderstellung, das an und für sich so auszerordentlich zähe Englische Volk für das Gefühl des tödtlichsten Hasses gegen den Eindringling nicht mehr geschärft als erlahmt hatte, darüber ist die Geschichte im Verlaufe der Expedition die Antwort schuldig geblieben. Freilich auch darüber, ob die taktischen, technischen und strategischen Combinationen Napoleon's sich als stichhaltig erwiesen, d. h. ob er überhaupt den Zutritt nach England erzwingen und sich dort hätte halten können.
Unzweifelhaft trug das Unternehmen nach
dem geschilderten Plane einige grosze, sehr ernste Schwächen in sich. So vor Allem die Abhängigkeit der kleinen Fahrzeuge von meteorologischen Zufällen, wenngleich ihnen andererseits eine unbedingte Ueberlegenheit an Manövrirfähigkeit über die groszen Englischen Kreuzer und zwar sogar eben in Bezug auf die meteorologischen Verhältnisse zugestanden werden muss .
Dann aber die sehr
beschränkte Wahl des Landungsplatzes , welche der Vertheidigung gestattete, sich zwischen Dover und der Insel Wight zu concentriren . Rechnet man hierzu den voraussichtlich gänzlichen Mangel jeder Verbindung mit Frankreich nach der Landung, so erhellt, dass das Unternehmen in jedem Sinne ein gewagtes und strategisch nicht sicher gegründetes war. Der Landung und damit den nächstfolgenden Stadien der Expedition mag Erfolg mit Wahrscheinlichkeit, beziehungsweise mit Sicherheit zugestanden werden ;
aber vielleicht
war es nur Napoleon's damals noch hell leuchtender Stern, der ihn vor einer früheren Bekanntschaft mit jener strategischen Krankheitsform, der Schwindsucht, bewahrt hat. Es ist hier vor weiterer Schilderung des Unternehmens wohl die Bemerkung am Platze, dass die in der späteren Militair- Literatur niedergelegten Ansichten über dasselbe in einer Grundfrage weit auseinandergehen : nämlich in der Ueberzeugung von Napoleon's ernstlicher Absicht einer Landung . Dass diese seine Lieblingsidee, dass ihm ein wuchtiger Schlag an die Wurzel aller feindseligen Bestrebungen des Continents
unabweisbare Nothwendigkeit gewesen
ist ; dass sein Hass gegen England, dem er auf St. Helena sich vergebens bemühte, den Stempel einer, nur von der Erbitterung gegen
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
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die Regierung getrübten Loyalität gegen das Englische Volk aufzudrücken, ihn nach jedem Mittel haschen liesz ; dass er auch später niemals die Idee aufgegeben, England auf dem Lande anzugreifen, dass er z. B. im März 1805 ernstlich an eine Eroberung Ostindiens dachte, worden.
dies Alles ist von Niemand bestritten, von Allen bestätigt Aber es existirt eine Richtung , welche die Landung in
England von Anfang an als
eine
groszartige
Demonstration
zu
Gunsten einer von Napoleon gewünschten und von ihm so herbeiSo geführten continentalen Coalition betrachtet. Wenn auch schlieszt diese Richtung
Napoleon seit 1803 als zweite Eventuali-
tät die Landung mit Ernst vorbereitete,
so gab er diese Absicht
doch im Frühjahre 1804 auf, setzte aber in äuszerster Consequenz und bis in die kleinsten Details alle Vorbereitungen bis zum August 1805 fort , theils zu Gunsten der ersehnten Coalition , theils aus Rücksicht für das Urtheil Europa's und Franzosen.
das Nationalgefühl der
Es soll nicht Aufgabe dieser Zeilen sein , eine Entscheidung dieser Frage anzustreben ; sie wird sich vielleicht nach dem Hinscheiden des Mannes , der allein dies Geheimniss zu tragen gehabt hätte , überhaupt nicht mehr entscheiden lassen.
Das aber muss
hervorgehoben werden, dass diese zweifelnde Richtung, so viel innere Wahrscheinlichkeit sie auch für sich haben mag , eben doch ausschlieszlich auf dem Boden der Combination, der auszergewöhnlichen Deutung von Thatsachen beruht * ), in directem Widerspruche zu dem
* Der einzige directe Zeuge, welchen diese Richtung für sich in Anspruch nehmen könnte, ist der wegen seiner intimen Stellung zu Napoleon sonst beachtenswerthe Bourienne. In Folge einer Unterredung mit Napoleon im December 1803, kurz nach dessen Reise im Norden Frankreichs, versichert dieser ganz entschieden, der erste Consul habe nie ernstlich an die Landung gedacht, denn er habe sie in eben dieser Unterredung für eine verwegene Thorheit erklärt. Bourienne selbst gesteht aber zu , dass er nie einen Einblick in die Vorbereitungen zu Land und zur See gehabt habe, und es ist nur natürlich, dass Napoleon nicht mehr Leuten als nöthig irgend einen Einblick in seine Pläne gestattete. Bourienne nun verstand durchaus Nichts von militairischen Angelegenheiten, hat in der betreffenden Unterredung Napoleon's Zugeständniss der Unausführbarkeit selbst provocirt und stand überdies gerade zu jener Zeit gar nicht im Vertrauen des ersten Consuls . Dieses somit nicht stichhaltige Zeugniss liegt übrigens gar nicht im Gedankengange jenes Zweifels. Duroc und Rapp , Napoleon's Begleiter auf der erwähnten Reise, gewannen eben da die feste Ueberzeugung von der Ernsthaftigkeit seiner Absicht. 19*
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
zahllosen historischen Materiale ,
zu der einstimmigen Auffassung
aller Zeitgenossen, aller Geschichtschreiber von Fach , woraus sich direct die Schilderung des Unternehmens unter Zugrundelegung ernster Absicht auf natürliche Weise aufbaut. Schwerlich wird die zweifelnde Richtung Material zur endgültigen Beweisführung von In-
der Zukunft erhalten ; es ist kaum eine Quelle dafür abzusehen.
dessen besteht der Zweifel, und er wird bestehen, theils wegen der unverkennbaren Plausibilität seiner Folgerungen , theils wegen des eigenthümlichen Reizes, der an ihm haftet . andererseits Nichts im
Stande sein ,
als
Ihn zu entkräften, wird die individuelle
Ueber-
zeugung ; und auch diese mag wohl an ihrer Competenz zweifeln dürfen. Auf die Motive jener zweifelnden Richtung, übrigens ohne Kritik, wird später zurückgegriffen werden ; hier sei nur die Bemerkung gestattet , dass bei der Nothwendigkeit der Wahl eines Standpunktes der rein geschichtliche nicht verlassen worden ist. Es wurden vor dieser Abschweifung über Napoleon's ernstliche Absicht im Groszen und Ganzen die politischen und militairischen Gesichtspunkte entwickelt , unter denen er vom Frühjahre 1803 ab an die Vorbereitungen zur Expedition nach England ging. Zunächst ist hierher zu rechnen die Errichtung von sechs Standlagern, bei Compiègne, St. Omer, Gent, Utrecht, Brest und Bayonne ; letzteres als Pression auf Spanien ; eine Maaszregel, deren Einleitung übrigens schon vor dem Wiederausbruche des Krieges datirt. Von Bayonne abgesehen, lagen diese Lager, von denen das bei Utrecht auch eine Batavische Division enthielt, mit Ausnahme des von Compiègne, also höchstens zwei schwache Märsche von der Küste ab, und in ihnen vollzog sich die allmälige Schaffung jener herrlichen Armee von 1805. Küste,
Nach und nach erst wurden sie ganz an die
an die für die seinerzeitige Einschiffung bestimmten Punkte
herangezogen, schon jetzt aber die Generale auf die einstige Bestimmung der Truppen hingewiesen .
So
schreibt
Napoleon
am
4. August 1803 sogar an den im occupirten Hannover stehenden General Mortier : „ Obgleich ich allen Grund habe zu glauben, dass Ihre Armee sich in diesem Kriege nicht auf dem Continente schlagen wird, und theilweise zur Landung berufen ist, so muss sie doch auf Alles gefasst sein. " Mitte 1803 unternahm Napoleon eine längere Reise an die Nordküsten Frankreichs und Belgiens ; er verfolgte hierbei neben Zwecken der inneren Politik hauptsächlich den, die Küstenplätze für die Vorbereitungen zur Einschiffung ,
dabei aber auch zu Vertheidigungs-
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
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anstalten gegen etwaige Offensivgelüste der Engländer zu besichtigen, welch letztere freilich nur in kleinen Unternehmungen gegen das Festland bestehen konnte. Bezüglich der Flottille hatten längst die din ausgedehntesten Versuche über Bauart, Tragvermögen und Armirung der kleinen Boote stattgefunden, und man hatte sich für drei verschiedene Gattungen entschieden : Kanonenboote ,
Kanonenschaluppen mit 2,5 Meter und
Kähne ( péniches) mit 1 Meter Tiefgang . Von diesen drei Gattungen wurden in Summa 1200 Fahrzeuge erbaut. Uebrigens begnügte sich Napoleon keineswegs mit dieser, ohnehin fast bedeutungslosen Vergröszerung seiner Seemacht. Vom April 1804 an datiren die bestimmtesten Befehle zur gröszten Ausdehnung der Arbeiten auf den Werften. sagte er, hinzu :
"9 Ich brauche 100 Linienschiffe, "
in drei Jahren muss diese Zahl erreicht sein ;" und setzt
29 Le temps viendra, ou la mer sera aussi notre domaine ;
dans un pays comme la France, on doit faire tout ce qu'on veut. " Zu dieser Zeit war es auch , dass der Amerikaner Fulton , der übrigens mit demselben Erfolge schon 1801 mit einem unterseeischen Torpedo-Boote vor einer Commission experimentirt hatte, von Napoleon mit seinen Dampfschifffahrts - Projecten abgewiesen wurde . Dieser Mangel weitausschauenden Blickes ist Napoleon vielfach vorgeworfen worden ; und Marmont , der sich zweimal für Fulton verwendet hatte, knüpft daran folgende Bemerkung : „ Diese Abneigung gegen alles Neue schrieb sich von seiner - Napoleon's Bildung für die Artillerie her ; in einem solchen Corps muss ein exclusiver Geist herrschen,
sonst würde die Masse überschwenglicher Project-
macher bald Verwirrung hineintragen.
Wenngleich auf der Hand
liegt , wie enorm der Vortheil von Dampfern gerade auch für die Expedition nach England gewesen sein würde, und wie sehr sie die ungünstigen Chancen der Flottille zum Gegentheile gewendet hätten, so darf doch nicht übersehen werden , dass Fulton's damalige unreife Versuche eben auch kläglich genug ausfielen. Es ist wohl nur eine Phrase, wenn man sagt , Napoleon habe auf jener Reise mit Cäsar's Commentarien über die Jahre 55 und 54 vor unserer Zeitrechnung die Küsten des Oceans durchwandert. Was Cäsar ihm sagen konnte, das wusste Napoleon wohl längst, und die auszerordentliche Verschiedenheit der Verhältnisse , unter denen beide Feldherren die Landung in England zu unternehmen hatten,
schloss von selbst jede Vergleichung aus.
Gleichwohl hat
das gefällige Publicum nicht verfehlt , aus der Legende von Cäsar und Wilhelm dem Eroberer um Napoleon's Pläne neuen Nimbus zu
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
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weben, und Napoleon war der Letzte, sich dem zu widersetzen ; war doch das Alles ein Mittel , Enthusiasmus auf der einen, ängstliche Erwartung auf der anderen Seite zu verstärken.
Als Napoleon im
August 1805 im Lager bei Boulogne erschien, und der Enthusiasmus der Armee durch die Vertheilung der Ehrenlegion aufs Höchste gestiegen war, entdeckte man nahe an seiner Wohnung Reste eines Römischen Lagers und Münzen von Cäsar und Wilhelm, die wohl noch nicht lange dort gelegen haben mochten, und Jeder sah sich nach Belieben schon als Römischen Legionar oder Normannischen Groszgrundbesitzer in England. Das Publicum hat sich überhaupt dieser erwarteten Expedition nach England mit auszerordentlichem Eifer bemächtigt. Wurde ja doch der Krieg zwischen Frankreich und England damals fast eben so sehr mit der Feder als mit dem Schwerte geführt. Vereinzelte Unternehmungen zur See, Schädigung der Colonien, Vernichtung des Handels, Blockirung Französischer Häfen durch die Engländer, Gefechte der allmälig fortschreitenden Flottille mit Englischen Kriegsschiffen, blieben nach der Occupation von Hannover die ganze kriegerische Kraftäuszerung. Als Vorspiel zum ContinentalSystem liesz Napoleon seit 1803 jegliche Einfuhr aus England verbieten ;
alle
in Frankreich und
Holland
befindlichen Englischen
Waaren wegnehmen und zum Nutzen der Armee und ihrer Führer Freilich wurde er hierin von seinen Organen nicht veräuszern. immer energisch unterstützt ; wie z . B. Marmont selbst mit Befriedigung erzählt, die bezüglichen Befehle nur sehr milde durchgeführt zu haben. Desto heftiger nährte sich der schon seit Abschluss des Friedens von Amiens entbrannte Zeitungs- und Brochuren- Krieg. Die officiellen Journale beider Länder aus dieser Zeit bilden eine Serie dér fulminantesten Artikel und gegenseitigen Anklagen, worin die Landung in England häufig erörtert erscheint , oft auch nur der plattesten Schmähungen, deren selbst Napoleon im „ Moniteur" nicht fern geblieben ist.
Dass die gegnerischen Journale mit ihm noch weniger
glimpflich umgingen , ist erklärlich ; und originell die Abfertigung, die er einem malitiösen Artikel über die Genealogie des Hauses Bonaparte und seine ehelichen Beziehungen im „ Moniteur" vom 14. Juli 1805 zu Theil werden lässt : „ De quel temps date la maison de Bonaparte ? Elle date du 18. brumaire ." Aber auch in
Deutschland wurde die Landung vielfach mit
Enthusiasmus aufgefasst , trotz der so lucrativen Allianz mit England ; und es hat nicht an Idealisten gefehlt , welche die kühnsten
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
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utopistischen Träumereien damit in Verbindung brachten, die natürlich in Frankreich, vielleicht durch Napoleon selbst unterstützt, den Der Hass gegen Englands schwärmerischsten Widerhall fanden. privilegirte Sonderstellung, gegen seine eigennützige Politik und sein Monopol des Welthandels , der Neid gegen seinen Reichthum, wohl auch gegen sein Staatsleben ,
trat dabei in grellen Farben hervor.
„ Der Zustand des Englischen Reiches ," neuen Leviathan , „ist ein Ueberreiz .
sagte der Verfasser des
Eine Nationalschuld von 600
Millionen Pfund Sterling setzt dieses Volk in die Nothwendigkeit, es dahin zu bringen, dass der ganze übrige Theil der Erde zur Bezahlung der Zinsen das Meiste beiträgt. "
Und ein anderer Autor
knüpft hieran folgende Bemerkung über diese „ vampyrische Nation ", über dieses
„ mercantile Rom in seiner monopolistischen Grösze " :
„ Die Quintessenz - ist das Geld ; die Engländer ziehen es an sich durch Verbrechen gegen die beleidigte Menschheit , durch den Krieg , der ihr Monopol sichert.
Da aber die Natur ihrer Staats-
verfassung und ihre Nationalschuld sie zu diesem Verfahren zwingt, so ist ihre nationale Existenz ein Verbrechen." Und weiter : „29 Eine Insel muss nothwendig vom Continente abhängen, wie sich der Mond stets im Vertex des Hauptplaneten bewegt. "
In der Ueberzeugung,
dass Napoleon früher oder später nothwendig über den Canal setzen oder untergehen müsse, setzt er hinzu : „ Ist die Eroberung von England durch die Franzosen unmöglich, so scheint es, hat die Vorsehung kein anderes Mittel, die moralische Welt vom Untergange zu retten, als eine Eroberung des erschlafften Europäischen Welttheils durch die Tataren. " Und er spricht geradezu aus , Napoleon könne sein Urtheil in der Geschichte als Feldherr und Politiker nur von seinem Betragen in dieser Angelegenheit erhalten.
Denn derselbe Autor
sah mit dem Sturze Englands den Beginn einer besseren Zeit ; die Schaffung einer Universalmonarchie durch Napoleon, vielleicht durch verschwägerte Fürstenhäuser unter einem Familien - Oberhaupte regiert, Freiheit der Meere, Aufhören der Kriege, Einführung von Congressen, Abschaffung der stehenden Heere u. s. w. Man sieht, wie sich die Idee einer Landung in England mit den politischen Gefühlen des Continents verkörpern, wie sie als ein Stück Weltgeschichte als Weltgericht, ein Act providentieller Gerechtigkeit erscheinen konnte ; und wie Mancher im Ganzen lieber die Früchte von Englands jahrhundertelanger Arbeit höchst einfach mit einem Schlage zertrümmern, als sich zur Anbahnung eines Versuchs der Nacheiferung und Concurrenz aufraffen wollte. Kaiser Franz II . aber sagte in richtiger Voraussicht der Zukunft
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
im Juni 1803 zum Französischen Botschafter, pagny :
Herrn von Cham-
Wenn Bonaparte die Landung nicht zu Stande bringt , so
wird er über uns herfallen und England in Deutschland schlagen. "
Man discutirte auch bereits das Schicksal Englands nach gelungener Landung.
Napoleon, hiesz es , würde nicht, wie Wilhelm
der Eroberer , den Schwerpunkt seines Reiches nach England verlegen ; er würde einen König , vielleicht aus der älteren Braunschweigischen Linie , hinsetzen ;
die Regierung würde sich nicht
unterwerfen, sondern nach Ost - Indien auswandern ; in gleicher Weise würde sich Heer und Flotte theilen ; die Nationalschuld könnte nicht mehr bestehen, Irland käme auf gleiche Stufe mit England u. s. w. Freilich gab es andererseits wieder Stimmen , welche die Landung von einem nüchternen Standpunkte aus und mehr der damaligen Politik der Deutschen Länder angemessen betrachteten , Solche, welche sie für unausführbar hielten, aber damals wohl sehr Wenige, in Frankreich gewiss Niemand, der nicht an die ernstlichste Absicht Napoleon's geglaubt hätte. Jedenfalls war in England Alles von Napoleon's Absicht vollständig überzeugt, und wenn man auch anfangs höchstens eine Landung mit 25,000 bis 30,000 Mann für möglich und die Diversion auf Irland für das Gefährlichste gehalten hatte, so ergriff doch mit den groszartigen Rüstungen und den glücklichen Gefechten der Flottille ein Taumel wahnsinniger Angst das ganze Land .
