208 58 16MB
German Pages 360 Year 1885
Jahrbücher
für die
deutsche
Armee
und
Marine .
Verantwortlich redigiert
von
G.
von MARÉES Oberstlieutenant z. D.
Vierundfünfzigster
Band .
Januar bis März 1885.
BERLIN.
RICHARD WILHELMI 1885.
Inhalts - Verzeichnis.
I.
Fridericus Rex MDCCLXXXV
Seite 1
II.
Das hessische Freicorps im Jahre 1809. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dechend , Prem.-Lieutenant im Hessischen 18 Füsilier- Regiment Nr. 80 III. Aus der Geschichte des russischen Generalstabes. Nach dem Werke des kaiserlich russischen Generalmajors Glinojetzki, bearbeitet von 34 Trost, Premier- Lieutenant im Infanterie-Regiment Nr. 71 . • 54 IV. General Lebrun und das 12. französische Corps bei Sedan . V.. Die Befestigungen Belgiens von Obermair , königl. bayerischer Premier-Lieutenant . 69 VI. Die neue deutsche Schiefs- Instruktion II. Von einem Front- Offizier 77 VII. Aus ausländischen Militär-Zeitschriften 88 VIII. Umschau in der Militär-Litteratur 96 IX. Verzeichnis der neu erschienenen Bücher und der gröfseren in den militärischen Zeitschriften des In- und Auslandes enthaltenen Aufsätze 103 X.
XI. XII.
XIII. XIV.
Das hessische Freicorps im Jahre 1809. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dechend, Prem.- Lieutenant im Hessischen 119 Füsilier-Regiment Nr. 80. (Fortsetzung) Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern. III. Feldzug von 1800 145 Aus der Geschichte des russischen Generalstabes. Nach dem Werke des kaiserlich russischen Generalmajors Glinojetzki, bearbeitet von 185 Trost, Premier- Lieutenant im Inf.- Reg. No. 71. ( Schluſs) . Die Befestigungen Belgiens. Von Obermair , königl. bayerischer 212 Premier-Lieutenant (Schlufs) Wieviel Treffschüsse erreichen wir im Gefecht ? Von Barthold 223 V. Quistorp . P A C E (R
)
496254
Seite 230 Über das Festungskriegsspiel · 238 Umschau in der Militär-Litteratur Das hessische Freicorps im Jahre 1809. Nach archivalischen Quellen bearbeitet von Dechend , Prem.-Lieutenant im Hessischen 251 Füsilier-Regiment Nr. 80. ( Schlufs) . . XVIII . Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern. III. Feldzug von 1800. 273 (Fortsetzung) . XIX . Was wir von der Feldtelegraphie hoffen. Von Frhr. v. Massen309 bach, Hauptmann à la suite des k. b. Ingenieurcorps XX. Die neue deutsche Schiefs- Instruktion III. 319 • XXI. Ein neues Kandarensystem 331 339 XXII. Umschau in der Militär-Litteratur XV. XVI. XVII.
I.
Fridericus
Rex
MDCCLXXXV .
Eine deutsche Rieseneiche im herbstlich goldenen Laubschmuck . Dies Bild entsteht uns, wenn wir zurückblicken auf König Friedrich in seinem vorletzten Lebensjahre. Ist zum Verständnis der Geschichte eines Staats das Wissen von der Struktur seines Territoriums notwendig, so kommt auch zur Würdigung der Thatensumme und Thatkraft einer sehr hervorragenden Persönlichkeit in Betracht : die körperliche Individualität.
König
Friedrich selbst benachrichtigt uns von seiner Altersschwäche durch folgende Zeilen, nach Beendigung der Revuen 1784 : mich einiger Ruhe zu erfreuen ,
die mir um so
» Ich beginne ,
nothwendiger,
als
meine Kräfte von Jahr zu Jahr sich verlieren , und das gebieterische Alter mir kundgiebt, dafs die guten Tage verflossen sind. > L'homme est né pour le travail, et trop heureux quand il peut travailler pour l'avantage de sa patrie ; alors les peines ne coutent rien • .< Seine eigene, auch während des Lebensabends unveränderte Arbeitsbeflissenheit motivierte der grofse König : » J'ai dévoué ma vie à l'État. « * ) In einem Selbstgespräch über Regentenpflichten , 1777 , klagte Friedrich , die europäische Politik sei so trügerisch (fallacieuse), dafs der Bestunterrichte bethört werden könne , wenn er nicht fortwährend wachsam und auf seiner Hut . >> Souvenez - vous qu'une sentinelle
doit être alerte,
pour que la place ne soit pas
surprise, faute de son incurie et de sa négligence. « **)
Am 10. April
(dem Mollwitztage) 1777 theilte der König seinem Rheinsberger Bruder mit, er wisse aus guter Quelle, dafs Fürst Kaunitz gesagt habe : » Niemals darf der Kaiserliche Hof die preufsische Macht ertragen. Man mufs dieselbe zermalmen , damit wir dominiren . > Mit Gottes Hülfe werden wir dem hochmüthigen König so viele Feinde auf den Hals ziehen , dafs er darunter erliegen mufs und es ihm wie vormalen dem in der Historie berühmten Henrico Leoni ergehe . >Wir haben zu wenig Dichtheit
welcher ein besser gestaltetes
und
viel
gröfseres Land beherrschte , war es gelungen , die Erneuerung des im Jahre
1780
abgelaufenen preufsisch - russischen Bündnisses zu
verhindern ; mit König Ludwig XVI . einte ihn nahe Verwandtschaft; England kämpfte in Nordamerika und in Ostindien . Anekdotisch bekannt ist der Ausspruch Friedrichs des Gr. über das Bild Josephs *) Oeuvres XXVI , 354 und 376. **) Oeuvres XXVI, 496 und T. IX, 202. ***) A. R. v. Arneth 99 Maria Theresia und der 7jähr. Krieg" ; Bd . I , 158.
Fridericus Rex.
in Sans- Souci : Auge lassen !>Diesen jungen Mann darf man nicht
aus
dem
Eine königliche Denkschrift vom 30. November 1782
giebt den Commentar :
»Piqué de la guerre de Bavière, pour s'en
venger en quelque façon , il crut pouvoir former contre la Prusse une ligue à peu près pareille à celle de l'année 1757 . . . « Kaiser Joseph, auf den baldigen Tod seines greisen preufsischen Nachbars harrend, hegte hochfliegende Pläne . Er gedachte Deutschland zu zerstückeln , um die österreichische Hausmacht zu mehren. Berücksichtigen wir, dafs Friedrich (nach einem englischen Gesandtschaftsbericht) dem Kaiser bei der Zusammenkunft in Neifse, 1769 , gelegentlich geäufsert :
wir Deutschen
» Ich denke ,
haben lange
genug untereinander unser Blut vergossen ; es ist ein Jammer, wenn wir nicht zu einem besseren Verständnifs kommen können « , so zeigt sich, dafs der »alte Fritz « volle Ursache hatte unwirsch zu werden Ihn mafslosen Ehrgeiz des österreichischen Caesar Je compte toujours me retirer par les » places du Nord . < Nunmehr wurde der sofortige Abmarsch in
58
General Lebrun und das 12. französische Corps bei Sedan.
der Richtung auf Metz angeordnet.
Den Charakter Mac Mahon's be-
zeichnet Lebrun bei dieser Gelegenheit treffend mit den wenigen Worten : >>Obéissance d'abord, puis advienne que pourra pour celui qui a obéi. >Wer sind Sie, ich kenne Sie nicht ; ich nehme nur von meinen Vorgesetzten Befehle an !> Die Attacke war von Erfolg gekrönt« , sagt Lebrun . In Wahrheit scheiterte sie am Feuer der 10. Compagnie Regiments Nr. 27 mit grofsen Verlusten ; der Überrest der Kürassiere jagte in wilder Flucht nach der Maas zurück und versuchte teilweise schwimmend das andere Ufer zu erreichen. Die Verluste der Truppen des 12. Corps, welche an der Schlacht teil genommen hatten , waren sehr erhebliche ; auch 6 Geschütze blieben in den Händen des Feindes. Gegen 9 Uhr Abends befahl Mac Mahon den Rückzug der geschlagenen Armee auf Sedan . Lebrun traf den Marschall bei einem Biwakfeuer auf den Höhen von Mouzon und wurde von ihm mit den Worten empfangen : des General Failly ist
» Der Tag war
vom Feinde
übel
schlecht , das Corps
zugerichtet worden ,
die
Infanterie- Brigade , welche Sie über Mouzon vorgeschoben hatten, hat ihre Stellung nicht zähe genug behauptet. Gleichviel ; die Lage ist keine verzweifelte ; die deutsche Armee , welche wir vor uns haben , zählt höchstens 60-70,000 Mann ; greift sie uns an , desto besser , ich hoffe sie in die Maas zu werfen ! Armee von Châlons « hindern können ?!) . Kaum hatte das 12. Corps seine Rückzugs-Bewegung begonnen,
als auch das ganze 1. seine Stellungen verliefs. In diesem kritischen . Momente erschien General Wimpffen und übernahm, wie bekannt, auf Grund einer geheimen Ordre des Kriegsministers , den Oberbefehl , nachdem ihn Ducrot 114 Stunden widerspruchslos geführt hatte ! Lebrun (ein Studien-Genosse Wimpffen's und Duz-Bruder desselben) berichtet, Wimpffen habe ihm Folgendes gesagt : » Bringe sofort die vom General Ducrot befohlene Bewegung zum Stillstand , ich will keinen Rückzug auf Mezières ;
wenn derselbe angetreten
werden mufs, so ist es auf Carignan ; aber so weit sind wir noch nicht ; lafs deine Truppen sofort wieder ihre Stellungen einnehmen , das 12. Corps hat sich vortrefflich geschlagen, Du (sich verbindlich zu Lebrun wendend) wirst die Ehre des Tages haben. > Annexes>seine eigenen Mitteln beschränkter seien , als man glaube. « Zweckmässig werde es dabei sein den Zahlungsfufs so anzusetzen, daſs die Subsidien nach der Zahl der Mannschaft eingerichtet würden und sich
daher in dem Verhältnis ihrer möglichen Vermehrung auch
noch erhöhen könnten . (!) § 4.
Dem Kurfürsten stehe die Ernennung aller Chargen und
Verfügung aller sonstigen Einrichtungen allein zu , es könnten jedoch ohne Anstand aufser Hessen auch jetzige Westfalen und gediente Leute anderer deutscher Staaten behufs schnellerer Formierung der Truppencorps und, um Propaganda zu machen , aufgenommen werden.
Es sollten möglichst bald Stämme für Compagnien , § 5. Schwadronen und Bataillone formirt werden , um sich den operativen Teilen des österreichischen (I. ) Armee-Corps bei dessen Voranzuschliefsen . Sollte ihre Formation gehen gegen den Main- Hessen noch nicht fertig geworden sein, wenn diese Operationen begönnen , so könnte man doch wenigstens ihre Werbe- und Depotsplätze um so viel leichter an die Grenzen vorschieben. § 6.
Bereiterklärung des Kurfürsten sich selbst an ein ver-
hältnismässig (?) grofses
österreichisches Corps anzuschliefsen und
seinem treuen Volke zu nähern , um sogleich die Regierung selbst wieder zu ergreifen und dadurch die Reorganisation Armee zu erleichtern (vgl. späteres).
§ 7.
seiner
alten
Nach Wiedererlangung seiner Länder verpflichte
sich der Kurfürst zu einer Gestellung von 10-12,000 Mann inol. 15 Cavalerie , nach förmlicher Übergabe aber noch anderer Länder (! ?) und nach erhaltenen englischen Subsidien noch zu einer weiteren Erhöhung dieses Truppenkontingents und zu einer Allianz (! ) . § 8.
Das hessische » Freicorps«
habe von seiner Entstehung
an und für die Zukunft in seinen Operationen durchaus nach den Intentionen Sr. Kgl. Hoh . des Erzherzogs Generalissimus zu agieren ,
stehe aber sonst (?) unter keinem anderen Befehle ,
als
dem des Kurfürsten, was die innere Einrichtung und jeden anderen
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
Punkt beträfe.
125
Es solle während des jetzigen Krieges der west-
fälischen (d. i. nach Westfalen operierenden österreichischen) Armee attachirt und ganz als ein mit derselben alliirtes ( ) Corps zu betrachten sein. § 9. Gegenseitige Auslieferung von eventuellen Deserteuren ; Gefangene sollten bis zu dem Friedensschlufs an Österreich überwiesen werden. § 10. Kaiserlich österreichischer Seits mache man sich » feierlichst verbindlich dem Kurfürsten seine sämtlichen Staaten zu garantiren und auch jenes Truppencorps jeglichen Schutzes teilhaftig werden zu lassen . Die kaiserlichen Operationen sollten eine möglichst § 11 . schnelle Befreiung der ehemalig hessischen Lande und die Wiedereinsetzung des Kurfürsten ins Auge fassen . Bis dahin und bis zur Herstellung der Ordnung in Hessen verpflichte sich Österreich zum Beistande. § 12.
§ 13.
Es sei der Kurfürst berechtigt auch aus den benach-
barten Ländern 15 , 17).
die Leute und
Mittel zu
beschaffen
(vgl.
§ 4,
§ 14. Bei einem Friedensschlusse garantire Österreich dem Kurfürsten nicht nur seine ehemaligen Lande, sondern werde sich auch für sonstige Bevorzugung und Vergröfserung (?) zu Gunsten des Kurfürsten verwenden (s . § 7) . § 15.
Als 1. Sammelpunkt des Corps
wird Eger
bezeichnet ,
für die sich in Prag schon gestellenden Mannschaften jedoch wünsche man einstweilen Casernements überwiesen zu erhalten . § 16.
Die erste Naturalverpflegung sollte aus kaiserlich östererfolgen (ein näherer Termin dafür
reichischen Magazinbeständen ist nicht angegeben) .
§ 17. Waffen, Geschütze u. A. seien gegen Barzahlung *) aus kaiserlichen Beständen zu verabfolgen und zwar 1200 Gewehre, 200 Karabiner, 200 Pistolen mit im ganzen 4-facher Munition (?), 300 Säbel, dann 2 leichte, 2 3 pfündige und 2 6 pfündige Kanonen ; ferner
für
2500 Infanteristen und
350 Kavalleristen
die
nötige
Montierung, für 300 Pferde das Sattelzeug, endlich aber 9 Gespanne Pferde für Proviant- und Rüstwagen und 20 Packpferde. § 18. Kommandierung eines hessischen Offiziers in das kaiser-
liche Hauptquartier (d . i. Armeeoberkommando) und
einer
öster-
reichischen zu dem Kurfürsten (d . i . zunächst nach Prag) . *) Die Zahl der hier zu entnehmenden Waffen läfst auf den freihändigen Ankauf von noch 1250 Stück schliefsen,
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
126
Vorsichtsmafsregeln gegen das Einschleichen fremder § 19 . Individuen. Versprechen der strengsten Mannszucht (! ) . § 20. Geheimhaltung der Konvention. Erst nach dem wirklichen Ausbruche werden .
der
Feindseligkeiten
Unterzeichnet ist die Urkunde,
solle
gehandelt
öffentlich
d. d. 20. März,
von Obrist-
lieutenant v. Steinmetzen , von Oberst v. Thümmel , einem Flügeladjutanten des Kurfürsten , von dem hessischen Kriegsrat Schminke und von dem Kurfürsten selbst.
Der Erzherzog Karl gegenzeichnete,
d . d . Wien , 14. April und zwar mit folgendem Vorbehalt : »Vorstehende Urkunde wird hiermit in allen ihren Punkten , jedoch was den 13. Artikel (§ ) betrifft , mit der ausdrücklichen Beschränkung genehmigt , dafs des Herrn Churfürsten Liebden aus den
mit
den Ihrigen benachbarten Ländern die
Leute und
Mittel nur so und nicht anders zusammenzubringen und zu benützen berechtigt sein werden , wie solches von Kaiserlich- Österreichischer Seite geschehen wird. e Stückknecht
3 Compagnien mit Offizieren 1 Batterie reitende Artillerie
285
10,122 Mann 1017 Mann
>>
106
40
Reserve-Artillerie
« Summa der Artillerie
509 Mann
509
35
Generalstab der Armee
22
Profosenamt
« Knechte oder Fourierschützen
288
»
345 Mann Summa der Streitbaren
345
»
11,993 Mann
*) Aus den Grenadier compagnien der Bataillone wurden, nachdem durch die Formation von 1799 die Grenadierregimenter als solche aufgelöst worden waren, im Lager bei Donauwörth ( wo sich die Brigade Deroy sammelte) ein bayerisches unter Oberstlieutenant Graf Reufs und in Heidelberg (wo sich die Brigade Wrede sammelte) ein pfälzisches unter Oberstlieutenant Siebein formirt , zu welchen so weit als nöthig die ältesten Offiziere eines jeden Dienstgrades versetzt wurden. Diese Grenadiere erhielten, nachdem schon 1799 die Einführung der so beliebten blauen Monturen wieder verfügt war, diese Uniform vor allen übrigen Infanterietruppen und zur besonderen Auszeichnung auf den Hüten einen rothen Federbusch. Die Bestimmung der Grenadiere war für den Feld- und Vorpostendienst und genossen sie, obwohl im Felde eine ununterbrochene Thätigkeit von ihnen gefordert wurde, doch Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd LIV.. 2. 11
152
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
Geschütze : 2 Sechspfünder oder Haubitzen per Bataillon, macht für 12 Bataillone 24 Geschütze : 18 Sechspfünder Kanonen und 6 Haubitzen ; Reitende Batterie : *) 6 Kanonen und 2 Haubitzen , zusammen : 24 Kanonen und 8 Haubitzen.
Pferde des Profosenamtes Pferde der Lazarette Pferde des Generalstabs der Armee Summa der Pferde:
517 20
«
Pferde der Infanterie
1190 Pferde, >> 1489 «
Pferde: Kavalleriepferde mit Offizierspferden Fuhrwesen der Artillerie
15
»
165
>>
3396 Pferde.
Ordre de bataille der Subsidien- Division. Commandeur : Generallieutenant Freiherr von Zweibrücken . Generalstabsoffiziere : Oberst von Triva **) , Generalquartiermeister ; Major von Seiboltsdorff und Major v. Ribaupierre, Generalquartiermeisterlieutenants.
