173 96 11MB
German Pages 406 Year 1877
Jahrbücher
für
die
Deutsche Armee
und
Marine .
Verantwortlich redigirt
von
G.
VON
MARÉES
Major.
Zweiundzwanzigster Band. Januar bis März 187 7 .
1
BERLIN, 1877. F. SCHNEIDER & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.
LOAN STACK
VAN
OORLOG
1 9200-5 . bisL OLEKEN DERO
U8 M6 Jan - Mar , 1877
Inhalts -Verzeichniss .
Keith. (Zum 24. Januar.) Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870. Bearbeitet von Hermann v. Kleist, Hauptmann und Compagnie -Chef. Mit einer Karte.) . III. Die Unruhen auf der Balkan - Halbinsel vom Abschlusse der Waffenruhe am 15. September bis zum Waffenstillstande am 1. November 1. II.
IV . Zum Englischen Mobilisirungsversuch. (Nachtrag ) V. Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee VI. Die Sächsischen Husaren VII. Ueber das Kriegsspiel . VIII. IX.
X. XI.
XII.
Das Russische Uebungslager bei Warschau vom 13. Juli bis 13. September 1876 . Umschau in der Militair-Literatur :
Seite 1
9
34 50 57 65 83 103
Ein Preuszisches Unterrichtsgesetz oder ein Reichsgesetz über die militairische Jugenderziehung. Von Dr. Karl Walcker. Geschichte der Belagerung von Straszburg im Jahre 1870 von Major Reinhold Wagner. Dritter Theil. Erste Hälfte. Mit einer lithogr. Ansicht des Reduits der Lünette 44 im Texte, einem Atlas, enthaltend 10 Blatt Pläne und Zeichnungen und 9 Beilagen
125
Geschichte des 2. Hanseatischen Infanterie-Regiments Nr. 76. Im Auftrage des Regiments zusammengestellt von Haupt mann Wilfried Niemann. Mit 2 Karten
128
119
Aus Brandenburgisch Preuszischer Heeresgeschichte. - Fünfzig 130 Reiterbilder, gezeichnet von Otto Fikentscher Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi 132 schen Zeitschriften. ( 15. November bis 15. December 1876.) . Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870. Bearbeitet von Hermann v. Kleist, Hauptmann und Compagnie -Chef. (Mit einer 137 Karte . ) (Schluss.) 162 Die Sächsischen Husaren .. ( Schluss.)
XIII.
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser. Ein Lebensbild von C. Endres, Lieutenant im 3. Bayerischen Feld - Artillerie - Regi ment „ Königin Mutter“ XIV . Der l'eldzug der Nordischen Alliirten gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715 . XV.
XVI.
Studien über den Einschlieszungskrieg . II . Anordnungen zu einem Ausfalle aus Metz unter Zugrundelegung der Situation in den Tagen vom 29. bis 31. August 1870. Von Adolf Zimmer mann, Hauptmann, commandirt zum Königl. Sächsischen Ca detten - Corps Friedrichs des Groszen Soldatenthum . und Heersystem . Eine militairhistorische Studie von A. v . Crousaz, Major 2. Disp . 204
177 190
208
227
Inhalts -Verzeichniss.
IV
Seite XVII.
Umschau in der Militair -Literatur : Kriegsgeschichtliche Studien nach der applicatorischen Me thode von Generalmajor J. von Verdy du Vernois. I. Heft. Taktische Details aus der Schlacht von Custoza am 24. Juni 1866. Mit zwei Karten auf einem Blatte . Strategische Cavallerie-Manöver. Von Hauptmann Georg Car dinal von Widdern. Hierzu zwei Kartenskizzen auf einem . Blatte
249
260
Geschichte des 1. Rheinischen Feld -Artillerie -Regiments Nr. 8 . Im Auftrage des Regiments verfasst von Secondelieutenant Kraetzig. Mit sechs Karten. Geschichte des Fusz -Ar tillerie-Regiments Nr. 15 und seiner Stamm - Truppentheile. Im Auftrage des Regiments verfasst von Premierlieutenant Staehler . 262 General Borstell und der Ausbruch des Krieges 1813 von Dr. 263 Max Lehmann XVIII. Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi. schen Zeitschriften. ( 15. December 1876 bis 15. Januar 1877. ) . 264 XIX. Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . Eine mili tairhistorische Studie von A. v. Crousaz , Major z. Disp. ( Schluss.) 269 XX. Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau. Eine militair- geo graphische und kriegsgeschichtliche Skizze von Thilo v. Trotha, Hauptmann. I. Militair -geograph. Skizze. (Mit Karten -Beilagen .) 325 XXI. Das Französische Marine - Budget. Von H. von Clausewitz, 340 Hauptmann a. D. XXII. Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege. Aus dem Italienischen übersetzt von Schmidt, Premierlieutenant 358 im Pommerschen Fusz -Artillerie-Regiment Nr. 2 . XXIII. Umschau in der Militair Literatur: Constantin Sander's Geschichte des Bürgerkrieges in den Ver einigten Staaten von Amerika 1861 bis 1865. Zweite Auf lage , vervollständigt und nach den neuesten Quellen um gearbeitet von Hauptmann F. Mangold. Erster Band . Mit 373 4 Karten in Farbendruck und 3 Plänen Heraus Encyklopädie. Militair Allgemeinen zur 1 ) Supplement gegeben und bearbeitet von einem Verein Deutscher Offiziere und Anderen . Erste Lieferung. 2) Hand- Wörterbuch der gesammten Militair -Wissenschaften mit erläuternden Ab bildungen. Herausgegeben unter Mitwirkung hervorragender Autoritäten von Oberstlieutenant B. Poten . 1. bis 4. Lieferung. 376 Vorbereitung für das Examen zur Kriegs-Akademie. Ein Rath geber zum Selbststudium . Mit 11 Planskizzen u. 2 Anlagen. 380 Friedrich’s des Groszen Lehren vom Kriege und deren Bedeutung für den heutigen Truppenführer. Von Major A. v. Taysen. 381 Statistik der in dem Kriege 1870 bis 1871 im Preuszischen Heere etc. vorgekommenen Verwundungen und Tödtungen. 383 Von Rechnungsrath G. Fischer . XXIV . Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militairi 388 schen Zeitschriften . ( 15. Januar bis 15. Februar 1877.)
Beilagen . Anlage I. Ordre de bataille der Französischen Nord - Armee (1870 ) . II. Ordre de bataille der Deutschen I. Armee am 27. November 1870. n IIIa. und b . Zeichnungen zu den Russischen Truppenübungen bei Warschau. Tafel 1. Skizze des Terrains bei Amiens. Tafel II.
Skizzen zu dem Aufsatze : „ Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau“ .
I.
Keith .
Wenn wir nach alter guter Gewohnheit am 24. Januar auf schauen zu Friedrich dem Groszen und bei Seinem gigantischen Monument in Berlin einen Geburtstags - Besuch abstatten , so möchten wir laut ausrufen :
„ Machet die Thore weit und die Thüren hoch ,
dass Er einziehe, der König der Ehren ! “ Am Hauptwürfel dieses prachtvollen Standbildes des „ Einzigen "“ halten Wacht, zu Füszen ihres Herrn und Meisters , eine erzene Schaar von Paladinen,
zu Ross und zu Fusz .
Welch eine Summe
von Treue, Eifer und Ruhm spricht für sie hier an der Stelle, die man ihnen vor den Augen der Nachwelt anwies !
Auf der Vorderseite
des Friedrichs - Denkmals
als Reiterfigur, neben Markgraf Karl , Retirirer “ :
einen edlen Schotten ,
gewahren wir
dem berühmten
Vorwärts
dessen Andenken uns lieb und Die folgenden Zeilen enthalten
werth , „ Feldmarschall Keith “ .
den Versuch , seinen Lebensgang und , als den für uns wichtigsten Theil , sein Preuszisches Dienstverhältniss in gedrängter Kürze zu recapituliren. Jacob Keith ward
geboren
den
11. Juni
1696
im Schlosse
Inverugie bei Peterhead , in Schottland, als zweiter Sohn William's des IX ., Earl of Scotland. Eine gemeinsame sorgfältige Erziehung im väterlichen Hause einte ihn für zeitlebens aufs engste mit seinem älteren Bruder, Mylord Marischal.
Er hatte bereits das juristische
Studium begonnen, als die in Schottland ausbrechenden Unruhen ihn zum Partner des Prätendenten Jacob III. machten ; und dies ent schied über Keith's Verbleib unter den Waffen . Das Missglücken des Schottischen Aufstandes nöthigte die Gebrüder Keith, 1719, auf 1 Jahrbücher fd. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Keith .
2 Spanischem
Boden
eine
neue Heimath
zu suchen .
Unser
Keith
wurde hier als Oberst angestellt, sah aber, dass sein protestantisches Glaubensbekenntniss ihm hinderlich an einem Aufsteigen zu den höchsten Rangstufen.
Er trat , infolge Vermittelung Philipp's V. , 1728 in Czar Paul's II. Dienst, als Generalmajor. In dem zur Zeit kriegerisch so glanzvollen Russland fand Keith
die Gelegenheit ,
unter Lascy und Münnich sich
zum Heerführer
heranzubilden . Eine Verwundung am Knie, beim Sturme auf Ocza koff, unterbrach Keith's Laufbahn. Die Blessur verschlimmerte sich. Ein glückliches Ohngefähr befreite Keith von der Amputation.
Die
Czarin Anna legte mit der Ernennung zum General der Infanterie ein Pflaster auf Keith's Wunde und gestattete ihm, mit seinem aus Spanien herbeigeeilten Bruder nach Paris zu reisen, um die dortigen Chirurgie -Korypbäen zu Rath zu ziehen. Die Czarin bezeigte Keith in einer Abschiedsaudienz ihr Beileid und liesz ihm ein Reise geschenk von 5000 Rubel auszahlen. In Berlin wünschte König Friedrich Wilhelm I. die Gebrüder Keith zu sehen.
Der Russische General konnte nur in einem Trag
sessel erscheinen ; aber auch Friedrich Wilhelm, zur Zeit vom Poda gra befallen , befand sich im Rollstuhle .
Eine seltsame Audienz, die
sehr belangreich ; denn der Kronprinz lernte hierbei ein Gebrüder paar kennen, welches ihm später so werthvoll. Die Pariser Heilkünstler hielten das Amputiren zwar für noth wendig , stellten aber den Versuch anheim , ob das Pyrenäenbad Barèges
die Operation
entbehrlich mache.
freudig zu einer erneuten weiten Reise .
Keith entschloss
sich
Der Erfolg entsprach der
Erwartung. Die Wunde schloss sich binnen Kurzem und hinterliesz keinerlei nachtheilige Folgen. Wir verweisen betreffs der weiteren Dienstleistung, Auszeichnung und Beförderung Keith's in Russland auf „ Pauli, Leben groszer Helden ; Theil IV “ , und begnügen uns hier mit zwei Thatsachen : 1) Keith verschmähete es, auf seinem Statthalterposten in der Ukraine sich zu bereichern ; 2) Keith erwarb sich 1741 und 1743 Feldherrn ruhm im Kriege gegen Schweden . War es ehedem der anmaaszliche Herzog von Argyll, welcher Keith die Schottische Heimath verleidete, so ist es im Jahre 1747 die unverdiente Missgunst des Grafen Bestuscheff, welche Keith ( und andere Ausländer) bewog, aus Russischem Dienste zu scheiden. Ein Brief Keith's, vom 28. October 1747 , an seinen Bruder – abgedruckt in Lord Dover's „ The life of Frederic II. “ , London 1832 ; I , 422 – enthält die desfallsigen Einzelnheiten .
Keith.
3
Keith hatte Ursache, baldigst seine Garnison Riga zu verlassen und ein segelfertiges Englisches Schiff zu benutzen für die Fahrt nach Kopenhagen.
In Dänemark erhielt er einen Antrag für dorti
gen Dienst ; jedoch das Erste, was Keith dort unternahm wegen einer Wiederanstellung , war :
an den Preuszenkönig zu schreiben .
Sodann reiste Keith nach Hamburg.
Hier empfing er eine
„ sehr
liebreiche" Antwort , derzufolge Keith sich gradeswegs nach Berlin begab. Am dritten Tage nach seinem Eintreffen wurde Keith zur König (Der König
lichen Tafel befohlen ; den 17. October 1747 in Berlin.
kam am 16. d. M. von Potsdam herüber, speiste mit seiner Gemahlin bei der Königin- Mutter, besichtigte am folgenden Tage beim Bild hauer Adami die für Sans Souci bestimmten Statuen und kehrte Nachmittags zurück ins Potsdamer Schloss. ) Zwei Tage später folgte der „ nunmehrige Preuszische Feldmarschall " dem Könige nach Pots dam. Zwei Jahre nachher wurde Keith mit dem Schwarzen-Adler Orden ausgezeichnet und , nach Ableben des Feldmarschalls Herzog von Holstein-Beck, zum Gouverneur von Berlin ernannt (Nov. 1749) . Der König , welcher bereits in Seiner Histoire de mon temps ( 1746) , bei Erörterung der Russischen Staatsverhältnisse, Keith als geschickten General" hervorhob (Oeuvres T. II, 22) ,
beehrt Keith
im December 1750 mit einer poetischen Epistel, welche eine Nach ahmung des dritten Buches des Lucrez (Oeuvres X, 194–203), und sagt in der Einleitung Krieges :
zu
Seiner Geschichte des
siebenjährigen
Er habe während des zehnjährigen Friedens eine „gute
Erwerbung" mit Keith gemacht.
29 Das war ein Mann , sanft
im Umgange , reich an Tugenden , kenntnissen ,
welcher mit
Sitten und Berufs
der gröszten
Höflichkeit
kriegerischen Heldenmuth vereinigte. “ Keith dagegen widmet im Briefwechsel mit seinem Bruder, der nun auch in Friedrich's Dienst trat , dem Könige eine hohe Be wunderung. Den freundschaftlichen Verkehr, dessen Keith sich Seitens seines neuen Gebieters erfreuen durfte, kennzeichnen die Krankenbesuche, mit welchen der Monarch Keith beehrte, wenn dieser an asthmati schen Beschwerden litt. groszen
Berliner
Hierauf bezüglich ist ein im Besitze der
Bibliothek
befindliches
Königliches
Autograph :
„Après que vous vous êtes donné à moi, ce que vous reste à faire, c'est de me conserver ce présent, dont je fais un grand cas . " Carls bad leistete gegen Keith's Brustleiden gute Dienste.
Ende Juni 1756
fügte der König jedoch Eigenhändig zu einer Ordre, welche Keith's 1*
Keith.
4
Rückkehr zum 10. Juli nach Berlin erheischte : „ Die Carlsbader Luft wird den Preuszen ungesund ." Fridericus liesz die Trommel rtibren , liesz marschiren . Die
Dienstschreiben
des
Königlichen
Kriegsherrn
während der Feldzüge sind nicht immer 80 glatt ,
an
Keith
wie wir sie in
Preuss's Urkundenbuch II, 5-9 lesen ; der viel verlangende Ober feldherr vorenthielt dann und wann auch einem Feldmarschalle nicht die Rauhheit und die Satire Seiner strengen Kritik . dericus Rex und Sein Heer",
(Vergl. „ Fri
Berlin 1868 , S. 163 u . f .)
Wer aber
bätte dieserhalb murren wollen , da doch Jedweder sah, wie schonungs los der gekrönte Generalissimus gegen Sich Selbst. Nach dem missratbenen Rückzuge des Nebenheeres unter dem Prinzen von Preuszen ,
aus Böhmen auf Zittau , benachrichtigte der
König, d. d . Bauzen , 30. Juli 1757, Eigenbändig Keith :
„ Ich fand
hier Alles in groszer Unordnung. Entweder helfe ich derselben ab, oder komme darin um . “ Nach der Rossbacher Schlacht schreibt Keith seinem Bruder, dass der König Sich kürzlich auf einer Stelle befunden , die viel gefährlicher als irgend eine, auf der einer Seiner Generale.
Diesmal sei der König glücklich davongekommen ; dies
könnte aber nicht allemal Statt finden. Prinz Heinrich gehöre zu den Verwundeten . Wenn der Krieg andauert , so können diese sich zu sehr exponirenden Hohenzollern sicherlich nicht mehr lange leben .“ Es kann uns hier nicht darauf ankommen, im Einzelnen zu ver folgen, wie Keith seit Kriegsausbruch (1756) yon Seinem Königlichen Herrn verwerthet wurde . Wir beschränken uns darauf, uns zu ver gegenwärtigen, wie Beide, der König und Keith , übereinstimmen in poetischer
und
philosophischer Auffassung
der Feldherrnaufgabe.
Keith äuszert in einem Schreiben an den König während der Be lagerung von Olmütz - bei welcher Keith bekanntlich die Angriffs arbeiten
leitete
:
Schwierigkeiten 3. Juni 1758 ,
Es zu
sei
die
Kriegskunst
besiegen “.
Friedrich
die
Kunst
schreibt
am
als Daun endlich zum Entsatze jener Festung heran
nahete : „ Daun hat nur seine groszen Canaillen ( schweres Geschütz ) , welche uns sein Manöver verdecken, und seine kleinen Canaillen in Duodez (Panduren ), deren Menge .. . . ; aber damit dies (die Be lagerung ) nicht hindere, versichere ich, dass wir thätig sein werden ; und Falls Daun es wagen will , das Terrain zu behaupten, wird er sich nicht schlagen, wie es ihm, sondern wie es mir beliebt.“ Das Belagerungsjournal vor Olmütz ist enthalten im dritten Bande
der „ Sammlung ungedruckter Nachrichten , Dresden 1783“ .
An
5
Keith .
ziehender als das dortige trockene Detail sind die Briefe Keith’s vom 28. Mai, 14. Juni und 14. Juli 1758, an seinen Bruder; man findet dieselben in Lord Dover's obenerwähntem Buche. Erst am Schlusse des letzten Briefes spricht der (z . Z. 62jährige) Feldmar schall mit ungebrochen gutem Humore schwankenden Gesundheit.
von seiner seit April d. J.
Dieselbe behinderte Keith, in der Zorn
dorfer Schlacht „ zur Stelle “ zu sein. Das Königliche Lager bei Hochkirch ,
gegen dessen Beibehalt
Keith in freimüthiger Weise seine Bedenken äuszerte, kostete Keith das Leben, am 14. October 1758. *) „ Die wankende Schlacht der Seinen durch Geist, Hand, Stimme und Beispiel wieder herzustellen bemüht , fiel Keith hier, fechtend , wie es Helden geziemt. “ Mit diesen Worten in lateinischer In schrift, eingemeiszelt in Marmor, wurde unweit der Todesstelle dem durch „ alte Sitten und kriegerische Tugend “ sich auszeichnenden „Manne“ ein monumentales Andenken gestiftet von seinen Anver wandten.
Der feindliche General Lascy betrauerte in Keith einen
vormaligen Lehrer und den Freund seines Vaters.
Feldmarschall
Daun ehrte Keith durch ranggemäsze, feierliche Beerdigung auf dem Kirchhofe von Hochkirch, den 15. October (Sonntag). Mylord Marischal ,
der hinterbliebene Bruder,
hat die Selbst
losigkeit Keith's gerühmt , „ dessen gesammter Reichthum nur in 70 Ducaten bestand, obwohl er in ganz Böhmen Contributionen erhob“. Lord Marischal bezeichnete mit gerechtem
Stolze diesen Nachlass
als „schöne Erbschaft “ ; und , von Maupertuis um Nachrichten
ge
beten zwecks einer Lobrede, sandte er zur Antwort nur die Worte : „ Probus vixit, fortis obiit !*** ** )
Der König liesz Keith's Leiche nach Berlin bringen , wo sie am 3. Februar 1759 mit groszem Pomp beigesetzt wurde in der Gruft der Garnisonkirche . Es sei gestattet , hierüber folgende Notiz ein zuschalten .
Eine militairisch -culturgeschichtliche Excursion .
Man ehrte in Berlin Keith als „ Freund des Königg“ und als den durch seinen Verkehr mit den Gelehrten , sowie auch durch Werke der Menschenliebe allgemein beliebten Gouverneur ; und dem gemäsz hatte die nach Berlin anbefohlene Ueberführung des in hohem Berufe auf fernem Kampffelde Gestorbenen eine ganz besondere , locale Bedeutsamkeit. * ) Vergl. Cogniazzo : „Geständnisse“ III, 32 und Pauli IV, 69. **) George Keith, Earl Marischal of Scotland , oder wie man ihn in der Regel nannte „Mylord Marischal “, geb. 3. December 1686 , starb in Potsdam am 25. Mai 1778. Im Juni-Hefte 1874, S. 265, ein Mehreres über ihn.
6
Keith . Die Keith’sche Bestattungsfeier fand am genannten (Februar-)
Sie hatte ihren Tage Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr Statt. Anfangspunkt von der Kirche vor dem ehemaligen Köpeniker Thor, in welcher zwei Tage vorher die Leiche deponirt worden. Sämmt liche Glocken der Stadt und der Vorstädte wurden geläutet, als der Zug sich in Bewegung setzte. Vorauf ritten die Berliner (Landmiliz-) Husaren , geführt vom General- Polizeimeister der Armee, Husaren Oberst v. Krummenau . Dann folgten drei Besatzungs- Bataillone In fanterie ; sie trugen das Gewehr unter dem linken Arm, die Mündung abwärts. Die Fahnen wurden in salutirender Haltung gesenkt ge halten .
Die Tambours, mit florbehangenen Trommeln, schlugen fort
während den Todtenmarsch . Hinter diesen Truppen fuhr eine schwarze Kutsche , zwei Offiziere mit Marschallstäben.
in welcher
Sodann kam der Leichenwagen,
sechsspännig ; die Pferde mit schwarzen Sammetdecken behangen . Auf dem schwarzsammetnen Leichentuche befanden sich auf Sammet kissen : ein vergoldeter Helm, der Feldmarschallsstab, der entblöszte Degen, das grosze gelbe Ordensband ( vom Schwarzen Adler) , Schärpe, die Sporen u. s. W.
die
Neben dem Leichenwagen gingen 16
Offiziere und 16 Unteroffiziere. Hinter dem Leichenwagen folgten zu Fusz :
des Verstorbenen
Secretair und der Kammerdiener, bekleidet mit langen Trauermänteln, und hinter diesen Beiden die Livréebedienten, paarweis, mit langem Flor am Hute .
Sodann kam wieder eine zweispännige Trauerkutsche
mit zwei Offizieren , als Trauerzugs- Marschälle . Das Leichengefolge zu Wagen bestand in 34 Carossen, theils mit sechs, theils mit zwei Pferden bespannt; vorauf eine sechsspännige Königliche Equipage, in welcher Feldmarschall v. Kalckstein und Robert Keith, ein Vetter des Verstorbenen , saszen .
Der Zug passirte die Ross- und Breite-Strasze, den Schlossplatz , die Königs- und Spandauer Strasze .
Als der Sarg in die Gruft ge
tragen wurde, gab die Infanterie-Leichenparade eine dreimalige Salve ; die im jetzigen „ Lustgarten “ aufgestellten Geschütze intonirten eben falls ihren Scheidegrusz. Ein nochmaliges Läuten aller Glocken beendete die Feierlichkeit. Ein von Rode’s Meisterhand gespendetes Abbild des Feldmar schalls Keith ist 1762 in der Berliner Garnisonkirche aufgestellt worden . Das obenerwähnte marmorne Denkmal wurde, 1776, Seitens der Keith'schen Anverwandten errichtet auf der Grabstätte zu Hoch kirch , durch Vermittelung eines Familiengliedes, welches zur Zeit
Keith, Britischer Gesandter in Dresden.
7
In neuerer Zeit hat man dieses
Denkmal , der besseren Erhaltung wegen, in die Kirche übersiedelt (nahe dem Altare ). Die hölzerne Bank in der Vorhalle der Kirche, auf welcher Keith’s Leiche Blutspuren hinterlassen – die man noch viele Jahre lang den Besuchern des Hochkirchener Schlachtfeldes zeigte
ist von reisenden Engländern grösztentheils ( schnitzelweis)
entführt worden ; den Rest beseitigte man bei der zur Secular erinnerung an die Schlacht von Hochkirch stattfindenden Renovation der Kirche. Keith war, wie Prinz Eugenius und der Venetianische Feld marschall Graf Schulenburg ,
unverehelicht.
Er hatte mittlere Ge
stalt, gebräunte Gesichtsfarbe, braunes Haar und starke Augenbrauen. Seine Gesichtszüge enthielten Entschlossenheit und Milde . Als König Friedrich durch Seinen Privatsecretair de Catt (am 19. October 1758) den Mylord Marischal benachrichtigen liesz von dem Tode seines
Bruders ,
fügte
Er Eigenbändig die
„ Quelle triste nouvelle et pour vous, et pour moi !“
Worte an :
Der König be
weinte damals, bekanntlich, den Verlust Seiner Lieblingsschwester ; und dass er auch für Keith Thränen hatte , wissen wir einerseits aus
dem
Tagebuche
des
de Catt ,
zu
welchem
16. October 1758 äuszerte : „ Vous me voyez affligé. pour le
cher maréchal .
der König
am
J'ai bien pleuré
Je le regrette au delà de l'expression .“
Andererseits ersehen wir des Königs tiefe Trauer und den Zartsinn Seines schmerzlich bewegten Herzens in einem Schreiben , welches der schwer geprüfte Monarch an Keith’s Bruder richtete, drei Tage nach Seinem Eintreffen in Dresden (23. November 1758 ). „ Il nous reste, mon cher mylord , que de mêler et confondre
nos larmes sur nos pertes.
Si ma tête contenait un réservoir de
pleurs, il ne pourrait suffire à ma douleur.
Notre campagne est
finie, et il n'en est rien résulté de part et d'autre que la perte de bien des honnêtes gens , le malheur de bien de pauvres soldats estropiés pour toujours, la ruine de quelques provinces, le ravage, le pillage et l'incendie de quelques villes florissantes.
Voilà ,
mon
cher mylord , les exploits qui font frémir l'humanité ; tristes effets de la méchanceté et de l'ambition de quelques hommes puissants qui immolent tout à leurs passions désordonnées !"
U. 8. W.
Das vom groszen Könige zur ehrenden Erinnerung an den Feld marschall Keith auf dem Wilhelmsplatze in Berlin aufgestellte , von Tassaert gefertigte Marmorstandbild befindet sich jetzt im Hofe des Berliner Cadettenhauses. Als Prinz Heinricb, Königliche Hoheit, 1790, im Rheinsberger
8
Keith . auf einem Hügel , am jenseitigen Ufer des Grinericksee's,
Parke
dem Schlosse
„ zum
gegenüber - einen Obelisk errichtete,
fort
dauernden Gedächtnisse “ an seinen Bruder Wilhelm , da folgte er „ den Eingebungen des eigenen Herzens“, indem er auf dem Posta mente dieses Denkmals mehreren durch Tapferkeit und Kenntnisse verdienstvollen Preuszischen Helden “, welche er persönlich gekannt, einen Hochachtungsbeweis widmete.
Für Keith wählte der Prinz
folgende, auf der Vorderseite des Monuments in goldenen Buchstaben eingezeichnete Worte : ,, Er verband mit der vollkommensten Rechtschaffenheit das umfassendste und gediegenste Wissen.
In
Russland
Türkenkriege , er in
erwarb
er
sich ,
einen bestverdienten
Preuszen aufrecht hielt.
während
Ruhm ,
der
welchen
Die Trauer aller ge
fühlvollen Herzen , die Thränen aller Krieg er begrün deten ihm ein bleibendes Angedenken."
Wahrhafte Grösze verleiht
unverlöschlichen Glanz .
Sie
ver
pflichtet die Nachgeborenen , rückwärts zu schauen und vorwärts . Der grosze König gab hierfür ein unvergessbares Beispiel . Er sagte ( in einem 1736 entstandenen , 1749 erneuten Gedichte ) von Friedrich Wilhelm , dem groszen Kurfürsten : „ Il marqua nos devoirs , est notre livre .“
sa vie
In diesem Sinne liegt auch uns ob , den „ Friedrichstag zu feiern , und -- bei dem monumentalen Charakter eines solchen Er innerungsfestes gern Derer zu gedenken , die , dem „ groszen Könige“ dienstbar und Seinem Herzen nahe stehend , sich freudigst bestrebten, ihrem hoch erhabenen Gebieter ähnlich zu sein in bin gebungsvollstem Pflichteifer.
(Gr. L. )
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
9
II.
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
Bearbeitet
von Hermann v. Kleist, Hauptmann und Compagnie - Chef. ( Mit einer Karte .) Von Gambetta, dem Haupte der Regierungsgewalt Frankreichs, war für Ende November 1870 die Offensive sämmtlicher Heere der Republik in der Richtung auf Paris in Aussicht genommen, und hatten die Führer darauf hinweisende Befehle erhalten . So General Aurelle de Paladines, der Commandeur der Loire - Armee , zum Vormarsche über Pithiviers und Montargis auf Fontainebleau ,
General Briand
zum Vormarsche von Rouen auf Paris und General Farre, der an Stelle Bourbaki's vorläufig die Nord -Armee führte, zur Offensive von Amiens auf Paris . Aber wie im Süden von Paris die Versuche der Loire- Armee durch die Schlachten bei Beaune la Rolande, bei Loigny und Poupry und die Gefechte vor Orléans ihr Ende erreichten,
so wurde die
Offensive der Nord - Armee durch die Schlacht bei Amiens völlig vereitelt. General Bourbaki hatte schon am
19. November an Gambetta
gemeldet: „ Mes troupes sont prêtes à marcher; j'ai avec moi de l'artillerie et de la cavallerie. Je suivrai vos instructions “ ; doch er hielt er bereits am selben Tage den Befehl, das Commando über das 18. Corps, zur Loire-Armee gehörig, zu übernehmen .
Während Ge
neral Farre sich anschickte, den Instructionen Gambetta's Folge zu leisten , rückte die I. teuffel auf Amiens vor.
Deutsche Armee unter General ' von Man
Die Directiven des Generals von Moltke vom 23. October hatten unter Anderem besagt , dass der I. Armee das 1., 7. und 8. Armee corps zugetheilt bleiben solle . Ferner : „ Die I. Armee wird im Uebri gen in der Stärke von mindestens zwei Armeecorps auf eine Linie Compiègne - St. Quentin und zwar mit der Tête unverzüglich nach Abschluss der Capitulation von Metz abrücken . “
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
10
Hierzu wurden von dem General von Manteuffel das 1. und 8 . Armeecorps, sowie die 3. Cavallerie -Division bestimmt , welche, ab gesehen
von
einzelnen
abcommandirten Theilen ,
demnächst
den
Aufmarsch in der vorgeschriebenen Weise vollzogen. Inzwischen hatte am 18. November General von Manteuffel neue Directiven vorgeschrieben.
Diese
lauteten :
„ Das
Obercommando
wird
be
nachrichtigt , wie Se . Majestät der König den bisherigen Ope rationen des Obercommando's beistimmend zu befehlen geruht haben , dass
die
I. Armee
von
der
Linie Compiègne - Noyon
Vormarsch in der Richtung von Rouen fortsetze.
aus
ihren
Ob hierbei mit
den Hauptkräften der Weg über Amiens einzuschlagen sein wird, bleibt davon abhängig, ob die bisher dort gemeldeten , stärkeren An sammlungen in jener Gegend verbleiben , oder nicht vielmehr dem Anmarsche der 1. Armee gegenüber sich abziehen .
Jedenfalls bleibt
Amiens an und für sich wichtig genug, um es in jedem Falle durch ein stärkeres Detachement zu occupiren und besetzt zu halten .“
Noch am 20. November überschritt
in Folge dessen die 3. Ca
vallerie- Division die Oise, nahm Front nach Norden und Westen , und schob fliegende Colonnen, aus allen drei Waffen bestehend, auf St. Quentin, die Somme abwärts , auf der Strasze nach Amiens und nach Breteuil vor. Am 23. und 24. November fand alsdann der Aufbruch der übrigen Heerestheile statt, welche den Aufmarsch an der Oise noch nicht vollständig ausgeführt hatten, da die Cavallerie Divisiou die Anwesenheit starker Französischer Truppenmassen nörd lich der Somme und namentlich bei Amiens signalisirte . Das 8. Armeecorps, dem sich General von Manteuffel anschloss, rückte an den genannten Tagen nach Ressons und Leglentières, am 25. November nach Montdidier und Umgegend . Das 1. Armeecorps echellonirt sich zwischen Noyon und Roye, am 25. war letzterer Ort stark zu belegen.
Von diesem Corps waren nur 9 Bataillone,
11 Batterien und 2 Escadrons zur Stelle, der Rest hatte vor La Fère und Mézières Verwendung gefunden. Die Vortruppen der Cavallerie - Division ,
verstärkt durch die
Jäger- Bataillone der beiden Armeecorps , hatten bereits am 23. No vember Französische Truppen vor sich gebabt und am 24. November bei Mézières (Dorf an der Strasze nach Amiens) die recognoscirende Brigade des Obersten du Bessol angetroffen.
Am 26. November war
die Berührung der beiderseitigen Vortruppen Domart
und Marché le Cave ,
zum Theil
bei in
Moreuil ,
kleinen
Boves,
Gefechten,
constatirt. Bei der groszen Nähe, in welcher sich die beiderseitigen Streit
11
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
kräfte nunmehr befanden , mussten für den 27. November von beiden Seiten ernstere Zusammenstösze vorausgesetzt werden ; dass es jedoch an diesem Tage bereits zur Schlacht kommen werde, war Deutscher Seits nicht erwartet worden. Wenn trotzdem der entbrannte Kampf von den Deutschen ruhm- und erfolgreich durchgeführt wurde, so ge bührt der Truppe und den Führern nur um so gröszere Anerkennung .
Am Abende
des 26.
Generals Farre in Amiens .
Novembers
war das Hauptquartier des
Hierhin liefen auch die Meldungen über
die Vorgänge des Tages von der 2. Brigade ( Oberst Deroja )
und
von der 3. Brigade ( Oberst du Bessol ) ein . * ) Namentlich die Be Er meldete , dass richte des Letzteren schienen von Bedeutung. Preuszen gegen die allen Anzeichen nach der Hauptangriff der Stellung Gentelles, Cachy und Villers - Bretonneux zu erwarten sei , und dass gerade Villers - Bretonneux (der Scheitelpunkt , wo seine Aufstellung auf Corby zu fast senkrecht abbiege ) der Brennpunkt des Kampfes sein werde . Gegen die Stellung Dury- Boves würde von Seiten der Preuszen nur ein Scheinangriff, namentlich durch zahlreiche Artillerie, geführt werden , während durch die Hauptmasse der Infanterie der Hauptstosz gegen Villers geschehen werde.
Diese
Mittheilungen fanden bei General Farre um so mehr Beachtung , als es schon in den Vorpostenkämpfen vom 26. November sich nament lich um den Besitz der Strasze nach Amiens gehandelt hatte . Da diese Strasze in der Höhe von Gentelles über eine Meile (acht Kilometer) von Villers entfernt und eine so grosze Strecke bei einem Angriffe nicht nachhaltig von einer Brigade vertheidigt werden konnte, so beschloss General Farre, die 1. Brigade (General Lecointe) noch in der Nacht von Amiens zur unmittelbaren Unter stützung heranzuziehen und mit einem Theile derselben die Stellung den
von Villers - Bretonneux in erster Gefechtslinie zu verstärken ,
Rest dieser Brigade aber bei dem Bois de l'Abbé als Reserve zu behalten. Drei grosze Truppenmassen hatten Französischer Seits nunmehr die Annäherung an Amiens zu verhindern ; auf dem rechten Flügel fiel die Vertheidigung des Zuganges nach Amiens von Bre teuil her den Truppen des Generals Paulze d'Ivoy zu . Die 2. Bri gade (Oberst Deroja) beherrschte durch Besetzung von Bowes das Thal der Avre und dehnte sich bis zur Chaussée (von Roye nach
*) Anlage I enthält die Ordre de bataille der Französischen Nord - Armee nebst einigen erläuternden Bemerkungen .
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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Amiens) aus , während der 3. Brigade ( Oberst du Bessol) die Ver theidigung der Linie Gentelles , Cachy,
Villers -Bretonneux und das
Festhalten des Ueberganges über die Somme bei Corby überwiesen war .
Die Linie, welche die Französische Armee am Morgen des
27. Novembers inne hatte, erstreckte sich von Pont des Metz ,
süd
westlich Amiens, über Boves, Villers- Bretonneux bis nach Corby in einer Länge von 25 Kilometern. Der intermistische General en chef der
Französischen
Nord
Armee batte sich übrigens erst nach längeren Erwägungen dafür ent schieden, seine Truppen von der Noye bis zur Somme nördlich des Luce - Abschnittes aufzustellen .
Hauptsächlich war er hierzu durch
den Befehl Gambetta's bestimmt worden, möglichst schnell eine Ent scheidung der Waffen durch eine herausfordernde Stellung südlich der Somme zu erzwingen . vember bereits
In Zweifel darüber, ob es am 27. No
zum ernstlichen
hatte General Farre doch,
Zusammenstosze
kommen
werde ,
um sich auf jeden Fall zu sichern, be
fohlen, bei eintretendem Angriffe durch die Preuszische I. Armee die befestigte Stellung vor Amiens durch die Truppen des Generals Paulze d'Ivoy und die Linie Boves-Villers -Bretonneux durch die drei Brigaden der Nord - Armee auf das hartnäckigste zu vertheidigen . Ferner sollten auf allen Straszen stärkere Recognoscirungen am frühen Morgen vorgesandt werden, um die unter den Waffen stehen den Truppen zeitig über Richtung und Stärke eines Angriffes be nachrichtigen zu können . Auffälliger Weise wurden diese Re . Infanterie - Bataillonen ausge cognoscirungen ausschlieszlich führt,
wenngleich
einige Cavallerie für diesen Zweck zur Stelle
war . Im Preuszischen Hauptquartiere der I. Armee waren am Abende des 26. Novembers Meldungen der 30. Infanterie - Brigade über die Vorpostengefechte bei Boves - Gentelles eingelaufen;
gleichzeitig er
fuhr man auch , dass der Luce - Abschnitt von Thézy aufwärts bis Domart und Démuin von Preuszischen Vorposten besetzt sei .
Die
Kämpfe waren nirgends hartnäckig und hatten mit dem Rückzuge der
Franzosen geendet .
Hieraus
und
aus
der ganzen
Sacblage
folgerte man , dass die Französische Armee auf dem nördlichen Ufer der Somme ihre Hauptstellung genommen habe und dass sie das Terrain südlich dieses Flusses nur durch Vortruppen vertheidigen werde.
Zu einem concentrischen Angriffe auf die befestigte Stellung
südlich von Amiens und dieser Stadt selbst erschien es aber noth wendig , die Armee zunächst noch näher heranzuführen . Unter diesem
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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Gesichtspunkte wurde von General von Manteuffel Nachstehendes ftir den 27. November befohlen * ) : „ Das 8. Armeecorps schiebt sich morgen in das Terrain zwischen dem Noye- und Celle-Abschnitt, und zwar mit den Avantgarden auf die Linie Hébecourt - Sains - Fouencamps. Gegen Amiens sind Pa trouillen vorzutreiben und bleibt die Gegend in der Richtung auf Poix und Marseille zu beobachten . “ „ Das 1. Armeecorps rückt im Anschlusse an das 8. morgen mit seinen Hauptkräften an den Luce- Abschnitt , Thézy - Démuin .
etwa auf die Linie
Die Cavallerie - Division , welche bis auf Weiteres
noch unter dem Befehle des Generals von Bentheim bleibt, ist im Terrain zwischen Luce und Somme gegen Amiens vorzupoussiren . Ins Besondere hat sie die ganze Somme - Linie mit Bezug auf die Uebergänge zu recognosciren und Nachrichten über die hinter der selben stehenden, feindlichen Streitkräfte einzuziehen . “ „ Es ist ferner die Noye und Avre, und zwar erstere vom 8. Corps , letztere vom
1. Corps in Bezug auf deren Uebergänge zu
recognosciren und auf Herstellung solcher
zur Verbindung beider
Armeecorps Bedacht zu nebmen. “ Das Hauptquartier war am 26. und 27. November in Plessier ; zu seiner Bedeckung waren das 1. Bataillon 28. Regiments und die 1. Schwadron 7. Husaren-Regiments commandirt. **) Die Avantgarde der 3. Cavallerie -Division stand am Abende des 26. Novembers à cheval der Strasze Roye- Amiens bei Beaucourt und Fresnoy . Das 8. Jäger -Bataillon war der Avantgarde zugetheilt, das 1. Jäger-Bataillon dem in und bei Rosières befindlichen Gros der Cavallerie -Division. — Bei dem 1. Armeecorps bildete die 3. Brigade (General von Pritzelwitz) mit zwei Escadrons des 10. Dragoner-Regi ments und drei Batterien die Avantgarde, und diese hielt mit ihren Vortruppen die Luce-Linie von Domart über Hangard bis Démuin ; in zweiter Linie waren Mézières und Beaucourt besetzt worden. Das Gros des Corps , bestehend aus dem 1. Regiment (Kronprinz) und acht Batterien nebst zwei Schwadronen , hatte mit seiner Tête Le Quesnel und Arvillers erreicht und die Oertlichkeiten
zu beiden
Seiten der Strasze von Roye belegt . – Vom 8. Armeecorps war die 15. Division am Abende des 26. Novembers mit der 30. Brigade an den Abschnitt der Avre und der rechts einströmenden Luce von
* ) Anlage II enthält die Ordre de bataille der I. Armee . **) Zu diesen stiesz am 27. November früh die von Bedeckung des Pferde Depots zur Brigade zurückkehrende 4. Compagnie 68. Regiments.
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Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
Thézy bis Thennes aufwärts gelangt. Letztere hatte sogar nach dem am Nachmittage stattgehabten Gefechte bei Gentelles -Boves ihre Vorposten auf dem rechten Ufer der Luce die Nacht über bebalten und die Dörfer Thézy, Hailles und Thennes besetzt.
Die 29. Brigade batte zwischen
Castel und Moreuil Allarmbäuser bezogen , mit dem 33. Regimente in letzterem Orte.
Die 16. Division, den linken Armee-Flügel bildend,
hatte mit der 31. Brigade Ailly sur Noye erreicht; von der 32. Bri gade lag das 70. Regiment in Essertaux, Rossignol und Flers, während das 40. Regiment Berny sur Noye belegte.
Von diesen Stellungen
aus konnten am 27. November in kurzer Zeit die von dem Ober commando den Truppen befohlenen Marschziele erreicht werden, und es blieb noch Zeit übrig ,
um von hier aus die Hauptposition des
Feindes recognosciren zu lassen. Das Terrain , auf welchem der Zusammenstosz der I. Armee und der Französischen Nord - Armee stattfand , Ufer der Somme.
liegt auf dem linken
An diesem Flusse sind Corby und Amiens (resp.
die Einmündung der Celle) die Grenzpunkte , welche in Betracht kommen . Die Somme selbst , sowie die dortigen Canal - Anlagen , sind ein nur auf Brücken zu passirendes Hinderniss.
Das Bett der
Somme, die Uferränder und die Flussniederung sind sumpfig ; durch zahlreiche Torfstiche und Torfgräben wird das Terrain auszerhalb der Wege völlig unpassirbar. Feste Brücken fanden sich nur bei Corby, Daours und Amiens vor und waren in den Händen der Franzosen . Aufwärts von Corby bis Péronne hatten die Franzosen sämmtliche Uebergänge zerstört und die einzelnen Stellen mit Infanterie besetzt. Das ganze Gelände südlich der Somme wird durch die Avre in ein östliches und ein westliches getheilt , während der Abschnitt westlich der Avre durch die ihr von links zuflieszende Noye noch mals gegliedert wird.
Die Thäler der Avre, Luce und Noye, sowie
das der Celle tragen denselben Charakter wie die der Somme. Die Flüsse sind wasserreich und schlammig, versumpfen fast bis zur Un passirbarkeit die daran stoszenden Wiesen, welche mit Gebüsch be deckt und von Torfgräben durchzogen sind . Dicht bei diesen Thälern steigt das Terrain an und zeigt eine sehr verschiedene Bodenbildung . Die höchsten, relativen Höhenunterschiede betragen an hundert Meter 7 so dass sehr schroffe Formationen , Böschungen und tief einge schnittene Schluchten sich vorfinden . Im Allgemeinen ist der Abfall nach Norden zu allmäliger und flacher , als die Absenkungen nach den Nebenflüssen zu .
So ist das Terrain südlich Amiens, welches sich von Sains und Dury nach Amiens allmälig senkt , frei und plateauartig, während das Gelände westlich der groszen Strasze von
15
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
Paris tiefe Schluchten mit sumpfigen Thalsohlen und schroffe Berg rücken zeigt.
Namentlich hebt sich der Ruinenberg von Boves steil
aus dem Thale der Avre und aus einer westlich des Berges liegen den Schlucht ab ,
so
dass er weithin das Land beherrscht.
Das
letztere ist hier wenig übersichtlich, gröszere und kleinere Gebüsche bedecken dasselbe , besonders auch die Abhänge nach den Fluss niederungen .
Wie die Höhe von Boves diesen nach der Avre zu
gelegenen Theil des Geländes dominirt, so beherrscht das Dorf Dury die
offenere, plateauartige Hügelgegend und das in der Somme
Niederung gelegene Amiens . Der Theil des Terrains östlich der Avre wird durch die bei Rosières entspringende , nach Westen flieszende Luce in einen nörd lichen und südlichen Theil geschieden. Das Land nördlich der Luce hängt nur im Osten mit dem übrigen Gebiete zusammen.
Somme
und Luce sind ungefähr 10 Kilometer von einander entfernt und ist der Charakter dieses Landstriches der eines flach geböschten Hügel landes ; nur die Abfälle nach der Luce zu sind steiler und zeigen in ihren Formen eine gröszere Mannigfaltigkeit.
Es senken sich nach
der Luce zu zwei Schluchten ziemlich tief ein , die eine gedeckte Annäherung zu den auf der Höhe des Plateau's liegenden Dörfern gestatten .
Die erste, westliche Schlucht steigt von dem Nord -West
Ende von Domart in allmäliger Biegung gegen das Dorf Gentelles . Der westlich dieser Schlucht gelegene Höhenrücken ,
sowie
seine
Abbänge zur Schlucht sind von dem grösztentheils aus Unterholz be stehenden Bois de Domart bedeckt. Die zweite Schlucht führt von dem oberen Laufe der Luce in der Nähe des Dorfes Hangard nach Norden ; sie wird durch einen bewaldeten Vorsprung derartig getheilt, dass ihr westlicher Arm auf das Dorf Cachy, der nach Norden lau fende, in der Richtung auf Villers - Bretonneux führt. Die höchsten Punkte auf dem Terrain nördlich der Luce sind die flachen Höhen nördlich Berteaucourt, und der Hügelrücken des Mont de l'Abbé und von Villers - Bretonneux. Das Gelände südlich der Luce ist ein flachwelliges Plateau und zeigt nur schroffere und wechselnde For mationen nach der Avre und Luce zu. Nachdem General Farre den Entschluss gefasst hatte , in dem Terrain südlich der Somme den Angriff der Deutschen zu erwarten , wäre eine fortificatorische Verstärkung des Schlachtfeldes angerathen gewesen ; denn auszer der sehr groszen Ausdehnung der Vertheidi gungslinie fehlte dem linken Flügel eine Anlehnung. An Zeit zu solchen Anlagen mangelte es nicht ,
da die Französischen Truppen
zum gröszten Theil bereits seit dem 22. November in diese Stellungen
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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eingerückt waren .
Trotzdem ist nach dieser Richtung hin Französi
scher Seits wohl nicht genug geschehen. Die Sicherung Amiens durch vorgeschobene Werke gegen einen Angriff von Süden her hatte schon früher stattgefunden ; es waren bier Batterie-Emplacements und Schanzen von bedeutenden Profilen angelegt , welche durch sehr widerstandsfähige Schützengräben mit einander verbunden waren . Diese Anlage erstreckte sich von Pont des Metz nach der groszen Strasze von Dury und schnitt diese circa 400 Meter nördlich des Kirchhofes. Zu beiden Seiten dieser Strasze sicherten sehr starke Batterie - Emplacements gegen einen Angriff von Dury her ; an diese schlossen sich weiterhin nach der Strasze von St. Fuscien Schützengräben , während der Zugang auf der Strasze von St. Fuscien durch ein schanzenartiges Emplacement für Geschütze bestrichen werden konnte. Diese Befestigungslinie lief aber nicht auf dem höchsten Rücken des Terrains ,
sondern 20 bis 25 Meter
tiefer als das hochgelegene und Einsicht gewährende Dury.
Es war
daher die Befestigung des Ortes nachträglich in Vorschlag gebracht worden ;
diese unterblieb aber ebenso , wie die sehr nothwendige
Herrichtung zu energischer Vertheidigung des Ruinenberges und des Dorfes Boves. Die fortificatorische Verstärkung
der Dörfer auf dem
Französischen Flügel war nur mangelhaft.
linken
Die Bahnhöfe St. Nicolas
und Longeau waren durch schanzenartige Aufwürfe gedeckt, in denen sich Geschütz - Emplacements befanden.
Vor der Front von Cachy
waren Schützengräben aufgeworfen, während der Südrand von Gen telles und Cacby oberfläcblich zur Vertheidigung eingerichtet war. Bei Villers-Bretonneux kamen günstige Verhältnisse zu Hülfe, um die Vertheidigung vorwärts des Ortes zu legen.
Die Eisenbahn von
La Fère nach Amiens läuft südlich des Ortes vorbei und ist , bevor sie den Ort erreicht , tief eingeschnitten .
In einer Entfernung von
1200 Meter führt ein Uebergang von Süden her zu einem isolirten Häusercomplexe nebst einer Windmühle.
Unmittelbar neben dem
Wege war der durch das Einschneiden der Bahn überflüssige Boden zusammengefabren und
zweckmäszig
zu
einer Art Schanze
um
gearbeitet, welche hinreichende Sicherheit bot. Eine zweite Brücke führt von Démuin aus unmittelbar nach Villers und dem Bahnhofe . Südlich der Bahn wird dieser Zugang wieder durch eine Ziegelei gesichert.
Hierzu kommt , dass auf eine Entfernung von wiederum
1200 Meter südlich der Bahn sich der Plateaurand vorzüglich zur Bestreichung des
Vorterrains und zur gedeckten
Aufstellung der
Vertheidiger eignete und durch Geschütz -Emplacements und Schützen
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
17
gräben verstärkt wurde, welche in der Richtung auf Cacby hin An schluss hatten. Das Wetter am 27. November war trübe ; der Boden , von den vorangegangenen regnerischen Tagen aufgeweicht,
erschwerte die
Bewegung querfeldein, namentlich für Artillerie. Französische Quellen geben auch an ,
dass die Preuszischen Granaten an diesem Tage
nicht eine so mörderische Wirkung hatten, da sie vielfach im Schlamme stecken blieben und nicht zur Explosion kamen . Zur Vertheidigung der bezeichneten Stellungen bereit, standen die Französischen Truppen am Morgen des 27. Novembers folgender maaszen : In der befestigten Linie
südlich Amiens hatten drei Bataillone
Mobilgarden du Gard bei Pont des Metz sich aufgestellt, links von ihnen stand das 2. Chasseurs-Bataillon, Depot-Bataillon des 43. Regimentes .
an dieses schloss sich das Zwischen
diesen und
zwei
Compagnien Marine-Füsilieren war das schanzenartige Batterie-Em placement für die 12 - Pfünder - Batterie des Schiffslieutenants Meusnier, welche am Morgen des Schlachttages per Bahn von Douay in Amiens ankam . Den Raum bis zur Strasze von St. Fuscien deckten drei Mobilgarden - Bataillone vom Regimente der Seine und Marne, sowie zwei Bataillone Mobilgarden du Nord , während die Strasze von St. Fuscien die Batterie der Nationalgarden beherrschte . Im Uebri gen
waren
an
geeigneten Stellen
glatte, in die Emplacements
Marine - Geschütze,
gefahren
doch meist
einzelne Geschütze
sollen
nicht einmal laffetirt gewesen sein ) . Weiter rückwärts zwischen den Straszen nach Paris und St. Fuscien standen 2000 mit Vorderladern bewaffnete mobilisirte Nationalgarden von Amiens. Bei Boves, St. Nicolas und Cagny bis nach Longeau hatte die Brigade des Obersten Deroja Stellung genommen und zwar derartig , dass das 68. Marsch- Regiment die Dörfer Boves, St. Nicolas und den Plateaurand bis zum Gehölze von Gentelles hielt.
Zwei Compagnien
wurde die Vertheidigung des Ruinenberges von Boves anvertraut ; in den Wald zwischen Cottenchy und Boves waren Tirailleure vor gesandt , welche sich namentlich an dem Gehöfte Le Paraclet fest setzten . Das 47. Mobilgarden- Regiment hatte sich vorwärts Longeau aufgestellt, um von hier nach Bedürfniss Verwendung zu finden , Das 1 , Chasseurs- Bataillon vermittelte zwischen Boves und St. Fuscien die Verbindung des Generals Paulze d'Ivoy mit der Brigade Deroja. Ein Mobilgarden- Bataillon von dem bei Longeau stehenden 47. Regi mente sollte bei der groszen Entfernung zwischen St. Fuscien und Boves dem Chasseurs - Bataillon als Verstärkung dienen . 2 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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In dem Dorfe Gentelles schloss sich nach Osten zu die 3. Bri gade an. Bataillon ,
Gentelles und seine Ziegelei wurden von dem 20. Chasseurs Cachy von einem Bataillone 69. Marsch- Infanterie-Regi
ments (einem Depot- Bataillone 43. Regiments) besetzt und schoben ihre Vorposten und Patrouillen auf dem Plateau und in die Gehölze Front gegen die Luce vor. Zur Vertheidigung von Villers verblieben demnach zwei Bataillone 69. Marsch -Regiments (zweites Depot-Bataillon 43. Regiments und
ein Bataillon Marine - Infanterie ),
die drei
Ba
taillone 48. Mobilgarden-Regiments und drei Batterien ( zwei 4 - Pfünder und einem 12 - Pfunder ). Wie oben erwähnt, hatte General Farre in Erkenntniss, dass der linke Flügel seiner Schlachtlinie der ausgedehnteste,
am wenigsten
durch Befestigungen gesicherte , mithin auch gefährdetste sei , 1. Brigade von Amiens herangezogen.
die
Ein Theil der Brigade traf
unter dem Befehle des Oberstlieutenants de Gislain am frühen Morgen des 27. Novembers von Cachy her bei Villers ein , wo sogleich der Oberst du Bessol über ihn verfügte.
Die Verstärkung bestand aus
dem 2. Chasseurs - Bataillone und 1/2 Bataillonen 67. Marsch - Regi ments (einem Bataillone 65. Regiments und einem halben Bataillone 75. Regiments) . Somit waren dem Obersten du Bessol zur Vertheidi gung der Stellung bei Villers - Brettonneux zur Hand : 4/2 Linien-Ba taillone und drei Mobilgarden - Bataillone, eine Compagnie Genietruppen , eine Compagnie Franctireurs und drei Batterien, denen General Farre aber bald nachher noch eine 8 -Pfünder nachsandte. Oberst du Bessol nahm mit seinen Truppen folgende Aufstellung : Nördlich der Eisenbahn stand ein Bataillon Mobilgarden , welche nach links bin eine Unterstützung in zwei Compagnien 67. Regiments (einem halben Bataillone 75. Regiments) fanden, die zur Vertheidi gung einer Erdbarricade am nordöstlichen Ausgange des Dorfes auf gestellt waren . Diese Truppen hatten Front nach Osten, nach dem Gegner, der aus der Gegend von Rozières her erwartet wurde. Zur Unterstützung war diesem äuszersten linken Flügel die 8 -Pfünder Batterie zugetheilt , und durch die in dem Häusercomplexe bei der Windmühle eingenistete Genie - Compagnie war die Verbindung mit der Hauptmasse , welche eine Front nach Süden einnahm, hergestellt . Unmittelbar südlich der Eisenbahn waren zur Deckung des Eisen bahnüberganges von Marché le Cave nach der Windmühle eine Com pagnie Mobilgarden und eine Compagnie Chasseurs aufgestellt; der zu einer Art Schanze umgearbeitete Haufen Erde an dem Eisenbahn Der Einschnitte nahm diese Compagnien sehr vortheilhaft auf. übrige Theil des Jäger-Bataillons vertheidigte den Raum von diesem
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 . Erdwerke bis zur Strasze von Démuin .
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Es nabm seine Schützen
400 bis 500 Meter vor, um eine etwaige Annäherung von Marché le Cave
unter Feuer nehmen
zu können ,
in Verbindung
mit
einer
4 -Pfünder- Batterie, welche die von Démuin her aufsteigende Strasze bestrich. Eine zweite 4 -Pfünder- Batterie hielt sich in der Nähe des Bahnhofes in Bereitschaft.
Die 12 - Pfünder - Batterie fand ihre Auf
stellung nördlich der Eisenbahn an der Ostseite von Villers in der Nähe einer Fabrik und der Eisenbahnbrücke des Ortes. Zu ihrer Deckung war die Franctireur-Compagnie auf jener Brücke gedeckt untergebracht.
Zwei ausgeschwärmte Compagnien 67. Marsch -Regi
ments schlossen sich nach Westen an das 2. Depot - Bataillon 43 . Regiments (69. Marsch - Regiments) an , welches sich an das die Be satzung lehnte.
von Die
Cachy bildende 1. Depot - Bataillon des Regiments nicht in der ersten Feuerlinie verwandten Com
pagnien waren zweckmäszig in dem sie begünstigenden Terrain als Soutiens untergebracht. Die zwei Bataillone der Mobilgarde standen in Colonne 100 Meter von der Eisenbahnbrücke des Ortes. Der gröszte Theil des Marine - Infanterie - Bataillons (3. Bataillon 69. Marsch Regiments) Bahnhofes.
bildete
die
zuverlässigste
Nachdem General Lecointe
einen
Reserve
nicht
in der Nähe
unbedeutenden
des
Theil
seiner Brigade der 3. Brigade nach Villers abgegeben , stellte er den Rest derselben , zwei Linien- Bataillone vom 67. Marsch- Regimente und die drei Bataillone 46. Mobilgarden- Regiments , im Bois de l'Abbé auf ; die vorhandene Französische Cavallerie fand ihren Platz nörd lich des Bois de l'Abbé. Zu den von dem General Farre befohlenen Recognoscirungen für den frühen Morgen des 27. Novembers wurde von dem General Paulze d'Ivoy das 2. Chasseurs- Bataillon auf und über Dury ent sendet ,
ein Mobilgarden - Bataillon
sollte zu seiner Unterstützung
dienen .
Ebenso wurden von der 2. und 3. Brigade Recognoscirungs
Patrouillen, namentlich vom 20. Chasseurs - Bataillone, nach dem Luce Abschnitte und auch auf Marché le Cave vorgeschoben . Die Sicherung des eben erwähnten Abschnittes war Preuszischer Seits durch den Befehl vom 26. November Abends für den 27. dem 1. · Armeecorps übertragen worden, während dem 8. Armeecorps das Hineinrücken in das Gelände zwischen Celle und Noye bis in die Linie Dury - St. Fuscien aufgegeben war . Von Seiten des commandirenden Generals des 8. Armeecorps, von Goeben , wurde daher befoblen, 68. Regiment)
dass die 30. Brigade ( 28. und
unter General von Strubberg sich auf Fouencamps, 2*
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
20
die 29. Brigade (33. und 65. Regiment), Oberst von Bock , sich auf Sains wenden sollten ; dass die 16. Division nach Hébecourt rücken , mit einem Seiten- Detachement die linke Flanke sichern, die Eisen bahn nach Rouen in der Richtung auf Plachy - Bacouel unterbrechen und womöglich Verbindung mit dem Detachement des Generals von Lippe, der in Beauvais stand, aufsuchen solle. Befehles hiesz es weiter : Nachrichten über
den Feind vor,
stehenden zu bekommen .
Am Schlusse dieses
„ Es ist durchaus wichtig , heut bestimmte sowie über den etwa seitwärts
Zu diesem Zwecke wird eine Recognos
cirung auf Amiens, gesichert durch auf beiden Straszen vorgebende Detachements,
vorzunehmen sein, wobei es sehr darauf ankommt,
die Lage der anscheinend vom Feinde angelegten Schanzen festzu stellen.
Da ein Theil der Truppen der Divisionen heut sehr kleine
Märsche hat, kann dies ohne Anstrengung geschehen.
Die Truppen
lassen dabei das Gepäck bei den ihnen bestimmten Cantonnements zurück . – In Bezug auf das Terrain links wird es sich empfehlen, die Dörfer im Thale der Celle durch ein Detachement Infanterie ohne Gepäck begehen zu lassen , dabei auf der Eisenbahn hin zu recognosciren und eventuell den Telegraph und die Bahn unbrauch bar zu machen .“ Auf Deutscher wie auf Französischer Seite wird also das Vor gehen recognoscirender Abtheilungen angeordnet.
Es musste also
am 27. November um so mehr zum Kampfe kommen ,
als die den
Deutschen Truppen vorgeschriebenen Ziele bereits vom Gegner be setzt waren . Ebenso, wie das Land südlich der Somme durch die Avre in ein östliches und westliches getrennt wird, ebenso scheidet sich die dort stattfindende Schlacht auch in einen Kampf des rechten Preuszischen Flügels, 1. Armeecorps, gegen die Französische Nord Armee speciell, und in einen Kampf des linken Preuszischen Flügels, 8. Armeecorps , gegen die Garnison von Amiens und den gröszten Theil der Brigade Deroja.
Beide Gefechte sind vollständig selbst
ständig, greifen gar nicht oder nur unbedeutend über die Avre bin über und ineinander ;
zwischen beiden Gefechtsfeldern liegt sogar
ein Raum von drei bis vier Kilometer, wurde .
I.
auf dem nicht
gekämpft
Das Gefecht beim 8. Preuszischen Armeecorps . a) Kampf bei Hébecourt und Dury. Wie erwähnt , standen dem Befehle des général en chef Farre
zufolge
die Französischen Truppen
mit dem frühen Morgen
des
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
27. Novembers in ihren Stellungen
21
kamptbereit, und entsendeten
Bataillone in das Vorterrain zur Recognoscirung.
General Paulze
d'Ivoy stellte zu diesem Zwecke das ibm überwiesene 2. Chasseurs und ein Mobilgarden -Bataillon unter Leitung des Commandeurs der Chasseurs.
Dieser nahm mit beiden Bataillonen bei dem Dorfe Dury
Stellung und schob starke Recognoscirungs-Patrouillen nach Hébe court und St. Sauflieu vor. Als die ersten Preuszischen Cavallerie Patrouillen wiesen.
sich näherten ,
erhielten sie Feuer und wurden
abge
In St. Sauflieu hatten die Franzosen die Offizierspatrouille
des 9. Husaren -Regiments in das Dorf hineinreiten lassen und erst im Innern das Feuer gegen dieselbe begonnen , doch gelang es ihr, zur Truppe zurückzukehren .
Eine andere Offizierspatrouille wurde
schon von Rumigny aus beschossen ; umkehren . In
Folge des Befehles vom
auch diese Patrouille musste
Generalcommando hatte General
Freiberr von Barnekow angeordnet ,
dass die 32.
Brigade sich in
Besitz des Waldes von Hébecourt , sowie des Dorfes Dury setzen und in zwei Colonnen vorgehen sollte. Die linke Flügelcolonne trat um 83/4 Uhr von Essertaux aus in folgender Ordnung auf der Strasze nach Amiens ihren Vormarsch auf Dury an : Avantgarde : Oberst von Wittich .
Zwei Escadrons 9. Husaren- Regiments . Zwei Compagnien 70. Regiments. Gros : Major Sachs. Zwei Compagnien 1. Bataillons 70. Regiments. 5. schwere Batterie.
Füsilier-Bataillon 70. Regiments . Die von der 4. Escadron 9. Husaren -Regiments auf St. Sauflieu vorgeschickte Offizierspatrouille kehrte bald mit der Meldung zurück , dass sie in dem Orte starkes Feuer erhalten habe . Ein Vorstosz der 4. Escadron selbst gegen das Dorf hatte keinen günstigen Er folg ; da auch das Gehölz westlich St. Sauflieu von Französischer Infanterie besetzt war,
so bog die Infanterie der Avantgarde links
von der Strasze aus und rückte, zum Gefechte entwickelt, gegen das Gebüsch vor, während die Têten - Compagnien des Gros rechts der Strasze sich zum Angriffe auf das Dorf selbst anschickten . Zugleich eröffnete die 5. schwere Batterie auf 1500 Meter das Feuer gegen das Dorf ,
so dass dieses bald in Flammen stand.
Nachdem es
den in Dorf und Gebüsch aufgestellten Chasseurs in dieser Weise gelungen war , die Marschcolonne der Preuszen zur Entwickelung zu veranlassen, zogen sie sich scharf gedrängt auf Hébecourt zurück .
22
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
Hierber fübrte der Commandant der Chasseurs nun sein Bataillon vor und richtete sich in der Dorflisière zur Vertheidigung ein . Ebenso wie die linke Flügelcolonne brach auch die des rechten Flügels um 8 Uhr auf und zwar von Jumel über Estrée nach Gratte panche in folgender Marschordnung : Avantgarde : Ein Zug Husaren 9. Regiments. 2. Bataillon Füsilier-Regiments Nr. 40. 5. leichte Batterie . Gros : Zwei Bataillone 40. Regiments. Sanitäts -Detachement.
Pontonier - Compagnie. Bei Grattepanche erhielt man von dem vorgesandten Cavallerie zuge die Meldung , dass Rumigny vom Feinde besetzt sei . Das 2 . Bataillon 40. Regiments ging nun mit auseinander gezogenen Com pagnie - Colonnen vor, während die Batterie zu dem im Marsche blei benden Gros trat.
Das Dorf war vom Feinde verlassen, doch wur
den bei der Bevölkerung viele Waffen vorgefunden.
Die nun gegen
Hébecourt vorgehenden Cavallerie -Patrouillen erhielten aus der Lisière dieses Dorfes lebhaftes Feuer ;
auch der nördlich und nordöstlich
liegende Wald war in den Händen des Feindes. In Folge dessen liesz der Führer der Colonne, Oberst Reinike, das bisherige Avant garden-Bataillon gegen den Wald vorgehen , während drei Compagnien des 1. Bataillons, unter Major Freiherr von Rosen , gegen Hébecourt vorgezogen wurden.
Es war gegen 1/11 Uhr, als die 2. Compagnie genannten Regiments, im ersten Treffen mit zwei aufgelösten Zügen , einen Zug als Soutien, auf letztgenannten Ort zuging ; ungefähr 2000 Schritt vom Dorfe empfing sie der Feind mit Schüssen , doch wurde nun im Laufschritte in den Ort eingedrungen. Nach diesem Ein bruche folgten die 2. und 3. Compagnie 40. Regiments mit Tirailleuren und dicht aufscblieszenden Soutiens den zurück weichenden Chasseurs .
Das Absuchen des Dorfes nahm viel Zeit in Anspruch ,
da alle Ge
bäude verschlossen , erst mit Gewalt geöffnet werden mussten.
Die
4. Compagnie folgte als Hauptsoutien, vom Süd- Eingange her, aut der Dorfstrasze. Nachdem es so der rechten Flügelcolonne schon gelungen war, den
gröszten Theil
des
Dorfes Hébecourt, mit Ausnahme seiner
Nordlisière, in Besitz zu nehmen, trat jetzt auch noch die linke Flügelcolonne gegen Hébecourt in Thätigkeit. Ihre Avantgarden Compagnien, die 1. und 2. 70. Regiments, vollendeten die Wegnahme der Nordlisière des Dorfes , während die beiden Escadrons 9. Hu saren-Regiments, Sauflieu westlich umgehend, gegen Hébecourt vor
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870. Als das Chasseurs - Bataillon
getrabt waren.
demnächst versuchte,
das Dorf wieder in seinen Besitz zu bringen , Lützow die
4. Escadron ,
23
führte Major von
im Galopp aufmarschirend und in der
Carrière rechts schwenkend , mehr gegen die Westseite von Hébe court zu und überritt eine Abtheilung Chasseurs , wohl 200 Mann stark, vollständig ; der Standartenträger gebrauchte hierbei seine Standarte als wuchtige Keule, als ihm das Pferd erschossen war . Nur wenige Chasseurs retteten sich in Gebüsche. und erfolgreich attackirte die 1. Escadron, Commandeur, nördlich Es
Ebenso energisch
welche vom Regiments
Oberst von Wittich , als Attacken - Object die weiter
stehenden Mobilgarden - Abtheilungen
angewiesen
erhielt.
kam zum Kampfe Mann gegen Mann, der Regiments - Adjutant,
Lieutenant Bölcke, sowie
der Ordonnanz - Offizier Lieutenant Prinz
Hatzfeld wurden scbwer verwundet ; Letzterer erlag drei Bajonnet stichen .
Durch diese raschen, geschickt geführten Attacken wurde
das Terrain westlich von Hébecourt vom Feinde gesäubert.
Unter
stützt durch Theile des Mobilgarden - Bataillons, wagte dann gegen 11 Uhr der Commandeur der Chasseure nochmals, aus dem Walde nördlich Hébecourt offensiv gegen diesen Ort vorzubrechen.
Der
Versuch, durch starkes Schnellfeuer eingeleitet , wurde ohne Mühe von den Compagnien des 40. und 70. Regiments zurückgewiesen, doch behielten in Besitz.
die Franzosen auch jetzt noch den
Wald selbst
Wie oben erwähnt, war schon um 1/10 Uhr beim Passiren von Rumigny das bisherige Avantgarden - Bataillon, 2. Bataillon 40. Regi ments, unter Major von Horn, gegen die beiden Waldparzellen von Hébecourt dirigirt worden .
Dieser hatte die 5. Compagnie in das
erste Treffen genommen, liesz ihr zur Unterstützung die 8. folgen und behielt die 6. und 7. Compagnie am Ausgange von Rumigny zum Schutze der 5. leichten Batterie, welche Front nach dem Walde zwischen Rumigny und Hébecourt auffuhr. In Gemeinschaft mit dieser bereiteten nun die Compagnien des 1. Bataillons 40. Regi ments, sowie die 1. und 2. Compagnie 70. Regiments durch lebhaftes Feuergefecht die Wegnahme des Waldes vor. Auf dem rechten Flügel des 40. Regiments fand ein Zug der 5. Compagnie den öst lichen , isolirten Theil des Waldes unbesetzt und drang bis zur West lisière desselben gerade der besetzten Waldparzelle gegenüber vor. Gegen diese stürmte alsdann, nachdem die Artillerie eine Zeit lang gewirkt hatte, Premierlieutenant Hevelke mit der ganzen 5. Com pagnie unter Hurrah - Ruf an . Zur selben Zeit war auf dem linken Preuszischen Flügel
zur Unterstützung der 1. und 2. Compagnie
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
24
70. Regiments die 4. Compagnie dieses Regiments eingetroffen.
Der
nun mit schlagenden Tambours von diesen drei Compagnien und vom 1. Bataillon 40. Regiments unternommene Anlauf gelang ; überall drang die Preuszische Infanterie in den Wald ein, und die Franzosen suchten in groszer Eile , mit Zurücklassung vieler Waffen und Aus rüstungsstücke das Weite . Die Rückzugsbewegung der Franzosen beschleunigten noch die 10. und 11. Compagnie 70. Regiments, welche nach Wegnahme des Südrandes westlich des Waldes vorgegangen waren und hierdurch den Rückzug der beiden Französischen Bataillone nach dem Thale der Celle bedrohten . Nachdem das Gebüsch vollständig in den Händen der 32. Bri gade war, trat gegen / , 12 Uhr die linke Flügelcolonne in der Weise den Vormarsch auf Dury an , dass das Füsilier- Bataillon 70. Regi ments geschlossen auf der Strasze vorging, die 2. und 3. Compagnie 70. Regiments 800 Schritt westlich in gleicher Höhe dem Rande des Gehölzes folgten, welches sich fast bis nach dem Süd - Eingange von Dury erstreckte.
Oestlich der Strasze hatte das
2. Bataillon 40.
Regiments wiederum die Avantgarde übernommen , und Major von Horn die 6. und 7. Compagnie gegen das Gehölz östlich Dury, 5. und 8. Compagnie gegen das Dorf selbst vorgeschickt. beiden Compagnien folgte das 1. und 2. Bataillon .
die
Letzteren
Von den beiden
beigegebenen Schwadronen ging die 1. Escadron durch Dury zur Recognoscirung des Terrains gegen Amiens vor, meldete, dass der Kirchhof unmittelbar an der Strasze nach Amiens , Schritt hinter Dury, vom Feinde besetzt sei, lich
davon
gelegenen Befestigungen ,
Schützengräben.
ungefähr
800
ebenso die noch nörd
Batterie - Emplacements
und
Da bei dieser Lage der Dinge keine Aussicht war ,
dass die Cavallerie zur Verwendung kommen werde, so stellte sich die 1. Escadron östlich, die 4. westlich hinter Dury auf. Als nach Besetzung des Dorfes Preuszische Truppen über den Nord-Ausgang
von Dury hinaustraten, wurden sie trotz der über
groszen Entfernung
von
der Infanterie in den Verschanzungen mit
dem lebhaftesten Feuer überschüttet.
Dies führte allerdings keine
groszen Verluste berbei , veranlasste aber doch die 32. Brigade, sich am Nordrande von Dury und zu nisten .
beiden Seiten des Dorfes einzu
Das 40. Regiment stellte sich grösztentheils östlich, das 70.
Regiment westlich Dury auf. Vom 40. Regiment besetzten die 6. und 7. Compagnie den Nordrand des Waldes östlich Dury, während die 5. und 8. Compagnie gute Deckung in der Ziegelei und hinter den Ziegelhaufen nördlich der Strasze fanden, welche vom Nord-Ausgange nach St. Fuscien führt. Das 1. und 3. Bataillon schmiegten sich an
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
25
die östlichen Umfassungen von Dury an und fanden zum Theil sogar nur in Sections - Colonnen Deckung . Von dem 70. Regiment befanden sich anfänglich die 11. und 12. Compagnie in der Nordlisière von Dury, während die 3. Compagnie eine nordwestlich von diesem Dorfe gelegene, flache Anhöhe besetzte, fast ohne Deckung gegen das heftige Gewehrfeuer aus den Schanzen . Der hier persönlich an wesende Divisions- Commandeur entschied , dass gegen die vorliegen den, stark besetzten Verschanzungen erst Artillerie gehörig gewirkt haben müsse, bevor über das nur sehr geringe Deckung bietende Vorterrain der Angriff mit Infanterie erfolgreich ausgeführt werden könne.
Das nach Norden abfallende Terrain erreicht bei Dury seine höchste Erhebung und dominirt die Umgebung ; in Folge dessen fuhr unmittelbar nördlich der Ziegelei die der 32. Brigade zugetheilte 5. leichte, sowie links neben derselben gleich darauf die 5. schwere Batterie auf ; beide eröffneten ihr Feuer auf die Entfernung von 1200 Meter. Um 14 Uhr erwiderten die Franzosen dasselbe aus ihren weit über legenen Calibern, und zwar mit der 12 - Pfünder - Batterie unter Befehl des Schiffslieutenants Meusnier aus dem Batterie-Emplacement, welches die Strasze nach Amiens sperrte, und mit den auf der übrigen Be festigungslinie vertheilten neun Marine - Geschützen. Als der Ge schützkampf heftiger wurde, griff auch die Batterie der Nationalgarde von der Strasze von St. Fuscien ber ein . Gegen den von den Franzosen besetzten , nur 400 Meter von ibren eigenen Befestigungen entfernten, mit Hecken umfriedigten Kirchhof an der Strasze von Amiens brachen dann nach 2 Uhr die 11. und 12. Compagnie 70. Regiments aus dem Nordrande von Dury vor, nahmen ihn mit dem Bajonnete und richteten sich so gut als angänglich zur Vertheidigung ein .
Die Hecke an der Nordseite bot
bierbei nur sehr geringen Schutz gegen die Geschosse aller Art, welche von den Befestigungen herübergeschickt wurden. Unter dem Schutze dieser Infanterie -Abtheilung fuhren dann auch bald die bei den Batterien der 31. Brigade , welche auf Befehl des
Divisions
Commandeurs bis siidlich Dury der 32. Brigade gefolgt waren, die 6. schwere und die 6. leichte, nordwestlich von Dury auf und fanden ibre unmittelbare Sicherung durch die 3. Compagnie 70. Regiments , welche den flachen Hügel nordwestlich des Dorfes besetzt hatte und jetzt, nachdem die Stellung an Bedeutung gewonnen, durch die 2. und 4. Compagnie 70. Regiments verstärkt wurde . Zwei reitende Batterien unterstützten dann noch auf dem rechten Flügel die beiden 5. Batterien . trotz
Das Feuer der Preuszischen Geschütze , welches aber
der nahen Distance und trotz der groszen Heftigkeit ebenso
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
26
wenig, wie das der Franzosen, erhebliche Resultate hervorbrachte , verstummte alsdann allmälig mit einbrechender Dunkelheit. Während dessen war die Aufstellung der Infanterie, entsprechend der Ausdehnung der entwickelten Artillerie-Linie, geändert worden . Das 2. Bataillon 40. Regiments batte seine 8. Compagnie,
Haupt
mann Neydecker, vor die 5. Batterien geschoben. Ebenso , wie diese Stellung die Batterien sicherte und die feindlichen Linien bedrohte, ebenso war dies auch mit der Besatzung des Kirchhofes der Fall, die noch durch die 10. Compagnie 70. Regiments verstärkt wurde. Auszer der 2., 3. und 4. Compagnie, welche zum Schutze der Ge schützlinie auf den Hügel nordwestlich Dury vorgeschoben waren , wurde auch noch das 3. Bataillon 40. Regiments durch den General von Barnekow auf den äuszersten linken Flügel vorgezogen , und hinter diesem nabmen die 1. und 4. Escadron in der nach der Celle zu führenden Mulde Stellung.
In das Thal dieses Flusses hatte Ge
neral von Barnekow von Hébecourt aus auf Vers Hébecourt das 1. Bataillon 69. Regiments von der 31. Brigade vorgeschickt, um die in der Celle - Niederung liegenden Dörfer abzusuchen. Als der Ar tilleriekampf vorwärts Dury schwieg, hatte das Bataillon das Dorf Saleux erreicht und besetzt. Nachdem gegen
1,5 Uhr die Dunkelheit das Gefecht und das
Artilleriefeuer beendet hatte , ging man Preuszischer Seits daran, sich gegen ein Vorbrechen des Gegners in der Nacht möglichst zu sichern .
Von der 32. Brigade erhielt das 40. Regiment Befehl, die
Vorposten gegen die Verschanzungen südlich von Amiens zu geben. Nach rechts hin im Anschlusse an die Vorposten der 15. Division stand der rechte Flügel im Walde westlich Dury ; die 6. und 7. Com pagnie hatten hier ihre Feldwachen bis an den Nordrand des Ge hölzes vorgeschoben.
An diese schlossen sich in der Richtung auf
den Nord- Ausgang von Dury die der 8. Compagnie an, welche na mentlich durch die in der Ziegelei aufgestellte 5. Compagnie Halt fanden .
Die 2. und 4. Compagnie lösten die in dem Kirchhofe be
findlichen drei Compagnien 70. Regiments ab, während die 11. Com pagnie links, die 3. Compagnie rechts des Einganges von Dury als Repli’s aufgestellt wurden. Dieser Eingang in das Dorf selbst wurde durch eine starke Barricade geschlossen und seine Vertheidigung der 12. Compagnie übertragen, welche in Allarm- Häusern unmittel bar dahinter untergebracht war. So hatte
die
16. Division
die vom Obercommando und dem
General von Goeben ihr gestellte Tagesaufgabe vollständig gelöst,
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
27
glaubte aber für den 28. November einem neuen schweren Kampfe entgegen zu gehen . Um auch noch dem letzten Theile des für die Division ge stellten Auftrages nachzukommen, batte General von Barnekow das 2. Bataillon 70. Regiments nebst der 3. Escadron 9. Husaren -Regi ments, unter dem Befehle des Majors Erni, nach Conty entsandt, um hier die linke Flanke der I. Armee zu sichern und womöglich die nach Rouen zu unterbrechen .
Eisenbahn
In Conty kam es
nicht
zum Gefechte, wohl aber gelang es dem zur Zerstörung der Eisen babn mit einem Zuge Husaren entsandten Lieutenant yon Bredow , einen Trupp Franctireurs zu vernichten und bei Namps au Mont die Eisenbahn und den Telegraphen zu unterbrechen . In den Dörfern an der Bahn und auch in der Niederung der Celle zeigten sich Franctireurs und fast aus allen Ortschaften erhielten die Husaren Feuer.
b ) Der Kampf der 15. Division. Die Gefechte auf beiden Ufern der Avre. Die Disposition des général en chef Farre hatte die 2. Brigade, Oberst Deroja, auf dem rechten Flügel der Nord - Armee mit der Vertheidigung des Thales der Avre, unter Anlehnung an die Be festigungen , beauftragt.
In Folge dessen hatte Oberst Deroja seine
Truppen derartig aufzustellen beschlossen,
dass das 1. Chasseurs
Bataillon in den Raum zwischen den Verschanzungen von Amiens und
der
Stellung
Bataillone
bei Boves
namentlich
die
einrücken sollte .
Somit fiel diesem
Vertheidigung von Cagny,
St. Fuscien
und Cambos Ferme zu . Die Behauptung des Ruinenberges und des Dorfes Boves war einem Bataillone des 68. Marsch -Regimentes ( Depot Bataillon 33. Regiments) übertragen, das 2. Bataillon 68. Regiments ( Depot-Bataillon 24. Regiments) hielt den Bahnhof St. Nicolas und seine Befestigungen besetzt , während ein Mobilgarden- Bataillon für beide obengenannte Bataillone das Soutien bildete . Das letzte Ba taillon
der
Linientruppen (2. Depot- Bataillon 24. Regiments) mit
einem Mobilgarden - Bataillone wurde
beim
Bahnhofe Longeau
in
Reserve gehalten, das letzte Mobilgarden - Bataillon dagegen über die Avre
zur Unterstützung des
1. Chasseurs - Bataillons nachgesandt.
Ebenso wie General Paulze d'Ivoy
Recognoscirungen nach Süden
vorgeschickt hatte, so befahl auch der Oberst Deroja dem
1. Ba
taillon 68. Marsch- Regiments ( Depot-Bataillon 33. Regiments) recog noscirend auf St. Fuscien vorzugehen , während das andere Bataillon dieses Regimentes ( Depot - Bataillon 24. Regiments ) das Thal der Avre
Die Schlacht bei Amiens am 27. Novomber 1870.
28
aufwärts aufklären sollte ; das 1. Bataillon 48. Mobilgarden-Regiments hielt sich in Boves zur Unterstützung bereit. Der wichtigste Theil dieses Terrain - Abschnittes ist der Berg und das Dorf Boves, doch war sehr zum Schaden der hier kämpfen den Französischen Truppen von einer fortificatorischen Verstärkung dieser Stellung Abstand genommen worden .
Nur zum Schutze der
beiden Bahnhöfe St. Nicolas und Longeau waren leichte Verschan zungen aufgeworfen. Dem Terrain entsprechend eröffneten sich der 15. Division zwei Anmarsch- Richtungen gegen die Französische Stellung, die eine öst liche führte längs des erst getrennten , dann bei Fouencamps ver einigten Wasserlaufs der Noye und Avre, die andere westliche auf der groszen Strasze von Ailly über Estrée, Sains und St. Fuscien . Dem Befehle des Obercommando's der I. Armee entsprechend, hatte General von Goeben für die 15. Division angeordnet, dass sie mit einer Brigade nach Fouencamps , mit der anderen nach Sains rücken und die Avantgarden nach Boves und St. Fuscien vorschieben sollte.
Der Divisions-Commandeur, Generallieutenant von Kummer,
bestimmte für Fouencamps die 30. Brigade , General von Strubberg, für Sains die 29. Brigade, Oberst von Bock,
da erstere, wie schon
erwähnt, am Abende des 26. Novembers den Abschnitt an der Luce von Dommart bis Thézy mit Vorposten besetzt hatte . Die Avantgarde der 29. Brigade,
1. und 2. Bataillon 65. Regi
ments und die 1. Escadron des Königs- Husaren- Regiments, vollführte ihren Vormarsch von Moreuil über Ailly und Estrée .
Ihr folgte das
Gros , Füsilier-Bataillon 65. Regiments , 1. und 2. leichte Batterie und das Füsilier - Regiment Nr. 33 nebst Sanitäts - Detachement. Ohne Gefecht wurde Sains vom Gros gegen 1 Uhr erreicht und von der Avantgarde St. Fuscien und Petit Cagny besetzt.
104/2
tönte jedoch Gewehr- und Geschützfeuer sowohl von links,
Uhr
von der
16. Division, als auch namentlich von rechts, von der 30. Brigade, von dem bewaldeten Thale der Noye her.
Der Kampf schien an
Heftigkeit zuzunehmen, doch auch stetig den Fluss abwärts vorzu schreiten. General von Strubberg, Commandeur der 30. Brigade, hatte den Abmarsch derselben bei der groszen Nähe der Franzosen unter dem Schutze seiner Vorposten stattfinden lassen . Diese , vom 1. Bataillon 68. Regiments gegeben , standen auf dem nördlichen Uferrande der Luce und fanden eine Unterstützung an dem 2. Bataillone 68. Regi ments ,
welches Thézy besetzt hielt.
Hinter diesem Schleier,
be
günstigt von dem abwechselnden Terrain zwischen Noye und Avre,
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
29
sollte das 2. und Füsilier - Bataillon 28. Regiments in Verbindung mit einer Schwadron der 7. Husaren von Hailles aus auf Fouencamps aufbrechen und sich dieses Ortes bemächtigen .
Um für den Fall
eines feindlichen Angriffes gegen einen der vorgeschobenen Theile der Brigade bei Thézy oder Fouencamps zur Hand zu sein , hielt der General von Strubberg den Rest seiner Brigade, das Füsilier - Bataillon 68. Regiments und die 1. und 2. schwere Batterie, zu etwaiger Unter stützung aus einer Stellung östlich Dommartin zurück . Noch hatte die Colonne des 28. Regiments nebst der Husaren - Schwadron erst den halben Weg nach Fouencamps zurückgelegt, als sie auch schon heftiges Gewehrfeuer aus dem auf dem linken Ufer der Noye ge legenen Walde von Cottenchy erhielt und die Colonne zwang , sich zum Gefechte gegen den Gegner zu entwickeln .
Dieser bestand aus
Compagnien des 68. Marsch-Regimentes ( Bataillon 33. und 24. Regi ments) , welche, wie erwähnt , von der Hauptstellung der Brigade Deroja zum Recognosciren vorgeschickt waren, und jetzt, als sie den Anmarsch der Theile der 30. Brigade gegen Fouencamps erblickten , den Süd- und Ostrand des Waldes von Cottenchy besetzten, nament lich sich aber in dem Gehöfte Le Paraclet zur Vertheidigung ein richteten .
Da der genannte Wald , von der Stelle aus, wo sich das
28. Regiment befand ,
gegen einen Anlauf durch die fast unpassir
baren Sümpfe der Noye - Niederung gesichert war, so zog General von Strubberg die 1. schwere Batterie in eine Stellung nördlich Dommartin vor, von wo sie sehr gründlich gegen die Besatzung des Waldes wirken konnte . Es war 10 %, Uhr, als der Kampf an dieser Stelle begann. Um das Feuer der Batterie zu sichern , besetzte die 11. Compagnie 68. Regiments das Dorf Cottenchy, und auf dem einzigen Uebergange über die Noye im Dorfe Cottenchy gingen das 2. Bataillon und die 3. und 4. Compagnie 68. Regiments , welche von Thézy herangezogen waren , unter dem Schutze der 2. Escadron 7 . Husaren -Regiments auf das
linke Ufer der Noye über.
Es gelang
den Compagnien ohne grosze Verluste in die Gebüsche einzudringen, und nachdem die Besetzung der Ferme le Paraclet durch das Feuer der 1. schweren Batterie erschüttert war, sich dieser Oertlichkeit zu bemächtigen .
Somit konnte
auch die Colonne des 28. Regiments
ihren Vormarsch auf Fouencamps fortsetzen, und da sie dieses un besetzt fand, auch noch den nördlichen Uferrand der Avre ersteigen . Bald, nachdem dies vollführt , ging bei dem Generale von Strubberg der Befehl des Generals von Manteuffel ein , in das Gefecht einzu greifen, welches sich jenseits der grószen Strasze von Roye nach
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
30
Amiens bei Gentelles durch das Vorrücken des
1. Armeecorps ent
sponnen hatte.
Die 30. Brigade war zu dieser Zeit durch das sehr beschwerlich zu durchschreitende Thal der Noye in zwei Theile getrennt. Zur Verwendung auf dem rechten Ufer der Avre waren nur die zwei Bataillone 28. Regiments und drei Füsilier - Compagnien 68. Regi eine Escadron 7. Husaren - Regiments , sowie die 1. und 2 .
ments ,
schwere Batterie zur Hand .
Die nächsten Aufgaben für die Brigade
bestanden nun darin, dass die sechs Compagnien 68. Regiments auf dem linken Noye - Ufer den auf Boves weichenden Französischen Compagnien nachdrängten, um womöglich Boves zu gewinnen ; für die Theile auf dem rechten Ufer der Avre und bei deren Uebergang, von Fouencamps dem
Befehle des
Höchstcommandirenden gemäsz
in das Gefecht bei Gentelles einzugreifen. General von Strubberg erkannte von dem erhöhten nördlichen Uferrande der Avre die Wichtigkeit
des
durch
leichte
Erdwerke
zur
Vertheidigung
ein
gerichteten Bahnhofes von St. Nicolas, und glaubte durch Wegnahme desselben die bei Gentelles kämpfenden Französischen Truppen ernst lich in ihrer rechten Flanke zu bedrohen und hiermit den vom Ge neral von Manteuffel erlassenen Befehl zu erfüllen . Der Divisions-Commandeur, General von Kummer, war der 29 . Brigade nach Sains gefolgt, und als er hier nun in der Mittagszeit den Gefechtlärm im Thale der Noye und der Ayre immer mehr sich steigern hörte, beschloss er um so mehr mit Theilen der 29. Brigade in den Kampf der 30. einzugreifen, als für die 29. Brigade an diesem Tage bei St. Fuscien kein ernstlicher Kampf mehr zu erwarten stand . Er ordnete daher an , dass durch die Avantgarde, 1. und 2. Bataillon 65. Regiments und eine Husaren -Escadron , Petit Cagny und St. Fuscien gegen Amiens gesichert werden sollten , dass ein Theil der Brigade in der Richtung auf Le Paraclet zur Verwendung komme, und dass zugleich die Front der Brigade bis nach Cambos Ferme verlängert werde . In Folge dessen liesz der Brigade - Commandeur, Oberst von Bock , die Stellung Petit Cagny - St. Fuscien von den beiden Musketier-Ba taillonen 65. Regiments und einer Husaren-Escadron besetzen ;
am
nördlichen Ausgange von Sains blieb als Reserve das 3. Bataillon 33. Regiments nebst der 2. leichten Batterie zurück . Das an der Tête des Gros befindliche Füsilier-Bataillon 65. Regiments und die 3. und 4. Compagnie 33. Regiments wurden von Sains aus nach der Gefechtsgegend Fouencamps - Le Paraclet dirigirt, und zugleich noch das 2. Bataillon 33. Regiments nebst der 1. leichten Batterie nach Cambos Ferme geschickt. Dieser letzteren Abtheilung schloss sich
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
General von Kummer an .
31
Cambos Ferme wurde erreicht ,
jedoch
unbesetzt gefunden , denn das zum Recognosciren entsandte Fran zösische Bataillon (33. Depot- Bataillon ) vom 68. Marsch - Infanterie Regimente hatte sich bei Annäherung der 29. Brigade auf Boves zurückgezogen . Ueber dem Höhenrücken von Cambos Ferme heben sich der Ruinenberg und die Uferhöhen, auf deren Abhange quer über die Apre hinüber das Dorf Boves sich erstreckt, schroff empor. Der Ruinenberg und Boves erschienen stark besetzt , und die noch im freien Felde befindlichen Abtheilungen strebten danach, sich eben dahin zurückzuziehen . Oberst von Bock befahl daher, im Sinne des Divisions Comman deurs, seinen auf Le Paraclet und Cambos Ferme entsandten Truppen , Boves zum Kampfobjecte zu nehmen und dieses so von Westen und Südwesten her zu bedrohen , zugleich aber Anschluss nach rechts an die sechs Compagnien 68. Regiments zu suchen , da diese von Le Paraclet am Westrande des Dorfes und im Thale der Noye ab wärts den weichenden Französischen Compagnien auf Boves nach drängten . Zur Verstärkung der gegen Boves verwendeten Truppen zog Oberst von Bock auch noch die bei Sains in Reserve verbliebene 2. leichte Batterie unter Bedeckung einer Pionier - Compagnie nach Cambos Ferme heran , während das 2. Bataillon 33. Regiments nebst der 1. leichten Batterie schon auf Boves vorgingen .
Sobald dies
Bataillon in die Nähe des Ruinenberges kam , wurde es in Com pagnie- Colonnen auseinandergezogen und durch ein äuszerst lebhaftes Gewehrfeuer im Vorschreiten aufgehalten. Die auf zwei Batterien verstärkte Artillerie beschoss nun lebhaft aus einer Stellung nörd lich von Cambos Ferme den Ruinenberg und das Dorf Boves.
Ge
sichert wurde die Artillerie- Stellung durch die 6. und 7. Compagnie 33. Regiments
und durch die vorerwähnte Pionier- Compagnie.
Als
nun von der einen Seite das 3. Bataillon 33. Regiments , von der anderen das Füsilier - Bataillon 65. Regiments nebst der 3. und 4 . Compagnie 33. Regiments eintrafen und mit den sechs Compagnien 68. Regiments die Verbindung aufgenommen hatten, brach die ganze Angriffslinie der 29. und 30. Brigade, fünf Bataillone stark , den Ruinenberg und Boves vor.
gegen
Der Angriff gelang aller Orten ,
und da die 6. Compagnie 33. Regiments den nordwestlichen Aus gang des Dorfes erreichte, woselbst sie 92 Gefangene machte , blieb
so
den Franzosen nur der einzige Rückzug über den Mühlarm
und die Avre auf das rechte Ufer des Flusses , auf St. Nicolas zu . Die Französischen Bataillone verloren hier bei Boves eine grosze
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
32
Anzahl von Gefangenen : an das 33. Regiment, auszer den Gefangenen durch die 6. Compagnie, noch 163 Mann .
Der Ruinenberg war gegen
1,3 Uhr in den Händen der 15. Division ;
hier fand sich General
von Kummer ein und liesz die 1. leichte Batterie auffahren, um wo möglich mit derselben das Gefechtsfeld nördlich der Luce und rechts der Avre bestreichen zu können. Fast gleichzeitig mit dem Angriffe auf Boves hatte auch General von Strubberg den Entschluss ins Werk gesetzt, mit seinen vor und bei Fouencamps versammelten Truppen gegen den Bahnhof St. Nicolas vorzugehen.
Dieser Bahnhof wurde Französischer Seits durch Theile
eines Bataillons ( 24. Depot- Bataillon) 68. Marsch-Regiments und des 1. Bataillons 48. Mobilgarden - Regiments vertheidigt ; 12 - Pfünder - Batterie ,
nördlich
von St. Nicolas ,
eine schwere
nahm später das
Terrain gegen Boves und gegen Fouencamps hin unter Feuer.
2.
Um den Angriff vorzubereiten , liesz General von Strubberg die schwere Batterie in eine Stellung nördlich Fouencamps vor
gehen ; als dies gelungen, brachen das 2. und Füsilier-Bataillon 28 . Regiments und 2. Compagnie 68. Regiments gegen den Babnhof vor und nahmen ihn im ersten Anlaufe, während die drei Compagnien des Füsilier-Bataillons 68. Regiments die Flanke gegen Gentelles bin sicherten .
Ebenfalls um 1/23 Uhr war St. Nicolas in den Händen
der
30.
zog
sich in
Brigade.
Die
Französische
die Verschanzungen
von
Besatzung
von
St.
Nicolas
Longeau in nordwestlicher
Richtung ab . Nachdem die Stellung Boves und Bahnhof St. Nicolas von der 15. Division
erobert
war, glaubte der Commandeur, General von
Kummer, der vom Ruinenberge aus Einsicht in die ganze Gefechts lage
gewann ,
seine
rechte
Flanke bei
weiterem
Vorgehen
auf
Longeau, namentlich auf dem rechten Ufer der Avre, zu gefährdet und den Uebergang über diesen Fluss zu
schwierig , um
bei der
vorgerückten Stunde an dem kurzen Novembertage noch Nennens werthes in der Richtung auf Gentelles zu leisten . der erzielte Vortheil ein bedeutender ;
Im Uebrigen war
die Anlehnung des rechten
Flügels der Französischen Nord - Armee an die befestigte Stellung südlich Amiens war unterbrochen, denn auf dem linken Avre -Ufer zeigten sich nur noch einzelne Versprengte. Oberst Deroja, der das Gefährliche der Situation erkannte, machte nach dem Verluste von Boves den Versuch , seine Truppen bei Longeau zu sammeln und über die Avre hinüber nach den Befestigungen hin wieder Anschluss zu gewinnen .
Er entsandte das
1. Chasseurs-Ba
taillon, das schon von Anfang an zur Herstellung der Verbindung
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
33
mit dem Generale Paulze d'Ivoy auf dem äuszersten rechten Flügel der Brigade gestanden ,
sich aber gleichzeitig mit dem Bataillon
68. Marsch -Regiments zurückgezogen hatte und jetzt bei Longeau stand, wieder über die Avre vor und liesz ein Mobilgarden -Bataillon folgen.
Dem 1. Chasseurs- Bataillon soll der Verlust von Boves und
dessen Besetzung durch die 15. Division ganz unbekannt gewesen sein ; es wurde bei seinem Vorgehen nach dem Passiren der Avre in seinem Aufmarsche zum Gefechte von dem Feuer der Besatzung von Boves, sowie von dem Feuer der gegen Ferme Manoir
avan
cirenden Compagnien des 3. Bataillons Füsilier - Regiments Nr. 33 derartig überrascht worden ,
dass
es in groszer Unordnung nach
Cagny -Boutillerie zurückfloh und in seine Rückwärtsbewegung auch das Mobilgarden - Bataillon mit fortriss ,
welches zu seiner Unter
stützung auf Ferme Manoir gefolgt war. Das 3. Bataillon 33. Regiments
verfolgte die Fliehenden mit
der 11. und 12. Compagnie im ersten, mit der 9. und 10. im zweiten Treffen. Die ersten beiden durchschritten mühsam die sehr sumpfige Fluss-Niederung der Avre, nahmen darauf Ferme Manoir und drangen Die 9. und 10. Compagnie besetzten , selbst gegen Longeau vor. um als Soutien zu dienen, den Eisenbahndamm zwischen St. Nicolas und Longeau. Ebenso, wie auf dem linken Ufer das 3. Bataillon 33. Regiments von Boves aus über Longeau vorstiesz, ebenso versuchten auch von St. Nicolas aus die drei nachgerückten Füsilier-Compagnien 68. Regi ments,
unterstützt durch das Feuer der auf dem Ruinenberge auf
gefahrenen
1.
leichten Batterie , sich
in Besitz
der Erdwerke zu
setzen, welche zwischen dem Wäldchen von Gentelles und Longeau östlich der Strasze nach Amiens lagen , aber stark von Theilen der Brigade Lecointe besetzt waren. Der Anlauf wurde unterbrochen , da das Feuer aus dem Gebüsche von Gentelles das ganze Gelände von der Seite her bestrich .
Die Dunkelheit,
die rasch hernieder
sank , machte dem weiteren Kampfe hier ein Ende.
Das
Füsilier
Regiment Nr . 33 sammelte seine weit vorgedrungenen Abtheilungen und kehrte nach Sains zurück, wo Allarmhäuser bezogen wurden . Die 29. Brigade gab zu Vorposten das 1. und 2. Bataillon 65 . Regiments , links am Wäldchen von Dury mit ihrem linken Flügel anschlieszend an die Vorposten der 16. Division , wodurch Cagny und St. Fuscien gesichert wurden . Der rechte Flügelposten war Cambos Ferme und wurde durch die 5. Compagnie 33. Regiments besetzt. Von Cambos Ferme, nördlich Boves bis zum Bahnhofe 3 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
34
Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
St. Nicolas , gab das 68. Regiment die Vorposten der 30. Brigade, während das 28. Regiment Allarmbäuser bezog. Ohne bedeutende Verluste erlitten zu haben, waren die 16. und 15. Division in die ihnen für diesen Tag angewiesenen Stellungen gerückt , batten überall die Französischen Truppen zurückgedrängt, so dass die von letzteren festgehaltenen, zum Theil befestigten Po sitionen für den morgenden Tag (den 28. November) mit dem un mittelbaren Angriffe bedroht waren . Auf beiden Seiten aber wurde der Kampf für den nächsten Tag für gewiss angesehen, denn Deutscher Seits konnte man nicht hoffen, dass Amiens ohne ernst liche Gegenwebr werde aufgegeben werden , und auf dem rechten Flügel der Französischen Vertheidigungslinie war es bis Mitternacht . noch unbekannt , dass die Entscheidung schon am Spätnachmittage des 27. Novembers auf dem linken Flügel zu Ungunsten der Fran
( Schluss folgt.)
zosen gefallen war .