Plötzlich trat
Jedermann ins Bewusstsein, dass man kein ebenbürtiges Heer, keine Festung besäsze, dass am Ende „ Englands Eichenherzen und hölzerne Wälle ", die altbeliebte Phrase von Dichtern und Parlamentsrednern, doch nicht genügend seien, den drohenden Schlag abzuwehren. Es wurden denn auch die gröszten Anstrengungen gemacht , und Napoleon hatte wohl Recht, als er sagte, seine Drohung habe ihm fast nichts, den Engländern aber enorme Summen gekostet. Die Armee, die 1792 nur 70,000 Mann zählte, wurde nach und nach auf 150,000 Mann, die Flotte auf beinahe 500 Fahrzeuge, worunter 140 Linienschiffe, und 800 Kanonenboote gebracht. leicht sehr ungerechtfertigt überhäufte Napoleon diese
Viel-
„ levée en
masse" im „ Moniteur" mit ironischen Bemerkungen . Strand-Batterien wurden gebaut, London mit Feldverschanzungen umzogen, bei Dover, in Kent und Sussex Lager errichtet , die strengste Bewachung des Canals angeordnet, ein Signalsystem längs der Küste organisirt und fahrende Infanterie bereit gehalten. Inzwischen hatte der Krieg zur See seinen Fortgang ; allein hier lächelte in den kleinen Neckereien und Raubzügen den Franzosen
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
mehrmals das Glück; und von allen Zerstörungsversuchen gegen die Flottille in Boulogne war nur der einzige des Engländers Hammond Ende Mai 1805 von einem geringen Erfolge gekrönt. Am energischsten und auch am glücklichsten aber betrieb England seine Vertheidigung auszer durch Erregung innerer Verlegenheiten für Napoleon durch die unaufhörlichen Versuche zur Bildung der dritten Coalition ; die continentalen Mächte lieszen sich überreden, um England zu retten, die eigene Haut zu Markte zu tragen . Im Februar 1805 verlangte Pitt fünf Millionen Pfund , um die Anstrengungen der Staaten des Continents gegen Frankreich zu unterstützen. über
Der „Moniteur " vom 1. März ist voll undelicater Ergüsse
solche „ Bestechung" ;
wie seiner Zeit Napoleon's Rede
vom
21. Februar 1803 im corps législatif mit der Phrase : „ Seule - d. h. ohne Alliancen l'Angleterre ne saurait aujourd'hui lutter contre la France " in England dergleichen Entrüstungssturm hervorgerufen hatte.
(Mon. 7. Juni 1803.)
Mit dem Anfange des Jahres 1805 traten die Ereignisse in ein neues Stadium .
Schweden schloss mit England einen Allianzvertrag,
dagegen trat Spanien auf Frankreichs
Seite, was Napoleon durch
die Verfügung über die maritimen Streitkräfte dieses Landes in seinen Plänen wesentlich unterstützte .
Der Vertrag vom 4. Januar 1805
zwischen Spanien und Frankreich überlieferte Napoleon 30 bis 35 Kriegsschiffe mit etwas Landtruppen. sächlich nur 24 ,
Freilich stellte Spanien that-
und diese in schlechtem Zustande.
Merkwürdig
genug erklärte Napoleon , dem Könige von Spanien erst später zu sagen ,
wo er denn eigentlich dessen Streitkräfte zu
verwenden
gedächte . In Frankreich selbst waren alle Vorbereitungen seit 1804, theilweise sogar schon seit Ende 1803 vollendet.
Im Frühjahre 1804
waren die Lager nach Ostende, Dünnkirchen und Boulogne vorgeschoben worden.
1805 standen sechs Corps bereit ; davon das 1.
in Hannover, das 2. in Holland , das 3. , 4. , 5. und 6. in Dünnkirchen, Calais, Ambleteuse, Boulogne und Montreuil ; ein weiteres, nach Irland bestimmtes , in Brest.
Reserven sammelten sich in Amiens,
Arras, St. Omer. Boulogne aber blieb der wichtigste Punkt ; hier und in den nahegelegenen Häfen Etaples, Wimereux und Ambleteuse sollte die ganze Flottille zur Ueberfahrt versammelt werden, denn nur dort konnten Häfen für die Aufnahme aller dieser Fahrzeuge geschaffen werden, und nur hier vereinigte sich die kleinste Entfernung von acht bis
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
zehn Seemeilen mit dem gegen die Canal - Winde am meisten geschützten Abgangsorte an der Westseite des Cap Grisnez. Die längs der Küste vertheilten Corps
bildeten
eine grosze
Armee mit eigens formirtem Generalstabe und es hatte jedes seinen eigenen Artillerie - Park , die ganze Armee aber einen Général en chef der Artillerie .
Im Allgemeinen bestand jedes Corps aus zehn
Halb-Brigaden, welche nur zwei ihrer drei Bataillone zu je 1000 Mann formirt hatten, zwei Cavallerie- und vier Dragoner-Regimentern. Dazu traten 24 Artillerie-Compagnien zu Fusz und 12 zu Pferd, ein halbes Pontonnier- Bataillon, ein Sappeur-Bataillon und zwei Mineur-Compagnien, sowie eine Cavallerie-Reserve.
Die ganze Armee
zählte 120,000 Mann Infanterie, 8000 Mann Cavallerie, 8000 Mann Dragoner, 450 Feldgeschütze mit 7400 Pferden. Sie war eingetheilt in Vorhut (Lannes). Haupttreffen mit rechtem Flügel (Davoust) , Centrum (Soult) mit der Garde und linken Flügel (Ney) ,
endlich Reserve (Dragoner, eine Italienische Division und
Nansouty's Reiter).
Eine Division von 8000 auserlesenen Grena-
dieren, von Junot bei Arras errichtet , sollte auf einem Theile der raschen, von ihnen geruderten Kähne (péniches) die Ehre haben, zuerst den Fusz auf Englischen Boden zu setzen. Dies war die Invasions-Armee ; und für diese, nebst einem ungeheueren Kriegsmateriale , war in 1/2 Jahren eine Flottille von über 2000 kleinen Fahrzeugen mit 5000 Geschützen an Bord, theils neu erbaut, theils zum Zwecke der Expedition hergerichtet worden . Eine kaum lösbar scheinende Aufgabe war es, Ordnung in diese ungeheuere Anzahl von Schiffen zu bringen ; sie wurde bewunderungswürdig, aber allerdings erst im Laufe langer Zeit gelöst.
Zu Grunde
lag das Fassungsvermögen der Boote und Schaluppen mit einer Infanterie- Compagnie zu 100 Mann, das der Kähne zu zwei Drittel einer Compagnie.
Der für die Truppen im engeren Sinne bestimmte
Theil von 882 Schiffen war entsprechend der Ordre de bataille von der Compagnie
bis
zum Armeecorps hinauf eingetheilt in 8 Es-
cadrillen und 19 Divisionen mit je 18 Kanonenbooten, 14 Divisionen mit je 18 Kanonenschaluppen und 16 Divisionen mit je 18 Kähnen, so dass eine Division der Halb- Brigade, eine Section zu neun Fahrzeugen dem Bataillone entsprach. Auszer den 1200 Fahrzeugen der eigentlichen Kriegsflottille hatte man an 1000 angekaufte Handelsschiffe zu einer Transportflottille vereinigt und in Divisionen denen der Kriegsflottille zugewiesen. Diese Transportflottille trug auszer der Mehrzahl der Pferde 14 Millionen Infanterie- und 90,000 Geschütz- Patronen, 32,000 Reserve-
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
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Gewehre, 30,000 Stück Werkzeuge, 11,000 Dragoner- Sättel für Englische Pferde, 112 Millionen Portionen Zwieback u . s. w.
Jede In-
fanterie- Compagnie hatte auszerdem 12 Stück Werkzeug bei sich. Mit bewunderungswürdiger Sorgfalt war von Napoleon selbst Alles bis ins kleinste Detail geregelt worden.
Jede Abtheilung bis
zur Compagnie hinab erhielt eine Anzahl Transportfahrzeuge mit ihren Nummern bleibend zugewiesen, die Ausrüstung jeder einzelnen Gattung Fahrzeuge, die Pferdecompetenzen der Stäbe und die Unterbringung der Pferde war von Napoleon genau bestimmt. Jede Schaluppe hatte drei bis vier 24 - Pfünder und zwei bis drei kleine Stücke, jedes Boot einen 24 - Pfünder mit 200 Schuss als Armirung. Ein Boot führte z. B. nach Napoleon's Angabe auszer der InfanterieCompagnie und einigen Artilleristen 14 Tage Lebensmittel , 1 Feldgeschütz mit 200 Schuss , 27 Reserve - Gewehre , 30 Bajonnete , 27 Stück Werkzeug ,
12,000 Infanterie - Patronen ,
Portionen Zwieback ,
8
Kessel ,
1500 Steine , 1200
8 Feldflaschen ,
Branntwein , 50 Mann Schiffsbedienung ,
1200 Portionen
2 Pferde mit fünftägiger
Fourage u . s. w. Zur Schaffung dieser Flottille, zur Erzeugung und Bereitstellung des ungeheueren Kriegsmaterials war freilich eine Riesenarbeit nöthig gewesen, und es war auch die Küste von Zeeland bis zur SeineMündung seit dem Frühjahre 1803 eine ununterbrochene Werkstätte, ein fortlaufender Eisengürtel.
Denn nicht mindere Sorgfalt wurde
auf die Sicherung der Küsten und Häfen,
auf die Errichtung von
Strand-Batterien, mit 500 bis 600 Geschützen und Mörsern armirt, gegen Offensiv - Gelüste der Engländer verwendet.
50,000 Arbeiter
waren unausgesetzt beschäftigt gewesen, und auch der Armee gab Napoleon den Spaten in die Hand , um neben den Waffenübungen an dem groszen Werke mitzuhelfen.
Bei Etaples und Boulogne
wurden mit unendlichen Schwierigkeiten tiefe Küsteneinschnitte und Hafenausbaggerungen zur Aufnahme der in allen Häfen und FlussMündungen Hollands und des Canals gebauten Fahrzeuge der Flottille angelegt ; in Ambleteuse die seit Ludwig XVI. unterbrochenen Hafenarbeiten wieder aufgenommen. Es wurden hierzu groszartige Schleusen gegraben, von Etaples nach Boulogne eine neue Strasze gebaut , alle Häfen und Fahrwässer neu vermessen, Versuche über die Geschwindigkeit der Flottille, die eingehendsten Beobachtungen über die meteorologischen Verhältnisse des Canals angestellt, um die Ueberfahrt durch kein unvorhergesehenes Ereigniss erschweren zu lassen. Schieszübungen auf Zielschiffe wurden vorgenommen ; die Mannschaft der Invasionsarmee lernte schwimmen, rudern, die Bedienung der Schiffe
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
und ihrer Geschütze ; die Flottille bildete ein Signalwesen für Landung und Kampf aus ; die Matrosen wurden zu Infanteristen ausgebildet ; von jeder Infanterie-Compagnie waren im Wechsel ständig 25 Mann an Bord . Alle Truppen waren der Länge der Häfen nach dislocirt , so dass sie nicht mehr als 1 Kilometer zu ihren Schiffen hatten und in längstens 11
Stunden vollständig eingeschifft sein
konnten. Hierbei selbst die Pferde inbegriffen, welche durch Hebzeuge von den Raen aus in die Schiffe befördert wurden . Seit dem Sommer 1803 fanden fortwährend Uebungen im Ein- und Ausschiffen statt , in stetem Wechsel und zwar selbst bei Nacht manöverirten 100 bis 150 Schiffe in offener See. Um all diese Details überwachen zu können,
hatte sich Na-
poleon in Pont de Briques bei Boulogne ein ständiges Quartier einrichten lassen und kam von Paris aus häufig auf einen Tag dahin. Auszerordentlich schwierig war die Vereinigung der Flottille bei Boulogne.
Die Engländer hatten nicht verfehlt, hierauf zu lauern
und die Küstenfahrt zu stören . hierbei ihre Manöverirfähigkeit ,
Indessen stählte die Flottille gerade die Landtruppe ihr Vertrauen zu
dem fremden Elemente , und die Flottille vereinigte sich ohne nennenswerthe Verluste. Um ihr übrigens bei einem Angriffe beispringen zu können, war seit dem October 1803 die ganze Küste der Normandie, Bretagne und Vendée durch mobile Cavallerie - Detachements , mit Artillerie . versehen, bewacht, wovon die Cavalleristen die Geschütze bedienen lernen mussten . Am 5. October 1803 wurde eine Compagnie des guides interprètes von 5 Offizieren,
112 Unteroffizieren und Gemeinen formirt,
welche laut Napoleon's Decret werden sollte.
à l'armée d'Angleterre " verwendet
In England gewohnt haben, Englisch sprechen, und
Franzose oder Irländer sein , waren die Bedingungen zur Aufnahme. Um endlich die Demonstrationen zur See behufs Fernhaltung der Englischen Flotte zu unterstützen, sollte Marmont, der in Holland stand , Proviant auf sechs Monate und Lootsen an Bord nehmen , welche in den Schottischen Gewässern bekannt waren , um auch seinerseits eine Landung in Irland zu fingiren. So hatte Napoleon in unermüdlichem Eifer bis zum Juni 1805 die gewaltige Expedition aufs Beste vorbereitet.
Freilich hatte das
ganze Land in auszergewöhnlichem Enthusiasmus dazu beigesteuert. Alle Departements , viele Städte und Private hatten zusammen 40 Millionen Francs für die Flottille gezeichnet. Aehnlich die Italienische Republik .
Die Pariser sahen allein an 100 Boote im Bau.
Der
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
Enthusiasmus des Französischen Volks hat sich überdies in einer Reihe von poetischen Erzeugnissen über die Landung verkörpert. 132,000 Mann und 15,000 Pferde waren bereit, in Zeit von zwei Stunden eingeschifft zu sein und zehn Stunden später --- weil wegen des Auslaufens zwei Fluthwechsel abgewartet werden mussten auf Englischem Boden zu stehen .
Hierzu stiesz dann noch das Ge-
schwader von Brest mit 15,000 und das vom Texel unter Marmont mit 24,000 Mann . Um nichts zu versäumen und dem Kriege mit England den Charakter eines heiligen zu geben, hatte sich Napoleon sogar um den Beistand des Himmels bemüht ; denn er hatte schon am 7. Juni 1803 den Cardinälen befohlen, für den glücklichen Erfolg beten zu lassen ; ein auch deshalb merkwürdiges Decret, weil er in ihm zum ersten Male, 12 Jahre vor Gründung des Kaiserreichs , die Anrede „ Citoyen" mit der „ Monsieur" vertauscht. Zahlreiche Gefechte hatten inzwischen die Tüchtigkeit der Flottille aufs Glänzendste erprobt.
So schon im August 1801 gegen
Nelson selbst , dann beim Bombardement von Calais im September 1803 , am 26. August 1804 bei Boulogne, wobei sich Napoleon in einem Boote der gröszten Gefahr aussetzte ; endlich im Juni 1805 Ueber letztere Affaire schrieb Napoleon sehr vergnügt an Decrès ; er vergleicht seine kleinen Schiffe mit Tirailleurs und bei Fécamp .
bedauert sehr, wegen der Schwierigkeit des Geschosshebens keine schwereren Caliber als 36- Pfünder verwenden zu können .
Jedenfalls haben alle diese Gefechte die beabsichtigte Täuschung über die wahre Bestimmung der Flottille aufs Beste unterstützt. Die von der Armee so heisz ersehnte Zeit der Expedition , der August 1805 nahte heran.
Sowohl wegen der maritimen Verhält-
nisse, als auch wegen des Unterhalts der Truppen war dies der günstigste Monat.
Napoleon hatte allerdings die Landung ursprüng-
lich schon 1804 ausführen wollen.
In Bezug auf das Geschwader
in Brest bot am Ende auch der Winter gewisse Chancen.
Ob aber,
wie Thiers anzunehmen scheint, und auch die erwähnte zweifelnde Richtung hervorhebt, Napoleon die Expedition schon von Ende 1803 ab hätte antreten können, muss im Hinblicke auf die 2000 Schiffe der Flottille und alle die unzähligen Vorbereitungen sehr in Frage gestellt werden.
Schlieszlich musste er sie wegen Heer und Flottille ,
wegen immer neuen Verbesserungen und Sicherungen des Erfolges, dann wegen der von England unterstützten Verschwörung von Georges
Cadoudal und
Pichegru ,
endlich in Folge des Todes des
Admirals Latouche - Fréville (August 1804) nach und nach bis auf
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Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
den August 1805 verschieben .
Schon im Januar 1805 war an alle
Corpsführer ein Schreiben Berthier's ergangen, alle Urlaubsbewilligungen hätten aufzuhören, Alles habe sich bereit zu halten. Napoleon selbst wollte vom 13. August ab in Boulogne des durch seine Flotte zu gebenden rechten Moments warten, und traf thatsächlich schon am 3. September in Pont de Briques bei Boulogne ein . zahllose Material war längst eingeschifft ;
All das
ebenso ein Theil der In-
vasionsarmee, so dass z . B. Marmont , dessen Corps auf groszen Schiffen übersetzen sollte, also nicht so rasch einzuschiffen war, mit seinen Truppen sechs
Wochen zu
Schiffe zugebracht hat.
Alles
harrte des Befehls zur Abfahrt, als die politische Lage Europa's und die missglückten Operationen der Französischen Flotte die Armee statt über den Canal plötzlich an den Rhein beriefen. Es erscheint nunmehr geboten, einen Blick auf diese Verhältnisse zurückzuwerfen ,
ohne jedoch dabei in Details
einzugehen,
welche mit der projectirten Landung nicht direct zusammenhängen . Wie bereits erwähnt , sollte die Französische Flotte nach einem, wegen verschiedener
widriger
Umstände mehrfach
abgeänderten
Plane sich auf dem Wege der Demonstration auf einige Tage zum Herrn des Canals machen, um die Ueberfahrt zu ermöglichen.