Vortheile mancher Art vor der übrigen Infanterie, welche meist in Lagern oder Bivouaks leben musste, während die Grenadiere häufig in Dörfer gelegt wurden, und hier auch im Punkte der Verpflegung oft besser daran waren. Schintling v. Tagebuch 1787-1824, Auszugsweise Bearbeitung, Seite 94, 95. *) Die reitende Batterie war i. J. 1799 errichtet worden. Man verschrieb sich den Lieutenant v. Schweinichen aus Preufsen, welcher am 8. August 1799 als Hauptmann der Artillerie angestellt wurde, um sich dem Geschäfte zu unterziehen, eine reitende Batterie einzuführen . (König Friedrich der Grofse hatte sie im J. 1759 errichtet und nachdem sie bei Kunersdorf verloren gegangen, sogleich wieder herstellen lassen. General Finck verlor sie zum zweitenmal bei Maxen, indefs der König wurde nicht müde, sie zum drittenmal neu zu errichten) . Modelle und Mustergeschirre kamen aus Berlin, sechzehn Kaliber lange Sechspfünder. Am 30. August wurde mit den Vorbereitungen begonnen - 12 Mann abgerichtet, 2 Kanonen gegossen, affutirt u. s. w. , Alles nach preufsischem Muster eingerichtet. Bei Hohenlinden fiel sie in französische Hände, wurde hierauf wieder errichtet und nachdem sie bald dem Artillerieregiment einverleibt, bald selbständig gemacht worden war , am 14. März 1804 aufgelöst. Sie erlag dem Neid und der Eifersucht der übrigen Artilleristen. Hofkriegsrathsakten Akt. No. 124. Bei der Auflösung befanden sich bei der Batterie : 1 Major (Schweinichen), 1 Capitain (Tausch) , 1 Oberlieutenant (Caspers), 2 Unterlieutenants (Willenfels und Rohr). ** ) Kurze Zeit war dem Oberst Triva das Kommando über die 2. Brigade übertragen (16. März 1800) und Oberst v. Wrede zu einer anderen Verwendung" in Aussicht genommen worden . Triva übergab infolge dessen sein Kommando in Philippsburg an den Oberstlieutenant Ranson. Am 19. März meldet Triva die Uebernahme der Brigade. Dieser Befehl wurde anullirt, denn am 30. März wurde
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
222 22
1. Brigade : Generalmajor von Deroy. Grenadierbataillon Reufs
153
1 Bat. 2 Gesch. >> 1
Feldjägerbataillon Metzen ( 15. Inf. - Regt. ) Bataillon Minucci (2. Inf.-Regt. )
1
»
Bataillon Zedtwitz (7. Inf.- Regt. )
1
>>
Bataillon Spreti (6. Inf. - Regt.)
1
»
2
» »
2 «
Bataillon Schlofsberg ( 11. Inf. - Regt ; 1806 an Berg
abgegeben)
» 2 1 » 6 Bat.12 Gesch. 2 2 2 2 2 2
2. Brigade : Oberst von Wrede. Grenadierbataillon Siebein
2 Gesch. >>
1 Bat. > Feldjägerbat. Clofsmann ( 15. Inf. - Regt. ) 1 » 1 Bataillon Dallwigk ( 9. Inf.- Regt.) »
Bataillon Buseck (3. Inf. - Regt .)
2 Compagnien Scharfschützen **)
1 «
Bataillon Pompei (10. Inf. -Regt . ) Bataillon Zoller (3. Inf.- Regt.) *)
>>>
2
2
1
»
2 Comp. 6 Bat. 2 Comp. 12 Gesch.
Wrede," zum Brigadier der rheinpfälzischen Brigade der Subsidientruppen" und Oberst Triva am gleichen Tage zum „ Generalquartiermeister" ernannt. Am 2. April 1800 übernahm Oberst Wrede das Brigade-Kommando. *) Nach einer Kabinetsordre vom 30. März 1800 : das 1. Grenadierbataillon kommandiert Oberstlieutenant Siebein, Oberstlieutenant Graf Reufs , 39 2. 99 99 ehemalige Bataillon Siebein kommandiert Major v. Dallwigk, Wrede " 19 "9 Major v. Zoller, Junker 39 19 19 99 Major Graf Pompei, Oberstlieutenant v. Buseck, Buseck 39 9% Oberstlieutenant v. Clofsmann, 99 Feldjägerbataillon Schwiegeld 39 99 ehemalige Bataillon Kurprinz Oberstlieutenant Graf Minucci, 99 99 23 Major Graf Zedtwitz, Morawitzky 99 99 "9 99 Herzog Wilhelm kommandiert Major Graf Spreti, 99 39 Dallwigk kommandiert Major v. Schlofsberg, 99 kombinierte Feldjägerbataillon 99 Major v. Metzen . Am 31. März 1800 wurde befohlen , dafs die ins Feld gestellten Bataillone den Namen ihrer Commandeure zu führen haben. Einige Bataillone wechselten ihre Commandeure : Als Oberstlieutenant Siebein zum Obersten befördert wurde , erhielt Oberstlieutenant Graf Pompei sein Bataillon (26. Mai) ; Major Dallwigk erhielt das Bataillon Pompei und Major Lamotte das Bataillon Dallwigk ( 1. September) ; das Feldjägerbataillon Clofsmann erhielt Major Graf Preysing ( 20. Juli) ; das Bataillon Zedtwitz erhielt , nachdem Oberstlieutenant Graf Zedtwitz bei Neuburg gefallen war, der Major v. Stengel ( am 20. August) . **) Am 11. März 1800 wird Hauptmann v. Kesling zum kommandierenden Major" dieser beiden Compagnien ernannt. 11*
154
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern
Kombiniertes Chevaulegers - Regiment : Oberst v. Dorth, 6 Schwadronen. *) Artillerie - Abteilung : Major Tischleder. Fufsbatterie Lamey 6 Geschütze, 6
>>
Degner Halder
»
Steiner
6
»
6
Reitende Batterie Schweinichen 8
«
Summa : 32 Geschütze. Die Subsidien-Division war somit stark : 12 Bataillone, 2 Compagnien , 6 Schwadronen , 4 Fufsbatterien , in der Art , dafs jedes Bataillon 2 Geschütze mit sich führte, 1 reitende Batterie. Wir finden zwar hier eine Art von Regimentseinteilung bei der Infanterie , welche aber der eigentlichen nicht entspricht. Es bildeten nämlich immer zwei beliebige Bataillone, d . h. wenn ein dritter Stabsoffizier vorhanden war, eine Masse, welche man Regiment zu nennen beliebte.
So bildeten bei der 1. Brigade die Bataillone
Spreti und Schlofsberg ein Regiment unter Major von Weinbach, bei der 2. Brigade die Bataillone Dallwigk und Zoller ein Regiment unter Major von Lamotte und dann unter Oberst Siebein und die Bataillone Pompei und Buseck ein Regiment unter Oberst von Karg. Am 17. März wurde ein eigener Regimentsstab ernannt. In rechnerischer und justizieller Beziehung bildeten ferner eigene Gruppen
*) Commandeur des Regiments Oberst v. Dorth vom Chevauleger- Regiment Kurfürst, jetzt Nr. 4. 1. Eskadron : Eskadrons-Chef Oberst v. Dorth. Rittmeister Graf Seyssel d'Aix von demselben Regiment. 2. Eskadron : Eskadrons-Chef Major Graf Vieregg vom Dragoner-Regiment Taxis, jetzt 2. Chevaulegers-Regiment. Rittmeister Graf Yrsch vom Chevaulegers-Regiment Fürst Brezenheim, jetzt 3. Chevaulegers-Regiment. 3. Eskadron : Eskadrons-Chef Major Karl Graf Pappenheim vom ChevaulegersRegiment Fürst Brezenheim, jetzt Nr. 3. Rittmeister Baron Bourscheid von demselben Regiment. 4. Eskadron : Eskadrons-Chef Major Baron Loé vom Chevaulegers-Regiment Leiningen, jetzt Nr. 5. Rittmeister Elbracht von demselben Regiment. 5. Eskadron : Eskadrons- Chef Major Fritz Graf Pappenheim vom ChevaulegersRegiment Fugger, jetzt Nr. 3. Rittmeister v. Viertel von demselben Regiment. 6. Eskadron : Eskadrons- Chef Major Baron. Blankart vom Chevaulegers-Regiment Kurfürst, jetzt Nr. 4. Rittmeister v. Laroche von demselben Regiment.
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
155
die Bataillone Minucci und Zedtwitz, die Feldjägerbataillone Clofsmann und Metzen, die Grenadierbataillone, das Kavallerieregiment und die Artillerie. Da der Divisions-Commandeur nach wie vor für die Selbstständigkeit der Bataillone war ,
die
Brigade- Commandeure
beiden
aber . die Regimentseinteilung vertraten, so kam es von Zeit zu Zeit Die Infanterie zu Differenzen, die nicht sehr erbaulich waren . ein geschriebenes Felddienst- Reglement unter dem Titel : >> Anhang zu dem Kriegs- Reglement für die Infanterie , wie der Dienst
erhielt
Die Artillerie hatte am 12. April ein den Dienst der im Felde Reglement, geschriebenes provisorisches erhalten . Das Kavallerie - Regiment betreffend , Artillerie stehenden
im Felde geschehen soll. Die kurpfalz-bayerischen Truppen « , sagt Kray in dem Tagesbefehl vom 11. Mai » haben bei dem gestrigen Gefecht sich durch Entschlossenheit und Tapferkeit so sehr ausgezeichnet , dafs ich ihrem Anführer , dem Herrn Obersten Baron von Wrede , den Herrn Offiziers
wie der Mannschaft ,
nebst
meiner Zufriedenheit,
auch meinen warmer Dank zu äussern , mich verpflichtet sehe. < **) Die Brigade Wrede hatte sich , wie der Kurfürst am 16. Mai
refsentait de cet état de demoralition générale. " Gay de Vernon, vie du maréchal Gouvion St. Cyr, 159. * ) Feldzeugmeister Kray schickte seinen Stabschef, den General Chasteler, zu mir, um mich zu ersuchen, die Arrieregarde der Armee machen zu wollen ; so fatikirt auch meine Truppe bereits war, so verstand ich mich doch dazu, weil ich sah, dafs das Heil der guten Sache davon abhing. " Wrede an den Kurfürsten, 12. Mai 1800, K.-A 1800 III - VIII. **) „ Allein mit theurem und vielem Blut mufsten wir die Rettung der Armee erkaufen. Der vortreffliche Major Graf Pompei , einer der würdigsten StabsOffiziere, die ich kenne, 1 Hauptmann, ferner noch 2 Ober- und 1 Unterlieutenant sind verwundet, Unteroffiziere und Gemeine zähle ich mehrere Hundert todt und verwundet 66 Wrede an den Kurfürsten , 12. Mai,
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
163
sagte, »in der drangvollsten Lage durch einen beispiellosen Muth , den ungetheilten Beifall der ganzen Armee erworben . < *) Beim Abmarsch aus der Stellung bei Memmingen war das
Bataillon Zoller, welches rechts der Stadt in den Hopfengärten gestanden, vergessen worden . Hauptmann Frank, welcher das Bataillon seit der Verwundung des Major Zoller führte , entschlofs sich auf eigene Faust dem Rückzug zu folgen . Mit der Richtung desfelben nicht bekannt, zog sich Frank in der äusserst stürmischen und regnerischen Mindelheim.
Nacht durch die feindlichen Linien und erreichte Von dort vertrieben , marschierte das Bataillon über
Buchloe nach Landsberg, wo es nachtete. Am folgenden Tag , den 12. Mai , erreichte es Oberhausen bei Augsburg , am 13. Lauingen und am 14. traf es bei Unter-Elchingen ein , worauf es wieder bei Wrede hing seiner Brigade einrückte. » Mein braves Bataillon welches in der Nacht von mir abgeschnitten wurde, und sich bis zur Stunde noch nicht mit mir vereinigt hat, Bei der Obersten - Compagnie hat abermals schrecklich gelitten. > Ich bin überzeugt , wie unangenehm Euer Excellenz das Ansinnen des k. k. Armee-Kommando's um Stellung dieser Arbeiter gewesen sein mufs. Ich meines Orts kann und darf Euer Excellenz nicht bergen , welchen üblen Eindruck auf die Mannschaft dieses Begehren des Armee-Kommando's macht. Es ist bekannt, welche Spannung und welches Misstrauen ohnehin den ganzen Lauf des Feldzuges fast hindurch zwischen den beiderseitigen Truppen geherrscht, und wie schwer es war unsere Soldaten von ihrer einmal gegen die Österreicher gefassten Meinung abzubringen . Kaum hat sich nun das Feuer ein wenig gelegt, kaum ist der Desertion , * ) die bei vielen unserer Soldaten aus Hafs gegen die Österreicher eingetreten , vorgebeugt , Zeitpunkt ,
so sollen unsere Soldaten in einem
wo die k. k. nur die besten Kantonierungen beziehen
und ihrer Ruhe pflegen, unsern Truppen aber die ausgesaugten Länder
r.t 2
*) Am Schlufs des 20. Juli 1800 sagt das Journal des Platzmajors Magg von München : ,,Soeben werde ich verlässigt , dafs aufser der Stadt gegen
te a
450 bayerische Desertenre verkleidet sich aufhalten, welche alle vom SubsidienCorps entwichen, und einhellig die äufserst üble Behandlung von denen Kaiserlichen zur Ursach angeben. " (Herzoglich bayerisches Hausarchiv.) Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, Bd. LIV., 2. 13
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern .
184
überläſst, einen vierzehnstündigen Marsch machen, denn soweit sind meine im Gericht Traunstein liegenden 3 Bataillone entfernt, um, wie sie es nennen, Verschanzungen für die K. K. zu machen . Sie sollen zu einer Jahreszeit, wo die k. k. Truppen schon sozusagen Winterquartiere bezogen, im Koth kampiren und für 5 Kreuzer schanzen. Dies ist die Sprache der Soldaten, der ich und alle Offiziere keinen Einhalt zu thun vermögen . « *) Am 25. November war die Subsidien-Division wie folgt untergebracht :
Divisionsstab : Altötting . 1. Brigade : Bataillon Reufs
in Altötting und Concurrez ; Bataillon Minucci, Stengel (vorher Zedtwitz), Spreti, Schlofsberg und Metzen in den Gerichten Mermosen und Wald.
2. Brigade : Bataillon Pompei (vorher Siebein ), Buseck,
Dallwigk (vorher Pompei) , Zoller , Lamotte (vorher Dallwigk) und Preysing (vorher Clofsmann) in den Gerichten Trostberg und Traunstein.
Fufsjäger-Division : Kleburg.
Isen, Kleburg, Erding, Bruck.
Alle diesseits des Inn zwischen
Chevaulegers - Regiment : ** ) Stab
Marktl, Alt- und Neuötting 1 Eskadron , die übrigen 5 Eskadronen im Öttinger Gericht dies- und jenseits des Inn, bis an die Fufsjäger und reitende Artillerie.
Reitende Artillerie :
Winhörnig.
Re-
serve - Artillerie :
Ehring, Holzhausen und Teising. (Fortsetzung folgt.) *) K.-A. 1800 XI- XII. **) Das Chevaulegers -Regiment und die Artillerie hatten am 1. Oktbr. 1800 folgende Stärke : Kombiniertes Chevaulegers- Regiment : Oberst Freiherr v. Dorth. Stab 7 Offiz. 9 Unteroffiz., 45 Gem . 75 Pferde 136 95 170 梦 5 "" 12 1. Eskdr.: Rittm. Graf Seyssel Eskadron-Chef Oberst Dorth. 5 99 115 99 154 9 2. Eskdr.: Rittm. Graf Yrsch Eskadron-Chef Major Vieregg. 3. Eskdr.: Rittm. Bourscheid 109 99 150 "1 6 33 12 ท Eskdr.-Chef Major Karl Pappenheim. 4. Eskdr.: Rittm. Elbracht 124 "9 143 7 " 11 Eskdr. -Chef Major v. Loé. 5. Eskdr.: Rittm. Viertel
127 39 172 99 9 99 " Eskdr.-Chef Major Fritz Pappenheim . 149 19 172 99 6. Eskdr.: Rittm. v. Laroche 6 , 11 Eskdr.-Chef Major v. Blankart. Feldartilleries tab , reitende- u. Reserve - Artillerie. 5 Offiz. 1 Unteroffiz. 22 Gem. 25 Pferde Stab : Major Tischleder Reitende Artillerie : Hptm. Schweinichen, Oblt. Taeusch 3 11 127 "9 179 u. Lt. Caspers Reserve-Artillerie: 8 1 93 80 " 180 99 Hptm. Lamey .
Aus der Geschichte des russischen Generalstabes.
185
XII.
Aus
der
Geschichte
des
russischen
General-
stabes . *) Nach dem Werke des kaiserlich russischen Generalmajors Glinojetzki bearbeitet von
Trost, Premier-Lieutenant im Inf.-Regt. Nr. 71.
(Schlufs.) III. Ein kräftiges und bedeutungsvolles Element im Bestande des russischen Generalstabes namentlich
bildeten die Ausländer ,
nach dem Tilsiter Frieden
deren Zahl sich
erheblich vergröfsert hatte.
Bis dahin waren es meist französische Emigranten und Holländer gewesen, die in russische Dienste übertraten ; vor dem Kriege 1812 sehen wir jedoch eine Anzahl von Preufsen und Österreichern in die Reihen des russischen Heeres übergehen , deren Namen später eine gewisse Berühmtheit erlangt haben, wie Valentini, Phull, Wolzogen , Hofmann und — der Letzte , nicht Geringste - Clausewitz . Der Erstgenannte trat 1810 aus dem preufsischen Generalstabe als
Major in russische
Dienste über ,
mit der speziellen Absicht,
sich am Kriege gegen die Türkei zu beteiligen . Einen Tag nach dem verunglückten Sturm auf Ruschtschuk bei der Armee eintreffend, scheint er dort durch seine pedantische Kritik ein wenig den Unwillen seiner neuen Kameraden und durch sein Auftreten > in einer
neuen Paradeuniform,
nicht geeignet war
die
für Kriegszwecke
in der Türkei
auch deren Spott auf sich gezogen zu haben,
und verschwand nach kurzer Zeit vom Kriegsschauplatze ; im Jahre 1812 verliefs er den russischen Dienst wieder und fungierte , wie
*) Im Jan.-Heft mufs es heifsen : Seite 37 Z. 1 den Generalstabsquartiermeistern st. dem Generalquartiermeister. Seite 48 Z. 11 Übertritt st. Überblick.
13*
Aus der Geschichte des russischen Generalstabes.
186
bekannt , in den Jahren 1813/15 als Oberquartiermeister bei York und Bülow . Über die Person so,
wie es
vor ihm
v. Phull's äufsert sich General die Generale v. Clausewitz
Glinojetzki
und v. Müffling
gethan haben, wie auch Bernhardi in seinen » Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Grafen Toll« es thut. » Er imponierte Vielen , flöſste nur Wenigen Vertrauen ein und konnte Niemandes Liebe für sich gewinnen. > Höher nach seinen Kenntnissen und der Vielseitigkeit seiner Bildung» Stellungen «
und
ihrer Angriffs-
punkte , nebst allen erforderlichen Einzelnheiten , kamen diese in verschiedenen Mafsstäben hergestellten und zum Teil zu völligen Atlanten vereinigten Karten infolge des schnellen Rückzuges der russischen Armeen kaum zur Geltung. Nach weniger als zwei Monaten standen die Russen hinter dem Dniepr in einer Gegend , von welcher Karten fast garnicht vorhanden waren , so dafs z. B. im Stabe des 1. Corps ( Graf Wittgenstein) sich nur ein Exemplar befand. An anderen
vorbereitenden
lieutenant Diebitsch
Arbeiten
ausgearbeiteten
mag des
vom
Oberst-
» Organisations - Planes
eines
Requisitions-Systems « , sowie eines Memoires des Oberstlieutenants Tschuykewitsch Erwähnung geschehen , das schon im April des Jahres 1812 unter dem etwas manierirten Titel » Patriotische Ge-
• danken oder politische und
militärische Betrachtungen
über den
bevorstehenden Krieg zwischen Russland und Frankreich « die Notwendigkeit von Schutzmaßsregeln gegen Napoleon betonte, die mit der Entsendung von Kasaken in den Rücken der Franzosen zu verbinden seien , um durch diese einen Volksaufstand herbeizuführen . Auch Oberst Toll hatte eine Denkschrift über den gleichen Gegenstand verfasst , die dem Kaiser vorgelegt wurde , und die hauptsächlich auch deshalb bemerkenswert
erscheint ,
weil
daraus
ersichtlich ist, wie man selbst an der Centralstelle über Stärke und Lage des Feindes nicht im Entferntesten unterrichtet war, so dafs
Aus der Geschichte des russischen Generalstabes.