III.
Die
Unruhen
Abschlusse
auf
der
Balkan - Halbinsel
der Waffenruhe am
bis zum Waffenstillstande In
keinem Kriege
ist
eine von
15.
vom
September
am 1. November.
beiden Parteien
Waffenruhe wohl weniger respectirt worden, als
vereinbarte
in dem
Türkisch Serbischen . Wer dieselbe zuerst brach , wird wohl kaum festgestellt werden können . Die Schuld scheint auf beiden Seiten gleich zu sein . In Serbien wie in der Türkei betrachtete man die momentane Ruhe offenbar nicht als einen Uebergang zum Fridensschlusse, denn sonst würde man die Rüstungen nicht so eifrig fortgesetzt haben, wie es thatsächlich der Fall war. Die Serben einerseits waren aufs fleiszigste beschäftigt, ihre Verschanzungen
zu verstärken
und die
nun nicht mehr in kleinen , sondern in Trupps von 100 bis 200 Mann ankommenden leiben .
Russen
zu
equipiren
Schon am 18. September
und
ihrer Armee
einzuver
beschloss der Kriegsminister Ristics ,
da die Zahl der Russischen Zuzügler bereits auf mehrere Tausende
der Waffenrube am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov.
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gestiegen war, eine Brigade aus lediglich Russischen Mannschaften zu errichten . Es wurden selbstverständlich nur Russische Offiziere in derselben
angestellt.
Auch eine aus Moskau übersendete kostbare
Fahne *) sollte dieser Brigade übergeben werden . Die Türken andererseits bemühten sich, eine möglichst günstige Stellung bei etwaigem Friedensschlusse in Besitz zu haben und die in der Armee Abdul Kerim Pascha's durch die Gefechte und Krank heiten gerissenen Lücken auszufüllen. Da sich auch bereits Mu nitionsmangel fühlbar gemacht hatte , so schickte die Regierung 15 Millionen Patronen ins Hauptquartier, welche die Waffenfabrik in Winchester geliefert hatte. Der Truppenzuzug dauerte ununter brochen fort und es trafen fast jeden zweiten Tag einige Redifs Bataillone aus Asien ein. Diese wurden auf der Donau bis Widdin transportirt, hier ausgeschifft, und zunächst der Armee Osman Pascha's zugetheilt. Die Nachschübe, welche Abdul Kerim erhalten hatte, brachte die Türkische
Morawa- Armee inclusive Freiwilliger auf die Zahl
von ungefähr 100,000 Mann, welche in sechs Divisionen eingetheilt waren . Die erste Division, unter Hussein Sabri Pascha, war 14 Bataillone Infanterie, 1 Cavallerie-Regiment ( 6 Escadronen) und 3 Feld -Batte rien stark ; die zweite Division, unter Fazly Pascha, hatte 12 Infan terie-Bataillone , 1 Cavallerie-Regiment, 3 Krupp’sche
Feld - Batterien
und
2 Aegyptische Escadronen ,
4 Berggeschütze,
1
Compagnie
Pioniere ; die dritte, unter Ali Saib Pascha, 14 Infanterie -Bataillone, 91/2 Escadron Cavallerie, 24 Feld- und 6 Berggeschütze ; die vierte, unter Hussein Hami Pascha, 16 Infanterie - Bataillone, 4 Escadronen Cavallerie , 18 Feld- und 4 Gebirgsgeschütze ; die fünfte, unter Su leiman Pascha,
16 Infanterie- Bataillone, 17 Escadronen Cavallerie,
24 Feld- und 6 Gebirgsgeschütze und 11/2 Compagnien Pontoniere ; die sechste endlich , unter Adil Pascha , 14 Bataillone Infanterie , . 1 Cavallerie- Regiment, 18 Feld- und 2 Gebirgsgeschütze. Auszerdem hatte Abdul Kerim Pascha noch eine 12 Escadronen starke Cavallerie - Brigade (Kosacken), eine Artillerie - Reserve von 6 Batterien zu 8 Geschützen und 6 Compagnien Pioniere , sowie einen Pontontrain von 3 Kriegsbrücken zur Verfügung; ferner 3000 bis 4000 Tscherkessen und 8000—10,000 Baschi-Bozuks .
Im Ganzen also
*) Diese Fahne, von Russischen Damen gestickt, kostete über 3000 Rubel und sollte nach beendetem Kriege zum Andenken an die Stadt Moskau im Zeughause zu Belgrad aufbewahrt werden . 3*
Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
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circa 70,000 Mann Infanterie, 6250 Mann Cavallerie, 5000—6000 Mann Artillerie, 1000 Mann Pioniere und 12,000—14,000 Mann Irregulaire. An der Instandsetzung der Donaufestungen wurde gleichzeitig mit fieberhafter Eile gearbeitet und es trafen nur zu diesem Zwecke 3000 Geniesoldaten aus Constantinopel im nördlichen Bulgarien ein . Die zunächst in Angriff genommenen Arbeiten erstrecken sich auf die Verbesserung der Befestigungen von Tulca, Silistria, Rustschuk, Nikopolis und Widdin. Nach allen diesen Richtungen konnte man mit Bestimmtheit auf den Wiederbeginn der Feindseligkciten rechnen , welche in Wirklich keit übrigens niemals ganz aufgehört hatten. Zwischen den Türki schen
und Serbischen
Commandanten batten keinerlei schriftliche
Abmachungen über die Waffenruhe bestanden .
Diese war von der
Hohen Pforte bis zum 26. September bewilligt und man hatte sich beiderseits dahin verständigt, 24 Stunden vor Wiederaufnahme des Kampfes den Gegner zu avisiren .
Für etwaigen Bruch der Waffen
rube durch die Irregulairen wurde keine Verantwortlichkeit nommen , und so kam es denn auch der getroffenen Vereinbarung zu
schon am
über
17. September trotz
einem kleinen Gefechte , an dem
sich auch regulaire Truppen betheiligten.
Eine Abtheilung Baschi
Bozuks überfiel das Dorf Zitkovac, plünderte dasselbe und steckte es demnächst in Brand .
Am 18. September versuchte
eine Abthei
lung Tscherkessen, die Morawa bei Alexinatz zu überschreiten, wurde aber von den Serbischen Vorposten zurückgeworfen. Abdul Kerim Pascha liesz 8 Bataillone, welche zu seiner Ver stärkung aus dem Lager bei Sofia abgeschickt waren, die Glava besetzen, damit bei Erneuerung
des Kampfes
seine
Babina Rück
und Zuzugs- Linie gesichert bliebe . Sein Hauptquartier hatte er un gefähr eine Meile von der Morawa aufgeschlagen und die zu sebr exponirten Vortruppen
zurückgezogen .
Der General Tschernajeff
benutzte die wenigen Tage der Waffenruhe noch dazu, die Garnison von Alexinatz zu inspiciren . Trotzdem der Fürst Milan seinerzeit
um Vermittelung zum
Frieden gebeten hatte, und obgleich die Hohe Pforte, auf Andrängen der Europäischen Mächte, in eine Verlängerung der Waffenruhe, welche bis zum 26. September vereinbart worden war, willigte, so beschloss jetzt Serbien, auf dringendes Anrathen Tschernajeff's und in der Hoff nung auf Russische Hülfe, eine Verlängerung der Waffenruhe abzu lehnen und den Krieg weiter fortzusetzen . Schon am 16. September war von Tschernajeff versucht worden, die Pforte
zur Weiterführung des Krieges zu
zwingen ,
indem
er
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov.
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nach einem Banquet den Fürsten Milan zum Könige von Serbien ausrufen liesz . Diese neue Würde, obgleich ein Skuptschina - Aus schuss sie befürwortete , wurde dennoch auf Abrathen der Grosz mächte, in Hinsicht auf die traurige Lage des Landes und der ne gativen Erfolge der Armee, vom Fürsten abgelehnt. Die erste vollständig Russische Brigade war unterdessen formirt, ein Kosacken-Regiment gebildet, welchem der Fürst selbst eine Fahne übergab und welches das Kosacken- Regiment der Fürstin Natalie ge tauft wurde . Der Einfluss Tschernajeff's und seine Siegeshoffnungen wurden immer gröszer und mit Freuden begrüszte er das Ende der zehntägigen Waffenruhe. Nach einem Berichte, den der Kriegsminister Oberst Nikolitsch dem Fürsten Milan über die Lage der Morawa-Armee unterbreitete, erhellte es, dass solche nunmehr auf etwa 78,000 Mann gebracht worden war. Die Stellung derselben war durch Anlegung eines ganz neuen Schanzengürtels bei Deligrad und Armirung mit 80 schweren Geschützen noch verstärkt. In der Nacht vom 25. auf den 26. September nahmen die Serben die Feindseligkeiten auf der ganzen Linie wieder auf ; ihr erster An griff richtete sich gegen die Morawa und es gelang ihnen ,
einen
Theil der dortigen Brücke in die Luft zu sprengen, so dass den Türken der
einzige Uebergang
über den Fluss verwehrt wurde .
Diese waren offenbar nicht vorbereitet gewesen und
wurden erst
durch die Explosion der von ihnen selbst unter der Brücke ange legten Mine auf den Kampfplatz gerufen. Trotz der Finsterniss ent spann sich ein Artillerie - Gefecht, welches ohne jeglichen Schaden für die eine oder die andere Partei sich bis zum Morgen hinzog. Die Serben, zufrieden mit der Brückensprengung, zogen sich zurück , ohne von den Türken verfolgt zu werden. Noch am 26. September versuchte Abdul Kerim Pascha, eine neue Brücke über die Morawa zu schlagen.
Um dieses Project vorzubereiten, liesz er 8 Batterien
bei Nericao Han auffahren und ein heftiges Feuer gegen das rechte Morawa-Ufer eröffnen. Unter dem Schutze dieses letzteren wurde der Versuch zum Brückenschlagen gemacht, dieser aber von den Serben, die dasselbe kräftig
erwiderten, vereitelt ; die Besitznahme
der angefangenen Brücke durch die Serben verhinderte jedoch das Feuer genannter 8 Batterien. Am 28. September unternahm Tschernajeff einen abermaligen allgemeinen Angriff auf die Türkischen Stellungen.
Schon in der
Nacht vom 27. auf den 28. September hatten zu diesem Zwecke die Serben bei Drasevac eine Brücke über die Morawa geschlagen und
Die Unruhen auf der Balkan- Halbinsel vom Abschlusse
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waren eine Brigade stark
über
Richtung auf Tessica abmarschirt.
den Fluss
gegangen
und in der
Morgens um 52 Uhr eröffneten
17 Serbische Batterien auf ein von Deligrad aus gegebenes Fanal ihr Feuer. Diese Batterien waren folgendermaaszen placirt : eine nördlich Drasevac, eine östlich Buimir, vier zwischen Alexinatz und Bobowiste, vier gegenüber der angefangenen Türkischen Brücke, drei zwischen De ligrad und Jasenje und fünf auf dem Kamme der rechtsseitigen Höhen des Djuniska- Baches, von diesen zwei zwischen Djunis und Kavnik, und drei nördlich Djunis .
Das heftige Feuer der Batterien, wie der Vor
marsch der Serben auf Tessica, belehrte die Türken, dass es einem Der Türkische Hauptangriffe Tschernajeff's zu widerstehen galt. Feldherr traf aufs schleunigste seine Gegenmaaszregeln .
Aus 16 ge
deckten Batterieemplacements erwiderte die Türkische Artillerie das Feuer der Serben .
Von diesen waren fünf auf dem rechten Flügel, wo
Fazly Pascha commandirte, sechs vor dem Centrum, welches Suleiman Pascha befehligte, und fünf vor dem linken Flügel des Pascha Hafuz gelegen. Die Emplacements auf dem linken Türkischen Flügel waren durch Traversen vorzüglich gedeckt, was um so nothwendiger gewesen war, als dieser Flügel von drei Seiten aus unter dem Feuer des Feindes stand .
Kaum hatten die Batterien zu spielen begonnen , als auch
die Brigade Mustapha Pascha's , welche auf dem äuszersten rechten Flügel stand , der auf Tessica vorrückenden Serbischen Brigade ent gegenging.
Zum Schutze der Brücke dirigirte Suleiman Pascha eine
seiner Brigaden' an das Morawa- Ufer, welche mit ungefähr 8 Ba taillonen Serben, die auf dem anderen Ufer standen, ein Feuerge fecht unterhielten. Achmed Ejub Pascha, genau die Bewegungen des Feindes beobachtend und mit Recht den Hauptangriff auf seinen schwächsten Punkt , den linken Flügel , vermuthend , dirigirte die Division Adil Pascha's, welche bisher bei Pescanina in Reserve ge standen hatte, auf Kavnik, um sowohl den Rücken der Armee zu schützen, wie auch die Division Hafuz Pascha's eventuell zu unter stützen.
Dieser Befehl war so rechtzeitig erlassen, dass die Türken
ihre Stellungen gegenüber den Serbischen Positionen südlich Kavnik bereits eingenommen hatten, als drei feindliche Brigaden den linken Tür kischen Flügel angriffen.
Es entwickelte sich ein mörderisches Ge
fecht, in welchem von beiden Seiten mit gröszter Bravour gefochten wurde.
Den Serben gelang es aber nicht, auch nur einen Fusz breit
Terrain zu gewinnen und sie mussten gegen Mittag in ihre früheren Positionen zurückgehen.
Auch die über die Morawa auf das linke
Ufer übergetretene Serbiscbe Brigade vermochte nicht vorzudringen und wurde durch die Brigade Mustapha Pascha auf das rechte Ufer
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov. zurückgedrängt.
Um Mittag trat eine Gefechtspause ein.
39
Nach
mittags gegen 4 Uhr versuchten die Serben nochmals vorzudringen. Seinen Hauptangriff richtete Tschernajeff abermals auf den linken Türkischen Flügel und führte
selbst
seine Reserven
ins
Gefecht.
Die Türken hatten Verstärkung aus Nisch erhalten und sofort auf den bedrohten linken Flügel geworfen ; sie waren somit im Stande, jeglichen Anlauf siegreich zurückzuwerfen . Erst gegen 10 Uhr Abends endete der Kampf und nabmen beide Gegner ihre vorherigen Stellungen wieder ein. An der Morawa waren die Serben zeitweise siegreich gewesen und hatten die Verbindung der Türkischen Armee mit Nisch durch die Besitznahme von Tessica auf einige Stunden unterbrochen . Achmed Ejub Pascha, die. Wichtigkeit dieses Ortes sehr wohl erkennend, verstärkte seine dortigen Truppen, und es ge lang ihm auch , Abends wieder in Besitz des Ortes zu kommen .
Der
Verlust auf Seiten der Türken war, da diese nicht aus ihren
De
fensivstellungen herausgegangen, verhältnissmässig gering ; ungleich gröszeren hatten die an diesem Tage mit groszer Bravour vorgegan genen Serben zu verzeichnen . *) Der Sultan lohnte die Tapferkeit seiner Armee damit, dass er die Chefs Hafuz und Adil Pascha, deren Truppen die heftigsten feindlichen Offensivstösze siegreich widerstanden hatten, zu Ferik's ernannte. Hätte Tschernajeff mit der ganzen ihm zu Gebote stehenden Macht den linken Flügel Abdul Kerim's von vorne herein angegriffen und nicht seine Kräfte durch die Abcommandirung einer groszen Umgebungs- Colonne nach Kruschje, wie durch die Entsendung von 10 Bataillonen, die auf Tessica vorgingen, zersplittert, so würde es ihm vielleicht gelungen sein, die Türken aus ihren vorzüglichen Po sitionen zu verdrängen . Sein Angriff, der auf die Vernichtung der ganzen Türkischen Armee berechnet war, hatte somit gar keinen Erfolg.
Nur Horwatowich drang bis Kruschje vor, worin er sich auch
einstweilen zu behaupten vermochte. Am 30. September versuchte Tschernajeff abermals, die Türken zurückzudrängen. Er richtete seinen Hauptangriff auch an diesem Tage anf den linken Türkischen Flügel, da dieser von hier aus bereits mit einer Umfassung und Umgehung seiner Deligrader Po sition
drohte.
Der Angriff wurde durch einen Scheinangriff in der
*j Genaue Zahlen lassen sich vorläufig noch nicht constatiren , da die Nachrichten zu sehr auseinandergehen. Von einigen Correspondenten wird die Zahl der Todten allein Serbischer Seits auf 2800 bis 3000 ange ben .
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Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
Front unterstützt, indem die Serben bei Bobowiste die Morawa über schritten und bei Drasevac gegen den rechten Türkischen Flügel de monstrirten . Die Serben wie die Türken hielten nach einem blutigen Kampfe ibre Stellungen , doch musste Horwatowich sich wieder in die Linie Veliki- Siljegovatz -Gredetin zurückziehen. blieb in Deligrad , Popowitscb
Tschernajeff ver
in Alexinatz ; die Türken mit ihrer
Hauptmacht in dem von der Morawa westlich und von dem Bache östlich begrenzten Abschnitte.
Ludka
Auszer Korman als nördlichste
Position hatten sie die Orte Trenjan , D. Adrovac, Zitkovac und Mrsol an der Morawa , wie die Stellung von Tessica besetzt. Nach Belgrader Nachrichten sollen am 30. September die Serbischen Ver luste sich auf etwa 1200 Mann belauſen baben, unter denen sich allein 65 Russische Offiziere befanden . Während dieser kriegerischen Ereignisse hörte die Vermittelung Auf
der Nordmächte , einen Waffenstillstand herbeizuführen , nicht auf.
der einen Seite waren es aber hauptsächlich der Einfluss Tschernajeff's, auf der anderen Seite die Bedingungen , die die Hohe Pforte stellte , welche einen Waffenstillstand noch nicht zu Stande kommen lieszen . Trotz der siegreichen Gefechte , welche Abdul Kerim und Achmed Ejub Pascha geliefert hatten , war die Lage für beide Parteien im Groszen und Ganzen noch dieselbe, wie zur Zeit des Abschlusses der ersten Waffenruhe, und stellten sich allmälig bei der Türkischen Armee der Verproviantirung immer mehr Schwierigkeiten entgegen , da Fuhrwerk nur schwer aufzutreiben war und die an sich schon schlechten Wege bei dem eingetretenen Regenwetter kaum passirt Wollte man vor Eintritt des Winters eine günstige werden konnten. Demarcationslinie erzielen, dann war es nothwendig, möglichst schnell einen entscheidenden Sieg über die Serben zu erfechten. Auf beiden Seiten wurden zu einem Entscheidungskampfe alle Mittel in Bewe Abgesehen von den Russischen Freiwilligen , die jetzt sogar in Trupps bis zu 500 Mann ankamen, hatte Tschernajeff vom Kriegsminister 3 Batterien , 4 Escadronen und 4 Brigaden Verstär
gung gesetzt.
kung erhalten und damit die Lücken , welche die letzten Gefechte gerissen hatten, bald wieder zugemacht . Gröszere Gefechte hatten im Morawa-Thale seit dem 30. Sep tember nicht mehr stattgefunden ; zu kleineren Scharmützeln kam es alle Tage. Am Kanonade statt.
13. October fand bei Alexinatz eine zweistündige Den Grund hierzu gab eine Türkische Cavallerie
Abtheilung, welche von Prtjilowsky an die Morawa gekommen war, um eine Recognoscirung vorzunehmen . Auf das Granatfeuer vom rechten Ufer mussten sie sich aber zurückziehen und es begannen
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov. nun die Türken ihrerseits Alexinatz zu beschieszen.
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Die Geschosse
richteten indess keinerlei Schaden an , da sie fast alle zu kurz gingen und nur wenige crepirten. Trotzdem der Regen den Boden vollständig aufgeweicht und schlüpferig gemacht hatte, entschlossen sich Abdul Kerim und Achmed Ejub Pascha am 19. October dennoch dazu, offensiv gegen Tscher najeff vorzugehen und sich der Strasze nach Kruschewatz zu be mächtigen. Am Morgen des genannten Tages griffen zwei Divisionen die unter Horwatowich's Befehl stehenden 3 Serbischen Brigaden bei Siljegowatz und Gredetin an. Anfangs, hauptsächlich Artilleriegefecht, entwickelte sich der Kampf Mittags zu einer förmlichen Schlacht. Horwatowich leistete den Türken erfolgreichen Widerstand, doch als dieselben gegen 3 Uhr bedeutende Verstärkungen erhielten, er selbst jedoch ohne jegliche Hülfe blieb, sah er sich gezwungen, auf Kavnik zurückzugehen .
Kaum war der Rückzug bewerkstelligt, als 4 Bri
gaden und 4 Batterien , doch nun zu spät, Deligrad ankamen.
zur Unterstützung
In der Front und an der Morawa
hatte
von sich
das Gefecht auf einen gegenseitigen Artilleriekampf beschränkt. Der Kampf wurde am 20. October aufs Neue aufgenommen. Hor watowich hatte seine versprengten Truppen gesammelt und Tscher Auf beiden Seiten wurde mit gröszter najeff commandirte selbst. Erbitterung gekämpft, doch vermochten die Serben nicht, die Tags vorher verlorenen Positionen wieder zu erobern . Auch am 21. Oc tober wurde der Kampf weiter fortgesetzt. dieser am Krevet gewüthet .
Am
heftigsten hatte
Tschernajeff hatte in dieser Position,
welche den Uebergang über das Gebirge deckte, 6 Brigaden seiner besten Truppen concentrirt, darunter das Gros der Russischen Frei willigen. Das Dorf selbst war von einem Serbischen Linien- und von einem Russischen Bataillon vertheidigt worden , welche so tapfe ren Widerstand geleistet hatten, dass nur wenige Mannschaften am Abende des 21. Septembers, als es den Türken gelang, sich des Dorfes zu bemächtigen, noch von den beiden Bataillonen übrig geblieben waren .
An demselben Tage versuchte die Serbische Cavallerie, über
die Morawa vordringend , die Batterien von Prtjilowsky zu stürmen, wurde aber von der Türkischen Cavallerie zurückgedrängt. Alexinatz wurde während des ganzen Tages beschossen . Die Verluste auf beiden Seiten waren bedeutend. Die Türkische Offensive kam
nicht ins
Stocken ;
schon am
23. October gelang es Abdul Kerim Pascha's Truppen, nach zehnstün digem hartnäckigem Kampfe die Stellung von Djunis
zu
erobern .
Nur noch zwei Schanzen, allerdings auf dominirenden Höhen gelegen,
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Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
hielten den Sieger ab, seinen Marsch auf Kruschewatz fortzusetzen. Die militairische Situation im Morawa - Thale war für die Serben jetzt eine sehr ungünstige. Der ganze Befestigungsring, welcher auf dem linken Ufer des Morawa-Thales mit so vieler Sorgfalt an gelegt worden war, um dasselbe gegen Norden und nach Nordosten abzuschlieszen, war zerstört.
Die Serbischen Truppen wurden vom
linken Morawa- Ufer fast ganz verdrängt und hatten sich auf dem rechten Ufer bei Deligrad und Alexinatz concentrirt. Am 29. Oc tober kam es wieder zu einem gröszeren Kampfe . Es handelte sich um die beiden noch im Besitze der Serben befindlichen Schanzen bei Djunis, welche den Weg nach Sveti-Nestor absperrten und die nach Diese Kruschewatz führende Strasze vollkommen beherrschten .
wurden ebenfalls von den Türken genommen und Horwatowich zog Durch den unglücklichen Ausgang sich auf Kruschewatz zurück. auch dieses Gefechtes sah sich Tschernajeff gezwungen , die noch in Serbischem Besitze befindlichen drei Brücken , eine steinerne und zwei hölzerne , über die Morawa zu sprengen resp . zu verbrennen . Mittler weile waren aus Nisch Belagerungsgeschütze eingetroffen und sofort Der Ort wurde mit Erfolg gegen Alexinatz in Position gebracht . Unter dem beschossen und finy mehrere Male an zu brennen . Schutze des Feuers von mehreren gezogenen 24 - Pfündern gelang es den Türken , bei Adrovac eine Brücke über die Morawa zu schlagen. Die Beschieszung von Alexinatz dauerte auch während des oben be schriebenen siegreichen Vorgehens gegen die Djunis - Stellung , wie am 30. October fort. Am 31. October unternahmen die Türken den Angriff auf Alexinatz . Dieses wurde aber bereits von den Serben nicht mehr vertheidigt , welche Geschütze und Munition in der Nacht Alexipatz vom 30. auf den 31. October zurück geschafft hatten . wurde zunächst von den Irregulairen hesetzt und erst in der folgenden Nacht gingen regulaire Osmanische Truppen dahin ab . Mit dem Falle dieser formidabelen Positionen war die Energie des Serbischen Heeres gebrochen.
Es bemächtigte sich der Armee eine allgemeine Panik ,
und es war die höchste Zeit , dass es, wenn Serbien nicht ganz ver Der Russische nichtet werden sollte, zum Waffenstillstande kam. General -Consul in Belgrad telegraphirte in diesem Sinne an den Kaiser von Russland nach Livadia , worauf auch , sofort der Kaiserlich Russische Gesandte in Constantinopel, General Ignatieff, angewiesen wurde, die Beziehungen zur Hohen Pforte abzubrechen , wenn man dort binnen 48 Stunden nicht in einen Waffenstillstand einwilligte . Die Pforte acceptirte den Waffenstillstandsvorschlag und ertheilte
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov. den Commandanten der Türkischen Truppen den Befehl, tairischen Operationen sofort einzustellen .
43
die mili
Der Russische Einfluss des Generals Tschernajeff hatte sich von der Morawa - Armee aus auch auf die Ibar - Armee ausgedehnt, indem er es veranlasste , dass das Commando derselben dem Russi schen Generale Novoseloff an Stelle des Obersten Tscholac Aptic am 12. October verlieben worden war. Mit dieser Ernennung zugleich wurde das Ibar- Corps auf 5 Brigaden verstärkt, was um so nothwendiger erschien, als auch die Truppen Mehemed Ali Pascha’s auf 15 Ba taillone gebracht worden waren . Am 2. October hatte der Vormarsch der Türken
auf Ivanitza
begonnen. Nach dreitägigen Kämpfen wurden sie aber am 4. Oc tober in ihre alten Stellungen zurückgeworfen. Am 5. October ver suchten die Serben nunmehr, das Türkische Lager zu nehmen , doch hatte dieser Versuch gleichfalls keinen Erfolg .
Am 7. October rückte
eine Abtheilung Serben unter Tscholac Antic von der Jankova Klis sura in der Richtung auf Kurschumlje vor, besetzte des Toplica- Thales
und
alle Ortschaften
nahm Stellung vor Kurschumlje,
25 Kilo
meter von der Serbischen Grenze entfernt, auf Türkischem Gebiete, wodurch die Endstation Mitrowitza , Strecke hedroht wurde.
Salonichi - Mitrowitza,
Diese liegt nur 10 Meilen von Kurschumlje entfernt.
Einer Abtheilung unter Popowitc gelang es sogar, bis an 4 Meilen auf Mitrowitza heranzukommen . Am 17. October entspann sich bei Javor ein gröszeres Gefecht.
Die Türken griffen den linken Serbi
schen Flügel der Ibar-Armee an und besetzten die Ortschaften Stenik und Ravnagora.
Diese beiden Dörfer liegen auf Serbischem Terri
torium , nur wenige Kilometer von Ivanitza entfernt.
Beide Dörfer
wurden in Brand gesteckt und gingen bis auf das letzte Haus zu Grunde.
Nachdem aber die Serben Verstärkungen erhalten hatten,
eroberten sie ihre alten Positionen wieder und drangen bis Jankovic , welches auch noch in Serbien , doch hart an der Grenze liegt, vor und besetzten auch den, die Positionen des Jayor -Gebirges domini renden Berg Vasilim.
Die Verluste auf beiden Seiten waren gleich
grosz, da mit Erbitterung gekämpft worden war. Von Sofia aus wurden nach dem bedrängten Mitrowitza 4 Ba taillone und von Sienitza aus weitere 3 Bataillone regulairen Militairs entsandt.
Es war dies auch die höchste Zeit, da die Garnison nur
aus 800 Mann bestanden hatte, welche bei einem
kühnen Vorgehen
der sich im Toplica - Thale festgesetzten Serben wohl kaum
hinge
reicht haben würde, die groszen Vorräthe an Munition und Lebens mitteln , welche in Mitrowitza aufgespeichert waren, zu decken. Die
Die Unruhen auf der Balkan-Halbinsel vom Abschlusse
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Serben, welche nun erst gegen Mitrowitza avancirten, wurden von den Türken zurückgeschlagen.
Das Commando der Drina-Armee war mittlerweile, wie bekannt, von Ranko Alimpitz auf den Obersten Uzum Mirkowitsch übergegangen, welcher das linke Drina - Ufer geräumt hatte. Da man vermuthete, dass nach der kurzen Waffenruhe die Türken mit groszer Macht von der Drina her sich den Zugang nach Kruschewatz erzwingen würden, hatte man längs der Drina zahlreiche
Redouten
aufgeworfen,
die
Festung Schabatz in Vertheidigungszustand gesetzt und mit tiefen Gräben umgeben.
Das Hauptquartier der Drina-Armee wurde von Bandovinci nach Prnjavor verlegt, um dem am meisten bedrohten linken Flügel am nächsten zu sein. Der Drina-Armee gegenüber hatten die Türken Verstärkungen erhalten und versuchten von hier aus gegen Schabatz und Belgrad zu operiren. Am 13. October benutzten 4 Bataillone Nizams den dichten Nebel, um über den Fluss zu setzen, und gingen gegen Los nitza vor.
Nach einem kurzen lebhaften Gefechte gelang
es
dem
Obersten Oreskowitsch, welcher den Obersten Uzum Mirkowitsch ersetzt hatte, die Türken wieder über die Drina zurückzuwerfen. Dass die Letzteren aber auch hier energisch zur Offensive schreiten wollten, bewies die Verstärkung ihrer dortigen Truppen . Die Avant garde, bestehend aus 2 Bataillonen Nizams, 2 Regimentern Serajever und Tusler Baschi-Bozuks , einer Escadron Cavallerie und einer halben Batterie, commandirte Riza Pascha, das Commando des rechten Flügels wurde Ismet Pascha
übergeben ; derselbe
hatte
zur Ver
fügung 8 Bataillone Nizams, 4 Regimenter Baschi-Bozuks, eine Feld und eine Gebirgs- Batterie. fehle des Miralai Akif Bey ;
Der linke Flügel stand unter dem Be die Stärke dieser Abtheilung
betrug
5 Bataillone regulairer Infanterie , 4 Regimenter Zworniker Baschi Bozuks und 3 Escadronen Cavallerie .
Die Gesammtstärke der Tür
kischen Drina- Armee war etwa 18,000
Mann .
Klein- Zwornick war
schon seit einiger Zeit in die Hände der Türken übergegangen und diese suchten nun offensiv vorzugehen. Am Timok wurde jede Offensive der Türken durch die ungemein starken Abcommandirungen von Truppenkörpern vereitelt.
Doch auch
die Serben waren zu schwach, ernstliche Schritte zu thun, sich wieder in den Besitz von Saitschar zu setzen.
Die Stellungen der beiden
Gegner war zu Anfang Octobers noch dieselbe wie zu Beginn der Waffenruhe und es hatten nur ganz unbedeutende Gefechte, hervor gerufen durch Recognoscirungen, stattgefunden.
Da es aber im In
teresse Abdul Kerim Pascha's lag, wenn er im Morawa-Thale einen
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov. Hauptstosz
gegen Tschernajeff
ausführen
wollte ,
45
seinen Gegner
dort zu schwächen, so erhielt Osman Pascha den Befehl, am Timok zur Offensive überzugehen.
Dieser verfügte im Verbältnisse zu der
Serbischen Timok-Armee nur über sehr wenige Truppen und es war ein Angriff seinerseits noch dadurch erschwert, dass sich die Serben im äuszereten Süd- Osten des Landes in Besitz des Passes von Sveti Nicoleja gesetzt hatten, wodurch eventuell seine Rückzugslinie be droht wurde. So ungünstige Auspicien für eine Türkische Offensive auch vorhanden waren, so
wusste Osman Pacha diese
doch
sehr
geschickt ins Werk zu setzen . Er gab sich am 12. und 13. October den Anschein, als wolle er einen Theil seiner Truppen südwärts
gegen Belgradschick dirigiren , um die Serben aus dem eben ge nannten Passe zu verjagen . Am 23. October Abends änderte er plötzlich seine Direction und die Türken warfen sich unerwartet auf die Ortschaft Lubnica , eine halbe Stunde südwestlich Saitschar's . Ohne viele Mühe setzten sie sich in Besitz des Ortes und befestigten denselben während der Nacht. seiner Verwundung
Der Oberst Leschjanin, welcher, von
genesen, mittlerweile
wieder das Commando
der Timok-Armee übernommen hatte, erkannte in der Bewegung der Türken die Absicht, sich des Lukovo- Passes zu bemächtigen. Am 14.
October trat auch diese Absicht klar zu Tage, indem Osman
Pascha es versuchte, in den Rücken der Serbischen Stellung von Boljevac zu gelangen. Die Schanzen bei Boljevac sind die ersten im Thale des Crni Timok ; hinter ihnen liegen die von Lukovo, dann die von Krinivir und endlich die von Klacevica. Waren diese vierfachen Verschanzungen in den Händen Osman's, so stand ihm der Vormarsch auf Paracin frei. Leschjanin lieszeiligst die Schanzen bei
Boljevac um
zwei ver
mehren, zog alle in der Nähe befindlichen Truppen heran, so dass er auf zwei Brigaden kam, und bereitete sich auf eine Vertheidigung der Pässe vor.
hartnäckige
Das specielle Commando über die
Truppen , welche den Engpass von Lukovo verheidigen sollten, wurde Dieser griff
dem Russischen Obersten Medwedowsky übertragen.
am 17. October Osman Pascha an, jedoch ohne einen Erfolg erzielen zu können . In der Nacht vom 17. auf den 18. October hatten die Serben auch die wenigen gewonnenen Positionen verlassen und es war Medwedowsky nach Planicica, Graf Keller, Commandeur einer Brigade, mit dieser nach Kopito und Oeloje zurückgekehrt .
Osman
Pascha wandte sich mit seiner Hauptmacht gegen Letzteren und es kam bei Kopito zu einem erbitterten Kampfe. Serben zurück zu weichen ,
als
Schon begannen die
der Oberst- Lieutenant Ostoics
mit
46
Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
einer Brigade den Türken in
den Rücken kam , worauf diese
um
kehrten und ihre am 16. October eingenommenen Positionen wieder einnahmen . Auf keiner Seite hatte man trotz der groszen Verluste irgend einen Vortheil gewonnen . Am 23. October gelang es den vereinigten Brigaden des Obersten Medwedowsky und des Grafen Keller, von Planicica aus die Türken aus den Stellungen bei Lubnica zu delogirer .
Saitschar verblieb
aber noch in den Händen
Osman
Pascha's. Zwischen den Insurgenten Bosniens und den Türken konnte von einer Waffenrube selbstverständlich nicht die Rede sein . Am 15. September war es zu einem bedeutenden Zusammenstosze ge kommen. In dem volkreichen Dorfe Penlija stand unter der Füh rung des Stefanowitz eine Insurgenten-Abtheilung, welche die Auf gabe hatte, eine Recrutirung in der Umgegend vorzunehmen und demnächst nach Livno zu marschiren . Da in der Umgegend kein Türkisches Militair stand, batte man keine besonderen Vorsichtsmaaszre geln getroffen. Plötzlich wurde gemeldet, dass eine sebr beträchtliche Türkische Streitmacht im Anzuge sei . Stefanowitz schickte sofort einen Boten an den Obersten Despotowich um Hülfe ab und zog am 15. September Morgens dem Feinde entgegen . Bei dem Dorfe Drelez kam es Mittags gegen 2 Uhr zum Zusammenstosze . wurden bald in die Flucht geschlagen .
Die Insurgenten
Plötzlich aber erschien der
Oberst Despotowich im Rücken der siegreichen Türken und griff sie ungestüm an , worauf diese, überrascht und erschrocken, nun ihrer seits geschlagen wurden.
Die Insurgenten marschirten hierauf nach
Penlija zurück . Zwei Tage später, am 17. September, machte sich eine aus 300 Baschi - Bozuks bestehende Türkische Abtheilung einer ernsten Grenz verletzung Oesterreichischen Gebietes
schuldig, indem
dieselbe an
diesem Tage bei Govnisani die Dalmatinische Grenze überschritt und das Oesterreichische Dorf Drenovac, welches eine halbe Stunde jen seits der Grenze mitten im Gebirge liegt, überfielen, alles Vieh fort Sie verlieszen führten und auf die fliehenden Einwohner feuerten. erst den Ort und gingen über die Grenze zurück, als von Knin her eine Compagnie K. K. Militairs gegen sie anrückte . Oberst Despotowich, welcher gegen Livno operiren wollte,
än
derte seinen Plan und zog nach Norden gegen die Türkische Stadt Kljuc.
Am 30. September griff er die Stadt, die gar keine militai rische Besatzung hatte, an . Die Bürger bewaffneten sich so gut wie
möglich , und versuchten den Sturm
der Insurgenten abzuschlagen.
Gegen Abend aber gelang es diesen dennoch, Herren der Stadt zu
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov.
47
Sie wurde geplündert und demnächst in Brand gesteckt. Despotowich erbeutete ungefähr 600 Gewebre, viele Munition und 120 Pferde. Der Verlust auf beiden Seiten war ziemlich gleich grosz . werden .
Unter den Gefallenen befand sich auch der erst vor kurzer Zeit nach Bosnien gekommene Adjutant des Russischen Tbronfolgers, Milanowitc, welcher hier die Stelle eines Bataillons- Commandeurs bekleidete .. Von Kljuc aus unternahm Despotowich einen Zug bis unmittelbar vor die Thore Banjaluka's, versuchte aber nicht, die Stadt anzugreifen. Er begab sich nun weiter nach Süden , umging die Stadt Livno und Von hier aus be schlug in der Nähe derselben sein Lager auf. mühte er sich, die Bewohner Bosniens zu insurgiren , was ihm auch . theilweise gelang , und die Einwohner Livno's befürchteten, voll ständig isolirt zu werden , was sie veranlasste, am 5. October unter Befehl Omer Bey's mit 3500 Mann gegen Despotowich vorzurücken. Omer Bey theilte seine Macht in zwei Theile, der eine marschirte eine östliche , der andere eine mehr westliche Strasze, welche sich aber beide wieder in der Nähe des Insurgentenlagers vereinigten. Gegen Mittag entwickelte sich ein Feuergefecht, welches den Türken vielen Schaden that, wohingegen die Insurgenten, da sie aus vorzüg lichen Deckungen feuerten , wenig Verluste erlitten .
Gegen Abend
gelang es aber doch den beiden Türkischen Abtheilungen, sich beim Dorfe Rusko - Polje *) zu vereinigen . Am 6. October gingen die In surgenten zur Offensive über, doch konnten sie sich nicht in Besitz des Ortes setzen .
Tages darauf erneuerte sich der Kampf, die Insur
genten warfen gegen Mittag die Türken aus dem Dorfe und zwangep sie zum Rückzuge . Am 8. October kam Omer Bey wieder in Livno an, nachdem er ungefähr 400 Mann
eingebüszt hatte .
Die
Insur
genten eroberten in dieser Zeit auch noch eine kleine Kula im Süden von Livno. Die Bosnische Insurrection wird durch den Obersten Despotowich wie
durch die
übrigen Führer
zur Zeit noch
am Leben
Die Stellungen, welche die einzelnen Bandeu im
erhalten.
Beginne des
Oc
tobers einnahmen, waren ungefähr folgende: Oberst Despotowich mit etwa 3000 Mann zwischen Kulen - Vakup und Livno ; Petrowich bei Kljuc, Alexander Jaksitz mit 800 Mann bei Glamos ; Amelitza mit 600 Mann im Gremec - Gebirge bis Stari Maidan ; Pope Davido
*) Die Ortschaft Rusko - Polje liegt im Mittelpunkte einer sehr kleinen Hochebene, oder eigentlich einer trichterförmigen Vertiefung , die von einem Kranze hoher Waldberge umgeben ist.
48
Die Unruhen auf der Balkan -Halbinsel vom Abschlusse
wich und Djenadia im Kozova -Gebirge bis Pjredor; endlich Arnau tovicz mit mit 500 Mann im Vuccia-Gebirge bis Drboy . Auf dem Montenegrinischen Kriegsschauplatze hatten die Türken auch die von Seiten der Montenegriner respectirte Waffenrube dazu benutzt , um in Trebinje, Bilek und Klobuk massenhafte Lebens mittel anzusammeln . Der Fürst Nikita hatte einen Theil seiner Leute in die Heimath beurlaubt, jedoch mit dem bestimmten Befehle, bis Mitternacht des 24. Septembers wieder bei ibren Bataillonen treffen.
einzu
Dass die Waffenruhe aber auch hier nur eine illusorische war, zeigte die Besetzung einiger vorgeschobenen Positionen auf Monte negrinischem Boden während derselben durch Achmed Mouktbar Pascha. Nichtsdestoweniger wurde officiell die Waffenruhe bis zum 2. October und dann auf unbestimmte Zeit verlängert.
Noch
am 1. October hatte Achmed Mouktbar eine Verstärkung von 600 Arnauten über Trebinje erhalten . Verbindung mit diesem Orte
Am 5. October wurde aber seine
durch die Insurgenten
unterbrochen .
Achmed Moukthar Pascha, dem die Einschlieszung immer gefähr licher zu werden drohte , brach die vereinbarte Waffenruhe und es kam südlich des Weges von Trebinje nach Grabowo, bei Bojanobrdo zu einem Treffen , in welchem die Türken zurückgeworfen wurden . Das Gefecht,
welches am
6. October
vorwiegend ein
Artillerie
kampf war, wurde am 7. October mit groszer Erbitterung fortge führt und der rechte Flügel der Montenegriner von Achmed Mouk thar Pascha heftig angegriffen, der Angriff aber abgeschlagen. Die Türken zogen sich auf Klobuk zurück. Ihr Verlust betrug etwa 1500 Todte und Verwundete, während die Montenegriner deren nur circa 200 hatten. Der Bruch
der Waffenruhe wurde von den Türken damit be
gründet, dass die Insurgenten die Telegraphen- Linien zerstört hätten. Peko Pawlowich zog alle detachirten Insurgenten-Abtheilungen an sich und ein Theil der Montenegriner unter Commando des Woj woden Dakovic überschritt die Trebincia und bedrohte die Rückzugs linie Achmed Moukthar Pascha's. Am 13. October begann Peko Pawlowich mit den gesammelten Insurgenten die Belagerung Bilek's. Sachir Pascha zog ihm von Trebinje aus mit 5 Bataillonen entgegen, schlug die Insurgenten und entsetzte den Ort. Derwisch Pascha ging am E. October gegen die Südgrenze Montenegro's vor. Am 9. October wurde bei Spuz gekämpft und am 10. October setzte er seinen Marsch gegen Danilowgrad weiter
1
der Waffenruhe am 15. Sept. bis zum Waffenstillstande am 1. Nov.
49
fort. Er wurde in seinem Vorrücken durch vier Montenegrinische Bataillone unter dem Wojwoden Radonic in seiner linken Flanke angegriffen. Zugleich hielt ihn in der Front der Tages vorher ge schlagene Wojwode Plamenac mit 3 Bataillonen auf. Zu derselben Zeit aber ging der Wojwode Piletic über die Zeta mit 2 Bataillonen und griff Derwisch Pascha im Rücken an.
Letzterer sah sich daher
genöthigt, auf die Visocica - Höhen zurückzugehen, um
so mehr, da
der Wojwode Marko Miljanco mit 5 Bataillonen vom Kucci-Gebiete her Podgoritza bedrohte . Der Verlust der Türken war bedeutend ,. Am 14. October unternahm Derwisch Pascha mit 34/2 Bataillo nen Infanterie, 500 Zeibeks und einer Batterie einen Zug gegen Er bemächtigte sich des Oertchens und wurde
Novoselo (Yeni - Koi ) .
dasselbe demnächst den Flammen preisgegeben . Todten
und Verwundeten , welchen
Der
Verlust an
die Montenegriner an diesem
Tage hatten , mochte ungefähr 400 Mann sein .
Novoselo, am Abhange
eines Berges gelegen, war für den Besitzer von groszer Wichtigkeit, weil man von hier aus das Zeta- Thal unter sehr wirksames Feuer nehmen konnte.
Derwisch Pascha blieb aber nicht lange im Besitze
der Ruinen und wurde von den Montenegrinern wieder auf Podgo Waren bei den mebrfachen Versuchen der
ritza zurückgeworfen.
Türken , Novoselo zu nehmen und zu behaupten, in den Reiben der Montenegriner auch bedeutende Lücken gerissen , so war der Verlust Unter den Todten befanden der Türken doch ein viel gröszerer. sich anch Djelladin und Abdi Pascha. Die Lage Derwisch Pascha's wurde noch verschlimmert durch den Fall Medun's .
Diese kleine Türkische Festung
war, als die
Waffenruhe verlängert wurde, durch Vermittelung der Montenegriner nur auf 14 Tage verproviantirt worden . Da die Besatzung, rings von Montenegrinern und Kuccianern umgeben, nicht einmal die Hoff nung hatte, sich zu der Türkischen Armee durchschlagen zu können , der Proviant aber vollständig aufgezehrt und auch kein Ersatz zu erwarten war, wurde am 19. October Mittags die Festung dem Feinde übergeben. Der Fall Medun's wirkte sehr deprimirend auf die Türkische Armee .
Für die Montenegriner war die Erbeutung der
Geschütze
und Munition von gröszter Wichtigkeit. Derwisch Pascha zog seine Truppen ganz von der Montenegrinischen Grenze zurück und con centrirte sich bei Podgoritza. Auch der Fall von Niksitz schien bevorzustehen . Die Montene griner, welche diesen Ort bis dahin nur eingeschlossen hatten, ohne ihn wegen Mangels an Geschützen beschieszen zu können , waren Jahrbücher f. d , Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 4
Die Unruhen auf der Balkan-Halbinsel etc.
50
hierzu durch die Einnahme Medun's in Stand gesetzt. Einen Theil der hier erbeuteten Kanonen hatten sie auch vor Podgoritza gebracht und am 30. October begannen schieszen. Achmed Moukthar Pascha
sie
die Festung und Stadt zu be
hatte wiederum Verstärkungen er
halten, durch welche er in den Stand gesetzt werden sollte, seine ungünstige Stellung zwischen Pudol und Zaslap zu verlassen . Jeden falls schien ein Zug seinerseits in die Herzegowina geboten, weil hier eine Insurgenten- Bande unter dem Popen Bogdan die Gegend um Ljubinje und Trebinje vollständig verwüstete und die Viehheerden forttrieb. — Die Situation der verschiedenen Armeen an der Drina, Javor Grenze und Timok ist mit nur ganz geringen Veränderungen die selbe geblieben, wie zur Zeit der ersten Waffenruhe. Die Expedition Novoselo's hatte eben so wenig Erfolg , wie die Offensivbewegung der Türkischen Drina- und Timok-Armee. Auch Montenegro's Stellungen waren im Groszen und Ganzen dieselben.
Medun wurde vollständig zerstört, die Belagerung Pod
goritza's aber bei Verkündigung des Waffenstillstandes aufgehoben. Nur die Stellungen im Morawa-Thale waren für die Türken bedeutend besser geworden. Djunis war in den Händen der Osmanischen Truppen und damit stand dem ungehinderten Marsche auf Krusche watz, welches nur mit den sehen war, nichts im Wege.
primitivsten Vertheidigungswerken ver Alexinatz war eingenommen und die
Einnahme der Deligrader Stellungen war wohl nur eine Frage der Zeit. Das Heer Tschernajeff's befand sich in vollständigster Auf lösung.
Serbiens Niederlage würde eine vollständige sein, wenn
nicht dem siegreichen Vordringen der Türkischen Armee durch das Einschreiten Russlands ein Halt geboten worden.
IV. Zum
Englischen Mobilisirungsversuch . (Nachtrag.)
Die im December-Heft 1876 der Jahrbücher veröffentlichte Schil derung des Englischen Mobilmachungs - Versuchs wurde unmittelbar nach Beendigung desselben geschrieben ; inzwischen sind in England
51
Zum Englischen Mobilisirungsversuch .
viele Stimmen laut geworden , welche die zu Tage getretenen Mängel einer Kritik unterzogen .
Wie nicht anders zu erwarten stand, ver
urtheilt die unbefangene Kritik das gegenwärtige System auf das strengste. Es wurde bereits darauf hingewiesen , dass der einzige Nutzen der Mobilisation des II . und V. Armee-Corps darin bestand , dem Lande klar und offen die zahllosen Schäden , ja die für moderne Anforderungen unbaltbare Verfassung der Englischen Heeresorgani sation vor Augen zu führen.
Es scheint dass dies in der That der
Hauptzweck des Kriegsministeriums gewesen
ist. Man wird kaum irre geben, wenn man einen im September in der Times erschienenen Aufsatz einer dem Ministerium nahe stehenden Feder zuschreibt.
Nach mancherlei Aeuszerungen in den verschiedensten Blättern, die alle nur eine absprechende Kritik enthalten , ohne eigene Vorschläge zu bringen,
enthält
dieser
tive Vorschläge über
sehr
klare
die Frage :
und
gediegene Aufsatz
wie in
rationellster Weise
posi die
Englischen Streitkräfte den eigenthümlichen Verhältnissen Grosz brittanniens entsprechend zu organisiren sind . Der Verfasser bemerkt von vorne herein, dass keinem Organi sationsplan irgend welcher Werth beizumessen sei , der
nicht
die
Vertheidigung der Colonieen mit in Betracht zieht . Abgeseheu von dem sonstigen Werthe Indiens für England bedürfe die Englische Flotte, um ihre Herrschaft auf dem Meere zu behaupten, der sicheren Häfen in den verschiedenen Colonieen, wo sie Koblen und Proviant einnehmen kann ; an eine Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sei garnicht zu denken und die stricte Localisation der Regimenter würde einen Neubau von Casernen bis zum Werthe von 12 Millionen L. St. erfordern .
Die Vorschläge des Verfassers basiren also durch
aus auf realen Verhältnissen und gewinnen dadurch eine entschiedene Bedeutung ; sie gehen davon aus, dass England eine binnen kürzester Zeit kriegsbereite, auswärts zu verwendende Truppenmacht besitzen müsse und dass die nur zur Landesvertheidigung bestimmten Kräfte ebenfalls in bestimmte organische Formen zu bringen seien . Zur Verftigung stehen
auszer den
im
Inlande
befindlichen
regulären
Truppen die Milizen und Volunteers, zusammen etwa 225,000 Com battanten zählend . Verfasser glaubt, dass der Werth der Volunteers oder Garnison-Artillerie jetzt eben so unterschätzt überschätzt worden sei, giebt aber zu , dass sie früher werde, wie er
als Infanterie
keinenfalls im Stande sind eine geeignete Feld - Artillerie aufzustellen, dass daher der Bedarf an Feld - Batterien , der vorhandenen Infanterie entsprechend, durch besondere Organisation der Feld - Artillerie schon im Frieden zu sichern sei .
4*
52
Zum Englischen Mobilisirungsversuch .
Den Gesetzen Englands entsprechend können zum Dienste im Auslande nur die regulären Truppen verwendet werden ; wenn nicht eine Vermehrung
derselben
eintritt , können
nur
höchstens zwei
Armee-Corps von der in der Army -list vorgesehenen Organisation zur Verwendung im Auslande disponirt werden, da einige reguläre Truppen als Beispiel für Miliz und Volunteers und zur Verwendung in besonderen Fällen im Inlande zurückbleiben müssen . Diese beiden , ausschlieszlich aus regulären Truppen bestehenden Corps erster Linie sollen nun betreffenden Falles innerhalb 14 Tagen völlig complett und marschbereit sein ; zu dem Zweck sind alle Vor bereitungen für Füllung der Cadres mit Reservisten
I. Classe *) zu
treffen, die Vorräthe, Waffen und Fahrzeuge an den Concentrations punkten bereit zn halten, die Bescbaffung der fehlenden Pferde fest zustellen , die
Einschiffungspunkte vorher zu
bestimmen
und
die
Arrangements für die Einschiffung im Frieden vorzubereiten. Das mit seinem Gros in Aldershot befindliche Corps bält der Verfasser für das
geeignetste
zur
sofortigen
Verwendung,
er
schlägt daher vor : dieses Corps als das „ I. Armee - Corps “ zu be zeichnen und Aldershot als Friedensstandort für zwei
complette Di
visionen des Corps und die Artillerie desselben zu bestimmen, die vollständige Ausrüstung dieser Truppen dort zu deponiren und den Commandeur für die stete Kriegsbereitschaft verantwortlich zu machen . Als dritte Division soll dann eine aus einer Garde-Brigade und der zu Chatham Disision binzutreten .
garnisonirenden Infanterie- Brigade combinirte Die Artillerie dieses I. Corps soll auch im
Frieden in voller Kriegsstärke vorhanden sein , die Munitions-Colonnen bereitgestellt werden, jedoch ohne im Frieden den vollen Kriegsetat an Pferden zu besitzen . Als Hauptquartier des „ Il . Armee - Corps “ bezeichnet ; Equipirungen , Waffen, Fahrzeuge
wird Colchester
dieses Armee - Corps
sind ebenfalls dort zu magaziniren, jedoch würden weder die Ba taillone noch die Batterien stets in voller Kriegsstärke zu halten sein, da das Corps erst in zweiter Linie
zur Einschiffung kommen
*) Die Gesammtstärke der Armee-Reserve I. Classe betrug am 1. Juli 1876 nach einer Ende October veröffentlichten Angabe : 5864 Köpfe; von dieser Zahl waren 204 dienstunfähig und zwar 81 total, 123 temporär. Bei der Mobil machung des II. und V. Corps erschienen 212 Mann der Einberufenen nicht; von dieser Zahl „ glaubt man“ haben 165 das Land verlassen, während 47 sich noch zu verantworten haben. (Times 31. Oct. 1876.) Die Stärke der ebenfalls auszer Landes verwendbaren Miliz- Reserve be trägt etwa 27,000 Mann.
53
Zum Englischen Mobilisirungsversuch. soll .
Die Mobilmachungsvorarbeiten müssten aber so getroffen sein ,
dass das Corps sein kann . Während
nach Verlauf von
das
I. Corps
seinen
14 Tagen völlig
marschbereit
vollen Bedarf an
Ingenieuren
immer complett halten soll , wird es für genügend gehalten , wenn bei dem II , Corps nur die Divisionsingenieure stets vorhanden sind . Für den Fall einer Einschiffung auch dieses Corps wiirden die Corps anderen im Inlande verbliebenen Corps ent nommen werden , welche letztere Corps wiederum ihren Bedarf durch freiwillige Ingenieure decken könnten . Für die Munitions- Colonnen
Ingenieure etc. von
sollen bei dem II. Corps , abgesehen von Fahrzeugen und Geschirren , kleine Stämme von Offizieren und Mannschaften im Frieden vor banden sein . In zweiter Linie , hinter diesen beiden für In- und Ausland sofort * ) verwendbaren Corps, sollen nun 2 völlig aus Milizen zusammengesetzte Corps stehen , welche ebenfalls in verbältniss mäszig kurzer Zeit mobilisirt werden können ; diese beiden Corps zweiter Linie sollen den vollen Bedarf an Artillerie schon im Frieden besitzen (und zwar mit voller Geschützzahl ) und mindestens auch die Divisions-Munitions - Colonnen fertig gestellt haben, während für die Artillerie der letzten vier Armee - Corps , die aus den resti renden Milizen und Volunteers zu bestehen hätten, die Anwendung des
Princips
der schwachen Friedens - Cadres
vorgeschlagen
wird,
nur 4 bespannnte Geschütze und
1-2
Munitionswagen stark sein soll ; auszerdem sollen nach dem
Vor
indem die Friedensbatterie
schlage für die letzten 4 Corps nur die Divisions-Batterien und Di visions- Munitions - Colonnen in reducirter Stärke bestehen . Nach dem vorstehenden Organisationsplan , welcher also an die in der Army-list verzeichneten 8 Armee- Corps anknüpft, würden einer ev. Invasion in erster Linie 4 Corps ( 2 Corps regulärer Truppen ,
2 Corps Milizen )
entgegentreten , während in
zweiter
Linie 4 aus Milizen und Volunteers formirte Corps ständen : Ferner empfiehlt der Verfasser einerseits die principielle
Tren
nung des Commandos über den Territorialdistrict des Armee- Corps , welches permanent sein muss, von dem Commando über das mobile Armee-Corps.
Er empfiehlt in dieser Beziehung die Annahme
des
Französischen Systems der Territorial- Eintheilung (Irrland ?) , also die Bildung eben so vieler Territorial- Districte wie Armee- Corps.
Ent
sprechend dem Princip der Decentralisation, welches in dem ganzen
*) Das 1. Corps sofort, das 2. innerhalb 14 Tagen.
54
Zum Englischen Mobilisirungsversuch.
Plane vertreten ist, sollen alle Vorräthe an Waffen, Montirungsstücken, Kriegsfahrzeugen etc., welche zur Completirung des Corps erforder lich sind, innerhalb des Territorialbezirks aufbewahrt werden und unter der Oberaufsicht des Territorial-Districts - Commandeurs stehen, welcher auch sämmtliche speciellen Mobilmachungsvorarbeiten zu Im Falle eines Krieges vollzieht sich die Mobilmaching unter der Leitung des Districts - Commandeurs ; der -Corps des Armee Commandeur des mobilen Armee -Corps übernimmt das Commando Unter dem Com erst nachdem die Mobilmachung vollendet ist.
leiten hat.
mando des Districts - Commandeurs verbleiben die Festungs -Garni sonen und die Depots ; er hat ferner für die Ausbildung der Ersatz Mannschaften zu sorgen und die Küstenvertheidigung, sowie die Falls der Districts Signalstationen des Districts zu überwachen . Commandeur auch zum Commandeur des mobilen Armee- Corps er nannt wird , ist sofort ein anderer Districts-Commandeur zu ernennen. Eisenbahnen und Telegraphen-Linien sollen unter der Leitung Districts - Commandeurs
des
und der localen Behörden gestellt werden .
Eine derartige Organisation der Streitkräfte, vermöge deren also England über zwei stets in kürzester Frist
marschbereite Armee
Corps und sechs in ihren Cadres vorhandene Corps verfügen würde, würde dem Staate nach
ungefährer Schätzung des Verfassers
nur
eine Mehrausgabe von 200,000 L. St. jährlich verursachen. Wenn
man den Grundgedanken
der vorerwähnten
Reorgani
sations-Vorschläge, nämlich : Durchsichtigkeit der ganzen Organitation, Einführung der Corps -Territorial- Districte, Decentralisation in Bezug auf Deponirung der Kriegsbedürfnisse und Reorganisation der Artil lerie entsprechend der Organisation der Corps, durchaus nur bei pflichten kann, so geht Verfasser doch wobl etwas zu weit, wenn er sich besonderen Nutzen von dem Experiment
verspricht:
eine
mobile Division irgendwo zu verladen, sie zwei oder drei Tage auf der See zu lassen und dann irgendwo auszuschiffen.
Die Uebung
im Ein- und Ausschiffen kann natürlich sehr nützlich sein, die See reise kann man aber wohl unbedenklich unterlassen . In einem weiteren Artikel bespricht derselbe Verfasser zunächst die Vertheidigung der Colonieen ; er nimmt dabei den Fall an , dass England durch eine Coalition mehrerer Groszmächte in die Lage gesetzt wäre, gleichzeitig das Mutterland und die Colonieen zu ver theidigen und spricht die gewiss berechtigte Ansicht aus, dass die Colonieen selbst in der Lage sein müssen, eine Zeitlang einem feindlichen Angriffe mit Erfolg lande Unterstützung erfolgen
zu widerstehen,
kann .
Nach
dem
bis
vom Mutter
durchaus
richti
55
Zum Englischen Mobilisirungsversuch.
gen' Grundsatze, dass derjenige, welcher gleichzeitig Alles schützen will, Nichts schützt, verwirft der Verfasser den Gedanken von vorne herein : die an sich geringen Streitkräfte auf die verschiedenen Co lonieen zu zersplittern . so muss
sie auf Grund
Wenn daher eine Colonie angegriffen wird, vorhandener
fortificatorischer Anlagen in
der Lage sein , sich eine Zeitlang selbst zu vertheidigen, bis vom Hauptlande Unterstützung, resp . Entsatz erfolgen kann. Die augenblickliche Colonialpolitik England's geht dahin : die Colonieen zu gröszeren Gruppen zu vereinigen , um somit auch, gesehen
von den Handelsvortheilen, welche
aus
ab
einer derartigen
Vereinigung erwachsen, für den Kriegsfall eine stärkere militairische Einheit herzustellen .
Am nächsten liegt für England natürlich eine
Sicherung des Seeweges nach Indien ; auf demselben liegen 2 Grup pen von Colonieen , deren Sicherung von der gröszten Bedeutung ist : die Mittelmeergruppe Gibraltar-Malta und die Gruppe Perim - Aden Ceylon ; Verfasser bält nun einen Angriff auf Malta oder Gibraltar unter den gegebenen Voraussetzungen für durchaus nicht unwahr scheinlich und hebt hervor, dass in dem Mobilmachungsplan eine Verstärkung der Garnisonen durch regulaire Truppen nicht vorge sehen sei, dass dieselbe vermuthlich durch freiwillige Milizen *) erfolgen musste,
während aber
eine Verstärkung durch
Truppen, speciell Artillerie, durchaus wünschenswerth sei.
regulaire Die übri
gen Colonieen will Verfasser in folgende Gruppen zusammenfassen : Chinesische- Australische- Cap- Westafrikanische- Westindische- und Canadische- Gruppe.
Alle diese Gruppen müssten nach seiner Au
sicht eine militairische Organisation und einen gung berechneten Mobilmachungsplan erhalten.
auf Selbstvertheidi Australien
verfügt
schon über eine recht respectable Armee und würde , wenn auch mit einigen pecuniären Opfern, sehr wohl in der Lage sein, sich eine Zeitlang selbst zu vertheidigen ; West- Afrika wird nach Ansicht des Verfassers an Bedeutung gewinnen .
England würde die Verpflich
tung obliegen, den Seehandel der Colonieen zu schützen, während diese sich dagegen verpflichten, die Häfen offen zu halten. Da bei Weitem der
gröszte Theil
der Koblenlager der Welt im Besitze
Englands ist, glaubt Verfasser und gewiss mit Recht ,**) dass England im Stande sein würde, die
übrigen Häfen, aus denen Kohlen
ex
portirt werden abzuschlieszen, und so die Dampfschiffe des Feindes
*) 10 Miliz-Bataillone sind verpflichtet auf den Mittelmeerbesitzungen zu dienen . ** ) d. b . für die auszereuropäischen Gewässer.
56
Zum Englischen Mobilisirungsversuch .
lahm zu legen .
England sei daher bei
einer guten
militairischen
Organisation des Mutterlandes und der Colonieen und bei aufrich tiger Sympathie der letzteren in defensivem Sinne unbe sieglich, während es zur Durchführung einer erfolgreichen Offensive natürlich der Hülfe einer Continentalmacht bedürfe. Zum Schlusse kommt der Verfasser nochmals
auf die Organi
sationsverhältnisse der Armee des Mutterlandes zurück und spricht den gewiss sehr praktischen Gedanken aus, dass das unter den Divisional troops “ im Mobilmachungs - Schema verzeichnete Bataillon bei den aus Milizen und Volunteers bestehenden Armee - Corps der regulairen Infanterie entnommen werden solle ; dieses Bataillon fun girt dann
als
eine Art Elite
bei den
bezüglichen Divisionen
und
dient den weniger tüchtigen Milizen und Volunteers als gutes Bei spiel. Im Falle die auswärts verwandten Armee -Corps eines Nach schubs
bedürfen ,
würden
sehr leicht zu
diese Bataillone
einem
gröszeren Ganzen vereinigt werden können , ohne die Organisation der übrigen Corps empfindlich zu berühren, wie es jetzt
der Fall
sein würde, wo die regulairen Truppen Brigadeweise an die Corps vertheilt sind . Endlich wird kurz angedeutet, dass eine andere Organisation des Generalstabes durchaus erforderlich sei , da das von dem Lord Cardwell ins Leben gerufene Intelligence-Büreau nicht den Anforde rungen genüge ; es wird in dieser Beziehung auf die Erfahrungen Oesterreichs im Jahre 1866 bingewiesen, ebenso wie bezüglich des Eisenbahnwesens auf die Erfahrungen! Frankreichs 1870. Der Ver fasser schlägt vor,
der Intelligence Branch eine Eisenbahn - Abthei
lung zuzufügen, welche nach dem Muster des Frankreich eingeführten , nach Deutschem und Muster gebildeten Systems einzurichten sei. sechs grosze Eisenbahnsysteme ,
deren
augenblicklich in Oesterreichischem
In Frankreich bestehen
jedes
von einem
höheren
Offizier in Verbindung mit den Civil - Linien-Behörden beaufsichtigt wird ; über dem Ganzen steht das oberste Eisenbahn - Commitée, bestehend aus zwei Divisions - Generalen als Präsident und Vice präsident, ferner vier Civilisten , deren zwei Directoren groszer Linien sind, einem Oberst des Generalstabes, einem Oberst der Ingenieure , einem Oberst der Intendanz, einem Marine- uud einem Artillerie -Offizier ; ent sprechend ist die Gliederung aller unteren Eisenbahn - Abtheilungen. Eine derartige Organisation des Eisenbahnwesens wird auch für England empfohlen. Der Schluss des sehr sachgemäszen und interessanten Aufsatzes
Zum Englischen Mobilisirungsversuch.
57
lässt mit ziemlicher Sicherheit auf den oben angedeuteten Ursprung und Zweck desselben schlieszen ; der Verfasser sagt wörtlich : Es ist Sache des Kriegsministers ,
des
Parlaments
und der
Nation zu sagen , ob sie durch eine sehr geringe Erhöhung des Bud gets eine zweckmäszig zusammengesetzte und in jeder Beziehung für den Dienst fertige Armee haben wollen, oder ob sie fortfahren wollen viele Millionen jährlich für eine Armee zu zahlen, welche, obgleich von dem besten Geiste beseelt, niemals für den Krieg vor bereitet sein wird, wenn sie dazu berufen wird . Wir glauben , dass es nur eine Antwort auf diese Frage giebt.
Wenn das Land sich
misstrauisch gezeigt hat in Bezug auf die Ausgaben für Armee und Marine, so hatte dieses seinen Grund darin , dass es niemals wusste , welche Waare es für sein Geld erhielt. Dieser Vorwurf, der gegen unser militairisches System geltend gemacht werden kann, ist nie mals aufgehoben worden . Fall liegt.
Jeder Geschäftsmann kann sehen wie der
Es ist nicht geschäftsmäszig, es ist einer praktischen
Nation unwürdig , unsere militairischen Verhältnisse in einem Zu stande der Desorganisation zu belassen , in welchem sie sich jetzt befinden. Aus dem was wir erfahren haben, scheint hervorzugehen , dass die maaszgebenden Persönlichkeiten im Kriegsministerium und in den Horse Guards bezüglich dieser Frage einig sind, sonst wäre es unmöglich zu verstehen, wesshalb unsere militairischen Mängel in der Army-list klar dargelegt worden sind . Die endliche Entscheidung liegt in der Hand der Nation .“ *)
V.
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee. Die Russische Armee,
welche seit 20 Jahren in keinem regel
rechten Kriege aufgetreten ist und seit jener Zeit eine durchgreifende Wandlung wohl auf allen Gebieten des Kriegswesens in der Or ganisation, Formation, Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung durchgemacht hat, ist, wie es den Anschein hat, im Begriffe, dem
*) Berichtigung : Band XXI, Heft 3, Seite 322, Zeile & von unten lies „22 “ und „ 12“ . Seite 342 „resp. Cantonnements “ zu streichen .
58
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee .
nächst eine Probe ihrer in langer, eifrig benutzten Friedenszeit ge schaffenen Kriegstüchtigkeit abzulegen . Gewäbrte schon bisher die Russische Armee in ihrem rastlosen Vorwärtsstreben, in ihrer gewaltig fortschreitenden Entwickelung für den denkenden Soldaten ein ungemein interessantes Bild , so zieht sie natürlich in einem Momente, wie dem jetzigen, die Aufmerksam keit in erhöhtem Grade auf sich , und es lohnt wohl, auch auf die Organisation einiger an und für sich allerdings nebensächlicher Dienst zweige einen Blick zu werfen, deren eigentlich stets in negativer Form auftretende Wirksamkeit für gewöhnlich die Aufmerksamkeit nur in geringem Grade auf sich zieht. Wohl nicht ohne directen Hinblick auf demnächst bevorstehende kriegerische Ereignisse erhielt am 20. October (2. November ) eine Verfügung die Allerhöchste Bestätigung, welche bestimmt ist, die ein heitliche obere Leitung der Heerespolizei und des Trosswesens inner balb eines mobilen Armeecorps zu regeln . Dem Chef des Stabes des Armeecorps,
welcher die dem Com
mandeur des Corps verantwortliche Ober- Instanz für diese beiden Dienstzweige bildet , wird für jeden derselben ein Stabsoffizier mit Regiments- Commandeur- Stellung als besonderer, stellter Gehülfe zugewiesen .
ihm direct
unter
Der Chef der Heerespolizei führt den Titel Corps- Comman dant (Korpussny komendant), (natürlich nicht zu verwechseln mit Komandir korpussa, dem Corps-Commandeur), der Chef des Tross wesens den Titel Tross - Commandant (Sawiedywajuschtschij obosom). Betrachten wir die diesen beiden Stellungen zugewiesenen Ob liegenheiten und Rechte , so erhalten wir in groszen Zügen ein ziemlich anschauliches Bild von der Organisation dieser beiden Dienstzweige . Der Corps - Commandant. 1 ) Der Corps - Commandant ist der nächste Gehülfe des Corps-Stabs-Chefs zur Aufrechthaltung der Ordnung innerhalb des Corps in militairpolizeilicher Beziehung. 2) Er wird vom Chef des Corps -Stabes womöglich unter solchen Persönlichkeiten ausgewählt, welche der Sprache desjenigen Landes mächtig sind ,
in welchem das Corps zur Thätigkeit berufen ist;
hierauf wird er auf Vorschlag (des Corps - Commandeurs von dem Höchstcommandirenden zu seiner Stellung berufen. 3 ) Er steht unmittelbar unter dem Chef des Corps- Stabes .
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee.
59
4) Er hat die Aufsicht und Verfügung über das dem Corps zu getheilte Gensdarmerie - Commando. 5) Er hat die Leitung der gesammten Militair polizei innerhalb des Corps ;
er trifft alle Maaszregeln zur Aufrechthaltung der Ord
nung in dieser Beziehung ;
er meldet alle bemerkenswerthen Nach
richten und Vorkommnisse dem Stabs- Chef und bringt alle an dieseni in militairpolizeilicher Beziehung getroffenen Anordnungen zur Aus fübrung. 6) Er sorgt für Aufrechthaltung der inneren Ordnung innerhalb des Corps-Stabs- Quartiers und sorgt für die Aufstellung der zu diesem Zwecke nöthigen Wachen. Ueber das erfolgte Aufziehen der Wachen meldet er täglich mündlich an den Stabs- Chef. 7 ) In Bezug auf die zum Corps- Stabs -Quartier gehörigen Mann schaften hat er die allgemeinen Obliegenbeiten eines Festungs- oder Stadt - Commandanten. Er besichtigt persönlich oder durch die ihm unterstellten Charger womöglich täglich mehrmals die Wachen und Posten , ebenso die im Corps -Stabs -Quartier eintreffenden oder auf dem Marsche durchpassirenden Abtheilungen und sorgt für deren Verpflegung ; er weist der Dienstpersonale des Stabes den Aufent baltsort an und überreicht bei dem täglichen Rapporte dem Corps Stabs -Chef ein Verzeichniss des Zu- und Abganges des Corps - Stabs Quartiers .
Alle im Stabs - Quartiere ankommenden Offiziere,
dem Dienstalter nach jünger sind als der Commandant ,
welche
haben sich
bei ihm zu melden ; Diejenigen, welche ein höberes Dienstalter habel , benachrichtigen ihn von ibrer Ankunft.
Ebenso verfahren die be
treffenden Offiziere bei ihrem Abgange aus dem Stabs Quartiere . 8) Der Commandant sorgt für die Beschaffung von Kund schaftern und stellt sie dem Stabs - Chef vor. 9 ) Er besorgt die Aufnahme, Aufbewahrung und Absendung von Arrestanten , Gefangenen, feindlichen Ueberläufern und Untersuchungs gefangenen, und führt Aufsicht darüber, dass sich Letztere nicht in zu groszer Anzahl bei den Truppentheilen versammeln . Er lässt die Urtheile der Kriegsgerichte vollstrecken . 10 ) Er hat persönlich und durch seine Untergebenen darüber zu wachen , dass sich innerhalb des Corps keine Landstreicher, le gitimationslose oder verdächtige Personen , Marodeure oder lieder liche Frauenzimmer aufhalten. jede Art von Unordnung , zuscbreiten .
Er hat auf das
Strengste gegen
Trunkenheit und verbotene Spiele
ein
11 ) Er sorgt an den Standorten des Corps für den ordnungs mäszigen Verkauf von Lebensmitteln durch Marketender ; setzt mit
60
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee .
Genehmigung des Corps - Commandeurs eine Taxe für die Lebens mittel fest, überzeugt sich von der guten Beschaffenheit der Lebens mittel , von der Richtigkeit der Maasze und Gewichte und lässt den Verkäufern nöthigenfalls seinen Schutz zu Theil werden. ein
Verzeichniss
über
die
Marketender,
Kaufleute,
Er fübrt
Handwerker,
Dienstboten und überhaupt über alle nicht zur Armee gehörigen Personen, welche sich bei den Corps befinden, und überwacht die Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung unter ihnen . 12) Er giebt an alle dazu berechtigten Persönlichkeiten des Corps Erlaubnissscheine aus über das Recht zum Halten von eigenem Fuhrwerk, sowie von Zug- und Packpferden, wobei er auf mög lichste Einschränkung der halten hat.
Zahl von Pferden und Fahrzeugen zu
14) Ueber die Anzahl der zum Tross des Corps- Quartiers
ge
börigen Personen giebt der Commandant dem Tross - Comman danten des Corps ein Verzeichniss mit dem Bemerken, wie viel Pferde und Fuhrwerke er jedem von ihnen zu halten gestattet hat und unter welcher Nummer der bierauf bezügliche Erlaubnissschein ausgestellt worden. 14) Am Tage eines Gefechtes ist der Corps- Commandant
ver
pflichtet: a) Den
Corps - Arzt
in der Einrichtung
der Verbandplätze
zu
unterstützen , sowie bei der Versorgung und dem Transporte der Verwundeten durch Beschaffung der dazu nöthigen mili
tairischen oder Privat - Fahrzeuge ; b) ferner hat er darüber zu wachen,
dass bei dem Einsammeln
und dem Transporte der Verwundeten sich nicht unnöthig ge sunde Leute aus den Gliedern entfernen ; solche Leute sind zu ibrem Truppentheile zurück zu senden . Nach der Schlacht ordnet der Commandant das Begraben der Todten an. 15) Tropbäen und sonstige dem Feinde abgenommene Beute werden nach der Schlacht an den Commandanten abgeliefert. 16) Der Corps - Commandant hat den ihm unterstellten Per sönlichkeiten gegenüber die Rechte eines Regiments- Commandeurs. 17 ) Bei Nichtbefolgung und Uebertretung der durch die Kriegs gesetze festgestellten Ordnung bat der Commandant das Recht, Stabs- und Ober-Offiziere, sowie Civilbeamte der Militair-Verwaltung in den entsprechenden Rangelassen, welche ihm nicht direct unter stellt sind, nach Maaszgabe derselben
Gerechtsame in Arrest zu
schicken, welche ibm für seine directen Untergebenen zugestanden
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee. sind (siehe 16)) .
61
In Fällen, welche über die ihm zustehenden Ge
rechtsamen des Regiments- Commandeurs hinausgehen, ist über Ver gehen gegen die Ordnung an das Corps- Commando zu melden .
18 ) Der Commandant hat das Recht, von allen Truppentheilen des Corps alle ihm nothwendigen Nachweisungen und Erkundigungen einzuziehen . 19 ) Ihm sind im Allgemeinen alle Wachen und Posten unter stellt , welche behufs Aufrechthaltung der Ordnung aufgestellt sind . Denjenigen Persönlichkeiten, welche eine mit der Unterscbrift des Commandanten versehene offene Order vorzeigen ,
ist von den Be
fehlshabern aller Truppentheile und Wachen des Corps Beistand und Hülfe zu leisten . 20) Ihm sind ferner unterstellt alle bei dem Corps befindlichen Marketender, Handwerker, Händler, Gewerbetreibende , Dienstboten und überhaupt alle Nichtstreitbaren . Im Falle solche Personen sich gegen die Ordnung vergeben , kann er ihnen Disciplinarstrafen zu erkennen oder sie, falls er es für nothwendig balten sollte, aus dem Aufenthaltsbezirke des Corps ausweisen mit dem Verbote der Rück kehr. Die Disciplinarstrafen werden in solchen Fällen von dem Commandanten innerhalb der den Gerechtsamen eines Regiments Commandeurs gesteckten Grenzen zuerkannt, wobei solche Personen , welche einer Rangclasse angehören , den Offizieren werden , - die ranglosen aber den Gemeinen .
gleichgestellt
21 ) Dem Commandanten ist unterstellt der Ortsvorsteher der Stadt oder des Dorfes, wo sich das Corps -Stabs -Quartier befindet, wenn sich in ihm kein militairischer Local- Chef befindet, welcher einen höheren Rang hat als der Commandant. Dieser untersucht die am Orte des Corps- Stabs Quartiers zwischen Militairpersonen und Einwohnern vorkommenden Streitigkeiten ; unbedeutende Klagen er ledigt er selbst, über die wichtigeren bält er dem Stabs - Chef Vortrag. 22) Der Commandant
hat das Recht ,
von jeder bei dem
Corps eintreffenden Persönlichkeit das Vorzeigen eines sie legiti mirenden Scheines oder Passes zu verlangen .
Niemand , ohne An
sehen des Ranges und Standes, bat das Recht, dem Commandan ten das Vorzeigen besagter Schriftstücke zu verweigern . + 23) Ungehorsam gegen die Anordnungen der Militairpolizei wird angesehen als Ungehorsam und zieht den Schuldigen Strafe zu.
gegen
die Befehle eines Vorgesetzten
die durch das Gesetz bierfür bestimmte
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Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee. Der Tross - Commandant. 1 ) Der Tross - Commandant
ist der nächste Gehülfe
des
Stabs- Chefs in Bezug auf die Leitung des Trosswesens. 2) Er wird von dem Stabs - Chef ausgesucht und auf Vorschlag des Corps -Commandeurs von dem Höchstcommandirenden zu seiner Stellung berufen. 3 ) Er ist dem Stabs- Chef unmittelbar untergeordnet. 4) Er hat unter seiner unmittelbaren Leitung den Tross Corps-Stabs- Quartiers.
des
Wird aus dem Tross der Truppen des Corps
eine Wagenburg formirt* ), so führt der Tross - Commandant den Befehl über dieselbe . 5) Derselbe hat den Befehlen des Corps - Commando's entsprechend die für den Tross erlassenen Anordnungen zur Ausführung zu bringen . 6) Sind die Truppen des Corps versammelt, so hat er alle An ordnungen des Stabs- Chefs in Bezug auf den Tross auszuführen . 7) Bei Formirung der Wagenburg hat der Tross- Comman dant dem Stabs-Chef sogleich Meldung zu machen über die Anzahl der zur Wagenburg gehörigen Fuhrwerke, Pferde, Trossmannschaften und Bedientesten jeder Art . 8 ) Dem Tross - Commandanten sind in
der Wagenburg
untergeordnet die Führer der nichtstreitbaren Compagnien, die übri gen beim Tross befindlichen Chargen, sowie alle sich beim Tross befindlichen Persönlichkeiten streitbaren oder nichtstreitbaren Standes . Befinden sich Personen in der Wagenburg , welche einen höheren Rang haben als der Tross - Commandant , so haben sie nicht das Recht, sich seinen Anordnungen zu widersetzen. 9 ) Wenn der Corps - Commandant die Wagenburg irgend einem besonderen Führer unterstellt, z . B. dem Befehlshaber einer gröszeren Escorte, so tritt der Tross - Commandant unter die Befehle des selben, bleibt aber im Uebrigen nach ihm der höchste Vorgesetzte des Trosses . 10) Er ist in der Wagenburg für Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung verantwortlich . 11 ) Er sorgt dafür, dass die Befehlshaber der nichtstreitbaren Compagnien
und
überhaupt alle unter seiner Führung stehenden
*) Dieser für die Russische Armee officielle Ausdruck ist hier beibehalten worden , obwohl er nicht eine Wagenburg in dem für unsere Sprache gebräuch lichen Sinne bezeichnet , sondern vielmehr die unter einheitlicher Leitung zu einem groszen Wagenparke vereinigten Trossfuhrwerke des ganzen Corps, ohne Rücksicht, ob derselbe in Bewegung oder zum Parkiren aufgefahren ist.
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee.
63
Chargen ihre Obliegenheiten und die für die Wagenburg gegebenen Befehle pünktlich erfüllen . 12 ) Keiner Militairperson aus der Front ist es gestattet , sich willkührlich der Wagenburg anzuschlieszen . Der Tross - Comman dant ist unter persönlicher Verantwortlichkeit verpflichtet,
alle in
die Front gehörigen Militairpersonen, welche , ohne zum Tross com mandirt zu sein, sich demselben ohne Erlaubniss anschlieszen sollten, dem Corps - Commandanten zuzusenden . 13) Er ist dafür verantwortlich , dass Niemand in der Wagen burg mehr Fahrwerke, Zug- und Packpferde habe, als auf dem Aus weise vermerkt ist, welchen ihm der Corps - Commandant (siehe 12) und 13)] ertheilt hat zur Berechtigung des Haltens von Fuhr werk und Pferden .
Fuhrwerke und Pferde, welche die erlaubte Zahì
überschreiten, werden für Corpseigenthum erklärt und der Tross Commandant meldet dem Stabs - Chef über die Verwendung dieser Objecte. Alle Personen , denen das Halten von Fahrwerk und Pferden gestattet ist, sind verpflichtet, darüber sich durch einen Erlaubniss schein des Corps-Commandanten auszuweisen. in den Händen derjenigen Personen sein ,
Diese Scheine müssen welche die Fuhrwerke
oder Pferde führen ; die Nummern der Scheine müssen auf Blech schildern angebracht festigt sein.
und an
den
Fuhrwerken
und
Pferden
be
11) Der Tross - Commandant hat nach den vom Chef des Stabes empfangenen Weisungen den Marsch der Wagenburg an zuordnen . 15) Er hat bei Zeiten Erkundigungen über die Wege einzu ziehen , auf welchen der Tross marschiren soll . Im Falle diese Wege in einem mangelhaften Zustande sind, veranlasst er bei dem Stabs Chef die Beorderung einer besonderen Abtheilung zur Ausbesserung der Wege und zur Unterstützung der Pferde bei starken Steigungen und Senkungen.
Er kann zu diesem Zwecke auch die Handwerker
und alle beim Tross befindlichen Mannschaften der unteren Chargen verwenden . 16 ) Er setzt mit Rücksicht auf die allgemeinen Verbältnisse und auf den Zustand der Wege die Reihenfolge fest, in welcher die Wagenburg marschiren soll,
und weist den einzelnen Abtheilungen
des Trosses auf Haltepunkten und im Nachtlager ihre Plätze an . 17) Während des
Marsches
hat
der Tross - Commandant
dafür zu sorgen : dass die für die Wagenburg vorgeschriebene Reiben folge unter keinem Vorwande gestört werde ;
dass Niemand seinen
64
Einiges über Heerespolizei und Trosswesen in der Russischen Armee .
Platz verlasse oder verändere ;
dass im Marsche des Trosses keine
Stockung eintritt ; dass der Tross sich nicht ungebührlich ausdehnt, und endlich , dass die Pferde nach Möglichkeit vor Ueberanstrengung bewahrt werden. 18) In der Näbe des Feindes trifft der Tross - Commandant Maaszregeln zur Sicherung der Wagenburg gegen plötzlichen Ueber fall , indem er
vom Stabs- Chef zu diesem Zwecke eine besondere
Bedeckung erbittet, welche vollständig unter die Befehle des Tross Commandanten tritt. Als Befehlshaber über diese Bedeckung veranlasst er sowohl wäbrend des Marsches als beim Halten an Ort und Stelle die Anordnung der nöthigen Sicherheitsmaaszregeln. 19) Bei der Rückkehr des Trosses aus der Wagenburg zu den Truppentheilen weist der Tross - Commandant die Wege an, auf welchen der Tross zu marschiren hat, und lässt die einzelnen Tross Abtheilungen nicht anders abrücken als unter der Führung der Be fehlshaber der nichtstreitbaren Compagnien oder anderer unmittel barer Vorgesetzten der betreffenden Truppen-Abtheilung.
20) Ist beim Corps eine Wagenburg nicht zusammengezogen , so
hat
der
Tross - Commandant
unter
seiner
unmittelbaren
Führung nur den Tross des Corps - Stabs-Quartiers und die demselben angeschlossenen Marketender und Händler ; er hat im Uebrigen in dieser Stellung dieselben Obliegenheiten wie bei zusammengezogener Wagenburg 21 ) Der Tross - Commandant ist verpflichtet, nach Möglich keit für die Ordnung im Tross des Corps zu sorgen ; in Fällen , wo die Wagenburg nicht zusammengezogen , hat er seine Aufmerksam keit besonders darauf zu richten,
dass im Tross sich keine über- .
zähligen , d . h. nicht durch Erlaubnissscheine berechtigten Fuhrwerke und Pferde befinden. dem Stabs-Chef.
22
Bemerkt er dergleichen, so meldet er darüber
Der Tross - Commandant bat
in Bezug auf die
zum
Tross des Corps- Stabs - Quartiers oder zur Wagenburg (so lange die selbe zusammengezogen) gehörigen Militairpersonen die Rechte eines Regiments- Commandeurs. 23) Im Falle, dass die beim Tross befindlichen Civilpersonen sich gegen die Ordnung vergehen oder gegen die mit Aufrechthaltung der Ordnung beauftragten Chargen ungehorsam sind , stehen dem Tross - Commandanten
gegen solche Personen dieselben Straf
mittel zu Gebote, wie in ähnlichem Falle dem Corps - Comman danten (siehe 20)] .
1 ..
Die Sächsischen Husaren.
65
24 ) Der Tross - Commandant hat das Recht , von jeder mit Fubrwerk oder Pferden im Tross befindlichen Persönlichkeit das Vorzeigen eines Erlaubnissscheines für Fuhrwerk und Pferde zu verlangen . Niemand darf ihm das Vorzeigen dieses Erlaubniss scheines verweigern .
VI.
Die Sächsischen Husaren .
Seitdem in Folge der Ereignisse von 1866 und der in den Jabren 1870 und 1871 gemeinschaftlich errungenen Siege die ver schiedenen Deutschen
Heere
und Contingente ,
wenn auch
unter
Schonung mancher berechtigten Stammeseigenthümlichkeiten , zu einem festen organischen Ganzen glücklich vereinigt sind , ist auch unver kennbar ein weit lebhafteres Interesse der einzelnen, früher getrennt gewesenen Theile für einander erwacht.
Die Offiziere der kleineren Armeen und Contingente zeigen das aufrichtige Streben , sich nicht blos über die Organisation und den Dienstbetrieb des Preuszischen Heeres , ihres Vorbildes , zu unter richten, sondern wenden mit Recht auch der historischen Entwicke lung desselben die gebührende Aufmerksamkeit zu , während der Verfasser
nicht zu irren glaubt , wenn er andererseits auch in Preuszen nicht gerade Abneigung voraussetzt , das grosze, lebhafte Interesse, welches sich hier für die Thaten und Schicksale der ein zelnen Truppenkörper stets zu erkennen gab , nun auch über die Grenzen des engeren Vaterlandes hinaus auf alle zum groszen Deutschen Heere gehörigen Bestandtheile auszudehnen. Bei den unter den Augen Sr. Majestät unseres erhabenen Kaisers im Herbste y . J. stattgehabten groszen gegenseitigen Uebungen des 4.
und
12. Armeecorps erschienen
vor Allerhöchstdemselben zwei
Regimenter der Sächsischen Cavallerie-Division zum ersten Male als Husaren. Dieses Ereigniss giebt dem Verfasser nachstehender historischen Skizze Veranlassung , im Vertrauen auf die Bestätigung seiner eben ausgesprochenen Voraussetzung das Interesse des mili tairischen Publicums für die früheren Geschicke der seit länger als einem halben Jahrhundert aus der Sächsischen Armee verschwunden 5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Die Sächsischen Husaren .
66
gewesenen
Husarentruppe
auf
eine
kurze
Zeit
in
Anspruch
zu
nebmen . Um in Bezug auf die Formation der Cavallerie beim 12. (Königl. Sächsischen) Armeecorps eine gröszere Analogie mit der der übrigen Deutschen Armeecorps herzustellen und dem Charakter der ver schiedenen Bestimmung der Cavallerie - Regimenter auch äuszerlich mehr Ausdruck zu geben, hatte Se . Majestät der König von Sachsen befohlen, dass vom
1. Januar vorigen Jahres an die zwei leichten
Reiter- Regimenter der Sächsischen Cavallerie- Division die Bezeichnung „ Husaren - Regimenter “ , und zwar das bisherige 1. Reiter -Regi ment den Namen „ 1. Husaren -Regiment Nr. 184 und das bisherige 2. Reiter- Regiment den Namen , 2. Husaren -Regiment Nr . 19 " an nehmen sollten. Seit dem Jabre 1850 hatte die Sächsische Cavallerie aus vier Reiter-Regimentern zu fünf Escadrons bestanden, welche, ohne dass sie den Namen führten, bis zur Neuorganisation der Armee im Früh jahre 1867 in ihrer Specialität ungefähr den Preuszischen Dragonern entsprachen.
Sie waren mit Deutschen Pferden mittleren Schlages
beritten und mit Säbel, Carabiner und Pistole bewaffnet. Ihre Uni form bestand aus Waffenrock von hellblauem Tuche mit verschieden farbigen Kragen und Aufschlägen,
blauen Beinkleidern und einem
ledernen, mit Messing beschlagenen Raupenhelm . dem
Frieden
vom
21.
October 1866
In Folge der nach
abgeschlossenen
Convention
musste Sachsen seine Cavallerie um zwei Regimenter vermehren. Man formirte dieselben als Ulanen - Regimenter – Nr. 17 und 18 – und , da man gleichzeitig auch zu einer Trennung der vier alten Regimenter in schwere und leichte veranlasst wurde, bestimmte man zwei derselben,
das Garde- Reiter-Regiment und das 3. Reiter-Regi
ment, an welche schon
zeither die Pferde gröszeren Schlages ab
gegeben zu werden pflegten,
als schwere Reiter-Regimenter, ohne
ihnen deshalb vorläufig einen entsprechend veränderten Namen bei zulegen . Letzteres ist nun gleichfalls am 1. Januar 1876 erfolgt; dieselben heiszen fortan Garde - Reiter - Regiment“ (schweres Regi ment Nr. 1 ) und „ Carabinier-Regiment“ *) (schweres Regiment Nr. 2 ); gleichzeitig damit ist
auch insofern eine Uniformveränderung
bei
denselben eingetreten , als sie den Preuszischen Cürassierhelm und die verlängerten Stiefel angelegt haben .
*) Dieser Name hat in der Sächsischen Armee einen guten Klang, denn er weckt Erinnerungen an das im Jahre 1810 eingegangene frühere Carabinier Regiment, eins der trefflichsten Regimenter der alten Sächsischen Cavallerie.
1
Die Sächsischen Husaren .
67
Von den beiden neuen Husaren - Regimentern hatte dasjenige, welches Nr . 19 erhalten hat, bereits bis 1822, etwas über 30 Jahre, als Husaren-Regiment bestanden ; seine Geschichte als solches wird den Hauptinhalt des nachfolgenden Berichtes bilden.
Das andere,
nun Nr. 18, ist ein altes Sächsisches Chevauxlegers-Regiment, welches, 1734 in Polen errichtet, den Prinzen Karl, nachmaligen Herzog von Kurland ,
zum Chef erhielt , dessen Namen eine lange Reihe von
Jahren bindurch bis zum Tode des Herzogs im Jabre 1796 führte, und sich innerhalb dieser Zeit im siebenjährigen Kriege,
besonders
bei Kollin , unter des Oberstlieutenants von Benkendorff Führung, und in dem Rheinfeldzuge 1793 bei Kaiserslautern rühmlich aus zeichnete . Die Husarentruppe ist sonach in der Organisation des Sächsi schen Heeres von früheren Zeiten her nicht unbekannt ; sie hat viel mehr in demselben trotz der verhältnissmäszig kurzen Dauer ihres Bestehens die Erinnerung an sehr ehrenvolle, ja glänzende Leistungen zurückgelassen . Das Project einer Husaren - Formation taucht in
Sachsen zuerst
während des nordischen Krieges auf, wo im December 1709 zu Thorn der Feldmarschall Ogilvy mit
dem Französischen Obersten d'Autel
wegen Errichtung zweier Regimenter Husaren in Unterhandlungen tritt, ohne dass diese zu einem Resultate führen. Dagegen errichtete am 4. März 1713 der Oberst Joannes Czerey zwei Compagnien Ungarischer Husaren, welche beim Stabe einen Oberst und
einen Major, in
Summa
aber nur
181 Mann zählten .
Sie trugen rothe Röcke, lichtblaue Beinkleider und Kamisole und weisze Mäntel . Gleichzeitig wurde von dem Hauptmann Jobann Pelargi eine Ungarische Hayducken- Compagnie in der Stärke von 109 Mann ein schlieszlich dreier Offiziere aufgestellt, welche mit rothen, hellblau gefütterten Schnürenröcken , anliegenden Stiefeln, schwarzen Mützen , blauwollenen Leibbinden und lichtblauen Hosen bekleidet waren. Diese Hayducken wurden später als 2. Compagnie mit den Husaren vereinigt. Hierzu kam noch eine damals von dem Oberstlieutenant Michael Szekellydi nach Husarenart formirte. , Ungarische, adelige Compagnie “ , welche am 17. März 1709 den Bestand von 39 Mann einschlieszlich des Oberstlieutenants
und zweier Offiziere nachwies, in der Folge
jedoch noch auf 120 Mann gebracht werden sollte. Diese drei Abtheilungen, welche am 24. März 1709 zu Warschau gemustert wurden, standen als Haustruppen in
administrativer Hin 5*
Die Sächsischen Husaren.
68
sicht unter dem Oberhofmarschalle ; erst 1713 stellte man sie unter die Befehle des Generals Janus von Eberstädt, Ende 1714 befinden sich die drei Abtheilungen - die 1. Hu
saren- Compagnie von dem Grafen Franz Caroli, die 2. vom Grafen Paul Nagy befehligt - bei dem in Polen vereinigten Sächsischen Heere.
Die adelige Compagnie, in der wir den vornehmsteu Unga
rischen Namen begegnen, wurde den 31. März
1715 aufgelöst und
von den dadurch erzielten Ersparnissen eine dritte Husaren- Compagnie errichtet.
Die drei Compagnien, jede zu
60 Pferden, bildeten ein
Regiment und leisteten den Eid auf die Sächsischen Kriegsartikel. Im Sommer 1715 betheiligte sich dieses Regiment an der Belage rung von Stralsund, wo es bei seinem Eintreffen am 27. Juli durch schöne Haltung und glänzende Equipirung einen sehr vortheilhaften Eindruck machte, den es sich durch Tapferkeit und gute Disciplin zu erhalten wusste. Das Husaren- Regiment blieb bis Mitte October in Pommern und marschirte dann wieder nach Polen, wo es sich sofort an dem sich noch durch das ganze folgende Jahr hindurchziehenden Insurrections kriege sehr ehrenvoll betheiligte. In Folge der 1717 eintretenden namhaften Reduction der Säch sischen Armee wurde eine Compagnie Husaren entlassen. Neuwer bungen fanden für die wohl allzu kostspielige Truppe nicht mehr statt, und eine Königliche Verordnung vom 29. Juli
1722 verhing
endlich über den Rest des Regimentes die vollständige Auflösung. Erst in den Schlesischen Kriegen fühlte man in Sachsen wieder das Bedürfniss einer leichten Nationalcavallerie, aber bei den dama ligen engen Beziehungen zu Polen konnte eine solche Truppe aus dem in diesem Lande hierzu vorhandenen trefflichen Materiale mit leichter Mühe hergestellt werden, indem man Polnische Ulanenpulks formirte, welche sowohl in den Schlesischen , als
auch
später im
siebenjährigen Kriege eine sehr vortheilhafte Verwendung fanden und ausgezeichnete Dienste leisteten. Dagegen liesz der Oesterreichische Erbfolgekrieg, so kurz und an wichtigeren Ereignissen
arm er auch
sein
mochte,
neben den
Preuszischen Verbündeten den Mangel einer den Husaren Regimentern derselben ähnlichen Reitertruppe vermissen, und man fasste von da ab in Sachsen den Plan der Organisation einer solchen ernstlich ins Auge, wenn auch aus ökonomischen Rücksichten die Ausführung sich noch eine Reihe von Jahren verzögerte. Die infolge der Französischen Revolution eingetretenen drohen den Kriegsaussichten veranlassten endlich den Kurfürsten, den Befehl
Die Sächsischen Husaren.
69
zur Errichtung eines Husaren - Regiments zu ertheilen, von welchem die Hälfte in vier Escadrons am 1. October 1791 formirt wurde . Hierzu waren von jedem der damaligen sieben Feld-Regimenter Ca vallerie (ein Carabinier-, zwei Cürassier- und vier
Chevauxlegers
Regimenter ) je 64 Mann , einschlieszlich acht Unteroffiziere, und von jedem der vier Chevauxlegers - Regimenter gleichzeitig Pferde zusammen also 448 Mann und 256 Pferde
auch je 64 abgegeben
und der zur Erreichung des Etats noch fehlende Bedarf an Mannschaft durch Anwerbung, an Pferden durch Ankauf Polnischer Remonte er gänzt worden . Im folgenden Jahre 1792 wurde das Regiment um 306 Mann und 302 Pferde vermehrt, und in acht Escadrons formirt, nach den Rheinfeldzügen 1797 aber durch weiteren Zuwachs auf die Stärke
von
1065 Mann und
von 37 Offizieren) gebracht.
1002 Pferde
(auszerdem
die Pferde
Das Husaren- Regiment war mithin den
übrigen Sächsischen Cavallerie -Regimentern, von welchen jedes 734 Mann und 666 Pferde zählte, an Stärke nicht unwesentlich über legen ; auch wich es in der Organisation insofern von denselben ab, als jede der acht Escadrons eine Einheit bildete, während bei jenen von den vier Escadrons des Regimentes jede in zwei Compagnien zerfiel, wie dies bei der Preuszischen Garde du Corps noch heutigen Tages der Fall ist .
Die Rittmeister der Husaren waren daher an
der Spitze ihrer Schwadronen weit selbstständiger, als die der übri gen Cavallerie, wo die Rittmeister ( bei den Chevauxlegers Capitains ) nur Compagnien befehligten und je zwei und zwei unter dem Es cadronscommandanten , einem Stabsoffiziere, standen . Die Ergänzung des Regimentes an Mannschaft hatte um so we niger
Schwierigkeit gehabt, als sowohl die Abgaben anderer Regi
menter, als die neugeworbenen Leute sich in die junge Truppe, an gezogen durch den Reiz der Neuheit, das Sympathische, welches be sonders für die Jugend in dem Begriff des Husaren liegt, und end lich auch durch die reiche , geschmackvolle Uniform mit entschie Was die Pferde anbelangt , so dener Vorliebe einreiben lieszen . theilten dieselben die Nachtheile mit den weit überwiegenden Vor zügen der Polnischen Rasse .
Schwierig in der Dressur, lieszen sie
sich in der Hand geschickter Reiter Campagne-Pferden ausbilden .
zu gewandten , ausdauernden
Mit groszer Sorgfalt war man bezüglich der Auswahl der Offi ziere für die neue Truppe verfahren, und dieser Sorgfalt ist es we sentlich zu danken, dass die kurze Geschichte des Husareu - Regi ments so reich an kühnen, rühmlichen Thaten geworden ist, und der
70
Die Sächsischen Husaren .
Name desselben den Erben noch heute als ein Vorbild ritterlicher Tapferkeit aus der Vergangenheit herüberleuchtet.