Zu
diesem Zwecke sollten sich 40 bis 50 Kriegsschiffe durch geschickte, von Napoleon vorgezeichnete Manöver von Toulon, Rochefort, Cadix und Ferrol aus in Martinique vereinigen .
Sie sollten mehrere Eng-
lische Colonien wegnehmen, die Französischen verproviantiren und sicher stellen, zu welchem Zwecke sie Landtruppen in beträchtlicher Anzahl mit sich führten ; auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Engländer gänzlich von Europa ab und auf ihre überseeischen Besitzungen lenken , plötzlich dann nach Europa zurückkehren , die blockirten Spanischen und Französischen Häfen deblockiren , die mannigfach zerstreuten Kriegsschiffe in Cadix, Ferrol u . s. w. an sich ziehen, nach Brest segeln, auch dies deblockiren und dann vor Boulogne erscheinen.
Es war kein Zweifel, dass beim Gelingen der
Täuschung über die wahre Absicht im Canale eine beträchtliche Ueberlegenheit über die auf allen Meeren zerstreute Englische Flotte erzielt werden würde. Man durfte hoffen, daselbst 72 Kriegsschiffe gegen 40 Englische zu vereinigen. Napoleon hat sich diesen Operationen in allen Details mit nicht minderer Sorgfalt gewidmet ; aus jedem seiner Schreiben an die Admirale und den Marineminister spricht der Hinweis auf die hohe Wichtigkeit derselben und sein glühendes Verlangen , das
Unter-
nehmen gelingen zu sehen, und wenn naturgemäsz seit Mitte 1804
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das historische Material in Bezug auf die beinahe fertig gestellte Flottille inhaltsärmer wird , so ersetzt sich dieser Ausfall reichlich durch Napoleon's unermüdliche Fürsorge für die Operationen seiner Flotte. Admiral Missiessy lief auch am 4. Januar 1805 mit Landtruppen unter Lagrange von Rochefort aus und war Anfang Februar in Martinique ; Admiral Villeneuve, mit Landtruppen unter Lauriston, ebenso am 18. Januar, war aber, durch Sturm nach Toulon zurückgeschlagen, erst Mitte Mai in Martinique . schwader nicht.
So trafen sich beide Ge-
Die Englische Flotte unter Nelson, durch die Truppen an Bord der Französischen, durch gleichzeitige Truppenconcentrationen unter St. Cyr in Neapel und durch eine untergeschobene Depesche gänzlich irregeführt, fasste Besorgniss für Malta oder Aegypten, segelte bis an den Nil und fand erst dann die wahre Spur des Feindes. So gewann Villeneuve, der am 28. Mai wieder von Martinique abfuhr, vor Nelson drei Wochen Vorsprung. Er steuerte gegen Europa, bestand am 21. Juli ein wenig glückliches Treffen gegen den Englischen Admiral Calder, ging nach Cadix und stach am 14. August wieder in See . Nun aber kehrte er, während Lauriston an Napoleon die Abfahrt nach Brest meldete, entgegen seinen positiven Instructionen, nach Cadix zurück, hiermit die ganze Unternehmung gegen England illusorisch machend. In einem Briefe an Decrès hatte er es als wahrscheinlicher dargestellt, zur Rückkehr nach Cadix gezwungen zu werden .
Freilich hatte Nelson auf seiner Rückkehr von
Westindien die wahre Sachlage durchschaut und seine Aviso's waren schon Mitte Juli an Englands Küsten ; es besteht auch gegründete Vermuthung, dass zweimal, im September 1804 und Juni 1805 , Depeschen Napoleon's
mit
ausführlichen
Instructionen
in Englische
Hände gefallen sind ; trotzdem aber wäre das Französische Geschwader, kam Villeneuve, wie bestimmt, in der zweiten oder dritten August-Woche in den Canal, Nelson überlegen genug gewesen, um die Landung dennoch zu sichern . Nach Allem besteht kein Zweifel , dass auch ohne die gleichzeitigen politischen Verlegenheiten Napoleon's die Haltung seiner Flotte die Landung in England vereitelt haben würde . Villeneuve war ein energieloser,
schwankender Charakter und
seit dem Gefechte gegen Calder in höchst unglücklicher Gemüthsverfassung ; die übrigen Admirale scheinen nicht viel besser gewesen zu sein.
Sowohl Missiessy als Villeneuve haben sich herbe Vor-
würfe Napoleon's zu wiederholten Malen gefallen lassen müssen ; so
300
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
schon im October 1804 , weil Napoleon ihr Auslaufen früher gewünscht hätte ; so im Mai 1805 Missiessy, so am 13. und 22. August Villeneuve .
Mehrfach fand es Napoleon nöthig , Villeneuve durch
Appel an seinen Patriotismus anzuspornen, an seinen Hass gegen die Frankreich seit 40 Generationen unterdrückende Nation". Am 29. August, als Alles bereits verloren war, sagt Napoleon in einem Briefe : „Wenn Frankreich zwei oder drei Admirale hätte, die zu 99 sterben wüssten, so sollte England bald klein werden. " ben Napoleon's vom 4.
Das Schrei-
September endlich an den Minister über
Villeneuve's Benehmen nach seinem letzten Auslaufen aus Cadix gieszt über diesen die ganze Fülle der Entrüstung und des Aergers Napoleon's aus .
Villeneuve ist darin als Feigling, als Verräther be-
zeichnet , und Napoleon gab selbst die Beschwerdepunkte für das Kriegsgericht an. Indessen hat thatsächlich in erster Linie die dritte Coalition und nicht Villeneuve's Missgeschick England gerettet.
Je gewisser
in London die Landung erschien, je näher man sie herankommen sah, desto energischer betrieb man Englands bestes Vertheidigungsmittel : einen Krieg Frankreichs gegen Russland und Oesterreich. Napoleon erhielt die ersten Nachrichten von dem drohenden Ungewitter in Mailand Anfang Juni 1805,
als er sich zum Könige
von Italien krönen liesz , kurz vor der Abreise nach Boulogne zur Ausführung der Landung.
Es ist hoch interessant zu verfolgen, wie
er von da ab mit nicht minderer Sorgfalt und mit seiner genialen Ausnützung von Zeit und Raum den Krieg auf dem Continente so zu sagen schon vor seinem Ausbruche gewann, als er zugleich zähe an der Landung festhielt ;
wie er jedes der beiden Projecte be-
nutzte, um seine Gegner über das andere zu täuschen . glaubte er, Beides durchführen zu können.
Lange Zeit
Gelang es ihm, den Aus-
bruch des Continentalkrieges bis 1806, ja vielleicht nur zwei Monate zu verzögern, so konnte das Jahr 1805 London noch fallen sehen ; und andererseits hinderte ihn nichts als etwa die einmal umsonst eingeleitete Demonstration zur See,
die Landung auf den wieder-
erkämpften Frieden mit Oesterreich und Russland zu verschieben. Ja er mochte sogar hoffen, - was Angesichts des in England zu erwartenden Widerstandes
allerdings
eine äuszerst
optimistische Anschauungsweise gewesen wäre ,
gewagte und
im Nothfalle im
August London zu nehmen und bei seiner Rückkehr, etwa Ende September, die strategischen Bedingungen in Süddeutschland immer noch nicht sehr zu seinem Nachtheile gestaltet zu sehen ; zweifeln, ob Angesichts des Falles von London die Verbündeten Lust und
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
301
Energie genug besäszen, den Rhein zu überschreiten. Oder er konnte annehmen, dass er nach wiedererkämpftem Frieden die Waffen Aller gegen das einzig noch feindselig dastehende England würde zwingen können. Als Marmont später in Augsburg äuszerte, es sei doch ein Glück, dass die Expedition nicht stattgefunden habe, antwortete Napoleon : „ Wenn wir in England gelandet, und, wie unzweifelhaft, in London eingezogen wären, so würden die Weiber von Straszburg genügt haben , die Grenze zu vertheidigen."
Jedenfalls hat er in Hinsicht auf seinen bereits gefassten Operationsplan gegen Oesterreich bis zur Grenze der Möglichkeit an der Expedition gegen England festgehalten, lange zwischen den so sicheren Lorbeeren gegen Oesterreich , zwischen seinem Lieblingsprojecte gegen London - allerdings im Erfolge weniger berechenbar - geschwankt , lange beide Eventualität en zugleich im Auge behalten. So war nach gewonnener Kenntniss der Vorgänge in London und Petersburg sein eifrigstes Bestreben, die Coalition, wenn nicht zu verhindern, so doch zu verzögern. 29 Was wollen Sie , " hatte er schon in dem berühmten Briefe an den König von England vom 2. Januar 1805 gesagt, „ was wollen Sie vom Kriege hoffen ? Einige Mächte des Continents coalisiren ? Das feste Land wird ruhig bleiben, eine Coalition würde blos die Continentalgrösze Frankreichs vermehren."
Preuszen sollte sich durch die Verhinderung der Coalition
Hannover verdienen.
Und am 11. August warnt er im „ Moniteur "
England vor Russland im Hinweise auf Constantinopel und Persien, über das herzufallen jenes nur einen Moment der Erschöpfung der übrigen Mächte erwarte. In der officiellen Correspondenz mit Oesterreich weist er immer darauf hin, dass ja seine Heere an der Nordküste, dass sie eingeschifft wären ; und gleichzeitig schreibt er an Talleyrand, er wolle eventuell die dritten Bataillone bei Boulogne lassen und mit 200,000 Mann Ende September im Herzen von Deutschland stehen, ohne dass Jemand eine Ahnung davon habe.
Talleyrand war
übrigens zu
Drohungen gegen Oesterreich ermächtigt , falls es die Expedition hindern wolle.
Dagegen schreibt er noch am 26. Juli an Villeneuve :
Si vous me rendez maître pendant le seul espace de trois jour du Pas-de- Calais , je mettrai un terme aux destins et à l'éxistance de l'Angleterre. "
An denselben noch am 22. August : „Alles ist bereit,
England ist unser ; kommen Sie nur auf 24 Stunden, und Alles ist beendet. " Am selben Tage erhielt er Lauriston's Meldung von der 20 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine . Band XXVIII.
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 .
302
Abfahrt nach Brest ; sofort liesz er die ganze Armee einschiffen und nahm sein Quartier selbst auf einem Boote. Kurz darauf sollte Villeneuve's Brief an Decrès diese ersehnte Gewissheit erschüttern. Am 23. August schreibt Berthier an Marmont : „Kommt die Escadre, so wird die Expedition unverzüglich ausgeführt ; kommt sie nicht, so geschieht es ein anderes Mal. " 24 Stunden nach erhaltenem Befehle sollte Marmont im Marsche nach Mainz sein , da der Kaiser möglicherweise gegen Oesterreich losschlagen müsse ; im Frühjahre aber werde Marmont wieder in Holland stehen. Am gleichen Tage schrieb Napoleon an den König von Preuszen, er werde an den Rhein marschiren, falls Oesterreich ihn dazu zwänge. Und noch am selben Tage leitete Napoleon die ersten Truppenbewegungen ein. Am 24. August erhielt die Invasionsarmee Befehl , die Ausschiffung vorzubereiten, am 29. setzte sie sich in Marsch ; am 25. war der Vertrag mit Bayern abgeschlossen worden. Am 31. August und 1. September heiszt es : „ Meine Escadre ist nach Cadix zurückgekehrt , die grosze Armee ist im vollen Marsche , in Boulogne ist nichts mehr."
Man sieht , wie lange Napoleon
seit Anfang Juni wusste er
um Russlands feindselige Absichten
, wie er bis zur halben Ge-
wissheit über Villeneuve's Rückkehr nach Cadix , und bis zu den unzweifelhaftesten Nachrichten über die drohende Gefahr von Seite Oesterreichs , d . h. bis etwa zum 23. August an der Landung festSeine damalige Umgebung weisz trefflich zu schildern , in
hielt.
welch fieberhafter Aufregung er die Tage vom 16. bis 22. August an der Küste des Canals zubrachte und mit steigender Sehnsucht das verabredete Signal von Villeneuve's Ankunft erwartete .
Und
noch in Ulm , nach Mack's Capitulation, sagte er in seiner Proclamation : „ Soldaten, ohne diese Armee, die vor euch steht, wären wir heute in London, hätten sechshundertjährige Beleidigungen gerächt und den Meeren ihre Freiheit wiedergegeben. " Nach diesen Schilderungen sei es gestattet , nochmals auf jene Auffassung des Unternehmens zurückzukommen, welche Napoleon's ernstliche Absicht hierbei läugnet.
Ihr Gedankengang ist in Kürze
folgender : Napoleon fühlte seit Anfang 1803 die Landung in England nicht nur als Nothwendigkeit seiner äuszeren, sondern auch seiner inneren Politik. Ein kühnes , in der Geschichte beispielloses Unternehmen mit groszartigem Erfolge
sollte ihm den Weg zum
Throne ebnen, oder aber die Drohung an England eine continentale Coalition, eine grosze Gefahr für Frankreich herbeiführen, um sich so als Staatsoberhaupt unentbehrlich machen zu können. Als er die
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
303
Krone ohnedies errungen, fiel das subjective Motiv zu dem immerhin gewagten Unternehmen weg.
Trotzdem dürstete er nach weiteren,
sicheren Lorbeeren, und um Frankreich und Europa das Aufgeben der Expedition als auszer ihm liegend erscheinen lassen zu können , bentitzte er sie als Pression und groszartige Demonstration zu Gunsten einer dritten Coalition .
Darum setzte er alle Vorbereitungen mit
äuszerster Consequenz und mit meisterhafter, beispielloser Täuschung bis zum endlichen Ausbruche des Continentalkrieges fort ; darum spielte er als Alleinträger des Geheimnisses seine Rolle in nie erreichter Grösze bis zu jenem dramatischen Schlusseffecte in Boulogne.
So wird es erklärt , dass aus dem gesammten historischen
Materiale, aus allen Berichten und Correspondenzen seiner Generale, Minister und Admirale nichts als die feste Ueberzeugung , nirgends auch nur der Schatten eines Zweifels an Napoleon's ernstlicher Absicht hervorleuchtet.
Jene zweifelnde Richtung aber erklärt weiter,
Napoleon's Thätigkeit für die Expedition sei seit seiner Krönung erlahmt ; absichtlich habe er innere Frictionen in die Vorbereitungen gelegt, um die Landung seinen geheimen Plänen gemäsz verschieben zu können ; so namentlich die Ernennung des kränkelnden LatoucheTréville zum Admiral für Toulon, dann des energielosen Villeneuve. Die keineswegs sicheres Functioniren garantirenden Combinationen zur See, Villeneuve's Verbleiben im Commando, der Widerspruch in Villeneuve's und Lauriston's letzten Meldungen aus Cadix, die Einverleibung von Genua in den Französischen Staat am 4. Juni 1805, und damit verbunden die Voraussicht eines unvermeidlichen Continentalkrieges dies Alles spräche gegen eine ernstliche Absicht. Wenn diese Auffassung die richtige ist, dann sind allerdings an tausend bezügliche Schreiben Napoleon's nur ein, freilich etwas mühsames, Gaukelspiel gewesen ; dann war ein gut Theil der so eingehenden und kostspieligen Vorbereitungen, die sich keineswegs nur auf das Jahr 1803 erstrecken, selbst bei dem geheimen Aufgeben des Planes überflüssig ; dann bedurfte es wahrlich der groszen, unermüdlich und energisch betriebenen Demonstrationen zur See nicht ; denn vor Allem hat Napoleon mit Bewusstsein Frankreichs Flotte dem Schicksale von Trafalgar in die Arme geführt. Bemerkenswerth ist, dass sich selbst in Napoleon's Memoiren nicht die geringste Andeutung dieser in der Geschichte an Groszartigkeit jedenfalls einzig dastehenden strategischen Demonstration zu Gunsten eines Feldzuges im Sinne jener zweifelnden Richtung finden lässt ; und ebenso bemerkenswerth, dass Napoleon's neuester Geschichtsschreiber, Lanfrey, der jenen Zweifel an der ernstlichen Absicht bei früheren Schrift20*
304
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805.
stellern wohl kennt und würdigt ,
seinerseits demselben durchaus
keine Existenzberechtigung zugesteht, und die beregten Widersprüche auf eine für Napoleon's strategische und politische Weisheit keineswegs schmeichelhafte Weise, aber durchaus auf dem Boden der reinen Ueberlieferung löst. Es ist hier nicht beabsichtigt, näher auf die Motive des Zweifels einzugehen, als es gelegentlich bereits geschehen ist.
Indessen muss
zugestanden werden, dass das Argument bezüglich Genua's ein beSeine Reise nach Mailand hat Napoleon achtenswerthes bleibt. selbst als eine Demonstration zu Gunsten der Landung bezeichnet, als ein glückliches Mittel, die Engländer noch mehr Schiffe ins Meer streuen zu lassen , die Einverleibung von Genua als einen , ausSollte schlieszlich gegen England gerichteten Schlag betrachtet. aber auch sie eine grosze Demonstration zu Gunsten der Landung sein, so hat er damit der Duldsamkeit Oesterreichs etwas zu viel zugemuthet, und mit Bezug auf den Erfolg, was aber kaum zu constatiren ist, in diesem Sinne einmal falsch gerechnet. Und was die historisch heikler und schwieriger als irgend eine andere discutirbare Personalfrage Villeneuve's betrifft, so ist es Thatsache, dass dieser zehn Tage nach jenem so höchst missgünstigen Schreiben Napoleon's neue Instructionen erhielt. einmal Villeneuve der Nachwelt
Warum hat nicht
eine Rechtfertigung seines Ver-
haltens hinterlassen, wenn diese nöthig war ?
Thatsächlich hat Na-
poleon jenem Schreiben beigefügt , es wäre ihm lieb , wenn es für Villeneuve eine Entschuldigung gäbe, die sich auch fand in Gestalt von Sturm, Nebel , schlechtem Zustande der Schiffe , hauptsächlich aber in den Maasznahmen Nelson's und in den eindringlichen Vorstellungen Decrès' über die Unvermeidlichkeit eines Misserfolges zur See und die mehr als je zu Tage getretene Waghalsigkeit des ganzen Unternehmens. Und Napoleon mag wohl auch ein lediglich nach dem Erfolge urtheilendes Vorgehen gegen ihn mit Rücksicht auf eine Wiederaufnahme der Expedition nach Niederwerfung der dritten Coalition gescheut haben.