188
Toll's Schlüsse
natürlich auch
falsche sein mussten ,
da sie von
falschen Voraussetzungen ausgingen. Infolge der im April und Mai 1812 erfolgten Vermehrung der Armee um einige Infanterie- und Kavallerie-Divisionen, sowie infolge ihrer Einteilung in Armeecorps und verschiedene Operations- Armeen, war die Zuteilung der Generalstabs-Offiziere vielfachen Änderungen. unterworfen gewesen , so dafs bestimmte Angaben auch in den Rapporten vermisst werden. Aus vorhandenen Befehlen, Berichten u. dergl. lassen sich jedoch etwa 140 Generalstabs-,
Stabs- und
Ober-Offiziere nachweisen , die zu verschiedenen Zeitpunkten bei den gegen die Franzosen operierenden Armeen gestanden haben ; jedes Infanterie-Corps hatte stehend aber nur etwa 2-3, jede InfanterieDivision 1 , höchstens 2 Generalstabs- Offiziere , während der Stab einer Armee mit 10-15 solcher Offiziere versehen war. An Kolonnenführern zählte jedes Kavallerie- Corps je einen ; im Allgemeinen befanden sich von diesen indefs nur wenige bei der mobilen Armee, so dafs vielfach Regimentsfourierschützen, die man beritten machte, an ihre Stelle traten . Mit der im Frühjahr 1812 erfolgten Aufstellung der Armeen sehen wir drei Generalquartiermeister ernannt : Generalmajor Muchin für die erste West- Armee , Generalmajor Aderkas , der bald durch Generalmajor Wistizki ersetzt wurde , für die zweite West -Armee und Oberst Renni für die dritte ,
die sogenannte Reserve- Armee.
Als die glücklichste Wahl lässt sich die letzte bezeichnen, und trug das einheitliche Zusammenwirken Tormassof's , des Ober- Kommandierenden, seines Stabschefs Inzof, und seines Generalquartiermeisters Renni nicht wenig zu dem Erfolge bei Kobryn am 15. Juli bei. Weniger glücklich war die Wahl Muchin's und Wistizki's. Ersterer wird als
ein vorzüglicher Aufnehmer ,
aber im Übrigen als
ein
Mann ohne jede Bildung und ohne Selbstständigkeit, dabei auch Letzterer hatte seine geringe ohne Kriegserfahrung geschildert. Geeignetheit bereits 1799 in der Schweiz als Generalquartiermeister Korsakoff's an den Tag gelegt ,
uud wurde sein geringes Wirken
durch die Thätigkeit des Grafen St. Priest wieder gut gemacht, welcher als Stabschef sich mehr um die allgemeinen Angelegenheiten kümmerte, wohingegen der Quartiermeister vornehmlich die taktischen und strategischen zu leiten hatte. In nicht so günstiger Lage als Wistizki befand sich Muchin, dem als Stabschef der Generallieutenant Lawrow zur Seite stand, ein bejahrter Mann , der hauptsächlich für Bureauarbeiten befähigt schien . Dazu kam ,
dafs sich bei dieser (1.) Armee
der Kaiser mit dem
Aus der Geschichte des russischen Generalstabes.
189
Fürsten Wolkonski und einem zahlreichen Gefolge aufhielt, welches in Leuten wie Phull, Wolzogen, Michaud, Toll Anwärter auf den Posten eines General - Quartiermeisters mit sich führte. Uneingeschränkt kritisierten diese die gegebenen Befehle und kamen mit ihren eigenen Plänen und Betrachtungen hervor , die Muchin nicht zu bekämpfen in der Lage war, da er von keiner fremden Sprache auch nur ein Wort verstand. Am meisten zeigte sich seine Unselbstständigkeit mit dem Augenblick des Einrückens der 1. Armee in das Lager von Dryssa, und als der aus sardinischen Diensten in russische übergetretene, frühere Ingenieur, jetzige Oberst und Flügeladjutant des Kaisers , Michaud, diesen• zu dem Befehle zu bewegen wufste , das Lager aufzugeben , war auch das Schicksal Muchin's entschieden. Er wurde als Gehülfe des General Opperman zum * Kartendepot abkommandiert und an seine Stelle rückte der vor noch nicht Jahresfrist erst zum Obersten beförderte Toll ; gleichzeitig erhielt Jermoloff's.
die
Armee
einen
neuen
Stabschef in
der Person
Bei den Fähigkeiten und der unbestrittenen Tüchtigkeit dieser beiden, dem Ober-Kommandierenden , General Barclay, beigegebenen jungen Offiziere ,
die erst 35 bezw. 34 Jahre zählten ,
hätte man
erwarten sollen , dafs dieselben einen günstigeren Einfluss auf den Gang der Ereignisse ausüben würden , als dieses später thatsächlich der Fall war. Leider aber besafsen beide eine übermässige Eigenliebe , wodurch ihrem Handeln die notwendige völlige Übereinstimmung fehlte. Wenngleich Jermoloff in seinen » Erinnerungen Jäger-Comp. 195 Mann u. 77 >>
Die I. Gren.-Comp. 107 Mann
«
»
Füsilier-Comp.
2 Nichtkombattanten » 150 425 Mann u. 5 Nichtkombattanten
d . i . im Ganzen 620 Kombattanten , 7 Nichtkombattanten. Am 26. Juni rückte das Detachement Müller behufs Vereinigung mit den Truppen Heimrodt's aus Prag , auf der Strafse Brüx - Chemnitz ; 4 Meilen zurückgelegt.
und
zwar zunächst
an jedem Tage wurden ungefähr
Am 28. bog man nach Nordosten aus und
erreichte Bilin , um die Grenze bei Teplitz-Peterswalde zu überschreiten. Es kam jedoch beim Ausrücken ein österreichischer Generalstabs-Offizier v . Kienmayer , mehrigen
mit
einem
Abänderungsbefehle
des
General
in welchem neben der Orientierung über die nun-
Operationen
des
XI.
österreichischen
Armee - Corps
in
Baireuth die Aufforderung enthalten war, über Chemnitz oder Zwickau mit dem Herzog von Braunschweig Fühlung aufzusuchen . Heimrodt habe gleich Befehl von Dresden aus erhalten. Aufserdem wurde die Kommandierung eines Ordonnanz-Offiziers zu General v. Kienmayer gewünscht ,
um dadurch die Befehlsverbindung mit den Hessen zu
erleichtern. Infolge dieses Befehls kehrte das Detachement um und erreichte am 29. Brüx wieder. Hier war die Nähe des Feindes bereits fühlbar. Sächsische Kavallerie war in Jörgenthal und Einsiedel erschienen, ja es ging das Gerücht , dafs die Österreicher Sachsen bereits geräumt hätten.
Das Detachement machte in Brüx
Ruhetag , auch am 30. , das Detachement Heimrodt erwartend ; es benutzte diese Mufse ,
um die sächsischen Vortruppen aufzusuchen.
Major v. Heimrodt traf mit seiner Infanterie am folgenden Tage ein , andererseits aber auch eine Aufforderung des Herzogs v. Braunschweig, möglichst schnell über Kommotau- Sebastiansberg- AnnabergSchneeberg auf Zwickau nachzurücken.
Als man infolgedessen am
2. in einem fast 5 Meilen langen Marsche Sebastiansberg erreicht hatte, kam es zum falschen Alarm , den das Gerücht , die Sachsen ständen nur noch 1½ Meile entfernt hervorgerufen hatte. Man befahl deshalb Alarmbereitschaft des Corps und trieb die vorhandene leichte Infanterie und Kavallerie möglichst weit vor. Auch der nächste Marsch sollte sein Ziel Annaberg nicht erreichen ;
am 3. Juli früh
254
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
traf der Befehl ein, nunmehr nach Karlsbad zurückzugehen und dort weitere Bestimmungen zu erwarten. Das Corps rückte demnach auf den so beschwerlichen Gebirgswegen nach Klösterle zurück , während die Bagage direkt nach Tage erreichte
Karsbad dirigiert wurde.
man Karlsbad.
Am folgenden
Es ist hier zu erwähnen , daſs die
Jäger-Compagnie eine sehr ärgerliche gemeinsame Beschwerde über die seit ihrem Abmarsch von Dresden nach Böhmen verminderte Löhnung erhob , welche Oberstlieutenant v. Müller energisch zu unterdrücken verstand. Am 5. Juli Nachts erhielt Oberstlieutenant v. Müller wieder den Befehl zum Weitermarsch und zwar direkt auf Hof, wo nach
dem Wortlaut des
vorletzten Befehles das Haupt-
quartier des General v. Kienmeyer bereits am 3. eingetroffen sein sollte.
Am 6. erreichte man in anstrengendem Marsche Mariaculm
und traf hier einige 40 von Rittmeister v. Reitzenstein aus dem nahen Eger herangeführte Ersatzmannschaften . Auch Major v. Heimrodt hatte aus Dresden ungefähr gleichviel Rekruten mitgebracht. Das nächste Marschziel war Asch, doch traf ein Befehl zum Weitermarsch beim Einrücken der Truppen ein, demgemäss man heut noch bis Schwarzenbach a/Saale und am 8. über Münchberg-Kupferberg nach Culmbach zur Vereinigung mit den Österreichern marschieren solle.
Infolge dieses Befehles erfolgte nach geringer Ruhe ein neuer
Abmarsch um 5 Uhr Nachmittags.
Um 11 Uhr Nachts
erreichte
man Schwarzenbach, wo die Bewohner aus dem Schlafe aufgestört werden mussten .
Am frühen Morgen des 8. traf ein neuer Befehl
ein, nur bis Münchberg zu marschieren , um dort die Vereinigung herzustellen. Auf dem Marsche hörte man sehr bald Gewehrfeuer in der linken Flanke, und setzte sich infolgedessen Oberstlieutenant v. Müller mit der Kavallerie in beschleunigte Bewegung, während er an die Bagage Befehl schickte , in Asch bezw. Rehau Halt zu machen. Um 10 Uhr erreichte Oberstlieutenant v. Müller Münchberg, wo General v. Kienmayer bereits eingetroffen war. Überblicken wir die Bewegungen der beiden Detachements bis zur Vereinigung mit den Österreichern, so fällt ihre Unregelmässigkeit auf. Auch vermifst man Aufschlufs darüber , warum zunächst die Vereinigung beider Detachements und dann erst die mit dem Herzog von Braunschweig erstrebt wurde, da doch ein gemeinsamer Vereinigungspunkt mehr gegen Baireuth hin zu suchen sein mufste, und die Elsterlinie ein derartiger Punkt war. Höchstens die Absicht, das Detachement Heimrodt einem Anfalle seitens säch-
kürzester
sischer Truppen zu entziehen , kann als Grund
zu den getroffenen
Das hessische Freicorps im Jahre 1809. Mafsregeln gelten ,
255
obwohl auch damit der erste Marsch Müller's
nach Teplitz oder der nach Sebastiansberg nicht erklärt werden kann .
V. Die Operationen des General v. Kienmayer vom 8. Juli bis zum Waffenstillstande (17. Juli) und die Teilnahme des hessischen Freicorps an denselben . Das Corps des
General v. Kienmayer bestand unter Hinzu-
rechnung der Division Radivojevics aus folgenden Bestandteilen : 1 Bat. Erbach (Linie) 1308 Mann, 1371
«
2 Bat. Deutsch Banater (Linie) 8 Bat. Landwehr
4001
> 165 Pferde,
11 Schwadr. Schwarzenberg Ulan. 1 Schwadr. Merveldt Ulan.
120
je 1 Zug Rosenberg Chev.- Leg. u. Blankenstein-Hus.
55
Braunschweigisches Feicorps Hessisches Freicorps
400 425
Österreichische Artillerie
>
300
»
195
»
4 Gesch.
6
>
im Ganzen 7505 Mann , 715 Pferde , 10 Gesch . Die unter Junot stehende feindliche Armee zählte 8 französische Infanterie-Bataillone, 16 französische Dragoner-Schwadronen (Depotstruppen), 3 bayerische ( Besatzungs-) Bataillone, 1 württembergisches Bataillon, im Ganzen 8000 Mann Infanterie, 1200 Pferde, 12 Gesch. Junot's Vorhut hatte am 7. Juli die österreichische bis zu der Höhe von Bindloch zurückgetrieben, wo zwar das Gefecht durch die österreichische Kavallerie zum Stehen gebracht , General v. Radivojevics jedoch bewogen wurde , wegen der Unsicherheit seiner Flanken auf Berneck abzuziehen . Aber auch hier machte der Gegner den weiteren Rückzug durch sein Drängen sowohl, als durch Flankierungsversuche nötig , und General v. Radivojevics ging daher, um in dem Bernecker Defilee nicht stecken zu bleiben, bis Gefrees, wo er am Fußse des Grofsen Waldsteines *) eine vorzügliche Stellung fand. Steile Böschungen erlaubten dem Angreifer kaum eine direkte Annäherung an die von der Division besetzten und die Gegend bis Berneck beherrschenden Höhen. Von Berneck aus hatte General v. Radivojevics
bereits genaue Meldung
von seiner Lage gegeben ,
deren Gefährlichkeit jedoch General v. Kienmayer nicht derartig anerkannt haben mag , da er den bestimmten Befehl zum Halten nur
*) Der Grofse Waldstein ist eine 890 m hohe Kuppe des Fichtelgebirges bezw. seiner nördlichen, der sog . Waldsteiner Kette.
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
256
wiederholte. -- Am 8. Juli früh rückte die I. Division von Helmbrechts ab und marschierte über Münchberg nach Gefrees. In Münchberg trifft die Tête der Hessen mit der österreichischen zusammen . Nachdem die I. Division daselbst in einem allgemeinen Rendezvous in sich aufgeschlossen hatte, erhielt der Herzog von Braunschweig wiederum die Tête der Angriffskolonne.
Die hessische Infanterie,
welcher eigentlich diese Aufgabe zufallen sollte ,
war noch zu weit
zurückgeblieben . Die Lage der II. Division war inzwischen zwar nicht wesentlich verändert, immerhin hatte jedoch General de la Roche (Junot soll während des ganzen Gefechtes ruhig bei den Freuden der Tafel in Baireuth die Wechselfälle des Kriegsglückes vergessen haben) früh morgens das Gefecht begonnen und heftige Anstrengungen gemacht. Um 10 Uhr war eine Gefechtspause eingetreten . Der Gegner stand an den Berghängen des Olchnitzthales, das Defilee von Berneck im Rücken und in seiner linken Flanke durch ein Detachement an der Strafse nach Culmbach gedeckt ; der linke Flügel seiner Gefechtslinie selbst war Pöseneck . Frühmorgens hatte General v. Radivojevics ein Schreiben Kienmayer's erhalten, dafs er im Anmarsch über Gefrees sei. Trotz dieser Zusage dauerte das Eingreifen der I. Division noch sehr lange ; die Beschaffenheit der Gebirgswege und die vorangegangenen anstrengenden Märsche erschwerten das Vorrücken der Truppen aufserordentlich. General v. Kienmayer langte um die Mittagsstunde persönlich bei der II. Division an und erteilte ihr nach sorgfältiger Rekognoscierung den Auftrag, in der Front so lange ein hinhaltendes Gefecht zu führen , bis ein Flankenangriff der I. Division auf Pöseneck sich fühlbar mache. Hierauf sollte auch die II. Division zum Angriff und zwar gegen Berneck vorgehen . Aufserdem wurden. durch General v. Kienmayer 3 kleinere Kolonnen gegen die rückwärtigen Verbindungen des Feindes in der Richtung auf Berneck und Baireuth entsendet , eine Disposition, welche ihren Zweck wegen der Gröfse der Entfernungen verfehlte. Nur eine der genannten Kolonnen (Oberst Rosener) kam zu einigen Schüssen auf den vor ihrer Front über den » weiſsen Main « abziehenden Gegner ; doch marschierte er in solch fester Haltung , nicht ratsam erschien.
dafs dem Oberst Rosener ein Angriff
Um 10 Uhr Morgens hatte der Feind seinen Angriff auf Gefrees aufgegeben ;
um 2
Uhr
Nachmittags
begann der österreichische
Gegenstofs gegen Pöseneck und Bomeck. In einem hitzigen Gefechte drängte zunächst der Herzog von Braunschweig (wobei die hessische Jäger- Compagnie , welche sich erst durch einen langen Laufschritt
257
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
in diese Kolonnen hatte einschieben können , die Tyroler Jäger, die braunschweigische Infanterie und Kavallerie und 1 österreichische Ulanen-Schwadron) den linken Flügel des Feindes von Stellung zu Stellung bis Pöseneck zurück , während das Gros der I. Division (hessische
Infanterie , 3
österreichische Landwehr - Bataillone ,
die
hessische Kavallerie) teils an der Chaussee , teils nördlich derselben folgte.
Die hessische
Infanterie und 1 Bataillon Landwehr sollte
spezielle Reserve des General v. Kienmayer bleiben . Die Absicht dem Feinde das Bernecker Defilee zu verschliefsen , gelang vollständig. Der Herzog erreichte in einer verlustreichen Attacke eine das Defilee völlig beherrschende
Anhöhe bei Pöseneck ,
und nun verliefs der
Feind , in der Front durch die Division Radivojevics ebenfalls gedrängt, eiligst seine ganze Stellung , um erst bei Baireuth wieder zum Stehen zu kommen. Die Versuche seiner Arrieregarde bei Knodenbach , oder später an der Bernecker Kapelle , von neuem Stellung zu nehmen, dauerten immer nur kurze Zeit. Leider konnte die Verfolgung ebenfalls nicht energisch genug einwirken , weil die Erschöpfung zu grofs und das Terrain zu sehr geeignet war, um mit geringen Truppenmengen die Angriffe auch gröfserer Kolonnen längere Zeit aufzuhalten . Ein starkes Unwetter und die einbrechende Dunkelheit beendeten die Anstrengungen der Sieger. Der geschlagene Gegner ging am 9. bis Fennbach, am 10. bis Amberg zurück, dem für Napoleons Verbindungen nach dem östlichen Teile des Königreichs Westfalen wichtigsten
Etappenpunkte.