In der Person
des Oberstlieutenants v. Süszmilch-Hörnig vom
Regiment Prinz Albrecht- Chevauxlegers, welcher 1794 Oberst wurde und 1801 in Artern starb, hatte man einen tüchtigen Commandeur gefunden , der es trefflich verstand , in der neuen Truppe den rechten Husarengeist zu wecken. Als Stabsoffiziere waren derselben die Majore von Trützschler, von Kurland Chevauxlegers, später als Com mandeur des Regiments Süszmilch’s Nachfolger, und von Emmerich, bisher Rittmeister bei einem Oesterreichischen Husaren - Regimente , aber geborener Sachse,* ) beigegeben. lieutenants
Die Rittmeister und Premier stellen in der That die Crême der damaligen Sächsischen
Cavallerie -Offiziere dar ; sie waren fast ohne Ausnahme Männer von hervorragender dienstlicher und theilweise sogar wissenschaftlicher Ausbildung, beseelt von jugendlichem Ehrgeize und von Hingebung für den Dienst ibrer Waffe . Die spätere Laufbahn vieler dieser Offiziere, von denen Gutschmid , Funk, Gablenz, Thielmann in Sachsen, Stutterheim in Oesterreich den Generalsrang erreichten , hat bewiesen , wie richtig man ihre Eigenschaften beurtheilt hatte. Die Souslieutenants waren bis auf einen, der auf seinen Wunsch von der Infanterie als Adjutant zum Husaren - Regiment versetzt wurde, im März 1792 sämmtlich neu ernannt worden . Als Garnisonen hatte man der neuen Truppe eine Anzahl klei Der Stab, ner Städte in dem gesegneten Thüringen angewiesen. die erste und zweite Escadron , lagen in Colleda, die zweite und fünfte in Gebesee, die vierte in Wiebe, die fünfte in siebente in Kindelbrück , die achte in Donndorf.
Heldrungen,
die
Einige Jahre später wurde, wohl in Folge eines Brandunglücks , welches das Städtchen Cölleda betroffen hatte , diese Garnison
ge
räumt und der Stab mit zwei Escadrons nach Artern verlegt. Die
Uniform der Husaren
bestand in
hellblauen Pelzen
schwarzem Vorstosz, welche mit weiszen Borten und
Schnüren
mit be
setzt waren ; ferner in einem weiszen , blauaufgeschlagenen, später hellblauen Dollman mit schwarzen Aufschlägen, weiszen Borten und Schnüren und zinnernen Knöpfen.
Hierzu kamen eine Schärpe von
rother Farbe und anfangs weisze lederne, später blautuchene, Unga
* ) Emmerich wurde 1801 Generaladjutant des Kurfürsten und bekleidete von 1804 bis 1810 die Stelle eines Commandanten des Cadettencorps. Er starb als Generalmajor in Pension.
71
Die Sächsischen Husaren. rische
Beinkleider.
Auf den
hellblauen
Säbeltaschen
war
der
Namenszug des Kurfürsten in weiszer Borte angebracht . Als Kopfbedeckung dienten erst schwarze Filzmützen mit weiszem Federstutze , welche 1810 durch den Tschako verdrängt wurden. Der Schnuren- und Tressenbesatz der Offiziere war durchgehends von Silber und bezeichnete auf den Aermeln und an der Naht und dem Latze der Beinkleider deren Rang. Die junge, unter so günstigen Auspicien ins Leben getretene Truppe sollte nicht lange auf die Feuertaufe warten .
Zu dem 1793
gegen Frankreich ausbrechenden Reichskriege stellte Sachsen sein Contingent von 6000 Mann unter dem General- Lieutenant v. Lindt, welches im März abrückte und zunächst zu dem Belagerungscorps vor Mainz stiesz .
Zu den zehn Escadrons,
welche diesem Contin
gente beigegeben wurden, gehörten auch zwei Husaren- Schwadronen . Nach der Capitulation von Mainz wurden die Sachsen dem Corps des Preuszischen Generals Grafen Kalkreuth zugetheilt , und
die
Husaren fanden beim Vorposten- und Avantgardendienste in einer Reihe gröszerer und kleinerer Gefechte - den 13. August bei Neu kirchen, 12. September bei Spiesen, 14. September bei Bildstock, 26. September bei Bliescastel, 27. September bei Ensheim, 29. Sep tember bei Bischmisheim ―――――――― sowie in dem Treffen bei Biesingen den 17. November und in der Schlacht bei Kaiserslautern am 29. und 30. November reiche Gelegenheit, den Ruf der Sächsischen Husaren zu begründen .
Schon begegnen wir in diesen Kämpfen dem Namen
des genial-ritterlichen Rittmeisters von Gutschmid, welcher, nachdem er sich an der Spitze seiner Escadron schon am 14. und
26. Sep
tember ausgezeichnet hatte, bei Martinskirchen den 1. December, am Tage nach der Schlacht bei Kaiserslautern, im Vereine mit dem Preuszischen Rittmeister v. Oschetzki eine Wagencolonne von einigen 60 Wagen, eine Französische Kriegscasse, mehrere Stücke Schlacht vieh und 341 Pferde erbeutete und viele Gefangene machte ; schon haben die Lieutenants Thielmann bei Spiesen und Bliescastel, Frh . v. Stutterheim bei Büsingen Proben ihrer kühnen Verwegenheit ab gelegt. Die Lieutenants Frh. v. Lobkowitz und Frh. v. Stutterheim Wie sehr die Leistungen waren im Feldzuge verwundet worden. des Husaren- Regiments anerkannt worden waren, zeigt die Liste der vom Könige von Preuszen dem Sächsischen Contingente verliehenen Orden Pour le mérite. Unter den 16 Decorirten gehören allein sieben Major v. Trützschler, die Rittmeister v. Hartmann und v. Gut schmid und die Lieutenants Frh. v. Stutterheim, v. Lindenau I. und
Die Sächsischen Husaren ,
72 II.
und v.
den beiden
Niesemeuschel
mobilen
Husaren - Schwa
dronen an . Da man in Sachsen, um
nacheinander verschiedenen
Truppen
abtheilungen Gelegenheit zu geben, sich kriegerische Praxis
anzu
eignen , trotz der dadurch vermehrten Kosten es für angemessen er achtete , mit jedem neuen Feldzuge einen Wechsel des Contingents eintreten zu lassen , so erschienen im Frühjahre 1794 mit dem neuen Sächsischen Corps auch zwei andere Husaren- Escadrons unter dem Major v . Emmerich auf dem Kriegstheater.
Sie eröffneten bereits
am 5. April den Feldzug durch einen glücklichen Angriff auf die feindlichen Vorposten bei Erlebach, Otterbach und Moorlautern ; am 18. Mai attackirte der Rittmeister v . Gablenz mit seiner Escadron die Französische Avantgarde gleichfalls mit trefflichem Erfolge bei Rodebach . Nachdem schon am 22. Mai der Lieutenant v . Mandelsloh ein sehr ehrenvolles Rencontre
bei
der Avantgarde
gehabt
hatte ,
zeichnete sich wieder der Rittmeister v . Gablenz am folgenden Tage in der zweiten Schlacht bei Kaiserslautern so vortheilhaft aus, dass der König von Preuszen sich veranlasst fühlte, dessen Entschlossen Bei einem Gegen heit im Armeebefeble ausdrücklich zu beloben . angriffe der Franzosen auf die Stellung der Verbündeten bei Kaisers lautern am 12. Juli hatten die Husaren ihr letztes Gefecht in diesem Feldzuge .
Major v . Emmerich erhielt nach demselben den Pour
le
mérite, der Wachmeister Wacker für sein gutes Verhalten bei Rode bach
die Preuszische
Letztere zum
goldene Verdienstmedaille; auch
Offizier befördert.
wurde
der
Im Feldzuge 1795, in welchem die
Sachsen , da Preuszen sich durch den Baseler Frieden von der wei teren Theilnahme am Kriege zurückgezogen hatte , zur Oesterreichi Armee des Feldmarschalls Grafen Clertait stieszen , waren dem Corps keine Husaren beigegeben ; dagegen erschienen vier Escadrons der selben unter dem Regiments-Commandeur Oberst v. Süszmilch wieder bei dem 10,000 Mann starken Contingente , welches im Mai 1796 in der Gegend von Alzei
bei der Hauptarmee
des Erzherzogs
Karl
eintraf. Auch in diesem, an sich nicht eben thatenreichen Feldzuge war doch der leichten Cavallerie wieder Gelegenheit zu mannig facher Auszeichnung geboten : so den 4. Juni in dem Gefechte bei Limburg und den 15. Juni in dem Treffen bei Wetzlar, in welchem der Erzherzog den General Jourdan besiegte .
Hier setzte sich der
Brigade- CommandeurGeneramajor v.Zezschwitz persönlich an die Spitze von zwei Sächsischen Escadrons, einer des Regiments Kurland und einer Husaren -Escadron unter Major v . Emmerich , und warf sich mit denselben, des vernichtenden Kartätschfeuers ungeachtet, auf die gegen
Die Sächsischen Husaren . überstehende Cavallerie.
73
Diese, in die Flucht geschlagen, durch
brach die Reihen der binter ibr befindlichen Infanterie, und die Sachsen erbeuteten zwei Kanonen und 20 Pferde und machten über 50 Gefangene, zur glücklichen Entscheidung des Treffens bierdurch wesentlich beitragend.
Von den Husaren wurden dabei drei Mann
getödtet, 19 Mann, einschlieszlich des Lieutenants v. Pape, der eine Hand verlor, verwundet.
Den 19. Juni hatten die der Avantgarde
zugetheilten Husaren wieder ein glänzendes Gefecht bei Kircheip . *) Major v . Trützschler attackirte hier mit drei Schwadronen und brachte der bereits vollständige
siegreich vorrückenden Französischen Cavallerie eine Niederlage bei . Die Rittmeister v . Lobkowitz und
v . Gablenz, sowie der Lieutenant Thielmann zeichneten sich bei die sem Angriffe wieder rühmlich
aus,
der Lieutenant v. Mandelsloh
aber attackirte nach schon beendigtem Gefecht mit einigen 20 Hu saren noch das von feindlicher Infanterie besetzte Dorf Am - Graben , vertrieb dieselbe und machte über 60 Gefangene.
Im Ganzen nah
men die Husaren in diesem Gefechte mit dem geringen Verluste von sieben Todten , fünf Verwundeten und zwei Vermissten gegen 100 Mann gefangen. Als der Erzherzog, trotz dieser an der Labn und Sieg errungenen Vortheile , in Folge der Bedrohung des Oberrheins durch Moreau, sich nach dem Neckar ins Württembergische zurück ziehen
musste,
hatten
die Husaren
noch
rühmliche Gefechte
am
14. Juli bei Hengstten , und am 21. und 22. Juli bei Neckarway hingen .
Diesem letzteren folgte bald darauf der Rückmarsch des
Sächsischen Corps in die Heimath, wo dem Husaren - Regimente beim Eintreffen durch die Verleihung des St. Heinrichsordens an den Ritt meister v . Gablenz und die Premierlieutenants Thielmann und v. Mandelsloh, so wie durch zwei goldene und zwei silberne Medaillen an Unteroffiziere und Mannschaft, die Zufriedenheit ihres Kriegsherrn ausgedrückt wurde.
Diese Auszeichnung war um so überraschender,
als der ausschlieszlich für kriegerische Verdienste bestimmte St. Heinrichsorden seit dem Jahre 1768 nicht wieder zur Ausgabe ge langt war , Medaillen für Militairpersonen niederer Grade aber in Sachsen bisher noch gar nicht existirt hatten und erst durch ein Re script des Kurfürsten am 17. März 1796 ins Leben gerufen worden waren . Es folgten nun den Rheinfeldzügen 10 Friedensjahre und erst im letzten desselben , 1805, begann es, sich wieder kriegerischer zu
*) Das Gefecht wird auch als das bei Netresch oder bei Uckerath an der Sieg bezeichnet.
Die Sächsischen Husaren .
74 gestalten.
Als im November dieses Jahres der Kaiser Alexander
von Russland dem Weimarischen Hofe einen kurzen Besuch abstat tete, musste die Escadron des Rittmeisters Thielmann lichen Sicherheit des Monarchen gegen mögliche
zur persön
Unternehmungen
der im Bayreuth'schen stehenden Französischen Truppen längs des Nordabhanges des Thüringer Waldes eine Aufstellung nehmen
und
die über das Gebirge gegen Weimar führenden Straszen bewachen . Bald darauf vereinigte sich ein Corps Preuszischer und Sächsi scher Truppen im Voigtlande, und auch das Husaren -Regiment ver brachte bei demselben einen Theil des Winters von 1803-1806 in Cantonnements.
Aber der Ausbruch des Krieges mit Frankreich ver
zögerte sich bekanntlich noch
bis
zum Herbste
1806.
In
diesem
Feldzuge rückte das vom Oberst v . Pflugk befehligte Regiment in voller Stärke zu acht Schwadronen aus und wurde der Avantgarde des Prinzen Louis Ferdinand zugetheilt.
Am 10. October betheiligten
sich fünf Escadrons mit an dem unglücklichen Gefecht von Saalfeld und führten hier, den Prinzen Louis Ferdinand an der
Spitze, bei
Wöhlsdorf einen Gegenangriff auf zwei Französische Husaren - Regi menter aus . Es gelang , das im ersten Treffen anreitende feindliche Regiment zu werfen ; als aber das in Folge des Anpralls auseinander gekommene Sächsische Husaren - Regiment vom feindlichen zweiten Treffen in der Front und rechten Flanke angefallen ward , während die durch Saalfeld vorgezogene Reiterei
es zugleich
in
der
Front
und linken Flanke umfasste, wurde es, von seinem eigenen zweiten Treffen nicht genügend unterstützt, gegen Wöhlsdorf zurückgeworfen. Der Prinz, dessen Pferd im Dorfe beim Ueberspringen eines Zaunes stürzte, fand hier seinen Tod .
Der Regiments - Commandeur Oberst
v . Pflugk hatte bei diesem Angriff ftint Wunden
erhalten , auch
der
Lieutenant v . Nauendorff und der Cornet v . Schirnding waren ver wundet. * ) Die nicht mit bei Saalfeld betheiligten drei Escadrons des Hu saren- Regiments hatten unter Oberstlieutenant v . Ende ziemlich un thätig den Tag über in der Abtheilung des Preuszischen Generalmajors v. Pelet bei Blankenburg gestanden und nur bei der Deckung des Rückzuges einen kaum nennenswerthen Verlust erlitten . Umgekehrt war das Verhältniss am 14. October bei Jena, wo *) Die fünf Escadrons hatten nach dem Gefechte nur noch 200 verwend bare Pferde. Verlust derselben ausschlieszlich der genannten Offiziere : 2 Ge meine todt, 51 Mann verwundet, 1 Offizier und 11 Mann vermisst. Gesammt verlust des Husaren -Regiments im Feldzuge 1806 : 4 Todte, 3 Offiziere und 73 Mann verwundet, 1 Offizier und 11 Mann gefangen.
Die Sächsischen Husaren.
75
die fünf Schwadronen, welche bei Saalfeld so schwer gelitten hatten , nicht wesentlich zur Verwendung kamen,
Oberstlieutenant v . Ende
dagegen mit seinen drei Escadrons, vereint mit dem Chevauxleger Regimente v. Polenz unter
der
Führung
des General-Lieutenants
v . Polenz den Rückzug der Brigade Dyherrn mit groszer Aufopfe rung durch mehrere Attacken deckte, deren jede an sich erfolgreich war, ohne natürlich das allgemeine Vorschreiten des die retirirende Linie immer mehr können.
und
mehr
umfassenden Gegners
aufhalten
zu
Im Hinblick auf das, was oben bezüglich der Auswahl der Offi ziere für das Husaren -Regiment gesagt worden ist , kann es nicht Staunen erregen, wenn wir jetzt mehrere derselben den Anlauf zu einer höheren Carrière nehmen sehen . Schon nach den ersten Rhein-Feldzügen war 1795 der während derselben wiederholt mit groszer Auszeichnung erwähnte Rittmeister v . Gutschmid auszer der Reihe zum Major im Generalstabe ernannt, 1802 als Oberstlieutenant wieder beim Husaren -Regimente eingestellt und 1805 zum Obersten und General-Adjutanten des Kurfürsten be fördert worden . Vertreter des Hohenlohe.
Er befand sich während des Feldzuges 1806 als Sächsischen
Corps
im
Hauptquartiere des Fürsten
Die eigenthümliche Lage, in die sich der Sächsische Staat und das vom Vaterlande abgedrängte Heer nach dem unglücklichen Aus gange der Schlacht von Jena versetzt sahen , bot . zwei anderen Offi zieren des Husaren -Regiments Gelegenheit, sich aus den Reihen des selben in Stellungen emporzuschwingen , in welchen sie ihre geistigen Fähigkeiten in vollem Umfange zur Geltung zu bringen ver mochten. Der Kaiser Napoleon hatte an dic gefangenen Sächsischen Offi ziere eine Ansprache gehalten, in welcher die Worte : „ dites à votre électeur “ , einige Male vorkamen. Mit groszer Gewandtheit und Geistesgegenwart bot sich
der , der Französischen Sprache in mehr
als gewöhnlicher Weise kundige Major v. Funck dem siegreichen Kaiser zur Uebermittelung seiner Wünsche an den Kurfürst an.
So
gelangte durch denselben die erste bestimmte Nachricht von den Vorfällen bei Jena und Auerstädt an den Dresdener Hof, und Funck war es, der die ersten Verhandlungen zwischen Napoleon und dem Kurfürsten einleitete, welche zunächst zum Waffenstillstand und dann zum Posener Frieden führten . Unterdessen war ein Kamerad Funck's, der Rittmeister
Thiel
mann, von dem Sächsischen Obercommandanten, General der Caval
Die Sächsischen Husaren.
76
lerie v. Zezschwitz, aus der Gegend von Mannsfeld in das Kaiser liche Hauptquartier zu Merseburg mit Waffenstillstandsvorschlägen abgesendet worden , um der von ihrem Vaterlande abgeschnittenen Thielmann hatte Armee die Rückhehr in dasselbe zu vermitteln . sich seines schwierigen Auftrages mit nicht minderer diplomatischer Gewandtheit entledigt und von Napoleon für das Heer eine ebenso verhältnissmäszige Schonung zugestanden erhalten, wie Major v. Funck für den Staat erwirkt hatte. Für beide geistig begabte Männer be gann jetzt eine glänzende Laufbahn, welche zunächst durch die Er nennung Funck's zum Königlichen General- Adjutanten, Thielmann's zum Flügeladjutanten eröffnet wurde. Wir können der hervorragendsten Persönlichkeiten des Husaren Regimentes nicht Erwähnung thun, ohne hierbei auch des nach den Rhein- Feldzügen, in welchen er sich bereits den Preuszischen Pour le mérite durch ausgezeichnete Tapferkeit erworben batte, in Oester reichische Dienste getretenen Freiherrn v. Stutterheim zu gedenken . Derselbe commandirte 1809 im Feldzuge an der Donau eine Brigade, bearbeitete dann im Auftrage des Kaisers, unter dem Titel : „ Der Krieg von 1809 zwischen Oesterreich und Frankreich " , eine officiöse Be schreibung dieses Feldzugs in Deutscher und Französischer Sprache, starb aber mitten in der Herausgabe derselben am 13. December 1811 zu Wien im 38. Lebensjahre, an dem Tage, an dem ihm seine Ernennung zum Feldmarschall - Lieutenant bekannt gemacht wurde. Thielmann's diplomatische Ueberredungskünste hatten leider von der geschlagenen Sächsischen Armee das für die Cavallerie so schwere und demüthigende Geschick nicht abzuwenden vermocht, dass dieselbe ihrer Pferde beraubt wurde und unberitten in ihre Garnisonen
zurückkehren musste .
Bei der schwierigen und zeit
raubenden Ausbildung der Polnischen Remonte gereicht es gewiss der Sächsischen Cavallerie zur hohen Ehre, dass sie auf das Macht gebot Napoleon's im Feldzuge 1809 wieder mit 20 Escadrons , unter denen drei des Husaren- Regimentes zur groszen Armee an der Donau stoszen konnten, während schon im Sommer 1808 zwei Husaren Escadrons unter dem Major v. Gablenz in der Division des General majors v. Dyherrn nach Polen ausgerückt waren, um dort die nach dem Feldzuge 1807 in Preuszen im Groszherzogthum Warschau auf gestellte Division des General-Lieutenants v. Polenz abzulösen . Am 24. April 1809, auf dem Marsche des Sächsischen Corps unter dem General-Lieutenant v. Zezschwitz zur Französischen groszen Armee an der Donau, wurden die bei demselben befindlichen drei
Husaren-Escadrons nebst einer Escadron Albrecht-Dragoner und
Die Sächsischen Husaren .
77
200 Mann Infanterie in Saalfeld als Avantgarde unter die Befehle des Generalmajors v. Gutschmid *) gestellt , welchem zugleich die Deckung des Corps gegen einen Flankenangriff von Böhmen her oblag. Wirklich hatte hier eine Husarenpatrouille am 30. April bei Schönberg zwischen Adorf und Eger ein Gefecht mit einer Oester reichischen Ulanenabtheilung , bei welcher sieben Mann , darunter Rittmeister v . Belmont und Cornet v. Seld , verwundet, die Feinde aber zum Rückzuge genöthigt wurden. Unbebelligt konnte nun das Sächsische Heer seinen Marsch durch Bayern , der Böhmischen Grenze entlang, nach Passau fortsetzen, wo es, mit der Französischen Division Dupas zusammenstoszend , als 7. Corps der Französischen groszen Arinee dem Oberbefehle des Marschalls Bernadotte unterstellt wurde. Bei Fortsetzung des Marsches auf dem rechten Donau- Ufer traf die Tête der Sachsen am 17. Mai in Linz gerade in dem Augenblicke ein , als die Oesterreicher unter Kollowrath die Stellung der Württem berger auf dem lisken Ufer der Donau bei dem Dorfe Urfabr über Gutschmid wurde sofort mit seinen vier Esca raschend angriffen . drons über die Schiffbrücke
zur Unterstützung der gegen
grosze
Uebermacht kämpfenden Württemberger entsendet ; später folgten ibm noch andere Sächsische Truppen . Im Vereine mit den Württem berger Jägern
zu Pferd
machten die vier Escadrons
der
Avant
garde, trotz des ungünstigen Terrains und der Anstrengung des zu rückgelegten langen Tagemarsches, mehrere höchst gelungene An griffe auf die feindliche Infanterie und Artillerie in der Nähe des Dorfes Dornach , bei welchen vier Kanonen erobert und ein Oberst Der Verlust der vier und einige hundert Mann gefangen wurden . Escadrons betrug nur sechs Todte, 27 Verwundete und vier Ver Von den Husaren hatte sich besonders der Major Freiherr misste . v . Lobkowitz ausgezeichnet . Am
19. Mai
bestand
der Rittmeister Freiherr von
und Neuhaus ** ) vom Husaren - Regimente, welcher mit 60
Czetteritz Pferden
und 25 Schützen zur Wiederherstellung der Fühlung mit dem der Budweiser Strasze
auf
gegen Neumark zurückgewichenen Feinde
entsendet worden war , ein Gefecht mit der Oesterreichischen Arrière garde bei Weitersdorf jenseits Gallneukirchen . die ersten überlegenen Kräfte,
Auch hier gelang es,
auf die man stiesz, zurückzuwerfen ;
*) Gutschmid war kurz vor der Mobilisirung zum Generalmajor avancirt und commandirte eigentlich die 1. Cavallerie - Brigade des Corps . **) Starb als Preuszischer Generalmajor a . D. , einige 90 Jabre alt , zu Dresden .
Die Sächsischen Husaren .
78
bald aber wurde Czetteritz von zwei Escadrons ,
deren Infanterie
rasch folgte, in Front und Flanke angegriffen und vermochte sich nur mit einem Verluste von 16 Husaren und 17 Schützen durch zuschlagen . General v,
Gutschmid war indessen von dem die sämmtlichen
Vorposten befehligenden General Vandamme beauftragt worden , mit seinem ganzen Detachement, welches jetzt nächst den drei Husaren Escadrons noch aus vier Escadrons des Chevauxlegers - Regiments Prinz Clemens und dem Schützen- Bataillone des Majors von Egidy bestand , Abends 7 Ubr von Katzbach aufzubrechen und gleichfalls auf Neumark vorzugehen. Nach einem halbststündigen Marsche stiesz man auf den Rittmeister von Czetteritz mit dem Reste seiner Patrouille, welcher den Verlauf seines Gefechtes meldete. Am Aus gange des Waldes diesseits von Neumark blieb Gutschmid dein Feinde
1200 bis 1500 Schritt gegenüber stehen ,
um den Anbruch
des Tages abzuwarten. Am 20. Mai früh erfolgte der Angriff; Neu mark wurde von den Schützen genommen und der Feind gegen Freistadt
zurückgeworfen.
In
dem kleinen , glücklichen
Gefechte
waren von Gutschmid's Cavallerie nur zwei Offiziere und vier Mann verwundet worden ; die Oesterreicher hatten zwölf Todte auf dem Platze gelassen . Während des weiteren , lagern
bei
St. Pölten
und
durch den Aufenthalt in den Hütten Sieghardskirchen
unterbrochenen
Vor
marsches des Bernadotte’schen Corps von Linz gegen Wien deckte Gutschmid mit drei Escadrons Husaren, zwei Escadrons Carabiniers und vier Escadrons Clemens - Chevauxlegers nebst dem Schützen -Ba taillone Egidy die linke Flanke desselben gegen die
das
nördliche
Donau- Ufer fortwährend behauptenden Oesterreicher unter Kollowrath . In der Schlacht bei Wagram hatte die Sächsische Cavallerie das Glück , ziemlich vereinigt *) und auf günstigem Terrain zu kämpfen. Die unter Gutschmid's Befehlen stehenden Schwadronen hatten am 5. Juli von allen Abtheilungen des Bernadotte'schen Corps
zuerst
( wohl gegen Mittag) die über den Donau- Arm bei Mühlleiten ge schlagene Schiffbrücke überschritten und wurden daher auch bei dem Vorrücken desselben zuerst vorwärts in die sich von Breitenlee rechts bis
gegen
lung hinter dem Russ- Bach ausdehnt . eine sehr zahlreiche,
die weite Ebene detachirt, die Oesterreichische Stel
Gutschmid fand hier bereits
auch durch Infanterie unterstützte Cavallerie
*) Nur das Regiment Johann - Chevauxlegers (vier Escadrons) war zum Corps Oudinot's detachirt.
Die Sächsischen Husaren .
79
sich gegenüber und in seiner linken Flanke .
Mit den Husaren und
dem Regiment Clemens ging er sofort entschlossen gegen den weit überlegenen Feind vor, und es war dabei besonders wieder dem um sichtigen Verhalten des Majors v. Lobkowitz, welcher Escadron eine rasche Schwenkung ausführte und die
mit seiner
linke Flanke
der feindlichen Linie attackirte , zu verdanken, dass dem ungleichen Kampfe eine für die Sächsischen Waffen günstige Wendung ben wurde . Mittlerweile war der übrige Theil der Sächsiscben
gege
Cavallerie
unter dem General v. Feilitzsch herangerückt, und die 16 Sächsischen Schwadronen marschirten nun in einem Treffen auf, dessen rechten Flügel die Husaren bildeten . Die Oesterreicher beschossen diese Linie fortwährend sehr wirksam mit ihren Schützen und bedrohten zugleich deren linke Flanke, und da Bernadotte den Wunsch äuszerte, diesen Theil des Schlachtfeldes vom Feinde gereinigt zu sehen, be schlossen die Generale Feilitzsch und Gutschmid einmüthig , trotz der hier sehr bedeutenden Uebermacht der Oesterreicher auf eigene Hand zum Angriffe überzugehen. Die Cavallerie- Linie rückte nun in gröszter Ordnung vor, überritt die sie mit Kugeln überschüttenden Tirailleure und liesz sich auch durch eine Carabinersalve des Feindes, der im Vertrauen auf seine Stärke nichts weniger als diesen Angriff erwartet hatte, nicht abhalten, sondern drang mit verhängtem Zügel in denselben ein und schlug ihn aus dem Felde . Währenddessen hatte sich in der rechten Flanke das Oesterreichische Regiment Chasteler formirt,
aber
der Major v.
Infanterie
Lobkowitz
liesz
sofort die Husaren -Escadron des Rittmeisters von Lindenau rechts schwenken und die Infanterie attackiren, welche trotz einer wohl abgegebenen Salve gesprengt wurde . Eine Fahne des Regiments fiel dabei den Husaren in die Hände . Bernadotte's Wunsch war nun erfüllt und der Oesterreichische linke Flügel aus der Ebene in seine befestigte und durch zahlreiche, in treffliche Positionen vertheilte Artillerie vertheidigte Stellung binter dem Russ -Bache zurtickgedrängt. Man schritt jetzt , obschon sich der blutige Tag bereits seinem Ende zuneigte,
zum Angriffe auf
diese, bei dem der Natur der Sache nach die Hauptrolle der In fanterie zufiel.
Die Sächsischen Bataillone begannen nun ihren an
fangs vom Glücke begünstigten, aber durch die Nacht unterbrochenen und mit der Wiederaufgabe des schon genommenen Dorfes endigen den Angriff auf Wagram. Beim Abzuge der aus dem Dorfe reti renden, in der Finsterniss sehr durcheinander gerathenen
Infanterie
hatte noch, zwischen 10 und 11 Uhr Nachts, die zur Deckung von
Die Sächsischen Husaren .
80
deren linker Flanke aufgestellte Husaren- Escadron Lindenau Ge legenheit , über die verfolgenden Oesterreicher herzufallen , ihnen namhafte Verluste zuzufügen und sie in das Dorf zurückzutreiben . Am zweiten Tage der Schlacht, den 6. Juli, hatte die Sächsische Cavallerie nur Gelegenheit, zu beweisen, dass ihre ruhige Gelassen heit in dem anhaltendsten Kanonenfeuer ihrem Muthe im Gefechte gleichkomme ; denn in ihrem Corps rechts rückwärts von Aderklau zwischen dem Corps Massena's und den Italienern aufgestellt, wurde die Sächsische Reiterei ,
von unwesentlichen partiellen Zusammen
stöszen abgesehen, nur ein Mal und zwar von Bernadotte persönlich vorgeführt , als die Flucht der von Aderklau zurückgeschlagenen Franzosen sich links an den Sachsen vorbei und beinahe in deren Rücken ergoss .
Es blieb jedoch bei einer kurzen Vorwärtsbewegung
im Trabe ; denn da sie dabei nothwendiger Weise ihre rechte Flanke den feindlichen Batterien preisgeben musste, so erhielt sie von diesen ein so mörderisches Feuer, dass sie der Marschall sogleich wieder umkehren und hinter die Infanterie zurückgehen liesz . Von dem starken Verluste, welchen die Sachsen bei Wagram erlitten, kommt auf die drei Husaren-Escadrons, trotz ihrer am 5. Juli so erfolgreichen Thätigkeit, verhältnissmäszig nur ein geringer An theil. Die Mannschaft zählte 6 Todte, 12 Mann waren schwer ver wundet, 22 wurden vermisst.
Dagegen hatte das Regiment den Ver
lust von zwei Offizieren zu beklagen,
indem der Premierlieutenant
v. Selchow und der Souslieutenant und Adjutant Wagner in der Schlacht geblieben waren . Am 7. Juli wurde Gutschmid mit den Husaren und dem Chevaux legers - Regimente Prinz Clemens bis Kummerleinsdorf vorgeschoben, um die verlorene Fühlung mit dem Feinde herzustellen . 9. Juli mit dieser Cavallerie,
Als er am
einem Schützen- Bataillone und zwei
Geschützen weiter auf Marchegg marschirte, kam es hier noch zu einem kleinen Gefechte, an dem sich die Husaren mit betheiligten. Auszer Thätigkeit blieben dieselben dagegen am 13. Juli bei Stam pfen , wo Gutschmid , obgleich beide Theile bereits von dem am 11. Juli zu Znaim abgeschlossenen Waffenstillstande Nachricht er halten hatten, von den Oesterreichern noch einmal zum Gefechte genöthigt wurde, welches jedoch für diese mit einer völligen Nieder lage und dem Verluste von gegen 100 Todten und über 400 Ge fangenen endigte. Wie man sich erinnern wird, waren bereits 1808 zwei Esca drons Husaren unter dem dort zum Oberstlieutenant avancirten Majore von Gablenz nach Polen marschirt.
Die hier befindlichen
Die Sächsischen Husaren .
81
Sächsischen Truppen , nur wenige hundert Mann, unter dem General major von Dyherrn, fanden beim Ausbruche des Krieges 1809 zu nächst Verwendung bei der Armee des Fürsten Poniatowski, und betheiligten
sich ,
obgleich der Befehl
zu ibrer Abberufung nach
Sachsen bereits eingegangen war, noch in sehr ebrenvoller Weise an dem Treffen
bei
Baczin , welches am 19. April gegen den im
Groszherzogthume Warschau eingerückten Erzherzog Ferdinand ge liefert wurde. Gleich darauf erfolgte der Rückmarsch nach dem von Truppen fast gänzlich entblöszten und einem Einfalle der Oester reicher von Böhmen her preisgegebenen Vaterlande. Die Vertheidi gung desselben mit etwa 1100 Mann, fast blos Recruten und Inva liden, war dem Obersten und Königlichen Generaladjutanten Thiel mann, dem wir zuletzt im Feldzuge 1806 als Husaren- Rittmeister begegnet waren , übertragen . Als am 23. Mai das aus Polen eintreffende Detachement sich bei Dresden mit dem Thielmann'schen vereinigte, erreichte dieses eine Stärke von etwa 2000 Mann .
Trotz dieser schwachen Kräfte
ergriff der Oberst Thielmann *) doch sofort die Offensive, indem er über Nollendorf eine Recognoscirung unternahm und gleich darauf das von einer Abtheilung des Herzogs von Braunschweig besetzte Zittau überfiel.
Bei beiden Gelegenheiten fiel den Husaren eine der
Natur ihrer Waffe sehr entsprechende Rolle zu ; die kecke Offensive der Sachsen hatte jedoch zur Folge, dass sich die Oesterreicher welche auf diesem Kriegstheater sich gern passiv verhalten hätten , nun veranlasst fühlten , ein Corps unter dem Generale Am Ende über Thielmann , Dippoldiswalde gegen Dresden vorrücken zu lassen. auszer Stand, die Hauptstadt gegen den weit überlegenen Feind zu vertheidigen, zog sich am 11. Juni nach einem glücklichen Arrière gardengefechte gegen die nachrückenden Oesterreicher und Braun schweiger bei Wilsdruff auf Weiszenfels ab ,
dem unter Jerome Na
poleon zur Hülfe herbeirückenden Westphälischen Corps entgegen . Auf diesem Marsche war aus den Thüringischen Depots noch eine dritte Husaren-Escadron unter dem Major von Mandelslob herange zogen worden . Von Weiszenfels wurde nun wieder mit vereinten Kräften gegen Dresden vorgerückt , und es kam auf diesem Neben *) Obgleich der Generalmajor von Dyherrn anfangs dem Namen nach den Befehl über die vereinigten Abtheilungen führte, war die Persönlichkeit Thielmann's damals doch schon eine so einflussreiche, dass Jener ihm , gleichsam als selbstverständlich , die Leitung der Operationen völlig überliesz. Ein be sonderer Auftrag des Königs gab bald darauf einen schicklichen Vorwand , Dyherrn zu entfernen. 6 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine , Band XXII.
Die Sächsischen Husaren .
82
theater des groszen Krieges an der Donau zu Operationen ,
welche
zwar nicht mit entscheidenden Kämpfen, wohl aber mit Actionen verbunden waren , die den drei Husaren - Escadrons und ihrem thätigen und gewandten Führer, dem Oberstlieutenant von Gablenz, viel Ge legenheit zur Auszeichnung boten .
Dies war um so mehr der Fall,
als Jerome's junge Armee sich bis auf einige wenige Abtheilungen noch in sehr unzureichendem Grade verwendbar
zeigte und dem
Thielmann'schen Corps stets die Avantgarde und die besondere Um sicht und Kühnheit erfordernden Aufträge überlassen wurden . Der nach der Schlacht bei Wagram
abgeschlossene Waffen
stillstand beendete den Krieg sowohl an der Donau , als in Sachsen , wo in Folge desselben der General Am Ende am 21. Juli Dresden räumte .
Nur der Herzog von Braunschweig setzte noch einige Zeit
die Feindseligkeiten auf eigene Hand fort, und noch am 10. August war ein Offizier von dessen Freicorps mit 120 Mann Infanterie von Böhmen her in Schandau eingerückt.
Dies
gab
dem
mit
einem
Depôt maroder Pferde in Pirna liegenden Cornet Wachtel des Hu saren- Regiments Gelegenheit zu einem kecken Husarenstückchen . Er machte 19 Mann nothdürftig beritten , suchte mit denselben die feindliche Abtheilung auf und liesz dieselben den Bruch des Waffen stillstandes theuer bezahlen, indem er sie in der Gegend von Seb nitz auseinandersprengte, den Führer derselben und mebrere Mann tödtete und 31 Mann gefangen nahm , während er selbst nur einen Todten verlor. Der Feldzug 1809 erhob mehrere aus dem Husaren -Regimente hervorgegangene Offiziere
zu
sicheren Stellungen .
Noch an
der
Donau wurde Generalmajor Freiherr von Gutschmid zum Chef des Husaren -Regiments ernannt und ihm das Ritterkreuz des St. Heinrichs ordens *) ertheilt.
Die neue Organisation des Sächsischen Heeres im
folgenden Jahre, durch welche zuerst die ständige Eintheilung des selben in Divisionen und Brigaden verfügt wurde, brachte ihn
mit
gleichzeitiger Beförderung zum General-Lieutenant an die Spitze der Cavallerie- Division . Thielmann war gleichzeitig mit seinem in der Anciennetät älte ren vormaligen Regimentscameraden Funck auch bereits im Juli 1809 zum Generalmajore
avancirt ;
Beide
wurden
1810 Brigade -Com
mandeure.
*) Er hatte denselben für die Rhein-Feldzüge wohl nur darum nicht er halten, weil ihm der Preuszische Pour le mérite verliehen wurde, und der Besitz zweier Orden damals selbst bei Generalen in Sachsen noch ohne Beispiel war.
Ueber das Kriegsspiel.
83
Im Husaren- Regiment erhielten, abgesehen von den von Napo leon verliehenen Ehrenlegionskreuzen, die Majore Freiberr v.
Lob
kowitz *) und v. Lindenau, die Rittmeiser Freiherr v. Czetteritz und Heintze und Premierlieutenant v. Lüttichau für den Feldzug an der Donau, die Rittmeister v. d . Planitz und v . Feilitzsch, der Premier lieutenant v . Feilitzsch und der Souslieutenant v . Heringen für den Feldzug in Sachsen das Ritterkreuz des St. Heinrichsordens. ( Schluss folgt.)
VII .
Ueber das Kriegsspiel.
Wie auf allen Gebieten der Kriegs-Wissenschaft, hat sich auch bezüglich des Kriegsspiels in den letzten Jahren eine erhöhte Rübrig . keit in der Armee kund gegeben.
Angeregt durch die Wirkung,
welche die groszen Ereignisse der letzten Kriege in verschiedenen Zweigen des militairischen Lebens hervorbrachten , wurde an vielen Orten das in früherer Zeit theilweise vernachlässigte oder lediglich als eine Domaine der älteren Generation betrachtete Kriegsspiel wieder hervorgesucht und aufgefrischt;
die jüngere Generation be
mächtigte sich desselben , und auch sie wurde durchdrungen von der Wichtigkeit und der Fülle des Interessanten, welches dasselbe für Dies neu
den denkenden und vorwärts strebenden Offizier bietet .
erwachte Interesse am Kriegsspiele documentirte sich zuerst an dem Anleitung zum vermehrten Absatze der 1862 erschienenen Kriegsspiele “ von Tschischwitz ,
welche bis 1874 vier Auf
Diese Schrift hat die alten Reisz witz'schen Regeln beibehalten und vorzugsweise in Bezug auf die Veränderungen , welche die moderne Umbewaffnung etc. der Heere forderte, umgearbeitet.
lagen erlebte .
Die alten Formen und Regeln konnten indessen , herausstellte,
Angesichts der Umwälzungen, welche
wie sich bald sich
seit der
ersten Einführung des Kriegsspiels in Bezug auf die Schusswaffen der Artillerie und Infanterie , die theilweise veränderte Organisation
*) Wurde im Februar 1810 zum Oberstlieutenant und Königlichen Flügel adjutanten ernannt.! 6*
Ueber das Kriegsspiel.
84
der Heere und die durch Beides hervorgerufenen Veränderungen in der Taktik nicht wohl mehr in allen Theilen als zweckmäszig und zutreffend bezeichnet werden . Das Bedürfniss, welches sich geltend machte, sehr bald
regte denn auch
hervorragend befähigte Offiziere zur Abhülfe an ,
und zu
der alten gesellte sich eine, zwar nicht der Zahl der Werke, wohl ihrem Gehalte nach , recht bedeutende neuere Literatur.
aber Die
neue Aera für das Kriegsspiel wurde durch die im Jahre 1872 er scheinende, in einer zweiten Auflage umgearbeitete , Anleitung zur Darstellung von Gefechtsbildern mittelst des Kriegsspiel - Apparates “
des
Obersten
z.
D.
Thilo
von
Trotha ( 1. Auflage von 1869) eingeleitet. Bahnbrechend wurde jedoch erst der Hauptmann Meckel in seiner 1873 herausgegebenen Schrift : „ Studien über das Kriegs spiel “ .
Von der Trotha'schen Schrift folgte 1874 der zweiten Auf
lage die dritte, und Ausgang 1875 erschien des Obersten v . Verdy Beitrag zum Kriegsspiel“ . Diese drei Schriften haben trotz ihres wenig bedeutenden Um fanges in
gewisser Weise grundlegend für das neuere Kriegsspiel
gewirkt , und wenn auch selbst durch das Bedürfniss hervorgerufen, ibrerseits wieder dazu beigetragen, das lebendige Interesse an der Ausübung dieser
„ praktischen Militair -Wissenschaft “ in
weiteren Kreisen anzuregen und zu erweitern . Man muss es als einen groszen Vorzug betrachten ,
dass diese
Schriften sich zudem in so zweckmäsziger Weise ergänzen, dass vorläufig die Theorie vom Kriegsspiele zu einem gewissen Abschlusse gekommen und zum Wenigsten ein festes Fundament gewonnen ist, von dem aus nach allen Richtungen bin weiter gebaut werden kann. Meckel ,
in gewissem Sinne der Vertreter der jüngeren Ge
neration in der Armee, führt uns in seinen Studien den Werth und die Art des Kriegsspiels vor Augen, und half somit für die Masse der Offiziere , denen die älteren , meist vergriffenen Schriften nicht mehr zugänglich waren, dem ersten , wesentlichsten Bedürfnisse ab. Er beleuchtet zuerst „ die Bedeutung des Kriegsspiels als Gefechts bild , als Uebung in der Kunst des Befehlens , als Uebung in der Kunst der Unterordnung und dem Einleben in den Willen der Vor gesetzten , als fortwährende Terrainstudie, als eine Reihenfolge takti scher Entschlüsse und Berechnungen ,
als Mittel theoretischer Be
lehrung , als Anregung zu kriegswissenschaftlichen und kriegsge schichtlichen Studien " ; er bespricht dann die Leitung des Spiels im Allgemeinen, entwickelt ferner die bisherigen Schwächen desselben,
Ueber das Kriegsspiel.
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charakterisirt die verschiedenen Arten und giebt endlich die Mittel zur möglichen Verbesserung an . Die bisherigen Schwächen glaubt er namentlich bei der Art der
Leitung und
der Ermittelung
der Waffenwirkung
speciell in der Feuerwirkung suchen zu müssen .
Eine kurze
Perspective in die Zukunft des verbesserten Kriegsspiels, sowie eine Darlegung der seiner Ansicht nach nothwendigen Einwirkung der höheren Instanzen zur Hebung desselben, schlieszt das Werkchen . Die Hauptsachen, worauf Meckel pointirt, sind : Die Leitung des Kriegsspiels
soll auf Grund
praktischer Erfahrung und
gereifter
taktischer Befähigung hauptsächlich nach bester Einsicht geschehen und ohne die Anwendung eines allzugroszen Gedächtnisskrames mög lich sein . Die Menge von schematischen Spielregeln ist möglichst zu reduciren , jedoch eine gewisse Anzahl derselben streng zu beachten . Der leider für die Militair-Literatur zu früh dahin geschiedene verdienstvolle Oberst Trotha ist als Vertreter der älteren Ge peration zu betrachten,
d . h . desjenigen Theils derselben, der,
mit
der Zeit fortgeschritten, das Neue sich nach Kräften zu eigen ge macht hat und mit warmem Interesse die Bestrebungen der Neuzeit durch die reifen Erfahrungen des Alters zu unterstützen bereit ist. – Unter diesem Gesichtspunkte wird man
so recht den Werth seiner
hier einschlägigen, oben erwähnten Schrift zu würdigen in der Lage sein , für welche schon der Umstand spricht, dass die dritte Auflage der zweiten vom Jahre 1872 so bald folgen konnte. — Trotha bietet in derselben nach einer sehr interessanten allgemeinen Einleitung zunächst deren
eine
Abhandlung über die mitwirkenden Personen
Functionen ,
erläutert
demnächst den
und
Apparat und dessen
specielle Anwendung und legt dann die Art der Ermittelung der Feuer- und Waffen -Wirkung dar ; zuerst allgemein , dann speciell durch Beleuchtung des Gefechts der verschiedenen Waffen gegen einander. Zum Schlusse wird der Gang einer Gefechtsübung, sowie die Art der Protocoll- Führung darüber und die dabei zu beachtenden Regeln
ausgeführt.
Eine
Anzahl
Beilagen
giebt
eine
Menge
schätzenswerther Details , betreffend Normal -Aufstellung und Bewegung von Truppen, über Schieszresultate, über das Würfeln, Einfluss von Terrain-Hindernissen etc.
Trotha steht vorzugsweise auf dem Boden
des alten Kriegsspiels mit allen seinen Regeln,
Berechnungen und
complicirten Finessen, und bestrebt sich, die ältere Art und Spiel weise den neueren Forderungen anzupassen . Der dritte der obengenannten Autoren, -- Oberst von Verdy -
Ueber das Kriegsspiel.
86 der geniale
und in
seinen
theoretischen
Abhandlungen dabei
so
eminent praktische Verfechter der applicatorischen Lehrmethode, der mit seinen Studien über Truppenführung so epochemachend in der Literatur dasteht , kann in Hinsicht auf das Kriegsspiel sowohl als Vertreter der älteren , wie der jüngeren Generation angesehen werden . Ersterer steht er,
vermöge seiner Jugenderziehung, sowie seinem
Lebens- und Dienstalter nach , näher als Meckel , letzterer wiederum , sagt er, vermöge seiner in den Kriegen der Neuzeit gesammelten praktischen Erfahrungen und der bewiesenen auszerordentlichen Be fähigung , die Kriterien der Truppenfübrung in plastischer Form zu fixiren, jedenfalls mehr zu wie Trotba. Dass ein Schriftsteller von solcher Bedeutung , man kann wobl sagen, es nicht verschmäht hat, eine anscheinend so geringe Materie wie das Kriegsspiel zu bearbeiten, giebt einen Maaszstab für die grosze Bedeutung , allen Freunden werden .
des
welche diesem innewobnt , und kann daher von Kriegsspiels
nicht hoch
genug angeschlagen
Oberst Verdy will auch in dieser Schrift sozusagen wieder ein mal zeigen , wie man es machen muss , und zwar entwickelt er an einem concreten Falle den Verlauf eines Kriegsspiels nach einem radical abgekürzten Verfahren : „ Er legt z . B. weder Werth auf die früher vorgeschriebene Anwendung einer Menge von einzelnen Regeln, noch auf die subtile Ermittelung der Waffenwirkung oder penible Führung von Verlustlisten etc. “ Wie immer, ist dabei seine Darstellung trotz einer Menge von Details klar,
sachlich und knapp .
sich für den ,
welcher das Kriegsspiel noch nicht oder bisher nicht
Eine Fülle von Belehrung bietet
so betrieben , und derjenige, welcher bereits in dieser Manier gewirkt bat, glaubt ein leibhaftiges Spiegelbild vor sich zu sehen , mag auch das vorgeführte Beispiel in sich sehr verschieden von etwa bisber selbst durchgespielten sein . Verdy steht noch weiter links wie Meckel in Bezug auf das frühere Kriegsspiel , wie es die alte Schule von Reiszwitz und Tschischwitz executirte und was Trotha vornehmlich nur moderni siren will . Meckel fordert z. B. bei dem Kriegsspiele mit kleinen Detache ments (circa ein Bataillon, eine Escadron und einige Geschütze auf jeder Seite) , dass der Unparteiische, jedesmal wo Feuer angesagt wird, die Verluste constatirt, welche aus der angesagten Wirkung hervorgehen. Er fordert ferner, dass dieselben für jede Truppen Abtheilung in jedem Zuge festzustellen und zu notiren sind , dass
Ueber das Kriegsspiel. besondere Verlustlisten für jede Compagnie,
87 Escadron , Batterie,
sogar für jeden Zug , sobald er selbstständig auftritt , überhaupt für jede kleinere detachirte Abtheilung zu führen sind . Verdy dagegen stützt sich lediglich auf die Erfahrung und Urtheils scbärfe des Leitenden, berührt die erwähnten Subtilitäten fast gar nicht, sondern betrachtet die Resultate der Waffenwirkung lediglich unter dem Gesichtspunkte der allgemeinen Gefechtsfähigkeit der be treffenden Truppentheile in den Haupt-Gefechtsmomenten . Verdy's Ansicht gipfelt darin :
Es ist gleichgültig zu entscheiden, ob eine
Compagnie oder Escadron 20 resp . 50 Mann verloren hat , sondern es handelt sich darum, festzustellen : „ Wird eine Compagnie etc. nach was sie vorher erlebt und geleistet hat , noch im Stande sein ,
dem ,
Angesichts der und der Verhältnisse noch das und das zu unter nehmen resp . mit Erfolg durchzuführen ? “ Meckel kennt zwar auch diese Manier er nennt dieselbe das grosze Kriegsspiel,
glaubt aber für dieses als geeignetste Truppen
stärke eine gemischte Brigade oder eine selbstständige Division an nehmen zu müssen . Verdy zeigt, dass dazu so bedeutende Truppen körper nicht nothwendig sind, er verwendet vielmehr auf der einen Seite drei Bataillone , vier Escadrons und eine Batterie, auf der anderen drei Bataillone, zwei Escadrons und eine Batterie. Das fingirte Gefecht bei Cannewitz ist dabei eben so fein erdacht, naturgemäsz ausgearbeitet.
wie
Meckel hat nun seine Ansichten resp . sein System weiter ent wickelt, und zwar in seiner „ Anleitung zum Kriegsspiele “ , wovon der I. Theil , Directiven für das Kriegsspiel “ ent haltend, ebenfalls 1875 erschienen ist.
Der II. Theil , welcher noch
aussteht, soll mittelst Darstellung ganzer Kriegsspiel- Aufgaben Bei spiele resp . Muster für die Leitung bringen . Im I. Theile wird im ersten
Abschnitte
eine
specielle Cha
rakteristik des Kriegsspiels , seiner Entwickelung und der verschie denen Arten desselben gegeben : „ Detachements- , groszes und kleines Kriegsspiel “ !
Der zweite Abschnitt enthält die Beschreibung des
Apparates und seine Anwendung.
Meckel will Pläne im Maaszstabe
von 1 : 6250 resp. 1 : 12,500 und 1 : 100,000 angewandt wissen, bringt zwei Arten von Truppenzeichen in Vorschlag und führt die Anbringung von Pfeilen bei Pions
für marschirende
Truppen ein .
Würfel, Würfeltabelle und Ermittelung der Feuerwirkung ist gegen früher sehr vereinfacht. *)
*) In weiterer Ergänzung des zweiten Abschnittes gab Meckel bald darauf ein kleines Schriftchen, „ der verbesserte Kriegsspiel-Apparat“, heraus, welchem
Ueber das Kriegsspiel.
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Der dritte Abschnitt beschreibt den Gang der Uebung, die Leitung und die Verwendung der Mitspielenden ; der vierte endlich bespricht den Betrieb des Kriegsspiels in den Offiziercorps der Armee . Der noch ausstehende II. Theil wird in Folge des Erscheinens des Verdy'schen Beitrages zum Kriegsspiele wohl etwas beeinträchtigt werden . In einer Richtung hat wenigstens der Verdy'sche Beitrag Meckel überholt ; denn für die Art einer Leitung und Durchführung, wie sie das Verdy'sche Beispiel klar legt , Mustergültigeres geschrieben werden können .
wird schwerlich etwas Für jedes Genre des
Kriegsspiels werden ein, höchstens zwei Beispiele genügen , da ja eine Beispielsammlung für das Kriegsspiel niemals den Zweck haben kann, eine Anzahl Schablonen,
nach denen gespielt werden muss,
zu liefern . Eine solcbe darf lediglich den Zweck verfolgen , zu zeigen, wie der betreffende Verfasser ( hier also Meckel) sich die Fleisch werdung seiner Ideen und seines Systems denkt ! — ( Dem Vernehmen nach soll das Erscheinen des II. Theils demnächst bevorstehen . ) Aus Vorstehendem dürfte ersichtlich sein , in welcher Weise sich die drei resp . vier für das neuere Kriegsspiel grundlegenden Schriften zu einander verhalten , welche Ziele sie verfolgen, wie sie sich gegen seitig ergänzen, und in welchen Punkten sie sich entgegenstehen . Wie sehr aber diese Schriften zu rechter Zeit erschienen ,
und
wie richtig sie den vorliegenden Bedürfnissen entsprechen, das wird bewiesen , einmal durch die rasche Verbreitung, welche dieselben ge funden, und dann durch die beifällige Aufnabme, welche ihnen Seitens der Kritik zu Theil geworden ist.
Gegenwärtig dürften diese Heft
chen in keiner Regiments- oder Divisions- Bibliothek fehlen. Gleichen sie doch in der That dem Regen , welcher auf einen empfänglichen Boden niederfällt und befruchtend tausend neue Keime zum Leben erweckt. Schon durch die gegenseitige Friction , welche ihre Publicirung hervorgerufen, wurde eine Replik Trotha's contra Meckel veranlasst, welche die Jabrbücher für die Deutsche Armee und Marine im Februar -Heft pro
1874 brachten , und
die ungemein fesselnd
ge
schrieben , viel Stoff zum Nachdenken lieferte. — Trotha vertheidigt sich hier gegen einige Vorwürfe, welche Meckel der älteren Kriegs spielmanier macht, und zwar thut er dies sehr geschickt auf in directem Wege .
Er fasst das moderne Kriegsspiel an seiner Achilles
ferse, und diese besteht in der Schwierigkeit des Leitens und in der
die Zeichnungen der Pions , Maaszstäbe , ein Schema für Verlustlisten , eine Würfeltabelle und die Uebersichtskarte eines Phantasieplanes beigegeben sind.
Ueber das Kriegsspiel.
Wahrscheinlichkeit ,
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dass bei je gröszerer Emancipirung von
den
festen Spielregeln und je freierer Entscheidung nach eigener Ein sicht , desto leichter die Entscheidungen des Leitenden die Spieler nicht befriedigen, sondern zu oft weitläufigen und nicht immer lehr reichen Wortgefechten Veranlassung geben können .
Eine Ausnabme
bietet nur der Fall , wenn der Leitende eine anerkannte Autorität oder mindestens eine Capacität auf taktischem Gebiete ist ! --- Trotha führt vornehmlich aus , dass das kräftige Selbstdurchführen selbstständig entworfener Gefechts - Dispositionen nur dann zur Geltung kommen kann, wenn die Uebungen auf neutralem Boden ausgeführt werden,
d . h . wenn nach Hauptgrundzügen
ver
fahren wird , die sowohl für die Parteien als für den Leitenden gleich mäszig Geltung haben. – Trotha sieht in der genauen Befolgung der Spielregeln vor Allem eine wesentliche Erleichterung der Leitung, eine Unterstützung unparteiischen Urtheiles, und erklärt sich nach Zurückweisung einiger von Meckell, theils gegen das ältere Kriegs spiel überhaupt,
theils gegen specielle Punkte in Trotha's Schriften
erhobenen Anklagen, im Uebrigen mit vielen Ideen von Meckel ein verstanden. Die ganze Replik macht durch die Ruhe und den sach lichen Ton einen höchst wohlthuenden Eindruck . Jedenfalls steht nun so viel fest, dass der Anfang von dem ge macht ist ,
was alle drei Autoren gemeinschaftlich erstreben , näm
lich : das Interesse in der Armee für das Kriegsspiel zu stärken, wo es schwach war, und hervorzurufen , wo es bis dahin nicht vor handen gewesen . In den beiden letzten Wintern sind in einer Menge von Garni sonen Offiziere zum Kriegsspiele zusammengetreten , theils dem eigenen Antriebe folgend , theils aus Anlass der Commandeure. In welcbem Maasze dabei ein Mebr gegen früher angenommen werden kann, erbellt daraus, wie bedeutend Seitens einer der renommirtesten Berliner Buchhandlungen nach uns gewordener Mittheilung in den letzten Jahren der Vertrieb an Kriegsspiel-Apparaten gewesen ist. Während in der Zeit von 1860 bis 1865 in Summa etwa 70,
also
für jedes Jahr etwa 12 , in den Jahren 1866 bis 1869 für jedes Jahr 10 Apparate verkauft wurden ,
steigerte sich die Zahl derselben im
Jahre 1874 auf 50, und im Jahre 1875 wurden noch 20 abgesetzt. — Abnehmer fanden sich auszer in Deutschland auch
in Frankreich,
Oesterreich , England , Schweden , ja sogar in Indien und Brasilien, ein Beweis , wie hoch das Kriegsspiel aller Orten in der Werth schätzung
gestiegen.
Eine
andere
renommirte Buchhandlung,
welche vorzugsweise den Vertrieb der neuen Meckel'schen Apparate
Ueber das Kriegsspiel .
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im Auge hat, setzte ebenfalls in den Jahren 1874 und 1875 be deutend, ja über das Doppelte mehr ab, wie in den Vorjahren. Jetzt, wo wieder eine Kriegsspiel - Campagne begonnen hat, mag
es an der Zeit sein , zu erwägen , welche Erfahrungen neuerdings gemacht sind und wie sich dieselben in der Praxis verwerthen lassen mögen. Zuerst wird es zweckmäszig sein, festzustellen, welcher der drei Richtungen, Trotha, Meckel oder Verdy, der Vorzug zu geben sein wird, resp . ob überhaupt einer vor der anderen ein Vorzug zuerkannt werden darf. Bei Erwägung dieser Frage sind hauptsächlich die personellen Verhältnisse der Spieler als maaszgebende zu betrachten, in zweiter Linie sodann der Grad der Bekanntschaft mit dem Kriegsspiele selbst und endlich das Maasz der Befähigung der Theilnehmer, vor nehmlich in Bezug auf Generalstabs - Wissenschaft, Taktik und Truppen lehre .
(Organisation, Administration, Reglement etc. ) Die Anregung zum Kriegsspiele kann innerhalb eines Offizier
kreises entweder von Vorgesetzten oder von den einzelnen Offizieren selbst ausgehen. Ersteres wird vorzugsweise in kleineren Garnisonen oder da stattfinden, wo ein Offiziercorps mehr unter sich verkehrt ; letzteres kommt häufiger in gröszeren Garnisonen vor, wo diejenigen Offiziere, bei denen das Interesse am Kriegsspiele rege geworden ist, auch von verschiedenen Waffen , sich innerhalb gewisser Alters grenzen, durch die gemeinschaftliche Neigung getrieben, leicht zu sammen vereinigen.
Nicht selten geben von auswärts her, nament
lich von Berlin, versetzte, resp. zu den Regimentern nach längerer Abwesenheit zurückkehrende Offiziere den ersten Impuls. Als günstig muss es bezeichnet werden, wenn sich ein älterer, jedoch nicht in zu hohem Range befindlicher Offizier vorfindet, der bereits unter erfahrener Leitung selbst das Kriegsspiel in seinen ver schiedenen Nüancirungen kennen gelernt und öfter betrieben, oder der Gelegenheit gehabt hat, im Kriege vorzugsweise Erfahrungen in Bezug auf Truppenführung zu erwerben. In den Fällen, wo ein Vorgesetzter (detachirter Bataillons- Com mandeur oder Regiments - Commandeur) die Anregung zum Kriegs spiele giebt und dasselbe entweder selbst oder durch einen ihm im Range zunächst Stehenden leitet , wenn die Theilnehmer also ge wissermaaszen durch einen dienstlichen Zwang zusammengebracht werden, erscheint es vortheilhaft , um der Sache zuerst Eingang zu verschaffen und das Interesse dafür zu erwecken, wenn das Spiel anfänglich möglichst ansprechend gestaltet wird . Hierzu eignet sich
Ueber das Kriegsspiel.
91
die Verdy'sche Methode vortrefflich. Man wird dann gut thun , eine oder auch zwei Aufgaben mit Detachements in der von Verdy an gegebenen Stärke nach dieser Manier flott und kurz durchzuspielen und dabei die Wirkung bei den Theilnehmern zu studiren . – Treten dagegen einige Offiziere aus eigener Initiative und Nei gung zusammen , ist die Mischung der Rang- und Altersverhältnisse
sowie bei gröszeren
Garnisonen die der Waffengattungen
eine glückliche, so empfiehlt es sich, falls nicht eine sich notorisch als Leitender von vornherein qualificirende Persönlichkeit (General stabs-Offiziere, Kriegs- Akademiker, Mitglied der höheren Adjutantur etc.) vorbanden ist, mit dem Spiele nach Trotha’scher Manier anzu fangen.
Es kann dann , da bei allen Theilnehmern Interesse für die
Sache vorhanden ist ,
sofort gewissermaaszen mit dem Fachstudium begonnen werden , und ist damit so lange fortzufabren, bis gereiftere
Erfahrung im Spiele selbst ein Heraustreten talentirter Persönlich keiten bewirkt. Ohne ein
Anschlieszen
an die
von
Trotha gebotenen festen
Regeln läuft ein solcher Kriegsspiel- Club sonst Gefahr,
bei jeder
Wendung des Gefechts in ein Labyrinth von entgegenstehenden An sichten über die Zweckmäszigkeit oder Zulässigkeit dieser oder jener Maaszregel der Spieler resp . Entscheidung des Leitenden zu gerathen . Je gröszer das Durchschnittsmaasz der Befähigung der einzelnen Theilnehmer ist, je mehr sie nach Alter und Rang sich nahe stehen , desto selbstständiger sind dieselben natürlich in ihrer militairischen Anschauungsweise unter einander, und der Leitende wird mit fas unübersteiglichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben ,
wenn er nur
als primus inter pares anerkannt wird und sich dann nicht auf den festen Boden der Spielregel stützen kann. — Soll sich das fernere Betreiben des Kriegsspiels in rationeller und wabrhaft nutzbringender Weise gestalten , so wird der Verlauf des Kriegsspiel- Betriebes bei den beiden hier supponirten Gruppen ein nahezu entgegengesetzter sein müssen, d . h . so lange man sich noch in dem Stadium des Lernens und der Ausbildung befindet. Die erste Gruppe mit dem Vorgesetzten als Autorität an der Spitze oder wenigstens unter dessen Auspicien arbeitend, muss nach den ersten , gewissermaaszen einleitenden Spielen allmälig
zu der
Anwendung fester Regeln übergehen, d. b . sie wird sich nach einer Reihe von abgespielten Aufgaben entweder in das Meckel'sche System oder in die Trotha'sche Manier einarbeiten . In den meisten Fällen
Ueber das Kriegsspiel.
92
wird für diese Gruppe das Spielen nach Meckel empfehlenswerther sein .
Es ist dies aus verschiedenen Gründen nöthig.
Es wird nur
wenige Vorgesetzte geben , welche sich selbst so weit beherrschen, dass sie jeden, aber auch den leisesten Versuch unterlassen , in den Gang des Spiels, in die Dispositionen der Gegner bestimmend, corri girend, helfend einzugreifen.
Selbst angenommen , die beste Absicht
waltet dabei vor, so ist es doch in hohem Grade schädlich , ja , ein solches Verfahren ist der Ruin des Spiels ; denn es tödtet das In teresse der Theilnehmer, weil es die freie Action beein flusst. Aber auch für den nicht ganz gewöhnlichen Fall , dass der lei tende Vorgesetzte im Verdy'schen Sinne seine Sache vortrefflich macht und sich jeder directen oder indirecten Beeinflussung auf die Maasznahmen der Spieler mit Erfolg enthält , so ist es nichtsdesto weniger wahrscheinlich , dass , wenn er stets frei entscheidet ,
sich
bald bei den Theilnehmern eine gewisse Befangenheit und Unsicher heit in Bezug auf die Durchführung namentlich bei Jüngeren ! wird ,
der Dispositionen
einstellen
Auch Trotha hebt schon hervor, welche gefährliche Klippe bier umschifft werden muss ,
und unseres Erachtens liegt in der Nicht
beachtung des Princips der Nichteinmischung in das Spiel selbst Seitens der Leitenden, in vielen Fällen der Grund, weshalb das Kriegsspiel in manchen Kreisen keine rechte Wurzel schlagen will , sondern lediglich durch höheren Einfluss resp. Befehl ge halten wird. Das Kriegsspiel unter Leitung von Vorgesetzten soll also mög lichst bald nach der Absolvirung einiger, wie gesagt, als Einleitung anzusehender,
nach Verdy abgespielter Beispiele zur Anlehnung an
feste Regeln übergehen, damit Spieler und Leitender unter gleichen ihnen beiden bekannten Gesetzen stehen . Der Untergebene wird dann als Spieler sich dem leitenden Vorgesetzten gegenüber bald sicher fühlen und desto selbstständiger disponiren resp. operiren, je mehr er die Regeln kennt ,
nach denen seine Maasznahmen sich
richten müssen und nach denen dieselben beurtheilt werden . Es ist klar, dass ein pedantisches Anklammern an die starre Regel in jedem Specialfalle auch hierbei nicht als das Ersprieszliche Immer muss der Leitende einiges Ge bezeichnet werden kann . schick und möglichst viel Takt mitbringen, um je nach Charakter und Wissensmaasz der Spieler beurtheilen zu können , welche Me thode in jedem Zeitpunkte die beste ist . – Ein Schwanken zwi schen verschiedenen Methoden innerhalb desselben Spiels oder gar
Ueber das Kriegsspiel. an
einem
und demselben
Spielabende
93
würde allerdings
geradezu
schädlich wirken . Die andere oben supponirte Gruppe,
bestehend aus Offizieren
von annähernd gleichen Altersverhältnissen ( Premierlieutenants und jüngere Hauptleute oder ältere Hauptleute und Stabsoffiziere), welche aus Neigung zur Betreibung des Kriegsspiels zusammentreten , be ginnt am besten, wie bereits erwähnt, mit der Methode von Trotha ibre Arbeiten – also unter der Aegide der festen Spielregel . Das „ Warum "
ist oben ebenfalls bereits erörtert.
tende hat hierbei umgekehrt ,
Der Lei
wie bei der anderen Gruppe ,
mit der
leicht zu sehr hervortretenden Selbstständigkeit der einzelnen Spieler zu kämpfen. -Um diese auf das richtige Maasz herabzumindern und seine Autorität zu befestigen, führt der sicherste Weg an der Hand der Spiel regel .
Haben die Theilnehmer nach mehreren Spielen sich gegen
seitig eingelebt und auszerdem die nöthige Routine und Sicherheit gewonnen ,
so wird es im allseitigen Interesse liegen , allmälig die -
Zügel etwas zu lockern und zu den freieren Methoden überzugehen . Man spiele dann demnächst nach Meckel'scher Manier und gehe zu letzt zur Verdy'schen Methode über. Ergiebt sich bei dem ersten Spiele nach einem freieren Systeme, dass die Klärung der Ansichten noch nicht weit genug vorgeschritten ist , um unnütze Controversen und Dispute zu vermeiden ,
so bleibt
eine Umkehr zur festeren Regel jederzeit freigestellt und solchen Fällen anzuempfehlen .
ist
in
Wir sehen demnach , dass beide Spielergruppen nach Verlauf einer gewissen Zeit – die eine bei Meckel oder Trotha, die andere bei Verdy angelangt ist.
Sollen beide nun in der angegebenen Weise
weiter arbeiten ? oder welches ist werden muss !
das Ideal ,
nach dem
gestrebt
Bei der zweiten Gruppe können wir die Frage so ziemlich un bedingt dahin beantworten, dass, falls ein Leitender vorhanden, der die Verdy'sche Methode in der richtigen Weise beherrscht , dieselbe jedenfalls vorzuziehen ist.
Bei der ersten Gruppe würde ein ständi
ges Verbleiben bei Trotha dann nachtheilig werden ,
sobald alle
Spieler ausreichend bekannt mit der Spielregel und in der Anwendung derselben hinreichend geübt sind . Das reichen
Interesse am Spiele wird einen Culminationspunkt er und dann wieder abwärts geben – ihn zu erkennen , ist
nicht leicht. Das Wünschenswerthe ist immer schlies zlich , nach
Ueber das Kriegsspiel.
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Verdy zu spielen ; die Mittel , welche sich dem Vorgesetzten als Entweder mag er
Leitenden dazu bieten , sind verschiedenfach .
selbst , falls er sich die Fähigkeit zutraut , diesen Uebergang bewerk stelligen , oder aber er wird einem der ihm im Range zunächst stehenden Untergebenen nunmehr die Leitung übergeben und für seine Person mehr in den Hintergrund treten . Vielleicht behält er sich dann nur eine kurze Scblusskritik vor. In den meisten Fällen wird sich während des bisherigen Spiels eine oder die andere Persönlichkeit als besonders geeignet für die Leitung des Spiels gezeigt haben .
Das Wahre wäre dann, wenn sich dieser
auch im Range höher stehende Cameraden unterordneten . Thatsächlich geschieht dies auch nicht selten , und wenn es der Fall ist , so kann
man immer annehmen , dass das Interesse
am
Kriegsspiele wirklich feste Wurzel geschlagen hat. Gerade darin, dass die Theilnehmer in wechselnde Beziehungen zu einander treten , wird bald ein groszer Reiz liegen . Jeder wird auszerdem Gelegenheit haben , sich in den verschiedensten Functionen und dadurch auch
in
stets neuen Situationen zu bewähren
oder
Lücken seiner Kenntnisse, Fähigkeiten zu entdecken . Diese werden ihn dann zu gröszerer Selbsterkenntniss führen und bei vorausgesetzt richtigem Fühlen ibn Mittel und Wege suchen lassen , sich nach den betreffenden Richtungen hin zu vervollkommnen.
ideal ge Die Verdy'sche Methode erscheint uns unbedingt nommen als die Krone des Kriegsspiels, weil sie frei ist von jeder Beengung in formeller Beziehung und alle Vorzüge ,
welche
das Kriegsspiel hat , zur Geltung zu bringen gestattet. Auszerdem kann durch ihren Betrieb der Nutzen des Kriegsspiels nach allen Richtungen hin , von jedem Theilnehmer für sich verwerthet werden . Erforderlich dabei ist , dass alle Theilnehmer möglichst fest in den eigentlichen Spielregeln sind , und dass der Leitende nicht ver möge seiner Stellung , sondern vermöge seiner Begabung diejenige Autorität den Spielern gegenüber besitzt , dass seine Entscheidungen unbedingt als gültige acceptirt werden und jede Bemängelung ver tragen können . Die obligatorische Einführung des Kriegsspiels in der Armee als eine Art „ Dienstzweig “, wie solches Meckel vorschlägt (Bertick sichtigung guter Leistungen in deu Qualificationsberichten ), kann diesseits nicht als unbedingt ersprieszlich angesehen werden . Es lassen sich doch manche Bedenken dabei kaum unterdrücken .
Die
selben eingehend hier auszuführen würde zu weit führen, und dürfte es genügen darauf hinzuweisen , dass ein wissenschaftliches Bildungs
Ueber das Kriegespiel.
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mittel nicht wohl in dem gewöhnlichen Sinne ein Dienstzweig sein kann . Aeuszersten Falls könnte dies wohl nur an den höheren Bildungsanstalten selbst der Fall sein , und diese fördern schon jetzt theils aus eigener Initiative des Lebrerpersonals , theils durch Ein wirkung der leitenden Persönlichkeiten, oder durch Beides zusammen , das Kriegsspiel in erfreulicher und man darf wohl sagen genügender Jeder Zwang des Staates erscheint daher in Bezug auf das Kriegsspiel unthunlich. Ein Anderes ist es , ob derselbe nicht be
Weise .
rechtigt, ja verpflichtet sein sollte, zur Hebung und Verbreitung des selben seiner Seits mehr beizutragen als bisher geschehen . Hohe und erleuchtete Heerfübrer haben seit mehr als 50 Jabren für ihre Person das Kriegsspiel gestützt und gefördert und demselben da durch wesentlich genützt.
Der Staat als solcher resp . die obersten
Militairbehörden haben dasselbe bislang jedoch noch nicht officiell als militairisches Bildungsmittel in ihr Programm aufgenommen . vielleicht Das „ Warum “ entzieht sich diesseitiger Beurtheilung erachtete man die Zeit dafür noch nicht als gekommen,
vielleicht
hält man eine directe staatliche Einwirkung auf dasselbe überhaupt nicht für zweckdienlich ; für Beides lassen sich Gründe anführen. Bei der Fürsorge der obersten Armeeleitung für alle Zweige des Dienstes muss man annebmen , dass auch diese Frage wohl schon Jedenfalls in den Kreis der Erwägungen gezogen worden ist . glauben wir, dass es an maaszgebender Stelle zu keiner Zeit an Vorschlägen und Entwürfen gemangelt haben wird , inwieweit und durch welche Mittel das Kriegsspiel staatlicher Seits gefördert wer den könne ; es erscheint daher nicht nothwendig hier dergleichen Projecte zu entwerfen .
Denkbar ist ein Vorgehen des Staates zum Nutzen des Kriegs spiels allerdings , wenn Meckel'schen Vorschläge .
auch nicht
zu empfehlen
Die pecuniaire Seite der Frage mag wohl jenige sein,
an Hand
der
vorzugsweise
die
bei welcher der Staat eventuell seinen Hebel einsetzen
könnte . Die Kosten für Apparate , Pläne, Karten, einschlägige Werke der Literatur sind indessen bis jetzt von den Offiziercorps sowohl im Interesse der eigenen Fortbildung, als auch im Hinblicke auf die höheren dienstlichen Ziele stets gerne aufgewandt, und wird dies, falls erforderlich, sicher auch fernerhin geschehen . Gewiss ist bei dem freien Betriebe der jetzige erhöhte Aufschwung des Kriegsspiels höher zu schätzen , als wenn staatlicher Seits dazu ein Druck oder auch nur eine Unterstützung nöthig gewesen wäre . Die gesunde Pflanze bedarf der Treibhausluft nicht , um zu gedeihen, sie zeitigt
Ueber das Kriegsspiel.
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ibre Blüthen und trägt reichliche Früchte auch ohne besondere oder gar künstliche Pflege. Es möge uns zum Schlusse noch gestattet sein , eine Skizze von dem Betriebe eines Kriegsspiels vorzuführen, wie solcher sich seit drei Wintern in einer Garnison gestaltete,
die zwar als Stadt und
Festung klein , aber doch durch die Zahl und Zusammensetzung der Garnison stets von einer gewissen Bedeutung für die nähere und fernere militairische Nachbarschaft gewesen ist ; es möge daraus er sichtlich werden, was guter Wille und Eifer zu leisten vermögen . Im Winter 1873 bis 1874 wurde zuerst in einem Regimente mit dem Kriegsspiele in officieller Weise auf Veranlassung eines Regi ments - Commandeurs begonnen ; dasselbe wollte jedoch im engeren Kreise dieses Regiments Wurzel fassen
und
das
aus verschiedenen Gründen keine rechte anfängliche Interesse erlahmte bald.
In
dessen der Anstosz hatte doch gewirkt ; denn etwa im Februar 1874 vereinigten sich eine Anzahl Offiziere aus allen Truppentheilen der Garnison (Infanterie und Artillerie) zum freien Betriebe des selben. Einige jüngere Hauptleute , sodann mehrere Premierlieutenants und ältere Secondelieutenants, alle von Lust und Interesse für die Sache beseelt ,
kamen in zwangloser Weise allwöchentlich einmal
zusammen , um selbstständig das Kriegsspiel zu cultiviren .
Die Theilnehmer standen in militair -wissenschaftlicher Beziehung, sowie hinsichtlich ihrer allgemeinen Bildung auf ziemlich gleicher Stufe, auch befand sich Keiner dabei , welcher in hervorragender Weise als zur Leitung des Kriegsspiels berufen von vornherein an zusehen gewesen wäre. Um mannigfache Klippen ,
welche dem Spiele gedroht haben
würden , möglichst zu vermeiden, kam man überein , dass die Leitung unter den fünf bis sechs ältesten Herren der Reihe nach abwechseln, und dass die jedesmaligen Gegner möglichst nicht gleichalterig sein sollten . Dem Leitenden ( Obervertrauter) wurde zugleich während des Spieles selbst unbedingte Freiheit der Entscheidung und abso lute Autorität zugestanden, auch jede Kritik oder Besprechung seiner Maasznahmen Seitens der Spieler ausgeschlossen . Erst nach Schluss des Spieles an jedem Abende hatte eine allgemeine Besprechung des Ganges der Handlung stattzufinden , und in dieser war es einem jeden der Theilnehmer erlaubt , seine Ansichten und eine
etwaige
Kritik der Entscheidungen des Leitenden auszusprechen . Der Protocollführer wurde dabei so ausgewählt ,
dass er dem
Leitenden möglichst gleichalterig war, und ihm zugleich nicht allein
97
Ueber das Kriegsspiel.
die Berechtigung, sondern sogar die Pflicht auferlegt, dem Leitenden auf alle zweifelhaften Punkte in seinen Entscheidungen in Abwesen heit der Spieler aufmerksam zu machen . Er fungirte daher völlig als Untervertrauter und bewährte sich diese Einrichtung in ganz be sonders guter Weise . Der Verlauf der Uebungen war nun folgender : Der Leitende entwarf General- und beide Special-Ideen, stellte die betreffenden Aufgaben fest und sandte dieselben drei Tage vor dem Spielabende an die beiden Gegner ab. Bis zum Mittage des mussten ihm also gewöhnlich innerhalb 48 Stunden Spieltages . Diese er werden eingereicht Dispositionen dann die beiderseitigen
forderten oft nicht wenig Arbeit , und denselben angeschlossen waren meistens selbstständige Dispositionen der Unterführer. Beispielsweise bestand eine Aufgabe , als alle Mitspieler erst etwas routinirter waren , in Folgendem : Dislocirung einer selbstständigen Infanterie -Division nebst Ca vallerie -Brigade (Westcorps ) in der Gegend von Leipzig zwischen Parthe und Pleisze in Cantonnements - Quartieren, südlich bis Liebert wolkwitz , mit Vorposten - Aufstellung in der Gegend bei Taucha und Beobachtung der Mulde von Eilenburg bis Wurzen . - Dabei noch :
Disposition zur Concentrirung der Division innerhalb fünf bis sechs Stunden für den Fall eines überlegenen Angriffes von der Mulde her behufs Abmarsch auf Landsberg - Zörbig ; Dirigirung der Trains über Möckern auf Halle
Recognoscirung einer Defensiv
stellung nördlich der Parthe . Der Gegner (Ostcorps ) hatte östlich Eilenburg in der Stärke einer Division Allarmquartiere bezogen (bezw . die Disposition dazu zu entwerfen), Vorposten an der Mulde. Eine selbstständige 3. Bri gade war östlich Wurzen dislocirt. Demnächst Disposition zum concentrirten Vorbrechen auf Taucha resp. nördlich der Parthe in der Richtung auf Möckern, um den Gegner von seinen Verbindungen nach Landsberg resp . Halle abzu drängen und nach Leipzig hinein oder südwärts zu werfen. In diesen Aufgaben waren auszer für die beiden gegnerischen Führer auch Arbeiten für zwei resp . drei Unterführer (Brigade- und Vorposten - Commandeure) enthalten und erforderten dieselben für alle Mitspieler viel Fleisz und Gewandtheit. Die Uebung selbst verlief, wie die meisten , äuszerst interessant. Eine Hauptschwierigkeit wurde für die Spieler stets dadurch herbei geführt, dass die eigentlichen Aufträge in Form telegraphischer De peschen oder kurzer durch Adjutanten Jahrbücher f. d. Deutsche Armee a. Marine. Band XXII.
der
betreffenden 7
Ober
Ueber das Kriegsspiel .
98
commando's gebrachten Befehle an dem Spielabende selbst erst be kannt gegeben wurden .
Die Dispositionen für die entscheidenden
Truppenbewegungen mussten auf diese Weise gewissermaaszen stets aus dem Sattel erfolgen . Zu den schriftlichen Vorarbeiten erhielten die Spieler stets nur Generalstabs- oder Reymann'sche Karten ---- nur wo specielle Dis locationen zu entwerfen waren oder eine Defensiv -Stellung innerhalb des eigenen Truppenbereiches ausgewählt werden sollte, wurden die betreffenden Sectionen des Kriegsspielplanes vorher auf 24 Stunden verabfolgt. Es liegt hierin ein wesentlicher Nutzen ; tioneller,
denn nichts ist irra
als den Spielern vorher Gelegenheit zu geben , das Detail
der Gegend , in welcher man vordringen soll , auf dem Kriegsspiel plane eingehend zu studiren . -Gespielt wurde in bunter Abwechslung auf den alten Plänen der Umgegend von Leipzig und Berlin und dem neuen Plane von Metz . Am Spielabende selbst war es
den Spielern vor Beginn des
Spieles ebenfalls nicht gestattet, sich den ganzen ausgebreiteten Plan anzusehen,
überhaupt wurde stets so viel wie möglich von dem
Plane zugedeckt gehalten und grundsätzlich für Jeden nur so viel freigegeben , als innerhalb des Gesichtskreises der Vortruppen je nach Configuration des Terrains lag. Jedoch fanden auch ab und zu Abweichungen von dieser Regel absichtlich statt, wie weiter unten erwähnt werden wird .
Die Bewegungen der recognoscirenden Cavallerie - Patrouillen, welche weiter auszuholen hatten, machte der Leitende nach den Di rectiven der Spieler stets selbst und liesz den letzteren durch den Protocollführer lediglich die entsprechenden Meldungen zukommen. — Am ersten Winter fanden nur kleinere Detachements -Uebungen meist ohne Unterführer -- und mehr in conventioneller Weise statt ,
damit sich die weniger Geübteren zuerst einige Routine er
werben konnten . — Gespielt wurde fast nur in einer Manier, ähnlich der Verdy'schen, wobei sich denn auch häufig die Nachtheile der selben, wie solche oben des Breiteren geschildert, bemerkbar machten. Erwähnt muss hier werden, dass Verdy's „ Beitrag zum Kriegs
spiele “ damals noch nicht erschienen war, ähnliche Grundsätze wie bei Verdy vielmehr lediglich aus eigener Initiative und durch Ueber einkommen festgestellt waren . Die allseitig in dieser Beziehung gemachten Erfahrungen führten von Anfang des Winters 1874/75 an dazu , nach den Trotha'schen
Ueber das Kriegsspiel. Regeln
zu spielen ,
99
und gegen Ende dieses Semesters kam auch
Meckel's Manier an die Reihe.
Vielfach wurden Unterführer ver
wendet, deren Selbstständigkeit jedoch noch allzubäufig - bei räum licher Trennung der Truppen auf dem Plane -- unter der directen Beeinflussung der Oberführer litt . - Der Eifer liesz diese zuweilen in die Ausführung befohlener Bewegungen hemmend oder modificirend eingreifen. Dieser Neigung konnte Seitens der Leitenden wohl am Plane selbst, nicht immer aber dann entgegengetreten werden, wenn die Parteien abgetreten waren und im Nebenzimmer ungehindert sich besprechen konnten . Allseitig wurden indessen erfreuliche Fortschritte in der Technik des Spieles gemacht, und unverkennbar war auch eine stets wachsende Gewandtheit im Disponiren, Manövriren und der Leitung der Truppen im Gefechte. So konnte im Winter 1875 bis 1876 denn mit ziemlich gutem Erfolge und von da ab mit genauem Anschlieszen an Verdy gespielt werden . Namentlich glückte das Spiel immer recht gut , wenn es sich so machte , dass einer oder der andere der älteren Herren noch als Berather der Leitenden disponibel blieb .
Einmal konnte dadurch
die stricte Ueberwachung der Details besser sicher gestellt werden und dann gewannen auch die Entscheidungen des Leitenden mehr Sicherheit und völlige innere Wahrheit, da sie getragen waren von der Uebereinstimmung von Dreien. — Eine wesentliche Neuerung wurde bei Beginn dieser Campagne eingeführt, welche sich sehr zum Vortheile einer natürlicheren Action auf dem Plane bewährte :
Die Parteien traten nur dann mit ihren
sämmtlichen Mitgliedern gemeinschaftlich an den Plan, so lange die Truppen entweder noch in Rendezvousstellung oder in Sehweite von einander waren . Wenn ein Unterführer detachirt wurde, hatte er sich auch stets allein am Plane einzufinden , sobald seine Abtheilung sich bewegte oder in Action trat , eventuell natürlich bei den Ge fechten selbst – namentlich in Reitergefechten
im Vereine mit
seinem speciellen Gegner. Die anderen Mitglieder der Partei resp . der beiden Parteien blieben im Nebenzimmer, bis auch an sie die Reihe kam . Die Situation war jedesmal bestimmend, in welcher Weise der Reihe nach vom rechten oder
linken Flügel der Truppenstellung
oder von der Mitte aus nach rechts resp . links die Spieler einzeln handelnd waren . Diese Manier verlangsamte allerdings in gewissem Maasze den Fortgang des Spieles in seiner Totalität , indessen kam solches gar *
Ueber das Kriegsspiel.
100
nicht in Betracht, sofern die Leitung einigermaaszen gewandt geführt wurde . – Das Interesse jedes einzelnen Spielers wuchs vielmehr in Folge seiner erhöhten Selbstständigkeit bedeutend , ganz im Gegen satze za den früheren Jahren , weil damals die Unterfübrer meistens noch in
ihrem freien Willen zu
sehr beeinflusst gewesen waren .
Durch die gleichzeitige Anwesenheit von
abgetretenen
Mitgliedern
beider gegnerischen Parteien im Nebenzimmer war zugleich dort dem unerlaubten Verkehre zwischen Ober- und Unterführern ein Riegel vorgeschoben , überwachte.
indem natürlich jede Partei
die andere darin
Sehr interessant gestalteten sich auch einzelne Uebungen , bei welchen in ziemlich bedecktem und durcbschnittenem Terrain der Plan gar nicht zugedeckt wurde und auch gar keine Truppen auf gestellt waren .
Die Gegner saben dann lange Zeit nur Spitzen , ein
zelne Patrouillen oder kleine Trupps markirt,
bis endlich Schützen
linien bemerkbar wurden , und erst kurz vor Eintritt der Entscheidung, hier und da an einzelnen freieren Stellen gröszere Truppenstärken, die bis dahin verdeckt gehalten waren , aufgestellt
wurden .
Natürlich
musste
in Action traten und dann dabei
ein
sebr
specielles
Protocoll gefübrt werden , da es häufig vorkam , dass die nicht sicht baren Truppentheile später eine gröszere Rolle spielten als die sicht baren , und die Bewegungen der ersteren selbstredend der schärfsten Controle nach Zeit und Ort bedurften. Auszerordentlich instructiv waren auch einzelne Uebungen ,
bei
denen , wie im Parteigängerkriege, zwei bis drei Detachements auf der einen Seite selbstständig und getrennt von einander agirten und erst im Verlaufe des Spieles -- durch die allgemeinen Directiven darauf hingeleitet mit einander zu gemeinschaftlichem Handeln sich verbanden.
Häufig kam es dann vor, dass der günstige Moment
dazu verpasst wurde und der an Zahl schwächere , aber concentrirtere Gegner die Oberhand behielt. Die Kritik oder Besprechung am Schlusse der Uebungen gab stets Veranlassung zu ungemein namentlich im letzten Winter interessanten Discussionen , bei welchen strategische, taktische und Die organisatorische Fragen und Details zur Erörterung kamen . Streitfragen der Tagesliteratur über die neuere Taktik , wie sie von Verdy, Scherff, Boguslawsky, Arnim und anderen Schriftstellern an geregt sind , wurden dabei erwogen und an Hand der beim Spiele gemachten Erfahrungen beleuchtet. Ein schöner Beweis, wie sebr das Kriegsspiel bei rationellem Betriebe geeignet ist , auch die Cameradschaft im höheren Sinne zu
Ueber das Kriegsspiel . heben, wurde gleichfalls erbracht.
101
Fast ständig hatten sich ältere
Mitspieler als Unterführer einem jüngeren Cameraden zur Disposition gestellt. girte ,
Auch wenn zuweilen ein Jüngerer als Obervertrauter fun
was namentlich gegen
Schluss
des vorigen Winters
statt
hatte, verursachten die Anciennitätsverhältnisse niemals Störungen . — Wenn in solchen Fällen auch die Entscheidungen der Jüngeren als Leitende ab und zu bemängelt werden konnten, so blieb die Debatte darüber doch stets sachlich und rein objectiv . Schlieszlich sei noch erwähnt, dass, wenn auch die Stärken der gegen einander auftretenden Detachements in den meisten Fällen un gefähr die Verhältnisse einer mobilen Division darstellten, dies doch keineswegs zu Consequenzen führte, welche man in dem Satze aus drücken kann, dass „ Lieutenants Brigaden führen ! " - Grundsätzlich wurde dahin gestrebt, die Dispositionen und Aufgaben so zu formu liren ,
dass zur eigentlichen Gefechtsaction nicht mehr Truppen zu
sammenkamen, als etwa drei bis vier Bataillone, zwei bis drei Es cadrons und eine bis zwei Batterien auf jeder Seite. Lagen zuweilen gröszere Verhältnisse vor, so beschränkte man sich in Bezug auf das eigentliche Gefecht auf die einleitenden Be wegungen, um sich nicht in ein sinnverwirrendes Detail und in ein Labyrinth von Wechselwirkungen zu verlieren, deren Entscheidung höchst schwierig und deren Ermittelung zu viele Hypothesen hervor gerufen haben würde. Jedenfalls hat das ganze Verfahren beim Betriebe des Kriegs spiels, abgesehen von dem Genusse, den jeder einzelne Abend den Theilnehmern bereitete , sich als ein höchst praktisches und rationelles bewiesen.
Von den anfänglich zusammengetretenen Offizieren sind,
mit Ausnahme von zweien, die freiwillig austraten, alle dem Kriegs spielvereine seit drei Jahren treu geblieben, und nur durch Versetzung, Abcommandirungen etc. traten Abgänge ein. Die entstandenen Lücken ergänzten sich jedoch stets unmittelbar durch neu Eintretende . Auch in diesem Winter hat sich der Verein, verstärkt durch frische Kräfte , bereits
seit Anfang November wieder mit dem edlen Kriegsspiele
aufs Neue beschäftigt, und berechtigt der Beginn der Campagne zu den besten Hoffnungen für ein ferneres ersprieszliches Gedeihen seiner Thätigkeit. ― Von den ersten Theilnehmern aus den Jahren 1873 und 1874 haben mehrere der älteren Herren Gelegenheit gefunden, die durch das Kriegsspiel gewonnenen Kenntnisse in der Truppenführung etc. praktisch bei Commando's zu Generalstabsreisen, zur höheren Adju tantur, zum Generalstabe oder als Lehrer zu Kriegsschulen zu ver
Ueber das Kriegsspiel.'
102 werthen .
Einzelne der Jüngeren hatten ihrem eigenen Geständnisse
nach ebenfalls Gelegenheit , z. B. beim Examen für die Kriegs Akademie oder in ibrem Dienste als Truppen - Adjutant, sowie bei Winterarbeiten von den erworbenen Kenntnissen zu profitiren. Gewiss werden auch an vielen anderen Orten derartige Erfolge
des Kriegsspiels bisher zu verzeichnen gewesen sein, aber es kann nicht oft genug betont werden , dass trotz aller Fortschritte in der Verbreitung doch noch nicht genug in dieser Beziehung erreicht ist . Die
Aufgabe der militairischen
Zeitschriften ist es ,
immer wieder von Neuem darauf hinzuwirken , dass das Interesse am Kriegsspiele geweckt wird , wo es fehlt , dass es ge stärkt wird , wo es schwach ist und dass es wieder be lebt wird , wo es durch ungünstige Umstände verloren gegangen ist . -- Das soll auch vornehmlich der Zweck dieser Zeilen sein, und ob nun auf Verdy, Meckel , Trotha oder
Tschisch
witz geschworen wird , – die Hauptsache ist und bleibt die An regung, welche jedes Kriegsspiel mit sich bringt, und welche die Theilnehmer zwingt, zu arbeiten und die hauptsächlichsten Zweige des militairischen Berufslebens eingehend zu studiren ! Man möge sich darüber keinen Täuschungen bingeben, dass das Selbststudium der Offiziere eines Anstoszes bedarf. - Selbst bei einem intelligenten, strebsamen und seinen Beruf liebenden Offizier erlabmt nur zu leicht die Lust am Studium ,
wenn gar keine Ge
legenheit sich bietet, erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten in irgend einer Weise zu verwerthen oder zur Geltung zu bringen . — Und das ist auch natürlich . Das Studium nur um seiner selbst willen zu betreiben und sich lediglich mit dem Bewusstsein zu begnügen, dass man im Stillen an der eigenen Fortbildung stets redlich arbeitet, das ist nur Weni gen gegeben ; dazu gehört sowohl eine auszergewöhnliche Willens kraft , wie eine seltene Genügsamkeit. Im äuszeren militairischen Leben bringen es
die Verhältnisse
wäbrend der verschiedenen Ausbildungs- Perioden
des Jahres mit
sich , dass den Offizieren bis zum Stabsoffiziere hinauf sehr selten Gelegenheit gegeben werden kann, in gröszeren Verhältnissen selbst ständig eine Abtheilung zu commandiren,
sowie Entschlüsse unter
eigener Verantwortlichkeit zu fassen und auszuführen . hierfür werden so leicht nicht zu beseitigen sein .
Die Ursachen
Darum ist eben das Kriegsspiel oft das einzige Mittel sich vor zubereiten auf die Aufgaben, welche dem älteren Offiziere entgegen treten werden. Die Kunst, „ Entschlüsse selbstständig zu fassen
Ueber das Kriegsspiel.
103
und sie mit Energie durchzuführen “, die Kunst der Unterordnung, die Fähigkeit zweckdienlich zu disponiren, die Truppen sachgemäsz und vorschriftsmäszig einzutheilen , sie vortheilhaft zu dirigiren, und endlich die Fertigkeit: aus mangelhaften , oft sich widersprechenden Meldungen ein Bild von des Feindes Stellung, Stärke , Bewegungen und Absichten zu combiniren -
Alles dies kann durch das Kriegs
spiel bis zu einem gewissen Grade erlernt werden ; auf alle Fälle ist dasselbe eine vorzügliche Vorbereitungsschule dazu ! Diejenigen, welche daher das Kriegsspiel mit Eifer und Interesse sachgemäsz betreiben, werden auszerdem für ihr dienstliches Wirken schon lange vorher, ehe sie in höhere Stellungen gelangen, vielfältig Nutzen und Vortheile allerlei Art dadurch erlangen ,
und so wollen
wir denn zum Scblusse nochmals den schon öfter ausgesprochenen Wunsch wiederholen, dass das Kriegsspiel in Zukunft noch mehr wie bisher cultivirt werden und sich in der Armee verbreiten H. möge ! -
VIII .
Das Russische Uebungslager bei Warschau vom 13. Juli bis 13. September 1876 .. Am 13. (1.) Juli v. J. begann in dem Lager zu Warschau der zweite Cyclus der Uebungen . sammelt :
Zu diesem Zwecke waren dort ver
1 ) Infanterie. 3. Garde- Division
3. Grenadier- Division 6. Armee- Division 2. Schützen -Brigade
.
16 Bataillone, 10 19
2. Grenadier -Division
16
1
16
»
4 68 Bataillone.
Hierzu traten bei Paraden und besonderen Gelegenheiten noch die 1. Brigade der 8. Armee - Division , sowie das 40. Regiment, welche mit der 3. Garde - Division die Garnison von Warschau bilden
104
Das Russische Uebungslager bei Warschau
und bereits im ersten Cyclus an den Lager- Uebungen Theil genom men hatten .
2 ) Cavallerie . 8 Escadronen ,
3. Brigade der 2. Garde - Cavallerie-Division* ) 6. Cavallerie Division . 13. Cavallerie- Division
.
16
17
16
77
Summa 40 Escadronen . Ausserdem nahm an den Uebungen abwechselnd stets eine der beiden Kuban'schen Kosaken -Lehr - Sotnien Theil , dere den Convoi des Statthalters bildete .
während die an
3 ) Artillerie . 3. Garde- und Gren . - Artillerie - Brigade
24 Geschitze , 24
2. Grenadier -Artillerie - Brigade . 3. Grenadier - Artillerie- Brigade
24
12
6. Fusz- Artillerie - Brigade . 8. Fusz- Artillerie - Brigade
24
n
24
19
3. reitende Garde - Batterie
6
11. reitende Armee- Batterie
6
12. reitende Armee- Batterie
6
20. reitende Armee -Batterie 6. Donische Kosaken - Batterie
6
02
6
12
Summa 150 Geschütze, unter denen 20 Mitrailleusen . 4 ) Genie Truppen . 1. Sappeur-Bataillon
= 1 Bataillon ,
2. Sappeur-Bataillon 1. Pontonier-Halb- Bataillon 2. Pontonier- Halb - Bataillon }
99 1
1. und 2. Telegraphen-Park. Die Unterbringung dieser Truppenmassen geschab der Art, dass die Infanterie und Fusz- Artillerie in Zelten lagerte, während die ge sammte Cavallerie cantonnirte .
Die Lager von drei Divisionen be
fanden sich im Norden und Nordwesten der Stadt Warschau und nur eine Division (die Garde) batte das ihrige im Süden .
Letztere
Division war aber nicht vereint , sondern mit drei Regimentern auf . auf dem Mokotowischen Felde, mit dem 4. Regimente innerhalb der Stadtbarrièren auf dem groszen freien Platze am Schlosse Belvedere. Die Zelte der Russischen Infanterie sind längliche Giebelzelte
*) Die Garde -Brigade steht in Warschau in Garnison .
105
vom 13. Juli bis 13. September 1876 .
von wasserdichter Leinwand , welche über einer viereckigen Aus schachtung von 11/2 Fusz Tiefe ausgespannt werden. 10–15 Mann werden in einem Zelte untergebracht, der Raum für die Mannschaft ist sehr beengt und bei warmer Witterung ist es unerträglich beiss in den Zelten . Die Pferde der Fusz-Artillerie werden in Holz baracken untergebracht. Die Cavallerie hatte theilweise sehr weite Märsche bis zu ihrem Exercirplatze
zurückzulegen ,
14 Werst von der Stadt
da
einzelne Cantonnements
entfernt lagen .
Nur
die
10
bis
beiden Garde
Regimenter waren in ihren Casernements in Lazienki verblieben, wo auch das 6. Dragoner-Regiment untergebracht worden war. Ebenso waren die Kuban'schen Kosaken in ihrer Caserne am Stadtschlosse geblieben . Der Gesundheitszustand der Truppen war trotz der theilweise sehr groszen Anstrengungen, welche namentlich der Infanterie häufig zugemuthet wurden , ein vortrefflicher. Auch fiel es ganz besonders vortheilhaft auf, dass sich selbst an den anstrengendsten Manöver tagen fast nirgends marode gewordene Leute zeigten . Dies giebt ein gutes Zeugniss von der körperlichen Ausdauer des Russischen Soldaten. Was nun die Uebungen im Lager selbst betrifft , dieselben mit Ausnahme der Einzelausbildung ,
so umfassen
welche bei Beginn
der Lagerperiode beendet sein muss , die ganze militairische Schule des Soldaten . Compagnie- , Bataillons- , Regiments- , Brigade-Exer ciren , Uebungen mit gemischten Waffen , Manöver gegen einander, Schieszen und kleine Felddienstübungen wechseln ab. Auszerdem veranlasste die Wichtigkeit, welche in Russland den Paraden beige legt wird und die Strenge , mit welcher der Kaiser die Haltung der Truppen bei einer solchen beurtheilt , alle Truppentheile zu einer sehr häufigen Uebung des Parademarsches . Zweifelsohne hat es die Infanterie wenigstens hierin zu einer ziemlichen Vollendung gebracht. In die Zeit vom 16. bis 26. August fielen die Besichtigungen durch den
Statthalter
Grafen
Kaisers vorangingen ,
Kotzebue,
welche
denen
von Seiten
des
und zwar fand am 16. August das Schieszen
der gesammten Artillerie statt, am 17. und 19. August waren Manöver gegen einander , am 21. August groszes Cavallerie- Exerciren , am 23. und 24. August Scheibenschieszen der gesammten Infanterie und Cavallerie, am 26. August grosse Parade. Im Nachfolgenden will ich nun versuchen, den Zustand der ein zelnen Waffen besonders im Hinblicke auf die Veränderungen zu be
Das Russische Uebungslager bei Warschau
106
schreiben, welche die letzten Jahre der Armee, wesentlich zu ihrem Vortheile, gebracht haben. Was zunächst die Infanterie betrifft, so hat die Organisation derselben
dadurch
eine
grosze
Veränderung
erlitten ,
dass
man
überall die Schützen - Compagnien aus ihren Bataillons - Verbänden ausgeschieden und zu besonderen Schützen -Bataillonen vereinigt bat. Während also früher das Infanterie-Regiment aus 3 Bataillonen zu 5 Compagnien bestand , zählt es jetzt 4 Bataillone zu 4 Compagnien. Die Formation der 4. Compagnie des 4. Bataillons ist zwar erst bei den Garde - Regimentern überall vollendet ,
doch wird binnen einem
Jahre auch die gesammte Armee -Infanterie auf diese Stärke gesetzt Diese Veränderung in der Organisation bedeutet also gleich zeitig eine Vermebrung des Friedensstandes der Russischen Infan terie um beinahe 180 Compagnien , was bei einer gleichzeitigen Er richtung von ebenso vielen neuen Bataillons - Stäben ein nicht unbe deutendes
Avancement für
die Offiziere ausmacht.