Das historische Material lehrt , dass er hieran bis
zur Schlacht von Trafalgar dachte, und es geht dies vor Allem hervor aus den durch Decret vom 30. August und 21. September getroffenen Verfügungen zum Schutze der in Boulogne vereinigten Flottille , welche als leitenden Gesichtspunkt aufstellen , diese für künftigen Gebrauch zu retten. Das Maasz an Sympathie der einzelnen Schriftsteller für Napoleon hat ihnen auch eine ganz
verschiedene Beurtheilung des
305
Napoleon's I. projectirte Landung in England 1805 . Unternehmens dictirt.
Wenn z. B. aus Thiers' Darstellung Nichts
spricht, als glühender Patriotismus und unbedingte Bewunderung der groszartigen Conception, so ist Lanfrey nicht weit davon entfernt, Idee und Vorbereitung der Landung als tollhäuslerische Ausgeburt eines vom Gröszenwahne aus seinen Fugen getriebenen Genie's zu erklären. Unmöglich können wir in unserem Urtheile so weit gehen. Aber in dem Sinne müssen wir Lanfrey beipflichten, dass Napoleon's überreiztes Verlangen nach Englands Demüthigung ihn gegen die von den Zeitgenossen
oft klar
gesehenen
groszen strategischen
Schwächen des Unternehmens blind gemacht hat , und dass der Glaube an die Unfehlbarkeit seines Genie's ihn im Verlaufe der Vorbereitungen noch manchen politischen Fehler dazu begehen liesz . Und wir dürfen mit Lanfrey die Ueberzeugung aussprechen, dass, wie auch bei anderen Gelegenheiten, die Präcision , die strenge Berechnung, die methodische Zähigkeit in der Ausführung die Mängel des Entwurfs verbessert haben würde.
Dies war die projectirte Landung
in England.
Ein Unter-
nehmen, groszartig, wenngleich nicht fehlerfrei im Entwurfe, groszartig in den Vorbereitungen, vereitelt durch Combination unvorherzusehender Umstände.
Ein Unternehmen, das, gelungen, Napoleon's
politische Bedeutung noch auszerordentlich erhöht hätte , und das auch für den militairischen Betrachter eine Fülle von Material in sich birgt.
Ein Unternehmen endlich ,
das eines Manchen Gefühl
nach, und sei er auch kein Franzose, eine Lücke in der Geschichte auszufüllen bestimmt war. Nicht zur Durchführung gelangt , ist es trotzdem nicht spurlos vorübergegangen, und merkwürdig genug , hat gerade jenes Land, gegen das es gerichtet war, nur Nutzen daraus geerntet .
Denn
welcher Engländer könnte läugnen, dass nur der Schatten des Gespenstes von 1805 in den vierziger Jahren einem Robert Peel und Lord Palmerston das Geständniss abpressten , England sei wehrlos dem feindlichen Einfalle preisgegeben, Frankreich könne jeden Augenblick 100,000 Mann landen ?
Dass die Erinnerung an das mehr als
zwei Jahre über England hängende Damokles - Schwert die zahlreichen Befestigungen an Häfen und Fluss - Mündungen hervorgerufen hat, welche im Vereine mit einem systematisch gelegten Netze von Eisen---bahnen und Telegraphen Englands Küsten vertheidigen, und die --auch dem Angreifer die Fortschritte der Technik zu Gute gerechnet doch einer Landung in unserer Zeit ein durchaus verändertes Gepräge verleihen würden .
306
Grundsätze f. d . Dienst der Franz. Artillerie bei Belagerungen nach der
Und so ist denn das Unternehmen, das Napoleon's Ruhm ein Monument auch auf Britischem Boden errichten sollte, dies wenigstens in Einem Sinne geworden, freilich nicht im Sinne seines Urhebers .
XX.
Grundsätze für den Dienst der Französischen Artillerie
bei
Belagerungen
nach
der
„ In-
struction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. Mai 1876 ".
Von Günther, Premierlieutenant im Fusz-Artillerie-Regiment Nr. 15.
Die Einnahme eines festen Platzes kann durch Ueberrumpelung, durch gewaltsamen Angriff, durch Bombardement , durch Blockade oder endlich durch eine Reihe systematischer zusammenhängenden Arbeiten herbeigeführt werden. Letzteres ist der regelmäszige Angriff , die anderen Arten heiszen unregelmäszig und können je nach Umständen einzeln oder in gewissen Verbindungen Verwendung finden. Die Ueberrumpelung wird beim regelmäszigen, dem sogenannten förmlichen Angriffe oft gegen die nicht direct angegriffenen Fronten versucht. Der gewaltsame Angriff wird im Allgemeinen durch ein kräftiges Bombardement eingeleitet aus Batterien, welche auf 1500 bis 2000 Meter Entfernung in der Nacht erbaut und armirt worden sind. Dieselben sind theils directe auf besonders dominirenden Punkten , theils indirecte hinter natürlichen Deckungen .
Ihr Feuer richtet sich
einerseits auf die Front , gegen welche der Angriff statthaben soll, um daselbst die Vertheidigungsanlagen zu zerstören, das Artilleriematerial zu demontiren und den Vertheidiger vom Hauptwalle zu vertreiben ; andererseits werden auch die Sammelplätze für die Reserven unter Feuer genommen. Beim förmlichen Angriffe werden wiederholt , um den Fall der Festung zu beschleunigen, gewaltsame Angriffe gegen die verschiedenen Fronten unternommen werden müssen.
„ Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. Mai 1876 “ .
307
Das Bombardement wird vorzugsweise durch schwere Geschütze durchgeführt und nur einzelne Feld-Batterien werden besonders in der Nacht unter wiederholtem Wechsel ihrer Stellung hierbei zur Beunruhigung des Platzes verwandt.
Von Zeit zu Zeit ist dasselbe
auf einige Stunden auszusetzen, um den Einwohnern Gelegenheit zu geben : beim Commandanten der Festung vorstellig zu werden und einen Druck auf denselben auszuüben . Zur Beschleunigung des förmlichen Angriffes wird das Bombardement gleichzeitig gegen das Innere der Stadt und die Festungswerke gerichtet. Die Blockade geht stets dem förmlichen Angriffe voraus und heiszt alsdann „ Cernirung" Cernirung" .. Das Gros der Truppen des ersten Treffens steht eine in jeder Hinsicht starke Festung vorausgesetzt -3000 bis 4000 Meter von den am weitesten vorgeschobenen Werken ab und sichert sich durch eine Kette von auf 1000 bis 1500 Meter vorgeschobenen Feldwachen, welche Vorposten aussetzen. Die gesammten Aufstellungen sind mit allen Mitteln der Feldbefestigung verstärkt. Hinter dem ersten Treffen stehen auf 8000 bis 10,000 Meter von der Festung ab gleich starke Reserven und lösen beide Treffen sich wechselseitig ab. Obschon alle Kämpfe sich in der Linie des ersten Treffens vermöge dessen groszer Widerstandsfähigkeit abspielen werden, so ist doch stets eine zweite Vertheidigungsstellung mehr rückwärts
zu
schaffen, auf welche im Nothfalle zurückgegangen werden kann . Die Feld-Artillerie wird grundsätzlich hinter der verschanzten Linie aufgestellt, weil sonst ihre Beweglichkeit und Unabhängigkeit leiden würde, und soll nur bei Ausfällen eingreifen.
Ihre Haupt-
aufgabe ist dann : die Straszen und das Terrain unter Feuer zu halten, wo der Feind vorgehen und sich entwickeln könnte.
Wenn
angängig , werden einige schwere Geschütze in Positions - Batterien, die mit Traversen, Schulterwehren und bombensicheren Unterkunftsräumen versehen sind, aufgestellt. Beim förmlichen Angriffe soll
die Belagerungs - Artillerie die
fortificatorischen und artilleristischen Kräfte des Vertheidigers lahm legen und durch Herstellung von Breschen einen Zugang in die Festung bahnen. Unter ihrem Schutze werden die Parallelen und Approchen eröffnet und weiter vorgetrieben. Der förmliche Angriff gegen eine mit detachirten Forts versehene Festung gliedert sich im Allgemeinen in vier Perioden.
Die erste
Periode umfasst die Kämpfe im Vorterrain, um den Vertheidiger aus diesem zu vertreiben .
Je nach der Energie der Festungsgarnison
werden dieselben mehr oder minder häufig und heftig sein .
Ist
308
Grundsätze f. d . Dienst der Franz. Artillerie bei Belagerungen nach der
dieses Zurückdrängen gelungen, so wird eine engere Cernirung eingenommen, von der aus der weitere Angriff gegen die Forts erfolgt. Nach Wahl der Angriffsfront wird je nach Lage und Wichtigkeit der Forts der Angriff auf ein oder zwei Forts , sowie die Collateralforts durchgeführt.
Nach dem Falle der angegriffenen Forts wird ein
directes Vorgehen gegen die Hauptenceinte noch nicht ermöglicht sein, da der Vertheidiger an die Collateralforts seine inzwischen genommene neue Vertheidigungsstellung derart angelehnt hat , dass dieselbe durch jene vollständig flankirt wird .
Es ist daher zunächst,
um dem Flankenfeuer der Collateralforts auszuweichen, erforderlich : ein oder zwei dieser Forts , welche durch die frühere Beschieszung schon bedeutend gelitten haben werden, durch den förmlichen Angriff zu nehmen, welcher um so rascher verlaufen wird , da gegen Flanken und Kehle derselben vorgegangen werden kann.
Gleich-
zeitig wird der Angriff kräftig gegen die Zwischenstellung gerichtet, so dass unmittelbar nach dem Falle der Collateralforts auch diese fallen muss .
Nunmehr wird der Angriff, auf die genommenen Forts
gestützt, gegen die Hauptenceinte weiter geführt. Schon zur Zeit des Friedens müssen alle für eine Belagerung wesentlichen Angaben über die Festungen des Feindes gesammelt Hierzu gehören : Pläne der Stadt und ihrer Werke, Be-
werden.
schreibungen derselben ,
Karten
der Umgegend ,
Festung mit Material und Personal.
Ausrüstung der
Diese Angaben werden vor und
während der Belagerung vervollständigt und berichtigt unter Zuhülfenahme von Zeitungen, Spionen, Parlementairen, Ueberläufern, Gefangenen und endlich dadurch , dass man in der Festung selbst mit Hierdurch wird man einzelnen Personen Verbindungen anknüpft. genau über die Besatzungsstärke , die Disciplin der Truppen , die thatsächliche Geschützausrüstung , die Gesinnung und das Vorhaben der Einwohnerschaft unterrichtet werden können. Recognoscirungen unter Betheiligung einiger Artillerie-Offiziere werden über die Terrainverhältnisse und Gestaltung des Terrains und die etwa zu benutzenden Oertlichkeiten, wonach die Lage der Parks und der ersten Batterien bestimmt wird , Aufschluss geben. Die Befestigungsanlagen ,
besonders diejenigen , welche flankirend
wirken können, Pulvermagazine, bombensichere Schutzhohlräume etc., müssen besonders aufgesucht werden, endlich muss das Caliber, die Zahl und der Aufstellungsort der Festungsgeschütze genau festgestellt werden. Hat die Berennung eines Ortes, dessen Belagerung erfolgen soll, stattgefunden, so wird zunächst unter Einrechnung des Berennungs-
„Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. Mai 1876". 309
corps das Belagerungscorps formirt, welchem Fusz-Artillerie je nach Grösze des voraussichtlich zur Thätigkeit gelangenden Be-
der
lagerungsparks zugetheilt wird . Zum Commandeur der Belagerungs - Artillerie wird je nach Grösze des Corps ein General oder höherer Offizier bestimmt, welcher dem Commandeur des gesammten Belagerungscorps coordinirt ist und jeden Dienst der Artillerie anordnet.
Ihm sind mehrere höhere Offi-
ziere als Stab beigegeben , sowie eine Anzahl Unteroffiziere zum Büreaudienst und als Zeichner. Derselbe wird in der Nähe des Obercommando's einquartiert und führen telegraphische Verbindungen vom Parke und den wichtigsten Batteriegruppen zu seinem Quartiere. Der Parkdirector ist Stabsoffizier, welehem ein oder mehrere Hauptleute zur Unterstützung, sowie das erforderliche Unterpersonal zugetheilt sind. Die Stärke der Belagerungs -Artillerie wird derartig berechnet, dass für jedes Geschütz 25 bis 30 Kanoniere angenommen werden, welche von drei Tagen einen in der Batterie, einen beim Arbeitsdienste und einen im Ruhequartiere zubringen.
Hülfsmannschaften
von der Infanterie werden für die Bedienung der Geschütze nicht requirirt, sondern nur für solchen Arbeitsdienst , der keinerlei technische Vorbildung erheischt. Nach den vorhandenen Angaben
über die Festung kann die
Angriffsfront schon im Voraus während des Friedens annähernd bestimmt werden , ohne dass man fehlerhafte Operationen hierdurch herbeiführen dürfte ;
endgültige Entscheidung wird aber erst
auf
Grund der Recognoscirungen getroffen, die man während der Berennung ausführt. Die Erfordernisse für die Durchführung der Belagerung treffen staffelweise in nachfolgender Reihe ein: Wagen für den Materialientransport von der letzten Eisenbahnstation nach dem Parke . Dieselben sind mit Werkzeug zur Fertigung des Batterie- Baumaterials und mit Schanzzeug beladen.
Bettungsmaterial unter Berücksichti-
gung des etwa an Ort und Stelle vorhandenen Materials ; Schmieden und Werkzeugswagen ; erste Quote an Geschossen, Pulver, Zündungen ; Geschütze nebst Zubehör für die erste Artillerie-Aufstellung ; Vorrathsstärke ; zweite Munitionsquote ; die übrigen Geschütze, welche für die Belagerung designirt sind . Der Haupt-Artilleriepark liegt auf ungefähr 8000 Meter von der Festung ab und zerfällt in den Geschütz- und Wagenpark, den Park für Zubehör-, Ausrüstungs- und Vorrathsstücke, sowie für das Bettungs-
310
Grundsätze f. d . Dienst der Franz. Artillerie bei Belagerungen nach der
material ; den Park für das Schanz- und Werkzeug.
Auszerdem
werden zur Erleichterung des Dienstes Zwischendepots auf 2000 oder 3000 Meter von der Festung angelegt , wo alle etwaigen Erfordernisse für einen vierundzwanzigstündigen Bedarf aufgestapelt sind und deren Bestand aus dem Hauptparke stetig ergänzt wird . Die Hauptpulvermagazine liegen auszer dem Bereiche des Feuers der Festung mit mindestens 200 Meter Zwischenraum von einander. Ihr Fassungsraum beträgt 50,000 bis 100,000 Kilometer. Zwischen den Hauptpulvermagazinen und der zur ersten Artillerie-Aufstellung bestimmten Linie wird ein Munitionspark angelegt, in welchem Geschosse und Cartouschen aufbewahrt und Arbeitsstellen eingerichtet sind .
Auszerdem wird für besonders entfernte Batterie-
gruppen noch die Anlage besonderer Munitions - Zwischen- Depots für Geschosse und fertige Cartouschen erforderlich. Für die Verausgabung des täglichen Bedarfs und
zur
Aus-
besserung des Materials wird ein sogenannter „kleiner Park ", wenn angängig ,
in der Nähe eines gröszeren Dorfes angelegt , dessen
Häuser als Reparaturwerkstätten und zur Unterbringung der dem Parke Zugetheilten benutzt werden. Die Fertigung des Batterie-Baumaterials findet nicht an einer bestimmten Arbeitsstelle statt, sondern es wird jeder Truppe die täglich zu liefernde Quote befohlen und von dieser da angefertigt , wo es ihr am bequemsten, um durch den mehr oder minder weiteren Marsch zu einer allgemeinen Arbeitsstelle die Mannschaften nicht zu ermüden und an Zeit zu sparen . Sobald der Vertheidiger aus dem Vorterrain vertrieben, werden die Batterien der ersten Aufstellung hinter der Cernirungsstellung auf Entfernungen zwischen 2000 bis 3000 Meter erbaut.
Ihre Ar-
mirung besteht aus Geschützen des schwersten Calibers, über welches der Angreifer verfügt, welche die Kräfte des Vertheidigers vor Eröffnung der eigentlichen Angriffsarbeiten lähmen sollen ; auszerdem werden einige Feldgeschütze zum Schutze gegen Ausfälle hier verwandt.
Die Aufgaben dieser ersten Batterien können verschiedener
Art gelöst werden, indem sie als Bombardements - Batterien den Fortgang der Armirung und den regelmäszigen Dienstbetrieb in der Festung stören, wichtige militairische und städtische Bauten, Unterkunftsräume der Besatzung unter Feuer nehmen, oder indem sie als Demolir - Batterien in dominirenden Aufstellungen die Flankirungsanlagen, die casemattirten Reduits, Pulvermagazine etc. zu zerstören suchen, oder indem sie als Demontir- Batterien die Wallgeschütze und Anschluss-Batterien direct bekämpfen , oder endlich indem sie als
„ Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. März 1876 ".
311
Enfilir - Batterien einzelne Festungslinien oder wichtige Communicationen der Länge nach bestreichen. Einzelne Batterien werden diese
Aufgaben
nach einander,
selbst
gleichzeitig durchzuführen
vermögen. Es ist sehr wesentlich, die Bauplätze für die Batterien der ersten Artillerie- Aufstellung auf einem leicht zugänglichen Terrain zu wählen, um ihre Versorgung zu erleichtern, und dieselben gruppenweise zusammenzulegen, um die Resultate einer Batterie möglichst für das Gesammtfeuer der Gruppe auszunutzen, ohne dieselben zu dicht zu gruppiren.
Bei einzelnen Batterien ist möglichst darauf zu rück-
sichtigen, dass sie während der ganzen Belagerung in Thätigkeit verbleiben können.
Alle vorhandenen natürlichen Deckungen sind
thunlichst für die Batterien zu verwerthen, und werden diese, so weit durchführbar, als versenkte Batterien für vier oder sechs Geschütze erbaut, welche möglichst solid mit sieben bis acht Meter Brustwehrstärke und erforderlichen Falls mit durchgehender Traversirung hergestellt werden.