Bei Pöseneck hatte
Junot sein ganzes Gepäck und viele Munitionswagen im Stiche lassen müssen, und sein sonstiger Verlust (200 Mann Gefangene, einige 100 Tote und Verwundete)
bewies den Erfolg der Österreicher nicht
weniger. Der Verlust des General v. Kienmayer wird als gering angegeben , die Hessen hatten jedoch, obwohl ihre Infanterie wie die ganze Gefechtsreserve nicht in die erste Gefechtslinie gekommen war, immerhin 16 Tote , 30 Verwundete ; 50 Mann hatte man gefangen genommen . -- Die hessische Infanterie bezog am Abend in Michelsdorf Quartiere. General v. Kienmayer lobt in einem Tagesbefehl die Bravheit seiner Truppen . »Es haben sowohl die Landwehr, als die Linientruppen , die an den Gefechten dieses Tages teil genommen , Ehre erworben
und
dem Feinde
Achtung
eingeflöfst ; sie
ruhmvoll gewetteifert , den Feind überall zu werfen.
sich
haben
Ich hege die
zuversichtliche Überzeugung , dafs dieser Geist des Heldenmutes sich auch bei künftigen Gelegenheiten ebenso ruhmvoll ausdrücken wird . « General v. Kienmayer war nun des einen Gegners ledig und Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine . Bd. LIV., 3. 18
258
Das hessische Freicorps im Jahre 1809.
konnte sich dem
heranrückenden König von Westfalen mit
ver-
mehrter Hoffnung auf Erfolg zuwenden. Die Meinung Napoleons, dafs der hier entwickelte Widerstand Österreichs von keiner ernsteren Bedeutung mehr sein könne, hatte sich als irrig erwiesen . Was die Meldungen über die holländisch - westfälische Armee betrifft , so lauteten dieselben übereinstimmend dahin ,
dafs
deren
Spitzen bereits die Gegend von Hof, das Gros Plauen erreicht hatte. Es sei hier, teilweise vorgreifend , gleich eingeschaltet, dafs General am Ende, wohl seinem Befehle zufolge, bis an die böhmische Grenze zurückgegangen und die feindliche Armee seiner Spur auch
un-
bedenklich gefolgt war, sozwar dafs sie noch am 12. Juli wenigstens mit Detachements in Fühlung mit ihm stand , dafs er aber trotz des Abmarsches der Armee des Königs von Westfalen sich nicht zu erneutem Vorgehen entschlofs. Oberst Thielmann war gegen ihn zurückgelassen und konnte an dem Detachement am Ende vorbei ruhig einen Streifzug über Kommotau nach Böhmen hinein unternehmen , eine Diversion , welche in Böhmen nicht geringen Alarm verursachte
und sogar gröfsere Truppenverwendungen in dieser Richtung veranlafst hätte (General v. Rietsch bat dringend darum),
wenn das
sächsische fliegende Detachement nicht
wie es gekommen, verschwunden wäre.
ebenso schnell ,
General v. Kienmayer sandte
(am 9. Juli) bestimmte Weisungen diesen Besorgnissen gegenüber sofort einen Schlag gegen Dresden und stärkere Vorstöfse gegen Freiberg auszuführen , Befehle , die gewifs wenig Bedenken erregen konnten , da er besonders betonte , wie er nach seinem Siege bei Berneck sich mit ganzer Kraft gegen König Jerome wende. General am Ende erhielt diese Befehle am 11. Juli , war jedoch wenig bereit , auf sie einzugehen. Die ihm zugegangenen Nachrichten stellten zwar fest, daſs in Dresden nur 400 Mann Infanterie, und bei PirnaGiefshübel 300 Mann Infanterie, 500 Pferde, also entschieden nur schwache Detachements gegenüberstanden ; er legte jedoch viel Wert auf Gerüchte von dem Anmarsch neuer feindlicher Verstärkungen aus der Lausitz (?) oder auch auf die Rücksichten , die er auf die Festhaltung der Verbindungen nach Böhmen zu nehmen hätte, und entschlofs sich zwar auf vieles Zureden zu einem Vorstofse in der Richtung auf Dippoldiswalde , blieb aber dort wieder halten ; er schickte geringe Streif- Abteilungen gegen Dresden und Freiberg und hätte sich damit begnügt, wenn diese beiden Plätze nicht » zu seinem Erstaunen>Die Truppen werden bei dem bevorstehenden Angriffe alles mögliche leisten, doch fürchte ich, dafs die Infanterie wegen ihrer abgenutzten Kleidungsröckchen, wo noch der gröfste Teil gar keine Überröcke mehr hat , werden wird. « **)
in
dieser
Jahreszeit bald
sehr
vermindert
*) K. k. Kriegsarchiv in Wien. Fascikel 11 Nr. 107. ** ) Bericht des österr. Major Romberg an Oberst Weyrother, Mühldorf 27. November 1800. Ebendaselbst. 19*
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
276
An diesem Tage , 26.,
hatte Wrede den Befehl erhalten , bis
zum folgenden Tag 5 Compagnien nach Wasserburg und 3 Compagnien nach Krayburg abzuschicken .
Ergänzend war beigefügt :
1 Bataillon mit seinen Geschützen und 1 Compagnie des andern Bataillons kommen nach Wasserburg , die 3 übrigen Compagnien dieses Bataillons nebst seinen Geschützen und seinem Commandeur gehen
nach
Krayburg.
Wrede
bestimmte
für Wasserburg das
Bataillon Zoller mit seinen Geschützen und 1 Compagnie vom Bataillon Lamotte, für Krayburg die übrigen 3 Compagnien vom Bataillon Lamotte mit seinen Geschützen ; dem Oberstlieutenant Lamotte wurde das Kommando im Brückenkopf von Krayburg *) übertragen ; in jenem von Wasserburg kommandierte Oberst Siebein . Die Brückenköpfe sollten auf das tapferste verteidigt
und
erst
auf
höhern Befehl geräumt werden ; eventueller Rückzug gehe auf dem kürzesten Weg nach Salzburg. Am 27. November mufste das Chevaulegers- Regiment 1 Rittmeister , 2 Offiziere , 3 Unteroffiziere , 4 Gefreite und 50 Gemeine nach Ampfing ,
ferner 1 Offizier ,
1 Unteroffizier ,
3 Gefreite und
21 Gemeine zum Major v. Kesling auf die Mühldorfer Strafse abstellen. Zur Besetzung des Mühldorfer Brückenkopfes hatte die Brigade Deroy 3 Bataillone
mit ihren
Geschützen ,
die
Brigade
*) Disposition , wie die zur Verteidigung des Brückenkopfes zu Krayburg bestimmten 400 Mann Infanterie zu verteilen kommen. Redute Nr. 1 30 Mann 11 In den Ausfall an der Kurtine zwischen Nr. 1 u. 2 "9 Redute Nr. 2 40 37 In den Ausfall an der Kurtine rechts Nr. 2 11 11 In den Ausfall an der Kurtine links Nr. 3 99 In der Redute Nr. 3 30 19 133 Mann Als Reserve auf dem rechten Innufer 133 29 "" 134 Zur 3. Ablösung 400 Mann. Die Reserve rückt im Fall einer feindlichen Attacke ebenfalls in das tête du pont, und giebt in die 1. Abteilung in jede Nr. die gleiche Mannschaft. Die in Ruhe belassene Mannschaft mufs jedoch sowohl bei Tag und Nacht im Falle einer Attacke ebenfalls zum Ausrücken bereit sein, um auf den Platz der Reserve sich zu stellen.
Krayburg, 27. November 1800 . Ch. du Corrou , De la Motte, Oberstlieutenant. k. k. Ingenieur-Oberstwachtmeister. Über die näheren Verhältnisse Wasserburgs und Mühldorfs konnte nichts aufgefunden werden, K.-A. 1800 XI - XII,
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern.
277
Wrede 1 Bataillon mit seinen Geschützen abzustellen ; Generalmajor Deroy übernahm das Kommando über diese Besatzung. Am 28. rückten beide Brigaden in ein Lager bei Mühldorf. Am folgenden Tag, 29. , befahl Zweibrücken der Brigade Wrede, sofort 2 Compagnien ohne Geschütze zur Verstärkung des Oberst Siebein nach Wasserburg zu schicken. Wrede bestimmte hierzu 2 Compagnien welche
am
vom
Bataillon
29. auf Wagen an
Dallwigk
unter
Major
Schmöger,
ihren Bestimmungsort abgingen.
Da nun in Wasserburg 7 Compagnien, in Krayburg 3 Compagnien, zum Generalmajor Deroy 4 Compagnien, nach Altmühldorf 4 Compagnien detachiert waren , verblieben Wrede nur noch 6 Compagnien , wie er am 29. meldete. An diesem Tage meldete Generallieutenant Zweibrücken dem Erzherzog die vollzogene Besetzung der Brückenköpfe von Wasserburg , Krayburg und Mühldorf und das Beziehen eines Lagers bei Mühldorf mit dem Rest seines Corps ; ferner die voraussichtliche Verstärkung der Besatzung im Brückenkopf von Wasserburg um weitere 2 Compagnien . Schliefslich beklagte sich Zweibrücken über Schwäche seiner Division , was durch die vielfachen Detachierungen nach allen Richtungen hin
hervorgerufen
werde. *) Damals schrieb er (26.) in etwas optimistischer Weise u. a. an den Kurfürsten : »Dans tous le cas , notre plus dangereux ennemi sera la saison dont la rigueur augmentera tous les jours et influera beaucoup sur la santé du soldat. > Grofs Haager Forst « , Stellung bei Hohenlinden genommen.
Der
Sieg wurde von dem Erzherzog nicht ausgenutzt, was den Franzosen Zeit gab, sich zu sammeln und von ihrer Überraschung zu erholen. Dieser Fehler war die erste Ursache der Katastrophe vom 3. Dezember. Hohenlinden liegt auf der Wasserscheide
zwischen Isar
und
Inn, da wo dieser von seinem nördlichen Laufe sich ostwärts wendet, umgeben
von
dichten Laub-
und
Nadelholzforsten
mit
kleinen
Lichtungen und Blöfsen . Hier kreuzen sich die Strafsen FreisingWasserburg und München-Mühldorf. Mit der letzteren Strafse läuft jene von München nach Wasserburg parallel.
Diese Hauptstrafsen
sind aufserdem blofs durch Dorf- und Holzwege verbunden .
Von
Mühldorf bis Hohenlinden ,
und
dem Mittelpunkt zwischen Isar
Inn , ist das Gelände hügelig und von Hohlwegen und Gebüschen durchschnitten ; erst über Erding und Zornolding hinaus, tritt man iu die Ebene der Isar. Auf diesem Terrain stellte Moreau sein Heer - dem blind nachziehenden Feinde unbewufst
am 2. Dezember, während starke
Arrieregarden im langsamen Weichen den Feind festhielten , folgt auf:
wie
Das Corps des Generals Grenier zwischen Hohenlinden
und Harthofen mit Detachements in Längdorf, Isen und Loipsing. Grenier hatte den Befehl , sich auf das Festhalten seiner Position so lange zu beschränken , bis der Obergeneral ihm den Befehl zum Ergreifen der Offensive geben würde.
Die Reserve-Kavallerie , hinter
Hohenlinden stehend , wurde dem General Grenier unterstellt .
Die
Division Grandjean , über welche der General Grouchy den Befehl übernommen hatte , durchschnitt die Strafse , lehute ihren linken Flügel an Hohenlinden und versagte den rechten entlang des Waldsaumes.
In Erding stand eine Kavallerie- Brigade nebst 4 Compagnien
Infanterie.
Die Division Richepance in Ebersberg und die Division
Decaen in Zornolding.
Der rechte Flügel unter Lecourbe bei Grofs-
Rückblicke auf Staat und Heer in Bayern .
279
und Klein-Helfendorf und bei Pframering an der Glon , zwischen der Wasserburger- und Rosenheimerstrafse. Zwei Divisionen vom Corps des Generals St. Suzanne unter General Collaud erhielten Befehl am 3. Dezember in Freising einzutreffen ; sie konnten jedoch vor dem 5. nicht daselbst ankommen . Diese Divisionen, sowie das Corps Lecourbe's nahmen somit
keinen
Anteil
an
der
Schlacht.
Stärke der an der Schlacht teilnehmenden Truppen 56,000 Mann .
Die
betrug circa
Das österreichische Heer vereinigte sich bei Haag. Am 1. Dezember hatte Generallieutenant v. Zweibrücken den Befehl erhalten , mit sämtlichen bayerischen Truppen , die nicht in den Brückenköpfen von Krayburg, Mühldorf und Wasserburg stünden, am 2. Dezember bei Haag zur Armee zu stofsen. *) Zu diesem Zweck brach die Subsidien -Division am 2. Dezember Morgens 2 Uhr aus ihrer Stellung bei Mühldorf auf und erreichte um 8 Uhr Vormittags Haag, wo sie sich rückwärts des Städtchens aufstellte . Der Marsch geschah in folgender Ordnung : **)
1 Eskadron Chevaulegers ;
2 Compagnien Scharfschützen ; Reserve-Artillerie , reitende Batterie, 2 Compagnien des Bataillons Dallwigk als Partikularbedeckung der Artillerie ; ***) 4¹½ Schwadronen Chevaulegers ; Brigade Deroy 5 Bataillone (Reufs, Metzen , Minucci, Stengel , Schlofsberg), Brigade Wrede 3 BaBei den Kessel-
taillone (Pompei, Preysing, Buseck) ; Kesselpferde . pferden befand sich die
Bemerkung :
» Andere Packpferde
noch
Wagen werden nicht geduldet. Das Corps hat sich mit dem nötigen Fleisch zu einem Abkochen zu versehen . « Ferner befand sich seitlich der Brigaden Deroy und Wrede die Bemerkung : » Tête de pont von Mühldorf bleibt mit einem Bataillon von Deroy besetzt ; Preysing (Alt-Mühldorf) und Buseck (Brückenkopf Mühldorf) rücken bei ihrer Brigade (Wrede) ein ; die Têtes de pont von Wasserburg und Krayburg bleiben mit ihren dermaligen Garnisonen besetzt. > Seitdem wir uns Abends beim Einrücken im Lager schrieb General Deroy am bei Haag zum letztenmale gesehen EinEs heifst, leitungs - Paragraphen der Sch.-I. 77 bereichert hat. im neuen wie im alten Paragraphen 1 zunächst :
» Durch die Schiefs-
Übungen soll die Infanterie diejenige Ausbildung im Schiefsen erhalten, deren dieselbe für den wirksamen Gebrauch der Schufswaffe im Gefechte bedarf.
Demgemäfs bilden diese Übungen
wichtigsten Dienstzweige der Infanterie . . . «
einen der
Die neue deutsche Schiefs-Instruktion.
326
Doch hier setzt die neue Instruktion ein : » welchem nicht nur von Seiten der
Compagnie - Chefs ,
sondern auch von Seiten der
Bataillons- und Regiments - Commandeure die gröfste Sorgfalt zuzuwenden ist. Die kommandierenden Generale , Divisions- und Brigade-Commandeure haben bei Gelegenheit ihrer Inspizirungen auch dem Schiefsdienste ihre Aufmerksamkeit zu schenken und sich von dem sachgemäfsen Betriebe desfelben ,
sowie speziell davon zu
überzeugen , dafs das Lehrpersonal den ihm zufallenden Aufgaben gewachsen ist. Als besonders beachtenswert erscheinen uns die Betrachtungen der französischen Instruktion über die Abhängigkeit der Wirkung des Infanterie-Feuers von der Form des Geländes.
Eine eingehende Be-
schäftigung des Infanterie- Offiziers mit diesem Gegenstande kann nicht allein zu einer Steigerung der Wirksamkeit des eigenen Feuers. sondern auch dazu führen, vorhandene scheinbare Deckungen richtig zu
beurteilen und sachgemässe
Plätze
für
die
Aufstellung
von
Schützen-Linien, Unterstützungs-Trupps und Reserven zu wählen. > Die Bein-
und Hufleiden der Pferde, ihre Entstehung, Verhütung und arzneilose Heilung
bestens bekannt, im Bezirksverein deutscher Ingenieure
zu Hannover einen Vortrag
über ein neues ,
von ihm erfundenes
Zäumungssystem (Mit Trense verbundene, zum Einhängen in das Halfterhauptgestell eingerichtete Kandare , deutsches Reichspatent Nr. 26463), welchem wir nachstehende interessante Mitteilungen entnehmen. In der Einleitung gab der Vortragende einige Andeutungen über die zur Anbringung eines Beherrschungsmittels günstige Bildung des Pferdekopfes .
Als die der unmittelbaren Einwirkung des Reiters
oder Kutschers am besten zugänglichen Stellen bezeichnete er : das Nasenbein oberhalb der Nüstern und die Zahnlücke in den untern Kinnladen zwischen Haken- und Backenzähnen.
Die Gründe , welche
es nicht zweckmäfsig erscheinen lassen , erstere Stelle zur dauernden Benutzung bei Beherrschung des Pferdes zu wählen (Behinderung der Athmung, wenn die empfindlichste, dicht über den Nüstern befindliche Stelle gewählt wird ;
verhältnismäfsige Unempfindlichkeit
des Nasenbeins mehr oberhalb gegen ein weiches Material ; leichte Beschädigung durch ein härteres ; unsichere Zügelwirkung wegen Verschiebung u. s . w.) ,
wurden kurz erwähnt , dabei aber auf die
Nützlichkeit einer vorübergehenden Benutzung zu Dressurzwecken (Kappzaum) hingewiesen. Am ältesten sei wohl die Benutzung des zahnlosen Teils der untern Kinnlade zur Einwirkung mittelst der Zäumung. Der Fortschritt vom einfachen , unter dem Kinn verknoteten Strick bis zur Anwendung eines harten Metallgebisses , gehalten durch 2 vom Genick herablaufende Backenstücke und versehen mit 2 Strickoder Leder-Enden als Zügel habe dann sehr nahe gelegen. sehr bedeutsame ,
vielfach
Eine
auch heutzutage noch nicht genügend
Ein neues Kandarensystem .
332 gewürdigte
Verbesserung
stelle
aber
die
Brechung des Gebisses
mittelst eines Gelenkes dar, wie bei der heute noch im allgemeinsten Gebrauche befindlichen Trense, indem hierdurch nicht nur die Zunge entlastet, der Druck des Gebisses mehr auf die Kinnlade koncentriert, sondern auch eine jeweilig eintretende milde Wirkung eben des Gelenkes gegen den harten Gaumen des Oberkiefers vermittelt werde, welche das Pferd zum Kauen, also zum Nachgeben mit den Kaumuskeln des Unterkiefers veranlasse. Letztere Wirkung lasse sich leicht modifizieren : sie trete in geringem Maſse ein bei kurzen , mit ihren Ringkloben hart an der Maulspalte abschneidenden Gebissen, in gröfserem bei längern, um 1 bis 1½ cm über die Lefzen nach aufsen reichenden, indem hier ein Hebelarm entstehe, welcher die Brechung des Gebisses im Gelenk begünstige . Kurze Trensengebisse seien daher da vorzuziehen , wo ein festeres Auflegen des Pferdes auf das Gebifs, ein dreisteres Herangehen, gewünscht werde, längere , wenn es sich um Bearbeitung genick- und kinnbacken(ganaschen-) starrer Pferde handele . Die Beziehungen dickerer und dünnerer Gebisse zur Empfindlichkeit des Pferdemauls und , was unter letzterer zu verstehen, wurden kurz erläutert. Als Nachteile der Trense wurden angeführt, dafs dieselbe in ihrer Bewegung nach oben, wie nach der Seite zu wenig begrenzt sei , daher unter Umständen zur Verletzung der Lefzen in den Maulwinkeln Veranlassung Die bisher angewendeten Mittel, um diese Nachteile zu beseitigen (schnallbares, ledernes Kinnstück gegen Verschiebung nach oben, starre, eiserne Backenstücke, Knebel und grofse Ringe gegen
gebe.
die Verschiebung seitwärts) hätten sich nur wenig bewährt Endlich machte der Vortragende darauf aufmerksam, dafs auch bei
der Trense
schon eine bedeutende Hebelwirkung insofern in
Betracht komme, als die Entfernung der Auflage des Gebisses auf den Laden vom Kinnbackengelenk bezw. Genick als Hebelarm der Kraft , die Entfernung des Ansatzes der Kau- und Streckmuskeln des Unterkiefers bezw. Genicks und Halses von jenen Gelenken als Hebelarm der Last anzusehen sei.