Von
den
bei
Warschau versammelten Regimentern waren nur die der Garde schon auf 16 Compaguien gesetzt. In Folge
dieser Neuformirung ist das Reglement für die Rus
sische Infanterie jetzt wesentlich geändert ,
da nunmehr die Auf
stellung der 5. (Schützen- ) Compagnie hinter dem Bataillon ' und deren hauptsächliche Verwendung
im zerstreuten Gefechte
des Bataillons
fortfällt. Dagegen wird das nunmehrige Schützenbataillon des Re gimentes bauptsächlich als Avant- und Arrièregarde und zu beson deren
Aufträgen verwendet.
In der Durchfübrung des zerstreuten
Gefechtes hat die Russische Infanterie durch Anwendung der Preuszi schen Compagnie - Colonne ähnlicher Formation wesentliche Fort schritte gemacht. Das erste Treffen eines Bataillons bestand in der Regel aus 2 Compagnien , welche auf ganze Distanz auseinander ge zogen waren .
Das 2. Treffen ,
welches dann den Angriff mit dem
Bajonnete ausführte und meiner Meinung nach im Allgemeinen stets zu
geringe Gefechtsdistanz
vom
sich meist in halben Bataillonen , Colonne aus der Mitte.
1. Treffen beobachtete ,
bewegte
das heiszt in geschlossener Zug
Doch wurde auch das 2. Treffen häufig in
Compagnie - Colonnen auseinander gezogen .
Hierbei muss erwähnt
werden , dass die Compagnien , da sie nur 2 Züge haben , auf der einen Seite weder ihre Feuerlinie ohne Zerreiszung der Zugverbände verstärken haben ,
können ,
sobald mehr
noch
ein
geschlossenes
einheitliches Soutien
als die Hälfte der Compagnie
aufgelöst
ist.
Wenn auf der einen Seite vielleicht noch zu viel auf Richtung und gleichmäszige Bewegung in den Schützenlinien
gesehen wird ,
80
107
vom 13. Juli bis 13. September 1876.
verdient auf der anderen Seite hervorgehoben zu werden , dass alle Commando's , Signale und Winke des Offiziers äuszerst prompt und schnell befolgt werden . Beim Angriffe tritt die geschlossene Bajonnet Attacke stets in den Vordergrund.
Das Terrain der Umgegend von
Warschau bietet leider so wenig Verschiedenheiten , dass von einer Terrainbenutzung im Preuszischen Sinne bei den Manövern nicht die Rede sein konnte . Vielmehr verliefen die Gefechtsübungen mit gemisch ten Waffen gegen einander stets mehr wie Exercirplatzmanöver, wenn man sich auch nach Kräften bestrebte, die wenigen geeigneten Dörfer nach Möglichkeit auszunutzen . Bei der allgemeinen Uebersichtlichkeit des Terrains und der genauen Bekanntschaft der Truppen mit dem selben waren daher Umgebungen und besondere Flankenmanöver Es sind dies Uebelstände, welche einem jeden stehenden Uebungslager stets anhaften werden , selbst wenn dasselbe
tüberhaupt unmöglich.
in Bezug auf Terrainverhältnisse sich in der denkbar günstigsten Lage befindet. In Folge dieser Verhältnisse sind im Warschauer Lager auch alle Manöver mit gemischten Waffen mehr als Exercir im Groszen anzusehen , bei denen sich mehr über die
Uebungen
Disciplin und Exercir -Gewandtheit der einzelnen Waffen , als über deren richtige Verwendung und stützung ein Urtheil fällen lässt.
rechtzeitige gegenseitige Unter Im Uebrigen fanden eigentliche
Manöver verhältnissmäszig selten statt. Höchstens zwei Mal in der Woche wurde auch in der letzten Zeit vor Ankunft des Kaisers manövrirt , die andere Zeit blieb den Truppen Schieszen und sonstigen Uebungen zur Disposition . Besonders ist zu
zum Exerciren,
erwähnen die Art und Weise , in welcher in
Russland das Prüfungsschieszen sowohl bei der Infanterie , als bei der Cavallerie stattfindet, welche zwar viele Nachtheile ,
für die
Cavallerie aber wenigstens das Gute hat, dass man sich dem in dieser Waffe überall mehr oder weniger vernachlässigten Schiesz dienste mit etwas mehr Interesse widmen muss .
Bei Warschau fand
das Prüfungsschieszen der gesammten Infanterie und Cavallerie an zwei Tagen statt, und zwar an dem einen Tage sämmtliche Linien Compagnien , an dem anderen alle Schützen -Compagnien und die Cavallerie . Die Truppen rückten dazu feldmarschmäszig auf den Exercirplatz von Mokotow ,
wo auf freiem Felde die Scheiben auf
gestellt waren und zwar für jedes Regiment in jeder Division an den aufgemalten Regimensfarben weithin kenntlich . Von jedem Bataillone wurde durch den Besichtigenden erst auf dem Platze eine Compagnie zur Prüfung bestimmt, während die an deren nach Hause marschirten . Dann wurden auf drei bis vier ver
108
Das Russische Uebungslager bei Warschau
schiedenen Distanzen von jedem Manne im langsamen Tirailleurfeuer zwei Patronen liegend oder knieend , wie es ihm am
bequemsten
war, verschossen , von den Linien- Compagnien auch Salvenfeuer ab gegeben.
Mit der weitesten Distanz, welche für die Schützen- Com
pagnien 980 Schritt betrug, wurde angefangen , dann auf die näheren herangegangen . Eine gewisse Procentzahl Treffer ist nun auf den verschiedenen Distanzen natürlich verschieden - als Anforde rung gestellt , welche die Truppe erreichen muss, „ gut “
zu
erlangen ;
eine
um das Resultat
höhere Procentzahl giebt
das
Resultat
„ sehr gut “ . Nach Maaszgabe dieser Anforderungen waren die Leistungen der Infanterie vorzüglich zu nennen , denn es war keine Compagnie, welche nicht das Resultat gut erreicht hätte ,
dagegen sehr viele,
welche viele Procent „ höher als sehr gut“ schossen . Die einzelnen Resultate nach Trefferprocenten hier anzugeben, ist leider unmöglich , aber auch überflüssig, da dieselben in der Regel bei derartigen Ge legenheiten durch den Russischen Invaliden “ veröffentlicht werden . Gleichwohl sind die Russischen Offiziere im Allgemeinen sehr gegen die bei ihnen übliche Art des Prüfungsschieszens eingenommen , weil der Mann ,
der sonst ein sehr ruhiger Schütze sei , in Gegenwart
hoher Vorgesetzter oder Kaltblütigkeit verliere . Im Uebrigen muss
gar des Kaisers gänzlich die Ruhe und
das gute Resultat im Schieszen wohl der
Vortrefflichkeit des Berdan - Gewehres
zugeschrieben
welchem sämmtliche Feldtruppen , die im
werden ,
mit
zweiten Cyclus im War
schauer Lager standen , bereits ausgerüstet waren und mit dessen Weiteranfertigung man
so rüstig vorwärts schreitet , dass
binnen
zwei bis drei Jahren wohl die gesammte Armee damit versehen sein wird . Die speciellen Vorzüge dieses Gewehres sind allgemein bekannt, und es wird nicht erforderlich sein, hier eine Beschreibung desselben zu entwerfen. Das Bajonnet wird von den Garde- und Grenadier - Linien Bataillonen, welche noch das Seitengewehr führen, aufgepflanzt, von
allen Schützen und den Armee -Linien - Bataillonen in einer Bajonnet scheide getragen . Der Mann trägt zwei Patrontaschen am Leib riemen auf Preuszische Art , welche jedoch dadurch , dass sie von vorn zu öffnen sind , im Liegen das Laden erschweren und leicht Patronen verlieren lassen . In Bezug auf die Ausrüstung der Infanterie ist noch zu er wähnen , dass die gesammte Garde den Preuszischen Helm , doch ohne Messingbeschlag
am Vorderschirme,
trägt
und dass dessen
109
vom 13. Juli bis 13. September 1876.
Einführung für die ganze Armee statt des bisherigen Käppi in Aus sicht genommen ist. Jedenfalls ist nicht zu verkennen, dass die Russische Infanterie in den letzten Jahren sehr bedeutende Fortschritte gemacht hat, namentlich was Manövrirfähigkeit und Instruction der Leute betrifft. Mit der immer weiteren Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht wird sich in letzterer Richtung
noch Vieles
zum Guten ändern.
Was Ausdauer, Ueberwindung von Strapazen und Ertragung von Entbehrungen betrifft, so ist hierin jedenfalls der Russische Infanterist von keinem Soldaten der Welt übertroffen . Noch weit gröszere organisatorische Umwälzungen als in der Infanterie haben in den letzten zwei Jahren in der Russischen Ca vallerie stattgefunden. Die Einrangirung der Donischen Kosaken in die Cavallerie - Divisionen und ihre nunmehr beinahe vollendete völlige Regularisirung ist durchgeführt, so dass nunmehr die Russische Cavallerie, auszer zwei Garde -Divisionen, vierzehn Armee- Cavallerie Divisionen, eine Kaukasische Dragoner
und eine Kosaken-Division,
jede Division, mit Ausnahme der 2. Garde-Division, zu vier Regi mentern, jedes mit vier Feld - Escadrons. Die 2. Garde-Division zählt sieben, im Kriege, durch Completirung der Garde-Kosaken auf zwei volle Regimenter, acht Regimenter.
Zwei Donische Kosaken -Regi
menter stehen in gar keinem höheren Verbande. In Folge dieser veränderten Organisation sind nun die Kosaken, was die Anforderungen an geschlossenes Exerciren und sonstige Manövrirfähigkeit betrifft , völlig der regulairen Cavallerie gleich gestellt, und man kann nur sagen, dass sie denselben in jeder Rich tung genügen, ja durch dreistes und sicheres Reiten die übrige Ca vallerie sogar entschieden übertreffen . Ihre einfache Trensenzäumung und der Gebrauch der Knute statt der Schenkel und Sporen thut der Geschlossenheit und Ordnung ihres Exercirens in keiner Beziehung Eintrag, und wenn sie vor zwei Jahren, als ihre Regularisirung be gonnen hatte, Schwenkungen und Wendungen noch nicht mit der Accuratesse ausführten wie die regulaire Cavallerie, dieser Richtung kein Unterschied mehr bemerkbar.
so ist heute in Beim Exerciren
documentirt die Aufmerksamkeit , welche jeder einzelne Kosak auf die Commando's und deren prompte Ausführung hat, ein groszes In teresse und Lust und Liebe zum Dienste .
Der einzige Vorwurf, den
man ihnen in ihrer Verwendung als regulaire Cavallerie vielleicht machen könnte, ist der, dass ihr Pferdematerial, wenn dasselbe auch auszerordentlich ausdauernd und zäh, so doch zu klein ist , um bei der Attacke gegen jede andere regulaire Cavallerie die
nöthige
110
Das Russische Uebungslager bei Warschau
Stoszkraft zu entfalten ; dagegen werden sie gegen Infanterie und Artillerie durch ihre lange Ausdauer in der Carrière um so besser zu verwerthen sein .
Uebrigens muss hier bemerkt werden, dass die
Kosaken nach den groszen Städten keineswegs ibre besten Pferde mitbringen , um sich dieselben nicht auf dem Pflaster und den harten Straszen zu ruiniren. 6. und
Im Lager zu Warschau befanden
13. Kosaken - Regiment ,
ein jedes
sich das
mit vier Sotnien .
Zwei
Sotnien des 13. Regiments waren zu Hause geblieben, zwei Sotnien des 6. Regiments waren zum Polizeidienste in der Stadt Warschau abcommandirt. Das Aussehen und der Futterzustand der Pferde der regulairen Cavallerie waren sehr gut. Wenn man in Russland auch noch nicht die Anforderungen
an längere Reprisen in so scharfen Gangarten
stellt wie in Preuszen, so bewiesen die Pferde doch hinlänglichen Training , der auch durch die ,
wie oben bemerkt, theilweise sehr
weiten Märsche zum Exercirplatze gefördert wurde.
Ganz besonders
günstig fiel der vorzügliche Zustand der Pferderücken auf, nament lich im Vergleiche zn den Erfahrungen, die wir immer wieder von Neuem in dieser Beziehung machen. Trotz der weiten Märsche , bei oft sehr groszer Hitze, und obwohl fast immer mit vollem Gepäck exercirt wurde, waren fast nirgends gedrückte Pferde vorhanden . Ich kann dies nur der guten und praktischen Sattelung der Russi schen Cavallerie zuschreiben . Auf den Pferderücken kommt zunächst eine nicht sehr starke, vierfach zusammengelegte wollene Decke, auf diese eine Wachstuchdecke von der Grösze der vierfach zusammen gelegten, und auf diese der Bucksattel, dessen Trachten weiter aus einander gestellt sind und der auch im Sitze weiter und bequemer ist als der Preuszische. Durch die Zwischenlage der Wachstuch decke erhält nun einmal der Druck der Trachten auf den Pferde rücken ein sehr günstiges Medium, andererseits verhindert dieselbe ein Verschieben und Faltenwerfen der wollenen Decke.
Der eigent
liche Woilach ist zwischen Ober- und Untergurt lang und an den Hinterzwiesel herangezogen und bildet so das Sitzkissen des Mannes. Seine braungraue Farbe ist auch entschieden praktischer als die weisze .
Zur Unterbringung des Gepäckes führt die Russische Ca
vallerie auszer den Packtaschen noch den Mantelsack, der an einem Ende in das kupferne Kochgeschirr hineingeschoben ist. werden nur bei Paraden aufgelegt.
Schabracken
Die Russische Cavallerie hat auch erst seit Kurzem ein neues Exercir - Reglement erhalten,
mit dem die Offiziere jedoch vielfach
nicht sehr einverstanden sind, da es unnöthige Künsteleien und viele
111
vom 13. Juli bis 13. September 1876.
Aenderungen in den Commando's enthalte. Mir schienen die Be wegungen recht einfach, da ich weder Halb - Colonnen noch andere complicirte Formationen wahrnahm .
Die Gangarten werden ziemlich
kurz , der Galopp wird beinabe nur in der Colonne geritten, in Front aus demselben meist sogleich in die Carrière übergegangen. Bei Schwenkungen im Trabe behält der innere Flügel die Gangart bei , der äuszere bewegt sich im Galopp . Es wurde abwechselnd in Escadrons, Regimentern und Brigaden exercirt . Hierbei veranlassten die dienstlichen Verhältnisse wie die Eintheilung des Exercirplatzes bäufig, dass einzelne Regimenter noch von 3 bis 6 Uhr Nachmittags exercirten . Am 1. September fand das grosze Cavallerie- Exerciren aller 10 Regimenter vor Sr. Majestät dem Kaiser statt. Die Art und Weise, in welcher man in Russland mit solchen groszen Cavalleriekörpern , die 21. Divisionen repräsen tiren, manövrirt, zeigt sich am besten, wenn ich im Folgenden eine kurze Beschreibung des ganzen Exercirens folgen lasse . 1. Moment. Formation in Linie : cadrons
Alle
10 Regimenter in Colonnen, in
Es
neben einander ( siehe Anlage III a und b , Figur I ) ,
die
Garde- Brigade auf dem rechten Flügel, dann die 6., am linken Flügel die 13. Division . Die Artillerie dahinter. Signal: Marsch – Trab – mit Zügen links schwenkt — mit Zügen rechts schwenkt – mit Zügen kehrt Front geradeaus noch
zwei Schwenkungen
halt .
Signal :
halt .
Galopp
2. Moment. Formation in drei Treffen
hinter einander.
setzt sich durch Vorgehen im Trabe,
Die
13. Division
mit Zügen rechts und dann
Einschwenken brigadeweise, die 2. Brigade vorn, vor die Garde -Ca vallerie - Brigade und formirt sich in der Preuszischen Colonne mit Entwickelungsdistanzen .
Regiments
Die Garde -Brigade schwenkt
kehrt und geht so weit zurück , dass die 6. Division brigadeweise, wieder die 2. Brigade vorn ,
Vordermann auf die 13. nehmen kann,
und nimmt selbst Vordermann auf die 1. Brigade der 6. Division. Die Artillerie bleibt hinter ihren Divisionen. (Figur II. ) 3. Moment. Beginn des Gefechtes : Die Kuban'sche Kosaken - Escadron geht vom linken Flügel in der Carrière vor der Front des Cavallerie -Corps auseinander und flankirt - die Batterien der 13. Division werden auf den rechten Flügel gezogen
das
13. Husaren- und 13. Ko
saken-Regiment attackiren in Front in Echelons mit Regimentern gehen zurück – das 13. Dragoner- Regiment übernimmt abgesessen
Das Russische Uebungslager bei Warschau
112
die Deckung ihres Rückzuges durch flankirendes Feuer vom rechten Flügel der Artillerie .
(Figur III . )
4. Moment . Zurückgehen der 13. Division :
Attacken des 13. Ulanen - Regi
ments und dreier Regimenter der 6. Division regimenterweise, um das supponirte Nachdrängen des Gegners zu verbindern . Die Ar tillerie der 6. Division tritt mit der Garde - Batterie zum gleichen Zwecke am linken Flügel in den Kampf , links gedeckt durch das dorthin gezogene 6. Dragoner-Regiment ,
das den linken Flügel der
Artillerie -Aufstellung durch eine Attacke frei macht .
( Figur IV . )
5. Moment. Allgemeine Offensive Halblinks - Schwenkung :
des ganzen
Cavallerie - Corps
mit
einer
Die beiden Kosaken -Regimenter attackiren
zuerst vereinzelt zur Freimachung der Front , die Dragoner - Regi menter decken auf dem rechten und linken Flügel die vorgehende Artillerie. Während des Vorgehens der Garde - Brigade aus ihrer Reservestellung formiren sich die sechs übrigen Regimenter der Di vision dergestalt in zwei Treffen, dass die drei Husaren -Regimenter das erste , die
drei Ulanen - Regimenter das zweite Treffen bilden,
jedes Mal das Regiment der Garde im Centrum , das der 13. am rechten , das der 6. Division am linken Flügel . Das Husaren - Treffen marschirt auf, sobald es formirt ist ,
und attackirt in Linie gleich
zeitig, gefolgt von Ulanen - Treffen in Escadrons- Colonnen .
Das Hu
saren - Treffen bält, schwenkt kehrt und formirt im Zurückgehen Es cadrons-Colonnen . Die Ulanen geben durch die Intervallen, mar schiren auf und attackiren Halt Verfolgung durch Schwärm attacke.
( Figur V. )
Das Commando über das gesammelte Cavallerie - Corps führte der Commandeur der 6. Division, Generalmajor und General à la suite Sr. Majestät des Kaisers Essen . Die Schwierigkeit der Führung einer solchen Cavalleriemasse durch Hand und konnte daber die
das Commando liegt auf der
Exactität der Ausführung nur durch
vorherige Einübung gesichert werden . Die Führung selbst geschah durch Signale ; Commando's und Säbelwinke balfen aus . Von den letzteren wurde vielleicht etwas zu sehr Gebrauch gemacht .
Auf
fallend wenig wurde von der Verwendung von Ordonnanz - Offizieren bei groszen Ca
Nutzen gezogen , obgleich diese in Wirklichkeit
valleriemassen doch das sicherste und einzige Mittel sind, den schnell wechselnden Situationen des Cavalleriegefechtes schnell entgegen zutreten.
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Nach Beendigung des Exercirens erfolgte ein Vorbeimarsch in Escadrons- resp . Batterie-Fronten in verschiedenen Gangarten, von den Kosaken theilweise in der Carrière vorzüglich ausgeführt. Die Leistungen hierbei müssen um so mehr anerkannt werden , wenn man die Schwierigkeiten bedenkt, welche sich einer Escadron bieten, wenn erst 50 Schritt vor dem Vorgesetzten das Signal zu der Gang art gegeben wird , in welcher dieselbe vorbeimarschiren soll . Mit Rück sicht hierauf waren die Leistungen aller Regimenter nur sehr gut zu nennen . Aus allem diesen geht hervor, dass das eigentliche Wesen der heutigen Treffentaktik der Russischen Cavallerie noch fremd
ist.
Die Formation der sogenannten “ drei Treffen ist eine unnatürliche und den Anforderungen der heutigen Gefechtsverhältnisse keines wegs entsprechende. Von einer rechtzeitigen , wechselwirkenden, gegenseitigen Unterstützung der einzelnen Treffen ist keine Rede. Für jedes Treffen scheint immer eine besondere Aufgabe aufgespart zu sein, welcher die anderen nicht unmittelbar betheiligten thatenlos Namentlich aber geht bei einer derartigen Art und zuschauen . Weise, gröszere Cavalleriemassen zu verwenden , ein Hauptmoment, nämlich die Uebung der Treffenführer im Abwägen des richtigen Augenblickes für ihr Eingreifen, die Prüfung der Schnelligkeit ihres Entschlusses und der kürzesten und besten Ausführung desselben, gänzlich verloren . Endlich fällt namentlich ungünstig das tropfen weise Einsetzen der Kräfte auf , ganz abgesehen davon , dass man von der taktischen Wirkung der Flankenattacke nicht viel zu halten scheint. Ueberall wurden die Regimenter einzeln ins Gefecht geworfen – es erinnerte mich dies lebhaft an die ähnliche, trotz der herrlichsten Bravour nutzlose Verwendung der Russischen Cavallerie bei Austerlitz - , und da, wo, wie im fünften Momente, eine gröszere Front - Attacke , von drei Regimentern in einer Linie , zur Ausfüh rung kam , riss man die Verbände der Brigaden künstlich
aus
einander , wie es scheint , doch nur, um das Vergnügen eines Uni formenschauspiels zu haben , da ja die Bewaffnung von Ulanen und Husaren völlig die gleiche ist. Was die Detailausführung betrifft , so muss hier
ausdrücklich
bemerkt werden , dass die Kosaken - Regimenter in ihrem heutigen Zustande im geschlossenen Exérciren und im Evolutioniren hinter der übrigen Cavallerie in keiner Weise zurückstehen .
Sie reiten
die Attacken nicht nur ebenso geschlossen oder vielmehr nicht ge schlossen wie diese , sondern überhaupt weit flotter und gewandter. Man traut aber selbst unter den Russischen Offizieren den Doni 8 Jahrbücher f. d . Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
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Das Russische Uebungslager bei Warschau
schen Kosaken im geschlossenen Gefechte nicht den nöthigen Schneid und die nöthige Ausdauer zu, im Gegensatze zu den Linienkosaken, deren Bravour allgemein als unübertrefflich geschildert wird.
Es ist
kein Grund anzunehmen , dass der Donische Kosak , wenn er auch nicht wie der Linienkosak in stetem Kriege zu leben gewohnt ist, von Natur feiger ist als jeder andere Russische Soldat , zumal er körperlich und intellectuell entschieden auf der höchsten Stufe steht. Vielmehr liegt der Grund
zu einer solchen Annahme wohl nur in
dem schlechten Offiziersmaterial der Kosaken- Regimenter.
Man gebe
ibnen gut instruirte , in den Begriffen der Ehre und opferwilligen Hingebung erzogene Offiziere, und sie werden gewiss nicht feige sein. Dass für die Verwendung der Cavallerie der Nachtheil, welchen die Gleichförmigkeit des Terrains bei stehenden Uebungslagern auf die Truppen manöver ausübt, in noch höherem Grade hervortreten muss, als bei der Infanterie und Artillerie, liegt auf der Hand.
Das,
was für die Cavallerie die Hauptsache ist, worin sie ganz besonders ihre Gewandtheit zeigen und auch durch Uebung viel lernen kann, die rasche und gute Orientirung in unbekanntem Terrain, kann hier gar nicht zur Geltung kommen .
Bei den Manövern spielt denn in
der That auch die daran theilnehmende Cavallerie in der Regel eine höchst passive Rolle. Namentlich war aber auch von einem Be streben Seitens der Cavallerie, günstige Momente zur Attacke aus zunutzen, oder selbständig in den Gang des Gefechtes einzugreifen, nichts zu bemerken.
Zu dem hauptsächlich nur formell betriebenen
Aufklärungsdienste wurden meistens nur Kosaken verwendet.
Es
ist daher auch nicht möglich , zu beurtheilen , was die Russische Ca vallerie in dieser Richtung leistet. Bekanntlich fand nach Beendigung der groszen Truppenübungen
im Lager von Warschau eine grosze Cavallerieübung , an welcher über vier Divisionen unter Zutheilung von Infanterie Theil nahmen, in der Gegend von Skierniewice - Kutno statt. Da fremdherrliche Offiziere als Zuschauer zu derselben nicht herangezogen worden waren , so kann man dieselbe nur nach dem beurtheilen , was der Russische Invalide “ darüber brachte. Wenn man nun sagen muss, dass die Idee, welche den ganzen Uebungen zu Grunde gelegt war, eine recht sachgemäsze und praktischen Kriegsverhältnissen
durch
aus entsprechende ist , sowie dass ferner nach der Darstellung des Invaliden die Art der Ausführung eine den Anforderungen der heu tigen Taktik genügende gewesen zu sein scheint, so giebt man sich doch auch auf der anderen Seite in mancher Beziehung Illusionen über die Grösze der taktischen Erfolge einer Cavallerie-Division hin.
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Wenn es schon einer guten Infanterie schwer fallen dürfte, massive, geschlossene , von einem ganzen Infanterie - Regimente vertheidigte Städte in so kurzer Zeit zu nehmen, wie dies von abgesessener Ca vallerie als ausgeführt dargestellt ist, so vergisst man hierbei ganz, dass nach einer solchen Heldenthat in der Wirklichkeit bei den grossen Verlusten des heutigen Infanteriegefechtes die Cavallerie zusammen Division " wohl auf weniger als eine Brigade geschmolzen sein dürfte. Solche durch das Infanteriegefecht herbei geführte Verluste sind dadurch noch schwerer zu tragen , weil bei 300 herrenlos gewordenen Pferden mindestens 100 Mann als Pferde halter mit zurückbleiben müssen . Es ist eigenthümlich, wie sehr man in Russland an der Dragoner -Tradition , d. h . der Verwendung der selben als Doppelkämpfer (obwohl sie als solche nie etwas geleistet haben ), festhält , so dass selbst Offiziere, deren Bildung über die sonst in der Russischen Armee gewöhnliche weit hinausgeht , wenn sie auch vom Kriege wenig gesehen haben, ganz ernsthaft behaupten können, es werde auch in einem Europäischen Kriege bäufig genug vorkommen, dass Dragoner mit dem Bajonnete Festungen erstürmen müssten . Bei einer solchen, wie es scheint, vorwaltenden Anschauung ist es erklärlich, dass man als Modell für das jetzt neu zu beschaf fende Berdan -Dragoner-Gewehr abermals ein Bajonnetgewehr adop tirt hat. Was die Bewaffnung der Russischen Cavallerie betrifft, so führen die zweiten Glieder sämmtlicher Ulanen - und Husaren - Regimenter überall bereits den neuen , sehr handlichen und leichten Berdan Carabiner.
Derselbe schieszt ausgezeichnet und ist sehr haltbar,
stöszt aber in Folge zu leichter Schäftung so sehr , dass dadurch die Ruhe des Schützen und die sichere Abgabe des heblich leidet.
Schusses er
Getragen wird der Carabiner über die linke Schulter
in einem Lederfutterale, welches so tief hängt , dass der Carabiner beim Reiten nicht nur auf den Rücken , sondern auch auf den rechten Oberschenkel schlägt. Warum man diesem Schlagen nicht durch einen Leibriemen abhilft, ist nicht klar. Die grosse Unzuträglichkeit der verschiedenartigen Bewaffnung der beiden Glieder konnte sich bei den Manövern natürlich nicht in dem Grade zeigen , als sie sich im Kriege und im inneren Dienste bemerklich macht. Das erste Glied ist auszer mit Säbel und Lanze jetzt mit sechsläufigen Revolvern bewaffnet. Die Kosaken - Regimenter führten eine längere , sehr schön ge arbeitete, wie ihre alte Wintowka mit einem Knopfe statt des Ab zugsbügels versehene, Berdan-Flinte , welche das Kosaken-Heer auf 8*
116
Das Russische Uebungslager bei Warschau
eigene Rechnung direct von Amerika bezogen hat.
Die Dragoner
Regimenter hatten noch ihr altes Krnka - Bajonnetgewehr.
Kosaken
wie Dragoner tragen das Gewehr gleichfalls im Lederfutterale, erstere wegen der Lanze über die rechte , letztere über die linke Schulter. Erwähnenswerth ist noch , dass, wie gesagt, die Cavallerie in der selben Weise wie die Infanterie im Schieszen besichtigt wird. Die Regimenter rücken dazu feldmarschmäszig zu Pferde aus und werden erst auf dem Platze die einzelnen Escadrons , welche das Prüfungs schieszen durchmachen sollen , durch den Besichtigenden bestimmt. Hierauf sitzen diese Escadrons ab, koppeln die Pferde und schieszen auf mehrere Distanzen , ähnlich wie die Infanterie. Ein Schieszen zu Pferde findet nicht statt, dagegen ist zu bemerken, dass bei den Dragoner - Regimentern auch Salvenfeuer abgegeben wird .
Die Ca
vallerie schoss auf alle Distanzen beim Prüfungsschieszen nur stehend. Nach den auch nach Trefferprocenten auf die einzelnen Entfernungen zusammengestellten Resultaten hatten die Dragoner- und Kosaken Regimenter im Allgemeinen recht gut geschossen , wogegen bei Hu saren und Ulanen die Resultate weniger glänzend waren . In Betreff Haltens der Pferde durch die Pferdehalter ist zu er wähnen ,
dass die Kosaken
zu diesem Zwecke einen besonderen
Koppelriemen führen , den sie beim Reiten am Vorderzwiesel des Sattels anbinden . Von je vier Kosaken sitzen drei zum Fuszgefechte ab und geben ihre Lanzen an den Pferdehalter ab. Da nun die Kosaken ihre Lanzen statt in einem Schuhe in einem Fuszriemen führen , so ist es dem Pferdehalter leicht , die anderen drei Fusz riemen auch noch über seinen rechten Fusz zu streifen und zwischen Bügel und Absatz festzuhalten, während er die vier Lanzen stangen mit dem rechten Arme umfasst.
Die Koppelriemen der drei
Hand
pferde hält er mit seinen eigenen Zügeln in der linken Hand . Wenn
ich oben bereits über die Vorzüge der Russischen Sat
telung gesprochen habe , so kann ich in Bezug auf Ausrüstung und Bekleidung nicht unterlassen zu erwähnen , dass dieselbe in vieler Beziehung besser als die Preuszische ist.
So fällt vor Allem das
gute und dauerhafte Material der Stiefel, auch bei der Infanterie, vortheilhaft auf.
Ferner sind unter Anderem die Czapka's der Rus
sischen Ulanen nicht nur kleidsamer ,
sondern auch weit
besser,
leichter und haltbarer als die Preuszischen, da sie nicht gröszer als die Preuszischen Offiziersczapka's sind und das aufgesetzte Viereck aus einem Drahtgeflechte besteht. Die Czakots der Husaren und Dragoner sind klein und leicht, leiden aber an dem Mangel eines Hinterschirmes. Was aber die Russische Cavallerie hauptsächlich ,
und zwar
117
vom 13. Juli bis 13. September 1876.
nicht zu ihrem Vortheile, von der Preuszischen unterscheidet, das ist der Mangel an wahrem Reitergeiste, an Lust und Liebe zum Reiten, in den Offiziercorps. Nicht nur , dass jegliches Interesse am Sport fehlt und in Folge dessen Parforce-, Hetz- oder Schnitzeljagden 80 wie Regiments-Steeple-chasen etwas ganz Unbekanntes sind, es setzt sich der Russische Cavallerieoffizier im Allgemeinen überhaupt nur, wenn er im Dienste ist, zu Pferde. Die Gründe hiervon sind einmal in der allgemeinen Vorliebe der Russischen Nation für das Fahren anstatt des Reitens zu suchen , sodann aber liegen sie auch in dem System der Regimentsbereiter , in Folge dessen die jungen Offiziere im Dressiren junger Pferde gar keine Uebung , ja oft nur sehr ge ringe Kenntniss haben, und daran, dass die Offiziere keine Chargen Pferde erhalten und die Offiziercorps der Armee-Regimenter im All gemeinen viel zu wenig bemittelt sind , um auch nur den kleinen Herrensport zu betreiben .
Die Offiziere der Garde-Regimenter halten
sich statt eines Reitpferdes aus ihrer Tasche viel lieber Wagen pferde. Durch die Einführung der obligatorischen Offizierrennen versucht Seine Majestät der Kaiser, das Interesse für das Reiten zu heben, bis jetzt aber scheint man dieselben nicht als ein Vergnügen , son dern mehr als einen lästigen Zwang zu betrachten . Wenn ich schlieszlich einige Bemerkungen über die Artillerie bringe, so darf ich wohl vorweg daran erinnern, dass diese Waffe in Russland satorische
in
den
letzten
Veränderungen ,
mehrung erfahren hat.
Jahren
sondern
nicht auch
nur eine
wichtige
organi
bedeutende
Ver
Während früher jede Fusz - Artillerie - Bri
gade nur vier Batterien zählte , besteht jetzt eine jede aus sechs (im Kriege zu acht Geschützen) , von welchen zwei neunpfündige, drei vierpfündige und eine Mitrailleusen - Batterie. Ferner sind die reitenden Artillerie - Brigaden , deren es sieben zu je zwei Batterien gab , aufgelöst , die reitenden Batterien den Cavallerie - Divisionen direct unterstellt und so ohne höheren artilleristischen Verband lassen worden .
Die
ge
14 bisherigen Batterien sind auf 21 vermehrt
und durch Regularisirung von sieben Donischen Kosaken - Batterien der Zahl der Cavallerie - Brigaden gleichgestellt worden. Der Etat der Batterie ist bei der reitenden Artillerie aber von acht auf sechs Geschütze im Frieden wie im Kriege herabgesetzt worden . Das Geschützmaterial der Russischen Artillerie ist vorzüglich. Während man früher gleichmäszig Bronze- und Gussstahlrohre ein führte, hat man neuerdings der Bronze den Vorzug gegeben .
Die
bei Warschau befindlichen Batterien führten sämmtlich Bronzerohre .
118
Das Russische Uebungslager bei Warschau
Dass die Geschützprotze beim Vierpfünder nur 18 und beim Neun pfünder gar nur 12 Schuss aufnimmt , ist sehr nachtheilig , denn wenn man auch durch die geringe Belastung der Vorderachse eine leichtere Fabrbarkeit des Geschützes erreicht, so darf man doch den Nachtheil nicht übersehen , den ein allzu groszer Batterietrain mit sich bringt, sowie die Schwierigkeit, eine solche Anzahl Wagen ohne erhebliche Verluste in der Nähe der Batterie zu placiren .
Die An
zahl der Munitionswagen wird nun zwar dadurch jetzt verringert, dass man das bisherige System der dreispännigen Gabelkarren ( für Fahrer sehr schwer zu regieren) abschafft und dafür vierräderige Munitionswagen, nach dem Balancirsysteme construirt, einführt. Von den im Lager bei Warschau versammelten Truppen waren alle Garde und die reitenden Batterien bereits mit dem neuen Materiale ver sehen , während die Grenadier - und Armee - Fuszbatterien noch das Dreigespann hatten . Da man aber die neuen Munitionswagen der gestalt hergestellt hat , dass man zu der alten Gabelkarre einen Vorderwagen construirte , so ist dieser als Geschützprotze eventuell nicht zu benutzen. Die Mitrailleuse ,
mit der sämmtliche 6. Batterien aller Fusz
brigaden bewaffnet sind , ist das „ Gatling - Gun “. tionswagen führte jede Batterie ,
Bespannte Muni
auch die Mitrailleusen ,
bei den
Uebungen im Lager zwei . Das Pferdematerial der Russischen Artillerie ist sehr gut und verhältnissmäszig weit besser als das der Cavallerie .
Der Grund
hiervon liegt darin , dass Russland – mit Ausnahme der Kosaken länder überhaupt weit bessere Zug- als Reitpferde züchtet. Die Zugpferde der Kosakenbatterien werden vom Staate geliefert. Die Leistungen der Russischen Artillerie zu beurtheilen ,
ist
Schreiber dieses leider nicht im Stande, da er Schieszübungen nicht beigewohut hat. Beim Manövriren bewegt sich die Artillerie mit groszer Schnelligkeit und bemüht sich stets , sehr schnell zum Schuss zu kommen .
Die Kosaken - Artillerie manövrirt mit unübertrefflicher
Gewandtheit und Schnelligkeit.
Viele Russische Artillerie - Offiziere
behaupten, ihre Leistungen im Schieszen seien nicht bedeutend, wo gegen Offiziere anderer Waffen ihr auch im Schieszen den Vorzug geben . Wenn
ich
mir nun ein zusammenfassendes Urtheil über den
heutigen Zustand der Russischen Armee erlauben darf , die gerade jetzt umsomehr Interesse erregt, als sie im Begriffe steht , auf dem Schlachtfelde ibre Tüchtigkeit beweisen zu sollen , so glaube ich, dass dem im Allgemeinen vorzüglichen Materiale und seiner trefflichen
vom 13. Juli bis 13. September 1876.
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Organisation nur ein Factor fehlt, der allerdings wesentlich für den Erfolg mitspricht, das ist der Geist.
Bei dem rastlosen Streben aber
und dem Eifer, den man in allen Richtungen des Militair-Wesens in Russland entfaltet, wird dieser Geist auch einmal in die Armee kommen, und wenn er da sein wird, dann wird dieselbe jeder anderen zum mindesten ebenbürtig sein .
IX .
Umschau in der Militair -Literatur.
Ein Preuszisches Unterrichtsgesetz oder ein Reichsgesetz über die militairische Jugenderziehung ? Mit besonderer Berück sichtigung der Reformideen Scharnhorst's, Gneisenau's und des Prinzen August von Preuszen.
Von Dr. Karl Walcker.
Berlin , Theodor Grieben, 1877.
Gr. 8.
335 S.
6 M. –
Haben Sie das Werk über die militairische Jugenderziehung von einem gewissen Dr. Walcker
gelesen ? “
Mit diesen Worten
begrüszte mich vor Kurzem der Rittmeister von Soundso, als wir zusammentrafen , um den Abend zu verplaudern.
Ich musste mit
„ Nein " antworten und nun geduldig meinen gesprächigen Freund anhören , dem harte Worte über das genannte Werk in Menge von der Lippe flossen .
Mein steter Begleiter, der auch heute Abend treu
an meiner Seite aushielt , - ich meine den Geist des Widerspruches -stiesz mich während dessen mehrfach unbemerkt an und flüsterte mir zu :
„ Du wirst doch nicht?!“
Und als Freund Rittmeister sein
Herz ausgeschüttet hatte und mich überzeugt zu haben glaubte, dass man über die militairische Jugenderziehung gehörig herziehen müsse , war ich mit meinem unsichtbaren Nachbar darüber einig : „ Nun gerade nicht ! “ – Entschlossen also, gerade das Gegentheil von dem zu sagen, was mir vor einigen Abenden erzählt worden war , nahm ich , sobald die Sonntagsmorgen-Musze es mir gestattete, Dr. Karl Walcker's militairische Jugenderziehung in die Hand und be trachtete zunächst mit kritischen Blicken das Aeuszere des statt lichen Bandes.
Kopfschüttelnd musste ich mich über meine geringe
Umschau in der Militair - Literatur.
120
Belesenheit wundern.
Die letzte Seite des Buches ist mit Titeln von
Werken und Aufsätzen angefüllt, welche derselbe Verfasser geschrie ben , und ich hatte keine Ahnung von seiner Existenz ! Allerdings handeln diess Werke von allen Möglichen, nur nicht, mit Ausnahme eines Einzigen, über militairische Gegenstände. Mein Staunen sollte sich aber noch mehren : denn schon aus der Vorrede erfuhr ich , dass der Verfasser sich seit bereits 10 Jahren mit dem vorliegenden Gegenstand beschäftigt und wohl 200-300 Arbeiten über denselben gelesen hat.
Welcher Preuszische Offizier darf sich dessen rühmen ?!
Was Wunder , wenn unter diesen Umständen aus jeder Seite des Buches eine staunenswerthe Kenntniss über militärische Dinge spricht. Allerdings war ich bisher in den meisten Punkten anderer Ansicht als Dr. Karl Walcker, aber mein Wissen reichte ja bei weitem nicht an das des Verfassers .
Ich muss daher annehmen, dass meine An
sichten nicht zutreffend waren und dies um so mehr, da wohl auch jeder Seite des
Buches die Uebereinstimmung des Verfassers mit
dem mir allerdings durch seine Schriftstellerei nicht ganz unbekannt gebliebenen Oberst Rüstow betont wird.
Das will nicht wenig sagen ;
denn wie Scharnhorst und Gneisenau, Roon und Manteuffel und wie alle die andern militairischen Gröszen , welche Verfasser auf seiner Seite zu haben behauptet , würde nach seiner Ansicht Rüstow es auch gemacht haben , wenn er nur richtig erkannt und an die rich tige Stelle gesetzt worden wäre !
Bewundern musste ich gleichzeitig
die Vielseitigkeit des Verfassers.
Es giebt kaum einen militairischen
Gegenstand über den er in diesem seinem Werke nicht seine Mei nung, gestützt auf die 200—300 gelesenen Arbeiten , ausspricht.
Er
urtheilt über Filzhelme und Schnürschuhe , Attacken der Cavallerie auf Infanterie, weisze Waffenröcke, Einheits - Reiterei , Avancement, Classifizirung der Offiziere , über Stellung der Unteroffiziere , über Versetzung von Offizieren und Gott weisz was für Dinge sonst ! Und mit welch ' tief innigen Verständniss!
Wer wird dem Herrn Ver
fasser z . B. nicht zustimmen , wenn er auf Seite 119 sagt : „ In Zu kunft sobald als möglich , müssen alle Unteroffiziere aus den gebil deten Classen rekrutirt werden , abgesehen natürlich von den aus der Zabl der Gemeinen aufsteigenden Talenten . . . . Es würden sich dann folgende Namen empfehlen : für Premierlieutenant Oberlieu tenant ,
für Secondelieutenant – Mittellieutenant ,
für Unteroffizier
Unterlieutenant. ... - Auf der vorhergehenden Seite sprach der Herr Verfasser von dem Generalstabschef und „ Kriegsminister " von Reyher, der als gemeiner Soldat ausgehoben , ebenso wie der als wissenschaftliche Grösze bekannte General-Lieutenant von
Umschau in der Militair - Literatur.
Beyer.
121
In Parenthese ist alsdann hierzu bemerkt : Ob v. Beyer
mit dem Badischen Kriegsminister von 1866--1870 identisch ist, oder ob vielleicht der berühmte Geodät v. Bayer gemeint ist, weisz ich nicht. – Wie gerechtfertigt ist z . B. auch jene Folgerung , welche sich auf Seite VIII der Vorrede befindet : Auch von Kaiser Wil helm ist die Nothwendigkeit höherer Landwehroffiziere durch Bis marck's Landwehr- Carrière anerkannt. Derselbe wurde 1876 voller General
der Landwehr - Cavallerie. “
Auch für jene Mittheilung
wird gewiss Mancher Herrn Dr. Walcker dankbar sein, wenn er auf S. 99 sagt : „ Wie vergeblich diese Mohrenwäsche ist (nämlich die Schuld der „ Obscuranten “ von 1806 nach Möglichkeit zu leugnen) beweist u . A. der Umstand , dass Clausewitz's Tagebuch über jenen Feldzug vom Staate angekauft und nach Art der index librorum probibitorum secretirt wurde. “ Von der Existenz dieses Tagebuchs war der profanen Menge bisher nichts bekannt ; man wusste nur, dass eine geistreiche Arbeit Clausewitz über den Feldzug 1806 im Manuscript vorhanden ist, die aber schon mehrfach und namentlich in dem bekannten Geschichtswerke Höpfner's benutzt wurde. - Zu meinem Bedauern muss ich mir es versagen, hier die nach Art des Vorstehenden ganz neuen, tief durchdachten Vorschläge und Ansichten des Verfassers alle aufzu führen – ich müsste sonst ein ganzes Buch hierüber schreiben .
Zum
Beweise aber, wie sehr der fragliche Gegenstand in das Fleisch und Blut des Verfassers, in sein ganzes Thun und Denken übergegangen ist , dient am besten die Thatsache, dass er das ganze Staatsleben, die sociale Frage, den Cultur-Kampf , die Steuerpflicht, die Staats anwälte , Gründer- Schwindeleien etc. etc. in engste , unzertrennliche Verbindung mit der Militair -Frage zu bringen weisz ! – Um nun der Sache , um welche es sich in dem vorliegenden Werke eigent lich handelt , endlich näher zu treten , so sei zuerst erwähnt , dass nach Dr. Walcker's Behauptung das Deutsche Heer in seiner augen blicklichen Stärke und Organisation viel zu schwach ist . Es muss die wirklich allgemeine Wehrpflicht eingeführt und um dies möglich zu machen, die militairische Jugenderziehung durch ein Reichsgesetz festgestellt werden . Den Beweis , dass das Deutsche Heer viel zu schwach sei , zieht der Verfasser mit unabweisbarer Logik aus den Thatsachen der Kriege 1866 und 1870. Er sagt unter Anderm S. 77 : „ Im Böhmischen Kriege waren die numerischen Kräfte beider Theile annähernd gleich, obgleich sich der ausgezeichnete General v. Bonin in Folge von Truppenmangel bei Trautenau zurückziehen musste ; in Deutschland hatten die Preuszischen Heerführer indess 1866 gegen eine überlegene und tapfere, wenn auch durch die Bairisch - Hessischen
Umschau in der Militair -Literatur.
122
Prinzen Eifersüchteleien etc. in ihrem Wertbe herabgeminderte Trup penmasse zu kämpfen .
Im Französischen Kriege war die numerische
Ueberlegenheit nur zum Theil auf Seiten der Deutschen , welche z . B. bei Mars la Tour und Vionville über eine zwei- bis dreifache Uebermacht siegten.
Auch nach der Cernirung von Metz war das numerische
Uebergewicht auf Seiten der Franzosen , desgleichen in Paris, wo ein energischer Commandant, ein Gneisenau, oder Napoleon I., eine gewal tige Armee hätte schaffen können . Auch an der Loire und im Norden batten Prinz Friedrich Karl, General v. Voigts-Rhetz, der Groszherzog von Mecklenburg und General v . Manteuffel einen
sehr schweren
Stand u . 8. w. “ „ Bei einer genügenden Truppenzahl “ , heiszt es dann auf Seite 279 , „ hätte Deutschland schon im September 1870 ganz Frankreich überschwemmen und mit viel geringeren Opfern an Gut und Blut, an Landeskindern , einen raschen, ebrenvollen Frieden unter denselben Bedingungen wie 1871 und mit Belfort erreichen können ; denn Paris, der Schlüssel Frankreichs, hielt sich nur in der Hoffnung auf Entsatz.
Ist mit solchen Beweisen, die wie titanenartige Keu
lenschläge jeden Zweifel niederschmettern , nicht klar und deutlich dargethan, dass Deutschland ein viel stärkeres Heer in Kriegszeiten haben muss, als bisher ? Darum also wirklich - allgemeine Wehrpflicht, d: h. ein jeder Staatsbürger muss dienen !
Mit dreijähriger Dienst
zeit ist dies nicht zu ermöglichen , darum kurze Dienstzeit, aber und biermit liegt des
Pudels Kern endlich vor uns : militairische
Jugenderziehung. In den Schulen bereits, Exerciren , Schiesz- und Marschübungen u . 8. W. Als Elementarlehrer sollen nach Dr. Walcker nicht mehr balbgebildete professionirte Schulmeisterlein verwendet werden, sondern ,Gentlemen “, Subalternoffiziere ! Absichten unseres Autors !
Dies die Ziele und
So neu wie seine Gedanken sind , so
mächtig und durchschlagend ist gewiss aber auch bei Jedermann die Wirkung der angeführten Gründe .
Nur der ,, Obscurantismus“ und
„ Neutralismus “ , welche der Verfasser mit scharfer Feder gründlich durch , walckt“, oder militairische Fachmänner, verrottet in einseitigen Ansichten , werden der Durchführung solcher Ideen entgegenzutreten wagen . Das Wie und Wo der Sache bringt uns die vorliegende Schrift nicht näher ; doch das scheint auch gar nicht nöthig zu sein, das ergiebt sich Alles von selbst, wenn wir uns erst nicht mehr dar auf beschränken , unsere Jugend, wie bisher, unter Beobachtung all gemein - gesundheitsnützlicher Grundsätze grosz zu ziehen , sondern ibnen eine echt militairische Erziehung geben. Dann aber auch keine halben Maaszregeln ! Was ein Häkchen werden will , krümmt sich bei Zeiten ! Anstatt Ammen und Milch der frommen Denkungsart
Umschau in der Militair-Literatur. sofort tüchtige Soldatenkost !
123
Anstatt Taube und Lamm in der Fibel
nur Adler, Löwe, Wolf und andere reiszende Thiere !
Anstatt Roth
käppchen und Schneewittchen , schon von wegen des in Aussicht stehenden Avancements , die Geschichte von dem Schneider , der sieben mit einem Schlage erschlug, oder die von den tapferen sieben Schwaben ! In der Abc - Schule dann sofort nach den zehn Geboten die Kriegsartikel, anstatt des verpönten Bone I. und II . den kleinen und den groszen Waldersee. Geht's dann weiter, anstatt Zumpt und Jacobs und Pütz und wie die Schulheiligen sonst heiszen , Rüstow mit alle seinen bereits geschriebenen und augenblicklich noch unge schriebenen Werken.
Noch einen Stosz weiter und man wird sich
schon an den secretirten Clausewitz, an Scherff und andere Militair Philosophen wagen dürfen ,
bis schlieszlich behufs Erlangung der
militair - academischen Würde das vorliegende Buch des Dr. Karl Walcker ! Doch das ist nur die eine Seite der neuen Aera : die gei stige Erziehung, selbstredend ausschlieszlich von „ Gentlemen “, Unter-, Mittel-, Oberlieutenants, später auch von Hauptleuten, Stabsoffizieren und Generalen geleitet. Nebenher geht die körperliche Ausbildung : da der zugeknöpfte Rock und Kragen dem jungen Soldaten bekannt lich
die meisten Schwierigkeiten machen , so schon hübsch in den
untersten Classen der Elementarschule bis obenhin zugeknöpft.
An
statt der schlaffen Mützen Pickelhauben , nur noch rothe Dinte , Fe dern und Bleifedern in Form von Bajonneten und Degen u. 8. W.
Voll
ständig militairische Eintheilung in Corporalschaften, Sectionen u . s . w . Damit aber auch bei dem Eintritte in die Reihen des stehenden Heeres die einzelnen Waffen nicht benachtheiligt sind , wird der Schuloffizier nach den ersten Grundlagen seine Zöglinge auch sofort nach ihren Fähigkeiten den verschiedenen Waffen zutheilen müssen . Die unbe anlagte Menge für die Infanterie , die wildesten Knaben für die Ca vallerie, die besten Köpfe in Folge einer besonderen Anziehungskraft den gelehrten Waffen .“ (Siehe in dem vorlieg. Werke auf S. 301 die Anmerkung. )
Selbstredend würden für diesen ersten militairischen
Unterricht die Flinten und Kanonen aus der „ Nürnberger “ Waffen fabrik zu entnehmen sein, die Cavallerie sich vorläufig mit Stecken pferden begnügen müssen , und für die gelehrten Waffen der im elter lichen Hause wegen seiner Feindschaft mit den Hosenknien so ver hasste Sandhügel wieder zu Ehren kommen .
In dieser Weise geht
es allmälig in den Elementarschulen fort, bis der militairisch erzo gene Knabe etwa 14 Jahre alt ist. Hiermit hörte nun nach früheren Gesetzen der Schulzwang auf.
Unter Zugrundelegung der auf Seite
86 des vorliegenden Werkes gebrachten Zahlen , haben daher auch
124
Umschau in der Militair-Literatur.
bisher von 364,000 jungen Leuten nicht mehr als 14,250 die Berech tigung zum einjährigen Dienst erlangt, oder mit andern Worten es über eine Elementarschulbildung
hinaus
gebracht.
In der
neuen
Aera der Walcker'schen Militair-Jugenderziehung müssen die anderen 349,750 Knaben nun aber erst recht militairisch erzogen werden. Ein Handwerk lernen , einen Stand wählen, ist Nebensache : Haupt sache bleibt nun die ernste militairische Ausbildung mit Hinterlader, Pulver, Pferden, Ziegelsteinen u. s. w. u . s. w.; denn die Staatsbürger sind nur da , um den Staat zu vertheidigen , Alles andere tritt in zweite Linie !
Doch ich fühle es ,
meine Feder ist zu schwach , alle die
Ideen auszumalen , die sich während des Lesens des Walcker'schen Buches bei mir entwickelt haben . Das vorliegende Werk wird obne dies bald überall gelesen und sofort von durchschlagendster Wir kung sein, sein Verfasser neben Rüstow und anderen militairischen Autoritäten glänzen.
Leicht wird es möglich sein , dass bei den be
vorstehenden Reichstagswahlen sich die allgemeine Aufmerksamkeit dem Gründer der neuen militairischen Aera zuwendet und dann Herr Dr. Walcker als Organ des Volkes den Reichskanzler von wegen der wirklich allgemeinen Wehrpflicht und der militairischen Jugend erziehung interpellirt ! Das würden Tage von höchstem Interesse und höchster Bedeutung werden, die Lösung der Orientalischen Frage dann wieder auf einige Zeit als gleichgültig in den Hintergrund treten. Allerdings können immerhin der von dem Verfasser getadelte Neu tralismus des Reichskanzlers oder der „ Obscurantismus " der Reichs boten kein fruchtbarer
Boden für seine Geistesflüge
Wahrheiten müssen blutig erkämpft werden !
sein !
Aber
Nicht nachgelassen !
Trostesworte giebt es in solchen Fällen ja hinreichend , die den Muth anfachen zum Weiterkämpfen bis zur Erschlaffung !
So z. B. das
auf Seite 276 des vorliegenden Buches gebrachte Verslein : „ Ueber all dringt Bildung durch , Nur nicht nach St. Petersburg. " oder die Worte, die schon Mancher manchesmal vor sich hingesummt hat : „ 0 ― du armes , verkanntes Genie , o du armes , verkanntes Genie !" Ich sehe übrigens, dass ich bei Besprechung des Walcker'schen Buches in meiner Begeisterung für die Sache vergessen habe , zu erwähnen, dass Verfasser bei seinem hohen Fluge die tief unter und hinter ihm liegenden menschlichen Dinge doch nicht immer ganz richtig angesehen hat.
So lässt er auf Seite 125 den alten Nettel
beck unter's Militair gehen ; auf Seite 131 übernimmt an Stelle des verwundeten Fürst Hohenlohe der 80jährige Feldmarschall v. Möllendorf den Oberbefehl in der Schlacht bei Jena ; auf Seite.
Umschau in der Militair -Literatur.
125
189 lässt er jeden brauchbaren Offizier durchschnittlich im 30. Lebens jabre Hauptmann mit 1400 Thlrn . Gehalt werden (in Betreff dieser letzten Stelle bin ich allerdings in Zweifel, ob J. v. Wickede's Gänse füszchen von S.185 her hier nicht auch Geltung haben )! Doch was sind solche kleine Schnitzer, deren sich noch eine Menge in dem hochinteres santen Buche vorfinden, in Anbetracht der groszen , kühnen Idee, die Verfasser zu Tage gefördert hat. Sollte er wirklich wider alles Erwarten hier auf Erden mit derselben kein Glück haben, sicherlich werden ihm dereinst, wenn er in Walhalla's Ruhmeshallen eingeht, der „ seichte“ Pönitz (s . S. 20) und eine grosze Zahl der dankbaren, sonst ziemlich unbekannten von ihm citirten 200—300 Schriftsteller, welche er über die Militairfrage gelesen hat, mit einem lauten militairischen Hurrab empfangen !
In dem Trubel und Jubel wird es überhört worden
sein, dass ihm der Schön’sche „ grosze Liniensoldat“ Scharnhorst aber soeben in's Ohr geraunt hat : „ Du hättest uns und unsere Ideen nur aus dem Spiele lassen sollen .
Was wir sagten , galt vor 70 Jahren
und für auszergewöhnliche Verhältnisse. Heute passt es nicht mebr, und Du hast dich am Ende doch unsterblich - bla mirt.
Geschichte der Belagerung von Straszburg im Jahre 1870 von Reinhold Wagner, Major im Stabe des Ingenieur- Corps.
Auf
Befehl der Königl. Gen.-Inspection des Ingenieur-Corps und der Festungen nach amtlichen Quellen bearbeitet. Dritter Theil. Erste Hälfte .
Mit einer lithog. Ansicht des Reduits der
Lünette 44 im Texte, einem Atlas, enthaltend 10 Blatt Pläne und Zeichnungen und 9 Beilagen. Berlin 1877. F. Schneider u . Co. (Goldschmidt und Wilhelmi) . 41 Seiten Anlagen. 22 Mark .
Gr. 8. – 243 Seiten Text,
Es ist länger als zwei Jahre her , seit der 2. Theil des vorbe nannten Werkes veröffentlicht worden ist. Während dieser Zeit wurden
nach und nach immer mehr Stimmen laut, welche die Be
endigung des begonnenen Werkes in Zweifel zu ziehen begannen. „ Endlich !" — wird daher gewiss Mancher bei dem Erscheinen der Fortsetzung des Wagner'schen Werkes ausgerufen haben . Dieses „ Endlich “ aber ist der beste Zeuge von dem Werthe des Buches. Trotzdem dass mit der Zeit über den in Rede stehenden Gegenstand bereits andere Darstellungen,
namentlich aber der betreffende
Ab
schnitt des Generalstabswerkes, veröffentlicht worden sind , ist das grosze Interesse , welches man dem vorliegenden Werke bisher ent gegen getragen hatte, in keiner Weise abgeschwächt worden . Eines
Umschau in der Militair - Literatur.
126
theils ist die Begebenheit selbst von solcher Bedeutung für die Kriegs wissenschaft , dass eine eingehende , auf officielle Berichte gestützte Darstellung des Detail - Verlaufes der Belagerung
von Straszburg
geradezu als die Basis für die Grundsätze des modernen förmlichen Angriffes gelten darf ; anderestheils hatte der Verfasser durch den ersten und zweiten Theil seines Werkes bewiesen , dass er sich seiner wichtigen Aufgabe voll bewusst und dass er im hohen Grade die Fähigkeit besitzt , anregend und belebrend zu schildern .
Eine er
schöpfende Gründlichkeit , eine unanfechtbare Objectivität und eine klare, besonders gewandte Darstellungsweise zeichneten die früheren Theile des Werkes, welche im Wesentlichen nur die Vorbereitungen zu dem groszen erschütternden welthistorischen Drama behandelten, aus . Mit dem dritten Theile tritt aber nun die kriegerische Hand lung in ihren Zenith , alle zum Handeln berufenen Kräfte gelangen zur vollen Thätigkeit, Wirkung und Ursache, Mittel und Zweck stehen in nächster Verbindung vor Augen. Vorzügen des
Bei den geschilderten allgemeinen
Wagner’schen Werkes wird daher der vorliegende
Band unzweifelhaft in erhöhter Weise das Interesse in Anspruch nehmen . Nur die Tbaten weniger Tage , die Zeit vom 27. August bis zum 10. September sind in demselben auf ungefähr 240 Seiten geschildert.
Die Darstellung der Periode des Ueberganges yom Bom
bardement zum förmlichen Angriffe, der Eröffnung des förmlichen An griffs in der Nacht zum 30. August , des Vorgehens bis zur 2.
Pa
rallele und Eröffnung derselben in der Nacht zum 2. September, der Entscheidung über die Angriffsfront und des Auftretens der 40 allmälig in Thätigkeit gebrachten Batterien , eine eingehende Schil derung des Belagerungsdienstes , eine kurze Darlegung der
ander
weitigen gleichzeitigen Unternehmungen des Belagerungscorps und schlieszlich eine ganz vortreffliche Auseinandersetzung und Beurthei lung des Verhaltens
des Vertheidigers während der Zeit vom 29.
August bis zum 10. September bilden im groszen Ganzen den Haupt inhalt des jetzt erschienenen Theiles.
Klar und offen legt der Ver
fasser bei seinen Schilderungen alle einschlagenden Verhältnisse dar ; er bringt das Gelungene, Wirkungsvolle ebenso wie Irrthümer und Fehler
zur Darstellung.
Neben dem Thatsächlichen ist dabei an
geeigneten Stellen eine sachgemäsze Kritik geübt worden , die stets maaszvoll und in den richtigen Grenzen bleibt, lediglich auf Beleh rung hinzielt. Artillerie
Die Thaten der Infanterie, das kräftige Eingreifen der
finden
neben der ungemein
anstrengenden, aufregenden
Thätigkeit des Ingenieurs ihre volle Werthschätzung. Die Beach tung des Goethe’schen Lehrspruches über den „ Meister des Styls “
Umschau in der Militair-Literatur.
127
giebt der Darstellung stets richtig Licht und Schatten ; bei drasti schen Momenten streben auch Ton und Form der Darstellung zum höchsten Effect.
Nur zuweilen klingt nach meiner Ansicht an ein
zelnen Stellen eine kleine Verstimmung des nach Instructionen und Reglements grosz gezogenen Ingenieur-Offiziers ein wenig durch, der die Praxis mehr der Theorie untergeordnet sehen möchte (vergl. z. B. in dieser Beziehung S. 390 und 391 ) .
Auch scheint es nicht ganz
in den Rahmen der gewählten Darstellungsart zu passen, wenn Ver fasser bei Gelegenheit der Angaben über die Thätigkeit der Batte rien 5 und 35 mit den gezogenen kurzen 15 Cm.- Kanonen resp . ge zogenen 21 Cm.- Mörsern gegen die Lünette 44 über die in Frage stehende Periode hinausgeht und den ganzen Verlauf dieser Hand lung schon in dem vorliegenden Bande beschreibt und bespricht.
Der
Gegenstand, um den es sich hier handelt, ist ja ebenso neu wie von höchstem militairischen Interesse, so dass er gewiss die ganze Auf merksamkeit der Fachmänner in Anspruch nimmt.
Aber ob des
halb ein wissenschaftliches Werk 2 von der gesteckten Bahn abwei chen darf, scheint fraglich .
Doch läszt sich hierüber erst endgültig
entscheiden, wenn das Werk des Major Wagner vollständig vorliegt. Ich habe es nicht als meine Aufgabe angesehen , auf das Einzelne der Darstellung hier näher einzugehen , oder genauer zu untersuchen, ob die Ansichten des Verfassers stets unangreifbar sind ; es handelt sich vielmehr um eine Charakterisirung des Ganzen und diese glaube ich in den vorstehenden Zeilen gegeben zu haben.
Wenn ich hierbei
noch erwähne, dass ich auch zu Denen gehörte, welche nicht recht begreifen konnten, dass zur Anfertigung eines Bandes von 240 Sei ten über Begebenheiten, die bereits vor 6 Jahren abgeschlossen waren, ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren nothwendig gewesen , so darf ich jetzt nicht verschweigen , dass ich nach Durchlesen des erschienenen Bandes ganz anderer Ansicht geworden bin.
Es ver
dient die gröszte Anerkennung , dass Verfasser nach allen Seiten bis in die kleinsten Verhältnisse hinein nachgeforscht hat.
Das Re
sultat jahrelangen Suchens ist oft vielleicht zu wenigen unschein baren Angaben zusammengeschrumpft. Bis zu Ende des Jahres 1875 hat der Verfasser namentlich über die Verhältnisse auf Seiten des Vertheidigers noch Aufschlüsse und ergänzende Angaben zu finden gewusst. Der gebrauchte Zeitaufwand ist somit gewiss in jeder Weise gerechtfertigt und für die Sache selbst nicht ohne Nutzen gewesen. Um dem
etwaigen Vorwurfe maaszlosen Lobes vorzubeugen,
will ich mir zum Schlusse dieser Besprechung doch auch die Be merkung gestatten, dass wenn, wie gesagt ,
die Darstellung im All
Umschau in der Militair-Literatur.
128
gemeinen recht klar und gewandt geschrieben ist , Verfasser doch nicht selten seine Sätze, nach Art der allmälig verlängerten und erweiterten Parallelen, sich auf 10, 11 , 12 Zeilen verlängern lässt. Auch ist die Ausdrucksweise , so concise und genau sie im Allge meinen, nicht immer ganz unanfechtbar. So heiszt es u. A. auf Seite 320 : „ Die Garde-Landwehr-Division wurde aus einer . . . . Auf Seite 386 แ _ ". Dislocation in eine solche verlegt · wird gesagt : „ Für die Nacht (zum 11. August) waren folgende A n ordnungen getroffen " . . Es wird dann aber sofort erwähnt, was in Wirklichkeit geschah.
Seite 387 steht : „ Die Citadelle verhielt
Nur in Folge des Zerspringens eines 12 sich fast schweigend . Pfünder-Rohres in Batterie 5 wurden 2 Mann verwundet. " Seite 391 begegnet man: zahlreicheren Bataillonen als normalmäszig . Seite 400 befindet sich der Ausdruck : „ zu mehrerer Sicherung ". Auf derselben Seite wird von einer Schwerlinie des Angriffes gesprochen ! Seite 434 werden grosze Tonnen ins Auge gefasst. Seite 522 wird die Auch nicht selten gemachte Mittheilung ablehnend beantwortet. werden einzelne Füsilier- Bataillone als 3. Bataillone bezeichnet u . s . w., u. s. w. Im Uebrigen ist der Druck des Werkes ein sehr correcter ; sinnentstellende Druckfehler sind mir nicht unter die Augen ge kommen ; Maasznahme wechselt mehrmals mit Massnahme ab, Replis einmal mit Repli.
Ueber die vortrefflichen, in reichlichstem Maasze
diesem Theile beigegebenen Karten und Pläne bedarf es hier keinen Auch sie sind sprechende Zeugen von der Sorgfalt
weiteren Lobes .
und Gründlichkeit des Verfassers , welcher mit seiner Belagerung von Straszburg ein hoch bedeutendes wissenschaftliches Werk ersten Ranges geschaffen hat.
Geschichte des 2. Hanseatischen Infanterie - Regiments Nr. 76. Im Auftrage des Regiments zusammengestellt von Wilfried I
Niemann, Hauptmann und Compagniechef im 2. Hanseatischen Infanterie - Regiment Nr. 76. Mit 2 Karten. Hamburg 1876 . W. Mauke, Söhne . Gr. 8. 235 S. Preis : 6 Mark. Das 76. Regiment besteht erst seit einem Jahrzehnt. In Folge der staatlichen Umwälzungen nach dem Kriege des Jahres 1866 aus Abgabe einzelner Compagnien der 4. Division gebildet , wurde es dem Verbande des 10. Armeecorps zugetheilt und hatte zunächst die Aufgabe, Hannover'sche Unteroffiziere und Mannschaften zu Preuszi schen Soldaten auszubilden .
Die mit den Hansestädten im Jahre 1867 abgeschlossenen Militair - Conventionen gaben dem Regimente
1
Umschau in der Militair- Literatur.
129
jedoch schon am 1. October letztgenannten Jahres eine andere Be stimmung .
Von Hannover nach Hamburg und Lübeck in den Be
reich des 9. Armeecorps verlegt , hatte es die zum Infanteriedienste tauglichen Militairpflichtigen der genannten Hansestädte in seinen Reihen aufzunehmen. Ausbruch des
Wenige Jahre bestand das Regiment, als der
Deutsch - Französischen Krieges von der im
Stillen
schaffenden Friedensthätigkeit zum Kampfe fürs Vaterland rief.
An
fänglich waren die Söhne der Hansestädte zur Vertheidigung ihrer engeren Heimath bestimmt ; doch bald befreiten die Siege auf den Gefilden von Elsass und Lothringen auch die Deutschen Küstenlande von der Gefahr einer Invasion des Gegners. Unter dem Befehle des Groszherzogs von Mecklenburg - Schwerin wird die 17. Division und mit ihr das 76. Regiment in Gemeinschaft
mit der 2.
Landwehr
Division nach Frankreich herangezogen. Kurze Zeit und ohne Ge legenheit , Erhebliches zu leisten , tritt das Regiment bei der Cer nirung von Metz , Toul und Paris
auf.
Am 7. November endlich
wird es zu neuer , ruhmreicher Thätigkeit abberufen.
Es gilt , im
Verbande der Armee- Abtheilung des Groszherzogs von Mecklenburg den aus dem Westen Frankreichs gegen die Cernirungsarmee von Paris vorpoussirten Streitkräften entgegen zu gehen . hier der nur lose geordnete Feind.
Bald weicht
Dann wendet sich die Armee-Ab
theilung unter dem Oberbefehle des Prinzen Friedrich Carl gegen die Hauptkräfte der Französischen Feldtruppen , die Loire - Armee. Vom 2. bis 16. December wird der Feind unter fast täglichen Kämpfen aus der Gegend nördlich von Orléans bis nach Le Mans zurückgetrieben .
Die Namen : Loigny , La Borde, Langlochère, Ville
marceau , Boynes , Villejouan und Frétéval bezeichnen die Rubmes bahn des Regiments in diesen Tagen , in welchen es gezeigt , dass in der Preuszischen Armee vor dem Feinde das jüngste Regiment sich von dem ältesten in keiner Weise unterscheidet.
Einige Tage
Ruhe und Erholung in und bei Chartres und dann geht es von Neuem gegen Chanzy's Truppen , welche bei Le Mans von allen Seiten umfasst und
zurückgedrängt werden.
Bis über die Sarthe
wird der Feind verfolgt, dann rückt die 17. Division nach Alençon vor und besetzt demnächst Rouen. Der Waffenstillstand machte hier der kriegerischen Thätigkeit
ein Ende.
Von Dieppe tritt das Re
giment am 17. März seinen Abmarsch nach der Heimath an , wo es nach seinem Eintreffen von Neuem schafft und wirkt, um die Söhne des Vaterlandes
in ihren Pflichten für Kaiser und Reich
ziehen . Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
9
zu er
Umschau in der Militair -Literatur.
130
Dies in kurzen Zügen die auf einen geringen Zeitraum zu sammengedrängte, ruhmreiche Geschichte des 76. Regiments, welche in dem vorliegenden Buche in klarer Weise zur Darstellung gebracht ist . Hamburgs und Lübecks Söhne dürfen mit Stolz und Selbst bewusstsein auf diese Regimentsgeschichte blicken , die ein unzwei deutiges Zeugniss von der Einigkeit und Stärke Deutschlands legt .
ab
Dem Verfasser ist es gelungen , überall den richtigen Ton zu
treffen und sachgemäsz das Wichtige hervorzuheben , Nebensächliches kurz zu bertihren. Für taktische Studien ist namentlich die aus führliche Schilderung der Schlacht bei Loigny - Poupry geeignet . So mit ist durch die vorliegende Geschichte des Regiments Nr. 76 nach mancher Richtung hin die Literatur des Deutschen Heeres werthvoll bereichert worden .
Aus Brandenburgisch -Preuszischer Heeresgeschichte . - Fünfzig Reiterbilder ,
gezeichnet von
maler in Düsseldorf.
Otto
Fikentscher ,
Verlag der Militaria .
Berlin
Historien 1876 .
Die vorgenannte Verlagsbuchhandlung , welche mit dem nun mehr fast vollendeten Prachtwerke „ Die Generale der Deutschen Armee “
ein für die Deutsche Heeresgeschichte höchstwerth- und bedeutungsvolles Werk geschaffen hat, beginnt mit der vorliegenden 1. Lieferung der „ Fünfzig Reiterbilder “ ein ähnliches , patriotisches Unternehmen . Aus dem beigefügten Prospecte ersehen wir, dass unter der groszen Menge Brandenburgisch - Preuszischer Helden und her vorragender Heerführer aus jeder Epoche einzelne mit groszer Sorg falt ausgewählt sind , um ihre Zeit und Preuszens Heer zu charak terisiren . Schon der Ruf des Künstlers bürgte dafür, dass die Reiter bilder künstlerisch und historisch Bedeutendes leisten würden . Die erste Lieferung entspricht vollständig den gemachten Erwartungen. Vor uns liegen fünf Bilder : der grosze Churfürst, Seydlitz , Prinz Louis Ferdinand, Blücher und Moltke. Mit Ausnahme des genannten
tapferen Prinzen sind die anderen Genannten bereits typische Fi guren in Preuszens Heer und es würde unangenehm berühren, sähe man die Betreffenden nicht in hergebrachter Weise charakterisirt. Das hat der Künstler zweifelsohne auch gefühlt ; der grosze Chur fürst, Seydlitz und Blücher sind denn auch auf diesen Bildern die alten bekannten Erscheinungen mit einer Decoration , die sofort die grosze Kenntniss des Künstlers , was Uniform und Aeuszeres anbe langt, beweisen .
Der Prinz Louis Ferdinand ist dargestellt, wie er
am 10. October 1806 in dem Gefechte bei Saalfeld, als sein Vollblut
Umschau in der Militair -Literatur.
pferd beim
131
Nehmen eines Zaunes in dem Dorfe Wöhlsdorf gestrau
chelt war , von einem Französischen Husaren -Unteroffizier den Todes stosz empfängt.
An der Spitze Sächsischer Husaren hatte der Prinz
eben erst den Feind angegriffen , aber vor der Uebermacht weichen Aeuszerst originell ist auch der Feldmarschall Graf Moltke
müssen .
dargestellt .
Im ebenen Gelände vor Paris , aus dem der Mont Va lerien mit Preuszischer Flagge sich scharf abhebt, die Zügel seinem ermüdeten Pferde überlassend , hält der General im Vordergrunde, die Linke bält einen Plan , die Rechte stützt leicht das sinnende Haupt. Vorwärts klären Ulanen auf , im Hintergrunde barrt in ehr furchtsvoller Entfernung der Stab des Schlachtendenkers. Alles ist lebendig und naturgetreu, nur das Streitross des Generals scheint niemals in dessen Stall gestanden zu haben . Da hat die Phantasie des Künstlers den kühnen Geistesflügen des Reiters wohl absichtlich ein recht schwerfälliges vierbeiniges Untergestell geben wollen ?! Mit groszer Spannung sehen wir den weiteren Lieferungen des sehr zeitgemäszen, künstlerischen Unternehmens entgegen , das sicher lich in der Preuszischen Armee ein freundliches Entgegenkommen finden wird . Die Bilder sind nach den Original - Zeichnungen in photographischem Pressendruck wiedergegeben und beredte Zeugen von den Fortschritten der Neuzeit auch in dieser Kunst. Eine kleine Preiserhöhung ermöglicht auch den Erwerb einzelner Bilder.
* 9
132
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
X.
Verzeichniss anderen
der
.
bedeutenderen
militairischen
Aufsätze
aus
Zeitschriften .
(15. November bis 15. December 1876. ) Neue militairische Blätter (December - Heft): Ingenieur - Corps. -
schichte des Preuszischen
Beiträge
Sehvermögens vom Standpunkte des Sanitäts -Offiziers. kraft Aegyptens. - Die Streitkräfte Montenegro's . rung auf dem
Türkischen
zur Ge
Die Störungen des Die Wehr Zur Orienti
Kriegsschauplatze .
Allgemeine Militair - Zeitung
( Nr. 45–47 ) :
Der neue Reichs
Militair - Etat und die Fortentwickelung des Deutschen Heerwesens. Das Königliche Dresden .
historische
Museum
und
die
Gewehr - Galerie in
Deutsche Heeres-Zeitung (Nr. 47-50) : Die groszen Cavallerie Manöver im September 1870 in Polen . Die Webrverhältnisse Rumäniens.
Die Manöver des
1. Französischen Armeecorps
im
Jahre 1876. – Die Krupp'sche Panzerkanone. - Mittheilungen über neue Handwaffen . -- Das Französische Annuaire 1876. --- Die Armee und die Flotte Russlands.
Die Neuorganisation der Griechischen
und Serbischen Armee . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (Heft XI) : Die Expedition S. M. S.
„Gazelle “.
Bemerkungen über einige
Inseln der Fiji-, Touga - und Samoa - Gruppen. des Stillen Oceans in einer Tiefe von 2743 Metern .
Temperaturen Richtung und
Geschwindigkeit der Westindischen Orkane . -- Einige Bemerkungen über die Stürme im Nord -Atlantischen Ocean . - Vorläufige Bestim mungen der Constanten der Ebbe und Fluth zu Wilhelmshaven . Homographische Nautik . Streffleur's Oesterreichische militairische Zeitschrift (Heft X ) : Reglementsstudie XXVIII . 1511 .
- Tiroler Landes - Libell vom 23. Juni
Eine Kriegsbibliothek
illyrischer
Grenzhelden
aus
dem
XVI . und XVII . Jahrhunderte . - Eine Studie über die Nikolsburger Manöver.
aus anderen militairischen Zeitschriften .
133
Organ der militair -wissenschaftlichen Vereine (XIII . Band , 2. Heft): Ueber Geschütz-Bedeckungen. Der Krieg Kaiser Maximilian's I. mit Venedig 1509. – Taktische Studien . - Die Brüsseler Con ferenzen des Jahres 1874. – Die militairische Lage der Türkei . Beiträge zur Geschichte des Generalstabes. Oesterreichisch - Ungarische militairische Blätter ( l . und 2. De cember - Heft) : Die neue Organisation der Feld - Artillerie . – Die Manöver zwischen Donau und Thaya. Der Serbisch - Türkische Krieg .
-
Die Stärke und der Zustand der Russischen Armee im
Falle einer Mobilisirung. Oesterreichische Militair-Zeitung (Nr. 92-100 ) : Ueber die drei Waffen . - Die Organisation der Genie - Waffe. – Die Vertheidigungs fähigkeit Constantinopels. – Ueber Märsche. – Reorganisation der Artillerie . Ordre de bataille der Russischen Armee. — Ueber Pferdezucht. Oesterreichisch -Ungarische Wehr-Zeitung ( Nr . 86-96 ) :
Ueber
Angriff und Vertheidigung. – Aus den Türkenkriegen des sieb zebnten Jahrhunderts. Bewaffnung des Trains. - Strategische Bedeutung von Lissa. - Die Territorial- Armee Frankreichs. - Die Sanitätsverbältnisse der Oesterreichischen Armee. tairische Gesetzgebung .
Cavallerie. -
Unsere mili
Belagerungs- und
Ver
theidigungs -Geschütze neuerer Construction . Oesterreichisch - Ungarische Militair -Zeitung „ Vedette" ( Nr . 77 Das neue
80 : Intendanturs - Beamte oder Intendanturs - Offiziere. Invalidenbaus in Neu - Lerchenfeld .
Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens (XI . Heft ): Ein Conograph . Ueber Conservirung frischen Fleisches .
Die Organisation der Russischen Artillerie . L'avenir militaire (Nr. 390 -- 394 ) : Die Organisation der Ar tillerie. Das Gesetz über die Administration der Armee . Die Bekleidung der Dragoner . -1877 . Offiziere .
Der Militair - Kalender für das Jahr
Die höhere Militair- Schule .
Die Ergänzung der Unter
Das Budget und die Marine - Infanterie. – Eine Studie
über das Einjährig -Freiwilligen - System .
Die Manöver von 1876.
Le Spectateur militaire ( 15. November-Heft 1876) : Die Unter offiziere. – Die Senats - Commission und ihr Gesetzesvorschlag einer Armee - Administration . - Skizze eines Grundrisses der Kriegsphilo sophie. --- Studie über den Feldzug im Osten . - Die Rolle der modernen Armeen in den Revolutionen (December 1851) .
Die
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
134
militairische Luftschifffahrt.
Manöver der Niederländischen
In
fanterie. Journal des sciences militaires ( November-Heft : Marsch-Taktik. Revue d'Artillerie ( November - Heft ): Ueber die Apparate und das Verfahren zur Regelung des Schusses bei den Küsten -Batterien Bemerkung über einige Fragen in Betreff des Brescheschieszens. Versuche, in Russland im
Jahre
1876
durch die Festungs -Artillerie
ausgeführt. Revue Maritime et Coloniale Central- Amerika. zösischen Marine
( December - Heft ):
Bericht
über
Organisation des See Offizier -Corps der Fran Programm der Schwedischen Marine . — Einige
Bemerkungen über die Ordres de bataille und über die Art der Ver wendung der Artillerie bei den Geschwadergefechten. -
Die fünfzig
Schritte des Königs in den Französischen Colonien . Russ . Invalide ( Nr. 241–265 ) : Die groszen Cavallerie -Manöver bei Warschau . Die militair -ökonomischen Verhältnisse bei den fremden Armeen .
Die Expedition in die Alaiskischen Gebirge.
Wojenny Sbornik (November - Heft ): Fortsetzung der im October Heft enthaltenen gröszeren Aufsätze.
-
Die Expedition des fliegen
den Detachements über die Weichsel ; eine Episode aus den dies jährigen Cavallerie - Manövern . Russ . Artillerie - Journal ( November - Heft ): Soissons und Verdun, eine artilleristische Studie . Die Uebergieszung der mit Zinkum hüllung versehenen Geschosse: --
Versuche in
Betreff der Wider
standsfähigkeit der Schlusstheile der Geschütze in der Fabrik zu Perm . - Die Anwendung des Dynamits zur Sprengung untauglicher Geschütze und Hohlgeschosse. Russ. Ingenieur - Journal (August- und September - Heft ): Ar tilleristische Versuche zur Erprobung verschiedener Festungsgeschütz Emplacements ,
gelegentlich der
Sappeur - Uebungen
im
Jahre
gemeinschaftlichen Artillerie- und
1875 .
Der heutige Zustand der
Ponton- Einrichtungen bei den Europäischen Armeen.
Vergleich
der Wirkung und Bedeutung der wichtigsten Sprengstoffe.
Morskoi Sbornik (November-Heft ): Die Ausstellung wissenschaft licher Gegenstände in London .
Der Siemens'sche Tiefenmesser.
L'Esercito ( Nr . 136-147 ) : Die Artillerie - Versuche in Spezzia. Die Belagerung von Gaeta im
Jahre
1860 bis 1861. ---
Ueber
Gymnastik und nationales Scheibenschieszen . — Ueber die Standarte
aus anderen militairischen Zeitschriften .
135
der Cavallerie -Regimenter, - Eine Phase der Infanterie - Taktik . – Die militairiscben Honneurs in Frankreich . Warum zweierlei Artillerie ? Rivista militare italiana (November - Heft ): Das 100 - Tons -Ge Militairische Verhältnisse der Europäischen Türkei und schütz . der kleineren an dieselbe grenzenden Staaten in geographischer und statistischer Beziehung. Historische Mittheilungen betreff der Ar tillerien der groszen Mächte . – Berichte über das Infanteriefeuer, dem officiellen Deutschen Berichte über den Französisch - Deutschen Krieg von 1870 bis 1871 entnommen .
Ueber die Taktik der Feld
Artillerie in Italien . Giornale d'artiglieria e genio December - Heft) : Versuche, in Italien mit Feldgeschützen für schwere Batterien ausgeführt. Die Panzerthürme. Cronaca militare estera (Nr. 10 ) : Berittenmachung der Offiziere in Frankreich . Army and Navy Gazette ( Nr. 886-888 ) : Experimente zu Eastbourne . Krieg auf den Fidschi- Inseln . --- Kriegsvorbereitun Die Königl . Die gegenwärtige Lage der Geschützfrage . gen. Militair - Akademie . - Das 80 - Tons - Geschütz . Die Russische
Cavallerie . Naval and Military Gazette (Nr. 2292-2295) : Der Fisch Torpedo Ein 200 - Tons - Geschütz für die Britische Marine . -Praktische Lehren aus den Versuchen zu Eastbourne . kische Marine .
Schieszbaumwolle.
Army and Navy Journal (Nr. 693) : Sherman .
Die Tür
Die Russische Armee.
Jahresbericht des Generals
Reorganisation der Cavallerie .
La Belgique militaire (Nr. 304–307 ) : Kritik über die Herbst Plauderei über die manöver des 16. Französischen Armeecorps. Wirthschaftsführung und die Administration .
Historische Erinne
Kriegsspiel- Uebungen.
Symptome des Ver
rungen von 1830.
falls bei Gelegenheit der Frage der National- Vertheidigung.
Revue des armes spéciales
( Nr. 22 ) :
Der Orientalische Krieg .
Allgemeine Schweizerische Militair -Zeitung (Nr. 46–49) : Be über Führung , Beförderungsvorschriften , militairische
trachtungen
Brauchbarkeit und Gesinnungstüchtigkeit. – Die Kriegs-Organisation und Entwickelung der Europäischen Heere. – Gegenwärtiger Stand der Territorial -Armee Frankreichs. – Das Disciplinarstrafverfahren .
Das Kriegswesen der Italiener im Mittelalter und die Condottieri.
136
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie ( Nr. 10 ) : Die Führung der Armee -Division. - Die Krupp'schen langen Belagerungskanonen . Revue militaire suisse ( Nr. 21 und 22 ) : Der Etappendienst einer Armee im Felde. — Ueber Militair -Disciplin. Kongl .
Krigsventenskaps - Akademiens Handlingar och Tidskrift
( November -Heft): Bericht über die Veränderungen in der Seekriegs wissenschaft . Revista militar ( Nr. 22 ) :
Der Marschall Herzog von Saldanha.
Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar (Nr. 22 u. 23) : Bemerkungen über den Feldzug des ersten nördlichen Armeecorps in 1874 und 1875. - Der Französische Militairkalender von 1876 .
Verantwortlich redigirt von Major v. Marées, Berlin , Bülow - Strasze 5 . Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin, Unt. d. Linden 21 . Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
Anlage I.
Ordre de bataille der Französischen Nord -Armee.
General en chef (intermistisch) : General Farre . I. Brigade :
General Lecointe .
2. Bataillon de Chasseurs à pied . 67. Régiment d'infanterie de marche . de Gislain. 3 Bataillone.
Commandant Giovanelli . Commandant Lieut . Col.
46. Régiment de marche de mobiles du Nord. de Fresville .
Lieut. Col. Fiollot
3 Bataillone.
2 Batterien vom 15. Artillerie -Regiment.
II . Brigade :
Oberst Deroja .
1. Bataillon de Chasseurs de marche à pied. 68. Régiment d'infanterie de marche.
Lieut. Col. Pitié.
47. Régiment d'infanterie de marche de mobiles du Nord . 2 Escadrons Gensd'armes . 2 Batterien vom 15. Artillerie -Regiment.
III. Brigade :
Oberst Dufort du Bessol .
20. Bataillon de marche de Chasseurs à pied . 69. Régiment d'infanterie de marche . 48. Régiment d'infanterie de marche de mobiles du Nord. 2 Escadrons Dragons du Nord. 2 Batterien des 15. Artillerie-Regiments .
Auszerdem 3 Batterien der Reserve. 2 Compagnien du Génie du 2. Régiment. Hierzu tritt die Garnison von Amiens unter dem Befehle des Generals Paulze d'Ivoy : 6 verschiedene Mobilgarden -Bataillone, 2000 sedentaire Nationelgarden von Amiens, 2 Compagnien Marine und eine 12 - Pfdr.- Batterie, welche am Morgen des Schlachttages eintrafen .
Zu den Französi schen Streitkräften sind hinzuzuzählen drei eben formirte Bataillone
Infanterie, welche von Lille noch am 26. November herangezogen 9 **
waren ,
um die Uebergänge über die Somme zwischen Péronne und
Corby gegen die Unternehmungen der Preuszischen Cavallerie-Di vision zu schützen . Anmerkung :
Da vielfach in den Französischen Berichten die
Bataillone der neuen formirten Marsch - Infanterie - Regimenter nach den Regimentsnummern standen ,
benannt sind , aus deren Depots sie ent
so folgt hier die Zusammenstellung derselben :
Das 67. Marsch - Regiment war gebildet aus einem Depot-Bataillon 65. Regiments, einem Depot-Bataillon 75. Regiments und einem Depot Bataillon 91. Regiments. Das 68. Marsch Regiment bestand aus zwei Depot-Bataillonen 24. Regiments und einem Bataillone 33. Regiments. Das 69. Marsch -Regiment war zusammengesetzt aus zwei Depot Bataillonen 43. Regiments und einem Bataillone des Fusiliers marins. Sämmtliche Regimenter hatten ihre Formation beendet , waren bis auf Train und Munitions - Colonnen feldmäszig ausgerüstet und zählten
die
volle
Kopfstärke.
Es
waren demnach 21
im Brigade - Verbande mit gewiss 20,000 Mann ; Mobilgarden - Bataillone
und
2000 sedentaire
Bataillone
hierzu treten sechs Nationalgarden von
Amiens , welche die Besatzung dieser Stadt und ihrer südlich ge legenen Werke waren und nach Französischen Berichten 7800 bis 8000 Mann
betrugen.
Rechnet man
hierzu
noch
die Stärke der
Specialwaffen, sowie der drei Bataillone an den Somme- Uebergängen, so ist die Stärke der Französischen Nord - Armee mit 33,000 Mann, 9 Batterien oder 54 Geschützen sicher nicht zu hoch gegriffen.
Anlage II.
Ordre de bataille der I. Armee am 27. November 1870 . Oberbefehlshaber: General der Cavallerie Freiherr von Manteuffel. Chef des Stabes ( in Vertretung ) : Oberst Graf von Wartensleben
I. Armee - Corps . Intermistisch :
Generallieutenant von Bentheim .
Chef des Stabes : 2. Division :
Oberstlieutenant von der Burg . Generalmajor von Pritzelwitz .
3. Brigade . Intermistisch : Oberst von Busse vom Regiment Nr.43. 3. Ostpreuszisches Grenadier-Regiment Nr. 4 . 3. Ostpreuszisches Infanterie -Regiment Nr. 44 . Hierzu traten : 1. und 2. Escadron Ostpreuszischen Dragoner -Regiments Nr. 10 , 5. schwere und 5. und 6. leichte Batterie Ostpreuszischen Ar
tillerie -Regiments Nr. 1 . Ein Pionier- Detachement. 1. Division .
1. Brigade .
Grenadier-Regiment Kronprinz ( 1. Ostpreuszisches Nr. 1 ) nebst der 1. und 2. schweren Batterie 1. Artillerie- Regiments. Die Corps-Artillerie : 2. Fusz - Abtheilung : 3. und 4. schwere , 3. und 4. leichte, und 2. und 3. reitende Batterie Ostpreuszischen Artillerie - Regi ments Nr. 1 . In der Nacht vom 27. zum 28. November trat noch hinzu : Das Detachement des Oberstlieutenants von Hüllesem , 1. und Füsilier - Bataillon 1. Ostpreuszischen Infanterie -Regi ments Nr . 41 und das
1. Bataillon 2. Ostpreuszischen Grenadier - Regiments nebst der 2. leichten Batterie.
8. Armee corps. General der Infanterie von Goeben . Chef des Stabes :
Oberst von Witzendorf.
15. Division : Generallieutenant von Kummer .
Nr. 3
29. Infanterie - Brigade :
Oberst von Bock .
5. Rheinisches Infanterie -Regiment Nr. 65 . Ostpreuszisches Fusilier -Regiment Nr. 33 . 30. Infanterie - Brigade : Generalmajor von Strubberg. 2. Rheinisches Infanterie - Regiment Nr . 28. 6. Rheinisches Infanterie -Regiment Nr. 68 . Hierzu traten :
das Königs -Husaren -Regiment Nr. 7 und die 1. Fusz -Abtheilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 8. 16. Division :
Generallieutenant Freiherr von Barnekow.
31. Infanterie- Brigade.
Intermistisch : Oberst Mettler.
3. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 29 . 7. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 69. 32. Infanterie - Brigade :
Oberst von Rex .
Hohenzollersches Füsilier- Regiment Nr. 40.
8. Rheinisches Infanterie -Regiment Nr. 70 . Hierzu traten : 2. Rheinisches Husaren -Regiment Nr. 9 und die 3. Fusz-Abtheilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 8. 3. Cavallerie - Division : Generallieut. Graf von der Gröben. 6. Cavallerie - Brigade :
Generalmajor von Mirus .
Rheinisches Cürassier- Regiment Nr. 8 . Rheinisches Ulanen - Regiment Nr. 7 . 7. Cavallerie - Brigade :
Generalmajor Graf zu Dohna.
Westphälisches Ulanen -Regiment Nr. 5. 2. Hannoversches Ulanen-Regiment Nr. 14. Reitende Batterie des Feld - Artillerie -Regiments Nr. 7 . Reitende Batterie des Feld - Artillerie -Regiments Nr. 8. Commandirt :
Ostpreuszisches Jäger-Bataillon Nr. 1 . Rheinisches Jäger-Bataillon Nr. 8
Anlage IIIa.
Figur I (1. Moment) .
13. Div. Kub.-Kos.
2. Br.
6. Div.
1. Br.
2. Br.
1. Br.
Garde
H D K D K H H U *****
Figur II (2. Moment).
jjj ГГГГГГГГГГГГ Kuban-Kosaken.
K
H
2. Br.
1. Treffen
U
13. Div.
Ꭰ
1. Br.
K
H
2. Br. 10
2. Treffen U
6. Div.
D
1. Br.
H 3. Treffen
U
Garde-Br.
Figur III (3. Moment).
11 13. H 13. K
08
/
Anlage Ilb.
TO
Figur IV (4. Moment) .
13 U
H
K --
--4
T U
13. Div .
6. Div . D
Garde-Brig.
Figur V (5. Moment ) .
13. D
K
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III 1111
III.
u
U 6. D
III
4
H
S a 13 .
n
6.
Erläuterungen .' Regiment aufmarschirt. U Ulanen.
99
in Colonne in Escadrons. in Escadrons-Colonnen.
H Husaren. D Dragoner. K Kosaken.
031
99
in geschlossener Colonne
Artillerie. Regiment im Fussgefecht.
Attacken -Richtung. Rückzugs -Richtung. Br. Brigade .
XI. Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 . Bearbeitet von
Hermann v. Kleist, Hauptmann und Compagnie - Chef. ( Mit einer Karte.) ( Schluss .) # )
II.
Gefecht des 1. Preuszischen Armeecorps .
Getrennt durch das sumpfige Fluss - Thal der Avre von Gefechtsfelde des 8. Armeecorps ,
wurden auf den Höhen
dem
östlich
dieses Flusses an diesem Tage harte Gefechte geschlagen , welche durch den Vormarsch der Theile des 1. Armeecorps auf die von den Franzosen besetzten Ortschaften Gentelles, Cachy, Villers- Bretonneux hervorgerufen wurden . In Gentelles stand das 20. Chasseurs - Bataillon , in Cachy ein Bataillon 69. Marsch - Regiments, von Cachy auf Villers - Bretonneux der Rest der 3. Brigade , verstärkt durch das 2. Chasseurs - Bataillon und 14/, Bataillone 67. Marsch -Regiments. Den Befehl auf dem linken Französischen Flügel fübrte der Oberst du Bessol, der in der Bri gade des Generals Lecointe zwischen Longeau und dem Bois de l'Abbé eine hinreichende Unterstützung fand. Zum Kampfe in erster Linie standen daher dem Obersten du Bessol in Gentelles , Cachy und der Stellung von Villers 91/2 Bataillone zur Verfügung, während seine Artillerie vier Batterien zählte. Oberst du Bessol hatte , den Befehlen des Generals en chef folgend, seine Maaszregeln
zu ener
gischer Vertheidigung getroffen, wobei er von dem Terrain in hohem Grade begünstigt wurde.
Von Gentelles ,
Cachy und Villers aus
*) Vergl. Jahrbücher Band XXII, Seite 9 ( Januar 1877). Jahrbücher fd. Deutsche Armee u. Marine . Band XXII. 10
138
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
nach Süden gesehen senkt sich das Plateau bald zu den Abhängen der Luce, und etwa 1000 Schritte von den Ortschaften entfernt ist das Terrain vollständig frei und der vollen Wirkung des Geschütz und Gewehrfeuers ausgesetzt ; bei Villers - Bretonneux erweitert sich diese freie Ebene nach Süden und Südosten bis zu einer Breite von einer Viertel Deutschen Meile. Vom frühen Morgen des 27. Novembers an standen die Fran zösischen Truppen unter den Waffen , während Patrouillen und Franctireurs an den Abschnitt der Luce und auf Rozières zu ent sendet wurden .
Mit Anbruch des Tages liefen beim Obersten du
Bessol Meldungen ein, welche besagten, dass nördlich der Eisenbahn nach Ham eine feindliche Abtheilung bivouakirt habe, welche Bray, Sailly und Corby bedrohe, ferner, dass Abtheilungen in Harbonnières und Lamotte en Santerre ständen, dass zahlreiche Truppen in und bei Rozières vorhanden seien, und schlieszlich, dass Marché le Cave eine starke Besatzung nebst zahlreicher Artillerie habe. Die hier erwähnten Truppen waren die der 3. Cavallerie - Di vision mit ihren Detachements
zur Beobachtung der Somme-Linie
und der in Marché le Cave und Villers gemeldeten Französischen Kräfte. Schon hieraus folgt, dass die Meldung, betreffend eine starke Preuszische Besatzung von Marché le Cave, ungenau ist. Auch die Besatzung der Dörfer Domart, Démuin und Aubercourt durch Preuszische Truppen wurde nach Villers gemeldet, sowie das Anrücken des Gegners von Roye auf Amiens.
Oberst du Bessol
war mithin am Morgen des 27. Novembers nicht schlecht unter richtet, und da er die Ueberzeugung hatte, dass seiner Stellung, besonders der von Villers, die Hauptanstrengungen der Preuszen gelten würden, so waren er sowohl , als auch seine Truppen wohl vor bereitet. Auch der General Farre fand sich bei dem später ent brennenden Kampfe hinter Cachy -Villers ein und schenkte seine Hauptaufmerksamkeit der Vertheidigung dieser Dörfer. Mit der den Französischen Truppen eigenen Geschicklichkeit, sich rasch und zweckmäszig in ihren Positionen einzurichten, war der Weg von Cachy nach Marché le Cave bald als vorderste Ge fechtslinie erkannt und mit Schützengräben versehen worden , so dass die von Seiten der Oberleitung unterlassene Vorbereitung des Schlachtfeldes doch einigermaaszen wieder ausgeglichen wurde. Entsprechend dem Befehle des Generals von Manteuffel für den 27. November, hatte der commandirende General des 1. Armeecorps angeordnet , dass an diesem Tage General von Pritzelwitz mit der Avantgarde, der 3. Brigade, der 1. und 2. Escadron 10. Dragoner
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
139
Regiments und drei Batterien die Ortschaften Gentelles und Cachy zu erreichen babe ; dass das Gros, Regiment Kronprinz, und acht Batterien in den Abschnitt Moreuil - Mézières und in die Ortschaften an der Luce, Igpaucourt, Démuin , Domart rücken solle. General von Pritzelwitz disponirte daber :
das Regiment Nr. 4
geht auf dem linken , das Regiment Nr. 44 auf dem rechten Flügel vor, von der Artillerie werden die 5. schwere und die 5. leichte Batterie dem linken Flügel , Regiment Nr. 4, zugetheilt, während die 6. leichte Batterie zum rechten Flügel trat.
Dem letzteren wurde
ferner die 2. Escadron , dem linken Flügel die 1. Escadron 10. Dra goner - Regiments zugewiesen .
Der äuszerste linke Flügel ,
1. und
Füsilier-Bataillon 4. Regiments, sollte unter Festhaltung der Chaussee nach Amiens gegen das Bois de Domart, das 2. Bataillon gegen den westlichen Theil des Bois de Hangard vorgehen . Das Regiment Nr. 44 hatte zunächst diesem Bataillone zu folgen und sich dann in den östlichen Theil des Bois de Hangard zu begeben . Am frühen Morgen suchten die Patrouillen der 1. Escadron 10. Dragoner-Regiments Näheres über die Stellung der Franzosen zu erkunden ,
und da sie aus Gentelles und der Stellung von Cachy
Feuer erhielten ,
so meldeten sie nach
Führer der Avantgarde, dass
Démuin - Hangard an den
die vorgenannten Orte besetzt seien .
In Folge dieser Meldungen entwickelten sich die Truppen der Dis position gemäsz zum Vormarsche und zum Gefechte. Vom linken Flügel - Regiment, dem 4. , wurde das Füsilier-Bataillon derartig vor gezogen, dass die 9. Compagnie mit der ibr folgenden 11. (Halb Bataillon Hertel ) sich auf das dichte, Bois de Domart zu wendete,
nur aus Unterholz bestehende
wäbrend die 10. und dabinter die 12.