An den Flügeln jeder Batterie werden Unterstände
angelegt und erhält jede Batterie zwei Pulverkammern. Ehe die Batterien und ihre Apparate fertig gestellt sind, werden die Geschosse -- 150 bis 200 für jedes Geschütz ― in die Batterie gebracht, dann die Cartouschen und das Zubehör .
Die Armirung er-
folgt erst in den letzten 24 Stunden vor Eröffnung des Feuers , um die Geschütze nicht unnöthig zu exponiren ; nur bei ganz verdeckt gelegenen Batterien, oder wenn die Armirung innerhalb der angeführten Zeit Schwierigkeiten irgendwelcher Art verursachen könnte, findet hiervon eine Ausnahme statt. Unverdeckte Batterien , deren Zahl möglichst zu beschränken ist ,
werden stets in der Nacht vor
der Eröffnung des Feuers erbaut, gleichzeitig das Schussfeld sämmtlicher Batterien frei gemacht, sowie alle dem Feinde sichtbaren, zu Correcturen Anhalt gebenden Terraingegenstände vernichtet. Die Feuereröffnung erfolgt nicht eher, als bis im Hauptmunitionsparke 500 Schuss für jedes Geschütz eingetroffen und weiterer Nachschub gesichert ist. Alle Batterien werden vor der Eröffnung mit einem reichlich bemessenen Munitionsvorrathe für zwei Tage versorgt, um nach dem Beginne des Feuers dasselbe selbst bei unvorhergesehenen Störungen fortsetzen zu können. Für Geschütze mittleren Calibers werden täglich mindestens 80, groszen Calibers 60, für Mörser 40 Schuss gerechnet.
Jeder Mehrverbrauch , als vorge-
schrieben, ist besonders zu rechtfertigen. Sämmtliche Batterien der ersten Artillerie-Aufstellung eröffnen gleichzeitig mit Tagesanbruch das Feuer,
um überraschend auf-
312
Grundsätze f. d. Dienst der Franz. Artillerie bei Belagerungen nach der
zutreten und den Vertheidiger wirksam zu beschieszen, ehe dieser sich eingeschossen . Die Ablösung der Bedienung erfolgt alle 24 Stunden , einige Stunden vor Sonnenuntergang, jedoch nicht gleichzeitig in allen Batterien, um dem Feinde die Stunde des Ablösens nicht zu verrathen. Für jede Batterie wird ein Offizier und für jedes Geschütz acht bis zehn Mann Bedienung einschlieszlich zu anderweiten Verrichtungen, für jede Gruppe ein höherer Offizier abgetheilt.
Allabendlich erstattet
jeder Gruppen-Commandeur Rapport über Verluste an Material und Personal , Beschaffenheit der verschossenen Munition , nothwendige Erfordernisse für die weitere Thätigkeit , sowie über die Resultate dés eigenen und des feindlichen Feuers. Die von vorne herein ertheilte Feuerordnung kann nach den Verhältnissen geändert werden, doch müssen stets mindestens zwei Geschütze einer Batterie dasselbe Ziel beschieszen . Während der Nacht wird ein langsameres Feuer mit ungleichen Feuerpausen unterhalten, dasselbe darf jedoch nirgends vollständig schweigen.
Von der Wirkung der Batterie der ersten Artillerie-Aufstellung wird der weitere Fortgang der Belagerungsarbeiten abhängig, und bestimmt hiernach das Obercommando, ob der Vertheidiger in seine Befestigungen durch einen Angriff auf der ganzen Front, oder an einzelnen Punkten zurückzuwerfen, oder ob das weitere Vorgehen nur schrittweise erfolgen soll , wobei alle Vortruppen sich in ihren Aufstellungen möglichst verschanzen.
Hierbei ist darauf zu rück-
sichtigen, dass in dieser Aufstellung mit Vortheil neue Batterien placirt werden können, welche an Stelle einzelner Batterien der ersten Artillerie-Aufstellung treten.
Diese Aufstellung dient für das weitere
Vorgehen als Basis .
Im Allgemeinen wird die erste Parallele auf 600 bis 700 Meter von den am weitesten vorspringenden Spitzen
der angegriffenen Werke abliegen, jedoch werden Energie des Vertheidigers und Terraingestaltung ihre Lage in den einzelnen Fällen bestimmen. Ihr Bau erfolgt in der Nacht und überraschend und darf nichts Auszergewöhnliches - wie heftigeres Feuer der Batterie am Abende vorher, als sonst erregen.
den Argwohn des Vertheidigers
Zur Flankirung derselben bei etwaigen Ausfällen werden
Emplacements für Feldgeschütze erbaut.
Da die Batterien der ersten
Artillerie-Aufstellung das Feuer der Festung nicht völlig zum Schweigen bringen können, da ferner einzelne Vertheidigungsgeschütze bisber der Einsicht und der Beschieszung seitens des Angreifers entgangen sind, so werden zum vollständigen Lahmlegen der Vertheidigung unter dem Schutze der
ersten Parallele die Batterien
der
„Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. März 1876 “ .
313
zweiten Artillerie -Aufstellung auf 600 bis 1500 Meter erbaut und richtet sich ihre Anlage vollständig nach der Lage und dem Profil der zu beschieszenden Festungslinien, was bei den weiter abgelegenen Batterien nicht immer angängig. Die Batterien der zweiten Artillerie- Aufstellung sind : 1 ) Enfilir- Batterien , meistens indirect, hinter natürlichen Deckungen in der Verlängerung der Feuerlinie der zu bestreichenden Linie auf 1200 Meter ; es wird für jede Face der angegriffenen und der Collateralforts je eine Batterie erbaut, die auch gleichzeitig den gedeckten Weg und den Graben unter Feuer halten soll. 2) Directe Demontir- Batterien mit der Maximalladung gegenüber den zu bekämpfenden Linien,
zu denen sie unter keinem gröszeren
Winkel als von 30 Grad liegen dürfen.
Sie werden möglichst auf
hervorragenden Punkten erbaut, auf höchstens 1200 Meter, um die Scharten und das Material mit Sicherheit treffen zu können . Für jede in den Angriff schlagende Face wird eine Demontir- Batterie erbaut und wird häufig eine Enfilir-Batterie auch gleichzeitig als Demontir-Batterie gegen eine andere Linie wirken können. 3) Indirecte, oder wenn die Escarpe von einer Höhe eingesehen werden kann, selbst directe Bresch-Batterien ; erstere auf Entfernungen nicht unter 750 Meter, um nicht zu allzu schwachen Ladungen gezwungen zu sein . Diese Batterien werden theilweise auch zu den vorerwähnten Zwecken zunächst herangezogen gewesen sein. 4) Mörser-Batterien in der Verlängerung der Capitalen an den Flügeln der Parallelen auf verschiedenen Entfernungen je nach Caliber und Art des Mörsers .
Es ist mindestens gegen jedes Werk
eine Batterie zu rechnen, besonders dann, wenn die Facen nicht enfilirt werden können. In derselben Nacht, gleichzeitig mit der ersten Parallele , werden die Batterien der zweiten Artillerie- Aufstellung erbaut, besonders diejenigen, welche sich, wie die Enfilir- und Demontir-Batterien, auf einer mittleren Entfernung von 1200 Meter befinden .
Dieselben liegen
hinter der ersten Parallele und genügend entfernt, um nicht die Infanterie zu behindern . In den folgenden Nächten werden die bereits in Arbeit genommenen Batterien weiter ausgebaut und diejenigen, welche in die Parallele gelegt werden können, wie glatte MörserBatterien, begonnen.
Da die Armirung der Batterien der zweiten
Artillerie-Aufstellung schwieriger und gefährlicher ist , wie die der ersten Artillerie- Aufstellung , da hier die Geschütze querfeldein und durch Laufgräben zu schaffen sind, so werden hierzu vorzugsweise
314 Grundsätze f. d. Dienst der Franz. Artillerie bei Belagerungen nach der 12- Centimeter und leichte 15- Centimeter verwendet, nur ausnahmsweise, wie zur Zerstörung von Eisenpanzerungen, werden hier schwere Caliber aufgestellt. Sämmtliche Geschütze der zweiten Artillerie - Aufstellung eröffnen an einem Morgen ihr Feuer, unterstützt durch das Feuer der Batterien der ersten Artillerie- Aufstellung und durch Infanteriefeuer. Die täglich zu verschieszende Munitionsquote ist dieselbe wie für die Batterien der ersten Artillerie-Aufstellung. Mit dem weiteren Fortgange der Angriffsarbeiten nimmt das Artilleriefeuer zu , sei es durch Mehrgewährung von Munition für jeden Tag oder durch Anlage neuer Batterien.
Während oft eine
Concentration des Feuers mehrerer Geschütze auf einen Punkt sehr vortheilhaft sein wird , so darf doch alsdann nie das Feuer gegen einen der übrigen Theile der Befestigungen gänzlich ausgesetzt werden,
weil sonst der Vertheidiger hieraus Vortheil ziehen könnte .
Zeigt der Vertheidiger neue Geschütze, so werden dieselben energisch bekämpft, ehe sie zum Einschieszen gelangen, ebenso müssen durch heftiges Feuer alle die Arbeiten verhindert werden,
die der Ver-
theidiger etwa versucht, um Geschütze, deren Gebrauch ihm unmöglich ist , zurückzuziehen.
Unter dem Schutze beider Artillerie- Auf-
stellungen wird die zweite und , wenn erforderlich , dritte Parallele eröffnet ; in die zweite Parallele werden Emplacements für leichte, vorzugsweise glatte 15- Centimeter- Mörser und Feldgeschütze gelegt. Aus der dritten Parallele debouchirt der Angreifer mittelst verschiedener Sappen, zuletzt der Würfelsappe, in deren Têten glatte 15Centimeter - Mörser aufgestellt werden , zum Couronnement des gedeckten Weges . Soll der Angriff beschleunigt werden ,
so wird nach voran-
gegangenem Bombardement die Krönung des Glacis bei eingetretener Dunkelheit erzwungen .
Hat der gedeckte Weg Reduits, so sind die-
selben durch die Batterien der zweiten Artillerie- Aufstellung oder durch den Mineur zu zerstören . Während der Herstellung des Grabeniederganges und des Grabenüberganges wird die Breschirung beendet sein , die meist durch indirecte Bresch- Batterien in oder hinter der ersten Parallele erfolgen wird, wenn nicht aus gröszerer Entfernung ein directes Breschelegen , wozu die schwersten Geschütze des Belagerungstrains herangezogen werden, möglich gewesen ist.
Ist die Bresche noch nicht vollständig
ersteigbar, so können im Couronnement des gedeckten Weges Geschütze hierzu aufgestellt werden, selbst Feldgeschütze, bei welchen die geringe Geschosswirkung durch die Zahl der anzuwendenden
„Instruction sur le service de l'artillerie dans un siége vom 17. März 1876 ". 315
Schüsse ausgeglichen werden muss.
Ist die Bresche ersteigbar und
soll gestürmt werden, so geht dem Sturme eine lebhafte Beschieszung voraus mit allen Geschützen, welche ohne Gefährdung der eigenen Truppen hieran Theil nehmen können.
Im Moment des Sturmes
hört die Beschieszung auf oder wird der Aufsatz erhöht. Sobald der Angreifer einmal sich der angegriffenen Forts bemächtigt hat , richtet er schleunigst seinen Angriff gegen die ihm unbequem werdenden Collateralforts ; dann wendet er sich gegen die Zwischenstellung oder, falls solche nicht vorhanden, gegen die Hauptenceinte .
Dieser weitere Angriff spielt sich auf gleiche Weise ab,
wie der gegen die Forts .
Diejenigen Batterien , welche aus ihren
bisherigen Aufstellungen nicht weiter wirken können, werden bis in die Höhe der Forts oder vor dieselben vorgeschoben und gewinnt man unter ihrem Schutze das Terrain vor der Stadtenceinte.
Ist die
Zwischenstellung genommen , so wird nach und nach gegen die Hauptenceinte eine erste Parallele, eine zweite Artillerie-Aufstellung und weitere Parallelen und Approchen , wie gegen die Forts , erbaut , sowie eine Bresche gelegt und gestürmt. hier ein sehr heftiges Bombardement voraus.
Dem Sturme geht Dies geschieht bei
Tage, nachdem der Artillerie Zeit gelassen : etwa in der Nacht neu angelegte Verstärkungen
zu vernichten.
Zur bestimmten Stunde
schieszen die Bombardementsgeschütze nur gegen die Stadt und etwaige Rückzugslinien der Garnison . Ist die Stadt übergeben, so nimmt die Artillerie Besitz von dem vorhandenen Material und den vorhandenen Etablissements, desarmirt ihre Batterien, revidirt das eigene und das erbeutete Material, an welchem alle erforderlichen Reparaturen vorgenommen werden, und setzt die Festung in Vertheidigungszustand.
Umschau in der Militair- Literatur.
316
XXI.
Umschau in der Militair-Literatur.
Der Russische Feldzug in Bulgarien und Rumelien 1877-1878 . Eine militairische Studie von Adolf Horsetzky von Hornthal, Kaiserl. Königl. Hauptmann im Generalstabs - Corps.
Mit 12
in den Text gedruckten Uebersichts- und Gefechts - Skizzen und 3 Beilagen. Wien 1878. 276 Seiten. 5 Mark .
L. W. Seidel und Sohn.
8°.
Ein vortreffliches Buch , welches den letzten Krieg , soweit er sich in Bulgarien und Rumelien abspielt , nicht in zusammenhängender Darstellung schildert , sondern in einzelnen Studien die Hauptereignisse des Krieges einer wissenschaftlichen , ruhig und im Allgemeinen unparteiisch gehaltenen , höchst lehrreichen Betrachtung unterzieht.
Manchmal, so scheint es mir, zeigt der Verfasser eine
zu wohlwollende Auffassung der Verhältnisse auf Türkischer Seite, eine
zu
scharfe
Allerdings
muss
Beurtheilung
der Handlungsweise
eine gerechte Abwägung
der
Russen.
bei dem wohlformirten
mächtigen Russischen Heere , welches stets die Mittel in der Hand hatte , wollte ,
mit erdrückender Uebermacht aufzutreten , wenn man nur einen ganz andern Maazsstab anlegen ,
als Angesichts der
locker organisirten, mit dem letzten Mann zum Verzweiflungskampfe gezwungenen Türkischen Armee. Nicht die äuszere Geschichte , die der Thatsachen , beschäftigt das vorliegende Buch vorzugsweise ;
der Verfasser sucht vielmehr
in die Geschichte der Motive , in die geistige Werkstatt der Kriegsmeister einzudringen , sich in die Gedankenwelt Derjenigen zu versetzen , die einen Entschluss zu fassen hatten. Da der innere Zusammenhang der Ereignisse , die Urheberschaft der einzelnen Anordnungen fast niemals aus den veröffentlichten Berichten oder den Thatsachen selbst zu ersehen ist, so kommt Verfasser auf dem Wege angestellter Betrachtungen über die in Rede stehende Kriegslage zu dem , was hätte geschehen können, geschehen müssen : hieran wägt er dann die getroffenen Anordnungen, die gefassten Entschlüsse ab. Gewiss der beste Weg, um aus der Kriegsgeschichte zu lernen, namentlich wenn man , wie der Verfasser , mit den Folgerungen stets
Umschau in der Militair-Literatur.
317
streng bei der Sache bleibt und sich nicht in allerlei Möglichkeiten und Bedingungen verliert. Nach einem kurzen , die Art seiner Darstellung begründenden Abschnitte wendet sich Verfasser in dem zweiten Capitel einer Betrachtung der natürlichen ,
politischen und militairischen Ziele der
beiden Kriegführenden zu .
„ Wäre es von Werth, die Bestrebungen
des Tages auf die Ideen ganzer Jahrhunderte zurückzuführen ,
so
böte der Russisch-Türkische Krieg eine ganz besondere Illustration dazu.
Der Krieg von 1877-1878 erschiene dann nur als eine Etape
in dem Jahrhunderte langen Kampfe der Russen mit den Osmanen, als eine Episode in dem Ringen dieser zwei Mächte um die Herrschaft über das Schwarze Meer und die Dardanellen. Dieses Streben nach dem Meere ist kein specifisch Russisches Verlangen ; es ist ein ganz natürliches , allgemeines. " daher auch dieses Mal ,
„ Das militairische Russland konnte
heiszt es einige Seiten später in diesem
Capitel , im Grunde genommen nichts Anderes wollen , als einen sogenannten Vernichtungskrieg, zum Mindesten aber die völlige Niederwerfung der militairischen Macht der Osmanen , und als sichtbaren Ausdruck hierfür die Besitznahme Constantinopels. " folgenden Capitel ,
In dem nach-
welches sich über die militairische Verfassung
der beiden Kriegführenden ausspricht , wird ganz besonders auf die Wichtigkeit der Divisionen als Grundstock für alle groszen Armeebildungen hingewiesen und in wenig Zügen die Heeresverfassung und das Eisenbahn- System der beiden Staaten geschildert , wobei Verfasser zu dem Schlusse kommt, dass 48 Russischen Divisionen höchstens 30 Türkische entgegengestellt werden konnten, welche aber auch qualitativ mit jenen nicht gleichstanden , da weder der organisatorische Rahmen, noch die Ausbildung bei den Türken vorhanden war. Das vierte Capitel des Buches der Kraft seitens Russlands.
behandelt dann die Bereitstellung
Es behauptet mit Recht, dass, wie die
Verhältnisse zu Ende des Jahres 1876 lagen, nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die Art der Eröffnung des Krieges ganz in den Händen der Russen war.
Man hätte vermuthen dürfen , dass Russland
den Krieg beginnen würde mit einer Machtentfaltung , würdig der politischen Einleitung in einem Tempo entsprechend der nationalen Ungeduld .
Russland bestimmte aber für den Krieg in Europa nur
zwölf , für den in Asien sechs Divisionen, im Ganzen also nur zwei Fünftel seiner Kraft.
Was die Wahl des Zeitpunktes für die Er-
öffnung der Operationen anbelangt , so kommt Verfasser im fünften Capitel zu dem Schlusse ,,, Klären nicht bisher unbekannte Daten 21 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine, Band XXVIII .