Diese Hebelwirkung der Trense
leide aber darunter, dafs das Pferd selbst durch die Haltung seines Kopfes den Hebelarm der Kraft willkürlich
zu verkürzen , ja, wie
dies bei den sog. Sternguckern der Fall, durch Erhebung des Kopfes bis zur oder über die Horizontale ganz aufzuheben im Stande sei . Einigermalsen sei dies durch die Wirkung des Trensengelenks gegen den Oberkiefer , welche durch richtige Anwendung eines Nasenriemens noch verstärkt werden könne, zu paralysieren. Sicherlich aber habe hierin ,
wie in dem weitern Umstande,
Ein neues Kandarensystem.
333
dafs das Pferd zu diesem Mittel , sich der Einwirkung seines Beherrschers mehr oder weniger zu entziehen, vorzugsweise in solchen Momenten greife , wo jene besonders wichtig sei , aber dem Pferde Unlust und Schmerz bereite , wie z. B. beim Parieren aus starken Gangarten, kurzen Wendungen u. s. w. , der Grund zur Erfindung der Indem man das Gebifs mit kürzern Ober- und Kandare gelegen. längern Unter- Bäumen versah und erstere am Pferdekopfe mittelst der Kinnkette so fixierte, dafs durch Anziehen der Unterbäume mittelst der Zügel unter Drehung des Gebisses eine hebelartige Wirkung des letztern auf die Kinnlade entstand , beugte man nicht nur der übermässigen Verschiebung
des Gebisses nach oben und seitwärts
vor , sondern potenzierte auch die Hebelwirkung der Trense um eben so viel, als das Verhältnis des Hebelarmes der Kraft zu dem der Last wuchs. Der Vortragende hält es für wahrscheinlich , Kandare
ein gebrochenes Trensengebifs
dafs die älteste
besafs und dafs die jetzt
nach ihrem Erfinder, Pelham, benannte Kandare von diesem gleichsam nur wieder neu erfunden wurde, nachdem durch unzweckmäſsige feste Gebisse ihre Vorteile wieder heller ins Licht getreten .
Eine solche Pelham-Kandare mit gebrochener Gebifsstange entlaste die Zunge aufs vollständigste , koncentriere den Druck des Gebisses auf die Kinnladen und bringe endlich die Gelenkwirkung gegen den Oberkiefer des Pferdes im höchsten Mafse zur Geltung, veranlasse daher auch die kinnbacken- (ganaschen-) und genickstarrsten
Pferde zum Nachgeben in den betreffenden Gelenken , namentlich, wenn durch einen passend geschnallten Nasenriemen ein übermäfsiges Maulaufsperren verhindert werde. Sie habe aber den
Nachteil , dafs in dem Maſse , wie sich die Gebifsstange breche , die untern Balken sich einander nähern , die Kinnlade des Pferdes und die
Lefzen scheerenartig einpressen , die Kinnkette lockern und dadurch zum Verschieben nach oben disponieren , wodurch nicht nur den Pferde unnütze Schmerzen bereitet, seine Aufmerksamkeit von der Gebiſswirkung abgelenkt, sondern auch die Hebelwirkung des letztern gerade dann ,
wenn dieselbe am höchsten gesteigert werden solle, in Folge des Durchfallens der Kandare, indem sich die
Kinnkette ganz nach oben schiebt, die Oberbäume übermäfsig nach vorne, die Unterbäume nach hinten drehen , nahezu oder ganz aufgehoben werde . Diese
Beobachtung
üblichen Kandare
habe
geführt mit
behaltung der Kinnkette.
wohl
zur
fester
Konstruktion
der
jetzt
Gebifsstange und Bei-
Bei dieser festen Stange mufste dann
Ein neues Kandarensystem.
334
aber die Notwendigkeit ,
die Zunge zu
entlasten und
eine dem
Trensengelenk ähnliche Wirkung gegen den harten Gaumen des Oberkiefers zu erzielen , wieder besonders hervortreten. Indem man nun ihrem Mundstück in der Mitte eine mehr oder weniger grofse Ausschweifung nach oben, die sog. Zungenfreiheit, gab, suchte man dem nachzukommen und der Kandare auch, wie dies die mittelalterlichen und orientalischen Kandaren zeigen , den Vorteil der Wirkung gegen den Oberkiefer zu erhalten. Letzteres sei dann aber allmählich in Vergessenheit geraten, wozu übertriebene hohe Zungenfreiheiten , sodann aber auch diese Benennung selbst vermutlich in erster Reihe beigetragen . Die modernen Kandaren mit sehr gering geschweiften Zungenfreiheiten oder lediglich sanft nach oben gebogenen Mundstücken entbehrten dieser Wirkung gänzlich. So sei es gekommen , dafs man um so mehr Wert auf eine Verschärfung der Hebelwirkung mittelst der Kinnkette gelegt habe. Indem man diese mehr oder weniger hoch am Oberbaum der Kanihr aber als Stützpunkt an der Kinnlade des Pferdes die im Allgemeinen verhältnismässig tief gelegenen Kinnkettengrube des Unterkiefers angewiesen , habe man das ganze dare befestigt ,
Zäumungssystem mit erheblichen Mängeln belastet , welche neuerdings immer mehr anerkannt würden, denen aber noch keine Neukonstruktion völlig abgeholfen habe. Solle nämlich die Kinnkette lediglich den Stützpunkt für die Hebelwirkung der Kandare bestimmen , so
stellt die letztere
einen einarmigen Hebel dar, dessen Hebelarm der Last vom Stützpunkt der Kinnkette bis zur Grundlinie des Gebisses (Auflage desselben auf den Laden) ,
dessen Hebelarm der Kraft von jenem
Stützpunkt bis zu den Zügelringen zu rechnen sei .
Nur bei einer
Minderzahl von Pferden aber sei die Bildung der Kinnkettengrube so , dafs der dort befindliche Stützpunkt der Kinnkette höher liege , als das oberhalb der Hakenzähne liegende Gebifs auf den Laden , und zwar meist nur um 1-1½ cm. Da nun die Unterbäume in der Regel 8-10 cm lang seien , so resultiere daraus eine sehr scharfe Hebelwirkung, insofern die Kinnkette ihren Stützpunkt beibehalte.
Da dieselbe sich aber oft in die Höhe schiebe ,
so werde dadurch der Hebelarm der Last verhältnismässig mehr verlängert, als der der Kraft , gleichzeitig aber eine zerrende und quetschende Wirkung am Unterkiefer erzeugt , welche das Tier quäle und seine Aufmerksamkeit vom Gebifs ablenke. Oft aber liege die Kinnkette in der Grube gerade dem Gebifs gegenüber,
Ein neues Kandarensystem.
335
dann stelle die Kandare zunächst eine einfache Bremse vor, die den Unterkiefer des Pferdes würge und deren Hebelwirkung gegenüber Genick und Ganaschen sich auf die oben besprochene der Trense reduziere , aber im Vergleich zu jener den Nachteil habe , dafs sie dem Pferde einen dauernden , dasfelbe gegen die beabsichtigte Wirkung des Gebisses abstumpfenden Schmerz bereite. Liege endlich die Kinnkette in der Kinnkettengrube sogar tiefer , als das Gebifs auf den Laden , was gar nicht selten der Fall sei , so stelle das Gebifs den Stützpunkt des Hebels dar, der Druck der Kinnkette herrsche vor und irritiere das Pferd durch seine Wirkung nach vorne und oben.
Die Tiere tragen dann den
Kopf sehr unstät, meist zu hoch, schleuderen mit dem Kopfe, verdrehen das Genick. Fernere Nachteile der Kinnkette seien : das durch ihr Verschieben hervorgerufene mehr oder weniger völlige Durchfallen der Kandare , die durch sie herbeigeführten Beschädigungen des Unterkiefers an Haut und Knochen u . s . w. Allen diesen Nachteilen nun sei vorzubeugen durch sichere ,
rechtwinklig
zum
Unterkiefer
des
Pferdes
eine er-
folgende Fixierung der Oberbäume an ihrem oberen Ende mittelst eines breiten , dem Pferde keinen Schmerz bereitenden , Riemens , wobei aber dem ganzen Hebelsystem eine leichte Spielung um die Achse des Gebisses erhalten bleiben müsse, um nicht durch toten Druck die Laden des Pferdes abzustumpfen. liche Hebelwirkung zu erhalten ,
Um die erforder-
ohne die Kandare
zu lang und
schwer zu machen , müsse aber der Oberbaum möglichst kurz gehalten werden.
Beibehaltung
der Trense neben dem Kan-
darengebifs sei dringend wünschenswert nicht nur zu jeweiligen Dressurzwecken ,
wie z.
B.
Bearbeitung
des Halses
und
der
Ganaschen, zur abwechselnden Inanspruchnahme einer andern Druckstelle im Pferdemaule (Frischerhalten des Maules),
Aufsetzen
und Ausbinden des Pferdes im Angespann u . s. w. , sondern auch aus Vorsicht , namentlich bei der Kavallerie , um beim Reiſsen oder Durchhauenwerden
eines
Kandarenzügels ,
Ausspringen eines
Zügelringes und dgl. noch eine 2. Zäumung zur Beherrschung des Pferdes zu haben. Ebenso wünschenswert sei es aber, die Nachteile der Trense, namentlich ihre zu grofse Verschiebung nach oben und die Möglichkeit des Durchziehens seitwärts durch das Pferdemaul zu verhüten , sowie den Pferdekopf nicht durch ein besonderes Hauptgestell neben der Halfter unnütz zu belasten . Indem der Vortragende letztere zum Einhängen von Kandare und Trense einrichtete, Trense und Kandare unmittelbar mit ein-
Ein neues Kandarensystem .
336
ander vereinigte und ihnen noch einige besondere Einrichtungen gab , glaubt er allen erwähnten Anforderungen möglichst gerecht geworden zu sein. Die neue Kandaren- und Trensen - Konstruktion besteht im Wesentlichen in Folgendem : Die preufsische
Kavalleriehalfter
ist
statt der
gewöhnlichen
viereckigen Schaken mit besonders eingerichteten Trageschaken versehen zur Verbindung von Backenstücken , Nasen- und Kinnriemen. Der Kinnriemen ist in diesen Trageschaken um 3,5 cm tiefer, als der Nasenriemen befestigt. Ihre untere Abteilung trägt eine nach aufsen vorstehende feste Metallöse, durch welche die flachgebogenen Kandarenhaken (die statt der bisherigen geschlossenen Ösen das obere Ende der Oberbäume bilden) nach vorne durchgesteckt und durch eine besondere Sicherungsklappe während des Reitens bezw. Fahrens festgehalten werden .
Diese Klappe kann bei geschlossenem
Kinnriemen nicht geöffnet werden , sondern nur dann, wenn jener geöffnet oder ganz locker geschnallt wird . Innerhalb der Öse kann sich die Kandare um ihre Haken in der vertikalen Ebene zunächst, ohne dafs das Kandarengebifs in Wirksamkeit tritt, so weit drehen, als dies der enger oder weiter geschnallte Kinnriemen, welcher statt der Kinnkette die Oberbäume mittelst der Trageschake fixiert, gestattet. Sobald letzterer angespannt ist, beginnt durch weitere Drehung (Annehmen der Zügel) die Wirkung des Gebisses , dessen Hebelkraft durch das Verhältnis der Gesamtlänge der Kandare zu den fixierten Oberbäumen ( 16 cm : 6 cm oder 8 : 3) bestimmt wird. Die Trense, welche mittelst senkrechter durch die äusseren Enden ihrer Schenkel gehende Durchbohrungen auf die
Oberbäume der
Kandare aufgeschoben ist und beim Nichtgebrauch auf einem 5 mm über die Gebifsstange erhöhten Absatze jener ruht, bewegt sich auf denselben nach oben bis zu seitwärts vorstehenden Grenzkloben , während die Oberbäume selbst ein Durchziehen seitwärts durch das Pferdemaul verhindern . Durch Annehmen der Zügel gleitet das Trensengebifs aufwärts bis an die Grenzkloben. Die Oberbäume der Kandare drehen sich so weit rückwärts, dafs das Kandarengebifs nur noch im Maule schwebt, Kinnladen auszuüben .
ohne einen Druck auf die
Das Herauf- und Rückwärtsgleiten der Trense
wird dadurch begünstigt , dafs die Oberbäume nicht senkrecht auf der Gebifsstange stehen, sondern mit ihrem obern Ende um 14 mm (resp . einen Winkel von 22½ °) zurückgezogen sind . Dieser Konstruktion schreibt der Vortragende folgende Vorteile zu :
1 ) in ökonomischer Beziehung erspart
sie
das
lederne
Ein neues Kandarensystem.
337
Kandaren- und Trensenhauptgestell nebst Trensenketten und Wirbel, sodann Kinnketten und Kinnkettenhaken, welche vollständig überflüssig sind .
Für Liebhaber dieser Zuthat ist sie jedoch auch für
deren Mitgebrauch eingerichtet und hat dann den Vorzug, dafs die Wirkung derselben beliebig modifiziert werden kann , so dafs auch der rüdeste Reiter und die härteste Faust das Pferd nicht durch dieselbe beschädigen kann .
2 ) Bequemste Handhabung : a) das
Einhängen der Kandare in die auf dem Pferdekopfe befindliche Halfter erfolgt einschliesslich des Schliefsens der Sicherheitsklappen in 15-20 Sekunden ;
b) das Aushängen geschieht in 5-10 Se-
kunden. Die Verbindung der Kandare und Trense während des Reitens und Fahrens ist dabei sicherer , als die aller bisherigen mit ihrem Hauptgestell. Diese bequeme Handhabung hat den gröfsten Wert für alle Armeen bezüglich Allarmierung im Felde , schnellen Fütterns und Tränkens auf dem Marsche u . s. w. der Wert dieser sichern und bequemen Handhabung für jeden Reiter und Kutscher liegt auf der Hand . 3) Schonung der Tiere und des Pferdemauls. Bei vollkommener Wirkung und Beherrschung des Pferdes kann das Tier nie beschädigt werden, da alle Teile so konstruiert sind, dafs alles Reiben und Scheuern vermieden wird. Durch die Führung der Trense auf dem oberen Kandarenbalken wird das Durchziehen derselben durch das Maul seitwärts unmöglich und jede Beschädigung der Lefzen ausgeschlossen.
Selbst bei An-
wendung der, wie gesagt, überflüssigen Kinnkette liegt dieselbe stets glatt an und kann
der Grad ihrer Wirkung so genau bestimmt
werden, dafs auch durch sie eine Beschädigung des Pferdekinns nicht stattfinden kann. 4) Die Dressur des Pferdes wird ungemein erleichtert und gesichert.
In Folge der Verbindung der
Kandare kann jedes ,
Trense
mit der
auch das ganz rohe Pferd von Hause aus
mit der Kandare geritten und dressiert worden , in dem durch den vollen Gebrauch der Trensenzügel die Kandare aufser Wirksamkeit gesetzt wird. Durch Fixierung der Trensenwirkung auf den richtigen Teil der Kinnladen wird ihre dressierende Wirkung gemildert und beschleunigt. Man kann mit dieser Trense wirklich aufrichten . und ist jedes Überzäumen wirksam durch sie zu verhindern . Das Verdrehen des Genicks und Halses , Ausweichen gegen die Biegung der Ganaschen ist völlig ausgeschlossen. Der Kandarenwirkung kann stets durch richtige Regulierung der Kinnriemen- bezw. Kinnkettenwirkung der für das betr. Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. LIV. 3. 23
Ein neues Kandarensystem.
338
Pferd nötige Grad von Schärfe ohne Quälerei des Tieres vom mildesten bis zu einem solchen, dem es gehorchen mufs , gegeben werden.
Das sog.
Durchfallen kann bei dieser Kandare
niemals vorkommen . Erfahrungsmässig gehen alle, auch die weichmäuligsten Pferde gut an die Kandare heran, und auch die hartmäuligsten geben bald elastisch nach . 5) Verschiedenen bei Anwendung des bisherigen Kandaren öfter vorkommenden Unarten der Pferde wird von Hause aus vorgebeugt : a) dem Herausstrecken der Zunge über das Gebifs tritt die bewegliche Verbindung der Trense mit dem Kandarengebifs wirksam entgegen. Alle vom Vortragenden probierten, diese Unart bei der gewöhnlichen Kandare zeigenden, Pferde unterliefsen dieselbe bei dem Gebrauch der neuen Kandare sehr bald.
b) Ein Umdrehen
der Kandare, so dafs die Anzüge des untern Balkan nach oben zu stehen kommen, wie dies bei den bisherigen Kandaren durch Kopfschleudern der Pferde häufig vorkommt, ist ganz unmöglich . c) Das Erfassen eines Kandarenbalkens mit den Zähnen ist durch die Führung des Oberbaums in den Trageschaken sehr erschwert. Der Vortrag wurde durch Vorzeigung eines sehr elegant gearbeiteten Exemplars der
neuen
Kandare aus
sog.
Stahlsilber
mit zugehörigem Halfterhauptgestell und Trageschaken läutert.
er-
Die Fabrikation der Kandare für den öffentlichen Verkauf soll vom 1. März d. J. beginnen und ist von der Firma Theodor Schmoele Söhne in Iserlohn übernommen . An den Vortrag knüpfte sich noch eine Diskussion , in welcher von einem der Herr Zuhörer die Frage an den Vortragenden gestellt wurde, ob man mittelst der neuen Kandare auch dem Durchgehen eines Pferdes wirksam vorzubeugen im Stande sei . Der Vortragende gab darauf eine Erklärung der Ursachen , welche das Durchgehen herbeiführen, und erläuterte, daſs, insofern solches überhaupt durch Beherrschung des Genicks und der Ganaschen zu verhindern sei , es durch die neue Kandare am wirksamsten verhindert werde , weil das Gebifs fast ausschliefslich zur Geltung komme, der schmerzhafte, reizende, dem Gebifs oft geradezu der Kinnkette gänzlich vermieden werde.
entgegenwirkende Druck
Umschau in der Militär-Litteratur.
339
XXII.
Umschau in
der
Militär- Litteratur.