Compagnie ( Halb- Bataillon Steinwebr ), in der Schlucht von Hangard aufsteigend , zwischen dem Bois de Hangard und Bois de Domart sich dem Dorfe Cachy gedeckt näherte. Der 9. und 11. Compagnie ,
welche das Bois de Domart ab
suchten und säuberten, folgte das 1. Bataillon 4. Regiments ( Major von Schrötter) mit der 5. schweren Batterie. Die 1. Escadron 10. Dragoner-Regiments sicherte diese auf Gentelles vorgehende Colonne dadurch , dass sie sich zu beiden Seiten der Strasze, Front nach dem Gehölze von Gentelles ,
aufstellte.
Als die 9. und 11. Compagnie
aus dem Bois de Domart heraustreten wollten, wurden sie von einem starken Gewehrfeuer aus den Schützengräben bei Gentelles und den Häusern des Dorfes empfangen . begann .
Es war 12 Uhr, als hier der Kampf
Um die Franzosen bei Gentelles zu beschäftigen , zog sich
das 1. Bataillon 4. Regiments in Compagnie- Colonnen links neben 10 *
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
140
dem Halb-Bataillone Hertel auseinander und trat ebenfalls in den Kampf gegen Gentelles ein, während die 5. schwere Batterie links hinter dem 1. Bataillon auffuhr und durch lebhaftes Granatfeuer ein Vorbrechen der Infanterie - Compagnien auf Gentelles vorbereitete. Die Französische Besatzung von Gentelles bildete das 20. Jäger Bataillon, das in dreiviertelstündigem Kampfe Stand hielt . Unter dem Schutze des Gewehrfeuers des 1. Bataillons und des Feuers der Batterie brachen dann die 9. und 11. Compagnie mit lautem Hurrah und mit Marsch, Marsch, nachdem sie sich nahe genug an den Dorf rand herangeschossen hatten, gegen denselben vor, drangen ein, und nach lebhaftem Häuserkampfe wich das 20. Chasseurs -Bataillon in das nahe gelegene Bois de l'Abbé und nach Cachy. Um 1 Uhr war Gentelles somit in den Händen der beiden Preuszischen Füsilier Compagnien. Kaum hatten diese jedoch die Nord- und West-Lisière des Dorfes besetzt , so kehrten auch schon Theile des 20. Chasseurs Bataillons, verstärkt durch einen Theil der Besatzung von Cachy, zurück und versuchten , die als schwach erkannten Preuszischen Truppen aus Gentelles wieder hinauszuwerfen.
Der Gegenstosz misslang, ebenso
wie bald darauf ein zweiter, doch erkannte man Preuszischer Seits, dass neue,
unberührte Französische Streitkräfte im Bois de l'Abbé,
also hinter Cachy, auf Villers zu standen. Diesen glücklichen Angriff und die Wegnahme von Gentelles hatte General von Manteuffel von den Höhen nördlich der Luce bei Berteaucourt gesehen , jedoch auch schon bei seinem Vorritte über Thennes wahrgenommen, dass, während das Gefecht des 8. Armee corps fast ausschlieszlich auf dem linken Ufer der Avre geführt wurde und sich sogar in nordwestlicher Richtung fortzuspinnen schien, der beginnende Kampf des 1. Armeecorps in der Richtung nach Nord-Osten an Heftigkeit zunahm. Bereits gegen 12 Uhr war der General sich klar darüber, dass es sich nicht nur um Zurück weisen Französischer Vortruppen, sondern um einen Zusammenstosz mit dem Gegner handele, und dass zur glücklichen Durchführung des Kampfes der rechte Preuszische Flügel seine sämmtlichen Streit kräfte nöthig habe. In Folge dessen forderte General von Manteuffel den Comman direnden des 8. Corps bald nach der Mittagsstunde auf, mit Theilen seines Armeecorps
über die Avre hinweg in das Gefecht bei Gen
telles einzugreifen ; er erhielt aber die Rückmeldung , das 8. Corps sei vollständig engagirt und auszer Stande , jetzt Detachirung eintreten zu lassen.
eine gröszere
Auch General von Kummer, der
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
141
das Commando über die an der Avre und Noye fechtende 15. Di vision führte, hielt eine Mitwirkung seiner Division in jener Richtung für gefährlich.
General von Strubberg wurde ebenfalls von der Auf
forderung des Generals von Manteuffel in Kenntniss gesetzt , als Fouencamps und Le Paraclet schon in den Händen seiner Brigade waren. Dieser General glaubte durch Eroberung des Bahnhofes dem ausgesprochenen Wunsche nachgekommen zu sein. Ein Versuch der drei Füsilier - Compagnien 68. Regiments , nach Osten vorzu stoszen und sich nach Wegnahme von St. Nicolas auch in Besitz der Befestigungen an der Strasze nach Amiens zu setzen, musste unterbrochen werden.
Durch Verwendung der Bedeckungstruppen des Hauptquartiers, des 1. Bataillons 28. Regiments , der 4. Compagnie 68. Regiments, sowie der 1. Escadron 7. ( Königs- ) Husaren- Regiments suchte General von Manteuffel nunmehr einigermaaszen den unbesetzten Abschnitt zwischen dem 1. und 8. Corps zu decken .
Während die Husaren
Schwadron nach Osten an die 10. Dragoner, nach Westen an die 30. Brigade Anschluss suchte, wurde das 1. Bataillon 28. Regiments über Thennes - Berteaucourt vorgezogen und entwickelte sich in breiter Front zur Bekämpfung des in dem Bois de Gentelles be findlichen Gegners .
Wenn auch hierdurch in etwas die Lücke ge
schlossen wurde, so war bei einem ernstlichen Angriffe des Gegners eine längere Behauptung dieses Terrains nicht zu erhoffen . Deshalb befahl General von Manteuffel, die Dörfer Berteaucourt und Domart zur Vertheidigung herzurichten, um wenigstens den Luce-Abschnitt halten zu können. Auch General von Bentheim, Führer des 1. Armee corps , wurde angewiesen , sich nicht zu weit nach Westen auszu dehnen und namentlich das Gros mehr nach Westen zu verwenden . Zu derselben Zeit , als von Hangard aus das Halb - Bataillon Hertel ( 9. und 11. Compagnie), unterstützt vom 1. Bataillon 4. Regi ments, durch das Bois de Domart vorging , trat auch die 10. Com pagnie, mit der 12. als Soutien, (Halb- Bataillon Steinwehr) den Vor marsch an, zum Theil gedeckt durch die erwähnte Schlucht, welche von Hangard zu dem Vorsprunge des Bois de Hangard ansteigt und sich dann auf Cachy und auf Villers - Bretonneux zu theilt. Als es der 10. Compagnie gelungen war, die westliche Ecke des Bois de Han gard zu erreichen, gerieth sie in das Gewehrfeuer aus den südlich von Cachy sich hinziehenden Schützengräben, welche von dem 1. Ba taillon (43.) 69. Marsch-Regiments besetzt waren .
Das Feuergefecht
wurde so lebhaft , dass zur Bekämpfung der vorgeschobenen Fran zösischen Abtheilungen sowohl, als namentlich der in Cachy hinter
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
142
Schutzwehren und Häusern aufgestellten Soutiens die 5. leichte Batterie östlich neben dem Bois de Hangard auffuhr. Unter dem Schutze des Feuers dieser Batterie und der 10. Compagnie in der Nordwestecke des Bois de Hangard schritt die 12. Compagnie zum Angriffe auf die Schützengräben und das Dorf selbst. taillon 69. Marsch - Regiments,
Das 1. Ba
Commandant Roslin, versuchte seine
Position zu behaupten, da es aber in seinem Widerstande allein ge lassen wurde, Reserven aus dem Bois de l'Abbé nicht eingriffen und keine Französische Artillerie unmittelbar bei Cachy zur Bekämpfung der 5. leichten Batterie auftrat,
so fingen die jungen,
noch
nicht
kampfgewohnten Truppen in der vorderen Linie an, auf Cachy zu rückzuweichen. Auch die in der Lisière von Cachy aufgestellten Soutiens be gannen zu schwanken , denn seit 1 Uhr brannte das Dorf und die wenig widerstandsfähigen Schutzwehren wurden von den Granaten durchschlagen .
Der Angriff der 12. Compagnie 4. Regiments war
entschlossen und versprach schnellen und guten Erfolg ,
die
vorge
schobenen Schützenschwärme zogen sich zurück und selbst in Cachy schien sich kein starker Widerstand vorzubereiten ; da traf die Preuszische Compagnie ein Gegenstosz . Von den an dem Bois de l'Abbé versammelten und in Bereit schaft gehaltenen Bataillonen der Brigade Lecointe ging das 3. Ba taillon 67. Marsch - Infanterie -Regiments , verstärkt durch Theile des aus Gentelles vertriebenen 20. Chasseurs- und der geschlossenen Theile des 1. Bataillons 69. Marsch -Regiments, durch das brennende Cachy der 12. Compagnie 4. Regiments entgegen, drängten nicht nur diese zurück , sondern auch die den Nord -West- Rand des Bois de Hangard vertheidigende 10. Compagnie.
Den Fortschritten musste
hier ein Damm gesetzt werden ; deshalb befahl der commandirende General die Verstärkung der Batterie aus der Corps-Artillerie, und wurde die nächste im Anmarsche befindliche Batterie herangezogen. Es war dies die 1. schwere Batterie der Artillerie der 1. Division, welche, der 9. und 12. Compagnie ( Halb - Bataillon Ostermeier) Regi ment
Kronprinz Nr. 1 zugetheilt, auf dem Vormarsche von Roye
her nach ihrem Marschquartiere den Kanonendonner des Kampfes nördlich der Luce gehört und am Schnittpunkte der groszen Strasze Roye - Amiens mit der von Moreuil nach Villers gehalten hatte , um erforderlichen Falls nach jeder Richtung verwendet werden zu können. Hier traf der erwähnte Befehl des Generals von Bentheim ein, welcher die 1. schwere Batterie auf das Terrain südlich Cachy und das Halb Bataillon Ostermeier auf die Höhe nördlich Démuin beorderte.
Die
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
143
Batterie fuhr durch Démuin, protzte westlich von der 5. leichten und näher an Cachy heran ab , und es gelang dem Feuer beider Batterien, das weitere Fortschreiten der Franzosen zu verhindern. Aber noch ausgiebigere Hülfe wurde dem Halb-Bataillone Stein wehr (10. und 12. Compagnie 4. Regiments ).
Nach der Wegnahme
von Gentelles durch die 9. und 11. Compagnie 4. Regiments be obachtete der interimistische Brigade- Commandeur, Oberst von Busse, den Angriff des Halb- Bataillons Steinwehr auf Cachy, sowie das Zurückweichen desselben vor dem Gegenstosze der Franzosen.
Er
beschloss mit dem, was momentan bei Gentelles verfügbar war, in das Gefecht bei Cachy einzugreifen, und rückte daher mit dem 1. Bataillon 4. Regiments und der 5. schweren Batterie zum Angriffe vor. Nachdem die Schlucht , welche von Gentelles auf Domart hin sich senkt und welche das Gefechtsfeld bei Gentelles von dem bei Cachy trennte, überschritten war, trat er auf den jenseitigen Höhen mit vier Compagnien und der 5. schweren Batterie in das Gefecht ein.
Diese Abtheilungen bildeten somit den linken Flügel der gegen
Cachy zur Verwendung gebrachten Truppen.
Da nun aber auch der
rechte Flügel des Halb- Bataillons Steinwehr ( 10. und 12. Compagnie 4. Regiments ) durch die 6. Compagnie 4. Regiments und durch einen Pionier- Zug Verstärkung erhalten hatte, so standen jetzt im Ganzen drei Batterien und sieben Compagnien gegen Cachy im heftigen Feuergefechte . Das 2. Bataillon 4. Regiments war dem Halb-Bataillone Stein wehr bald gefolgt und um 12 Uhr in das Bois de Hangard vorge rückt ,
dessen westlichen Arm dann die 5.
Compagnie besetzte,
während die 7. Compagnie auf der Strasze gegen Villers
vorge
schoben wurde und die 8. Compagnie dahinter in dem östlichen Theile des Waldes Stellung nahm . fechtslinie des 4. Regiments
Hierdurch dehnte sich die Ge
von Gentelles
bis
zur Strasze von
Démuin nach Villers aus ; seine sämmtlichen Streitkräfte sind in vorderster Gefechtslinie verwendet.
Hier entspinnt sich nun ein
lebhaftes Feuergefecht , welches mehrere Stunden lang mit groszen Verlusten auf beiden Seiten geführt wird, ohne dass man einen Er folg versprechenden Angriff vornehmen konnte . -
Während das
4. Regiment in
dieser Weise
vollständig
mit
dem Gegner engagirt war, hatte das 44. Regiment unter Führung des Majors Dallmer seinen Vormarsch auf den östlich des Weges gelegenen Theil des Bois de Hangard , also in der Richtung auf Villers, angetreten.
Mit Leichtigkeit säuberten die 1. und 2. Com pagnie 44. Regiments das Gebtisch von feindlichen Patrouillen, die
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
144 sich
auf die Stellung der Franzosen
speciell an die Strasze von
Démuin auf Villers zurückzogen . Wie erwähnt wurde der Aufgang dieser Strasze zu dem Plateau von Villers durch eine 4 - Pfünder Batterie vertheidigt, während die Particular-Bedeckung sichere Unter kunft
in drei Emplacements
rechts und
links
der Strasze fand,
von denen aus die Schützengräben nach Westen auf Cachy, nach Nord- Osten auf Villers, oder genauer nach dem Erdaufwurfe 1200 Diesen letzteren Theil ver Meter östlich dieses Dorfes führten . theidigte das 2. Chasseurs -Bataillon, verstärkt durch zwei Compagnien Marine - Füsiliere, aus denen auch die Particular- Bedeckung für die Batterie an der Strasze entnommen war. Als die 1. und 2. Compagnie an dem Nordrande des Wäldchens angekommen waren, lag vor ihnen der ausspringende Winkel der Französischen Stellung südlich Villers , welche in einem schanzen artigen Werke nach Nordosten zu ihren Abschluss zu finden schien . Der Regiments - Commandeur beschloss, die beiden genannten Com pagnien zur Sicherung und Behauptung des Wäldchens
zurückzu
lassen und mit zehn Compagnien den Angriff, womöglich durch Um fassen des linken Französischen Flügels , durchzuführen .
Das 2. Ba
taillon 44. Regiments wurde in das erste Treffen genommen und mit vorgezogener 5. und 8. Compagnie avancirt. Da aber die Stellung der Franzosen sich bis zur Eisenbahn erstreckte, so zogen sich die Avantgarden - Compagnien fortwährend mehr rechts , Flanke fassen zu können .
um die linke
Trotz möglichster Entfaltung von Schützen
musste die 9. und 11. Compagnie, später sogar noch die 3. Com pagnie sich links vom 2. Bataillon gegen die stark besetzte Front der Franzosen entwickeln, und
10. und
so dass in zweiter Linie die 6. und 7 .
12. Compagnie
als Halb - Bataillone sich
befanden,
während die 4. Compagnie nach links zur Unterstützung für das Gefecht der 1. und 2. Compagnie 44. Regiments an der Strasze Villers - Démuin herausrücken musste . Auf 1000 Schritt eröffneten die Franzosen das Gewebrfeuer, das sich immer mehr steigerte und bald durch das Eingreifen der 12 -Pfünder-, 8 - Pründer- und 4- Pfünder Batterie, letztere an der Strasze, grosze Wirksamkeit erhielt. Die 12 -Pfünder - Batterie, die bisher südlich der Eisenbahn stand, und die 8 - Pfünder, die jetzt erst eintraf und von General Farre hierher ent sendet war, fanden ihren Platz östlich von Villers und nördlich der Eisenbahn . Zur Einleitung des Infanterie-Angriffes fubr die dem 44. Regi mente zugetheilte 6. leichte Batterie östlich des Wäldchens auf und eröffnete ihr Granatfeuer auf die Französische Artillerie - Position .
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 . Hierdurch gelang es den ausgeschwärmten Compagnien ,
145 näher an
die Französische Stellung heranzukommen und mit der 5. und 8. Compagnie die Umgehung durchzuführen . Zuerst erstieg die 5. und gleich darauf die 8. Compagnie den schanzenartigen Erdaufwurf, und bewältigten mit der nun auch in der Front einbrechenden 9. , 11. , 3. , 6. und 7. Compagnie den Widerstand der Besatzung, welche aus einer Compagnie des Chasseurs - Bataillons und einer Mobilgarden Compagnie bestand Die Chasseurs - Compagnie hielt den Angriff aus ,
doch die Mobilgarden- Compagnie soll in Folge eines Missver ständnisses den gefährlichen , aber äuszerst wichtigen Posten ver lassen haben .
Der gröszte Theil der Chasseurs- Compagnie wurde
gefangen, angeblich
150 Mann . Major Dallmer besetzte sofort die theuer erkaufte Stellung mit sieben Compagnien , entsendete die 6 . leichte Batterie auf das Terrain nördlich der Eisenbahn , um von hier
aus Villers unter Feuer zu nehmen
und Angriffe auf die rechte
Flanke des 44. Regiments zu verhindern, da man erst jetzt bemerkte, dass noch starke Französische Truppenkörper nördlich der Eisen babn mit der Front nach Osten standen . Nach der Wegnabme dieser so wichtigen Stellung , 1200 Meter nur von Villers entfernt, konnte man mit Sicherheit erwarten, dass der Oberst du Bessol Alles daran setzen werde , seinen Besitz zu bringen .
diese wieder in
Es wurde daher von Seiten der sieben
Preuszischen Compagnien Nichts versäumt, um dem zu erwartenden Angriffe mit Kraft entgegentreten zu können . Die 3. Cavallerie - Division befand sich bis zu dieser Zeit mit ihrer Masse noch bei Bayonvillers, mit der Avantgarde bei Lamotte ; sie hatte namentlich in der Richtung nach Norden ihre Aufmerksam keit auf die Somme - Uebergänge gerichtet, jedoch schon an die 3. Compagnie des 8. Jäger - Bataillons den Befehl erlassen , sich bei Marché le Cave zu sammeln .
Als aber seit 1,1 Uhr der Geschütz
donner in der Richtung auf Cachy und Villers sich verstärkte,
be .
schloss General Graf von der Gröben, sich dorthin zu wenden, mit in das Gefecht eingreifen zu können . —
um
Dem Gros des 1. Armeecorps war, wie erwähnt, der Befehl er theilt worden , Cantonnements südlich des Luce - Abschnittes zu be ziehen, und zwar waren für das 1. Bataillon Kronprinz Moreuil, für die 5. und 8. Compagnie
1. Regiments (Halb- Bataillon Oehlmann)
Mézières, für die 6. und 7. Compagnie 1. Regiments ( Halb-Bataillon Brandt) Ignaucourt , für das Füsilier - Bataillon die Orte Hangard Démuin , Hourges , Domart und Thennes als Cantonnements in Aus sicht genommen .
Nach Moreuil war der gröszte Theil der Corps
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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Artillerie bestimmt. Gegen 1/2 12 Uhr waren die Truppen des Gros zum gröszten Theil in ihren Quartieren angekommen, als bald darauf der heftige Kanonendonner bei Boves und vor Allem von dem Kampf platze nördlich der Luce, aus der Gegend von Cachy und Villers her, ertönte .
Die Truppen wurden allarmirt und rückten zum Theil
auf höheren Befehl, zum Theil auf eigenen Entschluss ihrer Führer auf Villers und Cachy zu , wo der Kampf am ernstesten erschien . Hier durch konnte das Gros zu unmittelbarer Verstärkung der Avantgarde des 1. Corps verwendet werden, so dass für den Oberbefehlshaber, General von Manteuffel,
somit
wieder die
Möglichkeit
verloren
ging, sich eine Reserve zu verschaffen, welche für den Nothfall in den unbesetzten Raum zwischen Domart und Fouencamps einrücken konnte.
Als Oberst Jungé, der Commandeur der Corps-Artillerie, gegen 1/212 Uhr in die Nähe seines Cantonnements Moreuil gelangt war, tönte der Kanonendonner heftig und anhaltend aus der Gegend Cachy Villers herüber .
Mit der 2. und 3. reitenden, der 3. und 4. leichten
Batterie eilte er daher, 3 Offiziere und 90 Mann auf den Wagen und Protzen mitnehmend , im Trabe über Démuin nach der Höhe zwischen dem Wäldchen östlich der Strasze und Marché le Cave.
Dort , wo
die 10. und 12. Compagnie 1. Regiments noch die specielle Bedeckung übernahmen und das Erdwerk eben in die Hände der Deutschen gelangt war, eröffneten die vier Batterien ihr Feuer gegen die gegen überstehende zahlreiche Französische Artillerie . Französischer Seits hatte der Oberst du Bessol in richtiger Er kenntniss , dass das von dem 44. Regimente eroberte Erdwerk an der Bahn für seine Stellung von höchster Wichtigkeit sei, sofort be schlossen , sich desselben wieder zu bemächtigen. Der Eindruck, welchen die Wegnahme auf die Französischen Truppen gemacht hatte, war entschieden niederschlagend , doch als eine Abtheilung des 44. Regiments gar zu kühn den Fliehenden auf der Bahnstrecke nach Villers folgte und dieselbe durch sehr wirksames Gewehrfeuer von der Eisenbahnbrücke bei Villers her aufgehalten wurde und dann wieder zurückkehrte, fand der Oberst du Bessol die Gelegenheit günstig , durch Vorführen seiner Reserven, mehrerer Compagnien Marine Infanterie, zweier Mobilgarden- Bataillone und der Verwendung aller Special- Soutiens der 2. Chasseurs, des Bataillons 66. Marsch Regiments (65. Depot) und des 2. Bataillons 69. Marsch-Regiments (43. Depot) den Gegenstosz zu führen. Es sollte die Offensive gegen die sichtlich nur schwachen Deutschen Kräfte im Bois de Hangard,
1
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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auf der Strasze nach Démuin, auf dem Plateau von Villers ergriffen werden, während der Hauptstosz dem Erdwerke galt.
Drei Haupt
gefechtsgruppen der Preuszen markirten sich von Villers aus, und zwar im Erdwerke, im Wäldchen östlich der Strasze von Démuin nach Villers und im Bois de Hangard . Gegen diese Stellungen und gegen die der vier Batterien eröffneten nun die Französischen Batterien ein sehr lebhaftes Feuer.
Die 12- Pfünder-Batterie stand
an der Ostseite von Villers in der Nähe einer Fabrik , fast Front nach Süden, die eine 4-Pfünder zur Bestreichung des Aufganges von Démuin her, die andere 4- Pfünder südlich des Bahnhofes von Villers, während die
8 - Pfänder aus einer Stellung nordwestlich der Wind
mühle von Villers feuerten. Als nun diese Batterien eine Zeitlang mit aller Kraft gefeuert hatten, brachen ziemlich gleichzeitig die Franzosen vor .
Gegen die
Stellungen des 2. Bataillons 4. Regiments im Bois de Hangard rückten das 2. Bataillon 69. Marsch- Regiments und Theile des 67. Marsch Regiments vor ; der Kampf war hart und blutig , doch behaupteten sich im wechselvollen Streite die 5. und 6. Compagnie 4. Regiments. Energischer war das Vordringen zu beiden Seiten der Strasze nach Démuin ; auf der westlichen Seite stieszen das 1. Bataillon 67. Marsch Regiments und Marine- Infanterie auf die im stundenlangen Feuer gefechte erschütterte, aller Offiziere beraubte 7. Compagnie 4. Regi ments, welche sich auf dem Wege von dem Bois de Hangard nach Villers in isolirter Stellung befand und sich nun auf die in dem Ost Abschnitte des Bois de Hangard kämpfende 8. Compagnie 4. Regi ments zurückzog. Doch auch beide vereint vermochten nicht dem Vorstosze Stand zu halten, der hier von dem Oberstlieutenant de Gislain geführt wurde.
Beide Compagnien wichen den Plateauhang
hinab bis auf gleiche Höhe mit der Südspitze des Bois de Hangard, immer aber noch die Strasze nach Démuin
vertheidigend .
letzte Theil ihres Rückzuges wurde dadurch erleichtert ,
Der
dass das
Feuer der Compagnien in der östlichen Waldparcelle das weitere Vorgehen der Französischen Tirailleur- Schwärme auf Démuin flankirte . Aber auch diese Compagnien, 1. und 2. Compagnie 44. Regiments, sowie die östlich davon stehenden vier Batterien wurden in harte Mitleidenschaft gezogen . Mit dichten Tirailleur - Schwärmen des Chasseurs - Bataillons
und
zahlreicher Mobilgarden
drang Oberst
lieutenant de Gislain gegen das Gebüsch und die Batterien vor.
Die
linke Flügel - Compagnie der zehn auf das Erdwerk vorgerückten Compagnien des 44. Regiments, die 4., sah sich genöthigt, links zu schwenken, um nur einigermaaszen eine Verbindung zwischen beiden
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Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
Gefechtsgruppen 44. Regiments herzustellen ;
als aber bei erlittenen
bedeutenden Verlusten die Munition zu mangeln begann ,
sah sie
sich genöthigt ,
auf die 1. und 2. Compagnie 44. Regiments im Wäldchen zurückzugehen. Doch auch hier war ein harter Stand ; die fast nur aus schwachem Unterholze bestehenden Gebüsche boten gegen die Geschosse, welche in verschiedenen Richtungen dasselbe durchschwirrten , keine oder nur ungenügende Deckung. Aber die Kraft des Vorstoszes erlahmte endlich hier in einstündigem Kampfe an der Zähigkeit der Infanterie, an der hingebenden Ausdauer der Artillerie, sowie an dem schnelle Bewegungen verhindernden Boden . Oberst Junge hatte bald , nachdem er in Thätigkeit getreten , der 3. und 4. leichten Batterie befohlen, bis
zur Höhe des Wäldchens
vorzugehen, weil von bier bei besserer Uebersicht eine erhöhte Wirkung zu erwarten war. Unter groszen Verlusten, namentlich durch In fanteriefeuer, behaupteten beide Batterien im heftigsten Kampfe mit der Französischen Artillerie ibre Stellung selbst dann , als auf Befehl des Generals von Bentheim die beiden reitenden Batterien nach dem linken Flügel der Stellung des
1. Corps abfuhren , um in dem Ge
fechte bei Cachy mitzuwirken . Den Hauptangriff gegen das Erdwerk leitete Oberst du Bessol persönlich, kühn und entschlossen , indem er die gesammte disponible Marine - Infanterie,
einen Theil des 2. Chasseurs - Bataillons , sowie
zahlreiche Mobilgarden vorführte.
Dem energischen Beispiele des
Fübrers folgten die Französischen Truppen, doch als die Verluste sich mehrten , als diesem das Pferd erschossen und er dabei gestürzt war, kam der Angriff ins Stocken . Vor dem Schnellfeuer der Com pagnien des 44. Regiments und der Wirkung der Batterien floben die Französischen Truppen dann bald in Auflösung zurück . Um 3 Uhr war der erste und heftigste Vorstosz der Franzosen erlahmt und hatte keinen nennenswerthen Erfolg gehabt . Auf jeden Fall hatte es sich aber deutlich herausgestellt ,
dass bei Villers die
Entscheidung des Tages läge. In Folge dessen erschien zwischen 2 und 3 Uhr der général en chef , General Farre , zwischen Cachy und Villers ; er selbst führte die 8 - Pfünder- Batterie nordwestlich der Windmühle zu besserer Wirkung weiter vor und befahl von hier dem General Lecointe, mit dem Theile der 1. Brigade vom Bois de l'Abbé her über Gentelles auf Domart vorzustoszen, um so von dem linken Französischen Flügel bei Villers Kräfte abzulenken . -
General von Bentheim hatte inzwischen,
was er an Truppen
aufbieten konnte , das Regiment Kronprinz Nr . 1 , sowie den noch
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
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verfügbaren Theil der Corps-Artillerie, zum Theil bei Démuin, zum Theil gegen Villers vorgehen lassen . Zur Leitung des Gefechtes verblieb der General auf dem linken Flügel seines Corps , während sein Generalstabs - Chef , Oberstlieutenant von der Burg ,
sich nach
dem rechten begab , wo es sich um den Kampf um Villers handeln sollte.
Zugleich, gegen 3 Uhr, wurde der Befehl an den Oberst von
Böcking erlassen, nur mit den unbedingt nöthigen Theilen des 1 . Regiments den Luce- Abschnitt zu sichern, mit den anderen Kräften des Gros' aber in das Gefecht einzugreifen.
Oberst von Böcking
ordnete mithin an , dass das Füsilier- Bataillon in der Richtung von Démuin auf Villers die dort kämpfenden Compagnien des 4. und 44. Regiments zu unterstützen habe, dass das 2. Bataillon 1. Regi ments in Ignaucourt gesammelt und eine Compagnie desselben zur Sicherung des Luce - Abschnittes zurückgelassen werde . Das 1. Ba taillon 1. Regiments hatte den Befehl erhalten , sich unverzüglich von Moreuil auf Démuin in Marsch zu setzen , Dieser Befehl hatte gegen den oben erwähnten Vorstosz der Brigade du Bessol rechtzeitig Kräfte zur Abwehr zugeführt.
Denn
noch vor 3 Uhr traf die 2. schwere Batterie, Major Preinitzer, und um 312 Uhr die 3. und 4. schwere Batterie auf dem Kampfplatze von Moreuil her ein .
Es war dies ein sehr wirksamer Ersatz für
die beiden zum Gefechte gegen Cachy beorderten reitenden Batterien , denn erst jetzt traten schwere Batterien gegen die Französische Pfünder und 8 - Pfünder in das Gefecht, Preuszische
Artillerie
an Stückzabl
der
12
erst jetzt wurde hier die bei Villers
kämpfenden
Französischen überlegen und erleichterte die schwere Aufgabe, welche der 3. und 4. leichten Batterie, unterstützt von der 6. leichten und 1. schweren Batterie, bisher zugefallen war. fanterie -Unterstützung trat nun auf.
Aber auch frische In
Zuerst die 10. Compagnie 1 .
Regiments, welche von Démuin aus zur Verstärkung der bis zur Südlisière zurückgegangenen 7. und 8. Compagnie 4. Regiments vor geschickt wurde ; zu gleicher Zeit hatte auch ein Theil der Be deckungsmannschaften der reitenden Batterien, welche nach Cachy in scharfer Gangart gefahren waren, der Lieutenant Gerlach mit 60 Mann der 1. Compagnie 1. Regiments, den linken Flügel der 7. und 8. Compagnie 4. Regiments verstärkt. Nun gelang es , bier wieder Terrain zu gewinnen ; die Französischen Tirailleure wurden aus dem Ost-Abschnitte des Bois de Domart vertrieben , und es vermochte die 10.
Compagnie 1. Regiments
den
Nordrand wieder zu
besetzen .
Hier und in gleicher Höhe nisteten sich die 7. und 8. Compagnie 4. Regiments und die 10. Compagnie Regiment Kronprinz ein , bald
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
150
verstärkt durch die 12. Compagnie 1. Regiments, welche sich rechts neben die 10. Compagnie setzte . Als Soutien verfügbar war die 9. Compagnie 1. Regiments herangerückt .
Vortheilhaft unterstützt
wurde dies Vorgehen durch das die Französischen Schützenschwärme flankirende Feuer aus dem Wäldchen östlich der Strasze. Es be fanden sich zur Zeit in dieser Waldparcelle die 1., 2. und 4. Com pagnie 44. Regiments , sowie namentlich auch die 7. Compagnie 1 . Regiments , welche, zuerst von Ignaucourt abmarschirt, vom Oberst lieutenant
von
der Burg nach dem Wäldchen gewiesen war und
schon gegen 2 '/ Uhr in das Gefecht trat.
Hierauf gelang es auch,
die Compaguien des 4. und 44. Regiments , welche sich zum Theil verschossen hatten , wieder mit Munition zu versehen , so dass das Feuergefecht wurde.
auf Preuszischer
Seite
mit
erhöhter
Kraft
geführt
General Farre, der vor 3 Uhr zwischen Villers und Cachy ein getroffen, wendete sich , nachdem General Lecointe den Befehl er halten, auf Domart vorzugehen, nach Villers , sowohl um sich von dem Stande der Dinge zu überzeugen, als auch selbst die Leitung des Gefechtes bei Villers zu übernehmen. Dass hier die Entscheidung lag, war klar . Der Kampf, der Französischer Seits zu erlahmen begann, wurde durch den General Farre und den Obersten du Bessol zu erneuter Heftigkeit entflammt, und General Farre scheint gegen 3 Uhr der Ansicht gewesen zu sein, seine Stellung behaupten und selbst Vor theile erkämpfen zu können, wenn der Vorstosz der Brigade Lecointe von gutem Erfolge wäre . Dem Generale Lecointe standen zu der befohlenen Offensive auf Domart 54/2 Bataillone im Bois de l'Abbé zur Verfügung , auszerdem forderte derselbe den Obersten Pitié der Brigade Deroja zur Mitwirkung auf. Dieser Offizier stand nach der Wegnahme des Dorfes Boves in der durch Schützengräben ver stärkten Stellung nördlich der Strasze nacb Amiens und in dem Bois de Gentelles. Da das Feuer der 4. Pfünder - Batterie der Brigade Deroja aus den Emplacements gegenüber der Wirkung der Preuszischen Batterien der 30. und 29. Brigade erstarb, so zog General Lecointe eine 12 - Pfünder - Batterie vor, um unter ibrem Schutze über Gentelles und das Bois de Gentelles auf Domart vorzustoszen. Der Angriff sollte zu gleicher Zeit mit den entwickelten Streitkräften auf Gen telles und das Bois de Gentelles ausgeführt werden . Gegen 3 Uhr begann die Vorbewegung. In dieser Zeit meldete denn auch das Halb - Bataillon
Hertel,
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
151
9. und 11. Compagnie 4. Regiments , aus Gentelles an den Major von Schrötter vom 1. Bataillon 4. Regiments, der vor Cachy kämpfte, dass er von Norden, dem Bois de l'Abbé,
und von Westen, dem
Bois de Gentelles, her angegriffen werde und Gentelles räumen müsse, da er seine Munition gänzlich verschossen habe. Um das geräumte Dorf wieder zu besetzen , sandte Major von Schrötter von seinem 1. Bataillon die 3. und 4. Compagnie zur Verstärkung vor. Diesen gelang es , die Nord- und West-Enceinte zu besetzen, doch lief in zwischen ein erneuter Befehl ein, das Dorf zu verlassen, da das Bataillon mit allen vier Compagnien nach Cachy Verwendung finden sollte . Der Befehl zum Rückzuge erreichte jedoch nicht alle bei Besetzung des Dorfrandes vereinzelten Gruppen , und so 1 Offizier und 16 Mann gefangen.
wurden
Die 9. und 11. Compagnie gingen durch das Bois de Domart langsam zurück ,
rückten nach Domart und Hourges , woselbst sie
ihre Munition ergänzten und die Oertlichkeiten zur Vertheidigung einrichteten. Ein weiteres Vorbrechen der Franzosen aus Gentelles auf Domart verhinderte die Stellung, welche das 1. Bataillon 4. Regiments auf den Höhen östlich der Schlucht von Domart auf Gentelles einnahm , und die fünf Batterien starke Artillerie, welche die Besatzungen von Cachy und Gentelles in ihre Deckungen zurückwies.
Kurz vor 3 Uhr
waren nämlich die 2. und 3. reitende Batterie vom rechten Flügel vor Cachy eingetroffen, sie hatten neben der 5. leichten Batterie ab geprotzt und das Feuer auf Cachy begonnen.
Die Stellung der auf
dem linken Flügel kämpfenden Preuszischen Truppen war demnach folgende : 1. schwere Batterie nördlich der Westecke des Bois de Hangard mit dem Pionier- Detachement als Bedeckung, an sie schloss sich das Halb-Bataillon Steinwehr,
10. und 12. Compagnie 4. Regi
ments, hierauf folgten die drei Batterien, 3., 2. reitende, 5. leichte Batterie.
Die 5. schwere Batterie mit der 1. Compagnie 4. Regi
ments als Bedeckung feuerte gegen Gentelles ; die Lücke zwischen ihr und dem Halb- Bataillone Steinwehr füllte die 4. Compagnie 4. Regiments aus ,
während die aus Gentelles zurückgezogene 2. und
3. Compagnie 4. Regiments eine Defensiv - Flanke zu der übrigen Stellung bildeten. Nach 3 Uhr war auch von der auf der Strasze nach Amiens aufgestellten 1. Escadron 10. Dragoner- Regiments die Meldung ein gelaufen, dass das Bois de Gentelles stark vom Feinde besetzt sei und dass sich hinter dem Gebüsche starke Massen sammelten. Nach der Wegnahme von Gentelles aber gingen diese Massen, der gröszere
152
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
Theil der Brigade Lecointe, in der Richtung der groszen Strasze von Amiens nach Domart zu vor. Obgleich das 1. Bataillon 28. Regi ments und die 4. Compagnie 68. Regiments, welche den Raum zwi schen Fouencamps und der Strasze nach Amiens bisher gedeckt, um 314 Uhr diesen aber geräumt hatten und laut Befehl des Generals von Manteuffel
auf Thennes - Berteaucourt zurückgegangen waren,
blieb das Vorrücken der Franzosen doch ein so langsames , dass , nachdem um 4 Uhr die Französischen Bataillone aus dem Bois de Gentelles debouchirten, diesen besetzt wurde.
erst gegen 5 Uhr das Bois de Domart von
Dieser Vorstosz hatte die Brigade Lecointe mithin weit hinter die vordere Gefechtslinie der Preuszen geführt, doch hatte er keine Wirkung, da er fast auf keinen Widerstand stiesz und dieser erst an der Luce-Linie durch Vertheidigung der Dörfer Berteaucourt und Domart zu erwarten stand . General von Manteuffel hatte lange mit seinem Stabe auf der Höhe nördlich Berteaucourt gehalten, Chassepot Geschosse hatten Verwundungen in seinem Gefolge verursacht, und als die Wegnahme des Gehölzes von Domart unzweifelhaft und die Vertheidigung des Luce - Abschnittes befohlen war, begab sich der Oberbefehlshaber Thennes.
auf die
Umsicht
gewährenden
Höhen
südlich
General Lecointe versuchte um so weniger sich in Besitz von Berteaucourt und Domart zu setzen, als er keinen Befehl vom General Farre hierzu erhielt ;
da die Dunkelheit bereits vollständig herein gebrochen war, so beschloss er vielmehr, mit Rücksicht auf seine von der Avre her flankirte Stellung, sich wieder zurückzuziehen. Gentelles und das Bois de Gentelles behielt er jedoch bis in die Nacht hinein besetzt. ---Vor Cachy hatte sich die Gefechtslage mittlerweile wenig ge ändert ; nachdem bis zur Dunkelheit die Preuszischen Batterien den Ort und seine vorliegende Vertheidigungslinie unter Feuer genommen hatten, vermochte das Halb- Bataillon Steinwehr bis zur sinkenden Nacht das Feuergefecht durchzuführen , so dass hierdurch das 1. Ba taillon 4. Regiments zur Vertheidigung von Domart disponibel ge macht werden konnte. Aber auch Cachy blieb bis zum frühen Morgen des 28. Novembers in den Händen der Franzosen. Wie oben erwähnt, war es in der Richtung der Strasze von Démuin nach Villers der 10. Compagnie 1. Regiments , der später die 12. und 9. Compagnie 1. Regiments folgten, gelungen, die bis zur Südlisière des Wäldchens zurückgedrängte 7. und 8. Compagnie 4. Regiments zu verstärken und mit ihnen trotz des starken Feuers
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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die Höhe hinan zu steigen , das Wäldchen zu säubern und gegen die in Schützengräben gedeckten Abtheilungen des Obersten du Bessol ein blutiges, aber erfolgloses Feuergefecht zu führen.
Vereinzelte
Vorstösze , wie der der zurückgebliebenen Geschützbedeckung, der 1. Compagnie 1. Regiments, wurden blutig abgewiesen, und bis gegen 4 Uhr wogte der Kampf noch entscheidungslos von der Strasze von Démuin bis zu dem Erdwerke an der Eisenbahn. Namentlich war hieran die 7. Compagnie 1. Regiments betheiligt , die zuerst von frischen Truppen auf dieser blutigen Wahlstatt eintraf. Bald nachdem gegen 22 Uhr der erste Versuch des Obersten du Bessol zur Wiedereroberung des Erdwerkes abgeschlagen war, sammelte derselbe neue Kräfte, und General Farre betheiligte sich selbst daran, einen zweiten Vorstosz aussichtsvoll zu gestalten. Unter dem verstärkten Feuer der Batterien, das sich bis zu einem Feu à volonté steigerte, brach Oberst du Bessol mit seinen Adjutanten, die Käppi's auf die Säbel gesteckt , mit den Resten des Chasseurs -Ba taillons , einigen Mobilgarden und mit den Marine-Compagnien als Kern nochmals gegen das Erdwerk vor. Aber diese Anstrengungen zerschellten wieder an dem Schnellfeuer aus dem Erdwerke und vor der Wirkung
der
zahlreichen Preuszischen Batterien .
Oberst du
Bessol wurde contusionirt und auf den Verbandplatz zurückgebracht, ihm folgten bald die Reste der Stürmenden in der Richtung auf Villers zu. In der Zeit von 3 bis 32 Uhr hatten 10 Geschütze der 3. Ca vallerie - Division das Feuer der 6. leichten Batterie nördlich der Bahn verstärkt, und namentlich die an der Ostseite von Villers be findliche 12-Pfänder- und 8-Pfünder- Batterie bekämpft.
Da jedoch
durch diese Aufstellung die Ausdehnung der kämpfenden Preuszi schen Truppen eine noch gröszere werden musste, so nahm der Oberstlieutenant von der Burg diese Geschütze auch auf das Terrain südlich der Bahn zurück , wo jetzt östlich des kleinen Wäldchens seit 3 Uhr Nachmittags die 3. und 4. leichte, die 2., 3. und 4. schwere einen sehr erbitterten Kampf führten, in dem sie durch Infanteriefeuer starke Verluste erlitten.
Bei der groszen Nähe und der Stärke der
Französischen Schützenschwärme genügten kaum die 1., 2. und 4. Compagnie 44. Regiments und die 7. Compagnie 1. Regiments ,
um
die Batterien in ihren Aufstellungen gegen feindliche Unternehmun gen zu sichern.
Auf dem rechten Flügel reichten die 10. und 12.
Compagnie 44. Regiments zur Bedeckung der 16 Geschütze um so mehr hin, als die Compagnien 44. Regiments beharrlichst und rühm lichst ihren schweren Posten in dem Erdwerke festhielten. 11 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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Gegen 31
Uhr lief auch die Meldung des Oberstlieutenants
von Hüllesem ein, dass das Eintreffen seines Detachements,
1. und
Füsilier-Bataillon 41. Regiments , 1. Bataillon 3. Regiments , 2. leichte Batterie, bevorstehe . Für den Fall seines rechtzeitigen Eintreffens erhielt das Detachement den Befehl , Domart und Thennes zu be setzen.
So wurde das Regiment Kronprinz fast ganz für den Ent
scheidungskampf entbehrlich . Die 7. und 8. Compagnie 4. Regiments , die 10. , 12., 9. und 7. Com pagnie Regiments Kronprinz führten ein blutiges Feuergefecht auf 400 Meter Entfernung von den Französischen Schützengräben, die 3. und 4. leichte, die 2. , 3. und 4. schwere Batterie hielten sich unter groszen Verlusten durch die Schützenschwärme der Chasseurs und Marine Infanterie
mit Kartätsch - Ladungen
mussten
sie
zurückgewiesen
werden. Es bedurfte Preuszischer Seits frischer Truppen, um eine Ent scheidung herbeizuführen.
Diese erschienen gegen 4 Uhr in der vor
dersten Gefechtslinie unter Führung des Majors von Elpons von Ignau court her.
Es waren dies drei Compagnien, die 5. und 8. 1. Regi
ments , bald darauf auch die 6. , welche auf eigene Verantwortung des Führers ins Gefecht geführt wurden, und dort den Hauptanstosz zur Durchführung des Gefechtes bis zum vollständigen Siege gaben. Als die 6. Compagnie 1. Regiments sich auf den rechten Flügel setzte, wurde die Verbindung zwischen den Compagnien an der Eisenbahn und denen im Wäldchen hergestellt. Oberstlieutenant von Wienskowsky, Führer des Regiments Kron prinz, erkannte den Werth der neuen Verstärkung und befahl, die zu nehmende Schwäche der Französischen Vertheidigung wahrnehmend, den Angriff auf Villers . Die im Vorgehen gebliebenen drei Compagnien waren schon über die 7. Compagnie 1. Regiments hinausgekommen und gelangten mit ihren Soutiens in gleiche Höhe mit den links liegenden Französischen Schützengräben , deren Flanke nicht gesichert war. Dies benutzend, stürzte ein Theil des Soutiens mit Hurrah ! und ge fälltem Gewehre in die Schützengräben. sprengt.
Hiermit war der Bann ge
Mit lautem Hurrahrufe brach die ganze lange Schützenlinie,
die 10., 12. und 9. Compagnie Regiments Kronprinz unter dem Haupt manne von der Heydt, gegen die Schützengräben vor, die Fran zosen verlieszen sie und eilten in groszer Unordnung auf Villers zurück . Die Verfolgung war eine unmittelbare, die 8., 5. und 6. Compagnie stürmten auf dem Fusze hinterher ; die 8. Compagnie eilte der zurück jagenden 4-Pfünder Batterie nahe der Eisenbahnbrücke bei Villers nach, die 5. und 6. Compagnie überschritten den Eisenbahn-Einschnitt westlich
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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des Erdwalles ; dadurch wurden die Vertheidiger der Gebäulichkeiten der Mühle abgeschnitten und zum Theil gefangen. tung
Bis in die Rich
von Cachy zu eilten alle Franzosen nach Villers ; aber an
eine Vertheidigung dieses Ortes war nicht mehr zu denken , denn fast gleichzeitig trafen die 8. Compagnie 1. Regiments an der Brücke die 10. Compagnie 1. Regiments am Bahnhofe, der genommen wurde, ein .
Die 5. und 6. Compagnie waren bis an den Nordausgang von
Villers gerückt und schon folgte die 7. Compagnie 1. Regiments und die 4. Compagnie 44. Regiments nebst der 2. schweren Batterie nach. Nach lebhaftem , aber vergeblichem Widerstande in Häusern und Straszen war bei einbrechender Dunkelheit Villers in den Händen der Preuszen, welche hier neun unverwundete Offiziere und 365 Mann zu Gefangenen machten .
Der Abend , der tief durchweichte Boden
zu Seiten der Strasze, Unbekanntheit mit den Folgen der Wegnahme von Villers , schlieszlich die grosze Nähe
des
gesicherten Somme
Ueberganges bei Corby vereitelten eine vom Generale von Bentheim angeordnete Verfolgung durch die Cavallerie - Division . General Graf von der Groeben hatte, während sich das Gefecht bei Villers in aller Heftigkeit
entwickelte , Marché le Cave als Stützpunkt mit dem
1. Jäger-Bataillon und der 3. herangezogenen Compagnie des 8. Jäger Bataillons besetzt und zur Vertheidigung eingerichtet, auszerdem 10 Geschütze auf der Strasze von Lamotte auf Villers vorgesendet, welche, wie wir sahen, in Verbindung mit der 6. leichten Batterie das Feuer gegen 3 Uhr auf die 12 - Pfünder und 8 - Pfünder Französische Batterie Östlich Villers eröffneten .
Die Cavallerie - Division selbst hielt sich
mit 12 Schwadronen nördlich der Eisenbahn zum Eingreifen in das Gefecht bereit, ohne aber noch zu durchgreifender Wirksamkeit zu gelangen. Nach der Wegnahme von Villers übernahm das 44. Regiment die Führung und Besetzung des Ortes . Das Erdwerk an der Eisenbahn wurde von den beiden Jäger-Bataillonen besetzt.
Wenn man auch
auf dem rechten Preuszischen Flügel sicher war, einen groszen tak tischen Erfolg darch Wegnahme von Villers erreicht zu haben , glaubte man doch, am
so
morgigen Tage dem Hauptkampfe und der
Hauptentscheidung entgegensehen zu dürfen . Die Anstrengung des Gefechtes war grosz und namentlich der letzte Theil , wo im Lauf schritte auf weite Distancen entweder die Schützengräben genommen, oder die zurückeilenden Franzosen verfolgt wurden, hatte die Truppen auf das Aeuszerste ermüdet.
Bei den Truppen des 1. Armeecorps
war man nun die Nacht über eifrigst beschäftigt, die taktischen Körper zu sammeln und zu ordnen, sowie neue Munition wieder zuzufübren . 11 *
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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General von Manteuffel blieb bis zur Beendigung des Gefechtes bei Thennes ; dann erst begab er sich nach Moreuil, wo er im Schlosse des Grafen du Plessis sein Hauptquartier aufschlug und die Berichte der commandirenden Generale erwartete , um die Maazsregeln für den nächsten Tag zu treffen.
Auszer der Meldung des 8. Corps ,
dass es die ihm befohlene Stellung eingenommen , wurde berichtet, dass von Dury und St. Fuscien aus der hinter seinen Verschanzungen befindliche Gegner unausgesetzt beobachtet wurde, und dass derselbe sehr thätig an der Wiederherstellung der Schäden arbeite , welche durch das Geschützfeuer vom vorigen Tage verursacht waren.
Es
erschien somit zweifellos, dass die Franzosen ernstlichen Widerstand in den Befestigungen südlich von Amiens zu leisten beabsichtigten , und General von Goeben, der, einer Aufforderung folgend, im Haupt quartiere eingetroffen, war der Ansicht, dass der Frontalangriff auf die Schanzen von Dury nur unter groszen Opfern durchgeführt werden könne. Erst in der Nacht war es dem Generale von Bentheim möglich geworden, die Gewissheit eines vollständigen Sieges zu erkennen, der ein ferneres Verbleiben des Gegners in seiner bisherigen Stellung zur Unmöglichkeit machte . Nach Kenntniss hiervon war auch im Hauptquartiere die Aussicht gewonnen , einen Sturm auf die Ver schanzungen südlich von Amiens nöthigenfalls unter günstigen Aus sichten unternehmen zu können, da eine flankirende Mitwirkung durch das 1. Corps nunmehr möglich war. General von Manteuffel befahl für den 28. November :
Das
1. Armeecorps solle, das von ihm eroberte Terrain festhaltend, die Cavallerie-Division zwischen Luce und Somme, sowie gegen Amiens rekognosciren lassen, übrigens aber den früheren Befehl gemäss den Luce - Abschnitt besetzen. Das 8 Armee Corps solle sich in dem von ihm gewonnenen Terrain Front gegen Amiens etabliren und mit
einer Division zur Unterstützung des 1. Armee- Corps bereit
stehen, falls dies letztere zwischen Avre und Somme noch mit dem Feinde
engagirt
würde.
Eine
anologe Bereitschaft
wurde
dem
1. Armee-Corps zur Unterstützung des 8. anempfohlen . Demnach nahm die I. Armee auf dem Schlachtfelde vom 27. eine abwartende Stellung ein, bereit, die errungenen Vortheile gegen er neute Angriffe zu behaupten, und erleichterte zugleich durch das Stehenbleiben das Herankommen der noch fehlenden Theile des 1. Armeecorps . Noch mit Ablauf des Tages war das 41. Regiment nebst der 2. leichten Batterie und einer Escadron Dragoner an den Luce Abschnitt herangerückt. Von der 4. Brigade, General von Zglinitzky,
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
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war noch im Laufe des Spät- Nachmittages die Meldung eingelaufen, dass die Festung La Fère capitulirt habe.
Hierdurch wurde auch
diese Brigade zur Verwendung im Felde frei und sofort erging an den genannten General der Befehl, mit 3 Bataillonen, 1 Schwadron und 1 Batterie ungesäumt abzurücken . Diese abwartende Haltung der I. Armee , eine Folge der Un möglichkeit der Verfolgung über die Somme, war für die Französische Nord - Armee von groszem Vortheile, denn in bedenklicher Weise war die taktische Ordnung nach dem Verluste von Villers verloren ge gangen . Nachdem die vordere Vertheidigungslinie von Villers im Süden
auch geworfen , Villers selbst im Süden von Démuin
im Süd - Osten
von
den Compagnien
und
des 44. Regiments auf das
Aeuszerste bedroht war, hatte sich General Farre genöthigt gesehen , den vier Batterien den Befehl zum Rückzuge auf Corby zu ertheilen . Da dieser Rückzug der Batterien in vollem Galopp geschah, um sich den
eilig
nachdrängenden Preuszischen
Compagnien
noch gerade
rechtzeitig über die Eisenbahn - Brücke bei Villers zu entziehen , so wirkte dieses Zurückeilen der Geschütze als ein schlechtes Beispiel für die schon erschütterte Französische Infanterie, die , Alles verloren gebend , nach Villers zu entkommen eilte.
Das Durcheinander der
Französischen Truppen wuchs mit dem Verlassen des Ortes um so mehr, als General Farre in seinen Dispositionen keinen Befehl ge geben hatte, ob der Rückzug auf Amiens oder Corby zu nehmen sei. Zwar entschied sich der General dabin, den Rückzug auf das nahe Corby einzuschlagen ,
sein Generalstabs - Chef , de Villenoysy, aber,
der hiervon Nichts wusste , befahl den Rückzug über Longeau auf Amiens zu nehmen und theilte dies allen Truppen mit, denen er begegnete. So war Villers verhältnissmäszig rasch von den Franzosen räumt.
ge
Was hier nicht im Häuserkampfe gefallen oder gefangen war,
floh auf beiden Straszen , entweder auf Amiens oder Corby zu .
Die
Truppenkörper waren vollkommen aufgelöst, nur einige wenige Com pagnien unter dem Bataillons - Commandeure Aynés und dem Capitain Dido sicherten in leidlicher Ordnung den regellosen, eiligen Rückzug , der von Seitens der Preuszen in keiner Weise beunruhigt wurde. Bei der groszen Dunkelheit kamen die Truppen vollständig durcheinander. Chasseurs, Mobilgarden , Linien - Infanterie und Marinesoldaten , Alles drängte den Thoren von Corby zu .
Als General Farre in diesem Orte
ankam , beschloss er sofort, die Scheidung der Truppenkörper zu be werkstelligen . Die Eingänge von Corby wurden durch Gensdarmerie ab gesperrt, nur die Linientruppen hereingelassen und alle Mobilgarden auf
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
158
Amiens gewiesen, wo sie sich von Neuem formiren sollten.
General
Farre machte Corby zum Hauptquartiere, suchte hier die Linientruppen zu ordnen und liesz auf Anerbieten des Capitains der Franctireurs Compagnie dieselbe die Vorposten an der Somme aussetzen. General Farre suchte unter diesem leichten Schutze die Organisation der Linientruppen
möglichst
rasch
zu
betreiben ,
da
er hinter
der
starken Stellung auf dem rechten Ufer der Somme den Kampf am nächsten Tage vertheidigungsweise wieder aufzunehmen gedachte. Auffälligerweise fand sich keiner der höheren Offiziere der Fran zösischen Nord- Armee behufs Berichterstattung und Berathung
im
Hauptquartiere des Generals en chef ein. Dieser fasste vielmehr allein den Entschluss, die Somme-Linie am nächsten Tage zu vertheidigen ; er bezeichnete auf der Karte die Aufstellung der Batterien und Ba taillone und war daran, die Befehle ausfertigen zu lassen , als ihm die Meldung zuging, dass die in Amiens versammelten höheren Offi ziere den Rückzug der Nord-Armee für nothwendig erachtet hätten. In dem Präfectur-Gebäude von Amiens hatten sich die Generale Paulze d'Ivoy , Lecointe , Oberst Deroja und die Spitzen der Civil Verwaltung versammelt und verhandelten hier die Frage , ob der Kampf um Amiens wieder aufzunehmen oder der Rückzug anzu treten sei .
General Paulze d'Ivoy erklärte sich für fernere Verthei
digung, während die Anderen die Nothwendigkeit des sofortigen Rück zuges betonten.
Unter dem Eindrucke des regellosen Einströmens
der Theile des linken Flügels , welche auf Amiens dirigirt worden waren, wobei Disciplin und militairische Ordnung sich völlig gelöst hatten , wurde die Ansicht , dass der Rückzug am nächsten Morgen angetreten werden müsse , die durchschlagende. Es liesz sich nicht hoffen, hier in Amiens bis zum Morgen einige Ordnung in das Chaos zu bringen.
Ohne Befehl und ohne
sonstige Anordnungen hatten
sich die zügellosen Soldaten beliebig in den Häusern einquartiert und sich so jeder Befehlsertheilung entzogen.
Die Versammlung in
Amiens theilte in Folge dessen dem Generale en chef Farre mit, dass die Truppen am Morgen des 28. Novembers den Rückzug auf Doullens antreten würden. Amiens sollte in der Nacht von allem Geschütz und Armeemateriale geräumt werden und General Paulze d'Ivoy nur mit den National- und Mobilgarden , der Besatzung von Amiens , die Werke so lange vertheidigen, bis die übrigen Truppen Amiens ver lassen hätten. Nach dieser Mittheilung sah sich General Farre genöthigt, seinen Plan zur Vertheidigung der Stellung nördlich der Somme aufzugeben und die Anordnungen zum Rückmarsche zu treffen. In Folge dessen
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870.
159
wurde Corby um drei, Amiens um fünf Uhr Morgens geräumt und der Rückzug auf Arras und Douay angetreten.
Mit dem Morgengrauen
waren auch die in Gentelles und Cachy zurückgebliebenen Bataillone nach Daours dirigirt worden , wo sie die Somme überschritten. Alle Preuszische Recognoscirungen am frühen Morgen fanden die Fran zösischen Stellungen auszer Sicht.
vollständig geräumt und den Gegner bereits
Gleiches war auch bei dem Füsilier-Regimente Nr. 40, welches vor Dury gegen die Schanzen die Vorposten gegeben hatte, der Fall. Während gegen 10 Uhr Abends eine Abtheilung von den Schanzen her auf die Chaussée sich dem Kirchhofe genähert hatte und durch Gewehrfeuer abgewiesen war, hatte man die Nacht über das Arbeiten in den Schanzen gehört, desgleichen glaubte man einen starken Ver kehr mit schwerem Fuhrwerke zwischen Amiens und den Schanzen zu vernehmen .
Major von Rosen meldete in Folge
dessen
nach
rückwärts, es würden anscheinend die Verschanzungen von den Fran zosen ausgebessert und neue Geschütze eingefahren. Bei den Vor posten vor Boves, St. Fuscien fand gegen 5 Uhr Morgens ein unbe deutendes Patrouillengefecht statt .
Auch vor Gentelles und Cachy
war die Gegenwart der Franzosen in
den Schützengräben und in
den Dörfern festgestellt, so wie , dass sie wohlbereit und wachsam waren. Mit dem frühen Morgen , gegen 4 und 5 Uhr, erstarb jedoch nun jedes Geräusch in den nahen Verschanzungen.
Vor Dury nahm das
40. Regiment eine Gefechtsstellung ein, um bei dem Beginne des jeden Augenblick erwarteten Feuers oder Angriffes bereit zu sein . Da aber die Stille fortdauerte, so schickte der Hauptmann le Bateux aus dem in Vertheidigungszustand versetzten Kirchhofe eine Patrouille unter dem Vicefeldwebel Meinertz zur Recognoscirung der Schanzen vor. Die Patrouille kehrte bald mit der Meldung zurück , dass die Schanze gänzlich geräumt und die letzten abziehenden Truppen in der Rich tuug auf Amiens sichtbar gewesen seien. Die 9. und 12. Compagnie 40. Regiments rückten in die ver lassenen Werke und bald wurde auch das 2. Bataillon 40 Regiments dorthin nachgesendet. In den Schanzen wurden noch vier schwere guss eiserne Geschütze vorgefunden. Auf die Meldung über all' dies Unerwartete beorderte die Division das ganze Regiment Nr. 40
und die beiden 5. Batterien vor , wäh
rend die 4. Escadron 9. Husaren-Regiments schon gleich beim Ein treffen der Nachricht vorgeritten war , um aufzuklären .
das Terrain bis Amiens
Von der 12. Compagnie wurde der Lieutenant Hirsch
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
160
zur Recognoscirung gegen Amiens vorgezogen ; er hatte die ersten Häuser besetzt und liesz den Maire der Stadt rufen . Bald darauf traf auch der übrige Theil der Compagnie und die 4. Schwadron ein, der Maire erschien und nachdem er seine Besorgnisse wegen der unruhigen Arbeiter- Bevölkerung ausgesprochen , ging die 12. Compagnie nebst der genannten Schwadron, nachdem das ganze 3 , Bataillon 40. Regi ments am Süd- Eingange sich gesammelt, obne Weiteres durch die ganze Stadt bindurch vor, um den nach der Citadelle zu gelegenen Theil zu besetzen . Um
114/ Uhr rückte der commandirende General von Göben
an der Spitze des 40. Regiments in Amiens ein und liesz auf dem Périgord - Platze die Truppen vorbeimarschiren .
Als dann am 29. No
vember der Nachfolger des am 28. November den Heldentod
ge
storbenen Commandanten der Citadelle (Capitain Vogel), Angesichts von 66 kampfbereiten Preuszischen Geschützen und gänzlich unter Feuer genommen von den in den nächsten Häusern eingenisteten Preuszischen Infanteristen , die Capitulation der Citadelle unter zeichnete, war der General von Manteuffel Herr der Hauptstadt der Picardie und hatte den Theil des Befehles aus dem Königlichen Hauptquartiere vom 18. November, welcher ihn auf Amiens und die dort versammelten Truppen hingewiesen hatte, glänzend gelöst. Der Versuch des Generals Farre, sich schon jetzt mit der Nord Armee der Deutschen I. Armee in der Stellung von Amiens südlich der Somme zu messen, kostete ihm,
nach Französischen Angaben,
266 Todte und 1117 Verwundete, und nach Faidherbe über 1000, nach einer anderen , glaubwürdigen Quelle über 2000 Vermisste, sowohl Gefangene , als auch Deserteure. Diese Verluste trafen namentlich einzelne Truppentheile, während andere wenig oder gar keinen Abgang hatten.
Die Besatzungstruppen von Amiens, mit
Ausnahme des Chasseurs- Bataillons und des Mobilgarden - Bataillons, hatten geringe Verluste. der 2. Brigade,
Die Theile der 1. Brigade, Lecointe, sowie
Oberst Deroja ,
welche den Vorstosz
längs der
Chaussée unternahmen , oder die Stellungen bei Longeau vertheidig ten, hatten wenig oder gar nicht gelitten ; dagegen häuften sich die Verluste bei der 3. Brigade ; so zählte das 2. Bataillon 69. Marsch Regiments (43. Depot) nach der Schlacht nur noch sechs Offiziere. Gleiche Verluste erlitt die Marine -Infanterie und das 20. Chasseurs Bataillon.
Der Commandeur der Mitte der Aufstellung der 3. Bri
gade, Oberstlieutenant de Gislain , war verwundet ,
desgleichen der
Commandeur der 20. Chasseurs, Giovanelli; der Bataillons - Chef Roslin und der Batterie- Commandeur, Schiffslieutenant Meusnier, waren ge
Die Schlacht bei Amiens am 27. November 1870 .
161
tödtet. Verhältnissmäszig war der Verlust an Offizieren , namentlich der Linientruppen, ein groszer. Es ist dies ein ehrender Beweis ihrer persönlichen Hingabe, um die jungen Truppen das leisten zu lassen , was geschah . Da aber die Auflösung der Armee nach dem Verluste von Amiens eine vollständige war, da fast alle taktischen Verbände aufgehört hatten , so wurde nach der Schlacht der Mangel an tüchtigen Offizieren um so füblbarer, als brauchbarer Nachersatz schwer zu erlangen war. Die I. Armee verlor an diesem Tage beim 8. Corps 24 Offiziere, 42 1. 99
430 Mann , 739 9
Summa : 66 Offiziere, 1169 Mann ; hiernach waren die Verluste bei den drei Regimentern und den eilf 1. Corps sehr bedeutend , und sind diese ein Beweis
Batterien des
für die Hartnäckigkeit des Kampfes nördlich der Luce . Doch waren die Folgen des Kampfes für die Deutsche Heeresleitung äuszerst wichtig Jedem Gedanken einer Französischen Offensive in der Richtung auf Paris war die Aussicht auf Erfolg genommen ;
denn durch den
Fall von La Fère, die Besetzung von Amiens und die Capitulation der Citadelle dieser Stadt kam die Somme-Linie dauernd in die Ge walt der Deutschen, wenn auch Péronne in Französischen Händen blieb. Alle ferneren Anstrengungen der Nord-Armee unter General Faidherbe haben den Zweck, diese Barrière der Deutschen Macht sphäre zu durchbrechen oder überraschend zu passiren ; doch , wie bekannt , gelang es niemals. Wie mit Beginn des Decembers die Loire im Süden, so wurde mit dem Schlusse des Novembers die Somme im Norden ein Hinderniss , das der zur Unterstützung der eingeschlossenen Hauptstadt vorstoszende Gegner schreiten vermochte.
nicht
zu
über
Die Sächsischen Husaren .
162
XII.
Die Sächsischen Husaren .
(Schluss .) *) Das Commando des Regiments wurde kurz nach dem Waffen stillstande in Oesterreich dem bisherigen Oberstlieutenant von Engel vom Regimente Jobann - Chevauxlegers
übertragen ,
einem Manne,
der trotz seines vorgerückten Alters - er zählte schon damals 63 Jahre - den Muth und die Verwegenheit eines Jünglings besasz. Dagegen
avancirte
der tapfere Oberstlieutenant von Gablenz
zum
Obersten und Commandeur des Chevauxlegers -Regiments Prinz Cle mens ( früher Kurland, gegenwärtig 1. Husaren - Regiment Nr. 18). Die Zeit zwischen der Wiedervereinigung des Husaren - Regi ments in seinen vaterländischen Garnisonen , Ende Januar 1810, und der Zusammenziehung der Armee für den Russischen Feldzug 1812 verstrich in lebhafter Thätigkeit. Die schon erwähnte Reorganisation der Armee am 1. Mai 1810 führte zwar für dasselbe wesentliche Formationsveränderungen **) nicht herbei , dafür aber hatte man die dringendste Veranlassung , den dienstbrauchbaren Pferdebestand für die etatmäszigen Escadrons herzustellen , denn seit der Unberitten machung der gesammten Sächsischen Cavallerie nach dem unglück lichen Feldzuge 1806 war jener noch nicht wieder erreicht worden, und das Regiment hatte daher auch 1809 im Ganzen nur sechs Es cadrons mobil machen können .
Das Machtgebot Napoleons aber er
heischte schon um die Mitte Februar 1812 die Versammlung eines Sächsischen Corps im nördlichen Theile der Niederlausitz, welches, 7. Armeecorps des groszen Französischen Heeres , dem Ober
als
befehle desselben Generals, Grafen Reynier, unterstellt wurde, welchem schon im Feldzuge 1809 der mit Bernadotte gänzlich zerfallene Na gleich nach der Schlacht bei Wagram die Führung der
poleon
Sachsen übertragen hatte. Das
Husaren - Regiment,
wieder auf acht Escadrons ergänzt,
wurde bei der Reiter- Brigade des Generallieutenants von Funck der 1. (21. ) Division zugetheilt.
Der Abmarsch aus der Gegeud von
*) Vergl. Jahrbücher Band XXII, Seite 65 ( Januar 1877 ) . **) Nur die Cornetcharge wurde aufgehoben.
Die Sächsischen Husaren .
163
Guben nach dem Groszherzogthume Warschau erfolgte in den letzten Tagen des März ; die Kriegserklärung Napoleons wurde jedoch erst gegen Ende Mai beim Corps bekannt. Unterdessen waren von dem selben drei Cavallerie - Regimenter und eine reitende Batterie zur groszen Französischen Armee abberufen worden , ein Abgang, der später bei dem nur auf 16 Schwadronen beschränkten Corps Reynier's, dem weit überlegenen Feinde gegenüber, auf dem ebenen Kriegs theater sehr fühlbar wurde. Einen kaum minder schweren Verlust erlitten die Sachsen durch den am 7. Juni 1812 in Pulawy erfolgten, unerwarteten Tod des bereits oft erwähnten , ebenso ritterlichen als hochbegabten Commandeurs der 2. (22.) Division, des Generallieute nants von Gutschmid, der durch seinen Nachfolger Funck nicht nach jeder Richtung bin ersetzt werden konnte . Der uns auch schon ge nügend bekannt gewordene Oberst von Gablenz *) wurde nun General major und Commandeur der beim Corps allein noch befindlichen Reiter-Brigade. Bei den mit Anfang Juli beginnenden , im Vereine mit dem Oesterreichischen Corps des Fürsten Schwarzenberg aus geführten Operationen Reynier's auf dem rechten Ufer der Weichsel befehligte Gablenz die aus dem Husaren -Regimente, einer reitenden Batterie und einem Bataillone leichter Infanterie gebildete Avant garde, die bei den bäufigen Veränderungen der Marschrichtung, welche die eigenthümlichen Verhältnisse dieses Feldzuges nothwendig machte, oft zur Arrièregarde wurde, immer aber mit dem weit über legenen Feinde die engste Fühlung behalten musste. Dem Husaren Regimente bot sich dadurch Gelegenheit ,
sich fast an jedem der
vielen gröszeren und kleineren Gefechte in hervorragender Weise den 24. Juli bei Janow, den 10. August bei zu betheiligen , Pruszana, den 12. an der siegreichen Schlacht Schwarzenberg's und Reynier's gegen Tormassow bei Potobna, in der Zeit vom 15. bis 21. September an
den Recognoscirungsgefechten bei Turisk ,
11. October bei Kliniki, den 18. bei Biala , den
den
13. November bei
Lapinica und den 14. nnd 15. November an dem mit einem von den Russen geschickt ausgeführten Ueberfalle Reynier's beginnenden, aber mit dem Rückzuge derselben endigenden Treffen bei Wolkowysk . Besonders hier bei Wolkowysk attackirte die Sächsische Reiterei den doppelt überlegenen Feind mit groszer Unerschrockenheit . Der *) Dieser verdiente Offizier starb 1843 als Generallieutenant und Gouver neur in Dresden . Er war, beiläufig erwähnt, der Vater des durch seine hervor ragenden militairischen Leistungen und seinen beklagenswerthen Tod allge mein bekannten Oesterreichischen Generals der Cavallerie, Freiherrn von Gablenz .
Die Sächsischen Husaren .
164
brave Commandeur des Husaren -Regiments , Oberst von Engel, ein glänzendes Vorbild seiner Truppe, derselben stets weit voraus beim Angriffe, trug hier sieben ehrenvolle Wunden davon. * ) Noch zwei Mal -- bei Weli-Krinki am 18. November und bei Liw am 11. Januar 1813
kamen die Husaren auf dem rechten Weichsel - Ufer zum
Gefechte ; den 31. Januar folgte Gablenz seinem über den Fluss zu rückgegangenen Gros nach Warschau nach .
Von hier übernahmen
die Oesterreicher, welcbe schon in Hinblick auf die spätere Allianz von den Russen mit groszer Schonung behandelt und in sehr dis creter Weise gedrängt wurden, die Deckung des weiteren Rückzuges gegen Kalisch ; General Gablenz aber, dem man auszer seinen bis herigen Truppen noch das Regiment Polenz-Chevauxlegers, ein Ba taillon Franzosen und einige hundert Polnische Ulanen
zutheilte,
wurde mit der Sicherung der rechten Flanke des Corps beauftragt. Hierbei fortwährend von den Russen beunruhigt ,
sah sich Gablenz
auszer Stand, sein am 13. Februar bei Kalisch in ein ehrenvolles, aber
mit
schweren
Verlusten
wickeltes Gros zu erreichen .
verbundenes Rückzugsgefecht
ver
Er schlug daher, unbekannt mit der
Neutralität Schlesiens, die Richtung über Schildberg auf Mittelwalde ein, erhielt jedoch unterwegs den stricten Befehl,
das Preuszische
Gebiet durchaus nicht zu verletzen , sich aber, wenn der Weg zum Corps abgeschnitten sei , an den Fürsten Poniatowski in Sokolnik und später dem Oesterreichischen Corps in Radomsk anzuschlieszen. Gablenz löste diese unter den obwaltenden Umständen mit Gefahr und groszen Beschwerden verknüpfte Aufgabe mit vielem Geschick, traf den 18. Februar in Czenstochau bei Poniatowski ein und er hielt von dem Feldmarschalllieutenant Frimont, welcher die Oester reicher nach Schwarzenberg's Abgange commandirte, die Weisung, in ein Cantonnement bei Proszowice in der Gegend von Krakau zu rücken, wo die Colonne am 27. Februar eintraf und gastliche Auf nahme fand . Das Husaren-Regiment hatte noch einen Bestand von 16 Offizieren und 135 Mann mit 132 Pferden . Oesterreich, welches damals , zum groszen Nachtheile Sachsens, sich zu einer rtickhalts losen Politik gegen Frankreich noch nicht entschlieszen konnte, zögerte bis Mitte April, bevor es die Erlaubniss zum Wiederabmarsche
*) Der heldenmüthige Greis musste in Folge der hier erhaltenen schweren Wunden nach Ablauf des Feldzuges um seinen Abschied bitten, den er als Generalmajor erhielt. Er besasz einen solchen Feuereifer, dass er Meldung über die Annäherung des Feindes in der Mundart seiner burgischen Heimath sofort in die Worte ausbrach : „da müssen wir in attackiren !“ selbst wenn dann später ruhigere Ueberlegung Platz
bei jeder Mecklen alle Fälle griff.
Die Sächsischen Husaren.
165
des Gablenz'schen Corps in die Heimath gestattete, und dieses genoss daher einige Wochen der ihm so bedürftigen Ruhe. am
17. April der Abmarsch
von Proszowice .
Endlich erfolgte
Nicht ohne Absicht
führte man das kleine Corps auf einem weiten Umwege über Auster litz, Neuhaus und Pilsen und mit sehr kleinen Tagesmärschen nach Sachsen zurück , wo es am 9. Juni , also einige Tage nach dem am 4. Juni abgeschlossenen Waffenstillstande,
bei Torgau sich mit den
übrigen Sächsischen Truppen vereinigte . Mittlerweile waren die Mitte März 1813 auf directem Wege aus Russland in die Heimath zurückgekehrten Trümmer der Sächsischen Armee in Torgau bis zum Mai wieder in eine Division unter dem Befehle des Generalmajors Sabrer von Sabr formirt worden. Dieselb erreichte eine Stärke von etwa 6000 Mann in zwei Brigaden .
Die
Reiterei bestand aus wenig mehr als 300 Pferden , nämlich aus einer Escadron Chevauxlegers und einer aus den Depots der Husaren und Ulanen zusammengesetzten Escadron unter dem Major von Feilitzsch des Husaren - Regiments. * ) Die wieder, wie im vorigen Feldzuge, mit den Sachsen unter Reynier’s Befehlen im 7. Armeecorps ver einigte Französische Division Durutte war ungefähr von gleicher Stärke, enthielt aber gar keine Cavallerie . Die combinirte Escadron Feilitzsch nahm mit dem 7. Corps an der Schlacht bei Bautzen und besonders
an
den
derselben
sich
anschlieszenden
Gefechten
bei
Reichenbach am 22. und bei Leupoldishain am 23. Mai Antheil . Während des Waffenstillstandes vom 4. Juni bis Mitte August 1813 wurde die Sächsische Armee mit Aufbietung aller Kräfte auf eine Effectivstärke von ungefähr 15,000 Mann gebracht ; das Com mando übertrug der König dem Generallieutenant von Lecoy. Generalmajor von Gablenz
Der
befehligte die aus 13 Schwadronen
dem Husaren -Regimente zu 8 Schwadronen unter Oberst von Lindenau und einem Ulanen -Regimente za 5 Schwadronen — bestehende leichte Cavallerie - Brigade des Corps.
Der bekannte unglückliche Verlauf
der unter Oudinots und Ney's Oberbefehl gegen die verbündeten Armeen Bülow's, Tauenzien’s, Winzingerode's und des Kronprinzen von Schweden ausgeführten Operationen in
der Mark , welche die
*) Die beiden neuhergestellten Sächsischen Cürassier-Regimenter mussten auf Verlangen Napoleons zum Französischen Cavallerie - Corps Latour -Maubourg stoszen , welchem dieselben bis zum 19. October angehörten. Auszerdem sind diesem Corps bis zum Waffenstillstande auch Abtheilungen leichter Cavallerie - Husaren und Ulanen zugetheilt gewesen , deren Stärke und Formation nicht angegeben wird . Sie gehörten zur Division La Bruyères und hatten in der Schlacht bei Bautzen starke Verluste.
Die Sächsischen Husaren ,
166
Niederlage bei Grosz- Beeren und Dennewitz zur Folge hatten, boten dem Husaren -Regimente wenig Gelegenheit, in die Geschicke ihrer Waffengefährten einzugreifen ,
deren Rückzug sie jedoch mit
Hingebung zu decken suchten,
welche die tapfere Truppe in sieg
reichen Tagen nie verläugnet hatte .
der
Das kleine Gefecht bei Wüste
mark am 31. August, in welchem bei dem Marsche nach der Schlacht von Grosz- Beeren auf Wittenberg der Rittmeister von Lindemann mit 50 Husaren und 100 Mann Infanterie die den Rückzug in be denklicher Weise beunruhigenden starken Kosakenpulks nach hart näckigem Kampfe in Respect setzte, bewies, dass der alte Husaren geist im Unglücke noch keineswegs gebrochen war. Abermals nahm das im Jahre 1810 befestigte Torgau nach der Schlacht bei Dennewitz die Trümmer der geschlagenen Sächsischen Armee auf.
Mit Mühe nur gelang es ,
das Corps wieder auf 9000
Mann zu bringen . An Stelle des erkrankten Generalmajors von Gablenz musste Oberst von Lindenau das Commando der Cavallerie Brigade übernehmen,
welche, einschlieszlich der beiden ihr zuge
theilten reitenden Batterien, wenig über 1500 Pferde zählte. Mit der Führung des Husaren -Regiments ( 16 Offiziere mit 603 Pferden ) wurde der Major von Feilitzsch beauftragt.
Am 9. September be
gann das 7. Armeecorps wieder den Vormarsch von Torgau in der Richtung auf Dessau .
Auszer der Division Durutte war noch die
Division Guilleminot zu diesem Corps gezogen worden.
Die Ope
rationen Ney's, an denen in dem Winkel zwischen der Elbe und niederen Mulde sich das 7. Armeecorps betheiligte und welche die Zeit bis zur Schlacht von Leipzig ausfüllten, vermochten ihren Zweck, den Uebergang der Verbündeten über die Elbe und die Vereinigung der Schlesischen mit der Nord-Armee zu verhindern, nicht zu er reichen. Am 17. October, mit Anbruch des Tages, stand das 7. Armee corps nach einem starken Nachtmarsche beim Vorwerke Heiterer Blick zwischen Taucha und Leipzig.
Am folgenden Morgen rückte
dasselbe in eine Stellung bei Paunsdorf zu beiden Seiten der von Wurzen nach Leipzig führenden Kunststrasze.
Die Reiter - Brigade und ein
Schützen - Bataillon blieben zur Beobachtung des Parthe-Flüsschens etwas zur Linken .
Letztere wurden hier Vormittags zwischen 9 und
10 Uhr von Russischer Cavallerie mit groszer Uebermacht
ange
griffen und geworfen ; die Husaren und Ulanen sammelten sich jedoch wieder unter dem Schutze des Bataillons und ihrer mit Kartätschen feuernden Batterien.
Einen zweiten Angriff, durch welchen die Bri
gade zweifellos völlig gesprengt worden wäre, wartete dieselbe nicht ab ; der nämliche Entschluss, der die Infanterie in die Stellung bei
Die Sächsischen Husaren .
167
Paunsdorf einige Stunden später zum Uebergange in die Reihen der Verbündeten veranlasste, und zu dessen Motivirung hier kaum noch etwas Neues gesagt werden könnte, kam hier, durch die Umstände beschleunigt, zuerst zur Ausführung. Von der Nord - Armee mit offenen Armen und lautem Jubel begrüszt , zerrissen die beiden Cavallerie Regimenter, von den Batterien und dem Schützen -Bataillone gefolgt, das unerträgliche Band ,
welches sie bisher an die Franzosen ge
knüpft batte, und vereinigten sich zunächst mit den gegenüberstehen den Russen . Der Blücherischen Armee zugetheilt, marschirten sie mit dieser bis in die Gegend von Eisenach und kehrten von dort zum Sächsischen Corps zurück, welches von Anfang November unter dem Commando des aus Sächsischem in Russische Dienste überge tretenen Generallieutenants von Thielmann das noch von den Fran zosen besetzte Torgau belagerte, hier jedoch am 14. November ab gelöst und zur Neuformirung auf das linke Saal - Ufer bei Merseburg gezogen wurde. Bis Ende December 1813 hatten hier die Sachsen wieder die ungefähre Stärke von 9000 Mann erreicht.
Die Infanterie war in
eilf Bataillone, die Reiterei in drei Regimenter zu drei Escadrons — formirt. ein Cürassier- , ein Ulanen- und ein Husaren - Regiment Das waren die Trümmer der eilf Infanterie- und acht Cavallerie Regimenter, aus welchen die Armee im Frühjahre 1812 zur Zeit des Ausmarsches nach Russland bestanden hatte ! Das schwache Con tingent, welches von dem durch den Krieg völlig erschöpften Lande nur mit äuszerster Anstrengung marschbereit gemacht worden war, erhielt die Bestimmung , den Stamm des dem Oberbefehle des re gierenden Herzogs von Sachsen-Weimar unterstellten III. Deutschen Armeecorps zu bilden, brach am 2. Januar 1814 aus seinen
Can
tonnements in Thüringen auf und marschirte über Westphalen nach den
Niederlanden ,
während Generallieutenant von Thielmann
in
Sachsen zurückblieb, um die Formirung der vom Lande weiter auf zustellenden Landwehren zu leiten. Den 8. Februar traf der Herzog mit seinem Corps in Brüssel ein ; die drei Husaren - Escadrons hatten hier einen Bestand von 27 Offizieren, 380 Mann und 358 Pferden, aber schon am 14. Februar musste eine Escadron Husaren , die dritte, unter dem Major von Fabrice , und eine Escadron Ulanen nach Leuze zu dem Streifcorps des Russischen Obersten von Geismar detachirt werden.
Diesem berühmten Parteigänger blieben die Sächsischen
Escadrons während des ganzen Feldzuges überwiesen, und wir wer den weiter unten auf die interessanten Schicksale derselben zurück kommen.
168
Die Sächsischen Husaren . In Brüssel hatte der Herzog das III. Preuszische Armeecorps
des Generals von Bülow abgelöst, welcher nur die Division Borstel in Flandern zurückliesz, mit seinen übrigen Truppen aber ohne Ver zug in der Richtung auf Laon und Paris abmarschirte . Dem Her zoge fiel nun die schwierige Aufgabe zu, dem Bülow’schen Corps bei dessen weiterem Vormarsche als Reserve zu dienen und gleich zeitig mit seinen unzureichenden Kräften in dem erst kürzlich zurück eroberten Flandern die starken Besatzungen der zahlreichen Festun gen und das auf dieselben sich stützende Corps des Marschalls Maison in Schach zu halten . Ein starkes Detachement unter dem General major von Gablenz war bereits zur Einschlieszung von Antwerpen detachirt worden ; dagegen traf am 25. Februar die Thüringisch unter Anhaltische Division - 3400 Mann mit nur 80 Pferden . dem Prinzen Paul von Württemberg bei Brüssel ein . Der Herzog hatte mittlerweile sein Hauptquartier nach Ath ver legt , zu dessen Deckung ein Sächsisches Garde - Bataillon und die beiden Husaren - Escadrons unter dem Fürsten Otto Victor von Schön burg -Waldenburg dahin gezogen wurden . Letzterem hatte man beim Ausmarsche aus Sachsen das Commando
des Husaren - Regiments
übertragen, obschon er diesem und dem Sächsischen Heere über haupt bisher gänzlich fremd gewesen war. Dagegen hatte der Fürst von
1805 bis 1808 in Oesterreichischen Diensten gestanden ,
dem
Feldzuge 1805 beigewohnt und als Rittmeister beim Regimente Klenau Chevauxlegers den Abschied genommen.
Fehlte es auch dem jungen
Regiments-Commandeure noch an genügender Diensterfahrung , so ersetzte diesen Mangel zum groszen Theil sein patriotischer Eifer und seine glänzende Tapferkeit. Als am 6. März von Tournay aus eine Colonne der Division Borstell unter dem Obersten von Schön zur Recognoscirung
von
Courtray abgesendet wurde, erhielt eine Escadron des Husaren-Regi ments unter dem Rittmeister von Seebach Befebl, sich derselben an zuschlieszen. Dieser kühne Offizier sprengte mit drei Husaren der Avantgarde voraus , mitten in die Stadt Courtray hinein und erhielt auf dem Markte von einer Infanterie- Abtheilung Feuer, ohne einen Mann zu verlieren . Der Zweck der Recognoscirung war somit erreicht ; man wusste nun, dass der Ort nur schwach besetzt war, und General Borstell beschloss , am folgenden Tage Courtray anzugreifen. Die Unter nehmung gelang zwar nicht, da der Feind inzwischen wieder stärkere Kräfte nach Courtray herangezogen hatte, und das Zusammenwirken der von verschiedenen Seiten heranrückenden Colonnen
an
uner
Die Sächsischen Husaren. warteten Verzögerungen
169
scheiterte ; sie gab jedoch einer Colonne
unter dem Fürsten Schönburg , bestehend aus einem Bataillone des 1. Pommer'schen Infanterie- Regiments und einer Escadron Husaren , und einer anderen unter dem Sächsischen Obersten von Ziegler ――― zwei Compagnien des Sächsischen Garde - Regiments und eine Es cadron Cürassiere - Gelegenheit zu einem Gefechte bei Sweweghem, bei welchem dieses Dorf von der Sächsischen und Preuszischen In fanterie zwar mit beträchtlichem Verluste, aber sehr glücklichem Erfolge, angegriffen und genommen wurde. Den 8. März sollte der Angriff auf Courtray durch concentrisches Vorgehen mehrerer Colonnen zur Ausführung gebracht werden, der Feind hatte jedoch die
Stadt in der Nacht geräumt und sich auf
Menin zurückgezogen . Ein Tagesbefehl des Herzogs erwähnte lobend die beim Angriffe auf Sweweghem neubewährte Waffenbrüderschaft der Sachsen und Preuszen, welche sich leider so lange in bruder mörderischem Kampfe gegenüber gestanden hatten, und sprach sich sehr anerkennend über die verdienstlichen Leistungen einzelner Offi ziere und Leute,
besonders auch des Rittmeisters von Seebach aus.
Wenige Tage darauf, am 12. März , traf Generallieutenant von Thielmann mit 6000 Mann Verstärkungstruppen ein und nahm mit zehn Bataillonen und vier Escadrons (darunter die zwei des Husaren Regiments) die bisherige Stellung Borstell's bei Tournay ein. jeher Freund der kühnen Offensive, beschloss er sofort ,
Von
einen mit
einer groszen Fouragirung verbundenen Vorstosz gegen Lille und Orchie ins Werk zu setzen .
Mit der Hauptcolonne ging er selbst
auf dem linken Flügel über Orchie bis Pont-à- Marque vor, ohne auf erheblichen Widerstand zu stoszen.
Auf dem rechten Flügel rückte
Fürst Schönburg mit 1 Bataillone, 3 Geschützen und 12 Escadron Husaren ebenfalls bis an die Marque bei Chéry vor ; in einem Excès de bravour, wie Thielmann sich ausdrückt , verfolgte er jedoch mit seinen Husaren die geworfenen Gardemameluken bis in die Vorstadt von Lille, wo ihm durch das Feuer der Wallgeschütze zwei Mann und sechs Pferde getödtet wurden. Der Feind, in der Festung allar mirt, rückte nun mit groszer Uebermacht aus und warf die Husaren auf ihre Infanterie bei Chéraing zurück. Die mittlere Colonne unter Major von François - ein Bataillon und eine halbe Escadron Hu saren -
konnte, nachdem sie das Dorf Sainghin genommen hatte,
der Aufforderung Schönburg's, ihm durch einen Flankenstoszz u Hülfe zu kommen, nicht genügen, da sie selbst dem Drucke der auch gegen sie von Lille her sich wendenden Uebermacht nachgeben und den Rückzug antreten musste. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
12
Die Sächsischen Husaren .
170
ein.
Den 22. März rückten die drei Colonnen wieder bei Tournay Die beiden Husaren-Schwadronen hatten auszer den schon er
wähnten zwei Todten acht Verwundete, darunter den Rittmeister von Gordon leicht und den Lieutenant von Altrock schwer.
Nach dem Eintreffen der zweiten Colonne, Ergänzungstruppen aus Sachsen, marschirte nun am 29. und 30. März die zuletzt bei Bavay, zwischen Mons und Landrecies, gestandene Division Borstell ab und folgte dem Bülow'schen Corps in der Richtung auf Paris. Die beiden bei Thielmann befindlichen Husaren - Escadrons wurden durch eine neuangekommene ,
die mittlerweile
im Lande formirte
4. Escadron unter Major Stünzner, verstärkt. Marschall Maison war inzwischen wieder von Lille mit groszer Kühnheit bis Gent vorgegangen, wo er einen Tbeil der in Antwerpen eingeschlossenen Besatzung an sich gezogen hatte, mit dem er am 30. März früh 3 Uhr von Gent aus seinen Rückmarsch antrat. General Thielmann war am 28. nach Oudenarde und am 30. März Nachmittags
nach Avelghem gerückt ,
um dem auf Lille
zurück
gehenden Feinde zu folgen und mindestens seinen Nachtrab zu er reichen . Er brach am 31. März von Avelghem gegen Courtray auf. Die Avantgarde unter Generalmajor von Brause,
bei der sich die
drei disponiblen Husaren - Escadrons befanden , bemächtigte sich zu nächst des bereits erwähnten Dorfes Sweweghem , aber bei Courtray stiesz man nicht,
wie Thielmann erwartet hatte, auf eine schwache
Arrièregarde, sondern auf das ganze mobile Maison'sche Corps . Thiel mann wurde in beiden Flanken, besonders aber in der linken, mit groszer Uebermacht angegriffen. Tournay abgedrängt zu werden,
In Gefahr, von der Strasze
nach
ordnete er den Rückzug an , aber
der Prinz Paul von Württemberg, der seine bedenkliche Lage nicht rechtzeitig erkannt hatte, vermochte das Gefecht, in welches er auf dem linken Flügel verwickelt worden war, nicht schnell genug ab zubrechen und erlitt schwere Verluste. Die Husaren deckten mit groszer Aufopferung den Rückzug der Avantgarde, welcher in bester Ordnung erfolgte.
Als bei der ersten
Rückwärtsbewegung die Französische Cavallerie in die Schützen linie einbieb , setzte sich Fürst Schönburg persönlich an die Spitze der Schwadron des Majors von Taubenheim , warf jene zurück und befreite eine Anzahl Gefangener. Inzwischen waren die beiden anderen Schwadronen unter dem Obersten von Leysser zur Unterstützung des auf dem rechten Flügel hart bedrängten Dresdener Landwehr - Bataillons entsendet worden ; ein paar kräftige Attacken derselben machten der Infanterie Luft
Die Sächsischen Husaren.
171
und verschafften dem Bataillone Zeit, den Rückzug nach Sweweghem fortzusetzen . Die beiden Linien - Bataillone der Avantgarde und die Escadron des
Majors Stünzner deckten den
allgemeinen Rückzug auf der
Strasze nach Oudenarde bis Warmaerde, wo die Verfolgung aufhörte. Thielmann war, indem er das mit schweren Opfern verbundene Treffen von Courtray provocirte, nicht mit der sonst von ihm ge wohnten klugen Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse und namentlich nicht mit richtiger Beurtheilung der Leistungsfähigkeit junger, erst kürzlich unter seiner eigenen Leitung formirter Land webren * ) einem kriegsgewohnten Feinde gegenüber verfahren .
Die
Husaren batten, obwohl ihre Thätigkeit im Gefechte eine fast un unterbrochene gewesen war, wenig verloren ; zwei Mann und zwölf Pferde waren todt, neun Mann verwundet, sechs Mann, darunter die braven Rittmeister von Seebach und von Hagke, fielen gefangen dem Feinde in die Hände. Leider war dieses unglückliche Treffen die letzte Waffenthat des Sächsischen Husaren -Regiments, da in Folge der Thronentsagung Napoleons der am 12. April zu Pont- à - Tressin zwischen dem Her zoge von Weimar und dem Marschalle Maison abgeschlossene Waffen stillstand den Kriegsoperationen in Flandern ein Ende machte, der Feldzug des nächsten Jahres aber, aus genugsam bekannten, für das Sächsische Heer sehr traurigen Ursachen die Theilnahme des selben an dem groszen volksthümlichen Kriege gegen den, Europa's Rube und Freiheit aufs Neue bedrohenden Französischen Usurpator auf eine sehr geringe beschränkte . Bevor wir jedoch derselben nähere Erwähnung thun, ertibrigt es , einen Blick auf die Thaten und Schicksale der dritten Schwadron des Husaren-Regiments zurückzuwerfen,
welche wir in dem Augen
blicke verlassen hatten, als sie am 14. Februar zu Leuze unter der Führung des Majors von Fabrice **) zu dem Streifcorps des Obersten von Geismar stiesz . Dieses bestand, auszer den beiden Sächsischen Escadrons (zusammen etwa 260 Pferden ), noch aus dem 540 Pferde
*) Besonders feblte es der Landwehr an tüchtigen, erfahrenen Offizieren . Junge, mit den militairischen Verhältnissen gänzlich unbekannte Männer aus dem Civilstande, denen man Patente ertheilt hatte, vermochten durch guten Willen und patriotische Begeisterung diesen Mangel nicht zu ersetzen . ** ) Fabrice starb 1847 als Generallieutenant, Königlicher Generaladjutant und Oberstallmeister. Er war der Vater des gegenwärtigen Sächsischen Kriegs ministers, Generals der Cavallerie von Fabrice, welcher 1816 zur Occupations zeit Quesnoy sur Deule im Norddepartement geboren ist. 12 *
Die Sächsischen Husaren .
172
starken Kosaken- Regimente vom Don, Szerny- Subow, einem trefflich berittenen , von ächtem Kriegergeiste beseelten Corps . Geismar hatte den Auftrag erbalten, vom rechten Flügel der alliirten Armee aus in der linken Flanke des Feindes zu streifen, sich zwischen Lille, Douay und Arras
bindurch gegen die Normandie zu bewegen ,
die
hier und da sich regenden Volksbewegungen zu Gunsten der Bour bons zu unterstützen und alle Formirungen und Bewaffnungen im entgegengesetzten Sinne zu verhindern . Am 14. Februar wurde der Marsch von Leuze über Oudenarde nach Courtray angetreten und von da mit Umgebung des vom Feinde besetzten Menin über Bailleul im Norddepartement auf Cassel fort gesetzt . Der gewagte Versuch , dieses von einigen hundert Con scribirten besetzte Städtchen , in dem man eine Französische Kasse aufzuheben hoffte,
am
17. Februar durch abgesessene Husaren und
Kosaken zu stürmen, während die Ulanen-Escadron gegen den ver barrikadirten Eingang vorprallte, scheiterte ; der tapfere Führer der Ulanen , Major von Berge, fiel dabei tödtlich getroffen ; zwei Offiziere derselben, sowie von den Husaren der Rittmeister von Nauendorff und sechs Mann waren verwundet. Besser gelang in der Nacht vom 19. zum 20. Februar der Ueberfall von St. Pol ,
wo 100 Mann In
fanterie und 170 Conscribirte gefangen wurden, ehe sie nur an ein Sammeln hatten denken können . Von hier rückte Geismar nach Doulens , dessen hinreichend besetzte und vollkommen widerstands fähige Citadelle gleich auf die erste Aufforderung capitulirte. Mit den zum Entsatze derselben von Arras entsendeten Detachements kam es am 21. und 22. Februar bei Mondicourt zu Gefechten, durch welche deren weiteres Vorrücken aufgehalten wurde. Den 24. Fe bruar Abends liesz Geismar das Corps seinen Vormarsch gegen die Oise fortsetzen, wo er die Fühlung mit Bülow zu gewinnen hoffte. Nur in Chauny versuchten die Bewohner, dem Einmarsche einen kurzen Widerstand entgegenzusetzen , wofür der wohlhabende Ort mit einer Brandschatzung leisten musste.
belegt wurde und
starke
Lieferungen
Vom 1. März ab blieb das Streifcorps bis zum 8. März ziemlich untbätig bei Noyon stehen und ging dann,
in Folge der von der
Hauptarmee eingelaufenen ungünstigen Nachrichten, über Chauny nach Ribemont, eine Meile westlich von St. Quentin , zurück . Als Geismar aber bier am 10. März die Kunde von den am 9. März von Blücher bei Laon erfochtenen Siege erhielt , wendete er sich sofort gegen das von 1200 Nationalgardisten vertheidigte, nach der ältesten Manier befestigte St. Quentin .
Durch die Drohung einer Beschieszung
Die Sächsischen Husaren.
173
und die Kriegslist , dass er einer Anzahl zweiräderiger Landkarren das Ansehen von Geschützen geben liesz , schüchterte Geismar die Besatzung und die damals über 12,000 Einwohner zählende Stadt so ein, dass sie ihm am 11. März gegen freien Abzug der Garnison die Thore öffnete.
Ein Preuszischer
6 - Pfünder,
der dem Streifcorps jetzt vom
General Bülow überlassen und von Kosaken bedient wurde, leistete für den Rest der Campagne um so erwünschtere Dienste, als das Landvolk, dem die Schwäche des Geismar'schen Corps auf die Dauer kein Geheimniss bleiben konnte, täglich übermüthiger und unter nehmender wurde.
Ringsum ertönten die Sturmglocken ,
loderten
die Feuersignale auf, um die Bevölkerung zu den Waffen zu rufen. Es drohte ein wahrer Volkskrieg auszubrechen . Nur die Nachrichten von den Fortschritten der verbündeten Hauptarmee
dämpfte die
Flamme der nationalen Begeisterung. Geismar war nach der Ein nahme von St. Quentin wieder gegen Compiègne vorgerückt ; am 1. April griff er die Stadt gleichzeitig mit einem vom Bülow'schen Corps entsendeten Detachement unter dem Generale von Krafft an ; der heldenmüthige Widerstand aber, den hier die noch während des Kampfes durch eine Abtheilung Polen
verstärkten Französischen
Truppen leisteten, veranlasste die beiden verbündeten Führer, das Gefecht bei eintretender Dunkelheit abzubrechen. Man trug um so mehr Bedenken, ein gröszeres Opfer an Blut und Menschenleben *) zu bringen, als am 31. März ja bereits das siegreiche Einrücken der verbündeten Hauptarmee in Paris erfolgt war. Das Geismar'sche Corps umging daher am 2. April Compiègne und setzte der Oise entlang den Vormarsch gegen Paris fort, überschritt am 6. April die Seine bei Pontoise und schlug noch an selbigem Tage sein Lager im Parke von St. Germain auf. Hier machte die völlige Unterwerfung des Kaiserlichen Frank reichs der weiteren offensiven Thätigkeit des Streifcorps ein Ende . Es trat am 9. April seinen Rückmarsch nach St. Quentin an, wo die beiden Sächsischen Schwadronen in die Cantonnements des III . Deutschen Armeecorps entlassen wurden.
Sie hatten das Glück ge
habt, an einem Parteigängerzuge theilzunehmen, dessen im Verhält nisse zu der Stärke des kleinen Corps fast beispiellos glänzenden Resultaten noch heut die gebührende Bewunderung nicht versagt wird.
Diese Erfolge aber konnten auch nur durch eine Anstrengung
der Kräfte erreicht werden , welche in Berücksichtigung der noch
*) Die Husaren -Escadron zählte zwei Todte und mehrere Verwundete.
Die Sächsischen Husaren.
174
sehr rauhen Jahreszeit doppelt anerkennenswerth erscheint. Fast immer musste bivouakirt werden, und öfters gestattete der hartge frorene Boden nicht einmal das Einschlagen der Campirpfähle,
so
dass die Pferde Nachts von den Reitern gehalten werden mussten. Aber selbst wenn in bewohnten Orten übernachtet wurde, geschah dies der Sicherheit wegen meist auf dem Straszenpflaster, und nur ausnahmsweise war es den Leuten gestattet, sich in den Hausfluren zunächst der offengehaltenen Thüren der Ruhe zu überlassen, während die Pferde fast nie einen Stall zu sehen bekamen.
Die Schnellig
keit der Bewegungen gestattete ferner nicht einmal das Mitführen von Wagen ; die Schwerverwundeten wurden zurückgelassen , Leichtverwundeten mussten im Sattel folgen.
die
Rechnet man hierzu
die fast täglichen Gefechte und den aufreibenden Sicherheitsdienst in dem insurgirten Lande, wo beständig der Feind von jeder Seite her zu erwarten war und der Verrath in allen Ecken lauerte, so steigt noch die Achtung, die man dem Corps und dessen kühnem, genialem Führer schuldet , verstand.
der
alle
diese Schwierigkeiten
zu
überwinden
Man wird dem Verfasser um so bereitwilliger verzeihen, dieser schönen Episode in seiner Darstellung einen vielleicht auszer Ver hältniss groszen Raum gewidmet zu haben, als die weiteren kriegeri schen Schicksale des Husaren-Regiments , wie schon erwähnt , der Berichterstattung nur noch wenig Stoff bieten und daher in gedrängte Kürze zusammengefasst werden können. Nachdem noch mit der dritten Ersatzcolonne aus Sachsen gegen Ende April eine fünfte Escadron zum Husaren-Regimente gestoszen war, brach dasselbe mit dem III. Deutschen Armeecorps aus den Umgebungen von Brüssel auf und bezog vorläufige Cantonnements mit dem Hauptquartiere Aachen. Fürst Schönburg hatte nach dem Waffenstillstande das Regiment verlassen und der Generalmajor von Leysser dessen Commando übernommen ; in fünf Escadrons zählte dasselbe unter den Waffen 40 Offiziere, 582 Mann und 617 Pferde. Von hier marschirte Ende Juni das mobile Sächsische Contingent, von jetzt an unter dem Befehle des Preuszischen Generals von Kleist, in Cantonnements am linken Ufer des Rheines und der Mosel zwi schen Coblenz und Bonn.