318
Umschau in der Militair-Literatur.
die Maasznahmen der Russischen Regierung auf, so behielte leicht die Ansicht Recht, die Russen hätten die Mobilisirung als ein rein politisches Moment und nicht als militairisches aufgefasst ; sie wären einfach von den politischen Ereignissen von dem SerbischTürkischen Kriege - mit fortgerissen und ohne weitere Rücksichtnahme auf die militairische Bedeutung derselben zur Mobilisirung gedrängt worden. Genau genommen , hiesze das nichts Anderes, als der Politiker habe den Militair ins Schlepptau genommen und ohne viel zu fragen, dessen beste Karte im Voraus ausgespielt. " - Da die Russische Operations - Armee fünf Monate vor der Kriegserklärung mobilisirt wurde, so war für sie jedes überraschende Auftreten von vornherein ausgeschlossen. In dem folgenden Capitel ist alsdann auseinandergesetzt , wie man auf Türkischer Seite berechnen konnte , dass der Anfang der Operationen an der Donau nicht leicht vor Anfang Februar stattfinden konnte, man also wenigstens 2 maszregeln Zeit hatte.
Monate zu Gegen-
Die von den Russen bewusst zum Aus-
drucke gebrachte Geringschätzung der Türkischen Widerstandsfähig. keit , heisst es auf Seite 46 , musste die Militairs in Stambul mit innerer Freude erfüllen ; es schien, als wolle der Himmel auch diesmal den Türken einige Chancen zuwenden. Als der Februar kam, aber nicht die Kriegserklärung, --- neues belebendes Element. Jeder Tag, den Russland zögerte, er kam der Türkischen Armee zu Gute ; man konnte hoffen, aus dem Recruten einen Soldaten zu machen. Welcher Osmane hätte da nicht die Hoffnung gehegt, das Reich der 14 Millionen werde sich des Reiches der 63 Millionen vielleicht doch erwehren.
Man muss gestehen , so mangelhaft die in den Friedens-
jahren bewirkte Vorbereitung des Krieges war , die Türkei bot im letzten Momente sowohl auf politischem als militairischem Ge— biete Alles auf, um sich des drohenden Angriffes zu erwehren. Begünstigt durch die auf Zeitgewinn berechneten politischen Schachzüge , errang sie sich wirklich die Chance , trotz aller Unfertigkeit, trotz aller Mängel , in dem bevorstehenden Kriege militairische Erfolge zu erringen." — In dem siebenten Capitel , welches die militairische Bedeutung Rumäniens behandelt, wirft Verfasser der Russischen Heeresleitung vor , dass sie nicht bestimmt genug gegen Rumänien auftrat und den Winter 1876/1877 nicht genügend für die Vorbereitung des Feldzuges ausnutzte .
Wie anders Napoleon 1809 !
Der König von Württemberg wollte nur einen anderen Commandanten für sein Hülfs- Corps haben als den rauhen Vandamme.
Na-
poleon schrieb zurück : „ Vandamme ist roh , aber tüchtig ; Ihre Soldaten werden unter ihm zwei Mal so viel werth sein, als unter einem
Umschau in der Militair- Literatur.
anderen General .
Ich weisz ,
dass er Fehler hat , aber im Kriege
muss man gar Vieles ertragen. pher!"
319
La grande affaire est de triom-
Ueber den Russischen Operationsplan , ein Capitel , wel-
ches meiner Ansicht nach ein wenig stiefmütterlich behandelt worden ist , meint Verfasser , dass drei Bewegungs- Richtungen ins Auge zu fassen waren :
Von Kischinew nach Adrianopel durch die Do-
brudscha mit 600 Kilometer , zwischen Silistria und Rustschuk mit 700 Kilometer , westlich Rustschuk mit 800 Kilometer Weglänge . Die letztgenannte Richtung hatte weniger Schwierigkeiten als die beiden anderen.
Unter der Annahme ,
dass die Russen über die
Stärkeverhältnisse orientirt waren , lautet eine Stelle auf Seite 63, muss man ihren Muth bewundern, ihre Operations-Armee anfänglich nur mit beiläufig gleich starken Kräften dotirt zu haben . Erklärlich ist dies wohl nur
in der Ueberzeugung der schlechten Führung,
welche die Russen durch die letzten Türkischen Kriege , namentlich jener in Serbien ,
gewonnen zu haben glaubten.
Sie vermutheten
zweifellos , die Türkische Armee werde auch diesmal jede Offensivkraft entbehren und es würden sich bei dem Mangel jeglicher Ordnung in den leitenden Verhältnissen nicht binnen fünf oder sechs Monaten kriegsbrauchbare Armeen bilden lassen." Türkischen Operationsplanes sagt Capitel 9 , ziele, sowie die politischen Ziele fehlten .
In Betreff des
„ dass die Operations-
Was sollte die Besetzung
Rumäniens bedeuten , wenn man nicht daran denken konnte, wieder eine Türkische Provinz aus diesem Fürstenthume zu machen !" Solcher Ansicht möchte Ganz
unabhängig
ich mich doch nicht unbedingt anschliessen : von der
späteren politischen Gestaltung Ru-
mäniens hätte man, wenn die strategischen Verhältnisse es wünschenswerth machten, jenes Land zum Kriegsschauplatze machen müssen ! Dass aber die ganze Situation nicht dazu angethan war, Türkischer Seits den Krieg auf das linke Donau-Ufer zu tragen, weisz Verfasser recht klar darzuthun.
Dem wirklichen Verlaufe der Ereignisse nach
zu urtheilen , verzichtete der Türkische Ober-Commandant (war der aber nicht von dem Kriegsrathe in Constantinopel abhängig ?) von vorneherein sowohl auf die indirecte als auf die directe Vertheidigung der Donau ! ,,Die Anfangs des Krieges innegehabte Kräfte-Vertheilung in drei weit auseinanderstehenden Gruppen kann
zwar von
der Theorie nicht genug verdammt werden , heiszt es auf Seite 72, aber gerade dieser Fehler verschaffte der Türkei vielleicht die einzigen Erfolge und die einzigen militairischen Lorbeeren , die sie in diesemKriege errang.“
21 *
Umschau in der Militair-Literatur.
320
Bis zum zehnten Capitel des Buches - der Kriegs-Eröffnung, habe ich in Vorstehendem von jedem Capitel den Inhalt und einige treffende Stellen wiedergegeben .
Es würde aus dieser Besprechung
ein kleines Buch entstehen , wollte ich die übrigen zwölf Capitel in gleicher Weise behandeln.
Sie enthalten gerade das Interessanteste
und das Lebrreichste : eine Betrachtung der kriegerischen Ereignisse selbst.
Aber gerade dieser Umstand gestattet mir nicht , mit weni-
gen Worten bei jedem Capitel zu verweilen ; noch viel weniger vermag ich jedoch hier die schlagendsten Stellen dieser Capitel wiederzugeben. Bemerkungen
Ein Ueberblick über die beim Durchlesen gemachten und die angestrichenen Stellen
ganze Druckseiten des Werkes , müsste ,
zeigt mir , dass ich
voll des Trefflichen , wiedergeben
oder bogenlange Betrachtungen und Bemerkungen nieder-
zuschreiben bätte , wollte ich das hervorheben , was besonders beachtenswerth scheint. Ein solches Verfahren würde selbst die Grenzen einer sehr eingehenden Besprechung weit überschreiten, und ich glaube daher nur im Interesse des Verfassers zu handeln, wenn ich über seine vorzügliche Arbeit weiter nichts sage, als dass es mir ein hoher Genuss war , mit Feder und Cirkel in der Hand seinen Erwägungen und Urtheilen auf der Karte zu folgen, und dass ich, obwohl ich mir einbilde, manches Gute über den in Rede stehenden Krieg gelesen zu haben , doch auch nicht annähernd an anderer Stelle so reiche Belehrung und Anregung gefunden habe , als beim Lesen dieses Werkes. Nochmals betone ich es , die theoretischen Auseinandersetzungen verlassen niemals den Boden der Ereignisse ,
sie bleiben stets in
den richtigen Grenzen der Anschauung, regen an und fördern eigenes Nachdenken.
Taktik
und Strategie
finden gebührende
Berück-
sichtigung, Lob und Tadel wird im Allgemeinen maaszvoll ausgetheilt. Vielleicht ist Suleiman Pascha zu günstig , Mehemed Ali zu scharf beurtheilt. Gerade das Verhalten der Türkischen Heerführer entzieht sich vielfach vollständig allen kritischen Abwägungen, denn der Einfluss und das Eingreifen des obersten Kriegsrathes , das Intriguenspiel in Constantinopel, der Einfluss der Politik, das Verhalten Englands der Türkei gegenüber dessen Verfasser übrigens mit keinem Worte Erwähnung thut sind bis jetzt zu wenig bekannt geworden und doch
so äuszerst wichtige Factoren gewesen.
Ein
vortrefflicher
Plan der Umgebung von Plewna , zwei Operationskarten und recht deutliche Skizzen im Texte erleichtern das Studium des Buches wesentlich. Mit wie wenig Strichen Verfasser darzustellen versteht , wie klar und bestimmt er in seiner Ausdrucksweise , wie unparteiisch
Umschau in der Militair-Literatur.
321
in seiner Auffassung , möge schlieszlich noch durch Wiedergabe des Gesammtbildes der Ereignisse dargethan werden , welches Verfasser in dem Schlusscapitel entwirft .
Dort sagt er :
29 Die Russen beginnen den Krieg mit der Mobilisirung von 6 Corps ----- am 11. November 1876. Sie versammeln diese Armee bis Ende Januar bei Kišenew, hart an der Grenze .
Sie überschreiten die Grenze Ende April und langen - vier Corps Ende Mai bei Bukarest an.
stark
Der Monat Juni vergeht mit den Vorbereitungen zum DonauUebergang und mit dem Abwarten von drei neuen, zur OperationsArmee bestimmten Corps. Der Uebergang, der Ende Februar hätte stattfinden können, geht Ende Juni vor sich.
Diese vier Monate sind kein kleiner Gewinn für den ganz unfertigen Gegner. Von den mobilisirten neun Corps bilden sieben die OperationsArmee. Aber nur vier überschreiten bis Mitte Juli die Donau . Die anderen bewachen die Rückzugslinie in Rumänien, in der Dobrudscha, und die Küste des Sch warzen Meeres . Von den andern 30 Divisionon stehen 7 in Armenien, 23 in den Friedens-Garnisonen
des Europäischen Russlands , gewissermaaszen
als Schutz für jede etwaige Bedrohung des Rückens und der Flanke der Donau-Armee. Die Ereignisse zwingen die Russen jedoch , sehr bald von diesem Frontmachen nach zwei Richtungen abzugehen und ihre ganze Kraft gegen die Türkei allein zu verwenden . Wenn auch nicht
vom Wetter ,
so doch durch das rein de-
fensive Verhalten des Gegners in jeder Weise begünstigt , vollzieht sich ohne grosze Störung der Aufmarsch in Rumänien. --- Unter unbedeutender Gegenwirkung des Feindes wird der Donau- Uebergang bewirkt.
Eine ganz eigenthümlich freisinnige, an die schönsten Vorbilder erinnernde Anschauung über den Unwerth aller Festungen und der Glaube an demonstrative Wirkungen , gebärt im Monate Juli Streifzug Gurko's über den Balkan.
den
Das Erscheinen Osman Pascha's legt indessen die schwachen Seiten dieses Planes blosz . Die Idee eines Vorstoszes auf Adrianopel - ohne diesen Zufall gewiss siegreich -- erweist sich nun mehr als ein bewunderns-
werthes schönes Reiterstück.
Umschau in der Militair-Literatur.
322
Der Rest heiszt Plewna. Die Russische Heeresleitung ,
vielleicht zu consequent an der
einmal getroffenen Kräfte- Gruppirung festhaltend ,
hilft sich , indem
sie sich neue Legionen verschreibt. Acht Russische Divisionen zählte die Armee in Bulgarien zur Zeit der ersten Schlacht von Plewna - am 30. Juli. Zwölf Russische Divisionen zählte Schlacht --- am 30. Juli. Bis
sie
zur Zeit der zweiten
zur dritten Schlacht ist sie bis auf achtzehn Divisionen
verstärkt. Mitte September wird General Totleben zur Leitung der WestArmee berufen ; man zieht die Garden und Grenadiere nach Plewna. Die anfänglich für den Feldzug bestimmten 12 Divisionen sind bis Ende October auf 31 angewachsen. Der Uebermacht und dem Hunger erliegt schlieszlich „ der Löwe von Plewna". Nach fünfmonatlicher Unterbrechung stehen 25 Divisionen in West-Bulgarien in demselben Raume und zu demselben Zwecke,
zu
dem man ursprünglich acht veranschlagt hatte. Diese colossale, wenn auch nur durch den Gegner abgerungene Machtentfaltung überwindet sodann mit Leichtigkeit die Schrecknisse des Winters und den feindlichen Widerstand und führt den Sieger binnen zwei Monaten in Einem Zuge bis ans Endziel aller Operationen, bis vor die Mauern der feindlichen Hauptstadt. Angesichts der überwältigenden militairischen Organisation und des Eisenbahnnetzes ihres Gegners, konnte die Türkei nicht darauf rechnen, die Zeit zur Bildung groszer Armeen zu finden ; politische Schachzüge verschafften sie ihr. Ohne positive Ziele ,
ohne Eroberungs-Gedanken konnten die
Armeen schlieszlich nur hoffen, von Blöszen des Gegners zu profitiren. Der Gegner gab sich deren . Osman Pascha rückt nach Plewna in die rechte Flanke der Russen ; er bringt dadurch deren Vorrückung zum Stehen ; er zieht schlieszlich die Hauptkraft der Russen auf sich. Aus diesem Verhältnisse erwächst der Türkischen Heeresleitung die Verpflichtung, noch vor dem Anlangen der Russischen Verstärkungen die Entscheidung herbeizuführen. Diese hing sechs Wochen lang nur von den Beschlüssen des Kriegsrathes
von
Constantinopel
ab .
Doch
gelangte man
nicht
einmal zu einer mächtigen Concentrirung , der Vorbedingung jedes Erfolges.
Umschau in der Militair-Literatur.
323
Man scheute davor zurück , dem kühnen Suleiman das Obercommando zu geben, und liesz, um weder diesen, noch Mehemed Ali zu kränken, Beide im Commando ihrer Armeen. Vereint über 100,000 Mann stark ,
hätten sie wahrscheinlich
auch, bei nur mittelmäsziger Führung, eine günstige Entscheidung herbeigeführt. Statt dessen wurde diese schlieszlich mit drei Armeen- und nicht in der gefährlichsten Richtung , sondern - am Schipka- Passe versucht. In dieser Zeit verfügt die Türkische Heeresleitung über die 5 Divisionen Osman's,
die 5 Divisionen Suleiman's, die 7 bis 8 Divisionen Mehemed Ali's ; über 3 bis 4 Divisionen gegenüber von Serbien und Montenegro, über 5 bis 6 Divisionen in Asien. Zusammen über 25 bis 30 Divisionen. Als der erste Versuch ,
Osman Pascha zu Hülfe zu kommen,
scheitert , ist der Culminationspunkt der Türkischen Kraftäuszerung überschritten . Die nach der vollständigen Einschlieszung Osman's unternommenen Versuche, Plewna zu entsetzen, scheitern schon an der numerischen Ueberlegenheit der Russen. Plewna fällt. Die Türken führen den dadurch aussichtslos gewordenen Kampf noch fort.
Sie halten aber auch an der bisherigen Dreitheilung fest.
Zuerst am linken Flügel angegriffen, dann in der Mitte durchbrochen, bleibt Adrianopel und schlieszlich auch Constantinopel ohne ausreichende Vertheidigung. "
Das gesunde Pferd. Bau und Thätigkeit desselben , seine Beurtheilung, Fütterung und Pflege. Für Offiziere und Besitzer besserer Pferde bearbeitet von L. Hoffmann, Oberrossarzt im 2. Königlich Württembergischen Artillerie - Regiment Nr. 29. Mit 86 in den Text gedruckten Holzschnitten . lag von Ferdinand Enke. 1878.
Stuttgart, Ver-
Der Herr Verfasser stellt sich , wie er in dem Vorworte sagt, die Aufgabe :
„ die Beschaffenheit , Thätigkeit ,
und Bedürfnisse sprechen.
des
normalen
sowie Beurtheilung zu be-
Pferde körpers "
Das vorliegende Buch berücksichtigt also nur das nor-
male , d. h. das regelrecht gebaute und gesunde Pferd, Fehler oder Krankheiten werden nicht in Betracht gezogen. Es bleibt somit für
Umschau in der Militair-Literatur.
324
den Gebrauch nur ein einseitiger Rathgeber, und dieses will in diesem Falle um so bedenklicher erscheinen, als normale Pferde nur sehr selten vorhanden sind, und man es wohl ausnahmslos mit den verschiedenartigsten Combinationen von abweichenden Formen, Mängeln , Fehlern und oft genug auch mit Krankheiten zu thun hat. Die Kenntniss des normalen Pferdes wird darum in der Praxis einerseits kaum eine Anwendung finden, andererseits wird sie einen zu schwachen Anhalt für das richtige Erkennen und Beurtheilen der Mängel und Fehler etc. geben.
Aus diesem Grunde kann dem vor-
liegenden Buche in seiner Bestimmung von Hause aus nur ein beschränkter Werth beigemessen werden. Die Bearbeitung zerfällt in die sieben Abschnitte : Allgemeines, Sinnesapparate , Aufbau und Thätigkeit einzelner Organe, Bewegung, das Aeuszere des Pferdes (Extérieur), - Hufbeschlag, Gesundheitslehre.
Diese einzelnen Abschnitte scheinen nicht gleich-
werthig bearbeitet zu sein .
Alles , was Anatomie , Physiologie be-
trifft , ist mit groszer Genauigkeit und einem fast zu groszen Aufwande von Gelehrsamkeit geschrieben, während die anderen Theile als zu allgemein und oberflächlich dargestellt bezeichnet werden müssen. Dazu kommt, dass die Darstellung oft allzu weit in ihren Auseinandersetzungen ausholt.