Rückblicke auf den russisch-türkischen Krieg 1877/78 . - Nach Aufsätzen des General Kuropatkin bearbeitet von Krahmer , Major im Generalstabe. —
Kritische
Die russische Militär- Litteratur über den Krieg von 1877/78 ist sowohl ihrem Umfange wie ihrem Werte nach eine sehr bedeutende und bietet demjenigen, der diesen gewaltigen Krieg gründlich studieren will, in einer grofsen Anzahl gröfserer und kleinerer Arbeiten ein ebenso reichhaltiges wie interessantes Material. Eine Verarbeitung dieses Materials zu einer Gesamtdarstellung des ganzen Krieges, welche in Bezug auf Zuverlässigkeit und Vollständigkeit den Anforderungen entspricht ,, die man an ein kriegsgeschichtlichtliches Quellenwerk zu stellen berechtigt ist - hat bisher noch nicht stattgefunden , und auch verschiedene inzwischen erschienene nich trussische Gesamt - Darstellungen dieses Krieges können nicht den Anspruch erheben, diesen Anforderungen zu genügen. Eine der umfangreichsten und wertvollsten Partial-Quellen für die Geschichte dieses Krieges ist eine Reihe von Aufsätzen, welche unter dem Titel " Lowtscha , Plewna und Schenowo" in mehreren Jahrgängen des Wajennuj Sbornik von dem jetzigen General Kuropatkin veröffentlicht worden sind. Kuropatkin, welcher während des Feldzuges dem General Skobelew als Generalstabs-Offizier zugeteilt war , bespricht in grofsen Zügen den Verlauf des ganzen Krieges und giebt innerhalb dieses Rahmens eine ganz detaillierte Darstellung und kritische Betrachtung der interessanten Ereignisse, welche sich bei Lowtscha , Plewna und Schenowo unter hervorragender Beteiligung Skobelews abspielten. Allerdings läfst sich der Arbeit ein gewisser einseitiger Charakter nicht absprechen ; es ist eben eine höchst wertvolle Quelle, aber keine auf vergleichenden Studien und kritischer Sichtung des gesamten vorhandenen. Materials beruhende geschichtliche Darstellung. Wo Kuropatkin über Thatsachen als Augenzeuge (im weiteren Sinne, d. h. innerhalb seiner persönlichen Wirkungssphäre) spricht , wird man ihn in den meisten Fällen als unbedingte Autorität anerkennen dürfen ; wo er Ereignisse bespricht, an denen er nicht persönlich beteiligt war, lassen sich ihm hier und da Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten nachweisen . Die kritischen Betrachtungen, welche Kuropatkin über einen Teil der 23*
340
Umschau in der Militär-Litteratur .
Ereignisse anstellt, sind natürlich rein subjektiver Natur und haben von Seiten anderer mithandelnder Persönlichkeiten schon mehrfach Widerspruch erfahren - aber auch da , wo man der Ansicht Kuropatkin's vielleicht nicht ohne Weiteres beipflichten kann, sind seine Ausführungen stets anregend und interessant. Jedenfalls nimmt die Arbeit Kuropatkin's unter den Quellen für eine Gesamt-Bearbeitung dieses grofsen Krieges eine hervorragende Stelle ein , und ihre deutsche Bearbeitung durch Major Krahmer , von welcher das erste Heft vorliegt , ist als eine wesentliche Bereicherung der deutschen Litteratur über den Krieg von 1877/78 zu betrachten. Wenn ich anführe , dafs die beiden ersten Kapitel die allgemeinen Umrisse des Krieges bis Ende August behandeln und dafs die drei folgenden Kapitel sich mit den Kämpfen bei Lowtscha am 3. und 4. September sehr eingehend beschäftigen, so glaube ich den Inhalt des Werkchens genügend bezeichnet zu haben und eines eingehenden Referates mich enthalten zu dürfen ; wer sich für die Geschichte jenes Krieges interessiert, wird unbedingt das Werkchen selbst durchstudieren müssen. Dagegen veranlassen mich verschiedene Stellen der Arbeit von Kuropatkin-Krahmer zu einigen teils kritischen teils erläuternden Bemerkungen. 1. Gleich zu Anfang auf Seite 1 heifst es : „Die Haupt-Armee ging am 27. Juni bei Simniza über die Donau und setzte sich in den Besitz von Sistowa. Am 2. Juli waren disloziert des 8. , 9. , 12., 13. Corps mit ihrer Artillerie und Kavallerie , die 4. Schützen-Brigade, sechs Bulgaren -Druschinen, die kaukasische KasakenBrigade und einige für die Infanterie - Divisionen bestimmte KasakenRegimenter - in der Umgegend von Sistowa. " derselbe findet sich allerdings wörtlich so Wer diesen Satz liest bei Kuropatkin - mufs notwendig zu der Auffassung kommen : die ganze Haupt - Armee habe bereits am 2. Juli den Übergang über die Donau beendet gehabt dies ist aber ein für die Beurteilung der strategischen Situation schwer wiegender Irrtum ; am 2. Juli stand die Haupt-Armee fast in ihrer Gesamtheit noch auf dem linken Donauufer und hatte ihren Übergang erst volle acht Tage später beendet . Am 27. Juni hatte die Infanterie des 8. Corps sowie die 4. SchützenBrigade nebst etwas Gebirgs - Artillerie den Übergang vermittelst Bootstransportes bewirkt ; am 28. und 29 Juni folgt in derselben Art die 35 . Infanterie-Division ; die grofse Masse der Haupt- Armee koncentrierte sich bis zum 2. Juli um Simniza am linken , aber nicht um Sistowa am rechten Ufer, und begann ihren Übergang am 3. Juli auf der inzwischen fertig gestellten Brücke. Es überschritten diese am 3. Juli : die Kavallerie des Avantgarde-Corps und die bulgarischen Druschinen : am 4. Juli : die 12. Kavallerie- und 33. Infanterie- Division ; der
Umschau in der Militär-Litteratur.
341
Übergang der letzteren scheint auch noch einen Teil des folgenden Tages in Anspruch genommen zu haben. am 5. Juli : die 12. Infanterie-Division ; am 6. Juli : die 8. Kavallerie-Division ; am 7. Juli : das grofse Hauptquartier und ein Teil des 9. Corps ; am 8. Juli : die 1. Infanterie-Division ; am 9. Juli : wie es scheint, der Rest des 9. Corps ; am 10. Juli : die 33. Kavallerie-Division. 2. In der Anmerkung auf Seite 1 wird die Stärke des AvantgardenCorps des Generals Gurko angegeben. Als das Corps in den ersten Julitagen von der Haupt -Armee abgezweigt wurde, hatte es allerdings die angegebene Stärke von 10 , Bataillonen , 31 , Schwadronen , 18 reitenden und 14 Gebirgs- Geschützen. Da nun aber für die späteren Operationen in Rumelien keine anderen Stärke-Angaben gemacht werden, so ist es für die Beurteilung dieser Operationen doch von Wert zu wissen , dafs das Corps dort in weit schwächerem Bestande auftrat . Sechs Sotnien und zwei Geschütze blieben überhaupt auf der Nordseite des Balkan zurück, und nach Einndhme des Schipka-Passes wurden in verschiedenen BalkanPässen noch zwei Bataillone (Bulgaren), fünf Sotnien und zehn GebirgsGeschütze zurückgelassen, sodafs Gurko für die Operationen südlich des Balkan nun über 4 Bataillone Bulgaren, 4 '/, Bataillone Russen, 12 , Schwadronen, 8 Sotnien, 16 reitende und 4 Gebirgs - Geschütze verfügte . Erst in den letzten Julitagen wurde er durch das über Hainkioi nachrückende Detachement des Generals Boreisch 5 Bataillone , 1/2 Sotnie, 16 Geschütze ---- verstärkt. 3. Wenn auf Seite 2 nach Erwähnung des Überganges Gurko's über den Hainkioi - Pafs gesagt wird : „am 15. Juli gelangte seine Kavallerie nach Jeni Sagra ", ohne über die sonstige Marschrichtung Gurko's etwas Weiteres zu erwähnen - so wird der Leser wahrscheinlich auf den Gedanken kommen, der weitere Vormarsch Gurko's habe in der Richtung auf Jeni Sagra stattgefunden ; dies ist aber durchaus nicht der Fall. Nur eine schwache Kasaken - Abteilung prellte am 15. gegen Jeni Sagra nach Osten - vor und ging noch an demselben Tage auf das Gros zurück,
welches in der entgegengesetzten Richtung Kasanlik marschierte.
nach Westen --
auf
4. Seite 3. Das Detachement, mit welchem Schilder- Schuldner gegen Plewna vorging und dort am 20. Juli das unglückliche Treffen lieferte, hatte kein Ulanen-Regiment bei sich , dafür aber 46 Geschütze anstatt wie angeführt 32 . 5. Seite 3 wird gesagt : 23 Vor dem Gefecht wurde oberflächlich rekognosciert ; andernfalls hätte man die Anwesenheit bedeutender feindlicher Kräfte in Plewna erfahren und die Unmöglichkeit eingesehen , mit den dazu bestimmten Truppen diesen Punkt anzugreifen . “ Dieser gegen die Kavallerie erhobene Vorwurf ist in dieser scharfen
Fassung nicht richtig.
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Umschau in der Militär-Litteratur. Von der Kavallerie waren folgende Meldungen eingegangen : 8. Juli : in Plewna steht eine Compagnie.
9. Juli : 6 Bataillone, 6 Geschütze und einige hundert Reiter sind von Nikopolis kommend eingerückt , welche bis auf eine etwas geringere Stärke vollkommen richtige Meldung keinen Glauben fand. 10. Juli von anderer Seite : Die Stärke des bei Plewna stehenden Feindes beträgt 4000 Mann mit 6 Geschützen . 17. Juli : bei Plewna sind 6 Bataillone und 6 Geschütze eingetroffen (es es war dies die Avantgarde Osman Pascha's von Widdin her), endlich 19. Juli : Starke Truppenmassen unter zwei Pascha's sind von Widdin her angekommen. Ich will nun durchaus nicht behaupten , dafs die Kavallerie nicht noch besser hätte aufklären können aber wenn trotz dieser thatsächlich doch eingegangenen Meldungen General Schilder-Schuldner dennoch am 20. Juli mit seinem schwachen Detachement und noch dazu auf so ungeschickte Art angriff, so kann man nicht behaupten : „andernfalls hätte man die Anwesenheit u. s. w. “ Die Aufklärung nach Westen hin war im Allgemeinen allerdings sehr mangelhaft , aber dafür trifft die Schuld die obere Heeresleitung, nicht die rekognoscierenden Kavallerie- Abteilungen. 6. Seite 6 wird als eine der Ursachen für den unglücklichen Ausfall der zweiten Plewna-Schlacht am 30. Juli von Kuropatkin der Umstand angegeben, dafs die Stärke des Gegners von den Russen weit überschätzt worden sei. Diese Thatsache ist an und für sich richtig ; nach den Meldungen , welche er von seiner Kavallerie und von Kundschaftern erhalten , glaubt Krüdener den Feind in einer Stärke von 60,000 Mann sich gegenüber zu haben während die Stärke Osman's thatsächlich wohl nicht viel über 30,000 Mann betragen haben mag. Ich kann nun nicht einsehen, inwieweit der Glaube an das Vorhandensein von 60,000 Türken einen ungünstigen Einfluss auf den Ausfall der Schlacht gehabt haben soll . Im umgekehrten Falle wäre die Gefahr weit gröfser gewesen. Erstens. -- Krüdener hatte im Hinblick auf die angenommene Stärke
des Gegners keine rechte Lust, anzugreifen ; er that dies auf ausdrücklichen Befehl der oberen Heeresleitung, welche auf dem Befehl beharrte, obgleich ihr die Meldung unterbreitet war , die Stärke des Feindes betrage mindestens 60,000 Mann . Wenn die richtige , weit geringere Stärke des Feindes bekannt gewesen wäre , so würde dieser kategorische Befehl erst recht erfolgt sein . Hätte Krüdener im Hinblick auf die vorausgesetzte Zweitens. grofse Überlegenheit sich dazu verleiten lassen, den von ihm gegen seinen Willen aufgenommenen Angriff nur matt und zaghaft auszuführen , hätte er starke Reserven zurückgehalten, um sich gegen einen plötzlichen Offensivstofs des Gegners zu sichern , und hätte er hierdurch den richtigen
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Zeitpunkt für das Einsetzen seiner vollen Kraft versäumt und hierdurch die Schlacht verloren - so könnte man allerdings sagen : der Glaube an die Überlegenheit des Gegners sei daran Schuld gewesen. Dies war aber thatsächlich nicht der Fall. Die schliesslich festgestellte Disposition zur Schlacht war, wie dies bei Kompromissen zwischen widerstreitenden Meinungen fast stets der Fall ist, durchaus kein Meisterstück und läfst sich von verschiedenen Gesichtspunkten aus angreifen - den Vorwurf zu grofser Zaghaftigkeit kann man ihr jedoch nicht machen, und auch die Durchführung der Schlacht, so ungeschickt sie in taktischer Beziehung zum grofsen Teil auch war, läfst eigentlich keinen Augenblick den Gedanken aufkommen, als ob Krüdener oder einer seiner Unterführer durch die Vorstellung einer bedenklichen numerischen Überlegenheit des Gegners sich zum Nachteil eines energischen Verfahrens habe beeinflussen lassen. Auch in dieser Beziehung also hat der Glaube an die gröfsere feindliche Stärke keinen sichtbaren Nachteil gehabt. Die übrigen von Kuropatkin angeführten Gründe für den unglücklichen Verlauf der Schlacht sind entschieden richtig und sehr klar auseinandergesetzt. Der Schwerpunkt liegt meiner Ansicht nach jedoch in der Disposition, welche nicht nur an und für sich durchaus fehlerhaft war, sondern aufserdem noch von den beiden Hauptpersonen Krüdener und Schachowskoiverschiedenartig ausgelegt wurde. Wer gewissermafsen die innere Geschichte der Schlacht studieren , wer Aufschlufs haben will über den Widerstreit der Auffassungen , von denen die mafsgebenden Persönlichkeiten bewegt wurden , über die nur scheinbare , rein mechanische Lösung dieses Widerstreites vermittelst einer phrasenhaften , zweideutigen Disposition - , und über die verschiedenen Unnatürlichkeiten und Mifsverständnisse , welche die natürliche Folge hiervon waren der findet interessantes Material in der ziemlich ausgedehnten litterarischen Polemik, welche im Anschlufs an die Arbeit Kuropatkin's zwischen Krüdener und Schachowskoi bezgl. den Vertretern ihrer Meinungen geführt worden ist. Übrigens möchte ich bei dieser Gelegenheit die von Kuropatkin nicht angeführte Thatsache hervorheben, dafs in dem am 26. Juli abgehaltenen Kriegsrath Schachowskoi auf Grund der ihm zugegangenen Nachrichten die Stärke des bei Plewna stehenden Feindes nur auf 40,000 Mann schätzen zu müssen erklärte ohne diese Anschauung indessen zur Geltung bringen zu können. 7. Auf eine verunglückte Konstruktion auf Seite 9 möchte ich aufmerksam machen , welche sich im oberen Absatz der Seite innerhalb des Satzes „Das Detachement Gurko " bis unterstellt " befindet. Aufserdem ist auf dieser Seite im ersten und dritten Absatze ein und dieselbe Thatsache gemeint , wie es scheint als etwas Verschiedenes aufgeführt. Das im ersten Absatz nach Selwi vorgeschobene 3. Regiment der 9. Divi-
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sion ist identisch mit der im dritten Absatz in ganz anderem Zusammenhange angeführten Detachierung von Abteilungen der 9. Division nach Selwi. 8. Auf Seite 12 heifst es : „ Nach türkischen offiziellen Quellen hatten die Türken zur Zeit der Kriegserklärung 494,000 Mann und 138 Batterien à 6 Geschütze zur Verfügung. " Wenn dieser Satz so ohne Weiteres hingestellt wird , kann er leicht den Glauben erwecken, als ob diese Zahl von Streitern zu den Operationen verfügbar gewesen wäre - was natürlich nicht gemeint ist. Das offizielle türkische Werk Subdetul Chakaik , dem diese Zahl entnommen , spezialisiert dieselbe wie folgt : Donau-Provinz 186,000 Mann,
Herzegowina , Bosnien, } Albanien, Montenegro J Janina Candia Armenien Batum
10,700 15,000 10,000 70,000 20,000
77 19
Entlegene Provinzen } 72,000 el (Syrien, Arabien) , Lus Inseln
""
Übrigens bin ich auf Grund sorgfältiger Zusammenstellungen und Vergleiche zu der Ansicht gekommen, dafs die in Subdetul Chakaik angegebene Zahl 494,397, die gerade durch ihre Genauigkeit einen zweifelhaften Eindruck macht , nicht die zur Zeit der Kriegserklärung thatsächlich vorhandenen Mannschaften, sondern den organisationsmässigen Stand der damals überhaupt aufgestellten Truppenkörper bedeutet. - Die auf dem Donau-Schauplatz verfügbaren Truppen dürften zu dem angegebenen Zeitpunkt die Stärke von 120,000 Mann nicht überschritten haben. 9. Seite 18 heifst es : „ Nachdem die Russen die Donau überschritten , hielt man den Besitz der Festung Nikopolis für nicht mehr nötig. Man wollte sie freiwillig aufgeben . . . . verspätete sich aber damit." - Diese Darstellung giebt von dem thatsächlichen , sehr charakteristischen Verlauf dieser Angelegenheit kein ganz richtiges Bild. Als nach dem Donau-Übergang der Russen von mehreren Seiten die Frage aufgeworfen wurde, ob es nicht zweckmäfsig sei, die Festung Nikopolis zu räumen und die aus 10 Bataillonen bestehende Besatzung zur Verstärkung der Feld -Armee zu verwenden (besonders lebhaft trat Osman Pascha, der Kommandierende der West-Armee , hierfür ein) , äufserte sich der damalige Kriegsminister Redif Pascha darüber in folgender Art : „ Es ist schwer, dem Volke begreiflich zu machen , dafs die Räumung von Nikopolis für uns vorteilhaft ist, und selbst wenn die Räumung erst nach einigem (! ) Widerstande vor sich ginge, würden uns Vorwürfe schwerlich erspart bleiben . " Als dann der Sultan persönlich auf die Räumung von Nikopolis dringt und am 11. Juli an den augenblicklich in Schumla befindlichen Kriegs-
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minister telegraphisch die Frage richtet : 29 Weshalb sind die Truppen immer noch in Nikopolis ?" erhält er die telegraphische Antwort : „ Weil Nikopolis eine alte Festung ist, reich mit Geschützen und Vorräten versehen ; und weil es eine türkische Stadt umschliefst. " Die nicht vollzogene Räumung von Nikopolis beruht also nicht auf einer Verspätung, sondern auf echt türkischer Indolenz und Halsstarrigkeit. 10. Seite 33 wird das Gefecht von Ajaslar besprochen und dabei gesagt : „ Erst als die schwachen russischen Vortruppen zum Rückzuge (aus der sogenannten Ajaslar-Stellung) gezwungen worden, erkannte General Hahn, Commandeur des 13. Corps, die Wichtigkeit dieses Punktes. Infolge dessen erhielt General Prochorow den Befehl . . . . die verlorene Position wieder zu nehmen. " Diese Darstellung bringt den wirklichen Sachverhalt und die dem . Gefecht von Ajaslar beizulegende Bedeutung durchaus nicht richtig zur Anschauung . Auf Befehl des Armee-Kommandos hatte das 13. Corps mit seinem Gros bei Kowatschiza Stellung genommen und zwei Detachements nach Sagowo und Popkioi am linken Lom-Ufer vorgeschoben. Das ArmeeKommando hatte ausdrücklich angeordnet, die Stellungen von Sagowo und Popkioi sollten stark verschanzt und hartnäckig verteidigt werden. Zur Beobachtung des ziemlich nahe gegenüberstehenden Feindes schob nun das Sagowo-Detachement eine kleine Vorposten-Abteilung auf das rechte Lom-Ufer nach Karahassankioi vor ; das Topkioi-Detachement schob eine ebensolche Vorposten-Abteilung auf die am rechten Lom -Ufer gelegenen Kiritschen-Höhen vor (dies ist die sogenannte Ajaslar-Stellung ; das niedergebrannte Dorf Ajaslar lag gegenüber am linken Ufer). Dafs die Ajaslar-Stellung ernstlich gehalten werden sollte, war niemals die Absicht des Armee- Kommandos gewesen ; hierzu hätte sich die Stellung auch gar nicht geeignet, denn sie lag im wirksamen ArtillerieSchufsbereich der um wenige Kilometer entfernt gegenüberliegenden starkverschanzten türkischen sogenannten Jenikioi- Stellung , welche sich mit ihrem rechten Flügel auf den die ganze Umgebung stark überhöhenden Sakar Tepe stützte. Aufserdem war es ja aber gerade die Absicht , den Gegner auf das linke Lom-Ufer herüber zu lassen und ihm dann in der stark verschanzten Popkioi-Stellung einen heifsen Empfang zu bereiten. Aus dem Gesagten geht hervor , dafs die Ajaslar-Stellung nur die Bedeutung einer Vorposten - Stellung hatte. Thatsächlich war sie wochenlang in den Händen der Russen gewesen, ohne dafs auch nur ein Spatenstich zu ihrer Verstärkung gethan worden wäre, also ein Beweis, dafs auch General Hahn damals der Stellung keine Wichtigkeit zuerkannt haben kann . Von Wichtigkeit wäre die Ajaslar- Stellung für die Russen nur dann gewesen, wenn diese eine Offensive gegen Eski Dschuma oder Schumla vorgehabt hätten in welchem Falle die Ajaslar- Stellung die Bedeutung eines Brückenkopfes gehabt hätte. Doch hiervon war ja nicht im Entferntesten die Rede!