Beim Wiederausbruche des Krieges im Frühjahre 1815 musste General von Kleist ein Preuszisches Armee corps übernehmen ; das Commando der Sachsen ging von ihm an den Generalmajor von Ryssel, der kurz zuvor den Sächsischen Dienst mit dem Preuszischen vertauscht hatte, über. Das Sächsische Corps erhielt gegen Ende März 1815 Befehl,
Die Sächsischen Husaren.
175
nach Aachen abzurücken ; den 10. April wurde es in die Gegend von Lüttich vorgezogen.
Aber nicht, wie ihr sehnlichstes Verlangen
war, gegen den, die kaum wiederhergestellte Ruhe Europa's unter seinem unersättlichen Imperator aufs Neue bedrohenden, Erbfeind sollten mit ihren Landsleuten gemeinschaftlich die Sachsen in den Kampf geführt werden ;
während jene im Mai ihren Vormarsch be
gannen, wurden sie vielmehr in Folge beklagenswerther, der Ge schichte des Husaren - Regiments fernliegender Ereignisse auf das rechte Rhein-Ufer zurückgesendet und hier nach vollzogener Theilung einer durch diese bedingten abermaligen Umformirung unterworfen. Das Husaren-Regiment blieb in vier mobilen Schwadronen zu zwei Compagnien erhalten ; zwei Depot - Schwadronen sorgten im Lande für den erforderlichen Ersatz , wurden jedoch den 1. October 1816 wieder aufgelöst.
Zum Chef des Regiments wurde der Prinz (nach
malige König) Johann ernannt , dessen schönes Chevauxlegers-Regi ment im Feldzuge 1812 an der Beresina zu Grunde gegangen und später nicht wieder errichtet worden war. Das Sächsische mobile Corps marschirte aus Westphalen über Frankfurt am Main, wo der vom Könige zum General der Cavallerie ernannte regierende Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Saalfeld das Commando über dasselbe übernahm, nach dem Elsass ; das Husaren Regiment wurde daselbst dem von dem Generalmajor von Leysser befehligten Blockade - Detachement vor Neu- Breisach zugetheilt.
Es
bestand hier zwar schon ein Waffenstillstand , die förmliche Unter werfung der Festung erfolgte jedoch erst am 23. August. Nach dem Abmarsche des gröszeren Theiles des Sächsischen Corps ins Vaterland (21. bis 23. November 1815) stiesz das Husaren Regiment mit dem Bestande von 751 Mann und 682 Pferden zu dem 5000 Mann starken Contingente, welches unter dem Generalmajor von Gablenz bei der Occupationsarmee im Norden Frankreichs zurück blieb und in der zweiten Hälfte Decembers vom Elsass nach dem Norddepartement aufbrach.
Gablenz nahm hier sein Hauptquartier
erst in Le Quesnoy, dann in Jourcoing.
Als gegen 1000 Mann dieses Contingents im Frühjahre 1817 den Rückmarsch nach der Heimath antraten, blieb das Husaren-Regi ment von dieser Maaszregel unberührt, und brach erst mit den letzten Besatzungstruppen Anfang November 1818 aus dem Norddepartement In den letzten Tagen dieses Jahres betrat es nach langer Trennung wieder den theueren Boden der geliebten Sächsischen
auf.
Heimath.
Die Garnisonen, welche dem Regimente hier angewiesen
Die Sächsischen Husaren.
176
wurden, waren : Stab und 3. Escadron Grimma, 1. Escadron Pegau, 2. Escadron Borna, 4. Escadron Geithain und Lausigk. Innerhalb der jetzt nur noch aus drei Regimentern in einer Brigade bestehenden Sächsischen Cavallerie konnte sich die Ein theilung in Cürassiere , Ulanen und Husaren nicht lange erhalten ; schon 1822 wurde dem Bedürfnisse einer Herstellung vollständiger Gleichmäszigkeit der Waffe , Bekleidung etc. Rechnung getragen. Das bisherige Husaren- Regiment, dessen Geschichte als solches hier mit abschlieszt , erhielt bei dieser Umgestaltung die Bezeichnung
27 2. leichtes Reiter-Regiment Prinz Johann “ . Abermals war somit der Name Husar aus dem Sächsischen Heere verschwunden, und mancher Veteran des mit so glänzenden Zügen in die Annalen desselben eingetragenen Husaren - Regiments mochte mit tiefem Kummer und Schmerz sich in dieses durch un vermeidliche
praktische Rücksichten gebotene Verhängniss
gefügt
haben.
Nur einzelnen Wenigen derselben ist wohl die Freude ge worden, die Erneuerung des ihnen theueren Namens zu erleben. Möge nun auf ihren weiteren Wegen der Geist der ehrwürdigen Ahnen die neuen Husaren begleiten, welchen ja in der Zwischenzeit als leichte Reiter vergönnt war, auch diesen Namen mit unvergäng lichem kriegerischen Ruhme zu schmücken. So kurz aber die Geschichte der neuen Sächsischen Husaren noch sein mag, ein freudiges , glückverheiszendes Ereigniss ist gleich auf dem ersten Blatte ihrer Jahrbücher zu verzeichnen, indem bei der letzten Anwesenheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preuszen am 15. Februar 1876 dieser siegreiche Feldherr zum Chef des 2. - also des alten - Husaren-Regiments ernannt worden ist, welches seitdem den erlauchten Namen desselben zu führen hat. In Folge dessen ist auch dem Regimente die hohe Ehre zu Theil geworden, gelegentlich der am 6. September v. J. bei Leipzig stattgefundenen groszen Revue von seinem neuen Chef, welcher in der Uniform des Regiments zu erscheinen geruhte, beim Parademarsche unter dem Jubel einer von lebhafter Theilnahme erregten Zuschauermenge vor Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm und dem Könige von Sachsen persönlich vorbeigeführt zu werden. H. v. S.
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
177
XIII .
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
Ein Lebensbild von
C. Endres , Lieutenant im 3. Bayerischen Feld-Artillerie-Regiment „ Königin Mutter" . Ein Jahr ist im Zeitenlaufe dahingerollt, seitdem die Bayerische Artillerie dem Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser die letzten donnernden Grüsze in die offene Gruft nachgesendet hat . Ein ganzer Mann war mit ihm dahingegangen , ein Soldat ,
dessen ritterliche
Erscheinung , dessen heiterer Frohmuth , dessen eiserner Charakter selbst in dem Greise noch das Bild der Jugendlichkeit zeigte. Reich war sein Leben an Erfahrungen und Ehren, und nicht nur die Dankbarkeit, sondern auch die Voraussetzung, dass ein Lebens bild des Verstorbenen gewiss an mancher Stelle freundliche Aufnahme finden dürfte, hat die nachstehenden Zeilen entstehen lassen. Carl Ritter von Brodesser wurde am 16. Juli 1795 in Mannheim als der Sohn eines Corporals des Bayerischen Regiments Bildebusch geboren.
Vor den Thoren der Stadt wüthete gerade der Kampf
zwischen den Reichstruppen und Franzosen um die Rheinschanze, der am 19. September in der Besetzung Mannheims durch die Re publikaner seinen Abschluss fand. Doch noch in demselben Jahre wurde die Stadt von den Oesterreichern durch Bombardement wieder genommen, und zum zweiten Male zog der wilde Kriegssturm über die Wiege des armen Soldatenkindes.
Brodesser's Vater liesz sich
nach dem Frieden von Campo - Formio zur reitendên Artillerie ver setzen, und mit diesem Schritte war das Geschick des Söhnchens in die Bahnen geleitet , die für ihn und sein Vaterland voll Ehre und Ruhm sein sollten. Während der unglücklichen Kämpfe des Jahres 1801 wurde der Tross der Artillerie die Heimath des Kindes , der Exercirplatz der reitenden Batterien
in Fürstenried dann
in den folgenden fried
lichen Jahren sein Spiel- und Tummelplatz.
Neun Jahre alt wurde
Brodesser als Tambour bei dem Artillerie - Regimente Hallberg ein gestellt.
Es war eine harte Zeit für den strebsamen, ehrliebenden
178
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser .
Knaben. Kind ,
Mancher
schwere Schlag des
Corporalstockes
traf das
wenn es mit frühreifem Ernste Minuten der langweiligen
Trommelubung ersparen wollte, um nothdürftig schreiben zu lernen ; manche grausame Strafe wollte das jugendliche Gemüth fast drücken, wenn
es in kindlichem Frohmuthe an den Spielen
er der
Altersgenossen Theil nahm . Es ist rührend in den Papieren des greisen Feldzeugmeisters zu lesen, wie der Knabe in solchen Stun den zur Mutter floh, die eine brave, tüchtige Frau - es meister lich verstand, mit heiterer Scherzrede die Thränen des armen Jungen wegzuküssen und des rauheren Vaters Hand zu hemmen. Der kurze Herbst - Feldzug des Jahres 1805 gegen Oesterreich wurde die erste Feuerprobe für Brodesser.
Kleinere Gefechte wech
selten mit langen Märschen und bitterkalten Bivouaks . Tambour,
Der kleine
den schweren Helm auf dem Kopfe, die ungefüge Holz
trommel am Bandelier, schlug wacker sein Feuersignal im Gefechte, blieb nicht zurück auf weiten Märschen und war der heiterste Soldat in den Schneelagern des Decembers. Der Friede von Pressburg führte die Batterie Kaspers , bei der Brodesser und sein Vater standen , in Winterquartiere nach Schwaz. Der strenge Mann benutzte die Stunden , die er vom Dienste er übrigte, um seinen Sohn in die Elemente des Schreibens und Lesens einzuführen. Bald unterbrach jedoch der Abmarsch nach München diese Lehrstunden. Die Trommel - Uebungen wurden hier in ge wohnter Weise aufgenommen und nicht mehr von den Lehrstunden des Vaters unterbrochen, der als Oberfeuerwerker zu einer anderen Batterie versetzt wurde und den Feldzug 1806 gegen Preuszen mit machte. Die folgenden Friedensjahre sahen den Knaben zu einem kräfti gen und schlanken Jungen heranwachsen, der es trefflich verstand , im eiligen Laufe dem Batteriechef zu folgen und ihm die Signale abzunehmen.
Der Krieg von 1809 gegen Oesterreich führte Brod esser wieder ins Feld , und die Gefechte bei Biburg und Landshut
gaben dem jungen Soldaten Gelegenheit , seine Unerschrockenheit und Klugheit in helles Licht zu stellen. Im letzteren Gefechte musste die Batterie eiligst vorgehen , so dass der Tambour den Sitz auf der Protze nicht mehr erreichen konnte. Da schwang sich der tapfere Junge auf ein herrenloses Dragonerpferd und eilte den Cameraden nach , die ihn mit Jubel empfingen. ――――― Bei Neumarkt wurden die verfolgenden Bayern und Franzosen von dem Oester reichischen General Hiller in einem blutigen Gefechte zurückgewiesen, und verlor die Batterie, bei der er stand, mehrere Munitionswagen.
179
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
Inzwischen waren in Tyrol die Flammen der Erhebung gegen das fremde
Joch
allenthalben
aufgelodert.
Lefebvre
eilte
mit
zwei
Bayerischen Divisionen in das Gebirgsland und es begann der wilde gräuelvolle Krieg , der von beiden Seiten mit gröszter Erbitterung geführt wurde.
Die blutigen Bilder von Lofer und Strub, die Flam
men von Wörgel und Schwaz mussten das junge Gemüth Brodesser's gewaltig ergreifen, und es waltet ein ernster, trauriger Ton in den Erzählungen des Verstorbenen, wenn er des Jahres 1809 gedenkt. Mancher Camerad wurde von der Protze geschossen, mancher wurde niedergeschmettert von den Steinblöcken, die auf den Berghängen aufgethürmt und von den Weibern der Tyroler in das Thal ge schleudert wurden. Niemand durfte sich von der Colonne entfernen, wollte er nicht dem sicher treffenden Geschosse der Gebirgsschützen zum Opfer fallen, selbst Trossjungen und Weiber wurden schonungs los gemordet, denn das weithin leuchtende Flammenmeer von Schwaz hatte den wilden Hass im ganzen Lande entfacht. Mit der Ein nahme von Innsbruck schien die Kraft der Landesvertheidigung ge brochen, und Wrede eilte mit einer Division an die Donau, wo die Bayerische Artillerie- Abtheilung Zoller, bei der Brodesser stand, in der Schlacht von Wagram ein mächtiges Gewicht in die Waagschale des Sieges warf.
Auf dem Schlachtfelde geschah es zum ersten
Male, dass Brodesser Napoleon persönlich sah. Der Eindruck war ein überwältigender; wer konnte sich zu jener Zeit rühmen, dem bestrickenden Zauber, den Napoleon als Soldat ausübte, nicht ver fallen zu sein, wer kann es tadeln, dass ein harmloses Knaben gemüth nicht von dem tiefen Schmerze berührt wurde, der uns durch zuckt , wenn wir jener Kriegsepochen gedenken ? Brodesser focht noch an den zwei blutigen Tagen von Znaim mit seiner Batterie, welche dann in Wels in eine leichte verwandelt wurde. Die Tam boure wurden dadurch überzählig und Brodesser kam zur Batterie Dorn, welche an den weiteren Kämpfen in Tyrol keinen Theil nahm, im Winter 1809 aber die Occupations-Armee in diesem Lande ver Hier stärkte und in Innsbruck , Steinach und Brixen cantonirte . wurde der lang versäumte Unterricht wieder aufgenommen und mit Eifer fortgeführt, nebenbei benutzte Brodesser eine sich ihm günstig bietende Gelegenheit, um sich im Reiten gründlich auszubilden. Am Ende des Jahres 1810 tauschte er zur Batterie Berchem nach Augsburg , und es war hier die erste Sorge seines wackeren Vaters , ihm in der Volksschule von St. Anna eine systematische Schulbildung geben zu lassen. Mit bemerkenswerthem Eifer erfasste er die gebotene Gelegenheit, und wurde von Hauptmann Graf Berchem,
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser,
180 der den
gesunden Verstand
in
dem Tamboure erkannte , bestens
unterstützt, indem er ihm persönlich Zeichenunterricht ertheilte. Der Frühling des Jahres 1811 machte diesem glücklichen Be ginne einer geistigen Schulung ein Ende ..
Brodesser wurde
Cor
poral in der Batterie Ulmer, und der schwere Dienst liesz ibm keine Zeit, das mühsam errungene Wissen zu vervollständigen . Das Jahr 1812 brach an und mit ihm begann sich Napoleons Zug gegen Russland
vorzubereiten .
Bayern mobilisirte zwei
Di
visionen unter Deroy und Wrede und formirte das 6. Armeecorps unter Gouvion St. Syr. Die Batterie Ulmer, der Division Wrede zugetheilt, brach am 5. Februar von Augsburg auf und rückte tiber Nürnberg , Schleiz und Bautzen nach Grosz - Glochau und von hier nach Posen ; am 4. Mai kam sie nach dem Marsche über Klodawa nach Bresez und wohnte am 20. Mai der groszen Revue vor dem Vicekönige von Italien bei. Das Aussehen der Truppen war ein vorzügliches, obwohl schon in den letzten Tagen des Mai bedenk liche Stockungen in der Verpflegung eintraten.
Besonders waren es
die Bespannungen der Batterien, die, grösztentheils aus Remonten bestehend , den geforderten Anstrengungen nicht lange gewachsen blieben . Die Ergänzung des Pferdematerials wurde dem jungen Corporale anvertraut , der seine Pflicht mit der ihm immer eigenen Energie rastlos versah.
Sein praktischer Blick ,
seine körperliche
Gewandtheit , seine geistige Frische hatten ihn bald zum Liebling seiner Offiziere gemacht . Von Plozk wälzte sich der gewaltige Heereszug langsam über den Niemen
der Düna zu , durch verwüstete,
unwirthliche Land
schaften, die für Mann und Ross nur Mühsal und Entbehrung boten . Man erreichte Wilna am 12. Juli und hier erschien Napoleon in der Noch einmal riss seine Persönlichkeit und sein Mitte der Bayern. Wort die Armee zur frohen Siegesgewissheit hin ; alle Entbehrungen waren vergessen.
Alles blickte erwartungsvoll in die Zukunft.
Mit
frohem Jubel rückten die Bayern noch an demselben Tage den Ufern der Düna entgegen und erreichten sie nach beschwerlichen Märschen bei Beszenkowize. rationen
Apfangs August begannen die
Ope
des 2. und 6. Corps an der Düna und Drissa gegen den
Versuch Wittgensteins, hier das Centrum der groszen Armee zu durchbrechen ; diese Operationen fübrten zu den Gefechten vom 16. bis 18. August , die gewöhnlich unter dem Namen der Schlacht bei Polotzk zusammengefasst werden. Es war Brodesser nicht vergönnt, an diesen Gefechten theilzunehmen, denn die Batterie Ulmer hatte auf den letzten Märschen so viel Pferde verloren, dass sie zur Re
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser. serve
verwiesen werden musste.
groszem
Einflusse
auf Brodesser's
Diese
Episode
spätere
181
aber blieb
von
um
die
Bemübungen
Bei Polotzk , so erzählte er oft, hatte er er nicht ein Zwittergeschöpf bleiben könne , Artillerie die dass kannt, Fubrwesens- Offiziere ohne artilleristische sich in dessen Organismus
Bayerische Artillerie.
Bildung und Artillerie -Offiziere
obne Interesse für das Pferd und
dessen Bedürfnisse gegenüber standen . Aus jener Zeit datirt sein Streben , der Artillerie den Reitergeist einzubauchen , ohne den sie keine taktisch brauchbare Waffe ist. Nach den Gefechten bei Polotzk blieb das 6. Armeecorps an
der Düna stehen und zwar auf der Linie Gamzelowa Gromeva, und bezog am 31. August ein Barackenlager zwischen Düna und Palola. Unsagbares Elend häufte sich von nun an auf die Batterie Ulmer. Aus den sumpfigen Uferstrecken der Düna zogen mephitische, fieber bringende Dünste über das Lager. Die schwer erkrankten Kanoniere und Fuhrwesens - Soldaten lagen mit den Gesunden zusammen in den dumpfen Baracken , denn es galt als sicherer Tod , in die überfüllten und vergifteten Spitäler von Polotzk gebracht zu werden .
Zweimal
kämpfte Brodesser's kräftige Natur siegreich mit der schleichenden Krankheit ; er überwand sie, und mit rastloser Thätigkeit seben wir ibn in dieser Periode weite Streifzüge machen, um Brod und Futter zu erbeuten ; wir sehen ihn in seiner Hütte in heiteren Scherze die wenigen Cameraden um sich sammeln , deren Glück und eiserne Ge sundbeit dem Elende bis jetzt die Spitze geboten hatte ; wir sehen , wie sein Humor den finsteren Geist verscheuchte, der damals schon als Abnung des fürchterlichen Elendes auf so Vielen lag .
In diesen
Stunden ward der Jüngling zu dem eisenfesten Mande, als den ihn unsere Generation kennen und achten gelernt hat. Diese Stunden des Elendes waren eine praktische Schulung des militairischen Geistes , gewäbren kann .
wie sie in solchem Umfange keine Theorie
Endlich schien Erlösung aus dem Schmutze und dem Elende von Polotzk zu erscheinen.
Die Batterie Ulmer wurde in das Depot
nach Michaelitzky zurückgesendet, um sich hier zu retabliren.
Dieses
Städtchen war mit Depots und Spitälern angefüllt, Tausende von Nachzüglern irrten ohne Offiziere umher, plündernd und sich jeder Ordnung widersetzend . Der Umsicht des Hauptmanns Ulmer gelang es, seine Leute vor den verderblichen Einflüssen dieser Traineurs zu bewahren und mit Hülfe seiner wackeren Offiziere und Unter offiziere die Batterie so zu vervollständigen,
dass sie in den ersten
Tagen des Novembers nothdürftig ergänzt bei Wrede's Armeecorps
182
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
eintraf und zwar unter Commando des Hauptmanns Dieterich , da Ulmer den Park in Michaelitzky übernommen hatte. Leider zeigten sich die schwachen Russischen Pferde den schweren Lasten nicht gewachsen, und schon am 30. November finden wir die Batterie Dieterich wieder im Depot von Michaelitzky. Tettenborn's Kosaken umschwärmten bereits die Stadt, alle Ord nung war gewichen, Ulmer schwer erkrankt nach Bayern zurück gekehrt. Es kamen Befehle Wrede's, bei drohender Gefahr das be wegliche Material nach Wilna zurückzuführen. Die Batterie Dieterich rückte mit den Geschützen ab, und Brodesser bekam den Befehl, mit sechs Kanonen zurückzubleiben und bei Annäherung des Feindes die Munitionswagen in die Luft zu sprengen. Kosaken - Pulks, die sich näherten, veranlassten Brodesser den Befehl auszuführen und seiner Batterie nachzueilen, die er in Wilna wieder fand. Doch in welchem Zustande ! Die wilde Hast, mit der die Trümmer der groszen Armee durch die Thore Wilna's stürzten, die auszerordentliche Kälte der letzten Tage hatten den Zusammen halt und die Disciplin der Truppe zerstört. Ein Offizier, drei Unter offiziere, acht Kanoniere und sieben Fuhrwesens- Soldaten ohne Pferde waren der wackere Rest der schönen Batterie, der sich am 10. De cember um die auf dem Marktplatze stehenden Geschütze schaarte. An den Thoren der Stadt und in den Straszen tobte schon der Ver zweiflungskampf, den die Ueberbleibsel der Bayern mit den verfolgenden Russen führten. Die Geschütze wurden vernagelt und Alle schlossen sich dem unabsehbaren Zuge der Flüchtigen an. Bald war das kleine Häufchen von dem wilden Strome, der sich auf der groszen Heerstrasze dahin wälzte, auseinandergerissen . Brodesser fand sich mit einem Kanoniere der Batterie Gravenreuth zusammen, der ihm die erschütternde Kunde brachte, dass sein Vater der Kälte der ver flossenen Nacht zum Opfer gefallen sei. Der Schmerz über den herben Verlust musste aber bald
zurücktreten unter dem grauen
vollen Kampfe, den jeder Einzelne am Fusze des Panari- Berges, dieses Leichensteines der groszen Armee, mit den zurückfluthenden Massen des aufgelösten Heeres zu bestehen hatte. Der furchtbare Rück zug gegen den Niemen war angetreten. Deutlich zeigten seine Spuren die Leichen, die an der groszen Heerstrasze unbeachtet, unbegraben sich häuften, die brennenden Dörfer, bei denen sich halbverhungerte Soldatenschaaren lagerten, um dem tödtenden Froste des nordischen Winters einige elende Stunden abzugewinnen. Wilde Leidenschaften der entfesselten Menschennatur häuften noch Mord und Raub auf
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
183
alles Elend, das durch das Schwert des rastlosen Feindes und den eisigen Hauch des Winters erzeugt war. Wunderbar mag es uns erscheinen, wie einzelne Naturen so viel Gesundheit und Energie des Willens besaszen, sich aufrecht zu er halten ohne warme Nahrung , obne erquickende Rube.. Brodesser, dessen Erlebnisse in dieser Zeit nichts Eigenartiges bieten, denn er war
eben ein Tropfen in dem fluthenden Strome, gelangte Mitte
Februar 1813 nach Bayern zurück ; mit vier Infanteristen und zwei Chevauxlegers kam er nach Augsburg, wo ihn die Folgen der über menschlichen Strapazen auf das Krankenlager warfen .
Doch auch
jetzt siegte die jugendliche Kraft, und dem Genesenden wurde die Freude zu Theil, am 24. März zum Junker in der Artillerie ernannt zu werden. Er ging nun eifrig an die Arbeit, sein vielfaches prakti sches Wissen durch theoretische Kenntnisse zu klären und zu ver mehren . der
Das Resultat dieses Studiums war das glückliche Bestehen
für die Artillerie vorgeschriebenen Offiziersprüfung.
auch die Anforderungen nicht allzu
hoch
Mochten
gestellt sein, so ist es
immerhin als die That eines ganz ungewöhnlich energischen Cha rakters zu bezeichnen, wenn Brodesser in diesen Vorbereitungstagen, die ihm die Lücken seines Jugendunterrichtes in schmerzlicher Weise zum Bewusstsein bringen mussten, den Muth nicht verlor.
Ist es
doch gerade den Naturen , die im Kampfe des Lebens gestählt und vollendet wurden, das niederdrückendste Gefühl, unfähig zu sein, dem Inhalte des Geistes die correcte Form geben zu können , nur das System der Schule erzeugt. Brodesser überwand Schwierigkeiten und
die die
zog es vor in der geliebten Artillerie fortzu
dienen, als zu einer anderen Waffe überzutreten. mich nie gereut “ , sind die Worte,
„ Bei Gott, es bat
mit denen er in seinen hinter
lassenen Papieren die Motivirung seines Entschlusses in feierlicher Weise beendet. Am
10. August 1813 wurde Brodesser Lieutenant und bekam
Befehl in Salzburg, dessen Belagerung man erwartete, einzurücken. Er traf dort gerade ein, als der Vertrag von Ried den kleinen Plänkeleien zwischen Bayern und Oesterreichern ein Ende machte . Bayern trat auf Seite der Alliirten über, und die im Lande auflodernde Be geisterung und das freiwillige Herzuströmen zu den Jäger - Bataillonen zeigte,
wie tief im Volke die Schmach gefühlt worden war, dem Manne Heeresfolge leisten zu müssen, dessen Streben Deutschlands Erniedrigung war. Ein Theil der Bayerischen Artillerie wurde zur Belagerung von Hüningen verwendet, und Lieutenant Brodesser, auf die Etappe Lindau stationirt, übernahm den Munitionstransport aus
184
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
den dortigen Magazinen vor die belagerte Festung .
Noch in späteren
Jahren blickte er auf diese Zeit seines Lebens mit Unmuth zurück, und bedauerte, dass es ihm nicht vergönnt war, im persönlichen Kampfe mit dem bitter gehassten Feinde die kriegserprobte Tüchtig keit zu verwerthen . Auch der Feldzug des Jahres 1815 brachte für Brodesser keinen Tag des Gefechtes , denn ehe noch die Oester reichisch - Bayerische Armee
am Rheine mit gröszeren feindlichen
Abtheilungen in Berührung kam, hatte sich Napoleon's Hauptarmee vor Wellington's Heer gestaut und war nach fruchtlosem blutigen Ringen vor Blücher's Schaaren in wilder Hast bis Paris geflohen. Der Friede war erkämpft und Ende des Jahres 1815 kehrte Brod esser nach München zurück . Von 1816 bis 1820 war Brodesser commandirt im Vereine mit anderen Offizieren das gesammte Artilleriematerial im Zeughause zu München zeichnerisch aufzunehmen .
1820 rückte er bei dem Artillerie-Bataillone in Augsburg zum Dienste ein, 1823 wurde er zum Oberlieutenant befördert.
1824
wurden die vier Artillerie- Bataillone in zwei Regimenter formirt und das Armee-Fuhrwesen den Regimentern zugetheilt. bei dem 2. Regimente.
Brodesser stand
1827 ging er mit demselben nach Würzburg ;
1833 wurde er Hauptmann . Inzwischen musste sich sein Gesichts kreis , der im Anfange seiner militairischen Laufbahn durch Ungunst der Erziehung verdunkelt war, gewaltig erweitern .
Sein frischer, rastlos thätiger Geist versank nicht in die blosze passive Receptivi
tät, diese Gefahr des längeren Friedens , sondern jede militairische Einrichtung wurde von ihm an den reichen Kriegserfahrungen ge prüft und so der Grundsatz in seinem Innern gefestigt , dass jede militairische Handlung im Frieden nur den einen Zweck haben könne, die Schlagfertigkeit des Heeres zu fördern.
So einfach dieser Grund
satz jetzt erscheinen mag , so zweifelhaft erscheint es, ob Viele in jener Zeit sich desselben voll bewusst waren. Endlich im Jahre 1838 gelang es Brodesser, im Lager bei Augs burg die Aufmerksamkeit des damaligen Kronprinzen Ludwig auf seine auszerordentliche Begabung zum Feldartilleristen zu lenken. Man ging nämlich gerade mit dem Plane um, reitende Batterien zu er richten, und Brodesser wurde bestimmt, eine improvisirte reitende Batterie vorzustellen . Seine ungewöhnliche Gewandtheit im Sattel, sein rascher Blick, seine exacte Auffassung der gegebenen taktischen Aufgaben und die bisher nicht gesehene Keckheit des Manövrirens in allen Gangarten musste einerseits die Schattenseiten des bis herigen Systemes bloszlegen und andererseits klar zeigen, dass nur
185
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
durch Cultivirung eines kecken Fahrens und Reitens neben der ar tilleristischen Fachausbildung ein sachgemäszes Eingreifen der Bat terien in den Organismus der Schlacht ermöglicht werden könne. Leider wurde die Lehre, die Brodesser hier auf dem Manövrirfelde von Augsburg so glücklich demonstrirte, rasch vergessen.
Es war
ja jene für Deutschland unselige Zeit , wo man die Fata Morgana des ewigen Friedens am Horizonte der Geschichte Europa's auftauchen zu sehen glaubte, und wo die aus England herüberwirkenden Lehren von der ökonomischen Inproductivität einer Armee mit ihren scho lastischen Beweisen die Geister der leitenden Staatsmänner um dunkelten.
Es bedurfte in jener Zeit der ganzen geistigen Frische
und des unbeugsamen militairischen Pflichtgefühles eines Mannes, um allen Vernachlässigungen, denen die Armee ausgesetzt war, die eigene Arbeit als Correctiv entgegenzusetzen, mochte auch der mo mentane Erfolg nicht immer dem eifrigen Streben entsprechen. ist das gröszte ,
unbestreitbare
Verdienst Brodesser's ,
Es
in dieser
Epoche der Stagnation in der Armee die Ueberzeugungen als Re sultat des Erlebten treu bewahrt zu haben, und es ist ein wahrhaft erfreulicher Anblick für jeden Soldaten, den Mann, dem die Ungunst des Schicksals die wissenschaftlich militairische Ausbildung versagt hatte, den richtigen Weg der Besserung mit klarem Blicke erfassen und mit eisernem Willen verfolgen zu sehen . In dem damals lebhaft geführten Streite, ob Wirkung oder Beweglichkeit die für Beurtheilung eines Artilleriesystemes be deutsameren Factoren seien, war Brodesser mit ganzem Eifer für die Bevorzugung der Manövrirfähigkeit , und stand
somit dem gerade
1836 eingeführten Zoller'schen Systeme in vielen Punkten feindlich gegenüber.
Wenn wir das absprechende Urtheil des Majors Müller,
der sich in seiner Entwickelungsgeschichte der Feld - Artillerie als einer der scharfsichtigsten Artilleristen der Neuzeit bewährt hat, über Zoller's System hier erwähnen , so soll damit nur gezeigt werden, dass die erwähnte Stellung Brodesser's, selbst im Lichte der modernsten Wissenschaft betrachtet, eine berechtigte war. Im Jahre 1845 wurde Brodesser Major beim 1. Artillerie- Regi ment in München, bald darauf wieder zum 2. Regiment versetzt ; er blieb aber dem 1. Regimente zur Dienstleistung zugetheilt. In das folgende Jahr fällt seine Verehelichung mit Caroline von Vollmar auf Veltheim und hiermit der Beginn des glücklichsten und segenvollsten Familienlebens. Im Anfange des Jahres 1848 erfüllte sich endlich der sehnlichste Wunsch Brodesser's , indem aus Mannschaften der Cavallerie- und 13 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
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Artillerie-Regimenter ein reitendes Artillerie-Regiment von vier Bat terien errichtet wurde , in welches man ihn als Oberstlieutenant ver setzte. Die Formirung des Regimentes bereitete unsägliche Schwierig. keiten, besonders in disciplinarischer Beziebung. Die abgegebenen Mannschaften waren nicht eben die besten Soldaten , und die künst lich erzeugte politische Erregtheit Süddeutschlands, deren misslichen Einfluss auf den Soldatenstand man vielfach befürchtete, das
straffste Annehmen
bedingte
der Zügel des militairischen Gehorsames.
Dazu war Brodesser, dem bis zur endgültigen Formirung des Regi mentes die Ausbildung der dazu bestimmten Mannschaft anvertraut war , der richtige Mann . Jeder Gedanke galt ja bei ihm dem Wohle seines erhabenen Herrscherhauses und dem Besten der Armee, die gerade in stürmischen Zeiten der Pfeiler der Autorität, das Binde glied im Staatsorganismus ist , deren blosze Existenz als gewaltige Drobung gegen die destructiven Tendenzen einer theils verbrecheri schen, theils unpraktisch idealen Umsturzpartei erscheint. Alle Schwierigkeiten waren bis zum Mai überwunden worden, und am 6. dieses Monats erschien als Resultat der Vorarbeiten die Formation des 3. reitenden Artillerie- Regiments, dem gleichzeitig in der Person des Obersten Freiherrn von Brandt ein geistreicher und energischer Commandeur ernannt wurde . Im September des nächsten Jabres übernahm
die Königin Marie die Oberst - Inhaberstelle des
Regimentes, und das anmuthige Wesen der geliebten Fürstin erzeugte eine ritterliche Begeisterung in den Reihen der Offiziere und Sol daten, eine Begeisterung , welcher der greise Feldzeugmeister noch in den letzten Jabren seines Lebens vielfach Ausdruck verlieh . Am 11. October 1850 übernalım Brodesser als Oberstlieutenant das Regimentscommando und wurde am 13. November zum Oberst ernannt. Er behielt diese Stellung bis 1856. Auf diese Zeit blickt das 3. Artillerie - Regiment noch heute mit treuer Dankbarkeit zurück. Brodesser verstand es vortrefflich , das ihm selbst innewohnende Pflichtgefühl auf Alle zu übertragen, die unter ihm standen, nicht minder aber mit straffer Hand dem Gebote der Disciplin die Achtung zu verschaffen, wo es vergessen zu werden drohte. Mit seinem scharfen Blicke für die Bedürfnisse des Soldaten erkannte er die Nothwendigkeit , ihnen allen den Gedanken der Zusammengehörig keit einzuflöszen und unter ihnen einen Regimentsstolz zu erzeugen , der von manchem Unkundigen als schädlich bezeichnet wird , da er unberechtigten Particulargeist erzeuge . Wer aber mit sorg
einen
samerem Blicke die Blätter der Kriegsgeschichte durchforscht, wird gerade in
diesem
Stolze die Mitursache
erhabener
kriegerischer
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
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Thaten erkennen. Und wir wagen sogar zu behaupten, der Stolz hatte seine Berechtigung ; denn musste es nicht die Brust jedes Soldaten mit jenem unbeschreiblichen militairischen Hochgefühle schwellen, mit kecker Lust im rasselnden Galopp die Schwierigkeiten des Terrains zu überwinden, enthoben der ängstlichen Bedächtigkeit ver flossener Jabre ? steigern,
Musste es nicht das Vertrauen in die eigene Waffe
nicht an die gebahnte Strasze gefesselt zu sein , sondern
mit Windeseile jeden Punkt erreichen zu können, von dem aus Tod und Entsetzen in die Reihen des Feindes zu tragen waren ?
Man werfe dem Oberst dieses Regimentes nicht unberechtigte Vorliebe für eine Waffe vor, deren Existenzberechtigung so oft negirt wird ; seinem Feuergeiste erschien ihre Schaffung als ein Aufleben des gesunden artilleristischen Geistes, der über fruchtbaren theoreti schen Forschungen und emsigem Streben nach technischer Ausbildung nie vergisst, dass der kecke Reitermuth, die stürmische rücksichts lose Bravour in der Verachtung jedes Hindernisses der schönste Schmuck des Feld -Artilleristen ist. Am 6. August 1856 wurde Brodesser zum Generalmajor und Brigadier der Artillerie ernannt, mit welcher Function auch die Vor standschaft der Artillerie -Berathungscommission verbunden war. Im Jabre 1859 war er zum Artilleriedirector in dem Hauptquartiere der mobilen Armee bestimmt , 1863 übernahm er das Artillerie - Corps commando, das er schon seit zwei Jahren interimistisch
versehen
hatte. Es wurde nun sein Streben, die Grundsätze, die er bei seinem Regimente durchgeführt hatte, der ganzen Bayerischen Artillerie ein zupflanzen.
Es
und es ward
gelang
ihm
ibm dies
auch in hervorragender Weise,
die Genugthuung ,
dass in dem Feldzuge des
Jahres 1866 die Bayerische Artillerie in jeder Beziehung sich der Situation als gewachsen erwies und selbst von Autoritäten des Gegners als eine Elite -Truppe unter den Süddeutschen Heereskörpern be zeichnet wurde. Brodesser selbst wohnte als Artilleriedirector im Hauptquartiere den Gefechten bei Kaltensundheim , Kissingen, Ross brunn und Würzburg bei . Nach geschlossenem Frieden wurde die Arbeit mit aller Kraft wieder aufgenommen.
Die gänzliche Umgestaltung des Geschütz
systemes, verbunden mit der Neuorganisation der gesammten Armee, nahmen die volle Thätigkeit Brodesser's in Anspruch. Es ist gerade ftir diese Epoche bemerkenswerth , mit welchem rastlosen Eifer er die vielfachen Neuerungen, welche die völlige Accommodirung unserer Heereseinrichtung an das Preuszische Vorbild bedingten , durchsetzte , und mit welchem wahrhaft praktischen Gefühle er die Nothwendig 13 *
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
188
keit einer gleichartig organisirten und geschulten Deutschen Armee anerkannte. die wenigen
Dabei blieb er doch im Herzen ein treuer Bayer, bereit, Jabre
seines
ferneren Lebens
treu
Dienste des erhabenen Königshauses zu widmen, Leben lang gekämpft und gearbeitet hatte.
aufopfernd
dem
für das er sein
Vortrefflich ward er in
seiner bedeutsamen Stellung von den wissenschaftlich hochgebildeten Männern unterstützt , die er sich mit ganz besonderer Sorgfalt und auffallendem Geschicke
ausgewählt hatte .
hervorragenden Offizieren,
Nicht minder von den
die, an der Spitze der Regimenter und
Commissionen stehend, die Gedanken des Generals richtig zu schätzen und zur praktischen Bedeutung zu verarbeiten wussten .
Wir handeln
im Sinne des Verstorbenen, wenn wir gerade an dieser Stelle hierauf aufmerksam machen : denn er selbst hat in seinen hinterlassenen Papieren mit groszartiger Selbstlosigkeit und rührender Dankbarkeit Derer gedacht ,
die
mit
dem
exacten theoretischen Wissen
seine
praktische Begabung und sein militairisches Können unterstützten . Leider war es Brodesser nicht vergönnt, den Ehrentagen seiner Artillerie in den Jahren 1870 und 1871 persönlich anzuwohnen .
Der
Tag des Ausmarsches war der schwerste Tag in seinem Leben, und wer könnte
es
dem
greisen Soldaten
verargen ,
dass ibn bittere
Thränen übermannten, als er Abschied von seinen wackeren Batterien nahm ?
Ist es doch ein herbes Loos , dem Schnitterfeste nicht bei
wohnen zu können , wenn man das Land mit ganzer Kraft bestellte. Seine Thätigkeit war während des Feldzuges der Absendung der Ergänzungen gewidmet ,
deren die Artillerie bedurfte.
Einige
Zablen dürften den Umfang dieser Thätigkeit am besten illustriren . Die Bayerische Artillerie entwickelte mit allen Nachschüben einen Bedarf von 27,000 Mann und 19,000 Pferden ; ferner wurden während der Dauer des
Krieges 76,000 Artilleriegeschosse und 82,000 Pa
tronen neu gefertigt und der Armee nachgesendet. Am 16. Juli 1871 rückten die siegreichen Truppen in München wieder ein .
Es war der 77. Geburtstag Brodesser's.
Sein König vergasz an diesem Tage unter allem Festjubel des treuen Dieners nicht, dessen Herz heute wohl wieder von Lust und Schmerz erfüllt war. Ein Handbillet Seiner Majestät wurde ihm überbracht mit folgendem Inhalte : „ Empfangen Sie, mein lieber General Ritter von Brodesser, zu Ihrer heutigen 77jährigen Geburtstagsfeier Meinen freundlichen Grusz und Meinen Glückwunsch . Ich freue mich über das schöne Zu sammentreffen dieses Tages
mit
dem
erhabenen Feste ,
welches
Meinen Tapferen bereitet wird und welches auch Ihnen gilt , der
Feldzeugmeister Carl Ritter von Brodesser.
189
Sie sich seit Decennien durch Ihr militairisches Wirken ausgezeichnet. Möge die Vorsehung Sie noch viele frohe Tage erleben lassen und Mir noch lange die Genugthuung verleihen, in Ihnen, Mein lieber General, eine der glänzendsten Zierden des Bayerischen Krieger standes ehren und schätzen zu können. Mit wohlwollender Ge sinnung Ihr gnädiger König Ludwig. “ Noch einmal im Jahre 1872 inspicirte Brodesser seine Artillerie. Niemand, der ihn damals sah, ahnte, dass schon schwere Krankheit an seinem Leben nage.
Im Anfange des Jahres 1873 mehrten sich
schlagartige Zufälle, so dass Brodesser um seine Pensionirung nach suchte, die ihm unter den gnädigsten Ausdrücken und seiner gleich zeitigen Charakterisirung zum Feldzeugmeister bewilligt wurde.
Er
hatte sein mühsames Tagewerk vollbracht ; das Militairdenkzeichen für 1814 bis 1815, das Veteranendenkzeichen, der Ludwigsorden, das Ritterkreuz I. Klasse vom heiligen Michael , der Verdienstorden der Bayerischen Krone, die Armeedenkzeichen von 1866 und 1870 und das Groszcomthurkreuz des Militair - Verdienstordens schmückten seine Brust , das Prädicat Excellenz , der persönliche Adel und die In haberstelle des 2. Artillerie-Regimentes waren ihm von seinem dank baren Könige verliehen worden ;
74 Dienstjahre hatten sein Haar
gebleicht, und mit Genugthuung konnte er auf die lange Zeit zurtick blicken von jenen bitteren Tagen der Kindheit bis zu dem glänzen den Greisenalter. Es war ibm noch vergönnt ein Enkelchen auf den Knieen zu wiegen, und es sind gar traute Familienbilder, die sich Jedem un auslöschlich eingeprägt haben, dem es gestattet war, in den letzten Jahren in seinem Hause zu verkehren. Glücklich und heiter ge staltete sich der Lebensabend des verdienten Generals, und als auch seine Stunde schlug, durfte er die Augen mit dem Bewusstsein schlie szen, stets und in höchstem Grade seine Pflicht gethan und für sein engeres und weiteres Vaterland Hervorragendes geleistet zu haben.
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
190
XIV.
Der
Feldzug
der Nordischen Alliirten
gegen
Karl XII. von Schweden im Jahre 1715. Unter den ruhmreichen Waffenthaten der Preuszischen Armee nimmt der Feldzug von 1715 gegen die Schweden eine hervorragende Stelle ein.
Die Details der militairischen Operationen in demselben
sind so interessant , die Schwierigkeiten , die zur Erkämpfung des endlichen Sieges überwunden werden mussten, so grosz, dass es sich lohnen dürfte , dieselben zum Gegenstande eines eingehenden Studi ums zu machen. ― Schon lange hatte das bedrohliche Auftreten Karl's XII. von Schweden als Deutscher Reichsfürst die Sicherheit der Norddeutschen Fürsten in hohem Grade gefährdet und zu diplomatischen Verwicke lungen ernstester Art geführt.
Wenngleich es , namentlich im mitt
leren Deutschland , eine starke Partei gab, die sich für den „berühmten Fremden" begeistern zu müssen glaubte , so war doch vornehmlich an den Höfen von Dänemark , Hannover, Polen und namentlich in Preuszen die Ueberzeugung gereift, dass sichere, friedliche Zustände nicht eher eintreten würden , als bis Karl XII. aus der Reihe der Deutschen Fürsten , seine Truppen vollständig von Deutschem Boden entfernt wären. Monate lang zogen sich die Verhandlungen zwischen Preuszen und den anderen genannten Höfen zu einem ge meinsamen energischen Vorgehen hin. Sei es , dass diese Fürsten litten unter dem nicht eben fördernden Einflusse von Wien her , wo man einen Türkenkrieg nahe glaubte und viel lieber alle militairischen Kräfte des Reiches in dieser Richtung verwendet hätte ; sei es , dass sie
sich schrecken
lieszen
durch den Nimbus des Schwedischen
Namens, der, wie es schien, in der That ein kräftiger Bundesgenosse Karl's XII. werden sollte. Wie dem auch sei, der König von Schweden hätte sich in seinen Hoffnungen auf die Uneinigkeit der Deutschen Fürsten , von denen Jeder sich für seine Hülfe schon im
Voraus
einen möglichst groszen Antheil an der noch nicht einmal gewon nenen Beute sichern wollte , wohl nicht verrechnet , wäre nicht der König von Preuszen mit eiserner Energie seinem Vorhaben, der un verletzten Aufrechterhaltung seiner Rechte, treu geblieben und selbst vor dem Gedanken nicht zurückgeschreckt, nöthigen Falles auch allein mit dem gefürchteten Gegner in die Schranken zu treten.
Friedrich
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715.
191
Wilhelm zögerte nur mit dem Angriffe, um von Wien her nicht den Vorwurf zu erhalten, er habe den Krieg begonnen . „ Ich werde ihn nicht angreifen ,
er soll mich
zu diesem Kriege zwingen , “ waren
seine Worte , und mit seiner schlagfertigen Armee konnte er rubig diesem Zeitpunkte entgegensehen. Eine Veranlassung zum Kriege gab formell Schweden schon durch Zurückweisung aller noch so billigen Anerbietungen Preuszens, deren Details ich hier übergeben darf, thatsächlich erfolgte sie aber am 14. Februar durch die Aufforderung des Schwedischen Generals Dücker an General Borcke in Stettin, Wolgast sofort zu räumen .
Da
dies nicht geschah, rückten am 23. Februar drei Compagnien Schweden gegen die Stadt und vertrieben die nur einen Unteroffizier und 20 Mann starke Besatzung.
Die auf diesen entschieden feindlichen Act
fol
genden Conferenzen , in denen Preuszen immer entschiedener seine Absicht aussprach, nun endlich offensiv vorgehen zu wollen , zumal es bekannt war , dass Frankreich , das immer den Krieg binauszu schieben sich bestrebt zeigte , bereits bei Metz Truppen zusammen zog , Mit
führten
zunächst
zum
Bündnisse
mit
Russland
und
Polen .
Dänemark wnrde unterhandelt in Betreff der Stellung einer
Flotte , dessen man zur Belagerung von Stralsund zu bedürfen glaubte. Der König von Preuszen liesz sich der immer noch schwebenden Verhandlungen wegen zwar zu einem kurzen Aufschube der Eröffnung der Feindseligkeiten bewegen , doch wurden die nöthigsten Maaszregeln schon jetzt getroffen : das in Stargard stehende Regiment erhielt Befehl, ein Bataillon nach Camin zu entsenden und dort in der Um gegend 600 Bauern für Schanzarbeiten an der Divenow zusammen zubringen . Die Besatzung von Wollin wurde ebenfalls beträchtlich ver stärkt.
Preuszischer Seits wurde der General von Schwendy mit drei Regimentern dorthin geschickt, zu denen vom Könige von Polen noch zwei Regimenter Dragoner und vier Bataillone Infanterie stieszen. Das Commando erhielt der General von Arnim , der
verschiedene
Befestigungen anlegen und einen Theil der ihm unterstellten Truppen in Wollin liesz , um zu verhindern , dass Karl XII . lande und den Versuch mache, nach Polen durchzubrechen . Arnim selbst rückte mit
den übrigen Truppen an die Swine , um die auf der Insel Usedom stehenden Schweden zu beobachten. - Sämmtliche für das Lager bei Stettin bestimmten Preuszischen Truppen sollten am 1. Mai daselbst concentrirt sein , Schweden hatte die Aufforderung , Wolgast wieder zu räumen , nicht nur sehr trotzig abgewiesen , sondern im April schon einen zweiten Gewaltact dem ersten folgen lassen.
Am 15. April nämlich
192
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
ging Admiral Henk , angeblich , um dem gegen die Dänen ausge laufenen Contreadmiral Wachtmeister zu folgen, in See, segelte um Rügen herum und nabm, am 21. April an der Peene- Mündung erscheinend, 3000 Mann von den Truppen des Generals Dücker an Bord ; begün stigt durch einen starken Nebel, bemächtigten sich die Schweden dann dreier auf der Insel angelegter Schanzen und der Stadt Usedom, deren Besatzung, nur wenige Mann unter dem Fähnrich von Platen, trotz energischer Gegenwehr sich natürlich nicht halten konnte. In höchstem Grade aufgebracht über diese Vorgänge entliesz der König von Preuszen sofort den Schwedischen Gesandten aus Berlin, befahl, die Schwedische Regierung aus Stettin auszuweisen , die Insel Wollin in jedem Falle zu halten.
Er begab sich selbst am 28. April in das
Mit Dänemark war am 18. April ein Vertrag ge schlossen worden, demgemäsz es die Hälfte der zur Einnahme von Stralsund erforderlichen Truppen und die zur Landung auf Rügen Lager vor Stettin.
nöthigen Schiffe zu stellen sich verpflichtete. Jene Expedition des Schwedischen Contreadmiral's Wachtmeister war inzwischen sehr un glücklich abgelaufen, sie hatte Karl XII . die Hälfte seiner Schiffe ge kostet. Er gab jetzt seine offensiven Absichten auf und begann, sich, ungeachtet der dringendsten Vorstellungen seiner Minister, die zu einer Verständigung mit Preuszen riethen , zur hartnäckigsten Defensive Auf Usedom wurden zwei Schanzenreihen hinter vorzubereiten. einander angelegt , denen das überaus feste Stralsund mit Rügen im Rücken gewissermaaszen als Kernwerk diente . Die letzten Interventionsversuche Frankreichs scheiterten und so war es denn unabwendbar, dass Friedrich Wilhelm zum letzten Mittel , behufs Erreichung seines vor aller Welt gerechtfertigten po litischen Zweckes , zum Kriege , griff, um mit den Streitmitteln des Gegners auch dessen Trotz zu vernichten. Der Vertrag mit England Hannover wurde endlich am 30. Mai geschlossen, in dessen 6. Artikel dieses sich verpflichtete, auf Begehren 6000 Mann Hülfe zu stellen . Auch mit Dänemark wurden die näheren Dispositionen zum offensiven Vorgehen gegen Stralsund verabredet. Alsdann brachen die Preuszen am 28. Juni aus dem Lager vor Stettin auf, und gingen, in kleinen Märschen vorrückend, am 8. Juli bei Demmin und Anclam über die Peene ; am 14. Juli standen sie nur noch eine Stunde von Stralsund . Die anrückende Dänische Armee hatte den Herzog von Mecklenburg ge zwungen , Rostock , vorzüglich geeignet zur Anlage von Magazinen, zu räumen, und war dann, ebenfalls ohne irgend welche Störung von Seiten des Feindes, am 12. Juli über die Recknitz gegangen . Am 14. Juli hatten die beiden Armeen Füblung , und standen nunmehr zur Blo
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715 .
193
ckade von Stralsund auf der Westseite ungefähr 24,000 Mann Dänen , nämlich 24 Bataillone und 40 Escadrons; an ibren rechten Flügel anschlieszend die Preuszisch - Polnische Armee , und zwar Prenszen mit 27 Bataillonen 22 Schwadronen , Polen mit 7 Bataillonen und 13 Schwadronen. *)
General von Arnim , der mit 12,000 bis 13,000
Mann bei Wollin stand , sollte wendung finden .
später ebenfalls vor Stralsund Ver
Ein Dänisches Corps von 5000 Mann war unter General von der Albe zur Blockade von Wismar bestimmt worden und war daselbst schon am 27. Juni eingetroffen ; 5000 Preuszen , die später von den Hannoveranern abgelöst unter seinen Befehle .
werden
sollten ,
traten
bis auf Weiteres
Nachdem Stralsund von der Landseite vollständig eingeschlossen war , wurde sofort der Befehl gegeben , das schwere Geschütz von Stettin aus zu Schiff herbeizuschaffen . Ohne Artillerie konnten die Alliirten nicht zur förmlichen Belagerung schreiten . Da aber das Haff noch nicht frei von Schwedischen Schiffen , der Feind Usedom und die Peenemünder Schanze noch in seiner Gewalt hatte , so war vorerst die Heranschaffung des Belagerungstrains nicht ausführbar. Das Auslaufen der Dänischen Flotte hatte sich länger bingezogen , als es in den Intentionen des Königs gelegen hatte. Jetzt endlich hatte man die nöthige Zabl Matrosen zusammengebracht, und nun sollte die Flotte dem Preuszischen Belagerungstrain die Wege bahnen. Sie lief unter Admiral Rabe, aus und als derselbe bis in die Köger Bucht gekommen , entsendete er den Viceadmiral Lehstädt nach der Pommerschen Küste . Diese Flotille hatte mehrfache ernste Ge fechte mit der Schwedischen Flotte durchzufechten und obgleich sie in diesen meist die Oberband behielt, sab sie sich plötzlich am 22. Juli von der ganzen Schwedischen Flotte eingeschlossen und vom Lande abgeschnitten.
Sie konnte nichts thun, als sich die feindlichen
Schiffe vom Leibe halten und musste warten , bis die Alliirten sie von der Landseite her von ihren Belagerern befreite .
So war denn
wieder eine unvorhergesehene Verzögerung eingetreten und die Ver bündeten hatten
eine schwierige Aufgabe zu lösen ,
nämlich die
Vertreibung der Schweden von der Insel Usedom, bevor sie in
ir
gend einer Weise das Feuer , das von den Werken Stralsunds auf die Belagerungs-Armee gerichtet wurde, erwiedern konnten. Zwei Rücksichten also waren es, welche Friedrich Wilhelm I. die schleu * ) Die Angaben über die Zahl der Bataillone und Schwadronen der ein zelnen Mächte stimmen bei den verschiedenen Schriftstellern nicht genau überein .
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Der Feldzug der Nordischen Alliirten
nige Besitznahme der Insel Usedom angelegen sein lassen mussten , die Befreiung der Dänischen Flotille und des Haffes von den Schwe dischen Scbiffen . Die Eroberung der Insel Usedom wurde nun dem Generale von Arnim aufgetragen.
Derselbe hatte die Zeit, welche ihm, wie Eingangs
erwähnt, zur Beobachtung von Usedom und zur Besetzung von Wollin gegeben war, dazu benutzt, die ganze Umgegend der ersteren Insel auf das Sorgfältigste recognosciren zu lassen und gleichzeitig , in Voraussicht der ihm nun befohlenen Landung , eine grosze Anzahl von Booten auf der Swine bereit zu stellen. Beide Maasznahmen er wiesen sich jetzt gleich vortheilhaft. Die Recognoscirungen hatten ergeben, dass die Sandbank , welche sich von Wollin bis Usedom zieht , im Nothfalle für Cavallerie gangbar sei , indem das Wasser den Pferden nicht weiter als bis an den Sattel reichen würde. Da es nun selbst einem überraschten Feinde gegenüber als ein zweifel haftes Unternehmen erscheinen musste, eine Stellung , wie die Schwe dische bei dem Städtchen Usedom, nur in der Front anzugreifen, so beschloss General von Arnim , einen
Theil seiner Cavallerie dem
Feinde in die linke Flanke zu schicken .
Er befahl daher , dass in
der Nacht vom 31. Juli zum 1. August die Cavallerie , 800 Pferde stark , die Swine überschreiten und sich auf der vorhin gedachten Sandbank formiren sollte. die Pferde aber
Die Mannschaft wurde in Boote gesetzt,
an den Halftern durch das Wasser geleitet.
Die
schwierige Expedition wurde mit der gröszten Präcision ausgeführt. General von Arnim selbst führte mit dem Prinzen von Württemberg und General von Schwendy die auf Prahmen und Boote gesetzte Infanterie über die Swine und nahm eine Aufstellung derart, dass die Schweden zwischen ihm und seiner Cavallerie standen. Am Abende des 31. Juli war Karl XII. selbst auf die Insel gekommen, so dass die Preuszen eines um so verzweifelteren Widerstandes von Seiten des Feindes gewärtig sein mussten .
Am 1. August mit Tagesanbruch gab der Preuszische General das verabredete Signal zum Angriffe, der die Schweden völlig unvor bereitet traf. Schnell warf Karl XII. zum Schutze seiner bedrohten Flanke einen Theil seiner Infanterie der Preuszischen Cavallerie ent gegen, die sich daher bald fest geschlossenen Carre's gegenüber befand. Doch auch durch die festesten Massen babnten sich die Preuszischen Säbel einen Weg ; sämmtliche Carre's wurden zusammengehauen . Ebenso glücklich war die Preuszische Infanterie. Nach heftigem , aber kurzem Gefechte räumten die Schweden das Retranchement und die Swiner
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715.
195
Schanze und flohen landeinwärts , um sich erst in der Peenemünder Schanze wieder zu setzen. Gleichzeitig mit diesem Siege war die Stadt Wolgast vollständig in die Hände der Alliirten gefallen. Die Schwedischen Schiffe mussten, um nicht abgeschnitten zu werden , eiligst die See zu gewinnen suchen. Die Dänische Flotille war befreit und schickte nun einige Fregatten ins Haff, um einzelne immer noch dort weilende Schwedische Caper zu vertreiben. Dann erst konnte Geschütz auch an General von Arnim geschickt werden , der dessen sehr bedurfte , da ohne förmliche Belagerung die Peenemünder Schanze nicht zu nehmen war.
Am 17. August wurden die Approchen gegen die Schanze er
öffnet und in der ersten Nacht zugleich zwei Batterien von je 10 Geschützen gebaut ; unter ihrem Schutze wurden in der zweiten Nacht eine Batterie von zwei Mörsern und zwei Haubitzen und die Approchen näher an die Schanzen herangeführt.
In der dritten
Nacht gelang ein weiteres Vorgehen mit Laufgräben und die Er richtung einer Batterie für 30 Mörser, die aber noch nicht gleich armirt wurde. Am nächsten Tage stiesz man auf gröszere Schwierigkeiten bei den Annäherungsarbeiten als bisher, weil das sumpfiger werdende Terrain vor der Schanze den Gebrauch des Spatens sehr erschwerte. Da der König immer mehr zur Eile drängte , so entschloss sich General von Arnim mit den vier Bataillonen , die zur Belagerung der Schanze bestimmt waren , ohne erst die Approchen weiter fort zusetzen, zu dem Versuche, dieselbe mit dem Degen in der Faust zu nehmen. Mit bewunderungswürdiger Tapferkeit stürmten die Truppen und machten die Besatzung bis auf den letzten Mann nieder. Wie heisz der Kampf gewesen, davon giebt der Bericht Beweis, der tiber den bei dieser Affaire stattgehabten Verlust an Offizieren vorliegt, dem zu Folge von den 32 betheiligten 26 todt und verwundet waren. So blutig der Sieg erkauft war , so mussten doch diese Opfer ge bracht , die Schweden völlig von der Insel Usedom verjagt werden, denn jetzt erst konnten die Verbündeten als unbestrittene Herren des Haffes die schweren Geschütze unbelästigt über Anclam und Zu Greifswald nach dem Lager vor Stralsund in Bewegung setzen. derselben Zeit hatte die Dänische Flotte, welche zum Entsatze ihrer Flotille herbeigeeilt war, ein lebhaftes Seegefecht mit den Schweden bestanden und einen Theil derselben genöthigt, sich unter den Schutz der auf der Insel Rüden angelegten Batterie und Schanze zu begeben. Diese Schiffe waren hiermit von der Hauptflotte , die östlich Pal merort vor Anker ging, getrennt. -
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
196
Für die nunmehr ermöglichte Belagerung von Stralsund kam zunächst nur die West- und Süd - Seite in Betracht.
Von Norden ,
von Rügen ber, vermochten die Schweden daher noch Vorräthe aller Art herbeizuschaffen , so dass auf Erfolg nicht eher zu hoffen war, als bis man auch dieser Insel Meister geworden war.
Aber wie sollte
eine Landung auf dieser Insel bewerkstelligt werden ? Der Feind war noch Herr über das Neue Tief, er hatte in dem westlichen Theile desselben eine grosze Anzahl Schiffe versenkt, so dass die Passage dort angängig war ; auszerdem besasz er noch die Insel Rüden, auf der, wie schon erwähnt, eine mächtige Batterie und eine geschlossene Schanze eine energische und mit Zähigkeit durchzuführende Defensive begünstigten.
Rüden also musste das erste Angriffsobject sein , erst
von hier aus konnte dann die geplante Landung auf Rügen näher ins Auge gefasst werden.
Friedrich Wilhelm war sehr ungehalten
über das langsame Verfahren der Dänischen Flotte, die, wie er meinte, schon längst das Neue Tief hätte vom Feinde säubern und die Einfahrt bei Rüden erzwingen sollen.
„ Die Herren Dänen und ihre
langsamen Anstalten zur See haben allein die Schuld, dass sich der Angriff auf Rügen verzögert ; wir sind zu Allem bereit und fertig.“ schreibt Ilgen an den Dänischen Minister. – Endlich am 20. September erschien die Dänische Flotte. Man bielt es mit Rücksicht auf die schweren Geschütze der Batterie nicht für angängig, sich der Insel Rüden durch eine gewaltsame Landung zu bemächtigen, und beschloss daber, die Schweden durch Verjagung ihrer Flotte aus dem Bodden zur Uebergabe von Rüden zu zwingen. Die Hauptschwierigkeiten , welche hierbei im Wege standen , waren die fünfzehn von den Schweden in die Wester - Tieffe versenkten Schiffe und der vor dem Gefechte eintretende Südwestwind. Am 21. September segelte die Dänische Flotte um die Greifswalder Oie herum in die Wester- Tieffe. Ein Schiffer aus Rügen , Peter Holländer, dem die Schweden sein Schiff genommen und gezwungen hatten, bei der Versenkung mit thätig zu sein, desertirte aus ihren Reihen und erbot sich, den Dänen den Weg über die versenkten Schiffe zu zeigen ; der Wind war indess so widrig, dass am 22. die Dänen die schweren Schiffe von den Prahmen unter Rügen in die Wester - Tieffe ziehen lassen mussten, wo sie bis zum 24. liegen blieben. Endlich sprang der Wind nach Süd - Ost um und um 5 Uhr Nachmittags begann die Vorwärtsbewegung nach Westen. Unter der Führung jenes Schiffers gingen ein schwerer und zwei leichte Prahmen voran , während die hinter ihnen folgenden kleinen Schiffe dazu dienten , die schwereren
gegen Karl XII . von Schweden im Jahre 1715.
197
mit dem gröszeren Tiefgange vorwärts schaffen zu helfen . Das be wegte Wasser , das in den Tagen vorher auch den Schweden nicht gestattet hatte , behufs einer Recognoscirung über ihre versenkten Schiffe hinwegzufahren , wurde nun den Dänen günstig , indem der Feind sie auf diesem gefährlichen Wege nicht erwartet hatte . Schnell formirte sich die Schwedische Flotte, welche 9 Fregatten und 3 Ga lioten stark binnenwärts im Bodden vor Anker lag , halbmondförmig der Dänischen gegenüber ; gegen deren Prahmen richtete sie haupt sächlich ihr Feuer , das von diesen standhaft ausgehalten wurde . Darüber brach die Nacht herein , wäbrend welcher Admiral Lehstädt unter dem Schutze seiner Prahmen angestrengt an der Heranziehung der übrigen Schiffe arbeiten liesz . Am 25. September früh um 6 Uhr begann das Gefecht von Neuem ; es währte bis 1 Uhr Mittags und gebührt den Prahmen , deren grözster 46 Kanonen an Bord hatte, der haupt sächlichste Antheil an der siegreichen Entscheidung. Die Schwe dischen Schiffe wandten sich zur Flucht ; vier geriethen bei Rügen auf den Sand, wo sie, von Dänischen Schiffen verfolgt, sich ergaben , die übrigen waren nach Rüden gesegelt und somit vollständig von den Schweden abgeschnitten, als endlich Abends die Dänische Flotte den Bodden erreichte. Somit war nun das Fahrwasser in Händen der Alliirten ; es konnten jetzt die Vorbereitungen zur Landung auf Rügen getroffen und zu diesem Zwecke Transportschiffe von Däne mark und der Pommerschen Küste herbeibeordert werden . Während
dieser
Vorgänge
hatte
die
Belagerungs- Armee vor
Stralsund die von den Königen von Preuszen und von Dänemark com mandirt wurde , die Circumvallationslinien um die Festung begon nen . Speciell standen die Dänen unter dem Herzoge von Württem berg und General Scholten , die Preuszisch- Sächsische Armee unter Prinz Leopold von Dessau und General Graf von Wackerbart. Am 7. October traf ein Theil des schweren Geschützes im Lager vor nämlich 30 Karthaunen und 40 Mörser; der Rest, 10 Mörser und 50 Karthaunen , sollte innerhalb 10 Tagen nachfolgen.
Stralsund ein ,
Von Beginn der Cernirung an waren
grosze Massen von Faschinen
gebunden worden , um sie in dem sumpfigen Vorterrain der Festung Am 19. October wurden alsdann die Laufgräben zu verwenden . eröffnet und zwar Preuszischer Seits auf der zum Angriffe bestimmten Front von der Kupfermühle, bei dem Triebsee - Thore vorbei bis zum Retranchement vor dem Franken -Thore. Die Schweden suchten durch bäufige kleine Ausfälle die Arbeit zu stören , wurden jedoch jedes Mal schnell zurückgewiesen ; werken
that
den Belagerern
das Geschützfeuer aus
den
Auszen
ebenfalls nur geringen Schaden .
Ein
198
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
gröszerer Ausfall fand nur am 23. October Statt ; nach lebhaftem Gefechte wurde der Feind geworfen und bis an die Kupferschanze verfolgt ; die Besitznahme derselben jedoch scheiterte an dem Wider stande eines zur Aufnahme der Flüchtigen dort bereit stehenden De tachements aus Infanterie und Artillerie. Am 3. November war das Bombardement aus einer groszen Batterie von 24 Karthaunen und 6 Mörsern eröffnet worden ; eine andere Batterie für 8 Geschütze gegenüber der Kupfermühle trat ebenfalls an diesem Tage in Thätig keit. Die Beschieszung der letzteren Oertlichkeit war von schnellem Erfolge.
Schon am 3. November Abends 8 Uhr schwiegen die dorti
gen Batterien des Feindes, da sämmtliche Geschütze demontirt waren. Von Seite der Verbündeten wurde nun folgender Plan zur Ueber rumpelung der Festung entworfen : Auf der Ostseite derselben lag das Frankenthor und vor diesem das stärkste Auszenwerk , dessen Besatzung 3 Regimenter, die von Horn, Trautvetter und Mellin, und 25 Geschütze zählte.
Oberstlieutenant von Köppen, General-Adjutant
des Königs von Preuszen, der in dieser Gegend von seiner Jugend her sehr orientirt war, erinnerte sich , dass zwischen dem Franken thore und dem vorgeschobenen Auszenwerke der Strand in der linken Flanke desselben, besonders bei Südostwind , wie er jetzt wehte, seicht sei, dass man daher durch einen nächtlichen Marsch im Wasser das starke Retranchement in seiner linken Flanke umgehen und in seinem Rücken, zwischen ihm und dem Frankenthore, ans Land steigen könne. Durch Deserteure hatte man ferner am 3. November erfahren, dass die Schweden das Frankenthor, in dem guten Glauben, dass seine Uneinnehmbarkeit durch die drei in dem Retranchement vorgeschobenen Regimenter sichergestellt sei , stets unverschlossen Oberstlieutenant von Köppen stellte nun dem Generale lieszen. Grafen Wackerbart vor, wie eine in vorhin gedachter Weise ausge führte Umgehung, die er persönlich führen wollte, unterstützt durch einen kräftigen Angriff auf das Retranchement , dieses wohl den Alliirten in die Hände liefern werde, während er selbst sich des Thores und dann der Stadt bemächtigen könne .
Es war ein gefahr
volles Unternehmen . Herr von Köppen musste während des Marsches durch das Wasser, das den Mannschaften doch immerhin bis über die Hüften reichte, seine beiden Flanken vollständig preisgeben, denn in der linken hatte er das mehrerwähnte Retranchement , in der rechten die stark mit Artillerie und Infanterie besetzte Insel Dän holm , nach kurzem Marsche war also auch sein Rücken vollständig dem Feuer des Feindes ausgesetzt. Zurück konnte er nicht mehr, denn selbst wenn durch den Angriff auf das Retranchement von der Land
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715 .
199
seite dessen Besatzung vollständig in Anspruch genommen war, wie ja zu erwarten stand , 80 reichten die Batterien von Dänbolm doch allein hin, seinen Rückzug unmöglich zu machen . Graf Wackerbart trug diesen Plan Köppen's dem Könige vor , der denselben schon am 3. November genehmigte und zur Ausführung die Nacht vom 4. zum 5. November bestimmte. Mit bereinbrechen der Dunkelheit sollte General Scholten auf der Westseite der Festung eine Demonstration gegen das Knieper-Thor beginnen ;
gegen die
hart
mitgenommene Kupferschanze aber sollte mit solchem Nach drucke vorgegangen werden , dass der Feind keinen Augenblick
an dem Ernste des Angriffes zweifeln könnte . Auf der Ostseite, wo Entscheidung gesucht wurde, sollte sich währenddessen Alles
die
stille verhalten .
Folgende drei Colonnen waren zum Ueberfalle be
stimmt : 2500 Mann Infanterie unter Generalmajor Löwen sollten die nach dem Frankenteiche gelegene,
westliche, eine ebenso starke
Colonne unter Generalmajor Graf Castell die östliche Hälfte des Retranchements angreifen ; beiden Colonnen war ein Detachement Pioniere beigegeben , der ersteren folgte noch eine Abtheilung Ka noniere, um gleich nach dem Eindringen die Geschütze des Retranche ments gegen den Feind zu kehren ; 1500 Pferde unter den Generalen von Eichstedt und von Bredow bildeten die Reserve .
Oberstlieutenant
von Köppen sollte seinen Marsch mit 1600 Füsilieren, die sich frei willig dazu gemeldet hatten , ausführen.
Jede der bezeichneten Ab
theilungen hatte den Marsch so anzutreten, dass um Mitternacht Alles an dem Graben, resp. im Rücken des Feindes stehen sollte. Die Ausführung des geplanten Unternehmens fand in der vor geschriebenen Weise ohne jede Störung statt ; erst kurz vor Mitter nacht belehrten zwei Schüsse aus Dänholm die Preuszen , dass sie bemerkt seien . Nun stürzten sich die beiden Colonnen von der Landseite auf den Feind, in dessen Verschanzungen sie schnell ein drangen ; gleichzeitig begann das Feuer im Rücken des Feindes ; es war Köppen mit seinen Füsilieren ; ein Theil derselben, so viel Ge wehre nur zur Verwendung kommen konnten, hatte sich gegen das Franken-Thor gewendet.
Durch die beiden Schüsse aus Dänholm
gewarnt, hatten aber kurz vorher die Schweden die Brücke aufge zogen und das Thor verrammelt ;
eine Ueberrumpelung der Stadt
war nicht mehr möglich. So brachen denn die 1600 Füsiliere in den Rücken der drei Schwedischen Regimenter ein, um bald auf dem eroberten Werke des Feindes ihren Cameraden die Hand zu reichen . Es wurde wenig gefeuert, desto mehr aber mit Bajonnet und Kolben gearbeitet.
Ein Ausfall aus der Festung fand nicht statt, weil immer
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
200
noch die Kräfte des Feindes auf der West- und Süd - Seite der Festung
ne festgehalten
wurden.
Die
drei
Schwedischen Regimenter erlagen
schlieszlich vollständig ; nur 100 Mann , welche während dieser Affaire
$! vom Regimente von Horn nach Dänholm abcommandirt waren , und etliche Leute, die sich mit einigen Fahnen in zwei Prahmen nach der Festung retteten, entkamen . In die Hände der Sieger fielen 23 Offiziere, 400 Mann, 25 Geschütze und das Lager dreier Regimenter. So hatte dieser Kampf zwar nicht den Erfolg gehabt, den man sich davon versprochen ,
aber ein groszer Schritt vorwärts war getban :
dem Feinde war sein stärkstes Auszenwerk genommen ; Regimenter waren vernichtet.
drei seiner
Nach Einnahme des Retranchements wurden sogleich Deckungen gegen etwaige Wiedereroberungsversuche des Feindes und Communi cationen nach rückwärts, sowie Batterien im Innern des Werkes an gelegt.
Um 10 Uhr Vormittags begann bereits eine Batterie, formirt
aus den in vergangener Nacht eroberten Geschützen, ihr Feuer gegen das Franken - Thor.
Ein Versuch, den die Schweden um 2 Uhr Nach
mittags machten, um die Scharte der Nacht auszuwetzen , wurde ohne Mühe abgewiesen .
Den Berichten zufolge erkauften die Preuszen
den Besitz dieser wichtigen Position mit dem äuszerst geringen Ver luste von 17 Todten und 40 Verwundeten . Am 6. November war an den Trancheen nicht gearbeitet worden, um so eifriger wurden am 7. November die Arbeiten wieder aufge nommen . Schon an diesem Tage waren die Approchen dicht an die Am 9. November erhielt man Kupfermüble herangeführt worden . durch Deserteure die Nachricht, Karl XII . beabsichtige, die Wieder eroberung des Retranchements, durch einen Ausfall, verbunden mit einer Offensiv- Unternehmung von Dänholm her, nochmals zu ver snchen . Es wurden daber zum Schutze hiergegen die Befestigungen nach der Seeseite bin ausgedehnt , feste Vertheidigungspunkte für Infanterie und eine starke Batterie mit der Front nach Osten ge baut.
Im Rücken des Retranchements nach dem Franken - Thore und
nach Dänholm hin wurden je eine Redoute hergestellt; auch die Trancheen zwischen Franken- und Triebsee-Tbor miteinander ver bunden . Eine Batterie von acht Geschützen bestrich nun den Klippel Damm zwischen der Kupfermühle und dem Triebsee - Thor. Hier waren am 14. November die Parallelen schon dicht an den Haupt graben
des Schwedischen Retranchements herangerückt , vor dem
Franken - Thore aber noch zwei Batterien zu je zehn Mörsern fertig geworden .
Sämmtliche Batterien , die in den nächsten Tagen noch
um sechs vermehrt wurden , wirkten unausgesetzt gegen die
vor
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715. geschriebenen Ziele .
201
Wennwohl der Gegner von den Wällen aus
energisch antwortete, wennwohl er täglich Ausfälle machte,
welche
dem Belagerer durchschnittlich jedesmal 50 bis 80 Mann kosteten, so konnte doch nichts den eisernen Ring brechen, der die belagerte Feste von Tag zu Tag enger und fester einschnürte.
Ein anderes
kriegerisches Ereigniss sollte aber zu dieser Zeit den Fall Stralsunds noch besonders beschleunigen . Die Schwedische Flotte lag während der letzt geschilderten Be gebenheiten bei Carlskrona, die Dänische , eben so stark wie jene, nördlich von Rügen vor Anker.
Anfang November hatte man von
der ersteren nichts mehr zu fürchten, da das andauernd stürmische Wetter sie am Auslaufen binderte .
Um so mehr drängte Friedrich
Wilhelm I. zur Landung auf Rügen, zu der er die
Dispositionen
schon Ende October an Leopold von Dessau, der den Oberbefehl für das Unternehmen erhalten hatte, gegeben und 35 Escadrons zu je 120 Pferden und 24 Bataillone zu je 600 Mann, dann die Hälfte Dänische Truppen schon am 30. October aus dem Lager vor Stral sund hatte abrücken lassen . Endlich waren 400 Transportschiffe zu sammengebracht und am 11. November begann die Einschiffung der Truppen zu Ludwigsburg bei Greifswald (Gripswald ) ; an demselben Tage begab sich Friedrich Wilhelm I. an Bord der Galeere „ Luise “ , der König von Dänemark auf den Prinz Christian " . Den 12. No vember wurden die Auker gelichtet, doch gegenüber von Palmerort wurde musste.
der Wind
so ungünstig ,
dass
man
sie
wieder auswerfen
Der Feind, dessen Faschinenblendungen man auf Palmerort
gewahrte, wurde getäuscht, indem zwei Fregatten zur Recognoscirung der Südspitze von Rügen ausgesendet wurden, gleich als wollte man dort eine Landung forciren .
Man hatte Zeit , das Resultat dieses
Manövers zu beobachten, denn bis zum
14. November musste man
auf derselben Stelle liegen, und Tags vorher drei Schiffe nach Greifs wald senden,
um Proviant und Fourage an Bord
zu holen .
Der
Feind schien sich wirklich täuschen zu lassen, denn während er eine wirkungslose Kanonade auf die Schiffe der Alliirten unterhielt, sab man ihm an drei groszen Batterien auf Palmerort bauen . Die für die Landung ausgegebene Disposition war folgende: Die Infanterie geht in zwei Colonnen vor : Rechte Colonne : Brigade Prinz von Württemberg, Brigade von Grumbkow , Brigade von Borck. Linke Colonne : (Dänen) Brigade des Generalmajors Boiset, Brigade Prinz von Hessen . Jahrbücher f, d. Deutsche Armoe 1. Marine , Band XXI. 14
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
202
Die Têten - Brigaden sollten ihre Leute möglichst schnell mit Hülfe
der weniger tief gebenden
Schiffe
ans Land
setzen
und
letztere dann den nachfolgenden Brigaden zu gleichem Zwecke zusenden . Die Artillerie unter dem Dänischen Obersten Archot hatte nach der Infanterie zu landen.
Die Schiffe mit der Ca.
vallerie sollten vor Palmerort so lange kreuzen,
bis die Infanterie
die Vilm - Insel passirt hätte , dann aber sofort mit vollen Segeln folgen. Die Absicht der Alliirten war, die Landung in der Nacht vom 14. zum 15. November auszuführen ; das Wetter wurde jedoch immer ungünstiger
und dauerte so fort bis zum Vormittage des 15. No
vembers . Endlich, um 9 Uhr, klärte es sich auf und ein fördernder Südwest- Wind trieb zur Eile an . Auf die Bitten des Admirals von Sehstädt genehmigten die beiden Monarchen, dass der Landungs versuch nun sofort beginnen durfte. Um 11 Uhr ging die Cavallerie, um vor Palmerort zu kreuzen ,
und die Têten - Brigaden der beiden
Infanterie - Colonnen unter Segel, die übrigen folgten eine halbe Stunde darauf ; die Avantgarde bildeten vier Fregatten, um eventuell feind liches Feuer auf sich zu ziehen und kräftig zu erwidern .
Ein feiner
Sprübregen begünstigte die Fahrt und dichter Nebel entzog dem Auge des Feindes alle Bewegungen der Alliirten .
Um
1/24 Uhr
wurden die Anker auf Kanonenschussweite von dem Dorfe Klein Stresow, der beabsichtigten Landungsstelle, ausgeworfen. Vom Feinde zeigte sich nur eine Offizierspatrouille, die indess gleich landeinwärts davopjagte, als drei Kanonenschüsse der Infanterie das Signal gaben, sich auszuscbiffen . Nun theilten sich die Wolken und wunderbar klares Wetter erleichterte die einheitliche Führung . Der Fürst Leopold war einer der Ersten am Lande ; schnell wurden die umliegenden Oert lichkeiten recognoscirt, die Bataillone rangirt , Vorposten ausgesetzt, und schon um
6 Uhr begann die Fortificirung einer Stellung, in
der man dem Angriffe des Feindes begegnen konnte; dieselbe war um 12 Uhr Nachits hergestellt und mit Spanischen Reitern und Die Cavallerie war anderen Annäherungshindernissen ausgerüstet. inzwischen um 10 Uhr Abends ans Land gestiegen. Am 16. November kurz vor 4 Uhr Morgens meldeten die Vor posten den Anmarsch des Feindes ; Leopold von Dessau gewann bald aus eigener Beobachtung die Ueberzeugung , dass es einen ernsten Kampf gelten würde. An der Spitze von 2 Regimentern In fanterie, 20 Schwadronen und 8 Geschützen rückte Karl XII. herbei, in der Hoffnung, den Feind wirksam in der rechten Flanke zu fassen . Als er plötzlich das feste Retranchement vor sich sah, soll er aus
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715 . gerufen baben : „ Mein Gott, ist das möglich ? " an den Sieg setzen, sonst war er verloren ;
203
Hier musste er Alles
er theilte mit Friedrich
Wilhelm I. die Ueberzeugung, dies sei die Entreprise, von der der Ausgang der Campagne vornehmlich dependire “. indess
wurde
schnell
abgeschlagen ;
von
Ein erster Anlauf
Neuem
sammelte
der
Schwedenkönig seine Truppen, und zu Fusz ---- sein Pferd war ibm führte er mit dem Degen in unter dem Leibe erschossen worden der Hand die Seinen zu einem erneuten , verzweifelten Sturme gegen den Feind .
Mit der äuszersten Energie drangen die Schweden vor ;
unter schweren Verlusten wurde ein Theil
der
Spanischen Reiter
weggeräumt ; schon sprangen die Vordersten in den Graben und er stiegen die Brustwehr ; aber mit unerschütterlicher Ruhe stand die diesseitige Infanterie.
Wem die Kugel den Zugang zum Retranche
ment nicht verwehrt hatte, in den Graben .
den stürzte nun Sponton und Bajonnet
Während bier der Kampf tobte,
schickte Leopold
von Dessau fünf Preuszische Schwadronen aus dem Retranchement heraus, um des Feindes linke Flanke anzufallen ; diese Attacke steigerte die Verwirrung des Feindes, und endlich wandten sicb die Schweden zur Flucht mit Hinterlassung aller ihrer Geschütze.
Zwei
Schwedische Generale wurden todt in dem Graben gefunden, Karl XII. selbst war unmittelbar vor dem Retranchement verwundet worden . Im Ganzen betrug der Verlust der Schweden drei Generale, drei Obersten , eine grosze Zabl Subalternoffiziere und 400 Mann ; an Verwundeten, die sie nicht mit fortgenommen hatten, fanden sich 12 Offiziere und 200 Mann vor. Auf Seiten der Alliirten betrug der Verlust an Verwundeten : offiziere und 72 Mann .
1 General,
4 Stabsoffiziere,
9 Subaltern
Dass ein so groszer Erfolg mit so geringen Opfern erkauft wer den
konnte,
ist wohl hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben ,
dass Leopold von Dessau nach glücklich bewirkter Landung sofort die Befestigungskunst zu Hülfe rief, um die Behauptung auf der Insel mit desto gröszerem Nachdrucke durchführen zn können.
Besonders
interessant ist es , dass dabei nach ganz modernen Grundsätzen ver fahren wurde ; erst wurden die Spanischen Reiter und eine flüchtige Deckung geschaffen, dann wuchs diese Deckung allmälig zu einem vollständigen Retranchement ; die heutige Feldpionier-Technik lehrt bekanntlich dasselbe . Die Schnelligkeit, mit der in der Nacht vom 15. zum 16. No vember das Preuszische Retranchement auf Rügen entstand, berechtigt wobl zu der Annahme, dass die Benutzung von Spaten und Kreuz have den Truppen nichts Fremdes war ; den König von Schweden 14 *
Der Feldzug der Nordischen Alliirten "
204
überraschte sie völlig ; eine derartige Leistung scheint er nicht für möglich gehalten zu haben, darauf weiset wenigstens die schwache Artillerie und relativ auch schwache Infanterie bin, mit der er her beieilte. Er scheint gehofft zu haben, sein Gegner würde nur mit schwachen Truppen, nicht aber mit 24 Bataillonen und 35 Escadrons gelandet sein, und wollte ihn dann mit seinen 20 Schwadronen über den Haufen werfen . So kam aber die ganze Cavalleriemasse nur zur Verwendung, um den Rückzug zu decken . Am 17. November früh 8 Uhr wurde von den Alliirten der Vor marsch in westlicher Richtung angetreten ; 800 Pferde unter General major von Hackeborn hatten die Avantgarde. Um 3 Uhr langte dieser vor der vom Feinde stark besetzten alten Fährschanze an und liesz an den Commandanten die Aufforderung zur Uebergabe ergehen , worauf derselbe 14, Stunde Bedenkzeit erbat, um seinem Könige Bericht troffen war, schanze an.
zu erstatten .
Noch
ehe die Entscheidung
einge
langte das Gros der Landungs-Armee bei der Fähr Karl XII. hatte als Antwort den Befehl dorthin ge
schickt, dass sich die Besatzung bis auf den letzten Mann wehren sollte.
Dennoch schloss
am Abende der Commandant
derselben,
Generallieutenant von Marschall, eine Capitulation ab, nach welcher er sich kriegsgefangen gab mit der ganzen Besatzung , bestehend aus 3 Generalen,
13 Stabsoffizieren, 48 Hauptleuten, 72 Subaltern
offizieren und 730 Mann .
Rechnet man hinzu ,
dass während des
Tages gegen 2000 Deserteure zu den Alliirten gestoszen waren, kann Karl XII . ,
80
der nun auch seinen letzten Stützpunkt auf der
Insel verloren hatte, nicht mehr als 2000 Mann von den 7000,
die
auf Rügen gewesen sein sollen, nach Stralsund gerettet haben . Den 19. bis 21. November blieben die alliirten Truppen auf Rügen ; am 22. November wurden sie wieder eingeschifft, nur 4 Bataillone und 12 Escadrons Dänen unter General von Dewitz blieben als Besatzung zurück ; der Fürst Leopold von Dessau erhielt den Befehl, ein Regi ment aus den Gefangenen und Deserteuren zu errichten, welche Dienste nehmen wollten . Am 22. November begaben sich die beiden Monarchen in das Lager vor Stralsund zurück. Vor dieser Festung hatten die Alliirten nun alle ihre Kräfte wieder concentrirt und es liesz sich gegen dies letzte Bollwerk Schwedischer Macht auf Deutschem Boden eine glückliche Entschei dung in kurzer Frist erhoffen .
Die Dänische Flotte sperrte jetzt
alle Zugänge zur Festung von der Seeseite her, so dass die Be lagerten vollständig von der Auszenwelt abgeschnitten waren. Auch das kleine Rüden fiel zu dieser Zeit in die Hände der Alliirten.
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715.
205
Gegen diese Insel war eine Abtheilung entsendet worden , mit dem Auftrage, sich derselben zu bemächtigen .
Doch als man dort ein
traf, hatte die Besatzung sich bereits nach Schweden gerettet.
In
der Pulverkammer fand man eine brennende Lunte, die in kurzer Zeit eine Explosion herbeigeführt haben würde ; daneben lag ein vom Commandanten der Insel zurückgelassener Brief, der die Erklärung enthielt, die Besatzung bätte aus Mangel an Lebensmitteln die Insel verlassen und der Uebermacht weichen müssen . 25 Geschütze wur den auf Rüden gefunden.
sund
Der hereinbrechende Winter begann den Belagerern von Stral jedoch jetzt auch empfindlich zuzusetzen , die gesammte
Cavallerie wurde bis auf 3 Regimenter am 27. November in die Wipterquartiere geschickt. Der Feind schien den Widerstand bis zum Aeuszersten treiben zu wollen ; seine Geschütze verursachten den Batterien der Belagerer groszen Schaden und neben den Arbeiten in den Tranchéen wurden täglich immer umfassendere, Ausbesserungen an den Batterien , ja sogar Neubauten derselben nothwendig.
Die
Alliirten ihrerseits verdoppelten die Energie ihres Angriffes ebenfalls und warfen seit dem ersten December Brandgranaten , Pechkränze u . 8. w. in die Festung ; meldeten , Karl XII, dem
es that Eile Noth, denn die Deserteure
lasse in der Stadt Häuser abbrechen und aus
gewonnenen Materiale neue Abschnitte
für die Vertheidigung
bauen ; die Magistratsmitglieder , die ihn täglich fuszfällig um end liche Uebergabe der Stadt baten , damit sie nicht das traurige Loos völliger Zerstörung durch Feuer und Schwert erleide , wurden kurz abgewiesen ; der so lange gefürchtete Sieger wollte sich nicht be siegt geben , so lange er noch einen Stein sein Eigen nannte, so lange noch eine Faust für ihn und mit ihm den Degen zog. Die Tran chéen der Belagerer hatten mittlerweile bereits das Glacis mehrerer Auszenwerke erreicht und schon waren die Sappen bis an die Contre Escarpe vorgerückt. Am 5. December wurde von Friedrich Wil helm I. der Sturm auf das Hornwerk befohlen .
Die zu diesem Sturme
bestimmten Truppen waren aus Dänischen, Preuszischen und Polnischen Bataillonen zusammengesetzt; Generallieutenant von Seckendorf wurde mit dem Commando betraut.
Eine Viertelstunde vor Beginn des An
griffes schwiegen alle gegen das Werk gerichteten Batterien, um die fertig stehenden Sturmcolonnen das Signal, das drei Mörser geben Am 6. December Nachmittags sollten , deutlich hören zu lassen. 4 Uhr wurde angetreten und bald war das Auszenwerk genommen ; im Feuer der Geschütze des Gegners, das aus nächster Nähe aus dem Reduit noch unterbalten wurde, schafften die Arbeiter- Colonnen De
Der Feldzug der Nordischen Alliirten
206
ckungen aus Wollsäcken und Schanzkörben ; nach 1 " /zstündigem Kampfe war dann auch das Reduit genommen. Was von der Besatzung nicht niedergestochen war, wurde gefangen genommen . Schon Abends um 7 Uhr hatten sich die Truppen der Alliirten derartig festgesetzt, dass ein mit 200 Mann Schwedischer Seits gemachter Versuch , sie wieder zu vertreiben , scheiterte.
In der Nacht vom 9. zum 10. De
cember brachten Deserteure die Nachricht , dass der Feind beginne, seine Batterien und Truppen aus den Auszenwerken vor dem
Trieb
see -Thore zurückzuziehen , dass von den vier Regimentern , welche die Besatzung der Kupfermüblen - Schanze bildeten ,
nur noch ein
ganz geringer Theil in diesen und den dahinter liegenden Werken ständen .
Baron von Seckendorf erhielt Befehl, diese Werke zu
cognosciren und sich derselben , wenn möglich, zu bemächtigen .
re Er
fand die Kupfermühle schwach besetzt, die angrenzenden Werke da hingegen nur mit starken Kräften angreifbar. Noch einige Tage liesz man den Batterien Zeit , den Infanterie - Angriff vorzubereiten . Alle Werke zwischen dem Triebsee - Thore und dem Retranchemant vor dem Franken- Thore wurden als Angriffsobject in Aussicht genommen. Der starke Frost der letzten Zeit hatte aber das Wasser im Rücken der Werke mit einer festen Eisdecke überzogen und so wurde auszer den drei ursprünglich befohlenen Sturmcolonnen noch
eine
vierte
formirt, welche auf des Feindes linke Flanke , resp. in seinen Rücken fallen sollte . ein
In der Nacht vom 16. zum 17. December war durch
schwaches
worden ; am
Detachement
17. December
die
Kupfermühlen - Schanze
erfolgte der Sturm.
Auf dem
besetzt linken
Flügel wurden im Anfange des Gefechtes die geringsten Fortschritte gemacht. Der Feind liesz sechs Flatterminen gegen die Angreifer springen, deren moralischer Effect jedoch nicht lange dem Vordringen der Stürmenden Einhalt that. Nach bartnäckigem Gefechte und schweren Verlusten auf beiden Seiten waren die Werke genommen, der Feind in die Thore zurückgejagt. Die Verbündeten hatten 7-800 Mann verloren ; die Verluste des Feindes allein an Gefangenen überstiegen schon diese Zabl , seine Verluste an Todten und Ver wundeten dürften hinter denen der Alliirten nicht zurückgeblieben sein.
Auf der ganzen Südfront hatten die Schweden nun kein ein
ziges Auszenwerk mehr ; die Alliirten standen unmittelbar vor den Thoren der Stadt ; ihre Bresche- Batterien auf dem rechten Flügel arbei teten schon längere Zeit ; in den neu genommenen Werken wurde stark gearbeitet und in Kurzem konnten auch sie beginnen , in das Triebsee Thor Bresche
zu
legen .
Am
20.
December
schickte Karl XII.
einen Parlamentair an Friedrich Wilhelm I. ab und bat um einen
gegen Karl XII. von Schweden im Jahre 1715.
207
Waffenstillstand behufs Unterhandlung wegen eines Generalfriedens; es
ward ihm zur Antwort , die Verbandlungen über einen General frieden gehörten vor den Braunschweiger Congress, hier könnte nur
über Capitulation der Festung verhandelt werden . Am 21. December dasselbe Anerbieten mit derselben Antwort. Da sah man aus der Festung drei kleine Schiffe abfahren ; das eine erlag dem Kreuzfeuer von Rügen und den Belagerern, das zweite gelangte, stark zerschossen, sich mühsam durch das Treibeis durcharbeitend, nach Stralsund zurück , das dritte entkam ; auf ihm war Karl XII.
Er hatte bei dem letzten
groszen Sturme der Verbündeten bis zuletzt mit dem Degen in der Faust den Seinen ein Beispiel todesverachtender Tapferkeit gegeben ; jetzt sah er , dass nichts mehr zu retten war. Am Triebsee . und am Franken Thore waren breite Breschen gelegt, die Teiche davor waren fest ge froren , der Sturm für den nächsten Morgen befohlen ; da entschloss sich Karl , die Stadt zu verlassen und gab dem Generale Dücker Voll macht , eine Capitulation zu schlieszen , wie sie die Alliirten vor schreiben würden. Am 24. December kam die Capitulation zu Stande, die Besatzung musste sich kriegsgefangen geben, nur drei Generale , 120 Offiziere und 1000 Mann Nationalschweden erhielten, den tapferen Feind zu ebren, vier Monate lang, bis ihr König sie abholen lassen werde, freien Aufenthalt in Preuszischen Landen zugesichert. Somit endete der Feldzug des Jahres 1715 für die Preuszischen Waffen in glorreicher Weise .
Friedrich Wilhelm I. hatte durch seine
Energie einen der gewaltigsten und gefürchtetsten Kriegshelden trotz heldenmüthigster Gegenwehr zu Boden geworfen und hatte den Fürsten Europa's von Neuem gezeigt , dass das junge Königreich Preuszen durch seiner Herrscher Geist und seine Armee , die immer freudig folgt, wenn der Kriegsherr das Schwert zieht, stark genug sei, eine selbstständige grosze Politik zu verfolgen.
Studien über den Einschlieszungs -Krieg.
208
XV . Studien über den Einschlieszungs -Krieg..
II. *) Anordnungen zu einem Ausfalle aus Metz unter Zugrunde legung der Situation in den Tagen vom 29. bis 31. August 1870.
Von Adolf Zimmermann , Hauptmann, commandirt zum Königl. Sächsischen Cadetten -Corps.
Einleitung In meiner ersten Studie habe ich den Gründen nachgeforscht, welche das Misslingen des groszen Pariser Ausfalles vom 30. No Die Generale Trochu und Ducrot fehlten gegen eine ganze Reihe unumstöszlicher Grund
vember 1870 hauptsächlich verschuldet haben. wahrheiten der Feldherrn - Wissenschaft.
Marschall Bazaine hat bei
seinem Entscheidung suchenden Ausfalle aus Metz am 31. August 1870 nicht minder bedeutende Fehler begangen. Mit solchen Truppen, wie sie Bazaine besasz, wie sie Trochu bei energischen Maaszregeln zu bilden vermocht hätte, waren günstige Erfolge zu erzielen . Das Nachdenken , wie man in Bazaine's Lage wohl bätte ver fahren können , verfahren sollen, hat mich zu dem Versuche geführt, die durch Analyse geschichtlicher Begebenheiten gefundenen theore tischen Grundsätze in die Praxis zu übertragen.
So sind die nach
folgenden Befehle, Instructionen und Dispositionen entstanden. Es liegt denselben der Angenblick zu Grunde , als Marschall Bazaine die ersten sicheren Nachrichten vom Anmarsche der Armee von Châlons erbielt ; dies geschah am 29. August 1870, etwa gegen Mittag.
Was ich an Nachrichten über das Einschlieszungsheer sup
ponire, wusste man im Hauptquartiere der Armee von Metz vielleicht nicht im vollen angenommenen Umfange ; doch man hätte es auch da mals noch rechtzeitig erfahren können , wenn Nachrichten- und Be obachtungsdienst richtig betrieben wurden. Bei den rein technischen Anordnungen für den Brückenschlag
hat mich ein früherer Ingenieur- und Pontonier - Offizier, mein Studien *) Siehe Jahrbücher Band XXI, Seite 35.
Studien über den Einschlieszungs-Krieg.
209
freund Asbrand gen. von Porbeck, jetzt Hauptmann und Compagnie chef im Königlich Preuszischen Garde- Fusz- Artillerie-Regimente, mit Rath hülfreich unterstützt.
Zuverlässige und genaue Angaben über Stärke und Zusammen setzung der einzelnen Abtheilungen der Armee von Metz hat uns die Geschichte nicht überliefert. Doch denke ich , dass die unter Punkt I zusammengestellte „ Allgemeine Truppen - Uebersicht" den thatsächlich bestandenen Verhältnissen ziemlich nahe kommen wird. Unter Punkt IX gebe ich eine „ Uebersicht der Truppen-Vertheilung“, wie sie sich nach meinen Anordnungen am 31. August 1870 gestaltet haben würde.
Allgemeine Truppen - Uebersicht der Armee von Metz am
Bataill one . Schwa . dronen Geschüt ze .
I.
29. August 1870.
Lager
23 ――――
60 bei Ban St. Martin.
|
Kaisergarde mit 2 Infanterie - Divisionen • II. Corps mit 2 Infanterie- und 1 Cavallerie Division und der zugetheilten Brigade Lapasset des V. Corps (6 Bataillone, 4 Schwadronen und 1 Batterie) .
32
20
III. Corps mit 4 Infanterie- und 1 Cavallerie Division . .
52
28 120 zwischen den Forts Queuleu u. St. Julien.
IV. Corps mit 3 Infanterie- und 1 Cavallerie Division .
39 16
VI. Corps mit 4 Infanterie- Divisionen und der zugetheilten 1. Reserve - Cavallerie Division ..
40
Cavallerie- Corps (Garde- und 3. Reserve-Ca vallerie-Division) .
-
78
bei Montigny.
90 zwischen Tignomont und Fort St. Quentin.
4 72 nördlich des Mosel Forts. 40
24 auf der Insel Cham bière. 96 bei Ban St. Martin.
Artillerie -Haupt- Reserve . . Gesammtzahl der Armee von Metz : 186 | 108 | 540 |
Auszerdem dem Gouvernement in der Festung unterstellt : 3. Infanterie-Division des II. Corps : 13 Bataillone und 18 Geschütze (als Be satzung in den Forts vertheilt) .
Studien über den Einschlieszungs - Krieg.
210
II .
Instruction für die beiden Commandeure des Ingenieurcorps *) und der Artillerie **) . (Am 29. August Nachmittags 1 Uhr mündlich ertheilt. ) Unter Verwendung der gesammten Pontoniere und Pioniere
aller Truppencorps und der Festung, sowie unter Zuziehung der er forderlichen Anzahl von Civil- Arbeitern oder von Hülfsarbeitern aus den Truppen sind
sogleich
auszer
den
drei
Kriegsbrücken,
deren Ausbesserung resp . Neubau gestern schon befohlen wurde, ***) noch so viele , für alle Waffen gangbare Kriegsbrücken über die Mosel nördlich und südlich der Stadtumwallung herzustellen, als bis morgen Abend 7 Uhr bestimmt fertig sein können. Es sind hierzu das gesammte Brückenmaterial des Heeres und der Festung , sowie sämmtliche Handelsschiffe, Kähne u . s. w., welche in Metz und im Rayon des Heeres vorhanden sind , zu ver wenden.
Zur Beschlagnahme kann über die Feldgensdarmerie des
Armee-Hauptquartiers verfügt werden. Die entsprechende Anzahl von Brücken über die Seille ist gleich zeitig herzustellen. Hand in Hand mit den Brückenbauten hat die Herstellung von Ab- und Zugängen , überhaupt die Herrichtung vollständiger , der Anzahl der Brücken entsprechender Colonnenwege zu gehen.