Wir glauben , dass in dieser Be-
ziehung ein guter Theil der Angaben fortgelassen werden könnte, ohne dass wäre.
dadurch der Werth des Buches beeinträchtigt worden
Was nun die einzelnen Abschnitte selbst betrifft , so ist das in dem ersten über die Abstammung des Pferdes ,
seine Raçen und
Züchtung Gesagte wohl zu kurz und allgemein , als dass es irgend eine sichere Auskunft bieten könnte. Die drei beigefügten Abbildungen des wilden, Arabischen und Englischen Pferdes sind so mangelhaft, dass sie in einem Werke, welches nur von dem normalen Pferde sprechen will , besser fehlten. Seite 6 zwei Irrthümer zu berichtigen.
Auszerdem sind auf
Zunächst steht hier : „ z . B.
werden vom Staate auf einem Gestüte hauptsächlich solche Pferde gezüchtet, die später als Zuchtthiere in das Land verkauft oder verliehen werden, so heiszt dasselbe ein Landgestüt. "
Diese Erklärung
trifft für Preuszen nicht zu, denn hier heiszen Landgestüte diejenigen Marställe, in welchen die Königlichen Landbeschäler, d. h. die für die Belegung der Privat- Stuten im Lande bestimmten Hengste, gehalten werden.
Die Landgestüte haben hier mit der Zucht der
Beschäler nichts zu thun , sondern nur mit der Haltung und Verwendung derselben.
Ergänzt (remontirt) werden die Landgestüte in
Umschau in der Militair-Literatur.
325
erster Reihe aus der Aufzucht der Königlichen Hauptgestüte, und so weit hierdurch der Bedarf nicht gedeckt wird , durch freien Ankauf geeigneter Hengste. - Die zweite irrthümliche Angabe ist die, dass in die Preuszischen Remonte- Depots im Lande gekaufte Pferde im Alter von zwei bis drei Jahren kommen . Die Preuszischen Remonte-Commissionen kaufen nur dreijährige und ältere Pferde. Das zweite Thema dieses Abschnittes : „ Bau des Körpers " , wird Seite 7 mit dem Satze eingeleitet : „ Der Körperumfang des Pferdes, die Formenbildung und das Aussehen bedingen den Habitus .
Der-
selbe ist abhängig von Alter und Geschlecht, von Fütterung, Arbeit und Pflege , hauptsächlich aber von der Constitution , welch letztere in früheren Zeiten als Temperament bezeichnet wurde , da man aber dieses Wort später auch auf die Geistesthätigkeiten anwandte , so wurde , um die Begriffe klarer bezeichnen zu können ,
das Wort
Con-
stitution geschaffen , und man hat jetzt hierunter das Verhältniss der einzelnen Gewebe unter einander zu verstehen." Dass die technische Bezeichnung „ Constitution " erst später in Aufnahme gekommen ist, kann wohl zugegeben werden, dass dieselbe aber früher durch
Temperament " ersetzt wurde , das ist nicht richtig.
Eine
solche Begriffsverwirrung dürfen wir unseren Vorfahren nicht zuschreiben ! Die weiterhin über das „ Gewebe " gegebene Darstellung scheint in dem, was über das Wesen und den Bau der Zelle gesagt wird , denn doch allzu weit geführt.
Noch viel weniger will
die unter „ Mischungs- und Formbestandtheile des Körpers " gegebene Aufzählung der Protein- und Eiweiszkörper, Kohlenhydrate, Fettsäuren und Fette u . s. w. nothwendig erscheinen.
Für
einen Veterinair mag die genaue Kenntniss dieser Stoffe erforderlich sein, - für jeden Anderen, der sich mit der Pflege und dem Gebrauche des Pferdes zu befassen hat , jedoch nicht, selbst wenn es sich um die Erlangung der genauesten Kenntniss des Pferdes handeln sollte . Wollte man nun aber wirklich alles das genau studiren , was das Buch erwähnt ,
dann würde die Darstellung wiederum zu
wenig eingehend sein, als dass sich aus derselben eine ausreichende Kenntniss gewinnen liesze . Wir glauben, dass das Buch seinen Anfang bis zur Seite 22 ohne jeden Schaden missen könnte . Die vier Abschnitte : " Aufbau und Thätigkeit einzelner Organe und Theile , - Sinnesapparate , - Bewegung , das Aeuszere des Pferdes ( Extérieur) " , -- zeichnen sich durch eine genaue und klare Darstellung, die namentlich auch durch gute Zeichnungen unterstützt wird , aus , aber auch hier wäre ein
Umschau in der Militair-Literatur,
326
bischen weniger Gelehrsamkeit und weites Abschweifen zu wünschen. So hätte beispielsweise die Theorie des Hebels wohl als bekannt vorausgesetzt werden können. — Bei dem „ Hufbeschlage " wird der groszen Wichtigkeit desselben für das Pferd und der weit vorgeschrittenen Ausbildung der Technik nicht genügend Rechnung getragen. — Die Darstellung bietet hier zu wenig. Der letzte Abschnitt :
Gesundheitslehre " , enthält viele
allgemeine Betrachtungen, aber fast gar nichts von dem, was für die Pferdekenntniss von wirklichem Nutzen sein könnte.
Nur einige
Beispiele, Seite 133 bis 141 , was über Luft, Wasser, Licht, Wärme und Elektricität gesagt wird . Seite 134 : „ Die atmosphärische Luft umgiebt die Erde in einer Höhe von etwa
10 Meilen u. s . w . ",
S. 137 : „ Das Wasser bildet drei Viertel der ganzen Erde und den gröszten Theil der organischen Körper, dasselbe wurde früher ebenfalls als Element betrachtet , ist aber schon 1766 als zusammenS. 137 : „ Die Licht- und gesetzter Körper erkannt worden ", Wärmestrahlen der Sonne sind die Bedingung für alles Leben auf der Erde u. s. w. ", -— und : „ Die Ursache der Temperatur heiszt Wärme ; dieselbe ist eine Art der Bewegung u. s. w. ",
S. 141 :
„ Die Sonnenstrahlen sind theilweise elektrisch und durch Verbindung von Wärme und Elektricität entstehen unter gewissen Bedingungen Lichtstrahlen " u. s. w. Es ist kaum zu begreifen , wie derartige physikalische Auseinandersetzungen in das vorliegende Buch hineingehören sollen.
Auch dieser letzte Abschnitt :
„ Gesundheitslehre ",
könnte in seiner jetzigen Fassung ohne Schaden für den Leser fortgelassen werden. Allerdings blieben dann nur zwei Drittel des ganzen Buches übrig , aber wir meinen : treffend und gut! -
lieber weniger, dieses aber zu-
Handbüchlein zum Gebrauche bei Abrichtung des Remontepferdes von W. Rudorff , Oberst a. D.
Hannover, Helwing'sche Ver-
lagsbuchhandlung (Th . Mierzinsky, Königlicher Hofbuchhändler). 1878. In dieser kleinen, 79 Seiten starken Schrift wird die Dressur des Remontepferdes in acht Perioden dargestellt , und zwar gelten die sieben ersten Perioden der Dressur auf Trense, die achte und letzte der auf Canthare. — Wie der Herr Verfasser in der Vorrede sagt ,
geht er von dem Gedanken aus ,
Lehrern oder
„dass entweder den
den Reitern oder beiden Theilen
die Erfahrungen
bezw. das nöthige Geschick mangelte, um die allerdings keineswegs
Umschau in der Militair-Literatur.
327
leichte Aufgabe (die Dressur des Pferdes) in befriedigender Weise lösen zu können. " Diesem Mangel gedenkt der Herr Verfasser durch die vorliegende Schrift abzuhelfen, indem er seine Ansichten über die einfachste Art der Abrichtung , bei möglichster Schonung des jungen Pferdes " darlegt. Es ist allerdings richtig, "9 dass die mangelnde Erfahrung bei der Dressur des Pferdes ein wunder Punkt für unsere Cavallerie ist" , der um so empfindlicher werden musste , als die Reit-Instruction hierin eine Lücke zeigt , nämlich die, dass sie den Gang der Dressur nicht angiebt.
Wenn dieser Uebelstand
nun auch bis jetzt durch eine Dienst - Instruction nicht beseitigt ist, so sind im Laufe der Zeit doch von einzelnen Autoritäten privatim Handbücher erschienen, welche diese Aufgabe wohl erfüllen können . Vor Allem ist in dieser Beziehung der in vorigem Jahre bereits in der zweiten verbesserten Auflage erschienene Leitfaden des Freiherrn von Troschke : " Gang der Dressur des Remontepferdes " , zu nennen, welcher sich in seiner vortrefflichen Bearbeitung als ein bereits bewährtes
Hülfsmittel bei
der Cavallerie
eingebürgert
hat.
Gegen dieses Werk wird die vorliegende kleine Schrift wohl in erster Reihe die Probe zu bestehen haben. Wir möchten aber bezweifeln, dass der Erfolg ein glücklicher sein wird. —
Das Ru-
dorff'sche 77 Handbüchlein " enthält zwar manches Beachtenswerthe, ist jedoch zu allgemein und wenig eingehend geschrieben , als dass es einem unerfahrenen Reiter oder Lehrer einen erschöpfenden Rath geben, ein klares Verständniss beibringen könnte. Dieses dürfte um so weniger der Fall sein, als auch die Schreibweise nicht überall eine genügende Klarheit zeigt. Was soll z. B. der Seite 62 stehende Satz bedeuten : „Der starke Galopp ist ein durchgebildeter Rückengalopp mit geöffneten Schenkelgelenken, weitausgreifender Sehenkelbewegung und auf rasches Fortkommen berechnet"
? Wer in dem
vorliegenden Buche Hülfe sucht, wird neben demselben immer noch zu einem ausführlicheren Werke wie zu dem des Freiherrn von Troschke greifen müssen.
Die Cavallerie des Deutschen Reiches. Geschichte der Regimenter von 1656 bis auf die neueste Zeit nebst neuesten Rang- und Anciennetäts-Listen.
Herausgegeben von R. von
Haber, Premierlieutenant a . D. , zuletzt : Schlesisches UlanenRegiment Nr. 2.
III. Jahrgang.
Hannover,
Helwing'sche
Verlagsbuchhandlung (Th . Mierzinsky, Königlicher Hofbuchhändler). 1878. Dieses Handbuch erscheint bereits in seinem dritten Jahrgange,
Umschau in der Militair-Literatur.
328
ist mithin in der Deutschen Armee wohl hinreichend bekannt , als dass es noch einer eingehenden Darlegung seiner Bestimmung und des Inhaltes bedürfte . Wir beschränken uns deshalb zunächst, darauf hinzuweisen, dass der Herr Verfasser in dem Vorworte ankündigt : dass sein Buch manche wünschenswerthe Bereicherung und Verbesserung erfahren habe, und dass als neu die Uebersicht der Staatsund Landes -Gestüte etc. und Berichte über die im Jahre 1877 stattgefundenen Rennen hinzugefügt seien. Es wird wohl Niemand die Nützlichkeit und Annehmlichkeit einer solchen Zusammenstellung, wie das vorliegende Buch sie bietet, verkennen, und ebenso dürfte wohl auch von keiner Seite die grosze Mühe, welche durch das Sammeln und Vorarbeiten eines so umfangreichen Materials erfordert wurde, unterschätzt werden, --- trotzdem wird man aber doch sagen müssen :
es bleibt noch Vieles zu thun
übrig, um das Buch zu einer vollständig übereinstimmenden, correcten Arbeit zu machen! Die Anordnung und
Verarbeitung
des
Stoffes
ist
keineswegs in durchweg gleichmäsziger und übersichtlicher Weise erfolgt. Es sei in dieser Beziehung nur auf folgende besonders auffallende Punkte hingewiesen. Bei Preuszen ist eine allgemeine Uebersicht der Formation und Geschichte der Cavallerie vorausgeschickt, bei den übrigen Staaten ist dieses nicht geschehen. Wenn auch bei den letzteren die geringe Zahl der Regimenter einen allgemeinen Ueberblick aus den einzelnen Regiments-Geschichten leichter gewinnen lässt , so wäre doch auch hier das bei der Preuszischen Cavallerie angewandte Verfahren, schon
der Vollständigkeit
und
des
gleichmäszigen
Ueberblickes
wegen, von Nutzen gewesen . Dem gesammten Werke wird von Seite 6 ab eine „ Erklärung der Bezeichnung der in der Rangliste vorkommenden Orden und Ehrenzeichen" vorausgeschickt , trotzdem findet man bei Sachsen (S. 273), Württemberg (S. 300) und Bayern (S. 315) die diese Länder betreffende Angabe nochmals wiederholt.
Hierin liegt wohl ein über-
flüssiges Zuviel ! Bei den den Regimentern beigefügten Angaben sind die einzelnen Theile : Formirung, Feldzüge, Recrutirung, Remontirung u. s. w. nicht in gleicher Weise, sowie theilweise zu wenig übersichtlich geordnet und bezeichnet. geben, theils nicht.
Theils sind sie in besonderen Absätzen geEbenso erfolgt die Hervorhebung durch den
Druck in der verschiedenartigsten Weise . In welcher die Uebersicht geradeswegs störenden Weise die Ueberschriften mitunter gegeben
Umschau in der Militair-Literatur.
329
werden, zeigt mit am auffälligsten der dem 1. Brandenburgischen Dragoner-Regimente Nr. 2 beigefügte Text. Hier lauten die besonders ausgerückten und durch den Druck hervorgehobenen Ueberschriften (S. 108 bis 111 ) :
„ Garnison " , "Stiftungstag" , " Regiments-
Chefs " , " Commandeurs “ , „ Regiments- Chefs ", " Chef des Regiments " , „ Regiments - Commandeure" . Als "7 Garnison " wird meistens nur die jetzige angegeben.
Bei
einzelnen Regimentern findet sich jedoch eine mehr oder minder ausführliche Mittheilung über den im Laufe der Zeit stattgehabten Garnisonwechsel hinzugefügt.
Besonders ausführlich geschieht dieses
bei dem 1. Pommerschen Ulanen- Regimente Nr . 4 (S. 216) und bei dem Thüringischen Ulanen-Regimente Nr. 6 (S. 221) . Die Angaben über die „ Recruten “ und „ Remonten " beziehen sich bei einigen Regimentern nur auf die Gegenwart, andere geben auch über die früheren Verhältnisse Auskunft. Die RecrutirungsBezirke werden theils durch die Landwehr Bataillone, z. B. bei dem Neumärkischen Dragoner-Regimente Nr. 3 (S. 114), theils durch die Infanterie-Brigaden oder Armeecorps ,
z . B. bei dem 1. West-
fälischen Husaren-Regimente Nr. 8 (S. 179) und dem 2. Pommerschen Ulanen- Regimente Nr. 9 ( S. 228) bezeichnet, endlich werden in einzelnen Fällen nur die Provinzen angegeben , so z . B. bei dem 2. Schlesischen Husaren-Regimente Nr. 6 (S. 175). Für den Bezug der Remonten werden theils die Remonte-Depots, z . B. bei dem 2. Leib- Husaren- Regimente Nr. 2 ( S. 163), theils nur ganz allgemein die Provinz genannt , z . B. bei dem Neumärkischen Dragoner-Regimente Nr. 3 (S. 114) .
Hier ist auszerdem die abweichende Bezeichnung : „ Der Ersatz von Pferden " , gebraucht. Die Angaben über die „ Standarte " sind mannigfach verschiedenartig und auszerdem mitten in die Geschichtsübersicht hineingebracht.
Da sie sogleich bis auf die neueste Zeit fortgeführt werden und somit der Regimentsgeschichte vorgreifen , so werden hierdurch der logische Zusammenhang und die Uebersichtlichkeit der Darstellung gestört.
Dieser Uebelstand tritt beispielsweise bei dem Dragoner-
Regimente Prinz Albrecht von Preuszen (Litthauisches) Nr . 1 sehr deutlich hervor. - Abweichend von dem sonstigen Verfahren ist bei dem Brandenburgischen Cürassier- Regimente (Kaiser Nicolaus I. von Russland) Nr . 6 (S. 91 ) noch mitgetheilt , welchen Schlachten und Gefechten die Standarte beigewohnt hat. ―― Die Angaben über die „ Chefs " sind theilweise ebenfalls mitten in die Geschichte hineingeschoben, theils sind sie zu Ende derselben vor den Commandeuren gegeben .
Wenn die Chefs entweder alle ,
Umschau in der Militair-Literatur.
330
wie z. B. bei den Cürassier- Regimentern, am Schlusse der geschichtlichen Angaben vor den Commandeuren, oder getheilt hinter den einzelnen Formationen des Regiments, wie z. B. bei dem 1. Brandenburgischen Dragoner- Regimente Nr. 2 ( S. 109 bis 111 ), genannt werden, so würde hierfür wohl eine logische Berechtigung zu finden sein, - dieses dürfte jedoch nicht der Fall sein, wenn z. B. bei dem Brandenburgischen Husaren -Regimente (Zieten'sche Husaren) Nr. 3 (S. 166 ) sämmtliche Chefs bis incl. König Georg V. ( Prinz Friedrich Carl ist als Chef noch nicht genannt) aufgeführt, und dann auf der folgenden Seite der Herzog von Cumberland (König Ernst August von Hannover) und König Georg V. von Hannover nochmals wiederholt werden. Die Bezeichnung lautet in den drei Variationen Chefs " , z . B. S. 166, „ Chefs des Regiments ", z . B. S. 111 , „ Regiments - Chefs " , z. B. S. 170.
Schon diese Verschiedenartigkeit wirkt
störend, noch mehr geschieht dieses aber, wie bereits erwähnt wurde , durch die häufige, ganz ungerechtfertigte Hervorhebung als Ueberschrift. Bei den Angaben über die „ Feldzüge " u. s . w. findet man meistens neben den einfachen historischen Angaben über Zeit und Ort nur die Namen der gefallenen Offiziere erwähnt, bei dem 3. Garde- UlanenRegimente wird jedoch (S. 207 ) der gesammte Verlust an Offizieren, Mannschaften und Pferden ziffermäszig mitgetheilt .
Die Feldzüge
sind mit einer einzigen Ausnahme ihrer historischen Folge nach aufgeführt.