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Als nun am 22. die Türken als Vorbereitung ihrer geplanten grofsen Offensive das auf den Kiritschen- Höhen stehende russische VorpostenBataillon ohne grofse Mühe auf das linke Lom-Ufer zurückgedrückt hatten, stieg dem General Hahn das Blut zu Kopfe. Er vergafs ganz und gar die Rolle, welche jetzt die stark verschanzte Popkioi-Stellung spielen sollte, und hatte nur den einen Gedanken : die " verlorene" Ajaslar-Stellung ,,wieder zu nehmen ". Zu welchem Zweck das würde er schwerlich haben angeben können! Einen ganz ähnlichen Fehler begingen die Russen gleich darauf am 30. August bei Karahassankioi, indem sie diese isolierte Stellung, welche nur den Sinn einer Vorposten-Stellung für die verschanzte Sagowo-Stellung hatte, hartnäckig verteidigten , wodurch sie sich ganz zwecklos ziemlich bedeutende Verluste und die Unannehmlichkeit eines unglücklichen Gefechtes zuzogen. Die Ereignisse bei Ajaslar und Karahassankioi sind ein erneuter Beweis für die Gefährlichkeit vorgeschobener Stellungen vor der wirklichen Verteidigungs-Stellung, wenn die Führung sich nicht einen klaren Blick und kaltes Blut bewahrt. entschieden Beides.
Dem General Hahn fehlte bei dieser Gelegenheit
Übrigens ist es wohl etwas übertrieben , wenn der Verlust der Russen bei Ajaslar 360 Mann auf sieben starke Bataillone So sehr grofs" genannt wird. 11. Seite 60 wird gesagt, die beiden in der grofsen Redute aufgestellten Geschütze hätten auf die 1800 m entfernte russische Batterie ein koncentrisches Feuer eröffnet.
Dieser Ausdruck pafst hier entschieden
ganz und gar nicht, auch spricht das russische Original nur von einem Koncentrieren des Feuers, was doch etwas ganz Anderes ist . 12. Seite 66 wird angegeben : Die beiden Geschütze, welche am linken Osma-Ufer gestanden, seien nach Mikre zurückgegangen. Diese an und für sich auffallende Thatsache wird verständlich, wenn hinzugefügt wird, dafs gleichzeitig mit den beiden Geschützen auch deren Bedeckung, sowie aufserdem ein Teil der Baschibozuks und Tscherkessen abzog. Die Convoi- Eskadron verfolgte die abziehende Abteilung , gab die Verfolgung aber auf, als die abziehenden Türken in einer Schlucht Front machten. 13. Seite 67 wird von vier Geschützen gesprochen, die in der grofsen Redute gestanden haben sollen. Da einer früheren Angabe nach (S. 56) die Türken überhaupt nur fünf Geschütze hatten, hiervon aber zwei nach Mikre abgezogen waren, so dürften höchstens drei Geschütze in der Redute gewesen sein. 14. Seite 90. Der ganze Passus von „ Leider kamen viele Commandeure u. s. w." enthält einen logischen Widerspruch. Zunächst wird tadelnd hervorgehoben, viele Commandeure hätten die falsche Ansicht gehabt, dafs die Artillerie in dem Bereich des wirksamen Gewehrfeuers nicht auftreten könne und solle.
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Es heifst dann weiter wörtlich : " Eine solche Anschauung machte die Geschütze, besonders die vierpfündigen, deren wirksame Schufsweite auf kaum 2500 Schritt veranschlagt werden kann, fast unnütz. In dem letzten Kriege ist es nicht selten vorgekommen, dafs die russische Artillerie ihre Positionen nicht verlassen hat , bis der Feind sich dort zeigte, und dann von diesem aufgehoben wurde. “ Der zweite Satz beweist doch ganz entschieden das Gegenteil von dem , was der erste Satz behauptet. Ausserdem habe ich zu diesem zweiten Satz zu bemerken : 1 ) Es ist in dem Kriege 1877/78 meines Wissens zweimal vorgekommen, dafs russische Artillerie, welche bis zuletzt in ihrer Stellung ausgehalten, von den Türken genommen wurde : am 4. Dezember bei Elena und am 10. Dezember bei Plewna. Diese zwei Fälle motivieren schwerlich den Ausdruck „ nicht selten". 2) Der Ausdruck „ Geschütze in ihrer Position aufheben " hat jedenfalls den Vorzug der Neuheit, doch sehe ich nicht ein, weshalb man nicht den alten Ausdruck „ Geschütze nehmen " beibehalten soll. 15. Seite 91. In Betreff der Thätigkeit der beiden kaukasischen Sotnien auf dem linken Flügel des Detachements möchte ich bemerken, dafs auf dem Kuropatkinschen Plan zum Treffen von Lowstscha die beiden kaukasischen Sotnien etwa 1200 m südlich von Lowtscha zu beiden Seiten der nach Trajan führenden Strafse eingezeichnet sind, mit der Front nach Norden. Die beiden donischen Sotnien, über welche mir allerdings bestimmte Angaben nicht vorliegen, scheinen an der nach Trajan führende Strafse in der Front nach Süden beobachtet zu haben. 16. Der Gesamt-Eindruck des um Lowtscha geführten blutigen Kampfes ist ein eigentümlicher. Acht türkische Bataillone, nach russischen Angaben kaum 5000 Mann stark, unterstützt durch vielleicht 2000-3000 Irreguläre, und mit fünf Geschützen stehen in einer an und für sich allerdings vorzüglichen Stellung, die aber ohne jede Schwierigkeit auf beiden Flügeln zu umgehen ist. Zum Angriff auf diese Stellung ist ein Corps bestimmt, welches aus 25 Bataillonen mit 20,000 Mann, ferner aus 1500 Reitern und zwei und neunzig Geschützen besteht. Dafs der Erfolg an sich unter diesen Umständen nicht zweifelhaft sein konnte, ist eigentlich wohl selbstverständlich, wenn man die Qualität der Gegner auch nur einigermafsen gleich annimmt. Ich füge hinzu, dafs den Russen die türkischen Stärkeverhältnisse ziemlich genau bekannt waren. Es konnte sich also für den Angreifer eigentlich nur um zwei Gesichtspunkte handeln : 1) selbst möglichst geringe Verluste zu erleiden ; 2) den Verteidiger nicht blofs aus seiner Stellung zu vertreiben, sondern ihm womöglich zu vernichten. Jeder dieser beiden Gesichtspunkte mufste auf den Gedanken führen :
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unter Vermeidung eines Frontal-Angriffs den Gegner vollständig zu umfassen und unter Ausnutzung der grofsen Überlegenheit, namentlich an Artillerie, zu zermalmen . Dies geschieht aber nicht. Um den linken Flügel der Türken werden 1000 Pferde und 6 Geschütze herangeschickt - eine Mafsregel die allerdings besser war als wenn gar nichts derartiges geschehen wäre, die doch aber immerhin erst dann zur Geltung kam, wenn die Stellung selbst genommen worden. Alles Andere wird in brutalem Frontal-Anlauf auf den Gegner geworfen. Man wird mir vielleicht entgegnen : Dies sei gegen die Absicht der oberen Führung durch das unzeitige Vorgehen Dobrowolskis gekommen. Diesen Einwand kann ich aber nicht gelten lassen. Auch wenn Dobrowolski genau nach der Disposition handelte , wäre das Ganze schliefslich doch auf einen reinen Frontal- Angriff herausgekommen, der unter dem wirksamen Feuer der überhöhenden Hauptstellung auf dem linken Ufer zuerst die starken Stellungen am rechten Ufer nehmen , dann den Flufs und das Stadt- Defilé passieren und endlich die starke Hauptstellung selbst stürmen mufste. Vom Schreibtisch aus nachträglich Ratschläge geben , ist allerdings eine andere Sache als im Drange des Augenblicks unter der Einwirkung Dennoch fordert der verschiedenartigsten Aufregungen Entschlüsse fassen . die Disposition zum Angriff auf Lowtscha geradezu zu einem Gegen- Vorschlag heraus und zwar um so mehr, als die russische Disposition thatsächlich nicht ein Kind des Augenblicks, sondern in aller Ruhe reiflich überlegt und erwogen worden war. Ungefähr ein Drittel der verfügbaren Infanterie mit etwa 60 Geschützen, in der Anfangs - Stellung der Russen zu beiden Seiten der Strafse SelwiLowtscha verschanzt, mufste mehr als genügend sein, um jeden Gedanken an einen offensiven Vorstofs der Türken von Lowtscha aus von vornherein als ein gänzlich aussichtsloses Unternehmen erscheinen zu lassen ; aufserdem würden diese 60 Geschütze durch lebhaftes Feuer den Türken immerhin tüchtige Verluste verursacht und jedenfalls das Feuer der fünf ( ! ) Geschütze des Feindes in etwas auf sich gezogen haben. Die andern zwei Drittel der Infanterie mit etwa 30 Geschützen konnten aufserhalb des Schufsbereiches der türkischen Hauptstellung die Osma überschreiten , z . B. auf demselben Wege , auf welchem die kaukasische Brigade in den Rücken der türkischen Stellung gelangte. Wenn diese Infanterie etwa 17 Bataillone hier am linken Ufer
aufserhalb wirksamer Schufsweite sich formierte, und nach vorhergegangener Einleitung durch das Feuer von etwa 30 Geschützen von Norden her zum Sturm auf die türkische Hauptstellung schritt so wurden die Chancen für die Einnahme dieser Stellung mindestens doch ebenso gut gewesen sein, als sie thatsächlich in dem Moment waren, wo dieselbe Anzahl von Bataillonen , aber gelockert durch bedeutende Verluste und durch das
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Überschreiten des Flusses unter wirksamem Feuer sich von Süden und Osten her zum Angriff auf die Hauptstellung anschickten . Es ist besonders hervorzuheben , dafs der bei weitem gröfste Teil des russischen Verlustes auf das Vorgehen gegen die Stellungen am rechten Ufer und auf den Flufsübergang fallt , ein weit kleinerer Teil auf den entscheidenden Sturm der Hauptstellung . War die Hauptstellung in die Hände der Umgehungs - Kolonne gefallen , so fielen die Stellungen am rechten Ufer ohne Weiteres von selbst und die in ihnen etwa noch befindlichen Besatzungen waren rettungslos verloren. Stand die kaukasische Brigade dann so zur Verfolgung bereit, wie dies in der That der Fall war, so hätte die vorgeschlagene Art des Angriffs mindestens dasfelbe Endresultat ergeben wie der thatsächlich ausgeführte Frontal- Angriff, wahrscheinlich aber mit weit geringeren Verlusten. Wenn russischerseits mit Vorliebe von einer „, vollständigen Vernichtung" der Besatzung von Lowtscha gesprochen wird , wörtlich zu verstehen .
so ist dies doch nicht
Die höchste Stärke , welche selbst von russischer Seite der ganzen Besatzung von Lowtscha einschliefslich der Irregulären zugeschrieben wird, geht nicht über 8000 Mann hinaus. Wenn nun russischerseits in verschiedenen Berichten mit ernster Miene versichert wird : in der Stellung selbst seien 2200 türkische Leichen begraben und auf der Verfolgung seien 4000 Mann durch die verfolgende Kavallerie ( 1000 Pferde) niedergemacht worden , so richten sich diese mindestens gesagt etwas unvorsichtigen Zahlen-Angaben ganz von selbst. Dies fühlt auch Kurorpatkin , der in seiner Darstellung diese Zahlen „wohl etwas zu hoch gegriffen “ nennt. Krahmer mäfsigt die Zahlen in „ einige Tausend " , was der Wahrheit wohl mehr entspricht. Nicht zu übersehen ist ferner folgende Thatsache : Von den fünf am Gefecht beteiligten Geschützen zogen zwei schon vor dem Beginne des Angriffs auf die Hauptstellung nach Mikre ab ; drei Geschütze haben in der von allen Seiten umringten Hauptstellung nachweislich lange ausgehalten und den Russen viel zu schaffen gemacht, diese Geschütze sind indessen bei der Erstürmung der Redute nicht in die Hände der Russen gefallen, sondern es ist ihnen gelungen, den Weg nach Mikre zu erreichen. Auf diesem Wege ist eines dieser Geschütze, mit zertrümmerter Laffete in einer Schlucht liegend, von den Russen aufgefunden worden, die beiden andern sind entkommen trotz der fast vollständigen Umschliefsung der türkischen Stellung und trotz der thatsächlich sehr energischen Verfolgung durch die kaukasische Brigade. Diese Thatsache läfst fast mit Gewissheit . darauf schliefsen, dafs immerhin einzelne Abteilungen des türkischen Detachements den Rückzug in leidlich geschlossener und widerstandsfähiger Haltung bewirkt haben müssen . So interessant übrigens auch die taktischen Erscheinungen bei der Erstürmung von Lowtscha sind und so wenig der strategische Erfolg
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unterschätzt werden soll ,
der in der Einnahme des Platzes
lag ,
die
Hauptbedeutung des Tages von Lowtscha lag weniger auf taktischen und strategischen, als auf moralischem Gebiet : es war nach einer Reihe trüber und entmutigender Erfahrungen der erste von den Russen in der Offensive erfochtene, unbestrittene und vollständige Sieg. Thilo v. Trotha, Major.
Kavalleristische Versuche von Hann v. Weyhern , Oberst u . Commandeur des 1. schlesischen Dragoner- Regiment Nr. 4. Die grofse Wichtigkeit , welche die Details für die Ausbildung der Kavallerie beanspruchen , geben uns fortwährend Gelegenheit mit den Erfahrungen einzelner Offiziere der Waffe bekannt zu werden. Es liegt in der Natur der Sache, dafs diese Erfahrungen an Interesse gewinnen müssen, je mehr die Verhältnisse gestattet haben , die gewonnenen Anschauungen gründlich zu prüfen. Auch die „kavalleristischen Versuche " haben diese Richtung und behandeln in IV. Abschnitten : die Bahnreiterei, Instruktion, Ausbildung der Eskadron im Detail und Felddienst. Obgleich über die Bahnreiterei eigentlich nicht mehr viel Neues gesagt werden kann , da wir eine ganze Reihe von vorzüglichen Instruktionen und Direktiven besitzen , kann doch recht viel Nutzen geschafft werden durch Bekanntgabe von sogenannten Handwerksvorteilen , welche mitunter recht wesentliche Hülfsmittel für Überwindung mancher Schwierigkeiten bieten. Seite 4 Absatz 3 beginnt : „ die Freiübungen zu Pferde werden beim Regiment seit dem Jahre 1877 in derselben Weise betrieben , wie sie die Reitinstruktion vom Jahre 1882 vorschreibt" diese anerkannt sehr nützlichen Freiübungen sind in Österreich seit bald 30 Jahren eingeführt. Es bleibt ein Verdienst des Herrn Verfassers , deren Wert schon 5 Jahre vor der reglementaren Annahme erkannt zu haben und derselbe wird dieses vortreffliche Hülfsmittel für die Abrichtung wohl auch durch irgend eine Mitteilung oder Anschauung damals kennen gelernt haben. Schon auf der ersten Seite dieser Schrift finden wir eine Andeutung, welche uns von ganz besonderem Werte erscheint : „der starke Galopp, Exerziergalopp , 500 Schritte in der Minute , kann in der Bahn nicht geritten werden , er wird durch Tempopfühle auf den Reitplätzen geregelt. Das Befestigen des Mitteltrab- und starken Galopp - Tempos schon im Winter ist eine grofse Erleichterung für das Exerzieren der Eskadrons im Frühjahre. " Diese höchst wichtige und ganz unanfechtbare Ansicht wird aber leider noch nicht genug gewürdigt. Das Befestigen der räumigen ExerzierTempos im Winter bietet nicht nur eine grofse Erleichterung für das Exerzieren , ermöglicht hierdurch eine ganz wesentliche Schonung des Pferdemateriales , sondern es mufs auch eine höhere Reitfertigkeit der Mannschaften, eine entsprechendere Entwicklung der Pferde herbeiführen.