" Wegweiser und Erleuchtungs - Apparate müssen an allen Brücken und Wegen in genügender Anzahl aufgestellt werden ; über haupt sind alle Maaszregeln zu treffen , um eine rasche Versamm lung aller Streitkräfte auf einem der beiden Mosel - Ufer während der Nacht oder am Tage zu ermöglichen. Die Oberleitung aller, also auch der Pontonierarbeiten, übernimmt der Commandeur der Ingenieure und unter dessen Befehl auf den einzelnen Colonnenlinien die ältesten Ingenieuroffiziere der Corps. Ueber sämmtliche Communicationen ist eine Planskizze anzn fertigen und behufs Vertheilung an die höheren Befehlshaber und Stäbe in geeigneter Weise zu vervielfältigen. Die Observatorien sind entsprechend zu vermehren und mit dem Armee- sowie den Corps-Hauptquartieren in telegraphische Verbin dung zu setzen. Die Armeecorps sind telegraphisch angewiesen worden , allen
*) Der Commandeur des Ingenieurcorps war zugleich Gouverneur der Festung. **) Dem Commandeur der Artillerie waren die Pontoniere unterstellt. ***) Nach dem Werke : „ Metz, campagne et négociations" . Seite 140.
Studien über den Einschlieszungs - Krieg.
211
Ihren Anordnungen und Requisitionen im weitesten Umfange Folge zu leisten.
Heute Abend 8 Uhr erstattet mir der Commandeur der Ingenieure genauen Bericht über die getroffenen Anordnungen, ebenso morgen früh 8 Uhr und Mittags 12 Uhr über den Fortgang der Brücken und Wegebauten. Der Oberbefehlshaber : A.
III.
Instruction für den General-Intendanten.
(Am 29. August Nachmittags 2 Uhr mündlich ertheilt. ) Für morgen und übermorgen sind volle Portionen und Rationen, sowie doppelte Weinportionen an alle Truppen des Heeres und der Garnison auszugeben. Es ist darüber zu wachen , dass bei allen Truppencorps die ei sernen Lebensmittelbestände vollzählig vorhanden sind . Die Proviant- und Fuhrpark - Colonnen sind für voraussichtlich übermorgen beginnende gröszere Operationen des gesammten Heeres entsprechend auszurüsten. Alle im Rayon des Heeres noch vorhandenen Civil-Fuhrwerke sind sogleich zu requiriren und mit allen unbeladenen Wagen der Co lonnen in zwei Parks zu vereinigen , von denen je einer im Mosel Fort und im Fort Bellecroix zu weiterer Verwendung (Transport von Pionieren u. s. w.) bereit zu halten ist. Der Oberbefehlshaber :
IV.
A.
Armeebefehl am 29. August.
Armee- Hauptquartier Ban St. Martin, 29. August 1870 . 4 Uhr Nachmittags . Ein Entsatzheer ist im Anmarsche. Ich beabsichtige daher , übermorgen , 31. August, den Entschei dungskampf gegen das Einschlieszungsheer zu beginnen und gebe hierzu folgende einleitende Bestimmungen : 1) Morgen früh mit Tagesanbruch werden auf allen Punkten
unserer Vorpostenlinie kleine Ueberfälle und Recognoscir ungen gegen die Stellungen des Feindes veranstaltet. Zweck derselben ist : überall einzelne Gefangene zu machen und die Nachrichten über den Feind zu vervollständigen . Es sind dabei Besetzung der Stellungen des Gegners und Be schaffenheit der errichteten Verschanzungen näher festzustellen . Ernste Gefechte sind jedoch durchaus zu vermeiden. Generalstabsoffiziere der betreffenden Corps und Divisionen be
Studien über den Einschlieszungs- Krieg.
212 gleiten
die Recognoscirungen und reichen bis morgen früh 8
Uhr
kurze Berichte über alle gemachten Wahrnehmungen hierher ein . Die Kriegsgefangenen sind schnellstens auf Wagen direct an das Armee- Hauptquartier einzuliefern. 2) Das II . Armeecorps verwendet das 3. Lancier -Regiment (von der Brigade Lapasset) , ebenso das III. Armeecorps eines seiner Chasseur - Regimenter als Corps- resp. Divisions-Reiterei . Beide Armeecorps theilen von heute ab ibren Cavallerie - Divi sionen je zwei reitende Batterien und je eine halbe Pioniercompagnie ( nachdem die vom Commandeur der Ingenieure angeordneten Ar beiten beendet sind) bis auf Weiteres ständig zu . Die Pioniere sind auf Wagen zu setzen, mit Handwerkszeug und Sprengmaterial entsprechend zu versehen. Etwa nöthige Wagen sind vom General Intendanten zu fordern . 3 ) Das IV . Armeecorps verwendet eines seiner Husaren- Regi menter als Corpsreiterei
und giebt das zweite zu gleichem Zwecke
an die Kaisergarde ab.
Ueber die Dragoner- Brigade des IV.
Corps werde ich verfügen. Das IV.
Corps giebt
Cavallerie corps.
ferner
eine
Ausrüstung u . s.
Pioniercompagnie
an
das
w. dieser Compagnie, wie
unter Punkt 2) für das II. und III. Corps bestimmt. 4) Morgen und übermorgen werden volle Portionen und Rationen, sowie doppelte Weinportionen ausgegeben. 5) Revisionen der Munitions- und eisernen Verpflegs - Bestände sind sogleich bei allen Truppentheilen zu veranstalten .
Das Fehlende
muss bis morgen Mittag ergänzt sein.
Der Oberbefehlshaber, gez. A. V.
Bericht des Commandeurs des Ingenieurcorps am 29. August Abends 8 Uhr. Das noch nicht eingebaute Material der Truppen und die bis
heute Nachmittag 6 Uhr zusammengebrachten gröszeren Flussfahr zeuge gestatten , dass auszer den schon seither vorhandenen vier Mosel -Brücken ( zwei feste innerhalb der Hauptumfassung und zwei Kriegsbrücken über die Chambière-Insel) und auszer der gestern begonnenen, heut Nachmittag 4 Uhr vollendeten fünften Brücke noch drei weitere, für alle Waffen gangbare Uebergänge hergestellt werden. Bei jeder der sechs Kriegsbrücken wird noch ausreichendes Reserve material in der Nähe bereit gestellt, um bei etwaigem Anschwellen des Flusses jede Brücke rasch verlängern zu können. Wenn
nicht
ganz
unerwartete
Störungen
(sehr
heftige
Be
213
Studien über den Einschlieszungs- Krieg.
schieszung des Baues durch den Feind , plötzliche und sehr umfangreiche Ueberschwemmung)
eintreten ,
werden
die Brücken
spätestens
morgen Nachmittag um 3 Uhr bestimmt vollendet sein. Zu ganz derselben Zeit werden auch die den acht Brücken ent sprechenden acht Colonnenwege fertig gestellt sein . Der beifolgende Plan zeigt die Brückenstellen, sowie den Lauf der zu schaffenden Colonnenwege A. bis H. *) Die Arbeiten sind in folgender Weise vertheilt worden : 1 ) Die technischen Truppen des II. Corps erbauen die Mosel Brücken des Colonnenweges A. (der südlichste) und stellen diesen Weg westlich der Seille her. 2 ) Die Kaisergarde erbaut Brücken und Colonnenweg B. (etwas näher an Metz gelegen als A. ) ebenfalls in seinem ganzen Laufe westlich der Seille. 3) Die Genie- Hauptreserve, die technischen Truppen des IV. und VI. Corps , haben die Brücken G. (die südlichen der beiden
pro
jectirten auf der Insel Chambière) heut Nachmittag 4 Uhr vollendet und den Bau der Brücken H. (die am weitesten flussabwärts ge legenen auf der Insel Chambière ) begonnen . Diese Truppen stellen ferner die Colonnenwege C. bis H. auf dem linken Mosel-Ufer und der Chambière- Insel her. 4 ) Dem III . Corps ist die Erbauung der Seille -Brücken A. und B. und die Fertigstellung sämmtlicher Colonnenwege zwischen dem rechten Seille-Ufer und der unteren Mosel übertragen. 5) Die Festungspioniere bezeichnen und richten die Colonnen wege B. bis E. , so weit dieselben innerhalb der Stadt und dem Mosel - Fort laufen , her und unterstützen nach Beendigung dieser Arbeit nach Bedarf die Arbeiten des einen oder anderen Corps. Zur Verhinderung von Stockungen, Kreuzungen u. 8. w . erlaube ich mir folgende Vorschläge: Die Brücken werden mit Dünger belegt und durch Pechpfannen Jede Kriegsbrücke erhält eine starke Brücken gebildet , die an der Brücke gearbeitet Pontonieren aus Für die Zugbrücken und festen Brücken innerhalb der
bei Nacht erleuchtet. wache, haben.
Hauptumwallung stellt das Gouvernement Brückenwachen.
* ) Es liesz sich nicht ermöglichen, der vorliegenden Arbeit einen ent sprechenden Plan beizufügen . Von den vier Brücken, welche als neu erbaut bezeichnet , liegen zwei dicht oberhalb Metz auf dem nördlichen Theile der Insel St. Simphorien , zwei auf der Nordspitze der Insel Chambière. Die Redaction .
Studien über den Einschlieszungs-Krieg .
214
An dem Anfangspunkte jedes Colonnenweges werden eine An zahl Unteroffiziere und Mannschaften,
welche an der betreffenden
Linie gearbeitet haben und über den Lauf des ganzen Colonnen weges genau unterrichtet sind , bereit gestellt, um als Führer der Colonnenspitzen, namentlich bei Nacht , zu dienen . Eben
solche
„ lebende "
Wegweiser
(mit Laternen
versehene
Pioniermannschaften ) werden bei Nacht an allen den Punkten auf gestellt , wo sich Colonnenwege mit nicht zu benutzenden Straszen und Wegen gabeln und kreuzen . An Punkten, wo Haupt- und Hülfs Colonnenwege (erstere durch grosze, letztere durch kleine Römische Buchstaben bezeichnet) zusammenstoszen, bestehen diese „ lebenden“ Wegweiser aus Offizieren, die darüber unterrichtet sind ,
welchen
Weg der betreffende Truppentheil einzuschlagen hat und die für die richtige Direction der vorüber marschirenden Truppen verantwortlich gemacht werden . In den Straszen von Metz, wie in den Dorfstraszen, welche als Colonnenwege
benutzt
werden ,
haben
die Bewohner
die
Fenster
wäbrend eines Nachtmarsches zu erleuchten . Aller Verkehr der Civil - Bevölkerung in den Straszen von Metz, wie in den Dörfern, wird für die Dauer der Vereinigungsmärsche Die städtische Polizei wird zur Sperrung der ganz untersagt . Straszen verwendet. An den Endpunkten der Colonnenwege werden ebenfalls Offi ziere mit der erforderlichen Anzahl von Führer- Mannschaften auf gestellt , weisen .
um die Truppen in ihre Bivouaks und Cantonnements zu
Auszer den „ lebenden“ Wegweisern werden an allen wichtigen Punkten auch hölzerne Wegweiser aufgestellt, welche in groszen deutlichen Buchstaben die Aufschrift, z . B. Haupt- Colonnenweg A. oder Hülfs -Colonnenweg h . u . 8. w. , tragen . Die von den Truppen nicht zu betretenden Querwege etc. werden auszerdem noch durch solid e Barrièren, die nur einzelnen Reitern eine Passage offen lassen , geschlossen . Die Oberaufsicht über jeden einzelnen Colonnenweg und über die für seine regelrechte Benutzung getroffenen Maasznahmen führen diejenigen Offiziere, welche den Bau des Weges geleitet haben ; die den Weg benutzenden Truppen haben ihren Anordnungen Folge zu geben . *)
gez . B., Generallieutenant und Commandeur der Ingenieure.
*) Die Herstellung der Observatorien ist im vorstehenden Berichte uner wähnt geblieben , da deren Anlage sich an bestimmte Oertlichkeiten knüpfen
Studien über den Einschlieszungs - Krieg.
215
VI. Disposition zur Vereinigung des Heeres auf dem rechten Mosel- Ufer am Abende des 30. und am Morgen des 31. August. Armee- Hauptquartier Ban St. Martin, 30. August 1870 . 12 Uhr Mittags . Die Hauptkräfte des Einschlieszungsheeres stehen auf dem linken Mosel-Ufer ; hier befinden sich das VIII . und X. und Theile des VII . Armeecorps in den vorderen Linien .
Auch die Reserven sollen hier
stehen, ein Theil derselben jedoch der Armee von Châlons entgegen gerückt sein. Auf dem rechten Ufer befinden sich das I. und Theile des VII . Armeecorps, die 3. Reserve-Infanterie- und die 3. Cavallerie-Division . Die feindliche Vorpostenlinie läuft hier von Malroy über Rupigny Failly- Noisseville - Montoy - Colombey - La Grange - aux- Bois — Mercy-le-Haut - Crépy - St. Thiébault - ferme ,
nördlich Marly und
Augny nach Frescaty Château und von da bis an die Mosel bei Vaux. Die Befestigungsarbeiten scheinen nirgends weit gediehen zu sein . - In der Linie von Noisseville bis Colombey die beiden Orte ausgenommen -- stehen nur Reitervorposten ; auch weiterhin in südwestlicher Richtung bis an die Mosel sind meist Cavallerie-Ve detten ausgestellt. Die Armee vereinigt sich morgen früh auf dem rechten Mosel Ufer, um zunächst den dort befindlichen Feind zu schlagen . Hierzu befehle ich :
A) Anordnungen für den Abend des 30. August. 1 ) Der Gouverneur der Festung löst heute Abend 6 Uhr alle in den Forts stehenden Linien-Bataillone durch die zuverlässigsten Mobilgarden ab und verwendet von da ab zum Dienste innerhalb der Umfassung nur Nationalgarden, so weit möglich nur sedentaire. Bei einbrechender Dunkelheit lässt er alle auf dem rechten Mosel -Ufer befindlichen, so verfügbar gewordenen Linien-Truppen , denen sämmtliche irgend noch
verfügbar
zu machende,
wenn auch nur halb organisirte Freicorps, Mobil- und Nationalgarden,
muss , die sich nach dem Plane kaum feststellen lassen, die vielmehr der sorgfältigsten Recognoscirung an Ort und Stelle bedürfen . Es darf wohl angenommen werden, dass solche in hinreichender Anzahl hergestellt werden konnten und dass namentlich einem auf dem Thurme der Kathedrale einge richteten Beobachtungsposten kaum eine bei Tage ausgeführte Bewegung des Einschlieszungsheeres hätte entgehen können.
Studien über den Einschlieszungs-Krieg .
216
folgen , in Aufsehen erregender , geräuschvoller Weise , doch in strengster Ordnung nach dem linken Mosel-Ufer marschiren und diese Truppen ein Lager zwischen dem IV. und VI . Corps – die entsprechend Platz zu machen haben - beziehen . Die Queue dieser Marschcolonnen mu88 spätestens 8 '/ Uhr Abende im Lager eingerückt sein . Um 9 Uhr Abends übernehmen die dem Gouvernement unter stellten Truppen ( so weit als möglich sind Depot- [4.] Bataillone zu verwenden ) alle Vorposten auf dem linken Ufer.
Es ist nur vor
theilhaft, wenn diese Vorposten den Feind während der Nacht necken und beunruhigen. 2 ) Alle auf dem rechten Mosel -Ufer befindlichen Truppen der Armee und das Cavallerie- Corps beginnen Abends 7 Uhr ihre Zelte abzubrechen und Vorbereitungen zu treffen, welche geeignet sind, beim Feinde den Glauben an einen Abmarsch nach dem linken Ufer zu erwecken.
Ihre Trains sind auf engstem Raume
Stellen zu massiren , wo können .
und an
sie Truppen - Bewegungen nicht hindern
3) Punkt 9 Uhr Abends beginnen folgende Bewegungen : a) Das II. Corps – welches die durch zwei Batterien der Corps-Artillerie verstärkte 1. Infanterie- und die Cavallerie Division in den seitherigen Lagern unter Befehl des Ge nerals Vergé stehen lässt – rückt mit der 2. Infanterie Division ,
der Brigade Lapasset und den noch übrigen
zwei Batterien der Corps-Artillerie in ein Bivouak zwischen der Straszburger Strasze und der Seille. Unter die Befehle des II . Corps treten die fanterie- und die Cavallerie - Division des III .
1.
In
Corps.
Erstere bivouakirt dicht aufgeschlossen zwischen Borny (exclusive) und dem Fort Queuleu ; die Cavallerie Division bivouakirt, ebenso massirt , dahinter rückwärts bis zum Glacis von Metz, jedoch südlich der Straszburger Strasze. b) Das III. Corps
welches seine 1. Infanterie- und seine
Cavallerie - Division den Befehlen des II . Corps unter stellt vereinigt seine drei anderen Infanterie -Divisionen und die Corps- Artillerie in dicht gedrängten Bivouaks zwischen Borny (inclusive) und dem Vallière-Bache .
c ) Das Cavallerie -Corps - welchem noch die Dragoner- Bri gade IV. Corps zugetheilt wird – rückt in Bivouaks auf den Glacis der Forts Bellecroix und Gisors und belegt
Studien über den Einschlieszungs -Krieg.
217
Plantières (Theil nördlich der Straszburger Strasze) und Dorf Les Bordes.
d) Die Artillerie-Hauptreserve
welche um 8
Uhr Abends
vier Batterien des Regiments Nr. 13 zum VI. Corps ent senden wird schickt um 9 Uhr die anderen vier Batterien desselben Regiments auf Colonnenweg B. zum II. Corps und rückt mit dem Regimente Nr. 18 auf den Colonnenwegen C. und D. in den Rayon des III. Corps , unter dessen Befehle dieses Regiment tritt. e) Die Dragoner- Brigade IV. Corps marschirt auf Colonnen weg E. und tritt unter die Befehle des Cavallerie - Corps. Die unter d) und e) genannten Abtheilungen lassen sich ihre Bivouaks sogleich von den Commandeuren, unter deren Befehle sie treten, anweisen. 4) Um 92 Uhr Abends rückt das VI. Corps mit zwei seiner vollzähligen Infanterie-Divisionen, der Reiterei und seiner Corps-Ar tillerie (einschlieszlich der vier Batterien der Hauptreserve) in Bi vouaks um Fort St. Julien , südlich bis an den Vallière-Bach. Es benutzt die Colonnenwege F. , G. und H. 5) Die Ablösung der Vorposten auf dem rechten Ufer verein baren das II ., III. und VI. Corps untereinander. 6) Die Colonnenwege , Bivouaksplätze u . s. w. sind sogleich, ohne Aufsehen zu erregen , zu recognosciren und zu bezeichnen, überhaupt alle Maaszregeln zu treffen, um Kreuzungen und Stockun gen zu vermeiden.
Meldungen über die bezüglichen Anordnungen
und Croquis der gewählten Bivouaksplätze (aus denen Lagerung aller Truppen und der Trains ersichtlich) sind mir heute Abend 6 Uhr einzureichen. 7) Das Armee-Hauptquartier wird heute nach dem östlichsten Gehöfte des Dorfes Les Bordes verlegt ; seine erste Staffel über schreitet um 82 Uhr die Mosel auf Colonnenweg E., die zweite Staffel verbleibt in Ban St. Martin, wo mich Meldungen bis Abends 8 Uhr noch treffen. 8) Die Telegraphen- Abtheilung verbindet nach eingebrochener Dunkelheit das neue Hauptquartier mit allen Stationen und Obser vatorien und setzt während der Nacht die Leitung längs der Saar brücker Strasze bis zur äuszersten Feldwache fort. Der Ober Quartiermeister wird nähere Instruction ertheilen. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
15
218
Studien über den Einschlieszungs-Krieg .
B) Anordnungen für den Morgen des 31. August. Morgen früh Ufer auf :
um
3
9) Die Kaisergarde,
Ubr
brechen nach
dem
rechten Mosel
Colonnenwege A. , B. und C., Aufmarsch
zwischen Fort Queuleu und Borny, sobald dort Raum geworden. Die Pioniere Bach her.
stellen
zahlreiche
10 ) Das IV . Corps ,
Uebergänge
über
den
Colonnenwege D., E. und Ff.,
Chenau
Aufmarsch
hinter dem Gehöfte von Bellecroix, zu beiden Seiten der Saarbrücker Strasze. Die Pioniere stellen Vallière - Bach her.
zahlreiche Uebergänge über den
11 ) Der Rest des VI . Corps , Colonnenwege G. und H.
C) Allgemeine Bestimmungen. 12) Alle Truppen marschiren ohne Gepäck und Zelte und führen nur den Gefechts-Train mit. Die Märsche und der Fluss-Uebergang müssen mit Vermeidung jedes lauten Lärmes erfolgen. Ich erinnere daran , dass Nachtmärsche nur bei gleichmäszigem Marschtempo und dichtestem Aufgeschlossenbleiben aller Abtheilungen ordnungsmäszig auszuführen sind. 13) In den Cantonnements and Bivouaks des rechten Mosel Ufers muss während der ganzen Nacht lautlose Stille beobachtet werden . Wachtfeuer sind nicht anzumachen. Auf dem linken Mosel-Ufer dürfen vor vollständig
ein
getretener Dunkelheit keinerlei Aufbruchsvorbereitungen getroffen werden . In den dortigen Lagern sind durch Musik, Ge sang u. 8. w. lärmende Demonstrationen bis tief in die Nacht zu veranstalten . Auch sind von Abends 9 Ubr an dort überall zahl reiche neue Wachtfeuer ( als ob gröszere neue Lager bezogen würden ) anzumachen .
Die am Abende nach dem rechten Ufer mar
schirenden Truppen lassen durch zurückbleibende Train Mannschaften und Fuszkranke in den seitherigen Lagern die ganze Nacht durch Wachtfeuer unterhalten . 14) Munitions - Colonnen und Brücken
gezogen
passirt hat.
werden ,
Lazarethe dürfen
nachdem
die
ganze
erst über die
Armee
Zur Heranziehung benutzt :
das II. Corps Colonnenweg A., die Kaisergarde Colonnenweg B. und C., das IV . Corps Colonnenweg D. und E. , das VI. G. und H. 22 12
hin
dieselben
Studien über den Einschließzungs-Krieg.
219
Andere Colonnen und Trains dürfen ohne meine ausdrückliche Erlaubniss nicht herangezogen werden . 15) Sämmtliche Kriegsbrticken bleiben bis auf meinen besonderen Befehl stehen. 16) Heute Abend 6 Uhr treffen alle Corps- und Divisions -Com mandeure – im Behinderungsfalle die betreffenden Generalstabs chefs zur Empfangnahme der Angriffs - Disposition im Armee Hauptquartiere zu Ban St. Martin ein. 17 ) Jedes Corps
und das Gouvernement erhalten hierbei 20
Exemplare eines „ Planes der hergestellten Colonnenwege
und eine
Instruction über die zur sicheren Benutzung der Brücken und Co lonnenwege schon getroffenen und noch zu treffenden Maaszregeln " .* Der Oberbefeblshaber, gez. A.
Vn.
Angriffs- Disposition für den 31. August.
Armee -Hauptquartier Ban St. Martin , 30. August 1870. 6 Uhr Abends . Die auf dem rechten Mosel - Ufer stehenden Truppen beenden ibre Gefechtsvorbereitungen noch Stille.
vor 3 Uhr früh in gröszter
1 ) a ) Das II. Corps vollzieht seinen Aufmarsch
derart, dass
sein rechter Flügel sich an das Fort Queuleu lehnt, sein linker sich auf dem Wege Borny - Colombey befindet und die zugetheilte Cavallerie- Division das letzte Treffen bildet. Gegen die feindliche Front Mercy - les - Haut Wäldchen von Ars - Laquenexy sind nur wenige Truppen zu entwickeln ; die Flügel zu massiren .
Hauptkräfte sind auf dem
linken
b ) Das III . Corps schlieszt sich mit seinem rechten Flügel an das II . Corps und entwickelt sich mit der Linken bis an den Vallière- Bach . Punkt 3 Uhr werfen sich die beiden Corps zunächst mit Front gegen Osten überraschend auf die feindlichen Vorposten in der Linie Noisseville - Aubigny Château — Wäldchen von Ars - Laquenexy und suchen in beschleunigtem ersten Anlaufe bis in die feindlichen Hauptstellungen vorzudringen .
*) Diese Instruction würde aus einer weiteren Ausarbeitung der im Be richte des Commandeurs der Ingenieure enthaltenen Vorschläge zu bestehen haben ; sie ist daher hier zur Vermeidung von Wiederholungen weggelassen worden. 15 *
Studien über den Einschlieszungs- Krieg .
220
Colombey und Coincy bilden dabei die ersten Directionspunkte für den linken Flügel des II. Corps ; Montoy, dann Flanville die des rechten Flügels des III. Armee corps. Das II . Corps soll die feindlichen Streitkräfte durch eine Rechts schwenkung nach Süden und Südwesten hin aufrollen und in oder über die Seille drängen . Das III . Corps wirft in steter Offensive den Feind nach Norden hin, indem es sich durch eine Linksschwenkung gegen die Linie Servigny - St. Barbe dirigirt. 2) Sobald unsere Infanterie in Besitz von Montoy und Coincy ist, geht das Cavallerie-Corps welches bis dahin zwischen Saar brückener Strasze und dem Wege Borny - Colombey dem rechten Flügel des III . Corps dicht auf gefolgt ist – Montoy
und Coincy.
Avancy
oder im Nothfalle
in die Lücke zwischen
Es wendet sich von da über Cheuby und über Hayes und Vry, die feindlichen
Stellungen im Rücken umgebend , gegen die Mosel-Uebergänge bei Argancy und Hauconcourt, und sucht dort die Brücken zu zer stören, eventuell ein Debouchiren feindlicher Truppen vom linken Ufer her möglichst zu verlangsamen. Recognoscirungen sind gegen die Linie Falkenberg (Faulque mont) - St. Avold -- Bolchen ( Boulay ) - Busenweiler (Bouzonville). Diedenhofen ( Thionville) möglichst weit nach vorwärts entsenden .
zu
3) Nachdem der hierzu erforderliche Raum gewonnen ist, nimmt das II. Corps die ihm zugetheilte Cavallerie - Division auf seinen linken Flügel und lässt dieselbe im Rücken des Feindes über die Seille gegen die Mosel- Brücken zwischen Jouy -aux - Arches und Corny vorgehen, um dieselben ebenfalls zu zerstören oder ein De feindlicher
bouchiren
Unterstützungen
nach
Möglichkeit
zu
ver
langsamen.
Die
Division
Château -Salins , vorwärts.
entsendet
Recognoscirungen
gegen
Baronville,
Nomény und Pont - à - Mousson möglichst weit
An der Eisenbahn Courcelles --- Remilly - St. Avold sind je nach günstigem oder ungünstigem Verlaufe des Kampfes flüchtige oder gründliche Zerstörungen vorzunehmen. 41 Das VI. Corps ist bestimmt , die feindlichen Streitkräfte in der Linie Malroy -- Failly - Servigny zunächst nur festzuhalten und zu beschäftigen , sowie etwa vom linken Ufer kommende feindliche Reserven vom Gefechtsfelde des III . Corps ab und auf
Studien über den Einschlieszungs -Krieg. sich zu ziehen.
Es eröffnet das Gefecht erst,
Flügel des III. Corps westlich engagirt ist,
221
nachdem der linke
und entwickelt anfäng
lich nur so viel Kräfte, als zur Erreichung seiner Aufgaben noth wendig sind.
Der
Moment energischen
Mitwirkens
an der
Ent
scheidung wird dem Corps von mir befohlen werden . 5) General Vergé wirft sich mit seinen Truppen Punkt 3 Uhr überraschend gegen die feindlichen Stellungen zwischen Seille und oberer Mosel , zerstört die Mosel- Brücken der Deutschen mög lichst bis Pont- à -Mousson bin, oder sucht
wenn diese Zerstörun
gen nicht vollständig gelingen - vom linken Ufer kommende Unter stützungen des Gegners auf sich zu ziehen und zu beschäftigen ; im letzteren Falle wird die Zerstörung der Seille - Brücken von Marly aufwärts anzustreben sein . 6 ) Ueber die Kaisergarde und das IV . Corps werde ich im Laufe des Kampfes verfügen. 7 ) Die mobile Division der Besatzung entwickelt sich morgen
früh 4 Uhr in der Linie Lorry -- Woippy und geht gegen die Linie Saulny - Bellevue und, wenn möglich, weiter gegen Norroy -le -Veneur und Sémécourt vor. Aufgabe ist die Hinderung feindlicher Kräfte am Abmarsche nach dem rechten Ufer; dieses Ziel ist im Nothfalle bis zur Vernichtung der eigenen Truppe zu verfolgen. Die Vorpostenstellungen des linken Ufers bleiben besetzt und sind auf der ganzen Vorpostenlinie Demonstrationen vorzunehmen . Die nicht ganz zuverlässigen Mobil- und Nationalgarden - Ba taillone sind während des Kampfes in Aufsehen erregender Weise dem Feinde zu zeigen, um diesen an starke Reserven glauben zu machen ; es ist jedoch zu vermeiden, dauernd auszusetzen .
sie
dem
Feuer des Feindes
8) Die Forts St. Quentin und Plappeville, sowie die Batterien des linken Mosel - Ufers beginnen morgen früh 2 Uhr ein langsames, allmälig lebhafter werdendes Feuer und suchen von Tagesanbruch an den Angriff der Besatzungs - Division und die Demonstrationen der Vorposten mit voller Geschützkraft zu unterstützen . Die Forts Queuleu, Les Bordes und St. Julien und die Batterien des rechten Ufers betheiligen sich am Kampfe erst, nachdem dieser vor ihren Fronten lebhafter und nachdem es vollständig Tag ge worden ist. 9 ) Ich werde mich von Tagesanbruch
an
beim Gehöfte von
Bellecroix aufhalten (Gabelung der Strasze nach Saarlouis und Saar brücken ). Von jedem Corps, vom General Vergé und von der Be satzungs - Division, ist um 3 Uhr früh je ein Generalstabsoffizier zu
222
Studien über den Einschließzungs- Krieg.
meinem Stabe zu schicken, wo er während des Kampfes verbleibt.*) Ich empfehle den Herren Corps- und Divisions -Commandeuren, sich durch derartige Entsendungen zu den Unter- und zu den Nachbar Abtheilungen einen guten Nachrichten- und Meldedienst zu organisiren. 10) Meldungen sind mir Seitens der Corps- und selbstständigen Divisions - Commandeure, sowie Seitens der Beobachtungsposten ** ) (Observatorien), auszer bei allen wichtigen Vorkommnissen,
regel
mäszig alle zwei Stunden zu erstatten. Der Telegraph ist dabei möglichst auszunutzen , doch sind von telegraphischen Meldungen stets Abschriften durch Ordonnanzen zu befördern ; tüberhaupt sind wichtige Meldungen in mehreren Exem plaren und auf verschiedenen Wegen zu senden. Der Oberbefehlshaber, gez. A.
VIII.
Mündliche Erläuterungen des Oberbefehlshabers bei Ausgabe
der Angriffs - Disposition . A)
An sämmtliche versammelten Truppenführer richtet. Die morgen von der Armee zu erfüllende Aufgabe ist :
ge
Ver
nichtung aļler auf dem rechten Mosel - Ufer befindlichen Streit kräfte des Einschlieszungsheeres und aller herbeieilenden feindlichen Unterstützungen . Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass 1 ) an der Stelle, wo der Einschlieszungsdienst nur von Reiterei versehen wird – in der Linie zwischen Noisseville und Colombey der Gürtel noch vor Tagesanbruch überraschend durchbrochen wird ; 2) die Lücke benutzt wird , um zwei Schlachtlinien, die eine gegen Nordwesten
gegen die Linie Servigny - St. Barbe
die
*) Offiziere vom Stabe des Obercommando's werden dagegen ebenso jedem Corps und jeder selbstständig kämpfenden Division zugetheilt. Diese Offiziere schicken , auszer bei wichtigen Ereignissen, noch alle zwei Stunden Meldungen über die Gefechtslage derjenigen Abtheilungen, welchen sie zugetheilt sind. **) Zur Leitung des Meldedienstes aller Beobachtungsposten werden Ge neral- Stabs- oder andere höhere Offiziere verwendet , welche in alle Einzeln heiten der beabsichtigten Operationen eingeweiht sind. Dieselben berichten nicht nur regelmäszig über alle feindlichen , sondern auch über die diesseitigen Truppenbewegungen. In wichtigen Fällen melden die Beobachtungsposten auch direct an die Corps- und selbstständigen Divisions - Commandeure. Von hervor. ragender Wichtigkeit wird der Beobachtungsposten der Kathedrale sein , Die Sichtung und Vergleichung aller beim Stabe des Obercommando's eingehon den Meldungen ist besonders zu organisiren .
Studien über den Einschlieszungs-Krieg. andere gegen Südwesten,
223
gegen die feindliche Stellung Ars - La
quenexy - Courcelles a. d. Nied zu bilden ; 3 ) dass beide Schlachtlinien, indem sie mit ihrem äuszeren Flügel den Hauptangriff führen und indem sie ihre numerische Ueberlegenheit
zur Umfassung des äuszeren Flügels des
Feindes benutzen, den Feind sowohl auf dem nördlichen, wie auf dem südlichen Schlachtfelde gegen und in die Mosel werfen, und 4) die anderen Truppen des Einschlieszungsbeeres durch Neben angriffe verhindert werden, zeitig zu unterstützen .
die beiden Hauptangriffspunkte
recht
Den decisiven Theil dieser Aufgaben sollen das II . und III. Corps, ersteres in der Richtung nach Südwesten, letzteres nach Nord westen zu , lösen .
Das Gelingen wird um so leichter sein, je über
raschender , gleichzeitiger und schneller die erste wärtsbewegung erfolgt
Vor
Ich empfehle daher, den ersten Aufmarsch in gröszter Stille zu SO ferner
vollziehen und nach der Uhr gleichzeitig anzutreten ;
lange es dunkel ist – das erste Treffen ohne vorgenommene Schützen , nur mit Gefechtspatrouillen vor der Front, in Flanken und Rücken, in Bataillonscolonnen mit Entwickelungsabstand, die hinteren Treffen , in noch gröszeren Massen zusammengehalten , vorwärts zu gehen und mit dem ersten
Storze schnellstens und so
weit als möglich vorwärts zu dringen ; also sich nicht durch schwache feindliche Abtheilungen , die in einzelnen Oertlichkeiten vielleicht verzweifelten Widerstand leisten, aufhalten zu lassen, son dern mit den vorderen Treffen an solchen Oertlichkeiten vorbeizu gehen und zu ihrer Bewältigung die Reserven zu verwenden. So werden das
II. und III . Corps ibren Aufmarsch ,
ersteres
gegen die Stellung Ars- Laquenexy - Courcelles a . d . Nied , letzteres gegen die Linie Servigny - St. Barbe, noch während der Dunkelheit 80 weit vollenden können, dass mit vollständig angebrochenem Tage der Entscheidungsangriff sogleich eingeleitet werden kann . Das VI . Corps ist bestimmt, den Angriff des III. Corps durch Festhaltung und Beschäftigung der in der Linie Malroy - Failly Servigny stehenden feindlichen Kräfte zu erleichtern und später zur Entschei sobald das III . Corps den Decisiv-Kampf beginnt
dung kräftigst mitzuwirken .
Das VI. Corps soll erst dann das Ge fecht eröffnen, wenn beim III. Corps der Kampf lebhafter geworden ist, doch wird es sich auch hier empfehlen, noch vor Tagesanbruch überraschend die feindlichen Vorposten bis in die Hauptstellun gen zurückzuwerfen , um günstige Stellungen für die Artillerie zu
Studien über den Einschlieszungs -Krieg .
224
gewinnen, aus denen diese im Stande ist , den Infanterieangriff namentlich auf die Linie Failly - Servigny frühzeitig und wirk samst vorzubereiten . – Das VI. Corps wird gut thun,
bei seinen
Einleitungskämpfen Infanterie möglichst haushälterisch zu verwenden ; es darf sich aber auch nicht scheuen, in energischer Weise Alles einzusetzen, falls der Feind starke Kräfte vom linken Ufer herüber zieht und Miene macht , dieselben gegen das III. Corps zu ver wenden . General Vergé hat zwischen oberer Mosel und Seille eine ganz selbstständige Aufgabe zu lösen, die jedoch mittelbar den Kampf des II. Corps ganz wesentlich unterstützen wird. Die dem II. und III. Corps empfohlenen Verhaltungsmaaszregeln werden auch hier für das erste Vorgehen gegen die Mosel- Brücken anzuwenden sein . Gelingt es feindlichen Reserven trotz alledem , vom linken Ufer herüberzukommen, so müssen dieselben um jeden Preis, auch bis zur Vernichtung der eigenen Truppe , festgehalten und be schäftigt werden. – Sobald das II . Corps im Verlaufe des Kampfes die Seille überschritten haben wird und gegen die Mosel-Linie vor rückt ,
treten General Vergé und dessen Truppen wieder unter die
Befehle des Corps -Commandeurs. Ganz selbstständig hat auch die Besatzungs - Division auf dem linken Mosel - Ufer ihren Kampf durchzuführen ; ihr Verhalten wird in ähnlicher Weise, wie es dem VI. Corps vorgeschrieben wurde, zu regeln sein . Wenn es dem Feinde im Norden oder Süden dennoch gelingt, Verstärkungen vom linken Mosel- Ufer her auf der Entscheidungs stelle in die Schlachtlinie einrücken zu lassen, 80 werde ich eines der beiden in Reserve gehaltenen Armeecorps auf dem äuszeren Flügel unserer gegen Ueberlegenheit kämpfenden Truppen einsetzen; dem betreffenden Corps wird alsdann
die Aufgabe
zufallen , den
äuszeren Flügel des Feindes zu umfassen und einzudrücken. Uebrigens empfehle ich den Herren Infanterie- Führern , ihre ge sammte Artillerie zu sorgfältiger Vorbereitung der Infanterieangriffe frühzeitig und unbekümmert darum ,
ob
die Artillerie dabei zu
Grunde gerichtet wird, zu verwenden ; die Angriffe selbst durch bald entwickelte starke Schützenschwärme einzuleiten und gründlich vor zubereiten, dann aber auch mit starken, ebenfalls in Schwärme oder kleine Colonnen aufgelösten frischen Kräften energisch durchzuführen . Umfassung der gegnerischen Stellung , rasche, kräftige und ent schiedene Offensive nach gründlicher Vorbereitung versprechen sicheren Erfolg !
Studien über den Einschlieszungs - Krieg.
225
Das Cavallerie - Corps und die Reiter - Divisionen vom II. und III. Corps suchen ihre Aufgaben ― unbekümmert darum , ob dabei die Verbindung mit den anderen Truppen ver loren geht
im Nothfalle auf weiten Umwegen zu erfüllen.
Die
beiden Reiter - Divisionen vom II. und III. Corps müssen bestrebt sein, hierzu baldigst in Verbindung zu treten und gemeinsam zu wirken. Wenn den Brücken nicht unmittelbar durch Pioniere bei zukommen ist , suchen.
so ist ihre Zerstörung durch Geschützfeuer zu ver
Erst wenn es gelungen ist ,
alle feindlichen Mosel- Ueber
gänge zu zerstören, oder wenn es sich herausstellt, dass Theilkräfte zu dem Zwecke genügen,
hat die Reiterei ihre Aufgabe in Unter
stützung des Kampfes der Infanterie - Corps durch Bedrohung des feindlichen Rückens zu suchen. Die weitere Ueberwachung der Mosel darf darüber nicht vernachlässigt werden. Wenn die Zerstörung aller Mosel-Uebergänge nicht zu ermög lichen ist , so muss doch das Vorrücken der vom linken Ufer kom menden feindlichen Kräfte durch die Artillerie, durch Anwendung des Fuszgefechtes an geeigneten Abschnitten und durch Bedrohung der Flanken der feindlichen Marschcolonnen verlangsamt und auf gehalten werden.
B) Instruction der Reiter - Führer nach Entlassung der übrigen Commandeure.
Sollte wider Erwarten der Sieg nicht errungen und unsere In fanterie wieder unter die Forts zurückgeworfen werden, so haben Sie sich doch einer erneuerten Einschlieszung um jeden Preis zu entziehen ;
Sie bahnen sich alsdann an irgend welcher Stelle einen
Weg durch die Einschlieszungs -Linien und suchen auf irgend welchen Wegen einen Anschluss an die Armee von Châlons- welche gestern in der Gegend von Stenay an der Maas eingetroffen sein soll oder auch an andere Streitkräfte unseres Vaterlandes zu bewerk stelligen. Verhaltungsmaaszregeln für solchen Fall vermag ich Ihnen nicht zu geben, nur will ich bemerken, dass das Cavallerie-Corps nach so erfolgtem Durchbruche kaum wird vereint bleiben können. Jede Division, unter Umständen sogar die einzelnen Brigaden und noch kleinere Abtheilungen, müssen sich alsdann selbstständig Weg Bagagen und Trains würden ihnen dabei
und Verpflegung suchen.
nur binderlich sein, bleiben daher hier zurück.
nach
den
getroffenen Anordnungen.
I.
Auf dem nördlichen Gefechtsfelde werden eingesetzt : das VI. Corps : 4 Infanterie-Divisionen, zugetheilt 1. Reserve- Cavallerie-Division und 4 Batterien der Hauptreserve Das III. Corps : 3 Infanterie-Divisionen, zugetheilt 8 Batterien der Artillerie-Hauptreserve . . Das Cavallerie -Corps (Garde-Cavallerie und 3. Reserve Division), zugetheilt die Dragoner-Brigade IV. Corps
vorstehend
Geschü tze .
Uebersicht der Truppenverwendung
Schwa dron en .
IX.
Studien über den Einschlieszungs - Krieg.
Bataill one .
226
96
40
4
39
4 138
-
48
24
| 79 | 56 | 258 II.
Auf dem südlichen Gefechtsfelde sollen kämpfen : das II. Corps mit 1 Infanterie-Division und der Brigade Lapasset, sowie den zugetheilten : $ 1 Infanterie- und die Cavallerie - Division III . Corps und 4 Batterien der Artillerie-Hauptreserve General Vergé mit 1 Infanterie- und der Cavallerie- Di vision II. Corps .
32
28
90
13
16
42
| 45 | 44 | 132
III.
General-Reserven : Die Kaisergarde, zugetheilt 1 Husaren- Regiment Das IV. Corps •
Wiederholung : Auf dem nördlichen Gefechtsfelde Auf dem südlichen Gefechtsfelde General- Reserven Gesammtzahl der Armee von Metz :
191999
I. II. III.
23 39 62
79 45 62 186
4 60 4 90 8150
56258 44 132 8150 108 540
Auszerdem auf dem linken Mosel-Ufer : 1 Infanterie-Division mit 13 Bataillonen, 18 Geschützen und eine Anzahl Depot truppen, halb organisirte Mobil- und Nationalgarden.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
227
XVI .
Friedrichs
des
Groszen
Soldatenthum
und
Heersystem. Eine militairhistorische Studie von
A. v. Crousaz, Major z. Disp. I.
Wesen and Grundlage .
Es ist allgemein bekannt, dass Friedrich II., König von Preuszen , Sich über jede Kritik erhob und gegen alle Welt behauptete , dass von Ihm die Elemente Seines Umkreises beherrscht und die Ereig nisse Seiner Zeit überboten wurden. Er stampfte Armeen und dann wiederum blühende Saatfelder aus der Erde ; Er schuf einen neuen Groszstaat und ein Europäisches Zeitalter , Sein Grösztes jedoch beruhte in dieser seltenen und das allfällige Voll- und Ueberge wicht einschlieszenden werden muss .
Vielseitigkeit,
welche
Ihm
zugestanden
Dies vorausgeschickt , bleibt es aber doch zweifellos , das der historische Friedrich zumeist auf dem Fundamente des Soldatenthumes steht.
Sein Aeuszeres stellt sich , bildlich und monumental als das
eines Helden dar ; in Seiner Bestimmtheit, Schnelligkeit und Autori tät beruhen groszmächtige
Soldatentugenden ; Sein Genie leuchtet
nirgends heller, als in der Strategie Seines Krieges und in der Tak tik Seiner Schlachten. Friedrichs Feinde waren wie Sand am Meere, aber Er schlug heute den Daun und morgen den Fermor oder Sou bise, - und sie schätzten Ihn Alle in dem Masze, wie sie Ihn fürch teten. Hätte Er doppelt so viel Weisheit, Hausväterlichkeit und Milde besessen , aber Seiner unfehlbaren Blitze entbehrt, die Welt würde für Ihn keinen groszen Namen, sondern nur ein Achselzucken gehabt haben.
Kriegskunst und Heerbann haben äuszerlich und
vor der Welt, also doch factisch und historisch, aus Friedrich II . von Preuszen erst Friedrich den Groszen gemacht. Wenn sich das so verhält, dann muss Friedrichs Soldatenthum um so mehr accentuirt, und ein volles Verständniss 80 eifriger angestrebt werden.
Man versteht
desselben um
es nur , wenn man
228
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heeressystem .
seine Wurzeln zu erfassen , seinen Umriss zu erkennen , und dann seine Hauptelemente zu zergliedern vermag. Das Soldatenthum Friedrichs wurzelte in Seinem Genie, in Seiner Erziehung und in dem Vermächtnisse Seines Vaters : Alles, was sonst noch angeführt werden könnte , ist nebensächlich , oder stellt sich mehr und minder unter diese groszen Gesichtspunkte. Das Genie ist die höchste und seltenste Gabe der Vorsehung. Es schlieszt den Erfindungsgeist und die Originalität ein , schafft stets ein , in Ansehung seiner Theile ,
zusammenstimmendes Ganze,
und nimmt seine Arbeiten aus sich selbst . Gedanke und That hängen ibm eng zusammen ; es geht mit Meilenstiefeln und erschlieszt jede Thüre. Das Genie wird stets nachgeabmt und bleibt doch der Nach ahmung unerreichbar ; es erleuchtet Seinen Horizont und ist eine Kraft, vor der sich die Kräfte beugen .
Wenn das wirkliche Genie
in seinem Grundwesen allgemein , stetig und kraftvoll ist , so kann es , durch Welt und Umstände ,
dennoch zerplittert oder concentrirt,
entwickelt oder geschwächt, in diese oder jene menschliche Haupt richtung geführt werden . Das Alles ist auf Friedrich voll anzuwenden.
Er erfand, aus
Sich Selbst , eine Kunst , welche das vorher Unmögliche möglich machte ; Seine Originalität war weltanschaulich, und aus dem , was Er schut , formte sich ein logisches und dauerhaftes Ganze . Wo Sein Donner rollte, schlug auch Sein Blitz ; Er flog sturmschnell von Ross bach nach Leuthen , aus Böhmen nach Zorndorf, und von Liegnitz nach Torgau ; Ihm erschlossen sich Thore , an die vorher noch kein Finger zu klopfen gewagt hatte .
Man hat Ihn in Oesterreich, Russ
land und Schweden nachzuahmen gesucht, aber nur zum Ruine Derer, die , ohne Götterkraft, das Feuer vom Himmel holen wollten . Vor Seiner Macht beugten sich alle Gegner und selbst an ihren Sieges tagen von Colin, Hochkirch und Kunersdort wurden sie von Ihm bis ins Mark erschüttert. Das Genie Friedrichs bätte durch wilde Triebe und frivole Culturmittel beschädigt werden können, – aber die Dor nen Seiner Jugend läuterten es , das militairische Commando raffte es zusammen ; es ging in die Heldenlaufbahn und verlor dabei Nichts von Seiner Allgemeinheit. Was that die Erziehung für diesen Genius ? wie hat sie ihn gefährdet, entwickelt , und zur Vollendung geführt ? - Sie begriff die heterogensten Kräfte : Französische und Deutsche Pädagogik, Soldatenthum und Poesie, Frivolität und Puritanismus, hohes Bewusst sein und äuszerste Demüthigung. Eine schwache Natur wäre durch
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
229
solchen Widerstreit ruinirt, diese titanische aber ist von ihm befruch tet worden.
Friedrichs Elementarschule beruhte zunächst auf jenen Prote stantischen Französinnen , welche die Aufhebung des Edictes von Nantes exilirt hatte. Aeuszerlich fromm , von engen Begriffen und peinlicher Formalität, waren sie ein in seiner Weise nobler, aber doch fremder Typus ,
welcher diesen Prinzen immerhin zu der Schwelle
Französischer Cultur leiten, doch Ihm andererseits sowohl die religiöse, als auch die weltliche Formalität, schon an der Wurzel, verleiden musste. Schwerer wog und Besseres leistete Sein Französischer ›,Präceptor“ Duhan de Jandun, welcher Ihm länger zur Seite blieb, Seine Neigung für das Französische Schriftthum weckte, und dennoch den Deutschen
und militairischen Einflüssen , welche sich geltend machten, nicht eigentlich im Wege stand . Weiterhin begeisterte Sich Friedrich für die Französische Literatur und Feinheit. Die Witz- und
Wortspieljäger schwärmten in Seinem Horizonte, Voltaire, d'Argens , d'Alembert etc. wurden Ihm grosze Anziehungspunkte der Französischen Welt ; aber der Franzosismus bemächtigte sich nur der wissenschaft lichen und ästhetischen Triebe Friedrichs, er drang nicht in den sitt lichen Kern Seines Wesens.
Man erkannte das späterhin sehr genau,
als Frankreich von Ihm bekriegt, Voltaire verstoszen und die Fran zösische Frivolität verurtheilt wurde. Dieser Französischen stand die Deutsche Jugendschule Friedrichs fest und streng gegenüber.
Den Hauptfactor derselben bildete Sein
Spartanischer Vater , dessen Thun und Wesen Ihn wohl bitter ver dross, dessen Joch Ihn schwer drückte, und den Er späterhin doch als den Grundstein Seines Gedeihens erkennen musste. Rauh, aber sitt lich , in jederFaser ein Deutscher Mann und Soldat , ______ so stand Er vor Seinem Sohne, so nahm Er Ihn in strenge Zucht, gab Ihm Deutsche und militairische Erzieher, und suchte Ihn praktisch und streitbar zu machen. Ringsum sah man Friedrich Wilhelms Genossen : Derschau und Flanns, Glasenapp und den Dessauer, - starke und starre Ritter aus Altgermanischem Eichenholze, die auf den Kronprinzen mächtig einwirkten ; die Deutsche Schule schmeckte Ihm bitter, aber sie griff tief und nachhaltig in Sein Inneres.
Die auf Friedrich einwirkenden Extreme dämpften sich gegen seitig ; jedes derselben stellte die Mängel und Vorztige seines Gegen stückes in das schärfste Licht. Je weiter der Prinz vorschritt, desto mehr gelang es Ihm , die heterogenen Elemente Seines Umkreises mit einander zu verschmelzen . Des Vaters Puritanischer und des Sohnes blühender Geist , Soldatenthum und Poesie , Zucht und Ge
230
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
schmack , Voltaire und Leopold,
Alles einigte sich unter den durch
das aufgehende Genie bestimmten Gesichtspunkten Friedrichs. Ver gleichend und folgernd , mit Sonderung , Combination und freiem Schaffen , gelangte Er dabin , Sich ein durch Französischen Einfluss gemildertes Deutsches Soldatenthum, und eine durch das Deutsche Element sehr modificirte Französische Form und Bildung aufzubauen . Das ist nur ein Seitenblick auf Friedrichs innere Genesis über haupt ; Seinem absolut militairischen Jugendcursus darf man etwas näher treten .
Bei der 1717 erfolgten Errichtung des „corps des ca
dets“ wurde Fritz dessen nomineller Chef, und mancherlei Hülfsmittel Seines Unterrichtes und Exercitiums entsprangen aus diesem Institute. Seinen militairischen Erziehern gab die Instruction vom 13. August 1718 auf : „ Ihm die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen ", auch bei zunehmendem Alter die Kriegswissenschaften mit Ihm vor zunehmen , damit der Prinz von Jugend auf angeführt werde , als Offizier und General zu agiren und Seinen ganzen Ruhm im Soldaten stande zu suchen . “
1723 exercirte Friedrich Seinem Groszvater, dem
König Georg I. von England, das „corps des cadets“ vor ;
1725 er
nannte Ibn der König zum Hauptmann, und bis 1728 rückte Er zum Oberstlieutenant vor. Die Leib- Compagnie des Infanterie -Regiments von Gersdorf war Ihm schon 1720 und etwas später das Cürassier Regiment Nr. 2.
verliehen worden ;
die Offizier - Uniform
und das
Patronat des „ corps des cadets “ behielt er bis 1730 . Zumeist wurde Friedrich durch das Königs eigenstes Thun militairisch angeregt , aber es geschah nach einseitigem Principe und mit übertriebener Strenge.
Wenn an sich die Philosophie der
is , deren Sich Friedrich Wilhelm I. an jeder Stelle befliss, ftir den künftigen Beherrscher eines Heldenvolkes viel Gutes in Aussicht gab, so pressten die engen Schablonen derselben Ihn doch allzusehr ein ; wenn Seinem hier und dort ausschreitenden Jugendgelüste eine ernste Begegnung nöthig schien, so musste doch durch jene zu eiserne Disciplin der genialen Natur Friedrichs zunächst eine verhängniss volle Fibrirung erzeugt werden . Vater und Sohn missverstanden sich , der Druck schuf Gegendruck und es trat die erschütternde Kata strophe von 1730 ein , welche , gleich vielen Ereignissen in der Menschheit, vorerst nur für Pein und Unglück galt, um nachher als ein groszes Gnadenmittel der Vorsehung erkannt zu werden .
Man
sah , auf ragender Höhe , diesen von der Vorsehung so reich ausge statteten Jüngling tief gedemütbigt . Aus der Armee gestoszen , ein Gefangener zu Cüstrin , - so stand Er in scharfer Feuerprobe ; es war ein ungeheurer Läuterungsprocess , das höchste Zuchtmittel
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
231
dieser harten Erziehung , die aber , gerade weil sie hart war, Fried richs Schwung mit der Praxis und zumeist Sein Genie mit der Selbst erkenntniss und Selbstbeschränkung in Einklang brachte. Ohne Praxis, Selbsterkenntniss und Selbstbeschränkung wäre Er nicht der Held des siebenjährigen Krieges geworden. Als Friedrich aus diesem Durchgange trat und jetzt die Fessel von Seinem Geiste, der Stein von Seinem Herzen fiel, da hat Er auch mit dem soldatischen Triebe frei herauszugehen , Sein Genie dem Kriegsberufe zu widmen , den Vater zu ehren und doch Sich Selbst zu behaupten vermocht.
Er durfte 1731 in den Kriegsdienst zurück
treten, und als Ihm im Februar 1732 das Infanterie- Regiment Nr. 15 verliehen wurde, und Er bei selbigem, zu Ruppin, Seinen Aufenthalt nahm , erschien hiermit ein neuer Abschnitt Seines Jugendlebens. Hatte die Periode bis 1730 Ihn vorgebildet, der nachherige Leidenskelch Ihn erschüttert und gereift , so trat Er jetzt in einen ganz speciell militairischen Cursus. Dieser beruhte in der seltensten Harmonisirung groszer und kleiner, äuszerer und innerer Dinge, und Friedrichs ganzes Verhalten drückte schon hier den seitdem von unserer Kriegsintelli genz stets bethätigten Grundsatz aus : dass das Studium der Kriegs wissenschaften nur dann ganz fruchtbar wird, wenn es sich mit der eingehendsten Sorgfalt für die mechanischen Uebungen ,
für den
Standpunkt jedes Recruten und alle Einzelnheiten der Disciplin und Oeconomie in Einklang setzen kann . Friedrich lernte zu Ruppin den Infanteriedienst im Lehren, und lehrte ihn im Lernen ; dass Er Sich hierbei hervorthat, wurde durch den stets exacter werdenden Zustand Seines Regimentes und die Anerkennung Seines streng kritisirenden Vaters erprobt. Je mehr Letzterer von Ihm den Eindruck eines wirklich strebsamen Offiziers empfing, desto vertrauensvoller wurde Er; endlich kam es so weit, dass Friedrich nicht blos aus Klugheit, sondern auch aus Liebe, in des Königs eigenste Neigungen einging, Jeder erkannte und Dieser Ihm Sein volles Vaterherz zurückgab. den Werth des Anderen , Jeder blieb, was er von Natur war , aber Sie hatten den Berührungspunkt ; Sie ergänzten Sich und der Ein klang Ihrer Berufserfüllungen stellte sich heraus , gerade weil Sie nicht in einem Klange waren . Friedrichs Exercitium zu Ruppin hielt Seine Studien nicht auf. Er las viel , forschte , unterschied , und ging auf den Grund jeder Sache.
Das ganze Kriegswesen, von Epaminondas bis auf Carl XII .,
entrollte sich vor Seinem Geiste . Er durchdrang die alten und neuen Autoren , und bildete Sich schon jetzt die Anfänge neuer Kriegsge danken .
Als der Polnische Erbfolgestreit Ihn zum ersten Male ins
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
232
Feld rief , beberrschte Er schon die militairische Friedenspraxis und war gleichzeitig auch ein theoretisch durchbildeter Offizier . Jener Krieg
zwischen
dem Deutschen Reiche und Frankreich
begann schon 1733 ; in ihm beruhte eine letzte, aber nur noch matte Arbeit Eugens von Savoyen . im Sommer
1734
zu
Das Preuszische Contingent stiesz erst
diesem Feldherrn ; etwas
später kam
auch
Friedrich , und zuletzt sogar der König und Fürst Leopold in dessen Heerlager.
Dem Kronprinzen war
für Sein Verhalten
in
diesem
Kriegscursus eine sehr strenge Instruction ertheilt, und man erkennt auch aus ihr die militairische Schule in der Er gezogen wurde. Der jetzt schon überlebte Eugen operirte in diesem Feldzuge nur macht los und Friedrich lernte als Feldherrnaspirant bier eigentlich blos, wie man es nicht machen soll ; aber doch empfing Er neue Apre gungen , denn der geringste Krieg beleuchtet das Soldatenthum schärfer, schafft tiefere Eindrücke und erprobt das eigene Selbst viel mehr, als die belangreichste Friedenspraxis. Friedrich gewann die Liebe Eugens, Er zeigte den Muth eines angehenden Helden und stieg in der Meinung Seines Vaters auf den Gipfel.
Dieser ganze Kriegs
ausflug des Kronprinzen dauerte nur wenige Monate ; der alte Des sauer , welcher gegenwärtig schon über den Zenith seines Lebens hinaus war, gab Ersterem während jener Zeit die schätzbarsten Finger zeige und führte Ibn dann nach Stettin , um Ihm die dortigen Festungs werke zu zeigen . Leopolds militairischer Einfluss auf den Kronprinzen muszte, nach Verhältniss ihrer beiderseitigen Fähigkeit, bedeutend sein .
Leopold
war eigentlich als Soldat ein groszer Mann ; das schlug überall durch und Friedrich erkannte es ganz besonders. Die Naturen Beider lagen allerdings im Widerstreite , deno : bier die Bärenhaut, der Polterton, die Personificirung von Werbesystem und rücksichtsloser Heeresdis ciplin , dort die humane Anlage und geniale Vielseitigkeit , der feine Ton und hohe Schwung ; sie mussten einander abstoszen. Leopold konnte nie der Freund und Vertraute Friedrichs .werden, das hinderte aber weder die Anerkenntniss Eines für den Anderen, noch
die zweckdienliche Wechselwirkung ihrer Gaben.
Friedrich
vermochte , weil Er der so beträchtlich Jüngere war , Seinem alten Lehrmeister erst nach Czaslau und Hohenfriedberg tiefere Eindrücke zu schaffen ; Leopold aber stand dem Königssohne schon seit dessen frühester Kindheit gigantisch vor Augen.
Solche Eindrticke in das
weiche Jugendgemüth verwischen sich nicht ; wo Vorbild und Ein fluss so stetig wirken wie hier, da wird auch eine bedeutende Gegen strömung , wenigstens im Hauptpunkte , überwunden.
So hat der
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
233
Leopold Dasjenige was der König für Seinen Thronerben that, mächtig zu unterstützen, höher heranzubilden vermocht ; und wenn Friedrich Wilhelm diesem Prinzen das Deutsche Soldatenthum einimpfte, so ist Er durch Leopold zum Feldherrnthume angeleitet worden.
Hätte
dieser Anleitung und überhaupt dem stetigen Einflusse nicht jene Verschiedenheit des Grundwesens entgegengewirkt , so würde Fried rich zu viel vom Dessauer angenommen haben, und in diesem Falle das, was Er wurde, doch nicht voll und ganz geworden sein . Fried richs literarische Urtheile rühmen das Soldaten- und Feldherrnthum jenes Lehrmeisters, und als Er zur militairischen Vollendung kam , spiegelte sich Leopolds eiserner Wille , seine Herkulische Kraft in Friedrichs bedeutendsten Kriegsthaten. Hohenfriedberg und Kessels dorf unterschieden sich , der Methode nach, sehr bedeutend, aber sie hatten in der Bewältigungskraft der Preuszischen Feldherren einen noch gröszeren Uebereinstimmungspunkt.
Wenn Leopold mit dem Fusz
volke und Friedrich in Seinen glänzendsten Actionen mehr durch die Reiterei entschied , Ersterer mit der Front auf die Front stiesz und Letzterer Sich der schiefen Schlachtordnungen und Flankenangriffe bediente, so waren das Zeit- und Kunstvariationen, Producte minderer und höherer Geistigkeit , und vielleicht noch mehr der empirischen und wissenschaftlichen Auffassung, Sieges.
aber nicht Grundelemente des
Die vortreffliche Disciplin, der Todesmuth und die Helden
kraft , die wunderthätige Impulsirung der Truppen , das leuchtende Vorangehen, der blitzende und stets wandellose Entschluss, die Aus dauer und Rastlosigkeit --- diese drangen bei Höchstädt und Rosz bach , bei Turin und Leuthen, in der Stresower Defensive und beim Zorndorfer Angriffe durch. Leopolds Herkuleskeule ging auf Friedrich über ; sie wurde von Diesem verbessert und kunstfertiger geschwungen, aber doch blieb es dieselbe alte Todtschlägerin, vor der schon 1704 die Feinde gezittert hatten.
Wenn Friedrichs Kriegserfahrung von 1734 pur klein gewesen war, so hatte sie doch Seinen Horizont erweitert und Seine Lust und Liebe zu den Waffen noch mehr gekräftigt.
Auch leitete sie
Ihn zu kriegspolitischen Gedanken, und wenn Er den Oesterreichischen Misserfolg bis zu seinen Wurzeln erforschte , so knüpfte sich hieran schon der erste Anfang einer sechs Jahre später in ihre Fülle tre tenden patriotischen Kriegsspeculation . Von dem, was Friedrich 1734 genossen, wollte Er mehr haben ; was Er dort noch verfehlt , sollte in einem zweiten Kriegscursus nachgeholt werden , ―― aber diesen Wünschen begegnete ein väter „ Es ist auch liches Veto. Wenn dabei der König u. A. sagte: 16 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine, Band XXII.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
234
noch sehr ungewiss, ob was Rechtes am Rheine vorfallen wird, weil es dem Kaiser an der Hauptsache fehlt, und würde man nur das Geld unnütz verschwenden , um , wie voriges Jahr , ein Zeuge der Kaiserlichen Inaction zu sein , welches aber nicht gloriös für einen Kronprinzen von Preuszen sein kann ,“
– so bestärkte dies den
Prinzen in Seinen die Kriegsschwäche Oesterreichs betreffenden Er wägungen ; andererseits ist Ihm dadurch das sehr heilsame Axiom eingeschärft worden :
so lange günstige Aussichten fehlen ,
mit der Kraft, dem Gelde und zumeist mit dem Eintreten einer groszen Per son zurückbaltend zu sein . Nachmals war es ja ein Bestandtheil
der Grösze Friedrich's, dass Er ohne groszen Gegenstand Sich nicht regte, aber jeden Strobbalm verfocht, wo es bedeutende Zwecke zu erfüllen galt . Im August 1736 bezog Friedrich das Ihm vom Könige geschenkte Rheinsberg ; die Olympiade Seines dortigen Aufenthaltes gilt für die eigentliche Frühlingszeit Seines Geistes . Dabei hat sich aber auch ein Irrthum eingeschlicben , denn das gewöhnliche. Urtheil spricht jenen Tagen von Rheinsberg kaum mehr zu, als dasjenige, was im Bereiche der Poesie und des Genusses lag.
Diese Täuschung wurde unseren
Feinden verhängnissvoll ; sie übersahen den auf grüner Oase und zwischen ihren Blumen still arbeitenden Kriegsgeist , und darüber schlief ihre Wachsamkeit ein . Der Kronprinz widmete Sich hier überhaupt einer allseitigen Geistesarbeit und stand in einem Kreise höchst verschiedener und doch zusammenstimmender, durchweg be deutender Männer ; Sein Rheinsberg sah aus wie ein Lustgarten und war doch die profundeste Akademie .
Friedrich war einer von den
wenigen Menschen , die man einen Ansatz dazu nehmen sab , aus dem Stückwerke vieler Materien eine universelle Wissenschaft zu bilden, und Er
kam damit doch so weit , manche Strömungen des Geistes,
welche sich sonst Abbruch thun , zweckdienlich zu vereinigen .
So
gedieb und wuchs auch Sein Soldatenthum in Gemeinschaft mit dem poetischen und gelehrten Streben.
Wenn Er im Horaz las, so nährte
dies Sein inneres Feuer ; die Geschichte hat Ihn kriegspolitisch und die Philosophie immer scharfsinniger gemacht. Begeisterte Ihn Vol taire, so hat Er doch gleichzeitig mit dem Oberst Camas correspon dirt und mit diesem das Infanterie -Reglement und eine wünschens werthe Besserung des Unteroffiziergehaltes
erörtert ; sah
man den
Maler Pesne und den Tonsetzer Graun in Seinem Reigen , so stand Ibm der Ingenieurmajor Senning nicht minder nabe ; repräsentirte Ihm Oberst von Keyserlingk die Verfeinerung des Soldatenthumes, so blieb dessen Deutsche Urkraft und Präcision durch den General
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . von Stille vertreten.
Vom alten Dessauer empfing Friedrich ,
235 auch
zu Rheinsberg , allerlei Hülfen des Kriegsstudiums. Bald waren es bald Belagerungspläne etc. , und der Kronprinz sprach
Ordres und
Sich, sowohl gegen den König, als in Seinen Briefen an Camas über Alle Belehrungen von Seine Werthhaltung dieser Lectionen aus . Auszen gingen in Friedrichs Mark , durch alle Eindrücke und Stu dien bekräftigte sich Seine jetzt schon rege Selbstthätigkeit. Er sann auf eine Vermebrung der Armee ; in Seinem der Kronprinzlichen Zeit entsprungenen Anti - Macchiavell sind auch militairische Fragen, vom Standpunkte der Staatsweisheit aus, erörtert. Der Bayard- Orden, welchen Er 1736 stiftete, verpflichtete seine Mitglieder zum Helden muthe, so wie zu Kriegsstudien und ritterlichen Sitten , und war in unserem Vaterlande die erste ,,militairische Gesellschaft" , also auch die erste telligenz .
sociale Sammlung und Systematisirung militairischer In
Wenn dies Alles in Betracht kommt, so gewinnt man den Ein druck, dass Friedrich jetzt schon über die Selecta Şeiner militairischen Schule hinaus war und bereits auf derjenigen Staffel stand, wo es zu Seinem kriegerischen Auftreten nur noch des historischen Stichwortes bedurfte. Zu Seiner aus dem Genie und der Erziehung entsprungenen inneren Machtvollkommenheit brauchte Friedrich , um Seine Rolle spielen, Seine grosze Mission erfüllen zu können , auch äuszerer Hülfen und Hebel . Er hätte mit leeren Händen nicht Schlesien zu erobern, ohne eine Ueberlieferung an System , Geld und Waffen, trotz Seines Geistes , nicht die Groszmächte Europa's in langer Dauer zu bekämpfen und zu besiegen vermocht. Diese Ueberlieferung dankte Er : dem Vermächtnisse Seines Vaters. Friedrich Wilhelm I. sab ein , dass Preuszens Weltstellung von seiner Schlagfertigkeit ab bing, und suchte deshalb diese, so viel als immer möglich , zu mehren und zu bessern . Sparsamkeit, Formation und Exercitium, das waren die Hauptelemente Seiner Lebensarbeit; wenn Seine Schablonen belächelt wurden , so geschah es mit der Thorheit Derer , denen beim verspot teten Balancirschritte der Recruten nie einfällt, das diess das Alpha zur Souverainetät der Waffen ist.
König Georg II .
von England
nannte ihn „ seinen Bruder den Corporal“ ; die Franzosen , Oester reicher und Russen begriffen nicht, dass man , bei der „ Potsdamer Wachparade “ das Messer für ihre Kehlen schliff. Friedrich Wilhelm drillte Sein Heer und eigentlich Seine Nation, aber Er musste sie drillen , um aus einer besiegbaren eine unbesiegbare Phalanx zu bilden .
Keine
Nation , die nicht ursprünglich solch eiserne Selbstherrscher besasz, 16 *
236
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
hat es noch jemals zu etwas Groszem gebracht ; selbst die politische Freiheit kommt nur durch strenge Disciplin, und zu dieser letzteren müssen die jungen Völker, so lange bis sie ihnen zur anderen Natur wurde, von starken Herrschern herangezwungen werden . Was würde denn geworden sein, wenn Friedrich Wilhelm nicht gedrillt und der Dessauer nicht geprügelt bätte ? Man hätte jedem humanen Heeres bildner damals ins Gesicht gelacht , kein Bataillon wäre in Reihe und Glied geblieben, die Trägheit und das Chaos würden uns schliesz lich zu Tode gedrillt haben , statt dass uns Friedrich Wilhelm zum Leben drillte . Das Heersystem Friedrichs ist in demjenigen Friedrich Wilhelms schon vorgebildet; beide sind im Hauptsächlichen dasselbe Wesen, und verhalten sich zu einander, wie die ursprüngliche zu der zweiten und vervollkommneten Ausgabe eines Werkes.
Friedrich Wilhelm über nabm 1713 ein schon kriegsberühmtes, aber doch nur dem vorherigen etwa Kurbrandenburgischen Staate entsprechendes Heer von 40,000 Mann ; dem gegenüber that Er Auszerordentliches.
Das Heer
wurde von Ihm um 28 Feldbataillone und 28 Escadrons vermebrt, und verblieb 1740 in einem Bestande von 83,468 Mann.
Der Offi
zierstand wurde mit dem inländischen Adel identificirt, und erhielt dadurch , als Ganzes , eine Ehrfurcht gebietende Stellung im Heere, wie sie damals durch den bloszen militairischen Rang und Rechts standpunkt nicht hätte ermöglicht werden können.
Auch der Offizier
erziehung wurde , durch Stiftung des „ corps des cadets “ geholfen. Die 1713 eintretende Reichswerbung hatte viel gegen sich, war aber doch in jener Zeit , wo sich dies nicht mehr und noch nicht anders ermöglichen liesz , ein klug erdachtes Nothmittel , um eine complete und schlagfertige Armee hinzustellen . Die Infanterie ist durch Fried rich Wilhelm und den Dessauer ganz besonders entwickelt worden. Sie erhielt den Gleichtritt, die Aufstellung in drei Gliedern , die ei sernen Ladestöcke, das von der Mündung abgebogene Bajonnet etc. Ihre Uebungen wurden so präcisirt, dass Friedrich der Grosze nach her an einer Stelle Seiner Werke von ihr sagen konnte : „ Dass in ihren Reihen , bezüglich der Hantirungen mit dem Ge wehre , nur ein Griff gesehen , nur ein Schlag , so wie beim Feuern nur ein Schuss , beim Marschiren nur ein Tritt gehört wurde , jede ihrer Bewegungen wie die einer Maschine war , deren Feder gezogen wird ."
Von der Disciplin der Armee Friedrich Wilhelms sagte der grosze König : „Man könne auf sie anwenden, was Vegez von den Römern sagte : „ Ihre Mannszucht machte , dass sie über die List
Friedrich's des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
der Griechen ,
die Stärke
237
der Germanen , die grosze
Leibeslänge der Gallier und
über alle Nationen der
Erde trumphirten. " Die neugeschaffene Ritterlichkeit des Offiziercorps war der eine, der hohe Begriff des Preuszischen Soldatennamens der andere Haupthebel dieser in der That von allen Völkern bewunderten Heeresdisciplin ; sogar der vielgeschmähte Preuszische Soldatenstock hat in jener Zeit, wo die Mittel der Humanität noch nicht wirkten, zu ihr bei getragen.
Trotz
seiner, und sogar ganz besonders vermöge der
durch ihn zumeist repräsentirten Strenge, trat der damalige Preu szische Soldat so fest und stolz auf, dass er Soldaten anderer Heere gar nicht mit sich in Vergleich stellen liesz. Er war von der Un fehlbarkeit und unwiderstehlichen Kraft des über ihm waltenden Regime's überzeugt, - das gab ihm den Felsengrund unter die Füsze. Wenn dieses Regime sich gemildert hätte, so würde er es für schwach gehalten, und ihm, auch nach Auszen hin, keine Siegesfähigkeit mehr zugetraut haben. Mit der Furcht wäre dann die Ehrfurcht, und mit dieser auch der Stolz des Soldaten gefallen ; er hätte sich nicht mehr als Glied eines groszmächtigen und aller Welt imponirenden Ver bandes gefühlt. Als Friedrich Wilhelm I. 1740 starb , hinterliesz Er dem Erben Seines Thrones vorerst im Blute und in der Erziehung die eigenen groszen Eigenschaften : den Eifer, die Präcision und Autorität , die ordnende und ernährende Kunst ; welch' ein Erfolg liesz sich diesen , jetzt ,
wo sie vom Genie gebandhabt wurden, vorhersagen !
kam ein gefüllter Schatz,
Dazu
ein ausgezeichnetes Heer, und eine be
wunderungswürdige Ordnung aller Staatsangelegenheiten. Mit diesen Hülfen konnte der Geist Friedrichs seine Flügel schon spannen ; wie sehr aber von Ihm Selbst der nachherige Aufschwung Preuszens Seinem Vater zugeschrieben wurde, das erkennt man am Schlusse Seiner „ Memoires de Brandebourg" aus den bedeutsamen Worten : Ist es wahr , dass man den Schatten der Eiche , welcher uns bedeckt , der Kraft der Eichel , welche sie hervor brachte , zu danken hat , so muss alle Welt zugestehen , dass in dem arbeitsvollen Leben Friedrich Wilhelms I. und in Seinen
weisen Maszregeln der Ursprung des
Glückes lag , dessen das Königliche Haus nach Seinem Tode genossen hat. "
Möge jetzt das fertige Soldatenthum Friedrichs sich in knappem Umrisse zeigen ; es bedarf nur einer Hindeutung auf
238
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
seine hauptsächlichsten Merkmale, um der nachherigen Erörterung Seines Heersystems ihren allgemeinen Hintergrund zu geben. Das Soldatenthum Friedrichs stand auf Seinem ererbten „ rocher de bronce “ fester, und zog, vermöge der groszen Naturanlage, mehr Gedanken in seinen Kreis, als dasjenige aller anderen neuzeitigen Kriegsmeister.
Es wurzelte in Weisheit und war poetisch durch
leuchtet ; seine Theorie und Praxis gingen stets zusammen ; es liesz Seine Thaten der Feder mit denen des Schwertes wetteifern. Friedrichs Soldatenthum multiplicirte dasjenige Seines Vaters, in ihm war das verfeinerte Heldenthum Leopold's , und man erkennt darin die nur zu gröszerer Weltwirkung gekommene Baukunst und Streitbarkeit des groszen Kurfürsten. mit der Offensive;
Es organisirte für den Krieg und kriegte
es brauchte einfache Mittel für grosze Zwecke
und that stets Ueberraschendes ;
aus ihm ist eine glorwürdige Ge
neralität, ein mächtiger corps d'esprit und eine über die vorherigen Vorstellungen hinausgehende Kriegskunst entsprungen. Letztere bing mit allen Wissenschaften zusammen, und stellte deutlicher als je heraus, dass es nur der menschliche Geist ist, welcher die Streit kräfte siegesfäbig machen kann.
Friedrichs Soldatenthum war so
wohl von dem Einflusse Anderer, als von den eigenen Privatneigun gen ganz unabhängig ; wie von Seinen Generalen nur Das , was Er ihnen gebot, vollstreckt wurde, so rücksichtigte auch Sein militairi sches Verhalten nur allein auf das Beste des Dienstes, die Interessen des Vaterlandes. Bei humaner Gesinnung liesz Er die eiserne Heeres disciplin gewähren, weil sie damals zur Heerestüchtigkeit unerläss lich war ; bei besonderer Vorliebe für die Franzosen schlug Er sie bei Rossbach dennoch bis zur Vernichtung, weil es im Interesse des Vaterlandes lag.
Friedrichs Soldatenthum erhob sich zur strengsten
Selbstkritik , und dies wird durch Seine Geschichte des ersten und zweiten Schlesischen Krieges ganz besonders anschaulich ; Er prunkte nie mit Seinen Siegen, und erkannte an, dass Ihm das Glück an vielen Stellen günstig gewesen sei. Endlich spricht sich auch, speciell in
dem Soldatenthume Friedrichs, diese Grösze aus , welche Sein
ganzes Wesen charakterisirt.
Die Grösze kommt mit der Tugend ;
nur wo der Heroismus Edles will, und, auch im moralischen Sinne, Gutes schafft, kann er in jene höchste Rangordnung treten. Friedrichs Soldatenthum schirmte ein kleines Reich mit groszem Rechte, es zeigte keine Theatercoups und Schwindeloperationen ;
es bediente
sich nie unedler Mittel, und effectuirte in seinen moralischen Grenzen dennoch mehr, als das schrankenlos waltende Soldatentbum Anderer. Blicke man, um dies anschaulicher zu machen, auf zwei
andere
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
239
gigantische Kriegshelden, einen vor und einen nach Friedrich, denen das Schiboleth soldatischer Grösze nicht zugestanden werden kann . Vorerst auf Carl XII. von Schweden ,
der wie ein Sturm über
Land und Meer flog, aber ohne Klugheit, ohne Selbstbeschränkung und ohne Rechtsbewusstsein war. Carl übertrieb auch seine Tugen den und verwandelte sie dadurch in Fehler, Friedrich aber gelangte durch jeden Fehler, welchen er beging, zu neuen Einsichten .
Carl
dankte Alles nur der Natur, Friedrich fügte diese mit der Kunst harmonisch zusammen. Sie verhalten sich mit einander wie Chaos und System, wie Mittelalter und Neuzeit , - wie Coriolan, als er
»Nagel auf Nagel und Brand auf Brand trieb “ ,
zum groszen Cäsar,
„ der, wie der Nordstern am Firmamente , leuchtete “ .
Carl XII. er
starb im Uebermasze und in der Ausschreitung ; Friedrich aber mit Seiner Selbstbeherrschung und Weisheit gelangte auf einen Gipfel der Welt. Und nun blicke man auf Napoleon I., der 40 Jahre nach Hu bertsburg den Erdtheil erschütterte, und doch keiner Siege mit Eins gegen Drei , so wie Friedrich , fähig war. Er stand auf der Revo lution,
wie Friedrich auf dem legalen Rechte ; Napoleons
Kriegs
willkür war unermesslich, und Friedrich schirmte nur Sein histori sches Eigenthum ; Niederlage haltlos ,
Ersteren machte das Glück übermüthig und die Letzterer kam weder durch Collin, noch durch
Leuthen , weder durch Kunersdorf noch durch Torgau aus Seiner ob jectiven Kriegshaltung .
Napoleons Soldatenthum hing sich an den
„ Stern “ und haschte nach Popularität ; dasjenige Friedrichs wurde nur von der Einsicht bestimmt und imponirte naturgemäsz. Ersterer Haut und Haare verspielte
und
Wenn
Letzterer bis ans Ende
groszmächtig blieb, so war dies die logische Folge ibrer Eigenarten . Das dem groszen Könige vorschwebende Ideal eines Feldherrn kennzeichnet Er in Seiner „ Betrachtung über die militairischen Ta lente und den Charakter Carl's XII.“ durch folgenden Ausspruch : ,,Um einen vollkommenen Feldherrn zn bilden , müssten sich Carl's XII. Muth , Standhaftigkeit und Thätigkeit , Marlborough's scharfes Auge und Politik , Eugen's an Plänen und Hülfsmitteln reicher Geist , Luxembourg's List , Montecucculi's Klugheit , Methode und Behutsam keit , und Turenne's Kunst , den glücklichen Augenblick zu benutzen , mit einander vereinigen. Aber ich be sorge , dass ein so herrliches Ideal nie zum Vorschein kommen wird. “ Und in der That :
eine volle Verwirklichung dieses Vorbildes
240
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
ist kaum denkbar ; man kann auch von Friedrich , wenn man Ihm nicht schmeicheln will, nur sagen, dass Er ihr nahe gekommen ist. Carl's Vorzüge besasz Er ohne ihre Uebertreibungen ; Marlborough und Turenne wurden von Ihm sehr überragt ; Eugen würde, mit all' seiner Anschlägigkeit , sich in den Kriegsumständen von 1760 an, doch schwerlich so wie Friedrich behauptet haben. Heldenmuth und Standhaftigkeit, Scharfblick, Erfindungsgeist und Kunstgeschick be sasz dieser Monarch überreich ; woran fehlte es Ihm, das Ideal ganz zu erfüllen? ― Seine Natur prägte zu sehr den Marcellus und zu wenig den Fabius aus ; Seine groszen Entwürfe und Kriegshandlungen lenkten Ihn bisweilen vom Einzelnwerke ab ; Sein kriegerisches Selbstgefühl griff an mancher Stelle zu weit, und Er liesz Sich da und dort vom Eigenwillen oder von der Erbitterung zu einer Versäumniss der nothwendigen Vorsicht und Selbstbeschränkung hinreiszen. Theilweise
ergiebt sich Dasjenige , was dem Feldherrnthume
Friedrichs fehlte, schon durch einen Hinblick auf Seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, denn ohne diesen hätte Er des abwartenden und defensiven Elementes entbehrt, welches zur Unterstützung Seiner Offensive nöthig war.
Heinrich wäre nicht universell genug gewesen,
selbstständig oder auch nur als Hauptfactor, einen siebenjährigen Krieg zu führen, aber er besasz mehr Correctheit fürs Einzelne und übereilte sich nie.
Wenn Friedrich auf Seinem Standpunkte genau
so gewesen wäre, wie Heinrich, so würde Er sicherlich keine Haupt schlacht verloren,
aber auch
vielleicht derjenigen Siege entbehrt
haben, welche Ihm der Sturmflug Seines Wesens einbrachte. Hätten Heinrichs Eigenschaften das Feldherrnthum Friedrichs verstärkt, so wäre das von Ihm aufgestellte Ideal vielleicht schon verwirklicht worden. Auch Leopold von Dessau operirte vorsichtiger, als Friedrich, und das springt bereits ins Auge, wenn man die allerdings sehr ver schiedenzeitigen und verschiedenartigen Ueberfälle von Stresow und Hochkirch neben einander stellt. Bei Stresow ( 1715) verschanzte sich Leopold , gegen die Willensmeinung der ihm untergeordneten Generale, sofort nach seiner Landung auf Rügen, und kam hierdurch in die Lage, Carl's XII.
nächtlichen Sturmangriff glänzend abzu
schlagen ; bei Hochkirch ( 1758) versäumte Friedrich auch die ge wöhnlichste Vorsicht, und zog Sich dadurch eine Niederlage zu. Und hier war es auch ,
wo eine Uebertreibung Seines Selbst
gefühles schon mehr ins Auge sprang, als an mancher anderen Stelle. Als Friedrich, der festen Position Daun's gegenüber, Sein sehr aus
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
241
gesetztes Lager bei Hochkirch bezog, leitete Ihn wohl nur das Ge fühl Seiner Ueberlegenheit und die Missachtung des Gegners. Dem Feldmarschalle
Keith,
welcher
scherzhaft bemerkte : „ Wenn
Oesterreicher uns hier nicht angreifen ,
die
verdienen sie gehenkt zu
werden", erwiederte der König : „ Wir müssen hoffen , dass sie sich mehr vor uns , als vor dem Galgen fürchten " . Das drückte in scherzhafter Form immer eine ernste Meinung aus, und mit dieser überschritt Friedrich diejenige Grenze der Selbstbeschrän kung, an welche auch grosze Menschen gewiesen sind. Bei Collin hat Friedrich wohl einen jener dunklen Momente ge
habt, mit denen kaum jemals irgend ein groszer Feldherr verschont blieb ; was das versagende Genie anfing, vollendete die Selbstwillig keit, und man verlor das Schlachtfeld , wo der Sieg schon so nahe lag. Wenn in der ungünstigen Situation von Kunersdorf Friedrichs Heldeneifer dennoch zur Forcirung des Gegners trieb , so hätte das mindestens mit Maszhaltung und Selbsterkenntniss geschehen sollen. Als der Russische linke Flügel geschlagen war, besasz eigentlich Friedrich schon die Ehre des Tages ; Er hätte in einem so schwieri gen Terrain und bei der sichtbaren Uebermüdung Seiner Truppen, Aber die Sich mit diesem mäszigen Erfolge begnügen müssen. Russen sollten vernichtet werden, der Bogen wurde gespannt, bis die Sehne riss .
So hazardirt kein ganz vollendeter Feldherr.
Alles zusammengerechnet, würde der König Sich bei Hochkirch behauptet und bei Collin und Kunersdorf belangreich gesiegt haben, wenn sich bei Seinem Genie nur kleine Bruchtheile von Leopold's kriegerischer Sicherheitspolitik , von Heinrich's Geduld und Zurück haltung, und — wenn man in die Folgezeit greifen will - von König Friedrich Wilhelm's III Selbstverläugnung befunden hätten. Ueber alle Drei ragte Er weit hinaus , und doch ――――――――― wie beeinträchtigend war es, dass einige ihrer Vorzüge Ihm fehlten ; es liegt eben in der Natur des Menschenwesens, dass jeder Gröszere von jedem Ge ringeren noch annehmen kann.
Friedrichs Soldatenthum begriff, nach Verhältniss Seiner ganzen Vielseitigkeit, zahlreiche Elemente ; es können hier aber nur die groszen Hinsichten, in denen es sich äuszerte, erwähnt werden . Jede derselben schlieszt einen reichen und unter mannigfache Gesichts punkte und Titel gruppirten Stoff in sich. Das Feldherrnthum , die Kriegspolitik , die besondere Kriegskunst , die militairische Organi sation und die Inspiration des Heeres , das Militairschriftstellerthum endlich, das waren die hauptsächlichen Ausstrahlungen von dem
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
242
Soldatenthume Friedrichs : jedes ein Reich des Geistes und der Arbeit für sich , und gleichzeitig ein präcise eingefügtes Glied der ganzen Kette. Sie alle wurden zumeist durch dieses hochgradige Genie Friedrichs, dann aber auch mit durch den Umstand bestimmt, dass Er als Soldat ein Monarch, und als Monarch ein voller Soldat war . Denn das Soldatenthum ist an sich etwas Anderes, als in seiner Ver bindung mit dem Königthume.
Dem Generale ist sein Commando
stab Alles, dem Könige nur einer von den vielen Hebeln, welche er zu regieren hat.
Wenn ersterer an der Spitze eines Kriegsheeres
steht, so liegt es ihm nur ob, in den von seinem Kriegsberrn ge gebenen Grenzen effectvoll zu operiren ; der Monarch aber muss, auch als Feldherr, ein über den Dingen schwebender Politiker und Philo soph sein . Er hat freie Arme und Lebensgeister, und der ihm ge gebene grosze Spielraum , so wie die in Seinen Händen ruhende Macht, müssen Sein Soldatenthum nach jeder Richtung bin impul siren ; der geniale Feldherr, Heeresbildner etc., ohne Souverainetät, fliegt mit einfachen , aber der nach diesen Richtungen hin durch das gleiche Genie ausgezeichnete Monarch mit doppelten Adlerflügeln. Auf das Feldherrnthum Friedrichs ist bereits hingeblickt worden .
Es hätte, wenn Er nicht der König gewesen wäre, nicht
so politisch, so frei und so durchgreifend sein können . Seine Kriegspolitik hing eng mit dem Feldherrnthume zu sammen. Er proportionirte Seine diplomatische Thätigkeit zweck dienlich mit den Bewandtnissen des Krieges ; die Stimmungen des In-
und
Auslandes ,
die
äuszeren
Combinationen
und
innersten
Wechselwirkungen der Mächte , erforschte und benützte Er stets be wunderungswürdig, – und selbst das Verborgene und Schwebende er reichte oftmals Sein Scharfblick . Als Heeresbildner verdreifachte der König nicht blos das Ihm überlieferte Heer ;
Er führte es
nicht nur über
augenfällige
Mängel hinaus und zu zeitgemäszer Fortentwickelung, so wie in die Schule des Krieges, – sondern diese Armee ist durch Ihn zu einem viel höberen Geiste und Bewusstsein gelangt.
Er weckte, erzog und
verwerthete die schlummernden Talente ; aus Seinen Händen ent sprang die unfehlbare Reiterei, die äuszerste Manövrirfähigkeit aller Waffen .
War Friedrich Wilhelms Generalität wacker, so wurde die
Seinige glorreich ; wenn in jenem kleineren Heereswesen sich der Mechanismus präcise zeigte, so ist er in diesem groszen wahrhaft kunstmäszig geworden.
Der ganze äuszere und innere Zustand des
Heeres steigerte sich unter Friedrich und durch Ihn nicht nach ge wöhnlichem Masz und Tempo, sondern im quadratischen Verhältnisse.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
243
In Seiner Kriegskunst bat Sich Friedrich den Talisman zu sammengesetzt, welcher die Mauern brach und die Riesen schlachtete. Sie wurde zuerst in den Werkstätten Seines Geistes eminent aus gearbeitet, dann ging sie auf die Schlachtfelder, um dort Wunder zu thun ; und im Ganzen sind der militairischen Wissenschaft durch sie neue Capitel beigefügt worden, deren Glanz und Grösze über alles Frühere dieser Art hinausging. Als Inspirator Seines Heeres leistete Friedrich Auszer ordentliches. Er machte die Heerführer zu Trägern Seines Geistes und
entflammte
die Soldaten
im
Willens Macht drang ins Mark ,
Glück
und
Unglücke.
Seines
Seine persönliche Autorität über
wältigte Jeden. Hier begeisterte Er mit ernstem Worte und dort wurde von Seiner Freundlichkeit der Niedergeschlagenste aufgerichtet. Diese directe und geistige Einwirkung bildet den Hauptpunkt, doch :
geschah auszerdem noch Vieles .
:
ments , die Friedrichs eigenste Arbeiten waren, wurde nachhaltig ein
Durch Instructionen und Regle
gewirkt ; in das Militairbildungswesen brachte Er Schwung, und Offi ziere von besonderer Befähigung , aus denen allmälig ein General stab geformt richtet .
werden
sollte ,
wurden von Ihm
persönlich
unter
Die militairische Literarthätigkeit des groszen Königs steht so vielseitig, tief und frei da, dass mit ihrer Gesammtheit wohl keine andere ihrer Zeit, und bezüglich ihrer Originalität und Mannig faltigkeit kaum überhaupt irgend ein Militairschriftstellerthum ver glichen werden kann . Wie viel Kriegsgeschichte und welch’ lange Reihe absolut kriegswissenschaftlicher Aufzeichnungen ! welche Schule des höheren Soldatenthumes auch in Friedrichs Philosophie und Staatswissenschaft, und wie viel Goldkörner selbst in den Corre spondenzen und verschiedenartigen Aufsätzen ! Wenn dies aus der Fülle eines entwickelten Genie's hervorging, so hat doch Friedrichs monarchische Machtvollkommenheit viel dazu beigetragen, dem Genie, auch nach dieser Richtung hin , die Wege zu bahnen. Hülfe hätte, in jener Zeit ,
Ohne diese
Seine Feder kaum eine so kühne Ver
treterin der gröszten Wahrheiten werden können, und Er würde, als bloszer General, auch nicht die weite Uebersicht und tiefe Er fahrung, welche Er dazu brauchte, gewonnen haben. Das sind die Hauptelemente Seines Soldatenthumes.
Im Centrum
derselben steht Sein kriegsherrlicher Beruf , in diesem vereinigen sie sich und durch ihn werden sie bestimmt. Die nachfolgende Erörterung des Heersystems Friedrichs enthält einen Versuch, auch in das Einzelnwesen eines Theiles dieser Elemente so weit
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
244
einzugehen , als dieses in den Grenzen eines bloszen Aufsatzes mög lich ist.
II.
Friedrichs Heersystem .
Wenn einzelne Erkenntnisse zusammengefasst und nach der Idee des Ganzen geordnet werden , so bildet sich hierdurch ein System .
Dasselbe
muss , für seine Principien und Regeln , auch
einen Körper , nämlich die der vorhandenen Gedankenrichtung ent sprechenden Objecte haben ; je planmäsziger es diese zu behandeln und dem Menschenleben zinsbar zu machen vermag , desto gröszer wird seine reale Bedeutung sein .
Das Heersystem hat es , auf solche
Weise , mit einer Truppengesammtheit zu
thun und begreift alle
äuszeren Einrichtungen und geistigen Triebfedern derselben ; seine Lebensfähigkeit wird durch Weltverhältnisse und Personen bestimmt, und es muss nach Maszgabe seines Zeitalters und Erfolges beur theilt werden . Von dem Heersysteme Friedrich's des Groszen weisz man be reits , dass es im Wesentlichen bei den von Friedrich Wilhelm I. überlieferten Principien blieb. Nur der Spielraum wuchs, nur Ein zelnes veränderte sich , und die Betriebskraft, welche 1740 ans Ruder kam, hat das still liegende in ein rastlos arbeitendes Capital zu verwandeln gewusst .
Der Stab wurde zur Keule , der Sieg ver
werthete das Heer und erwarb ibm die Bewunderung aller Völker. Das Heersystem Friedrichs gab der zweiten Hälfte des 18. Jahr hunderts ihren militairischen Ausdruck und ist allseitig nachgeahmt worden ; je weniger dies aber gelang , desto mehr liesz sich daran der eigentliche Schwerpunkt dieses Systemes erkennen . Principiell war von ihm die Humanität nicht mehr ausgeschlossen, als von den Heersystemen der anderen gleichzeitigen Völker, und der Hauptunterschied lag hier nur in der viel gröszeren Kraft, mit welcher das Preuszische System stets durchgesetzt wurde , während man anderwärts oft bei bloszen Intentionen blieb. Im Mechanismus
bedingte unser System eine gröszere Präcision und Beweglichkeit ; hätten diese erreicht werden können , so würden alsdann die sonstigen Unterschiede des Mensehenmateriales und Apparates das Ausland nicht mehr verbindert haben , sich ein äuszerlich eben so gutes Rüstzeug zu schaffen . Man erschwang das, im Zeitalter Friedrichs des Groszen, nicht vollständig ; wenn es aber auch erschwungen worden wäre, so würde dies die Uebermacht des Preuszischen Systemes damals kaum ver mi ert haben, denn sie lag in etwas Unerschwinglichem : dem Genie
Wants
Friedrichs der Groszen Soldatenthum und Heersystem . und den Kräften Friedrichs.
Er nur beseelte
245
den Apparat und
machte ihn siegreich ; in der Meisterhand wird jedes Werkzeug zum Zauberstabe, wenn aber kleine Geister auch den Griffel Homers und das Schwert Alexanders haben, so kann damit doch keine Odyssee geschaffen und kein Weltreich erobert werden.
Friedrichs Geist
durchdrang die Soldaten und Heerführer, der Abglanz desselben war tiberall und
strahlte noch in das
19. Jahrhundert herüber ;
Sein
Heersystem ist nur durch Ihn eine Welterscheinung geworden, und in Ibm allein beruht also der Schwerpunkt des ersteren.
Machte Er die Vorzüge dieses Systemes grosz und wirksam, so sind auch dessen offenkundige Mängel durch Ihn bis zur Ungefähr lichkeit gemildert worden .
Der Pedanterie stellte er den Geist, der
harten Disciplin Seine Huld und Väterlichkeit, den excentrisirenden Wirkungen des Ausländerwesens die Spannung der Kräfte und eine stete Befriedigung des Soldatenherzens , dem starren Adelsprincipe Seine Verdienstschätzung und freie Begriffsweise gegenüber. Wo in einem Heere so viel Kraft und Ordnung und Humor ist,
wie in
demjenigen Friedrichs, wo der Kriegsherr in solchem Masze wie Er bewundert , aus Bewunderung geliebt und für unfehlbar gehalten wird, -- da drücken die Fesseln nicht mehr ; das herrschende Regime verwandelt sich dort in eine Art Vorsehung und die eisernen Zucht mittel gelten nur noch für unerlässliche Hebel des Ruhmes. Wenn aber Friedrich von hohem Geistesschwunge und humaner Begriffsweise, dem Zeitalter voraus und der allseitigen Volkswohl fahrt beflissen war , ―――― wie hat Er da ein Heersystem des Stockes und Zopfwesens überhaupt mit Seinen Ueberzeugungen zu vereinigen, es zum Gegenstande Seiner Werthhaltung und Conservation zu machen vermocht ? Warum ist nicht die überlieferte Schablone von Ihm gesprengt, das Nationalheer geschaffen , Bildung , Wissenschaft und Humanität zur Axe des Heerwesens gemacht worden ? Die Antwort hierauf giebt schon der Umstand , dass Friedrich kein halber, sondern ein ganzer Philosoph war. Die volle Weisheit geht auf den Grund der Dinge, sie ermisst das Mögliche und rechnet nur mit Thatsachen.
Auch Zepter und Genie können nicht gegen den
Zeitstrom , sondern nur mit ihm schwimmen ; wo sie ihm entgegen streben , da verschlingt er sie und ihre Werke. Hätte Friedrich Seiner Zeit Gewalt anthun , das Adelsprincip und die strenge Dis ciplin verstoszen , ein verfrühtes Nationalheer schaffen wollen ,
so
würde Er die Kräfte und Sympathien Seines eigenen Machtbereiches gegen Sich bekommen und die groszen patriotischen Zwecke , auf welche es ankam ,
schwerlich erreicht haben.
Kein Truppentheil
246
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
hätte damals einem humanen Regime gehorcht; die Nation konnte das Menschencapital, welches erforderlich war, nicht aufbringen ; wie wenig die Autorität des Adels sich zu jener Zeit im Heere entbebren liesz, das sah ' man in den letzten Jahren des siebenjährigen Krieges an dem damals sehr gemischten Offiziercorps. Wenn Friedrich in das System Seines Vaters hineingewöhnt war, so konnte das bei einer so freien und selbstständigen Natur nicht den Ausschlag geben ; wenn , nach allgemeiner Menschenregel, auch Seine Erkenntniss nur Stückwerk blieb, so ist Sein Thun und Unterlassen hiervon nur im Einzelnen , aber nicht im Hauptwesen berührt worden . Er besasz unläugbar den Herrschaftstrieb , aber gerade deshalb würde Er die Humanität , wenn sie ein wirksames Element Seiner Zeit gewesen wäre , Sich dienstbar gemacht haben . Es ist behauptet worden , dass Friedrich die Nothwendigkeit einer humanen Heeresreform unterschätzt und die Mühen und Gefahren derselben zu hoch angeschlagen habe, aber dieses Urtheil misst die Dinge vor hundert Jabren mit der jetzigen Begriffsweise, während man sich, um ihnen gerecht zu sein, in die damalige versetzen muss . Alles erwogen, kann in dem Tagewerke dieses Monarchen Ein
zelnes angefochten, aber das Grosze und Ganze nur um so mehr be wundert werden, je weniger sich die Ueberzeugung, dass darin Alles voll bewusster Planmäszigkeit gewesen sei, durch irgend Etwas er schüttern lässt. Da die für Staat und Heer Ihm vorschwebenden Ideale sich in Friedrichs Zeit nicht verwirklichen lieszen, so arbeitete Er , groszen Maszstabes, für ihre zukünftige Erfüllung. „Man braucht feste Grundmauern , ehe an die innere Wohnlichkeit des Hauses zu denken ist ; für Preuszen muss ein Standpunkt erkämpft werden, auf dem es der Hort Deutschlands werden und dieses zu neuer Glorie Es geht dabei „ per aspera ad astra “ , man nimmt bringen kann . nur wirksam Werkzeuge, wie man sie in der Zeit finden kann , und durchgreifend, damit das Postament geschaffen und die Gefahr entfernt werde .“ Staat und Heer werden sich weiter entwickeln, der das ist ja nur eine Zeitfrage, Humanität wird ihr Recht werden ; und der Philosoph von Sanssouci zieht die spätere und solide
Ver
wirklichung Seiner politisch-socialen Grundsätze , welche Er nicht mehr erleben wird, einem augenblicklichen Aufbaue vor, welcher ohne historische Folgerichtigkeit und also nur hinfällig sein würde. Er ist kein kleinkrämerischer und egoistischer Speculant des Fortschrittes, sondern man stelle Ihn vielmehr auf diesen Ausnahmestandpunkt, wo der Mensch , so weit dies in seinen Grenzen möglich ist, es den „ langsam , aber sicher mahlenden Mühlen Gottes “ nachthut .
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . Welches
sind
die Kettenglieder zwischen
worin zeigte das System
247
Damals und Jetzt,
Friedrichs sich unvergänglich, und unter
welche Gesichtspunkte darf unsere nachfolgende Rundschau desselben nur gestellt werden ? Friedrichs System musste von Eisen sein , um durchschlagen, es schlug durch , um diese innere Riesenkraft bilden zu können , welche, über das Verhängniss von 1806 und dessen Gefolge hinweg, Ohne das inhumane eine zeitgemäsze Heeresreform durchsetzte . hätte kein humanes System und ohne die Intelligenz und den Hel dengeist , die Friedrich pflanzte, kein Scharnhorst und Gneisenau, kein Blücher und York hervorgeben können . Die Heeresreform von 1860 fuszt auf derjenigen von 1807 , und letztere greift auf Friedrichs innerste Gedanken zurück ; Leuthen, Leipzig und Sedan sind logische Glieder eines Zusammenhanges, von denen das letzte nur vermöge des zweiten und dieses nur vermöge des ersten ins Dasein kam .