Diese Ausnahme findet sich bei dem Bayerischen 2. Che-
vauxlegers-Regimente Taxis, wo S. 333 der Feldzug 1866 zwar zunächst in der richtigen Reihenfolge genannt , dann aber nach dem von 1870 bis 1871 besprochen wird. Die " Schlachten", „ Gefechte " u . s. w. sind theils ebenfalls in ihrer geschichtlichen Reihenfolge mit dem Datum, z. B. S. 91 bis 92, oder ohne solchen, z. B. S. 114, oder endlich drittens nach Schlachten, Gefechten u. s. w. geordnet, z. B. S. 141 , angegeben. Die Bezeichnung als Schlachten, Gefechte u. s. w. ist wohl nicht durchweg übereinstimmend, und namentlich dürfte sie sich auch nicht mit den officiellen Festsetzungen in genauer Uebereinstimmung befinden .
Das Gleiche dürfte in Betreff der Namen der
Fall sein. Diese Verschiedenheit der Bezeichnung und Namen erschwert die Uebersichtlichkeit der Angaben, - ein Fehler, welcher durch die vielfach abweichende und unrichtige Namen noch vermehrt wird. liches geleistet ! vorgeführt.
Schreibweise der
In letzterer Beziehung wird Erstaun-
Nur drei besonders auffällige Beispiele seien hier
S. 18 :
„ Zornsdorf" , S. 19 : „ Zorndorf" , S. 25 : „ Zorndorff" , S. 28 : „ Zornrorf" . - S. 88 : „ Forêt de Marchenoir" , S. 118 :
Umschau in der Militair-Literatur.
eschicht
„ Marchenoire", S. 190 :
ter den Franden
S. 88 : 17 Bellime " , S. 118 : „ Bellesme ", S. 163 :
nt werfinden
„ Marche - noir" , S. 232 :
331 „ Marchénoir " . www Bellème ".
Bei den „ Personen-Namen " sind gleichfalls viele und erhebliche Fehler zu finden.
Wir wollen hier nicht der mannigfachen Ver-
wechselungen von f und ff, k und ck, 1 und 11, u und n gedenken, sondern nur einige bedeutendere Irrthümer hervorheben.
S. 30 wird
Dei dem Nr. 3
der Generalmajor von Ranquette genannt, S. 38 wird von dem Regimente Roquette Nr. 13 gesprochen. S. 56 wird der General-In-
-iedrich specteur des Erziehungs- und Bildungswesens General der Cavallerie
auf der von Rheinhaben genannt , und in gleicher Weise wird S. 78 der
August vieder-
Name des im Feldzuge 1870 bis 1871 an den bei Poupry erhaltenen Wunden gestorbenen Premierlieutenants des Leib- Cürassier- Regiments
ationen (Schlesisches) Nr. 1 geschrieben . Regiwirkt
S. 107 wird als Commandeur des
Dragoner- Regiments Prinz Albrecht von Preuszen (Litthauisches) Nr. 1 ein Major Kehler genannt, dieser hiesz jedoch von Kehler.
S. 175
wird von der 5. Cavallerie- Brigade von Baumbuch gesprochen .
S. 206
wurde. Ceberwird der Oberstlieutenant Schmidt von Altenstadt, Schmidt von Atenstadt genannt. S. 256 heiszt der Rittmeister Zawada von dem Ostistens preuszischen Ulanen Regimente Nr. 8 : Zwada.
S. 267 wird Seconde-
-t nur
anen-
lieutenant von Waldenfels im Altmärkischen Ulanen-Regimente Nr. 16 von Wadenfels und der Secondelieutenant Baron von Fircks vom
eren.
1. Garde-Ulanen-Regimente Baron von Fricks genannt.
Der S. 272
ztige aufgeführte Portepée-Fähnrich Freiherr von Andrian-Werburg steht
auf-
Che-
nicht bei dem Husaren- Regimente Nr. 15, sondern bei dem Nr. 14. — Als ein besonderer Irrthum in dem Besuche sei hervorgehoben,
= zudass S. 167 bei dem Brandenburgischen Husaren-Regimente ( Zieten'sche
dem Husaren) Nr. 3 gesagt steht :
" 1814 Oberstlieutenant von Sohr ,
hte wurde als Oberst Director der Militair-Reit-Anstalt, jetzigen Lehr-
mit Escadron " .
Wie das vorliegende Buch S. 59 ja selbst angiebt,
der wurde die Lehr-Escadron bereits bei ihrer Verlegung von Berlin
B. W.
nach Schwedt zur Militair-Reitschule umgewandelt, und jetzt haben wir in Hannover wohl ein Militair-Reit-Institut mit einer Offizier-
sie
und einer Unteroffizier- Reitschule , aber keine Lehr- Escadron .
er-
kann mithin von einer jetzigen Lehr-Escadron füglich nicht gesprochen werden.
Her
er-
Es
er
Die Angaben über die "" Staatsgestüte " sind nur für Preuszen gemacht , die anderen Staaten sind unberücksichtigt geblieben. -
er
Für die Landgesttite sind die Angaben in möglichst übereinstimmen-
er
der Art gegeben, für die Hauptgestüte jedoch nicht.
Hier sind die
Angaben so verschiedenartig und theilweise auch so unvollständig, dass sich ein einheitliches und richtiges Bild nicht gewinnen lässt.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
332
Wenn übrigens der Flächeninhalt des Hauptgestüts Graditz (S. 243) und des Landgestüts Zirke (S. 244) nach Morgen angegeben wird, so wäre wohl darauf hinzuweisen, dass jetzt das Flächenmaasz nach Hectaren und Aren berechnet wird. -
Der dem Buche in Betreff der „ Rennen " beigefügte Anhang giebt eine anschauliche Uebersicht von der Ausdehnung der Rennen, denselben zugeflossenen reichen Mitteln, und von der regen Betheiligung, welche dem Sport von den Offizieren zugewandt wird .
Wenn dieser
Gegenstand die Armee auch nur privatim berührt , so dürften die gegebenen Uebersichten doch vielen von den Offizieren willkommen — sein. Wir unsererseits möchten den Herrn Verfasser jedoch davor warnen, seine Arbeit noch weiter auszudehnen und dadurch schwieriger zu machen.
Es dürfte jetzt vor Allem die Aufgabe sein, darnach zu streben, dass das Material in den bisherigen Grenzen vollkommen correct verarbeitet werde, - und in dieser Beziehung bleibt , wie vorstehend gezeigt worden, noch Viel zu thun übrig ! -
XXII .
Verzeichniss
der
bedeutenderen Aufsätze aus
anderen militairischen Zeitschriften . (15. Juli bis 15. August 1878.)
Militair - Wochenblatt (Nr. 58-66) :
Geschichtliches über die
Generalstabsreisen und die Feldübungen der Frontoffiziere in Russland. Bajonnet und Säbel im Russisch - Türkischen Kriege. Feldmaaszstab. Einige taktische Folgerungen aus dem RussischTürkischen Kriege 1877 bis 1878. - Die Verpflegung des Soldaten in der Caserne. - Die Entstehung und Lösung der Unteroffizierfrage in Frankreich. Allgemeine Militair-Zeitung (Nr. 28-31) : Rückblicke auf den Loire-Feldzug von 1870. Das Feuergefecht der Feld-Artillerie. — Ein Ausflug an die Grenze. Deutsche Heeres-Zeitung (Nr. 29-33) : Die Schieszversuche bei Zur Unter-
Bredelar und Meppen am 28. Juni , 2. und 3. Juli. offiziers- und Wehrgeldfrage. Kriegserfahrungen .
Ueber das
aus anderen militairischen Zeitschriften.
333
Einiges
Vorführen einer Feld -Artillerie-Abtheilung ins Gefecht.
über die dienstliche Stellung des Compagnie- Chefs bei der Infanterie. - Carabiner für die Deutsche Feld-Artillerie. Zwei- oder dreigliederig ? Militair-Zeitung für Reserve- und Landwehr- Offiziere (Nr. 24-27) : Die Reiterei. Erläuterungen zu den Schieszregeln der Feld -Artillerie.
Die allgemeinen Dienstverhältnisse der Offiziere des Be-
urlaubtenstandes.
Charakterbilder aus Miliz - Heeren .
Das Ge-
fecht bei Taschkösi und die Einnahme von Sofia. - Ueber den Festungskrieg. - Die Deutsche Feldpost. Das Anschieszen der Geschütze bei den Feld-Artillerie- Regimentern. - Erinnerungsblätter aus dem Amerikanischen Secessionskriege. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft 7) : Aus den Reiseberichten S. M. S. „ Medusa ". - Aus den Reiseberichten S. M. Kbt.
Albatross ".
Streffleur's Oesterreichische militairische Zeitschrift
(Heft 6
und 7) : Taktische Studien . -
Befestigungen um Deligrad während Kula's des Türkisch- Serbischen Krieges 1876. Die Influenza. und Karaula's. Zum Unterrichte im Geschütz -Richten. (Mittheilungen des K. K. Kriegs-Archivs) : Orsova und die Insel-Festung Ada Kaleh. Oesterreichisch - Ungarische
Wehr - Zeitung
, Der
Kamerad "
(Nr. 58-66 ) : Die Schweizerische Armee am 1. Januar 1878. - Unsere Verwendung der Landwehr. Der Ueberfall bei Maglaj. Feldverpflegung. Die Feldverpflegung im Deutschen Heere. Oesterreichische Militair-Zeitung (Nr. 57-64) : Zur Frage der Einführung der Offiziersmessen in der K. K. Armee . - Intendanzdienst bei der Armee im Felde und in den in Kriegs-Ausrüstung gesetzten festen Plätzen. - Ueber die Unterstützung der Familien. der Reservemänner . Der Heeres-Haushalt im Alterthum. Oesterreichisch - Ungarische Militair-Zeitung ,,Vedette" (Nr. 57Orte und Marsch64) : Die Affairen von Maglaj und Citluk. routen in Bosnien- Herzegowina. - Einfache Pferdedressur während des Marsches. A Batum als Offensiv-Platz gegen England . - Der Einmarsch in Bosnien-Herzegowina. - Oesterreichisches Soldatenleben.
Stärke der Englischen Streitmacht. — Kämpfe in Bosnien-
Herzegowina . Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens (6. Heft) : Plewna. - Ueber ein neues Kriegs-Sprengmittel. L'avenir militaire (Nr. 510-515) : Die Belastung des Infanteristen Ueber den Bekleidungsdienst. - Die Ergänzung der im Felde. 22 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXVIII.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
334
Die Militairmusik. - Die Sapeurs und das Handwerkszeug. nts die über Bericht Der Lewal. des Generals -Taktik Stationneme ---Die Manöver der Artillerie. Die Altersbegrenzung. Recrutirung . Militairische Promenade durch die Ausstellung der schönen Künste. - Die vierten Bataillone. — - Die ministerielle Instruction in Bezug auf Die Infanterieschule.
- Der Unterricht der Offiziere. -
die Inspectionen der Vertheidigung der Plätze. Le Spectateur militaire (15. Juli 1878 ) : Die öconomische Lage und der militairische Geist in Frankreich. Militairische Memoiren des Generals Hardy. Geschichte des Orientalischen Krieges von 1875 bis 1878.
Die Telemeter.
Journal des sciences militaires (Juli 1878) : StationnementsTaktik. - Kritisches Essay über Titel X der Ordonnanz vom 3. Mai 1832 : Dienst der Armee im Felde. - Die Belagerung von Verdun. — Die Armee in Frankreich seit Carl VII. bis zur Revolution. Die Manöver mit den bespannten Batterien . Revue d'Artillerie (Juli- Heft) : Historisches über die in Calais gemachten Versuche mit gezogenen Feldgeschützen. Das neue Russische Feld - Artillerie - Material , System des Oberst Engelhardt. - Der Shrapnelschuss . -Bericht über einen neuen Ziel- Apparat. ―― Organisation der Englischen Artillerie. - Vergleichsschieszen mit Granaten von verschiedenen Modellen gegen Panzerplatten. Revue Maritime et Coloniale (August- Heft) : Der Cinémometer, neues System eines Anzeigers der Schnelligkeit ohne Anwendung der Centrifugalkraft. - Die Erwerbung der überseeischen Ländergebiete Frankreichs. Das Budget der Englischen Marine ( 1878 bis 1879 ). . Russ. Invalide ( Nr. 145-170) :
Festungen und Befestigungen.
Ueber die Anfertigung wasserdichter Stoffe für Tornister, ZwiebackUeber den Munitionsverbrauch im letzten Kriege. säcke etc. Die beste Schutzwehr wider Gewehrfeuer und Geschosssplitter. Nachrichten aus dem Lager von Krasnoe Selo . Wojenny Sbornik (Juli - Heft) : Campagne von 1831.
Erinnerungen an
die Polnische
Die taktische Bedeutung des Terrains. -
Aphoristische Bemerkungen aus den Erfahrungen des letzten Krieges . - Die Vergangenheit und Zukunft der Cavallerie. Russ. Artillerie-Journal (Juli - Heft) : Die Organisation des Dienstes der Festungs - Artillerie im Verlaufe der förmlichen Belagerung. Die Thätigkeit der Artillerie in Montenegro. -- Ueber die Wirksamkeit der achtzölligen gezogenen Kanone bei Rustschuk. --- Der Be-
aus anderen militairischen Zeitschriften.
335
stand und die Stärke des Belagerungsparks beim Angriffe der heutigen Festungen. Morskoi Sbornik (Juli- Heft) : Der Zustand der Ufer des weiszen Meeres in den Jahren 1853 bis 1856. - Die Formen der Schifffahrt auf Kriegsschiffen.
Die Stadt Narwa mit ihrer Rhede und dem
Narowa-Flusse.
L'Esercito ( Nr. 80-93) :
Die groszen Manöver. —
Das Fran-
zösische Militairbudget für 1879. - Entwickelung der militairischen Geschicklichkeit. - Unsere Applicationsschule für Artillerie und Genie. Die Territorial - Miliz. Telegraph oder Telephon ? Gedanken über die Organisation der mobilen Miliz. --- Die Fanfaren der Schützen . Rivista militare italiana (Juli- Heft) : Die Lehren der Belagerung von Plewna . Befreiung der Truppen vom öffentlichen Sicherheitsdienste in Sicilien . Feldbefestigungen .
Die Schützengräben in der Schlacht und die Die Ordnung unserer Cavallerie.
Giornale d'artiglieria e genio (Juli - Heft) : Ueber Küstenvertheidigung. Versuche mit Dynamit, ausgeführt in Verona im Jahre 1876 . -Bericht über die Versuche mit Percussionszündern. Rivista marittima (Juli - August - Heft) : Der Venezianische Adel und der Marine-Handel. - Der Hafen von Nisita. - Die Anker der Handels- und Kriegsschiffe .
Ueber die Seemacht Groszbrittaniens
und über die beste Art ihrer Entwickelung . Die wissenschaftGeographie liche . Die Operationen der Kaiserlich Türkischen Flotte auf der Donau während des Russisch-Türkischen Krieges im Jahre 1877. Army and Navy Gazette (Nr. 973-976 ) : Positive Taktik . Admiral Randolph über Seetaktik. — Die Manöver in Aldershot. Schiffs - Revue zu Spithead . Die Französische Armee im Jahre 1878.
Die jüngste Mobilisation. - Der Krieg am Cap.
Naval and Military Gazette (Nr. 2378-2382) : Torpedo- Boote. Cypern und sein Ankergrund. - Der Kaffernkrieg. Das ArtillerieMeeting in Shoeburyness. Army and Navy Journal (Nr. 50) : der Armee.
Gründe der Unpopularität
La Belgique militaire (Nr. 390-393) : Cavallerie, Reiten , Sport. -
Belgische Militair-Erinnerungen . - Das Wesen der Bürgergarde . Ueber Cavallerie. Die militairische Lage Belgiens . Von
der Nothwendigkeit des Pionier - Handwerkszeuges für unsere Infanterie- und Cavallerie-Regimenter. -- Vorschlag zur Organisation
236
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
der Mobilgarde, im Hinblicke auf deren Zutheilung zur Linienarmee für die Vertheidigung. De militaire spectator (Nr. 8) : Die Stellung bei Amsterdam. Ueber den Luftwiderstand . De nieuwe militaire spectator (Nr. 8) : Ein Raid im Jahre 1712. - Die Ausbildung des Soldaten . Ueber Adjutanten- Dienst. Kongl. Krigsvetenskaps- Akademiens Handlingar och Tidsskrift (10. bis 12. Heft) :
Auszug aus den Erwägungen des Schwedisch-
Norwegischen Comitée's vom 25. Februar 1878 über das beste Gewehr-, Carabiner- und Revolver-Modell . Norsk Militaert Tidsskrift (7. Heft) : Selbsterlebtes aus dem Russisch-Türkischen Krieg. - Einige kurze Bemerkungen über die Ueber die Organisation und Ausbildung der
Schweizer Milizen.
Sanitäts-Offiziere im Deutschen und Oesterreichischen Heere. Allgemeine Schweizerische Militair - Zeitung ( Nr. 29–32) : General Lecourbe im Feldzuge 1799 in der Schweiz. - Das Heerwesen auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1878. Militairischer Bericht aus dem Deutschen Reiche. - Ueber den Werth des Linnemann'schen Spatens .
Der Unterrichtsplan für Wiederholungscurse .
Revue militaire suisse ( Nr. 13-15) : Der Russisch - Türkische Krieg im Jahre 1877 bis 1878. -- Organisation der Englischen Artillerie. — Versammlung der Truppen der 2. Division. Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar (Nr. 13—15) : Der Canal von Vento in der Habana. Biographie des Französischen Generals Martinez y Rodriguez . - Ueber Eisenbahnen und Festungen. - Apparat zur Controle der Fahrgeschwindigkeit eines Eisenbahnzuges . - Ueber die Befestigungen um Plewna. ·- (Beiblatt) : Ueber die Nutzhölzer der verschiedenen Provinzen Spaniens . — Project eines Gebäudes in Buena Vista für die Directionen der Militairverwaltung und des Sanitätswesens , Kriegsauditoriat , Militairgeistlichkeit u. s. w. Revista militar (Nr. 13 und 14) : Kurze Betrachtungen über die Behandlung von Fohlen in Cavallerieschulen. -
Grundzüge und
Cadres für die Reorganisation des Portugiesischen Heeres. - Ueber nothwendige Verbesserungen in der Organisation der Companhias de correcção (Straf- Compagnie) . - Aus dem Orientkriege.
Verantwortlich redigirt von Major v. Marées, Berlin, Bülow - Strasze 6. Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin, Unt. d. Linden 21 . Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.