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Die absolut nötige Sicherheit in diesen Gangarten haben wir überhaupt nur dort erreichen sehen, wo ein ähnliches Verfahren beachtet wurde. Leider hat der Herr Verfasser uns vorenthalten , wie er diese Befestigung der Tempos im Winter betreibt , namentlich aber auch ob und wie diese Übungen doch wahrscheinlich allmählich in vorbereitende Exerzierübungen übergeführt worden , ob die hoch wichtigen Springübungen im langen Galoppe eingefügt sind u. s. w. Die Aufstellung der bereits bekannten Hindernisse (Hürde und Mauer aus Holz), sowie der Figuren (Puppen) in der Bahn, namentlich auch die Konstruktion der Letzteren erscheint sehr zweckmässig. Die Puppe ist an einem Holze in Reiterhöhe befestigt , das 3 Füfse besitzt ; zwischen denselben hängt ein eisernes Gewicht und verhütet das Umfallen der Figur. Die Art, wie die Hindernisse in der Bahn benutzt werden , namentlich die Vereinigung von Hürde und Mauer mit allmählich vergrössertem Zwischenraume, zur Verbindung des Weitsprunges mit dem Hochsprunge, können wir aus eigener Erfahrung nur als sehr zweckmäfsig bezeichnen. Seite 4 Absatz 5 lesen wir : „Ich halte es für durchaus nöthig, dafs der Rekrut schon einen Begriff von den Seitengängen bekommt u. s. w. , ich liefs gleich nach Übernahme des Regimentes die ersten Klassen Seitengänge reiten u . s. w. , das Verfahren brachte den Nutzen , dafs die in die zweite Klasse übergeführten ersten Klassen, recht Befriedigendes auf 2 Hufschlägen leisteten . “ Wir können uns offen gestanden einen wirklichen Vorteil von solchen Übungen in dieser allgemeinen Anwendung nicht versprechen und haben dagegen häufig die Wahrnehmung gemacht, dafs bei derartigen Anforderungen die Übungen auf 2 Hufschlägen zwar fliefsend vorgeführt wurden, jedoch liefs die richtige Haltung von Mann wie Pferd meist sehr viel zu wünschen übrig und damit war dann wohl auch der Zweck dieser Übungen mehr oder weniger verfehlt. Wenn Seite 5 Absatz 2 gesagt wird , dafs die Wendungen auf Kandare mit einer Hand grofse Schwierigkeiten bieten, dafs die Leute sich fast immer verziehen , im äufsern Zügel festhängen u. s. w., " so glauben wir, dafs alle Übungen auf 2 Hufschlägen wenig genützt haben, wenn diese Erscheinungen bei der Kandarenführung auftreten. Alle künstlichen Verdrehungen der Faust werden sie nicht verhüten, wohl aber mit aller Bestimmtheit eine recht natürliche, sorgfältige Instruktion, welche Reiter und Pferd die richtige Wirkung des die Wendung unter allen Verhältnissen ausführenden äufsern Zügels geläufig macht. Der Handwerksvorteil, die Vorhand anfänglich Schritt für Schritt mit Pausen herumzuführen, bringt in kurzer Zeit ganz auffallend günstige Resultate. Trotz aller gegenteiligen Anschauungen der Schulreiter und Künstler behaupten wir , dafs die Lösung des Geheimnisses hier zu suchen ist. Der Beweis zu dieser Behauptung scheint uns zweifellos dadurch erbracht, dafs jedes gerittene Pferd auf dem äufseren Zügel allein alle Wendungen
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und Volten ohne jede Schwierigkeit ausführt, was auf dem inneren Zügel unmöglich erreicht werden kann. Wir halten ferner daran fest, dafs jeder Reiter so lange in der ersten Klasse verbleiben sollte , bis er bei tadellosem Sitze und entsprechender Fertigkeit im Gewichtverlegen vollständig richtige Wendungen auf der Hinterhand auch auf Kandare auszuführen im Stande ist. Mit dieser Grundlage scheinen uns Übungen auf 2 Hufschlägen allein Vorteil bringen zu können. Seite 6 Absatz 1 spricht von der Wichtigkeit der Balance bei den Seitengängen und zwar nach der Richtung derselben. Der Einflußs richtiger Gewichtsverlegung (Balance) bei den Reitübungen überhaupt wird wohl von Niemanden geläugnet . Wie aber diese Gewichtsverlegung zu erreichen, zu erklären , dem Soldaten begreiflich zu machen darüber finden wir nur äusserst selten klare, leicht fafsliche Ansichten. Die gelehrteren sehr von einander abweichenden Erklärungen sind dann wohl wieder Ursache der verschiedenen Ansichten über diese Gewichtsverlegung , von welchen der Herr Verfasser in demselben Absatze spricht. Auch für die Erklärung der Gewichtsverlegung hatten wir einen ganz leicht fafslichen Vorteil zu finden Gelegenheit , welcher in der vermehrten Anspannung des äufseren Beines besteht . Einzelnreiten auf der Bahn und auch gelegentlich der Übungen im Freien sind gewiss vortreffliche Mittel der Ausbildung. - Es werden sodann die verschiedenen Arten des Einzelnreitens auf der Bahn beschrieben . Wir halten dieselben im Allgemeinan für zweckentsprechend ; aber auch andere Manieren werden zum Ziele führen. Die Ausführung dieser Übungen ist natürlich nicht das Wichtigste, sondern die Art der Ausführung. Vor mehr als 30 Jahren haben wir z. B. ein Regiment gekannt , in welchem sämtliche Abteilungen die Achte im Galopp auf der kurzen Wand ritten . Die ganze Thätigkeit galt dieser Figur ; zuerst ward sie im Trabe , dann im Galoppe mit Parieren und endlich mit Changieren geritten , auch derartige Figuren können zur Gewohnheit werden und verlieren unter dieser Voraussetzung an ihrem Werte . In dem Abschnitte über die Ausbildung der Eskadron sind DetailÜbungen angegeben, welche insgesamt als sehr nützlich bezeichnet werden müssen . Danach sind auch die hier angestrebten Ziele zu erreichen. Entschieden anderer Ansicht sind wir nur in Beziehung auf Seite 16 , nach welchem das Einzelngefecht jeder gelungenen Attacke folgt. So wichtig es auch immerhin bleibt, dem Reiter Sicherheit im Tummeln seines Pferdes und Selbstvertrauen im Gebrauche seiner Waffen beizubringen , so entschieden sprechen wir uns gegen dieses obligatorische Handgemenge aus. Aus gleichem Grunde halten wir auch die auf Seite 23 angeführte Übung nicht für unbedingt nachahmenswert. Nach derselben attackieren sich 2 Eskadrons, welche mit Fechtstöcken ausgerüstet sind, fallen auf 10 Schritt Entfernung von einander in Trab , reiten in einander hinein und gehen zum Gefechte über.
Wenigstens können wir uns mit der vorausgehenden
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Attacke nicht befreunden , da man nicht genug dahin wirken kann , um die Idee recht lebendig werden zu lassen , dafs wir durch unsere geschlossenen , vehementen Attacken den Gegner niederwerfen , überreiten müssen und können. Nicht minder irrig halten wir die Ansicht auf Seite 19 und Seite 20 , nach welcher die Übung des Einzeln-Gefechtes gegen Infanterie unter den genannten Verhältnissen Rückweg der Brigade Bredow nach der Attacke 1870 wesentlichen Nutzen hätte bringen können. Unter solchen Umständen und auf vollständig abgejagten Pferden kann auch die gröfste Gewandtheit des einzelnen Reiters eine Garantie gegen vernichtende Verluste keineswegs bieten . Solche Verhältnisse sind nur dadurch zu vermeiden , dafs dem ersten Stofse Reserven , Unterstützungs- Eskadrons ― oder wie man solche Abteilungen benennen will - folgen, welche unter dem überrittenen Gegner möglichst aufräumen , dafs gröfsere Reserven vorhanden sind, welche Gegenangriffe des Feindes vereiteln können . Obgleich wir weit entfernt sind , den Wert der Übung des EinzelnGefechtes mit Infanterie anzuzweifeln , finden wir doch nur in den angegebenen Grundsätzen für solche Gefechte wesentliche Bedingungen für den Erfolg . Sehr beachtenswert erscheinen uns dagegen die Übungen, welche den Zweck haben , die Pferde an den Schufs zu gewöhnen. Vor 20 Jahren haben wir einzelne Abteilungen gesehen, welche den gleichen Weg wie der Herr Verfasser betreten hatten. Dieselben verliefsen den Übungsplatz beinahe täglich zugweise. 12 Mann standen auf Zug-Distanz in zwei schrägen Linien einander gegenüber ; jeder Mann war mit 2 Pistolen ausgerüstet. Auf 50 Schritt erfolgte die Salve und der Zug bewegte sich in erhöhter Gangart zwischendurch. Durchaus neu und besonders interessant finden wir die auf Seite 22 angegebene Uebung : 14 bis 20 Figuren (Puppen) auf 2-3 Schritt Zwischenraum werden im rechten Winkel aufgestellt, in der Verlängerung derselben auf jeder Seite 10 Mann mit Karabinern . Ein Zug reitet auf den Scheitelpunkt an, erhält auf 50 Schritt die erste , auf 20 die 2. Salve und überreitet diese Figuren. Es ist nie passiert , dafs ein Pferd ausgebrochen wäre u . s. w. “ Wir wissen wohl, dafs Schriften wie die vorliegende nicht überall die gleiche Beurteilung finden können ; dafür sind die Ansichten über Uebungen der Kavallerie leider noch zu verschieden. Aber jedenfalls sind nach unserer Ansicht solche Schriften von grofsem Nutzen. Die Resultate und Erfahrungen langjähriger Arbeit und Thätigkeit in der Waffe werden durch . sie zum allgemeinen Nutzen bekannt. Durch solche Anregungen wird unbedingt die so überaus schwierige Ausbildung der Kavallerie gefördert. Dieser Einflufs ist um so wertvoller, wenn die organisatorischen Einrichtungen nicht von selbst dahin führen. dafs allgemeines Beobachten und Prüfen von hiezu berufener Stelle , ein 24 Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd LIV., 3.
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Erkennen und Verbreiten der wichtigsten Prinzipien und Grundsätze möglich macht. Wohl keine Waffe bedarf in höherem Grade eine derartige Organisation wie die Kavallerie, wohl keine Waffe vermifst dieselbe schmerzlicher und fühlbarer seit recht langer Zeit. Wir empfehlen die anregende Arbeit allen Kavallerie- Offizieren recht angelegentlich. Betrachtungen über
den Felddienst
der
Kavallerie
von
v. Haugwitz , Premier-Lieutenant im 3. badischen DragonerRegiment Prinz Karl Nr. 22 . Nach einer kurzen Einleitung entwickelt der Herr Verfasser seine Ansichten über den Vorpostendienst , Meldungen , Gefecht zu Fufs, OffizierPatrouillen , Felddienst - Aufgaben und fügt im Schlusse noch einige Betrachtungen an, welche die Führung der Truppe durch Winke , die Verständigung zwischen Führer und Truppe auf die gleiche Art zum Gegenstande haben. Wir können die niedergelegten Ansichten nur als recht lesenswert bezeichnen und stimmen namentlich damit überein , dafs die Ausübung des Fufsgefechtes nicht in übergrofsem Maafse erfolge. Der bei den Friedensübungen regelmäfsig zu bemerkende Luxus mit Offizier - Patrouillen im Vorpostendienste sowie im Gefehhte, dürfte nur dadurch zu entschuldigen sein , dafs recht viele Offiziere Übung in diesem überaus wichtigen Dienste erhalten. Natürlich aber wird diese Übung gerade dadurch den Unteroffizieren entgehen, wenn die Offiziere nicht abermals durch hierzu geeignete Unteroffiziere begleitet werden und zugleich belehrend auf diese einwirken. Dafs der ausgesprochene Luxus, welcher mit solchen Offizier- Patrouillen getrieben wird im Felde geradezu unmöglich ist, sollte in jedem Falle stets besonders betont werden . Im Felde sollten nur für besonders wichtige Aufgaben Offizier-Patrouillen abgeschickt werden ; andrerseits ist. es aber wieder entschieden von grofsem Nutzen , wenn die Offiziere im Frieden und gerade bei den gröfseren Truppenübungen öfters Gelegenheit haben, solche Ritte zu unternehmen ; denn es giebt eben eine Menge von Umständen, welche nur bei diesen Gelegenheiten zur Anschauung gebracht werden können . Die Ansichten über die Anwendung vom Winken (doch wohl besser Zeichen) teilen auch wir. Diese Zeichen sind ein vorzügliches Mittel Spannung und Aufmerksamkeit in der Truppe auf den höchsten Grad zu steigern. Kleinere wie gröfsere Abtheilungen können leicht und mit gröfster Ruhe und Sicherheit die einfachsten Bewegungen nach denselben ausführen und gerade die einfachsten Bewegungen sind ja die wichtigsten. Annahme einer andern Gangart, Schrägmarsch und Aufmarsch resp. Übergang in die Gefechtsformation sind solche Zeichen für die Führung der Truppe ; Zeichen und Winke , welche Führer aus weiterer Entfernung an
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ihre Abteilung geben , sind unzweifelhaft unpraktisch , und stimmen wir vollständig mit dem Herrn Verfasser überein, dafs für diese Fälle ein Zeichen zum Nachführen der Abteilung genügen muſs.
Unterhaltungen mit Friedrich dem Grofsen. Tagebücher von Heinrich de Catt , Reinhold Koser.
Memoiren und
herausgegeben von
Ausgestattet mit einem Facsimile zweier von Königlicher Hand zum Verständnis der Zorndorfer Schlacht rasch entworfener Zeichnungen erschien obengenanntes Buch - auf gutem Papier mit leicht leserlichen. Typen gedruckt als Band 22 der Publikationen der kgl. preufs . Archivverwaltung ; 504 Stn. gr. 8°. Leipz. bei S. Hirzel. (Mk . 9 ; geschmackvoll eingebdn. Mk. 11. ) Herr Dr. Koser, allen Friedrichs - Studierern bekannt durch seine Thätigkeit bei Herausgabe der preufs. „Staatsschriften " und der „ politischen Correspondenz " aus der Zeit des 3. Preufsenkönigs , begann als Staatsarchivar die Veröffentlichung aus Catt'schen Nachlafspapieren und beendete als Geschichtsprofessor der Berliner Universität die vorliegende Arbeit. Wir verdanken seiner Mühwaltung nicht nur die benötigte Correktheit des Abdrucks der Tagebücher und Memoiren de Catt's, sondern auch eine den Leser dieser Schriftstücke genau orientierende Einleitung (32 Stn . ) sowie auch eine stattliche Reihe von Anmerkungen (hinten) ; schliesslich ist ein Personenverzeichnis beigegeben. Nicht unerwähnt bleibe , dafs Prof. Koser bei Durchsicht der Catt'schen Tagebücher entdeckte, einzelne Vorsicht halber mit griechischen Buchstaben geschriebene Stellen müfsten , dieser Maske entkleidet, als französische Worte gelesen werden ; aufserdem vermehrte manches Griechische und Lateinische , welches unverändert abgedruckt werden konnte , das Babylonische jener Aufzeichnungen de Catt's . Dem „Herausgeber" verursachte dieser Umstand bei verhältnismäfsig kurzer Arbeitsfrist einen aparten Zeitaufwand. Nach obigen Mitteilungen über das Äufsere des gen. Buches sowie über die dessen Wert verbürgende Entstehungsart, liegt uns ob : die Wichtigkeit zu würdigen , welche der nicht „ antifritzischen " Nachrichtenerteilung de Catt's über seines Königlichen Gebieters Individualität und über Manches aus der grofsen Kriegszeit „ 1756/63 “ beizumessen ist gegenüber denjenigen Büchern , deren Tendenz eine Verkleinerung , ja sogar eine Verlästerung Friedrichs des Einzigen (vgl . S. 221 ) und welche teils ungeprüft , teils zu wenig geprüft ---- bis in unsere Tage irrige Auffassungen und unrichtige Darstellungen verursachten. Zur Durchlesung des sehr beachtenswürdigen de Catt-Koser'schen Friedrichsbuches empfiehlt sich, vorweg Kenntnis zu nehmen vom Inhalt der Seiten 463-465 : Catt's erste Unterredung mit dem Könige, sodann folgen zu lassen die "" Einleitung" (vorn) , demnächst die Tagebücher aus den Jahren 1758 1760 und deren „ Anhang" 1760-1762 (S. 333354), schliesslich die Memoiren (S. 1 u . ff.) nebst den Anmerkungen zu 24*
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denselben (S. 464-498) und dem Briefe Catt's über die Zorndorf sche Bataille (S. 457). Dem Geschichtsstudium bieten die Catt'schen Tagebücher Belehrendes, während die " Memoiren" vorwiegend eine angenehme Lektüre bezweckten und deshalb nur mit Vorsicht als Geschichtsquelle verwendbar sind. Oft genug haben Maler , die historische Wahrheit mifsachtend oder nicht kennend , Begebenheiten bildlich dargestellt , auf Grund unbeglaubigter oder leicht als Irrtum nachweisbarer Erzählung, die irgend ein Anekdotenbuchsverfertiger oder Memoirenschreiber, des „ packenden “ Eindrucks halber, als Faktum ins Protokoll der Biographie oder Geschichte hineinzuschmuggeln beliebte. So z. B. der Degen des Eroberers von Schlesien in der Hand des Feldmarschalls Graf Schwerin beim Breslauer Huldigungsakt d . 7. Novb. 1741. NB. Schwerin war damals garnicht anwesend in Schlesiens Hauptstadt ; und das Küssen des landesväterlichen Schwertknaufes , eine österreichische Huldigungsgepflogenheit , fehlte im Programm jener preufsischen Feierlichkeit, sowie auch in den Berichten von Augenzeugen. (Vgl. Grünhagen, Friedr. der Gr. und die Breslauer 1740 und 1741 ; Breslau 1864 ; S. 215. ) Betreffs des Daun'schen päpstlichen Degens finden wir in S. 492 des in Rede stehenden Druckstücks die Zeitungsnachrichten, welche den König, den Marquis d'Argens und das Preufsenheer (vgl. S. 389 ) bekannt gemacht hatten mit des Papstes Absicht, Daun durch geweihten Hut und Degen auszuzeichnen. ,,Il faut être ferme et je le serai, oui mon cher“, -- äufserte Friedrich zu Catt am 21. Novb. 1759 ,,je le serai en dépit de toutes les toques bénites". Wurde die solenne Übergabe jenes päpstlichen Geschenks durch einen Nuntius an den „ Sieger von Hochkirch " aufgeschoben oder (?) unterlassen , so läfst sich dies deuten durch den auf fritzischer Seite laut gewordenen Hohn. Aus den Unterredungen des Königlichen Herrn mit seinem sogen. „ Lecteur“ spiegeln sich ab nicht blos Friedrichs pflichteifrige Beharrlichkeit und seine Festigkeit inmitten einer „teuflischen Geschichte" ,,un forçat qu'on a enchaine et qui se débat pour rompre ses liens“ - sondern auch seine Herzensgüte und seinen oftmaligen Kampf mit Krankheitsanfällen . Dies und manch Anderes, worüber zu referieren der Raum hier mangelt, erinnert uns an einen Ausspruch des Friedrichshistoriographen Preuss (Friedr. der Gr. mit seinen Verwandten und Freunden ; S. 278 ) : „ Die Geschichte des 7 jährigen Krieges liegt nicht im Tempelhoff allein ! " Sonach kann dem vorliegenden Friedrichsbuch eine hohe Bedeutsamkeit beigemessen werden. Nicht empfehlenswert ist eine (nach meinem Dafürhalten unnotwendige) kürzlich in Leipzig erschienene ÜbersetzungsVerwässerung der Unterredungen des grofsen Königs mit dem, wie Prof. Koser genau festgestellt hat, am 14. Juni 1725 geborenen, in Potsdam den 23. Novb. 1795 gestorbenen französischen Schweizer Henri Alexandre de Catt. Gr. L. Berlin , Hubertsburgtag ( 15. Febr. ) 1885 . Druck von A. Haack, Berlin NW., Dorothee.str 55.