: 1
Als Friedrichs Zeit vorüber war, veränderte sich der Geist, also auch das allseitige Bedürfniss der Menschheit , und hiermit wurde das Heerwesen nicht minder berührt , als alle anderen Hinsichten des öffentlichen Lebens . Die Anfänge unserer humanen Heeresreform störte der Krieg von 1806 , dessen Krisis jetzt so unheilvoll und doch so überaus befruchtend hereintrat ;
dann kamen Wissenschaft und
Humanität, neue Organe und Conductoren, Hülfs- und Verkehrsmittel und die damit erzielten Fortschritte waren sehr grosz . Sie begrün deten, nicht nur äuszerlich, sondern auch in den principiellen Hin sichten , ein neues Heersystem ; und doch sind die geistigen Grund mächte, auf denen Preuszens Ruhm und Rang , Spitze und Schneide beruht, ganz so geblieben, wie sie aus dem Systeme Friedrichs an die Nachwelt überliefert wurden . Der Altpreuszische Geist der Ehre und Treue, das unwiderstehliche Heldenthum Aller, die Präcision im Gröszten und Kleinsten, die unvergleichliche Disciplin, und mit ihnen Praxis und Kürze , Kriegsgenie und Ueberraschungskunst, Selbst beherrschung im Glücke und Erhebung über Unfälle, – diese sind, aus dem Schatze Friedrichs , uns als unvergängliche Güter vererbt worden, und wenn da oder dort eine Wolke des Verhängnisses sie zu beschatten schien , so haben sie sich doch stets aus ihr mit um so hellerem Lichtglanze wieder herausgearbeitet.
Zumeist springt
dieses geistige Vermächtniss Friedrichs in unserer neuesten Kriegs ära hervor. Bei Königsgrätz und Sédan ist echt Friedericianisch gesiegt worden ; den Reitersturm von Vionville würde der grosze König salutirt und Seydlitz für sein eigenstes Machwerk gehalten baben ; als man die Düppeler Schanzen nahm und nach Alsen über
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
248
ging, spiegelten sich hierin die kübnsten Actionen des siebenjährigen Krieges ; der Handstreich auf Fehmarn , die Coups unserer Marine, die kecke von 1870,
und geniale Recognoscirungsthätigkeit
unserer
Ulanen
was waren sie Anderes, als neue und nur formell unter
schiedene Auflagen der alten Husarenstreiche !
Zieten that wieder
seinen berühmten Ritt, Seydlitz machte wieder sein Experiment von Gotha, der gigantische Friedrich imponirte den Gegnern neuerdings wie ehedem zu Lissa, mit ungeheuerem Uebergewichte des Geistes, Alles in neuen Formen und Verhältnissen, aber mit altem Sinne und Segen. Die Gesichtspunkte, unter welche unsere nachfolgende Erörterung des Friedericianischen Heersystemes durchweg zu stellen ist, ergeben sich, nach allem Gesagten , schon von selbst. jeder Stelle festzuhalten
Es wird vorerst an
sein , dass Friedrich nicht nur in Seiner
Zeit auf seltenste Weise der Geist und Mittelpunkt dieses Systemes war ,
sondern dass auch alle oben angedeuteten, unvergänglichen
Elemente des letzteren, nur Ibm allein verdankt wurden.
Sodann,
dass die Principien und Mittel dieses Systemes im richtigen Verbält nisse mit ihrer Zeit , und , soweit ihnen eine inhumane Begriffsweise zu Grunde lag, durch Friedrichs ganze Bebandlung bis zur Unschäd lichkeit gemildert waren. Endlich, dass es nur der schneidigste Apparat sein sollte, Berge zu ebenen , Riesen und Drachen zu über winden, und eine grosze und glückselige Zukunft vorzubereiten.
( Schluss folgt.)
Umschau in der Militair-Literatur.
249
XVII. Umschau in der Militair- Literatur.
Kriegsgeschichtliche Studien nach der applicatorischen Methode von J. von Verdy du Vernois , General-Major und Chef des Generalstabes des I. Armee- Corps . I. Heft. Taktische De tails aus der Schlacht von Custoza am 24. Juni 1866. Mit zwei Karten auf einem Blatte. ― Berlin 1876. E. S. Mittler und Sohn. -- 8º. ――― 126 S. 1) General von Verdy, der als Meister im Darstellen und Belehren durch Vortrag und Schrift auf dem Gebiete der Kriegswissenschaft den geistigen Boden so wirkungsvoll bearbeitet hat , übergiebt der Oeffentlichkeit mit dem vorliegenden Werke einen neuen Sprössling der von ihm gepflegten Grundanschauungen. Diese haben das eine feste Ziel : das durch Lehrbücher Gewonnene auch in weiterer theo retischer Ausbildung anwenden zu lernen. Die „ Studien über Truppen Führung“, der „ Beitrag zum Kriegsspiel", der „ Beitrag zu den Ca vallerie-Uebungs- Reisen“ sind von diesem Standpunkte aus geschrieben und haben weit und breit die Herzen im Sturme erobert. Sie haben überall Anhänger und Verehrer gefunden, weil sie mitten hinein in das Leben des Heeres griffen und von Jedem voll verstanden wurden . In diesen Schriften sind die modernen Grundsätze der Truppen-Ver wendung und Führung mit groszer Gewandtheit klargelegt, es sind die Wege gezeigt, wie Lehrsätze der Theorie mit den praktischen Mitteln des Soldatenlebens im Frieden verwerthet werden können. Dass auch die Kriegsgeschichte dazu benutzt werden kann , die Anwen dung des rein theoretisch Erlernten im Selbststudium zu üben , ist der Zweck der jetzt erschienenen Schrift.
Nicht Jedem ist es ge geben, sagt Verfasser, Lagen zu erfinden , wie sie die Wirklichkeit, der Krieg bietet , das ist aber auch nicht nothwendig , denn die Darstellungen der kriegsgeschichtlichen Begebenheiten bringen die selben zur Gentige. - Diese Darstellungen sollen es also ermöglichen, sich in eine bestimmte kriegerische Situation zu versetzen, und hier nach entweder eigene Entschlüsse zu fassen , oder auf Grund gege bener Befehle Anordnungen zu treffen. Bezieht sich die geschilderte Situation auf die im Allgemeinen obwaltenden Verhältnisse , handelt Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 17
Umschau in der Militair - Literatur.
250
es sich in den zu fassenden Entschlüssen nur um allgemeine Maasz regeln, ob und wohin man z . B. vor- oder zurückgeben muss oder will, soll nur die allgemeine Marsch -Ordnung der Truppen angege ben werden, oder der Terrain- Abschnitt bezeichnet werden, den man mit seinen Vortruppen , mit den Reserven besetzen will , soll man anordnen , auf welchen Punkt der Stellung des Feindes der Haupt angriff, auf welchen ein Scheinangriff zu richten ist u. 8. W., so wird unter der Voraussetzung , dass
hierfür Karten im Maaszstabe von
1 : 25,000 bis 50,000 zur Verfügung stehen , sicherlich jedes kriegsge schichtliche Werk die nöthige Grundlage bilden können. zu
solch
einfachen Aufgaben
die Anregung
Wird aber
durch ein kriegsge
schichtliches Werk nothwendig sein ? Wird nicht bei der Absicht, sich dergleichen Aufgaben zu stellen , die auf dem Tische ausge breitete Karte Gedanken und Entschlüsse genug hervorrufen ? Aber selbst wenn dies der Fall , so fehlt später doch die Prüfung , ob der gefasste Entschluss, ob die getroffenen Anordnungen sachgemäsz, ob in der wirklichen Handlung die Betreffenden ebenso , ob sie anders vorgegangen sind. Diese Prüfung, diesen Vergleich soll die zu Grunde liegende kriegsgeschichtliche Darstellung möglich machen. Sehr richtig der Theorie nach ! Betrachtet man hingegen die Sache bei Lichte, so muss zugegeben werden, dass wenn man in seinen Entschlüssen frei sein, ohne irgend eine Beeinflussung Anordnungen treffen will, vor Allem der weitere Verlauf der kriegerischen Handlung nicht bekannt sein darf, über den Enderfolg derselben noch ein Dunkel schweben muss. Ist nun aber vorauszusetzen, dass ein strebsamer Offizier über den Ver lauf gröszerer Gefechte oder gar von Schlachten aus den Kriegen der beiden letzten Decennien - und nur diese werden sich im Allge meinen zu den betreffenden Studien eignen - nicht einigermaaszen unterrichtet ist ? Doch angenommen , dass man mit oder ohne Vor auswissen des weiteren Verlaufes der betreffenden kriegerischen Handlung zu einem von Vorurtheilen möglichst unbeeinflussten Ent schlusze gekommen ist : es gilt nun die Prüfung der eigenen Maasz regeln an den wirklichen Thatsachen .
Sobald im groszen Ganzen
hierbei eine äuszere Uebereinstimmung vorhanden ist, darf man seine Entschlüsse für sachgemäsz ansehen , wenigstens von ihnen sagen, dass es in der Wirklichkeit ebenso gemacht wurde.
Für eine Be
lehrung , für ein Studium in der Kriegswissenschaft genügt aber wohl nicht immer diese äuszere Uebereinstimmung ; man muss for schen, ob die Beweggründe auch dieselben waren .
Doch da stöszt
man in der Regel schon auf unausfüllbare Lücken. Denn die kriegs geschichtlichen Darstellungen beschäftigen sich vorzugsweise mit den
1
251
Umschau in der Militair-Literatur.
Thatsachen und nicht mit den Motiven zu denselben , und Letzteres am allerwenigsten , wenn es sich um ganz einfache, fast selbstver ständliche Anordnungen handelt. Besteht nun aber gar zwischen den Thatsachen und den am grünen Tische getroffenen Maaszregeln keine Uebereinstimmung , so ist der vergleichenden Kritik meisten theils der Boden ganz entzogen , wenn die Motive des Andershan delnden nicht bekannt sind.
Gleichgültig ist es aber schlieszlich,
auf wessen Seite die besseren Anordnungen stehen ; soll an der Hand der Kriegsgeschichte in der bezeichneten Weise und an demselben Beispiele weiter studirt werden , so muss man sich den gegebenen Thatsachen unterordnen. Bei Lösung ganz allgemein gestellter Aufgaben auf Grund eines kriegsgeschichtlichen Werkes sind somit nicht selten wesentliche Schwierigkeiten zu überwinden . Diese werden sich um so mehr steigern , je weniger man sich in seinen Studien auf allgemeine Anordnungen beschränkt , je mehr man im
A Einzelnen, im Kleinen die Truppenverwendung studiren will.
Bei
dem gröszéren Theile der strebenden Offiziere ist allerdings die Nei gung vorhanden, auf dem Papiere gerne den höheren Truppenführer zu spielen , allgemeine Anordnungen für den Angriff oder für die Vertheidigung , für die Besetzung oder das Aufgeben eines Terrain Abschnittes aus dem Aermel zu schütten.
Aber an solchen Feldherren
leidet wohl keine Armee Mangel , es bedarf mehr solcher Offiziere, welche sich im Frieden damit beschäftigen, unter gegebenen Verhält nissen ohne Säumen nach einer bestimmten Richtung hin genau und eingehend die Anordnungen der taktischen Details treffen zu lernen. Will man dies an der Hand der Kriegsgeschichte thun , so muss diese selbstredend die nöthigen Voraussetzungen liefern, vor Allem muss aber ein genauer Plan vorhanden sein . Karten im Maasz stabe von 1 : 25,000 werden hierzu im Allgemeinen nicht genügen . Selbst der beste Plan zieht den Anordnungen ja doch nur zu bald fühlbare Grenzen ; in der Wirklichkeit entscheidet oft die Stärke, die Höhe, das Material einer Mauer, die Tiefe, die Ränder u. 8. w. einer Kiesgrube über deren Vertheidigungsfähigheit, ob und wie stark die betreffende Oertlichkeit zu besetzen ist. Der genaueste Plan giebt hierüber aber nur ungenügende Auskunft.
Auf der Grundlage
eines kriegsgeschichtlichen Werkes wird man also Studien letzterer Art kaum machen können, ohne sich nicht fortwährend in Annahmen, Voraussetzungen und Unterstellungen bewegen zu müssen. Wo bleibt dann aber die kriegsgeschichtliche Thatsache und der Vergleich, die Prüfung der Handlung ? Uebungen die Letzteres ermöglichen, werden schlechterdings nur das Kriegsspiel und das Hinausgehen in 17 *
Umschau in der Militair-Literatur.
252
das Terrain unter Leitung Anderer bieten .
Bei Ausnutzung dieser
beiden Mittel vermag man sogar noch weiter zu gehen : man kann in eine kriegerische Handlung eintreten , die nicht lediglich aus ein seitigen Anordnungen und deren Ausführung bestehen, sondern bei denen auch der Wille , die Maaszregeln eines Gegners sich Geltung ver schaffen , wo Zeit , eine gewisse Gemüthserregung, der Ehrgeiz und namentlich die Charaktereigenschaften mehr oder weniger eine be deutende Rolle spielen. Zu einer solchen Uebung wird man nun und nimmermehr die einzelnen Momente eines in Geschichtswerken dar gestellten Kampfes ausnutzen können.
Es dürfte nicht leicht ein
Werk zu finden sein, welches einen Kampf auch nur halbwegs der artig schildert, dass man sich bis in die kleinsten Einzelheiten einen Moment des Gefechtes vollständig klar legen kann, um hiernach die Handlung genau und richtig auf dem Plane hinzuzeichnen und dem gemäsz mitten in die Action hineinzutreten. Soll man, will man schliesz lich aber um jeden Preis eine Gefechtsdarstellung als Grundlage be nutzen , so wird die gestellte Aufgabe sicherlich ein bloszes Phanta siegebilde sein und
den auf Grund derselben getroffenen Anord
nungen wird keine oder eine ganz willkürliche Beurtheilung zu Theil. Mit den vorstehenden Gedanken trug sich der Schreiber dieser Zeilen ,
als
er beim Lesen des neuen Werkes des Generals von
Verdy bis auf die letzte Seite gelangt war und sich über den Ge sammteindruck des Buches Rechenschaft gab. Es ist vor allen Dingen zu bewundern ,
mit welcher Gewandtheit der Verfasser sich
aus
wenigen Worten des kriegsgeschichtlichen Textes eine Aufgabe zu recht zu legen weisz , die allerdings, je weiter in das Buch, in das Gefecht hinein, um so mehr von der Phantasie, um so weniger aber von der geschichtlichen Grundlage und den Angaben des Planes unterstützt wird.
Aus jeder Zeile des Buches tritt deutlich der sieg
gewohnte Kämpfer hervor , der auf oft durchmessener Laufbahn sicher dahinzieht , seinem stolzen Viergespanne die Zügel zur richtigen Zeit anzieht und schieszen lässt , der bei jeder Bewegung die richtige Haltung beibehält.
Man sieht und fühlt es , der Ver
fasser hat stets genau sein Ziel vor Augen , er gleitet an keinem der vielen vorhandenen Abgründe hinab, er meidet jedes Hinderniss, das er nicht zu überwinden vermag !
Aber mit jeder der Aufgaben
gewinnt man auch mehr und mehr die Ueberzeugung, dass nur ein solcher Meister solche Bahnen wandeln darf. Ohne den Meister, so sagt uns das vorliegende Buch, wird die jetzt glatte und so er folgreich betretene Bahn bald durch Unkraut , Sumpf und Geröll die Pflanzstätte manches Schädlichen sein.
Umschau in der Militair - Literatur.
253
Man versuche es nur, in die Fusztapfen des Meisters zu treten ! Wie Viele werden ihm folgen können und wo wird schlieszlich das Selbststudium bleiben ? Sicherlich wird die grosze Mehrzahl sich bald einen Seitenweg zu dem Gebiete suchen, von dem General von Verdy in dem Vorworte zu diesem Buche spricht: Die Kriegsgeschichte lesen und dann das thatsächlich Geschebene kritisch betrachten. Des trefflichen allbekannten Werkes des Oberstlieutenants Kühne wird bei dieser Gelegenheit erwähnt.
Es dürfte aber selbst die in letz
terem Werke angewendete Art und Weise, aus der Kriegsgeschichte Nutzen zu ziehen, nicht Jedermanns Sache sein und hierbei manch mal das Gebiet des Selbststudiums noch zu sehr beschränkt werden . Studire man den Verlauf mehrerer Gefechte und Schlachten aus den Kriegen der Jahre 1859, 1866 und 1870, um sich z. B. klar über die Kampfweise der Infanterie der einzelnen Armeen in den bezüglichen Kämpfen zu werden ; erforsche man an den Thatsachen die Verwen dung der Cavallerie in der Schlacht, zu strategischen Recognos cirungszwecken , sei es zu den Zeiten Napoleons, sei es im Italienischen, sei es im Preuszisch - Oesterreichischen Kriege.
Vergleiche man die
Verwendung der Artillerie 1866 und 1870, stelle man Betrachtungen über die Ordre de bataille der Oesterreicher und Preuszen 1866, der Franzosen und Deutschen 1870 an , suche man die Raids des Amerikanischen Secessionskrieges auf Europäisches Gebiet zu über tragen, stelle man den Vormarsch des fünften Preuszischen Corps über Nachod neben den des ersten nach Trautenau u. 8. w. Hierfür und zu Betrachtungen über die Vor- und Nachtheile von Compagnien - Colonnen , Halb -Bataillonen, Divisionsmassen, über Attackenweiten der Cavallerie , über die Nach- und Vortheile der Hinter- und Vorderlader -Geschütze, tiber die Verpflegung der Armeen durch Requisitionen, Magazine u. 8. W. wird das Studium der Kriegsgeschichte goldgefüllte Gänge öffnen . Für ein solches Studium bedarf es gewiss keiner besonderen Anlagen, keiner besonderen Hülfe.
Die Kenntniss der allgemeinen taktischen
Grundsätze , die doch wohl in allen Armeen den jungen Offizieren beigebracht wird , ein wenig Fleisz und ein offenes Auge, dann findet man , was man sucht auf jedem Blatte der Kriegsgeschichte.
Hierbei
geräth man dann auch nicht auf gefährliche Abwege und bricht nicht sofort über diesen oder jenen Heer- oder Truppenführer den Stab. Hier spielt die Phantasie nicht so leicht einen Streich und lässt nicht aus dem Corporalstocke, den man zwischen den Fingern wirbelt, unmerklich den Marschallsstab werden. Allerdings ist dies aber auch nicht der Weg , theoretisch Erlerntes anwenden zu lernen.
Dafür giebt es je
doch andere Mittel, die bereits oben erwähnt sind.
Wer im Vollbe
Umschau in der Militair - Literatur.
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sitze seiner Kräfte, der schafft und lernt, der lernt und schafft.
Bald
dies, bald jenes in geisteserfrischender Abwechselung. Hier Kriegs hier Studium der Kriegsge spiel und Hinausgehen in das Terrain schichte .
Andere Mittel – andere Zwecke : und doch nur ein Ziel!
Wer in solcher Weise sich fortzubilden weisz, bei dem werden Theorie und Praxis, Wissen und Können, in steter Harmonie sein. * )
2) Schon von der Zeit an, da der Verfasser vorliegenden Werkes in seinen „ Studien über Truppenfübrung “ eine Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte
insbesondere für den Anfänger in Aussicht
stellte , und noch mehr seitdem diese „ Studien “ selbst die eminente didaktische Begabung ihres Autors dargethan , durfte man mit Inter esse nicht nur , sondern auch mit einer gewissen Sehnsucht dem Augenblicke entgegenseben , wo die in den Studien “ inaugurirte Reform der Kriegswissenschaft sich auch tiber den Betrieb des kriegs geschichtlichen Studiums erstrecken würde. Denn in der That , so sehr von Alters her alle Meinungen über die hervorragende Lehr kraft der Kriegsgeschichte einig waren , so ist doch , um diese frei zu machen und auszubeuten , im Ganzen zu wenig geschehen , und die kriegsgeschichtliche Literatur,2 soweit sie das kritische Gebiet betrat , auf einem Wege geblieben , der gewiss
nicht
der
beste,
vielleicht sogar nicht durchweg richtig genannt werden kann.
Kein
Wunder also , dass dem vorliegenden Werke , von welchem einen entschiedenen Fortschritt zu hoffen man so sehr berechtigt war, von seinem Erscheinen ab das lebhafteste Interesse entgegenkam .
Es
wird dem entsprechend sein , das Buch einer gedrängten, wenn auch möglichst gründlichen Besprechung zu unterziehen. In der Einleitung werden die verschiedenen Methoden kriegs
geschichtlichen Studiums in Kurzem gewürdigt, und hierbei als maasz gebend aufgestellt, dass die Kriegsgeschichte die Erfahrung des Einzelnen zu vermehren bestimmt sei , und die dabei zu befolgende Methode dem Gebrauche zum Selbststudium angemessen sein müsse ,
übereinstimmend
Truppenführung “ den Anfänger.
mit der schon in den „ Studien über
constatirten Nothwendigkeit
einer Anleitung für
Was hierbei der Verfasser über die Methode sagt , welche die
* ) Vorstebende Besprechung war bereits zur Veröffentlichung bestimmt, als der Redaction eine zweite zuging , die bei dem Interesse für die neue Schrift um so bereitwilliger der ersten noch beigefügt wird, als sie im Allgemeinen mit dieser auf demselben Boden steht. Die Redaction .
255
Umschau in der Militair-Literatur.
kritische Betrachtung des thatsächlich Geschehenen zum Gegenstande hat, giebt in kurzen Worten eine vorzügliche Charakteristik derselben . Insbesondere ist die eingehender besprochene Manier, mit Lob oder Tadel zu urtheilen, ganz treffend gewürdigt , und zugleich auf die hierbei so naheliegende
Ungerechtigkeit des Urtheiles hingewiesen.
Schade, dass der Autor nicht zugleich einige wenige Worte den Ge fahren gewidmet hat , die solches Studium im Gefolge führt ;
er
wendet sich vielmehr sofort zur Angabe der in dem Werke darzu stellenden Methode. „Das Verfahren ist dabei ein sehr einfaches ; man hat nur nöthig, „im Lesen eines kriegsgeschichtlichen Werkes innezuhalten , sobald „sich eine interessante , oder für den speciellen Zweck , den man „verfolgt, geeignete Situation vorfindet, und alsdann diese zu erwägen, ,und für die gegebenen Truppen die erforderlichen Anordnungen zu „entwerfen. Meistens wird man dann, wenn man im Lesen fortfährt, „auf die thatsächlich getroffenen Anordnungen stoszen und so Ge „legenheit finden, sie den eigenen Ideen gegenüber zu halten.
Die
Uebereinstimmung wird die gefassten Ansichten bestätigen , das in „der geschichtlichen Darstellung sich weiter daraus Entwickelnde „vielfach den Beweis liefern, ob sich diese Anordnungen auch wirk lich
als
zweckmäszig
erwiesen
haben.
Abweichungen dagegen
„zwischen den thatsächlichen Anordnungen und den in der Uebung „getroffenen fordern zur nochmaligen eingehenden Prüfung auf, ob „das eine oder das Andere als besser anzuerkennen ist. " Um nun für den Gebrauch dieser Methode eine Anleitung zu geben , wird als Beispiel die Schlacht von Custoza behandelt.
Zu
nächst macht uns der Verfasser mit den zur Schlacht führenden Absichten und Anordnungen der beiden Oberfeldherrn , dann
mit
der allgemeinen Zusammensetzung der in Betracht kommenden Italie nischen Heerestheile, sowie im Besonderen mit jener der zunächst zu begleitenden Oesterreichischen Reserve- Division bekannt.
Zu
gleich wird an Stelle der letzteren oder vielmehr neben derselben eine supponirte Division nach Deutschen Verhältnissen zusammengesetzt angenommen , auf welche dann später die in der Schlacht eingetretenen Situationen und gestellten Aufgaben übertragen werden. Es beginnt alsdann eine Reihe von Aufgaben , die theils aus dem Auftreten der Oesterreichischen Reserve- Division und der in das Gefecht eingreifenden anderen Oesterreichischen, theils aus der Thätigkeit der gegenüberstehenden Italienischen Heerestheile abstrahirt sind. Diese Aufgaben sind zwar in zwei,
„Anmarsch zur Schlacht" und "Theil
Umschau in der Militair -Literatur.
256
nahme an der Schlacht“, betitelte Abschnitte getrennt, bilden jedoch, der Continuität des Schlachtverlaufes entsprechend , eine zusammen hängende Kette von miteinander verknüpften, ineinander übergrei fenden Gliedern . Die erste
Aufgabe behandelt die auf Grund des gegebenen
Obercommando befehles und der obwaltenden Ausgangssituation Seitens der Reserve -Division zu erlassenden Befehle, und die hierfür mit Be ziehung auf Marschcolonnenbildung, Sicherungsmaaszregeln und spä teren Aufmarsch anzustellenden Erwägungen. Die zweite versetzt den Leser in die Situation eines schon vor dem Antreten der Reserve. Division in Castelnovo stehenden Detachements des fünften Oester reichischen Armeecorps und erörtert unter eingehender Würdigung des Terrains die nur theoretische Frage nach dem Verhalten dieses Detachements , wenn der Feind vor dem Eintreffen der Re serve- Division anrückt.
Nun folgt in den Aufgaben 3—9 die Erör
terung der weiteren Maasznahmen bei der Reserve - Division bezw . der bierfür
supponirten Deutschen Division .
So werden die
An
ordnungen für die Aufstellung der Division bei Castelnovo , die Er wägungen über Inhalt, Abfassung und Mittheilung des Befehles für den Weitermarsch erörtert und sodann wieder die Untersuchung der für die Division und ihre Theile eintretenden Aufgaben beim Zu sammenstosze mit dem Feinde, je nach dem Punkte, wo derselbe er folgt, angestellt. Nachdem eine Anhangsbemerkung noch auf die Möglichkeit und Räthlichkeit weiterer Variationen , die durch Veränderung in Zusammensetzung oder Situation der Division oder ihrer Theile her vorgerufen werden könnten, hinweist, führt der zweite Abschnitt nun in die Schlacht ein, die von dem Augenblicke beginnt , wo die vor anmarschirende Brigade mit den Têten der Italienischen Division zu sammentrifft.
Zunächst wird das für die Avantgarde der letzteren
angezeigte Verhalten besprochen , dann die durch den Vorstosz der Oesterreichischen Brigade geschaffene Situation erläutert und nunmehr das successive Eingreifen des Gros nach theoretischem und prak tischem Verlaufe geschildert.
Es
folgen dann
die Ereignisse und
Verhältnisse, welche das Eingreifen des Oesterreichischen füpften Corps hervorriefen und die Besprechung der für dieses , sowie einzelne seiner Theile eintretenden Situationen und Aufgaben ; ferner wieder der sich hiernach gestaltende weitere Verlauf des Angriffes der Re serve -Division , der dieselbe in Gemeinschaft mit einer Ausfalltruppe aus Peschiera bis gegen den Mincio bin führt; davon
zunächst
berührten
Theile
des
das Verbalten der
Italienischen
Corps
und
Umschau in der Militair-Literatur.
257
endlich die Aufstellung der Oesterreichischen Truppen beim Ende der Schlacht. Bei allen sich dabei ergebenden 30 Aufgaben werden die ur sprünglich bestehenden Verhältnisse geschildert, dann die hierfür, oder auch unter veränderten Voraussetzungen theoretisch zu treffenden Maasznahmen , endlich die praktisch gegebenen Anordnungen dargestellt und erörtert. Es ist natürlich unmöglich, von dem reichen Inhalte der „ Kriegs geschichtlichen Studien" an dieser Stelle und in Form eines Aus zuges eine Uebersicht zu geben .
Es kann hier nur constatirt wer
den , dass der gewonnene Gesammteindruck ein überaus günstiger ist, und vollkommen den Erwartungen entspricht , zu welchen die früheren " Studien " des Verfassers berechtiget haben.
In allen Dis
positionen tritt die bewunderungswürdige Klarheit in Auffassung der Situation, in der Entwickelung der nöthigen Maaszregeln, in der Ver lautbarung der einschlägigen Befehle, die lebendige und anschauliche Schilderung der Ereignisse und Eindrücke hervor .
Ganz besonders
günstig auffallend ist das Geschick, mit welchem aus der Gesammt heit der Kriegshandlung die einzelnen Theilgefechte und aus diesen wieder die speciellen Verhältnisse und Aufgaben einzelner Truppen theile stellenweise bis zu den kleinsten herab herauspräparirt und als Gegenstände der Erwägung und des Studiums vorgelegt werden. Schon dieser Theil der Darstellung allein bietet ein Feld frucht bringender Arbeit.
Kein kriegerischer Act verläuft in einer ein
fachen Relation zwischen Aufgabe und Lösung, Ziel und Weg, Zweck und Mittel .
In jedem vollzieht sich die Lösung der einheitlichen
Hauptaufgabe in einer Anzahl von theils aufeinander folgen den , theils nebeneinander herlaufenden Unteraufgaben. Während erstere die in jedem einzelnen Momente allein und zunächst zu lösenden Theilzwecke darstellen, durch welche die Führung sich der unmittelbar unmöglichen Lösung der Hauptaufgabe mittelbar und stufenweise nähert, geben die letzteren die neben der Haupt handlung jeden Momentes und gewissermaaszen für dieselbe noth wendigen Neben zwecke an, von deren Erfüllung die Erreichung der jeweiligen Momentsaufgabe präjudicirt wird .
Die richtige Auf
fassung dieses Zusammenhanges der einzelnen Gefechtsaufgaben unter sich und mit dem Gesammtzwecke ist von entscheidender Wichtigkeit ;
sie allein vermag
Arbeitstheilung d. h. zu verbürgen.
die richtige Functionirung in der
das zweckmäszige Verhalten der Unterführer
Es ist deshalb von groszem Belang ,
dass dieser
Umschau in der Militair -Literatur.
258 zum
Gegenstand
Ziele
hierzu sich besser eignen ,
ernsten
Studiums
von der verschiedenartigsten Grösze, testen ,
und
werde.
Was
könnte
als die Kriegsgeschichte , die in Rahmen
in unzähligen
vom
Beispielen
engsten bis zum wei
uns Objecte darbietet ,
in
welchen das positive oder negative Zusammenwirken mehrerer Theile sich in einem einheitlichen Schlusserfolge ersichtlich macht, und der gestalt dazu einladet, aus dem Endresultate die Antheile und Aufgaben, welche den einzelnen Mitwirkenden zugefallen sind , auszuscheiden. Nach dieser Richtung hin geben die
Kriegsgeschichtlichen Studien“
ein mustergültiges Beispiel , dessen Befolgung um desswillen
von
groszem Nutzen werden kann , weil die Fähigkeit , kriegsgeschicht liche Ereignisse in ihre logischen Bestandtheile zu zerlegen, nahezu identisch ist mit der für jede Befehlsführung so hochwichtigen Fähigkeit , den einzelnen Theilen die ihnen für Erreichung des Gesammtzweckes zukommenden Aufgaben und Wirkungskreise zu bestimmen. Was nun die in dem Werke dargestellte Methode nach ihrem Verhältnisse zum kriegsgeschichtlichen Studium anbelangt, so ist es schwer, sich des Eindruckes zu erwehren, dass man es hier we· niger mit der Verarbeitung eines thatsächlichen ge schichtlichen Verlaufes zu thun hat , als vielmehr mit der Aufstellung eines in seinen einzelnen Theilen supponirten ,
an
der Hand einer - allerdings meisterhaften — theoretischen An leitung.
Das
vorliegende Werk
ist
strenggenommen nur
eine
Variation der „ Studien über Truppenführung", von welchen es sich eigentlich nur dadurch unterscheidet , dass es die Situationen und Voraussetzungen für die Entschlüsse des Lesers der Kriegsgeschichte und nicht der Phantasie des Verfassers entnimmt. Der geschicht liche Charakter tritt in den Hintergrund, die taktische Theorie her vor. Wie sehr das Letztere der Fall ist, darauf deutet die suppo nirte Division und der Rath , in den geschichtlich gegebenen Ver hältnissen Variationen eintreten zu lassen, wohl deutlich hin. Dieses Urtheil wird des Verdachtes der Willkürlichkeit wesent
lich entlastet durch die Erwägung, dass Kriegsgeschichte, als solche, und applicatorische Methode ihrem innersten Wesen nach überhaupt kaum vereinbar sind . Die Kriegsgeschichte ist ja selbst schon eine, allerdings von Anderen vollzogene Application, zu welcher auch das zugehörige Urtheil, wenn gleich in vielfach verhüllter Form, im Er folge vorliegt.
Sie
steht also
an und für
sich
schon auf dem
gleichen Boden , wie eine abgeschlossene applicatorische Uebung ; an beide muss sich der gleiche geistige Process für den Lernenden
"W
Umschau in der Militair-Literatur.
259
anreihen, nämlich die Gewinnung und Läuterung der Erfahrung, die in dem einen Falle im Erfolge , in dem anderen in der Kritik des Leiters der Uebung niedergelegt ist. Kriegsgeschichte und Application sind demnach eigentlich ganz das Nämliche , und unterscheiden sich nur darin , dass in jener der der richtigen Abstraction der im geschichtlichen Erfolge liegenden Lehren, in dieser in der richtigen Kritik und Be Schwerpunkt in
lehrung des Leitenden liegt. Beide sind aber Studien, die auf dem Wege der Erfahrung wandeln, und deshalb - eben ihrer coordinirten ―――― wird es immer schwierig bleiben, die eine zum Mittel Natur wegen der anderen zu machen. Die an und für sich unbestreitbare Vortrefflichkeit des Werkes schützt dasselbe unbedingt davor, dass diese Bemerkungen in irgendwie tadelndem Sinne aufgefasst werden könnten .
Diese haben vielmehr
lediglich den Zweck, auf die Gefahren hinzudeuten , die eine allzu reichliche Ausdehnung der applicatorischen Methode auf das kriegs geschichtliche Gebiet mit sich bringen könnte.
Der Erfolg gerade
der Application beruht ganz wesentlich auf dem helfenden, berich tigenden, kritisirenden Eingreifen eines Lehrers oder Leiters, und zwar insbesondere da, wo es sich um den Unterricht von Anfän gern handelt.
Ohne eine solche höhere Assistenz läuft die Appli
cation leicht Gefahr, in dem Mangel der Berichtigung ihre Lehrkraft einzubtiszen . Es ist diese Gefahr schon durch die 99 Studien über Truppenführung" nahe gerückt worden und mancher mit der Appli cation schon getriebene Missbrauch giebt Zeugniss von der effectiven Existenz dieser Gefahr.
Sie findet sich in den „ Kriegsgeschichtlichen
Studien" dadurch abgeschwächt , dass die Situationen und Voraus setzungen wenigstens vor dem Vorwurfe der Willkürlichkeit oder der Unwahrscheinlichkeit geschützt sind .
Aber die Occupation des
kriegsgeschichtlichen Gebietes durch die applicatorische Methode ist geeignet, den Wirkungskreis der Gefahr zu vergröszern, und dies um so mehr, als die Kriegsgeschichte eigentlich die einzige Application ist, die man ohne eine andere Leitung , als die der bloszen Vernunft, betreiben kann.
Aber dies geschieht nicht dadurch, dass
man an Stelle der wirklichen Handlungen andere setzt, wie man sie selbst vielleicht vorgenommen haben würde, sondern indem man die gegebenen Ereignisse
wie etwas
Selbsterlebtes
auffasst und nun in der Ueberlegung so behandelt , wie man die wirklichen Erfahrungen des eigenen Lebens behandeln muss , wenn man daraus Nutzen ziehen will. Es kann und soll durch solche Erörterungen, die vielleicht durch
Umschau in der Militair-Literatur.
260
eine nur kleine Aenderung des Titels der ,,Studien“ allein hinfällig würden , ein gewisser Werth nicht abgesprochen werden. Verdy's ,,Kriegsgeschichtliche Studien " bleiben unter allen Umständen ein sehr schätzbarer Fingerzeig dafür, wie an taktisch-applicatorischen Auf gaben, die in gewünschter Form und Natürlichkeit zu finden , man sich oft abmartern muss, ein unerschöpflicher Vorrath in der Kriegs geschichte niedergelegt ist, wie man dabei verfahren müsse, um aus einem groszen Conglomerate von Handlungen eine solche heraus zuschälen , wie man sie gerade braucht ; und endlich , wie bei der daran zu reihenden Uebung von dem Leiter derselben dabei der that sächliche Verlauf zu Hülfe genommen werden kann.
Studien und Vorschläge,
Strategische Cavallerie - Manöver.
angeregt durch die groszen strategischen Manöver der Rus sischen Cavallerie an der Weichsel im Herbste Georg Cardinal von Widdern ,
1876 , von
Hauptmann à la suite des
Königs - Grenadier - Regiments , Lehrer der Taktik an der Kriegsschule Metz. - Hierzu zwei Kartenskizzen auf einem Blatte. ― Gera, Verlag von A. Reisewitz. 1877. - 8º. 102 Seiten. Der in der Militair- Literatur durch mehrere Werke wohl bekannte Verfasser hat seinem letzten Buche „ Befehlsorganisation etc." schnell eine neue interessante Schrift folgen lassen.
Gestützt auf die Mitthei
lungen des „ Russischen Invaliden", sind in dem vorliegenden Buche in sehr gewandter Form und in spannender Weise die strategischen Caval lerie-Manöver zur Darstellung gebracht, welche von Seiten der Russi schen Cavallerie im verflossenen Herbste zwischen Warthe und Weichsel ausgeführt wurden .
Zwei Cavallerie - Divisionen bildeten hierbei eine
von Westen her vorrückende Invasions- Cavallerie , zwei Cavallerie Divisionen, denen die Infanterie der berührten Garnisonen zur Unter stützung zugewiesen war, sollten ihnen entgegentreten .
Die localen
Verhältnisse und mehrere Eigenthümlichkeiten der Russischen Heeres und Staats-Einrichtungen begünstigten die Ausführung dieser Manöver derartig , dass sie nach vielen Richtungen hin ein treues Bild des Krieges abzugeben vermochten und gewiss höchst lehrreich für die Betheiligten waren.
Der Verfasser vorliegenden Werkes hat den
Verlauf der Begebenheiten mit so viel Geschick und in so günstiger Gruppirung wiederzugeben gewusst , dass man sich bei der Lecttire oft in ernste Kriegsverhältnisse versetzt wähnt und mit groszem
Umschau in der Militair-Literatur.
261
Interesse den Ausgang der einzelnen Unternehmungen im Detail und auf der Karte verfolgt. Diese Schilderung des Russischen Ca vallerie -Manövers ist aber gewissermaaszen nur die Einleitung zu dem eigentlichen Zwecke des vorliegenden Büchleins, das darauf hin wirken will, auch in Deutschland ähnliche, im höchsten Grade lehr reiche Manöver gröszerer Cavallerie- Massen im strategischen Auf klärungsdienste einzuführen.
Es ist keine Frage , dass dergleichen
Uebungen bei den vielfach ganz anderen Cultur-, Verkehrs- und so cialen Verhältnissen in Deutschland viel schwieriger ins Leben zu rufen sind, als in Russland. Dass sie aber möglich sind , beweisen Verfasser mit groszer Sorgfalt zusammengestellten
uns die vom
Ausführungs-Vorschläge.
Es liesze sich gewiss gegen den einen oder
anderen dieser Vorschläge noch manches Bedenken erheben , auch bleiben einzelne Punkte noch offene Fragen, aber im groszen Ganzen ruft das Gesagte doch die Ueberzeugung hervor, dass solche gröszere cavalleristische Uebungen strategischer Natur ohne allzu bedeutende Schwierigkeiten auch bei uns ausführbar und zweifelsohne von sehr groszem Nutzen sind. Bei dieser Gelegenheit sei übrigens erwähnt, dass im Jahre 1811 in der damals sehr kleinen Preuszischen Armee Uebungen angeordnet waren , die an solche strategische Cavallerie Manöver erinnern.
In jedem Brigade-Bezirke sollten Detachements
von 1 Compagnie und 20 Cavalleristen oder von 1 Schwadron mit einem Commando Infanterie, denen , wenn möglich, noch ein Geschütz der reitenden Artillerie beigegeben war, unter Annahme kriegerischer Es mussten täglich Verhältnisse den Brigade- Bezirk durchziehen. Märsche von 2-3 Meilen gemacht und in den bezogenen Quartieren alle Sicherheitsmaaszregeln wie im Felde beobachtet werden . Andere kleine Abtheilungen sollten ihnen auf dem Marsche einen Hinterhalt legen oder einen Ueberfall der Quartiere versuchen ; höhere Offiziere waren dabei zugegen, um das Ganze zu leiten und ernste Collisionen zu hindern. Es würde in der Armee allseitig gewiss
mit Freuden begrüszt
werden, wenn bei der groszen Wichtigkeit, welche dem strategischen Aufklärungsdienste der Cavallerie innewohnt , Uebungen gröszerer Cavalleriekörper nach dieser Richtung hin alljährlich stattfänden. Die Schrift des Hauptmanns Cardinal von Widdern wird unzweifelhaft manche in der Idee vorhandene Schwierigkeit beseitigen helfen. Aber auch abgesehen von diesem Vortheile ist das Buch als ein recht werthvoller Beitrag zum Studium der strategischen Verwendung der Cavallerie-Divisionen herzlich willkommen zu heiszen.
Umschau in der Militair - Literatur.
262
Geschichte des 1. Rheinischen Feld -Artillerie -Regiments Nr. 8 . Im Auftrage des Regiments verfasst von Kraetzig , Seconde Lieutenant im ersten Rheinischen Feld - Artillerie - Regiment Berlin 1876 . Nr. 8. Mit sechs Karten . E. S. Mittler und Sohn . Geschichte
des
8º.
131 Seiten.
Fusz- Artillerie - Regiments Nr. 15
Stamm - Truppentheile.
und
seiner
Im Auftrage des Regiments verfasst
von Staehler , Premier-Lieutenant im Fusz- Artillerie-Regiment 80. Nr. 15 . Berlin 1877 . E. S. Mittler und Sohn.
199 Seiten . Nach einigen kurzen einleitenden Bemerkungen über die frühere 8. Artillerie - Brigade von
und
deren
Betheiligung
an
den Feldzügen
1813, 1814 und 1815, sowie nach allgemeiner Erwähnung der
Tbätigkeit der bezüglichen Batterien an den Feldzügen 1849 , und 1866 giebt uns die erstgenannte Regimentsgeschichte eine
1864 ein
gehende Darstellung über die Leistungen der jetzigen Batterien des Regiments im Deutsch - Französischen Kriege.
Die drei reitenden Bat
terien des Regiments gehörten in diesem Feldzuge der Corpsartillerie 8. Armeecorps an , von den übrigen jetzt vorhandenen sechs Feld Batterien machten fünf (die 5. und 6. leichte , 5. und 6. schwere Rheinischen Feld- Artillerie- Regiments Nr. 8 , als Divisions - Artillerie der 16. Division, die 2. schwere bei der Divisions -Artillerie der 15 . Division ) bei demselben Corps die Schlachten der I. Armee mit. Dem Zwecke der Schrift entsprechend sind die bezüglichen Kämpfe nur in gröszeren Zügen skizzirt.
Hervorragender Leistungen einzelner Offi
ziere und Mannschaften wird bei Schilderung der Thätigkeit der einzelnen Batterien in besonderer Ausfübrlichkeit und in gewandter Darstellungs weise gedacht . Die Regimentsgeschichte wird daher nach dieser Seite hin für die betreffenden Batterien sicherlich von groszem Werthe sein und in den für sie bestimmten Kreisen Vaterlandsliebe und Corps geist nähren und beleben . Die Geschichte des Fusz - Artillerie - Regiments Nr. 15 hat sich in ähnlicher Weise, Darstellung
wie
gesteckt.
die vorgenannte Schrift, die Grenzen ibrer Das
Regiment
wurde
1871
aus der
Han
noverschen Festungs-Artillerie- Abtheilung Nr. 10 und der Hessischen Festungs -Artillerie -Abtheilung Nr. 11 gebildet. Mit kurzen Zügen erwähnt der erste Abschnitt des Werkes die Geschichte der einzelnen Compagnien der beiden Abtheilungen , von denen die eine ( 1. Com pagnie 11. ) ihren Stammbaum bis zum Jahre 1792 zurückführt und sich namentlich bei der Vertheidigung von Cosel 1807 hervorthat,
Umschau in der Militair-Literatur.
263
eine andere ( 1. Compagnie 10.) bereits im Jahre 1809 bestand und in den Befreiungskriegen gelangte.
mehrfach zu nennenswerther Thätigkeit
Der Hauptabschnitt des Werkes schildert dann in sach
gemäszer Ausführlichkeit die Thätigkeit der betreffenden einzelnen Compagnien im Feldzuge 1870 bis 1871. Vor Straszburg, Schlett stadt, Neu-Breisach , Verdun , Mézières , Paris, Thionville, Montmédy, Longwy, Soissons, La Fère und Peronne sammelten Theile des jetzigen Fusz-Artillerie-Regiments Nr . 15 reiche Erfahrungen für den Festungs krieg und bewiesen auch auf diesem Gebiete des Kriegswesens die Ueberlegenheit der Deutschen Waffen gegenüber den Französischen. Nicht nur ein würdiges Denkmal ist manchem Braven in der vor liegenden Regimentsgeschichte gesetzt, sondern die näheren Angaben über Batteriebau u. s . w. sind auch für das Studium des Festungs krieges von Interesse und Werth. -
Es sei an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass in dem neuesten Bande der Sybel'schen Historischen Zeitschrift (1. Heft, 37. Band) Dr. Max Lehmann einen Aufsatz über den General Borstell und den Ausbruch des Krieges 1813 bringt.
Gestützt auf archi
valische Studien, legt der Verfasser klar, wie York und Bülow, welche im Januar 1813 bekanntlich eigenmächtig und in Gemeinschaft mit dem Russischen Heere gegen die Franzosen vorgingen , Borstell zu einem gleichen Schritte zu bewegen suchten.
Der streng in den Gren
zen seiner militairischen Stellung verharrende Gouverneur von Colberg wies aber alle ihm zugestellten Aufforderungen schroff zurück.
Als
er jedoch sieht , welchen Verlauf die auszergewöhnlichen Verhält nisse nehmen, greift auch er im Sinne der beiden vorgenannten Ge nerale ohne Befehle des Königs in die Handlung ein . Aufsatz ist
Der kleine
zweifelsohne ein werthvoller Beitrag für die
Geschichte der Preuszischen Erhebung von 1813 .
nähere
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
264
XVIII. Verzeichniss
der
bedeutenderen Aufsätze
aus
anderen militairischen Zeitschriften . ( 15. December 1876 bis 15. Januar 1877.) Neue militairische Blätter (Januar 1877) : Friedrich der Grosze und Sein Cadetten-General . Beiträge zur Geschichte des Preuszi schen Ingenieur - Corps . Die Kämpfe auf der Balkan - Halbinsel 1875 und 1876.
Die Straszen- Locomotive und ihre Verwendbar
keit für militairische Zwecke .
Die Russischen Streitkräfte . -
Das 80 - Tons -Geschütz. - Die Naumann'schen Gewürzsalze und Ge würzextracte für den Armee -Gebrauch . Allgemeine Militair -Zeitung (Nr. 48—56 pro 1876 , Nr. 1 pro 1877) : Das Königliche historische Museum und die Gewehr -Gallerie in Dresden . - Nochmals die Jahresprüfungen des Deutschen Reichs heeres von 1876. – Die wissenschaftliche Ausbildung des Offiziers und der Lesezirkel. -- Einige Worte über eine Costümveränderung unserer Infanterie. - Das Gefecht bei Nuits am 18. December 1870. Die Lothringischen Kriege Karl's des Kühnen , Herzogs von Bur gund 1475 bis 1477 . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 52 pro 1876, Nr. 63 pro 1877 ): Mittheilungen Die allgemeine Webrpflicht. Manövergedanken. über Handfeuerwaffen. – Reorganisation des Spanischen Heeres. -Die Französische Infanterie. – Einschlieszung , von Festungen im Allgemeinen, im Speciellen groszer Waffenplätze. Archiv für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere des Deutschen Reichsheeres (80. Band , 3. Heft ) :
Ueber die Verwendung der Ar Minentheorie und Lade tillerie im Feldzuge 1809 in Bayern . formeln . Ueber die Möglichkeit dem Artilleristen mehr Uebung im Schieszen zu geben.
Ueber die Ausbildung unserer Geschütz
führer und Kanoniere für das Schieszen im Gefechte.
Der Pferde
schoner für Kriegsfahrzeuge. - Kurzer Rückblick auf die bisherige Entwickelung der Bildungsanstalten
für die Artillerie und das In
genieur -Corps. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie (Heft XII ): Aus
den Reiseberichten S.
M. S.
„ Ariadne “,
„ Vineta “,
Aus den Reiseberichten S. M. Kbt. „ Nautilus“, „ Cyclop “.
„ Luise “.
aus anderen militairischen Zeitschriften .
265
Streffleur's Oesterreichische militairische Zeitschrift (Heft XI u. XII pro 1876) : Ueber die Bataillons-Doppelcolonne und Bataillons Masse, sowie deren Beziehungen zu den Gefechtsformen . – Die Nitroglycerin -Präparate .
Kleine Beiträge für die Ausbildung und
das Dienstleben im Heere. -
Streffleur's allgemeine Terrainlehre
mit Beispielen zu deren praktischer Verwerthung für Militairs, In geniere, Naturforscher, Geographen etc. – Schlacht bei Magenta den 4. Juni 1859.
Eine Episode aus der Heinrich du Val , Graf
von Dampierre , Freiherr von Montrovillia . seine
Bedeutung
in
der
Gegenwart.
Der Kriegsrath und Oesterreichische
Kriege
seit 1495 . Organ der militair -wissenschaftlichen Vereine (XIII. Band, 3. Heft): Ueber die Zwecke der militair -wissenschaftlichen Vereine. Tak tische Studien . – Die Kunst zu marschiren . –
Ueber den Einfluss
der permanenten Streu auf die Gesundheit der Pferde und der Wärter. Oesterreichisch - Ungarische militairische Blätter ( I. und 2. De cember - Heft ): Ueber die Aufrechterhaltung der Schwarmeinheit. Skizze der geschicht Die Manöver zwischen Donau und Thaya. lichen Entwickelung des Französischen Generalstabes. — Episoden aus dem Kriege in Deutschland . Oesterreich -Ungarns Armee am Schlusse des Jahres 1876. Oesterreichische Militair - Zeitung (Nr. 101-104 pro 1876, Nr. 1 4 pro 1877 ) : Ueber Mannschafts - Verpflegung. Englische Inter essen an der Donau . — Ueber den Einfluss der Festungen und den Festungskrieg 1870 bis 1871. – Die Entwickelung der Kriegsmarine. Ueber Vermehrung der Cavallerie. - Die Russischen Festungen . Die Verluste in den Schlachten der Neuzeit im Vergleiche zu jenen der früheren Kriegsepochen. Oesterreichisch-Ungarische Wehr-Zeitung ( Nr. 98-101 pro 1876, Nr. I und 2 pro 1877 ) : Oekonomisch -organisatorische Reform unserer Wehrkraft. – Maritime Fortschritte . - Reglements-Studien. Die Chancen Russlands in einem Winterfeldzuge gegen die Türkei. Permanente berittene Geschützbedeckungen . Radetzky und die Orientalische Frage.
Das Englische 200 - Tonnen -Geschütz.
Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens ( XII . Heft ): Die Organisation der Russischen Artillerie. - Festigkeits versuche mit dem K. K. Oesterreichischen Kriegs - Brückengeräthe und mit Rohhölzern verschiedener Baumgattungen . - Die Rolle der modernen Lagerfestungen in künftigen Kriegen nach den Ansichten ihrer Gegner. 18 Jahrbâcher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
266
Mittheilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Band V , Nr. XII : Ueber die Festigkeit S. M. Casemattschiff Prinz Eugen im glatten Wasser und bei hoher See . Die Schwedische Mitrailleuse. Die Fortschritte der Schiffshygiene. L'avenir militaire (Nr. 399 — 401) : Die Schule der Unteroffi ziere in dem Lager von Avord . – Die Administrations -Offiziere . Der Mangel an Cadres . Le Spectateur militaire (15. December 1876 ) : Die Italienische Armee und die moderne Taktik . – Die Expedition nach Mexico . — Studie über den Feldzug im Osten. – Studie über die Artillerie . Von der Rolle der Französischen Armeen bei politischen Umwälzun gen.
Die Commune 1871 .
Journal des sciences militaires ( December - Heft): Marsch-Taktik. - Die Feuerwaffen. - Ueber die Deutschen Befestigungen. Die militairischen Costüme in Frankreich und die ersten Uniformen . Revue d'Artillerie (December -Heft ): Studie über die Wahrschein lichkeit des Treffens. Versuchsschieszen aus dem 100 - Tons -Ge schütz in La Spezzia.
Die neuen Plattformen der Russischen
Artillerie . Revue Maritime et Coloniale (Januar - Heft ): Frankreichs.
Die Kriegsmarine
Versuche mit dem Dampfe der Kriegsschiffe.
Russ . Invalide (Nr. 266-287) : Ueber die Verwendung der Ka saken. - Bestimmungen über die Rennen im Donischen Heere . – Die dienstlichen Verhältnisse des Französischen Soldaten.
Die
groszen Cavallerie -Manöver bei Warschau im Jahre 1876 . Wojenny Sbornik (December -Heft ): Fortsetzung der im November Heft enthaltenen gröszeren Aufsätze. – Einiges über die Türkischen Schulen und das Türkische Offizier-Corps. Das heutige Rumänien. Russ. Artillerie - Journal (December -Heft ): Das Artillerie-Museum , seine Vergangenheit und Zukunft. Russ. Ingenieur -Journal ( October -Heft ): Die militairische Thätig keit der Ingenieure bei dem Amerikanischen Heere im Kriege 1861 bis 1865. – Die Gefängnissfrage in Westeuropa und Amerika. Die Morskoi Sbornik (December- Heft ): Ueber die Popowka. Verbreitung des Systems der Sturmsignale und ihre Anwendung für Russland. L'Esercito (Nr. 149–154 pro 1876, Nr. 1-5 pro 1877) : Die öffentliche Sicherheit und die Armee. Die Discussion über den Kriegsetat. - 87 Bataillone mobiler Miliz. - Die Carrière der Sub
aus anderen militairischen Zeitschriften .
altern -Offiziere .
267
Die 100 - Tons-Kanone. – Die Belagerung von
Gaeta in 1860 bis 1861. - Rückblick auf das Italienische Heer im Jahre 1876. – Urtheile der „ Times “
über das 100 - Tons-Geschütz
in seiner Wirkung auf dem Panzer des Duilio und auf unsere Kriegs marine. -- Die öffentliche Sicherheit in Sicilien . Rivista militare italiana (December- Heft): Bericht über das In fanteriefeuer, dem officiellen Deutschen Berichte über den Deutsch Französischen Krieg 1870 bis 1871 entnommen . Von den militair geographisch - statistischen Verhältnissen der Europäischen Türkei und Bericht über die der kleineren an dieselbe grenzenden Staaten . Taktik der Feld - Artillerie . Ueber das Leben des Generals Nino Bixio.
Parallele der Truppen - Instruction in Frankreich und Pre
szen vor dem Kriege 1870 bis 1871 . Giornale d'artiglieria e genio ( December - Heft): Geschütz und die 55zölligen Panzer .
Das
100 -Tons
Rivista marittima (December-Heft): Andrea Doria. — Ueber die oscillatorische Bewegung auf den Schiffen und über die Fasen , durch welche die Frage bis auf den heutigen Stand derselben gelangte. Studien über Lazaretheinrichtungen . Ueber den Stahl und seine Verwendung bei den Marine Constructionen . Cronaca militare estera (Nr. XI) : Die Organisation der Gebirgs Batterien des stehenden Heeres und der Reserve in Russland. Die Divisions - Cavallerie und der Sicherheitsdienst im Felde . Army and Navy Gazette ( Nr. 890–894 ): Infanterie - Taktik . — Das 81- Tons -Geschütz. Compagnie Organisation. – Die Beförde Die rung in der Französischen Armee. - Armee -Recrutirung. Stärke der Freiwilligen-Corps im Jahre
1876 .
Naval and Military Gazette (Nr. 2296 — 2298) : Das Militair Ein mahomedanisches Contingent. jahr. -- Das 80 - Tons -Geschütz , Die Russische Artillerie. – Die Königliche Militair - Akademie. Schiffs-Ingenieure. Das Preisschieszen der Königl. Artillerie. Army and Navy Journal (Nr. 694—697 ): Die Bill zur Reor ganisation der Marine. General Crook's Jahresbericht. Mili tairischer Despotismus. — Bericht des Marine- Secretariats. – Unsere militairischen Hülfsquellen . Die jüngsten Operationen der In Die Marineverwaltung. fanterie . La Belgique militaire tairischen Erinnerungen . -
(Nr. 307-312) : Einige Die Unteroffiziersfrage.
budget pro 1877 vor der Deputirtenkammer. Central -Afrika's.
Das Ueben des Kriegsspiels.
Belgisch-mili Das Kriegs
Die Civilisation
208
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
De militaire spectator (Nr. XII) : Kaiserreichs. De nieuwe
militaire
spectator
Der Untergang des zweiten
(Nr. XII ) :
Ein Wort über das
Niederländische Heer im Allgemeinen und die Artillerie im Besonderen . Allgemeine Schweizerische Militair - Zeitung 1876, Nr. 1 und 2 pro 1877 ) : Mittelalter und die Condottieri.
wickelung der Europäischen Heere. Luftschifffahrt. — das
Offizierscorps.
(Nr. 50-52 pro
Das Kriegswesen der Italiener im Die Kriegsorganisation und Ent -
Der heutige Standpunkt der
Das Territorialsystem in seiner Anwendung auf Militairischer Bericht aus dem Deutschen
Reiche. – Die Unteroffiziersfrage. Revue militaire suisse ( Nr. 22 und 24 ) : Ueber Recrutirung . Ueber das Militairstrafrecht. - Das Italienische 100 - Tons -Geschütz.. Ueber den Telemeter Le Boulengé. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie ( Nr. Il und 12 ) : Die Thätigkeit der Feld - Batterie von der Rendez -vous- Stellung bis nach dem Gefechte. Krupp’sche Bremsvorrichtungen für Feldgeschütze. Construction 1872 . Norsk Militaert Tidsskrift ( II. und 12. Heft ):
Ueber die Ver
wendung der Cavallerie im Kriege. — Betrachtungen in Betreff der Einquartierungsverhältnisse des Bergen’schen Brigade - Districts. Ueber militairischen Anstand . Revista militar ( Nr. 23 und 24 ) :
Von der Patrontasche
und
dem Patrontaschen-Riemen des Cavalleristen . – Ursachen und Wir kungen der allmäligen Vermehrung der stehenden Heere. Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar ( Nr. 24 pro 1876, Nr. I pro 1877) :
Bemerkungen über den Feldzug des ersten
nördlichen Armeecorps im Jabre 1874 bis 1875.
Verantwortlich redigirt von Major v. Maréos, Berlin , Bülow - Strasze 5. Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin , Unt. d. Linden 21 . Pierer'sche Ho
1
chdruckerei. Stephan G el & Co. in Altenburg.
XIX .
Friedrichs
des
Groszen
Soldatenthum
und
Heersystem . Eine militairhistorische Studie von
A. v. Crousaz, Major z. Disp . ( Schluss .) *) Das Heersystem Friedrichs beruhte , der Hauptsache nach , in den Einrichtungen , welche es dem Preuszischen Heere gab , in der Disciplin , welche von ihm geschaffen wurde , und in dem durch dasselbe bestimmten Geiste und Wesen des Offiziercorps. Wo, im engeren Sinne des Wortes, die Einrichtungen eines Heeres zu betrachten sind , da muss zumeist 'von der Stärke und Formation, Ergänzung und Oeconomie, Ausrüstung und Kriegsfertig keit desselben die Rede sein.
Als Friedrich II. Sein Heer 1740 in jener früher angegebenen Stärke
von
fanterie-,
83,468 Mann übernahm , bestand selbiges aus 32 In 12 Cürassier- , 6 Dragoner-, 2 Husaren - Regimentern , 1
Bataillon Feld-, 1 Bataillon Garnison-Artillerie, 4 Garnison - Bataillonen und 4 Land-Regimentern, so dass, ohne die Artillerie, mit 66 Batail lonen und 114 Escadrons ins Feld gerückt und mit 12 Bataillonen das Land besetzt werden konnte. Das Leib -Grenadier-Regiment und das Regiment Anbalt waren je zu 3, die anderen 30 Infanterie -Regi menter je zu 2 Bataillonen formirt; einem Cürassier -Regimente ge hörten 5, einem Dragoner-Regimente je 5 und resp . 10 Schwadronen ; die Husaren mit zusammen 9 Escadrons befanden sich noch in einem Uebergangsstadium . Das Feld - Artillerie - Bataillon enthielt 6 und das Garnison - Artillerie -Bataillon 4 Compagnien . *) Vergl. Jahrbücher Band XXII, Seite 227 (Februar 1877) . 19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee a . Marine. Band XXII.
270
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
Diesen Truppenbestand vermehrte der König, je nach der zeit geschichtlichen Forderung , ganz auszerordentlich ; die Bewandtnisse des Krieges , der groszmächtliche Standpunkt, welchen Preuszen ge wann , und das Wachsthum des Staatsgebietes sind dabei zumeist bestimmend gewesen .
Schon während der beiden ersten Schlesischen
Kriege gingen 16 neue Infanterie- (33—48) , 5 Husaren- ( 3--7) und 2 Dragoner -Regimenter hervor; das Husaren -Regiment Nr . 2 wurde in ein Leibhusaren -Regiment verwandelt und die sämmtlichen Dra goner -Regimenter augmentirte man bis auf je 10 Schwadronen . Die Artillerie erhielt 1741 ein neues Feldbataillon zu 6 Compagnien und 1742 eine neue Garnison- Artillerie- Compagnie ; das 1741 von Friedrich formirte Pionier- Regiment bildete, da die Mineure, Sappeure und Pon toniere vorher zur Artillerie gerechnet wurden , auch dem Charakter nach , eine neue Erscheinung.
Der Kriegsausbruch von 1756 veran
lasste durchweg eine auszerordentliche Recrutenaushebung, vermöge deren man die Truppenkörper verstärkte ; andererseits formirte der König auch sogenannte Freitruppen , die aber, nur für den Krieg bestimmt , nach dem Hubertsburger Frieden
grösztentheils
wieder
aufgelöst wurden. 1758 wurde das vorhandene Pionier-Regiment zu einem Infanterie - Regimente (Nr. 49 ) formirt , das Husaren Regiment Nr. 8 errichtet und die Feld-Artillerie um zwei Compagnien verstärkt. 1759 formirte Friedrich , im Lager bei Landshut , eine reitende Bat terie, welche mehrfach gute Dienste leistete, bei Kunersdorf verloren ging, neu gebildet wurde und bei Maxen nochmals verschwand, bis endlich 1760 ihre dauernde Regenerirung stattfand , welche sie zu gleich auf gröszere Dimensionen brachte . Nach dem Hubertsburger Frieden theilte der König Sein zu dieser Zeit schon groszes Heer, zur besseren Uebersicht und Controle , waffenweise in Inspectionen. Die 1772 stattfindende Erwerbung Westpreuszens bedingte das Hervorgehen von 6 neuen Infanterie- (50–55) und 2 neuen Husaren während aus gleicher Ursache auch der
(9 und 10) Regimentern ,
Artillerie zwei neue Festungs- Compagnien zuwuchsen, und zu den beiden vorhandenen Mineur- Compagnien eine dritte errichtet wurde. Der Ausbruch des Bayerischen Erbfolgekrieges veranlasste ein neu zeitiges Hervorgehen von Freibataillonen , die aber schon vor ihrer gänzlichen Fertigstellung wieder aufgelöst wurden ; in die letzten sechs Jahre der Regierung Friedrichs fällt , an Formationen neuer Truppentheile , nur noch die 1782 stattgefundene Errichtung einer vierten Mineur- und zwölften Garnison - Artillerie- Compagnie , welcher letzteren 1784 eine dreizehnte solche folgte. Das Heer , welches Friedrich der Grosze 1786 hinterliesz , be
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
271
stand : an Feldtruppen aus 110 Bataillonen Infanterie incl. Garde, 273 Escadrons verschiedenartiger Cavallerie, 40 Compagnien Artillerie, unter denen 10 reitende, 4 Mineur-Compagnien und 1 Pontonier- Com pagnie ; an Garnisontruppen aus 43 diversen Garnison-Bataillonen, 4 Land-Regimentern mit 25 Compagnien, und 13 Compagnien Artillerie nebst noch zwei Garnison - Artillerie - Commando's .
Nummerisch hatte
dieses Heer 120,000 Mann Feld -Infanterie,
40,000 Mann Cavallerie, 10,00 Mann Artillerie und Mineure, 30,000 Mann Garnisontruppen, zusammen 200,000 Mann, und da das Heer von 1740 sich auf 83,468 Mann belief , so war also vom groszen Könige während Seiner 46jährigen Regierung eine Vermehrung um 116,532 Mann in's Werk gesetzt worden. Diese Armee von 1786 kostete 13 Millionen Thaler, sie hatte aber dem Staate 14161/4 Q.-M. und 3,173,000 Einwohner erobert , und die Interessen dieses neuen Capitales
an Land und Leuten beruhten nicht blos in gröszeren Summen der Staatseinnahme , sondern noch mehr in der erhöhten
Lebensfähigkeit des Ganzen , durch die alle Einzelnen segensreich betheiligt wurden . Sie beruhten in der festen Basis , der ehernen Schutzmauer ,
dem groszen Ansehen ,
welche dem Staate gegeben waren, und es ergiebt sich schon hieraus , wie planmäszig , wie aus Friedrichs eigenster Selbstthätigkeit heraus und wie humanen Geistes, trotz der inhumanen Heeresdisciplin, der Zukunft in die Hände ge arbeitet wurde. Die Ergänzung der Armee Friedrichs beruhte , wie unter Friedrich Wilhelm I. ,> auf dem Cantonwesen und auf der Werbung. Das Cantonwesen gründete sich auf das Ersatz- Reglement von 1733, nach welchem in jeder Provinz sämmtliche Feuerstellen auf genommen und bezirksweise an die Regimenter vertheilt waren .
Das
Verfahren bei der Enrollirung selbst hing mit allerlei groben Miss bräuchen zusammen, gegen welche Seitens der Regierung schon 1736 und weiterhin noch mehr , aber doch ohne durchgreifenden Erfolg, angekämpft wurde ; und da schon ursprünglich zahlreiche Ausnahmen von der Cantonpflicht statuirt waren und der Kriegsdienst dem ge meinen Manne damals noch für keine Ehrensache galt , so bekam man von Seiten des Inlandes meist nur den Auswurf zur Fahne . Wer irgend konnte, suchte sich frei zu machen , und dem Waffen handwerke blieben nur Diejenigen , welche in sich selbst und in ihren Verhältnissen keine anderen Haltpunkte des Fortkommens mehr fanden . Da Friedrich der Grosze einerseits wohl ein stets schlagfertiges groszes Heer, andererseits aber auch ein volkreiches , durch Fabriken , Manufacturen und Handel blühendes Land haben 19 *
272
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
wollte, so steigerte er die Exemtionen von der Cantonpflicht und half Sich dafür durch Ausländer ; die staatsöconomischen Gründe dieses Verhaltens waren an jeder Stelle sehr belangreich , aber die Zahl der Cantonisten, welche man bekam, verminderte und das sub stanzielle Wesen derselben verschlechterte sich damit vor dem sieben jährigen Kriege immer mehr.
Letzterer raffte die Ausländer, welche
man bei den Fahnen hatte ,
grösztentheils
hinweg
und dieselben
mussten durch Landeskinder, wie man sie immer bekommen konnte, ersetzt werden .
Friedrich der Grosze sagt in Seiner „ Abhandlung
vom Kriegsstande “ : „ Dass nach dem Hubertsburger Frieden die Regimenter mehr aus Eingeborenen ,
als aus Ausländern bestanden
und man von jeder Compagnie deren 40, von jedem Cavallerie - Regi mente 150 entliesz , um sie dem Ackerbaue nützlich zu machen , dass man auszerdem die vorher willkürliche Zahl der Inländer per Regi ment auf 720 festsetzte und den Leuten aus den Cantons die Er laubniss gab, sich zu verbeirathen , welche Maasznahme ibrem Zwecke entsprochen und schon bis 1773 eine beträchtliche Zunahme der Enrollirten bewirkt habe. “ Sehr wesentlich wurden nach dem sieben jährigen Kriege die Willkürlichkeiten der Cantonverfassung durch die bezüglichen Instructionen von 1763 und 1764 gemildert.
Selbige
verordneten , dass die Aushebung für die Regimenter fortan jährlich nur einmal durch die Cantonrevision, zu welcher das Regiment einen Stabsoffizier und die Verwaltung den betreffenden Landrath gab, stattfinden sollte ; indessen haben sich auch hierbei wiederum Ausnahmen und Missbräuche eingenistet, und die ganze Einrichtung blieb unvollkommen . Wie Friedrich ab und zu durch besondere Er lasse über die Cantonisten verfügte, das besagt u . a. Seine Cabinets ordre vom 27. Juli 1784 , in welcher gesagt ist , dass die Söhne der Bauern und kleinstädtischen Bürger regulair nicht nöthig hätten, zu studiren und also, in Betreff ihrer, einem Missbrauche der Exem tionen vom Enrollement vorzubeugen sei, doch aber durch dieses Princip ganz besondere Talente vom Studiren und demnächst von der Exemtion nicht ausgeschlossen werden dürften . “ Diese Aeuszerung ist vielfach missverstanden worden ; genau erwogen liest man aus ihr doch nur heraus , dass der König die gelehrten Fächer nicht auf Unkosten des Ackerbaues und der Gewerblichkeit mit Subjecten geringer Befähigung überfüllt, und ebensowenig die Ausnahmen von der Cantonpflicht, die ohnedies zahlreich genug waren, ohne erheb lichen Grund und Zweck vervielfältigt sehen wollte. Die Werbung, welche das andere regulaire Ersatzmittel bildete, batte im Wesentlichen noch denselben Charakter, wie unter Friedrich
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
273
Wilhelm I. , das schloss aber nicht aus , in ihrem jetzigen Wesen vielfache Veränderungen des Einzelnen bemerken zu lassen. Damals gab es eigentlich officiell nur eine sogenannte Reichswerbung, und es ist bekannt genug , mit wie vielerlei Kunstgriffen und Gewalt thätigkeiten dieselbe verbunden war, welch' einen üblen Ruf sie da durch bekam und welche Misshelligkeiten daraus, selbst mit anderen Regierungen, entstanden . meinen,
Jetzt war das Werbesystem, im Allge
wohl über seinen Höhepunkt hinaus und zeigte sich viel
fach regelmäsziger und milder ; im siebenjährigen Kriege aber ver wilderte es ganz ungemein , und auch nach dieser Zwischenzeit konnten die in der Natur der Sache beruhenden Uebel immer nicht ganz davon entfernt werden.
Die Werbung sollte sich auch jetzt
nur auf Ausländer erstrecken, da aber als solche auch diejenigen Staatsangehörigen, welche in dem Cantone des werbenden Regimentes nicht geboren waren, betrachtet wurden, so existirte in Wirklichkeit eine Werbung für In- und Ausländer. Die 1743, 1749 und 1778 er schienenen Werbe- Reglements dieser gegenwärtigen Regierung ent hielten nur die von den Werbe-Commando's innezuhaltenden Vor schriften; auszerdem aber erschienen viel einzelne Ordres, welche sich zumeist mit den Werbeexcessen oder mit der Exemtion be schäftigten.
Die Werber waren theils Werbe - Commissarien , mit
denen man auf eine gewisse Summe Geldes und eine bestimmte Zahl dafür einzuliefernder Recruten accordirte, oder für diesen Zweck ab commandirte Regimentsoffiziere, welche über ihre Ausgaben Rechnung legten.
Die den Recruten zu gewährenden Handgelder bemasz man
noch immer nach ihrer Leibeslänge ; die Werber bekamen Werbe und Escortpässe und schlossen mit jedem Angeworbenen einen Ver trag, der gehalten werden musste . Ein in der Trunkenheit gegebenes Versprechen sollte nicht bindend sein, während man früher sich ge rade des Trunkes
für die Recrutenpressung zumeist bedient hatte.
Wenn Obrigkeiten oder Gemeinden schlimme oder für schlimm aus gegebene Subjecte durch Soldaten aufheben und in den Militairdienst einstellen lieszen, so galt dies nicht als gewaltsame Werbung, son dern nur für eine Correctur der öffentlichen Ordnung. sammengefasst , sieht man ,
Alles zu
dass die Werbung jetzt immerhin in
manchen Stücken besser gehandhabt wurde, als früher ;
der König
Selbst äuszert Sich in Seiner „Abhandlung vom Kriegsstande " über die Besserung des Werbesystems nur kurz , aber doch cha rakteristisch. Er sagt, "2 dass ehedem die Hauptleute von dem Gelde , welches ihnen durch die ersparte Löhnung der Beurlaubten zufiel, ihre Compagnien selbst recrutirten .
Diese Einrichtung habe, weil
274
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
jene Offiziere aus Ersparungsrücksichten gewaltsam warben, viel Aergernisse verursacht, und man zog deshalb die Urlaubsgelder ein, liesz den Hauptleuten davon nur je 30 Thaler und verwandte den Ueberschuss zur Werbung.
Hierdurch habe man aus fremden Län
dern jährlich sieben bis acht Tausend Soldaten erhalten " . · Wenn der König noch hinzufügt ,
27 dass die Armee von Jahr zu Jahr an
Grösze der Leute gewann und man 1773 in der Infanterie keine Leute mehr unter 5 Fusz 5 Zoll gehabt habe", so kennzeichnet sich hierdurch, dass auch Er, selbst in späteren Jahren , für dergleichen immer noch jene Werthhaltung besasz, die Ihm mit Seiner militairi schen Jugenderziehung eingeimpft worden war. Dabei ist nicht Alles blos von jener Liebhaberei Friedrich Wilhelms I. abzuleiten, sondern es kommt dafür auch der Exercirmodus und die Kriegskunst damaliger Zeit mit in Betrachtung.
Je peinlicher der erstere war
und je mehr letztere das Nahegefecht, und zum Theil dasjenige mit den blanken Waffen, bedingte, in um so höherem Grade mussten in Reihe und Glied Herkulische Constitutionen wirksam und geschätzt sein ; da aber jeder grosze Mann, welcher zur Einstellung kam, auch sonst im richtigen Verhältnisse mit seiner Leibeslänge entwickelt und kräftig sein musste, so sind auch die besonders groszen Sol daten, welche man hatte, mit den Herkulischen damals stets iden tisch gewesen. Cantonwesen und Werbung gehörten in dem angegebenen Cha rakter eigentlich nur der Friedenszeit an ; im Kriege half man sich, wie es eben ging.
Schon durch jene auszerordentliche Recruten
aushebung von 1756 stieg bei den Truppen die Zahl der Inländer ungemein ; weiterhin musste bei den regulairen Truppentheilen Das jenige, was der Krieg wegraffte, grösztentheils durch Cantonisten ersetzt werden, die Freitruppen aber waren vom Cantonsysteme un abhängig und mussten durch Auslandselemente, wie man ihrer hab haft wurde, ergänzt werden .
Drangvolle Umstände suspendirten zeit
weise jede Regel, und diese eiserne Nothwendigkeit, sich , so zahl reichen Feinden und einem so groszen Menschenverbrauche gegen über, stets schlagfertig zu completiren , leitete auch zu ungewöhn lichen Mitteln. Verschiedene Provinzen des Preuszischen Staates wurden so vom Feinde occupirt, dass man sich aus ihnen wenig oder gar nicht ergänzen konnte,
und für diesen Verlust hielt man
sich an Sachsen, welches überhaupt im ganzen siebenjährigen Kriege für Friedrich eine sehr ergiebige Quelle des Geldes, der Lebensmittel und Soldaten war. Wo der Abgang bei Friedrichs Heeren so grosz war, dass er weder durch eigene Unterthanen, noch aus dem Sächsi
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
275
schen Menschencapitale gedeckt werden konnte, da half man sich durch zwangsweise Einstellung gefangener Soldaten in den Preuszi schen Dienst , oder durch eine an keine Grenzen und Rücksichten mehr gebundene Werbung. Diese lag dann zum Theil in den Hän den gedungener Abenteurer, die ihr Werbe-Reglement sich selbst machten und denen das Glück stets günstig war. Der Preuszische Waffenruhm und die Aussicht auf Beute lockten bereits zahlreiche
Elemente heran ; noch mehr wirkten manche falsche Vorspiegelungen der Zwischenbändler, und man bekam stets die benöthigte Menschen Sowohl die zahl, aber doch unter den traurigsten Bedingungen . Widerwilligen , welche man eingereihet hatte, als die missrathenen Söhne und sonstigen Landstreicher, welche dem Heere zuliefen ,
er
die Disciplin ganz ungemein , und wenn die Einübung dieser Recruten stets nur im Drange und Fluge geschehen konnte, so gab das einen schlechten Ersatz für die früheren angeworbenen
schwerten
Ausländer, welche man schon als fertige und in der Schule des Le bens und Krieges gehärtete Soldaten bekam .
In den letzten Jahren
des siebenjährigen Krieges steigerten sich diese Uebel ganz bedenk lich ; die Preuszischen Heere schmolzen zusammen und das feind liche Uebergewicht wuchs täglich ; die Noth brach Eisen, man musste, um kriegsfähig zu bleiben, Alles nehmen, was man bekam, und Dass durfte kein ungewöhnliches Hülfsmittel mehr verschmähen . mit so ungeübten, widerwilligen und in jeder Hinsicht unmoralischen Soldaten , wie man sie schlieszlich grösztentheils hatte, dennoch bis zum letzten Ende noch immer so viel Gutes geleistet wurde, gereicht dem Könige und Seinen Truppenführern zur gröszten Verherrlichung ; mit guten Truppen kann auch ein gewöhnlicher, aber mit schlechten nur ein auszerordentlicher General effectuiren . Wie sehr der grosze König die ganze angedeutete Sachlage beklagt hat ,
ohne sie doch
ändern zu können, das ging aus vielen Seiner historischen Aeusze rungen hervor, und man erinnere sich hier u . A. nur dessen , was Er über Seine Kriegslage am 16. November 1760 an den Marquis d'Argens schrieb : „ Wenden Sie auf uns diesen Vers der Semiramis an : ,, Beneidet man uns fern , so seufzen wir zur Stelle . “ 6
Denken Sie , welchen Mühen und Un
annehmlichkeiten ich mich unterziehen muss ; stellen Sie sich die Schwierigkeiten vor , welche ich über winden muss , um mein Heer zu unterhalten etc.“ . Damit sagt Er Alles , was Ihn drückte und Seinen Empfindungen wider stritt; wer möchte die Stubenweisheit so weit treiben , dass von ihm die wilde
Heeresergänzung jener Tage
dem groszen Helden zur
276
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
Last gelegt würde.
Wer allein am Abgrunde steht, der darf, indem er auf jedes ihm missfällige Hülfsmittel verzichtet , sich selbst auf opfern ; wer aber in solcher Lage eine unlösbar mit ihm verbundene
Nation hinter und in Betreff ihrer die gröszten Zukunftszwecke vor sich hat, wie es bei Friedrich der Fall war, dem wird es zur uner lässlichen Pflicht, sich mit Allem, was er erreichen kann, durchzu arbeiten. Wenn Friedrich die ausschreitende Werbung jener Zeit nicht gestattet hätte, so würde Er die Kriegsfähigkeit verloren, also eine endgültige Niederlage erfahren und hiermit die Gegenwart und Zukunft Seines Vaterlandes verspielt haben ; die in jenem Bedenken liegende kleine Moralität wäre in dem unermesslichen Unrechte gegen Seine Nation spurlos untergegangen, und Er stände vielleicht jetzt unter dem weltgeschichtlichen Anathema Derer, die das Nasen bluten der Völker verhindert und damit ihre Adern gesprengt haben. Die Oekonomie des Heeres zeigte sich im Ganzen und Einzelnen sparsam. einnahme
von
Das Heer von 1740 kostete, bei einer Staats
7,371,707
Thalern ,
jährlich
4,977,407 ,
dasjenige
von 1786 bei 22 Millionen , über welche der Staat im Ganzen zu verfügen hatte , 13 Millionen Thaler. Wenn so im letzteren Zeitpunkte für die Unterhaltung des Heeres zwei Drittheile der ganzen Staatsrevenue in Anspruch kamen, so würde dies in anderen Bewandtnissen ganz unverhältnissmäszig gewesen sein ; hier, wo die Armee in solchem Grade des Reiches Mehrer war, stand die Pro portion richtig.
Andererseits gab es nichts Billigeres in der Welt,
als eine Armee von 200,000 Mann, welche nur 13 Millionen kostete. Jeder Mann kam so im Durchschnitte nur auf jährlich 65 Thaler zu stehen, und hierin war die ganze Abstufung und Ausrüstung des Heeres sammt dem endlosen Zubehöre und allen Auszergewöhnlich keiten mit eingerechnet.
Dieser kleine Etat in Betreff eines so
groszen Heeres kann nicht blos aus den damaligen Zeitumständen, sondern er muss auch durch die mitwirkenden Naturalleistungen des Landes und dadurch erklärt werden, dass von der Etatsstärke der Truppen auszerhalb der Uebungen stets ein Theil der Mannschaften beurlaubt war und man den betreffenden Sold ersparte.
Die Unter
haltung der Infanterie scheint 4,700,000, der Cavallerie 3,800,000, der Feld - Artillerie und Mineurs
550,000 ,
der übrigen
regulairen
Truppen 988,000, der Landmiliz 22,000 Thaler gekostet zu haben. Zu diesen 10,060,000 kamen noch gegen 3 Millionen für den Servis, die Offiziere der Suite nebst den Inspectionsadjutanten, die Rationen für Generalität und Stabsoffiziere, excl. der Cavallerie , die Inva
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
277
liden, das Feldjägercorps , die école militaire, Festungen, Artillerie material etc.
Die Soldsätze wichen von denen der vorigen Regierung, wo ein Oberst jährlich etwa 800 , ein Major 240 , ein Capitain 180 , ein Lieutenant 150, ein Sergeant 48, ein Grenadier 24 Thaler an „ Tracta ment" erhielt, nur wenig ab ;
doch stellten sich die Einkünfte der
höheren Chargen durch die besonderen Zulagen,
welche sie em
pfingen, und diejenigen der Compagnie - Chefs durch die in ihren Händen liegende Bewirthschaftung ihrer Compagnien, sehr günstig. Floss letzteren , bei guter Oekonomie, schon aus der Bekleidungs procedur viel erlaubter Vortheil zu, so geschah dies nicht minder durch die sogenannten Freiwächter, d. i. solche Privaturlauber in der Garnison, die im Etat der vom Staate Besoldeten befindlich, ihrem Erwerbe nachgehen durften und deren Löhnung die Compagnie einbehielt.
Dem gegenüber standen die Subalternoffiziere und Unter
offiziere, auf denen auch die meiste Last des Dienstes lag, entschie den sehr ungünstig ; da aber der Werth des Geldes damals bedeutend , jede Lebensnothwendigkeit billig, und die Zeit anspruchslos war, so befanden sie sich immer noch in besserer Lage, als , bis zu den Stufen der neuesten Aera, ihre Nachfolger im 19. Jahrhundert , die, bei entwerthetem Gelde und fort währender Zunahme von Theuerung und Luxus , sich keiner damit ganz verhältnissmäszigen Besserung ihres Einkommens erfreuten.
Dass der König nach dem siebenjähri gen Kriege den Compagnien die Recrutirung und hiermit gröszten
theils die Urlaubsgelder entzog , ist schon gesagt worden (S. 274) ; der Kostenpreis der Montirungen,
die jetzt allerdings etwas ´voll
kommener gemacht wurden, ging über denjenigen unter Friedrich Wilhelm I. , WO z. B. eine totale Unteroffiziersuniform 7 Thaler 4 Groschen 42 Pfennige gekostet hatte ,
nicht viel hinaus . Der Unterschied zwischen groszen und kleinen Montirungsstücken existirte bereits ; in den Begriff der letzteren wurden nicht nur Hemden, Schuhe , Sohlen,
sondern auch Stiefeletten, Leinhosen, Halsbinden
und Haarbänder eingerechnet.
Die Soldaten führten bereits, in Be treff ihrer Löhnung und der kleinen Montirungsstücke, Abrechnungs bücher ; die Löhnung wurde fünftägig ausgezahlt ; das ausgeworfene kleine Montirungsgeld betrug jährlich für den Infanteristen 4 , für Thaler. Die Bekleidungsanschaffung lag den Truppentheilen ob, und nur für Tuchankäufe und Tuchlieferungen
den Cavalleristen nur 21
im Groszen und Ganzen wurde meistens von oben gesorgt. Dass das ganze Fuszvolk der Mäntel entbehrte, hat sich in den Winter feldzügen von 1759 und 1760 in Sachsen und 1761 in Pommern
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
278
bitter gerächt.
Für die Unterkunft der Soldaten wurde,
in
den
gröszeren Garnisonstädten, jetzt schon durch Casernements gesorgt, und für diese bestanden Verwaltungsbeamten und örtliche Caserne mentsordnungen . Die Pferde der Cavallerie-Regimenter mussten laut Cabinetsordre vom 15. Februar 1763 vom 1. Juni bis 16. September in Grasung aufs Land gebracht und vom 16. September bis 1. Juni vom Lande, gegen Zahlung fester Preise, verpflegt werden . Die Ersatzpferde kaufte , weil die Pferdezucht im Lande noch darnieder lag, jedes Regiment für die etatsmäszigen Remontegelder selbst an ; die
Cürassiere
Mecklenburg ,
bezogen die
ihre
Pferde
Dragoner und
meistens
Husaren
aus
aus Holstein
und
der
und
Ukraine
Moldau. Die Ausrüstung des
Heeres hatte vor derjenigen
unter
Friedrich Wilhelm I. nicht im Hauptcharakter, aber doch im Einzelnen schon viel voraus ; um so mehr übertraf sie also diejenige anderer Zeitgenossen , da es bekannt ist, dass schon die Preuszischen Truppen von 1715 und 1734 besser ausgerüstet waren,
als diejenigen ihrer
damaligen Bundesgenossen und Gegner. Die Infanterie trug, verschiedenfarbigen
wie vor 1740,
Kragen ,
durchweg blaue Röcke mit
Aufschlägen
und Rabatten ;
für
früheren rothen waren meist gelbe oder weisze Unterkleider,
die statt
der rothen schwarze Halsbinden eingeführt, und bei den Stickereien der Offizieruniformen bekam jetzt das Silber den Vorrang. Die Sub alternoffiziere und Mannschaften trugen Gamaschen , die Stabsoffiziere hohe Stiefeln .
Zur Kopfbedeckung der Infanterie dienten theils le
derne und mit Blech beschlagene hohe Grenadiermützen, theils Hüte, welche vorn und hinten aufgeschlagen,
mit Schnüren und Borten Die Hauptwaffe des
besetzt, und mit einer Agraffe verziert waren . Infanteristen
bildete die
Bajonnetflinte
mit Französischem
Feuer
schlosse und eisernem Ladestocke ; auszerdem führten die Musketiere kurze Säbel , die Grenadiere kurze Pallasche. Die Unteroffiziere waren, statt der Gewehre, mit Kurzgewehren, die in Reihe und Glied stehenden Subalternoffiziere mit Espontons versehen , die Stabsoffiziere führten
den Degen.
Die Patrontasche des Infanteristen fasste 60
Patronen und die auf dem feldmäszig bepackten Infanteristen ruhende ganze Last wog 60 Pfund . Was die Cavallerie betrifft, so zeigte sich der Aufschwung, welchen sie durch Friedrich bekam, auch schon in ihrem Aussehen ; sie war besser beritten, als diejenige der vorigen Regierung , und wenn ihre Kleidung und Armatur von jener nicht bedeutend abwich, so wurde doch diesem Apparate jetzt durch die Haltung und Bieg
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
279
samkeit des Reiters ein anderer Charakter gegeben . Die Cürassiere trugen weisze oder blassgelbe Collets mit offenen Kragen und Auf kurze Westen , Stulphandschuhe und Hüte mit weiszen Federbüschen ; der Uniformsunterschied der Regimenter beruhte in
schlägen,
den Farben der Garnirungen. Bruststücke ,
welches durch
Der Cürass bestand nur aus einem kreuzweise über den Rücken gehende
Riemen festgeschnallt wurde . Die Dragoner hatten Röcke von hell blauem Tuche mit verschiedenfarbigen offenen Kragen, Aufschlägen und Klappen, und weisze oder gelbe Achselbänder ; im Uebrigen waren sie, den Brustharnisch abgerechnet , wie die Cürassiere aus gerüstet und nur leichter als diese beritten . erst Friedrich
zu
einem
originalen
Die Husaren ,
welche
machte ,
trugen,
Kriegsfactor
nach Ungarischer Art, verschiedenfarbige Dollmans und Pelze, sowie hohe Filz- oder Bärenmützen mit Federbüschen und Ungarische Stiefeln . An Lanzenreitern besasz Friedrich eine kleine Anzahl Bosniaken , welche 1745 dem Husaren - Regimente Nr. 5 zugetheilt , 1760 aug. mentirt und 1771 zu einem besonderen Husaren - Regimente (Nr. 9) Die blanke Bewaffnung bildeten bei den Cürassieren und Dragonern Pallasche mit messingenen Körben und einschneidi
formirt wurden .
gen Klingen, bei den Husaren krumme Säbel, und bei den Bosniaken auszerdem noch Lanzen mit Fäbnchen . An Schusswaffen führte diese Cavallerie Carabiner und Pistolen, der Gebrauch derselben trat aber in dem Masze, wie gerade in dieser Zeit das cavalleristische Princip durch Ross und Klinge zu seiner höchsten Geltung kam, den Hintergrund.
mehr in
Die Artillerie war ähnlich wie die Infanterie, nur einfacher, uniformirt , denn die Röcke der Artilleristen hatten nicht einmal farbige, sondern nur blaue Aufschläge.
Mützen und Gewehre, welche
die Artillerie vorher gehabt hatte, schaffte Friedrich ab, und gab ihr dafür den gewöhnlichen Militairhut und den kurzen, resp . den cavalleristischen Pallasch .
Die reitenden Artilleristen trugen auszer
dem Lederhosen, Stiefeln und Federn auf den Hüten.
Die schon
durch Friedrich Wilhelm I. ihrer früheren Handwerksmäszigkeit ent ledigte Artillerie,
erfuhr in der Zeit Friedrichs die weitgreifendsten
Vervollkommnungen .
Diese beruhten nicht nur in
ihren Augmen
tationen und in jenem Neueintreten der reitenden Artillerie, sondern auch, und noch mehr, in einer besseren Gesammtorganisation dieser Waffe, ihrer zweckdienlichen Verbindung mit den anderen Waffen des Heeres und ihrem dem Stande der Kriegskunst entsprechenden Gebrauche gegen den Feind .
Die Feld - Artillerie beruhte in den
unterschiedenen Kategorien der Regiments-Artillerie , der
Batterie
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
280
geschütze und der reitenden Artillerie .
Bezüglich der Regiments
Artillerie waren seit 1741 jedem Linien- Bataillone zwei dreipfündige oder leichte sechspfündige Kanonen und eine siebenpfündige Haubitze zugetheilt, diese Verhältnisse aber, sowie auch die Gewichte, Längen, Caliber und Munitionen variirten mehrfach. Die Munition der Ba taillonskanonen befand sich in den Protzkasten, diejenige der Hau bitzen in sogenannten Granatenwagen.
Die Dreipfünder wurden je
von 10 , die Sechspfünder und Haubitzen je von 12 Mann bedient ; die beiden Kanonen eines Bataillons führte ein Unteroffizier, bei der Haubitze befand sich ein Feuerwerker. jedes Geschütz aus vier Pferden ; Knecht.
Die Bespannung bestand für
zu je zwei Pferden gehörte ein
Die Batteriegeschütze bildeten selbstständige Batterien von
je zehn Geschützen .
Man hatte bis zum Ende des siebenjährigen
Krieges verschiedene Caliber : Zwölfpfünder, leichte Vierundzwanzig pfünder und sogenannte Brummer. Nach dem Hubertsburger Frieden liesz der König diese Geschütze umgieszen, und man hatte alsdann in dieser Kategorie schwere Sechspfünder, schwere , mittlere und leichte Zwölfpfünder, sieben-, zehn- und fünfundzwanzigpfündige Hau bitzen. Die reitende Artillerie bestand 1759, bei Landshut, aus einer Batterie von zehn leichten Sechspfündern ; nach ihrer zweiten und dritten Formation hatte sie mehr Geschütze, und unter diesen auch bereits einige Haubitzen.
Im Bayerischen Erbfolgekriege gehörten
zu einer reitenden Batterie
acht leichte
Sechspfünder und
zwei
siebenpfündige Haubitzen . Wenn man die Soldaten Friedrichs, ihrer äuszeren Ausstattung nach , mit den unserigen vergleicht , welch' ein Unterschied !
Hier
das modeste zugeknöpfte Costüm, kurzes Haar, Helme und Stiefeln, dort Zöpfe, Puder und Gamaschen, sammt allen Farben des Regen bogens ! Das markirteste Zweierlei würde man haben, wenn sich ein damaliger neben einen
jetzigen Infanterie - Offizier
stellen liesze.
Ersterer mit dem offenen Rocke , den hellen Unterkleidern , den bunten Rabatten und zierlichen Stickereien, beschäftigt den Schön heitssinn ganz vorwiegend, und wenn man nicht wüsste, dass das Heldenthum des siebenjährigen Krieges durch ihn repräsentirt ist, so würde er fast nur für eine galante Figur gelten können .
Ein
General Friedrichs hingegen sieht neben einem jetzigen Generale, wenn er in Paradeuniform erscheint, nur einfach aus . Jener hat auf seinem blauen Rocke mit dem rothen Umschlagkragen keine Epaulets oder Fangschnüre, und auszer dem Schwarzen Adler oder Pour le mérite auch keine weiteren Decorationen ; Schmuck und Complication befanden sich damals eben an anderen Stellen als jetzt.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
281
Wenn ein Truppencorps Friedrichs jetzt vor uns defiliren könnte, welch' unbeschreibliche Eindrücke würde es schaffen ! Die Infanterie zieht im langsamen Schritte vorüber, jedes Regiment trägt andere Farben, dieser bunte Schimmer und diese majestätische Ruhe, die man anderweitig nicht so vereint findet, geben zusammen ein wunder bares Bild .
Die normale Richtung und der tönende Gleichtritt sind
erstaunlich ; nur eine Herkulische Kraft kann einen derartigen Me chanismus so lenken , und nur ein profunder Geist kann ihn so er dacht haben.
Die Zöpfe erscheinen hier ehrwürdig, der odiöse Cor
poralsstock wird, dieser Präcision gegenüber, welche er schaffen half, Kein Gre nur noch ein bewunderungswürdiges Instrument sein. nadier misst unter fünf Zoll, es ist, als ob das nur Garde-Regimenter wären, und jeder Truppe sieht man ihre stolzen Erinnerungen an . Im Aeuszeren spiegelt sich auch das Innere, und solch ' eine Truppen schau ist zumeist ein Probestück der Disciplin ; 1 wenn jene bunten und straffen Legionen an uns vorüberziehen könnten, so würde zu erst das Soldatenauge ergötzt, dann aber das Herz bewegt und das Nachdenken erweckt sein.
Zeigte der erste Blick , wie hundertfach
die jetzige militairische Kunst jener damaligen überlegen ist , so müsste doch der zweite uns darüber belehren, was noch abzulernen bleibt. In ihrer Kriegsfertigkeit wetteiferten alle Waffen unseres damaligen Heeres. Die Infanterie stand jetzt bereits in drei Gliedern, und wenn die Compagnien in das Bataillonsverhältniss einrückten, so bildeten sie in diesem fünf Divisionen zu zehn Pelotons, so zwar, dass die Grenadier Compagnie mit zwei für sich nummerirten Pelotons auf dem rechten Flügel stand .
Das Exerciren wurde durch ein 1743 neu aufgelegtes
Reglement bestimmt ; die Handgriffe mit dem Gewehre waren zahl reich und wurden sehr präcise ausgeführt.
Auf das Geschwindfeuer
legte der König viel Werth , und in der Schlacht von Mollwitz ist, nach damaliger Begriffsweise, so schnell gefeuert worden, dass dies eigentlich die bedeutendste Ursache unseres Sieges war. Das Ba jonnet behielten seit 1741 alle drei Glieder beim Feuern aufgepflanzt ; wenn es dahin kam, so fiel, beim Fertigmachen, das erste Glied auf das rechte Knie, das zweite gab den rechten Unterschenkeln des ersten, durch Seitwärtssetzen der rechten Füsze Spielraum, und das dritte rückte einen halben Schritt rechts, um durch die Zwischen räume des zweiten anzuschlagen. Die verschiedenen Arten des Feuers waren : Peloton-, Divisions-, Bataillons- und Hecken -Feuer. Die ersten drei Arten fanden , sowohl zur Stelle, als im Avanciren
282
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
oder Retiriren , nach Maszgabe des Ausdruckes statt ; das Heckenfeuer wurde so ausgeführt, dass, im Vor- oder Zurückgehen, nach der zu deckenden Seite hin , einzelne Rotten austraten , nach Bedürfniss feuerten und wieder in ihre Pelotons zurückgingen .
Auf den Front
marsch wurde viel Sorgfalt verwandt ; sollte die vorrückende Linie feuern, so wurde dies vorher signalisirt , und wenn die dann abge gebene Decharge den Feind noch nicht vom Platze trieb , man zum Bajonnetangriffe.
so schritt
In dem Reglement von 1743 heiszt es
hierüber : „ Und weilen die Stärke der Leute und die gute Ordnung
die Preuszische Infanterie
un überwindlich
macht , so muss den Leuten wohl imprimiret werden , dass , wenn der Feind , wider alles Vermuthen , stehen bleiben sollte , ihr sicherster und gewissester Vortheil wäre , mit
gefällte m
Bajonnete in
selbigen
bineinzu
drängen , alsdann der König repondiret , dass Keiner widerstehen wird . “ Wirklich leistete die Preuszische Infanterie dieser Periode im Bajonnetangriffe Bewunderungswürdiges, und gleich im Anfange des siebenjährigen Krieges führten das Regiment Bevern und das Grenadier - Bataillon Jung - Billerbeck in der Schlacht von Lowositz einen glänzenden Bajonnetangriff gegen die den Lobosch berg forcirende Oesterreichische Infanterie aus. Die Formationen und Bewegungen der Infanterie waren in dieser Zeit schon ziemlich mannigfaltig, denn man feuerte sich nicht blos linear an den Feind heran, sondern marschirte auch schon in Colonnen und entwickelte sie,
zog die
Flügel vor,
attackirte en échélon,
liesz die Treffen
durchziehen , ging en échiquier zurück und gewann dem Feinde eine Flanke ab.
Das Flügelvorziehen leistete u . A. bei Einleitung der
Schlacht von Prag gute Dienste, wo bei dem Zusammentreffen der Colonne des Königs, welche links, mit derjenigen Schwerins, welche rechts abmarschirt war, die befohlene Schlachtaufstellung am schnell sten dadurch bewirkt wurde, dass man die hinten stehenden linken Flügelzüge aller Bataillone links herauszog und die anderen von hinten nach vorn successive folgen liesz .
Hiermit war dann der
beabsichtigte Linksabmarsch der ganzen Armee, bei welchem Schwerin in das Verhältniss des linken Flügels kam, sehr gut erzielt.
Des
Angriffes en échélon bediente sich Friedrich namentlich bei Leuthen und Zorndorf mit groszem Erfolge; in ersterer Schlacht war der rechte Flügel am Feinde und der linke refüsirt, in letzterer verhielt es sich umgekehrt.
Durch das Abgewinnen feindlicher Flanken ge
wann Friedrich mehrere Hauptschlachten.
Bei Prag gewann Er die
rechte , bei Leuthen die linke Flanke des Oesterreichischen Heeres;
AT
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
283
es wurde für diesen Behuf mit Zügen links und resp . rechts ab marschirt und dann, nicht rechtwinklich , sondern mit einer Aus biegung nach der betreffenden Flanke hin, geschwenkt. Nach dem siebenjährigen Kriege erschien sowohl die Mannszucht, als die Dressur und Manövrirkunst dieser Infanterie sehr verringert, und der König sagte darüber : frühere
, dass
es viel
Tüchtigkeit
Mühe kostete ,
hineinzubringen ,
wieder die
dass
Strenge
nöthig war , um den Soldaten zum Gehorsam anzu halten , Uebung, um ihn gewandt zu machen , und eine lange Gewöhnung,
um es dabin zu bringen , dass er sein Ge
webr viermal in einer Minute laden ,
in einer geraden
Linie ohne Schwankung marschiret , und sich
in
alle
für den Krieg erforderlichen Bewegungen finden konnte. Die Truppen wurden im Frühjahre und Herbste ver sammelt , und man machte da nichts als grosze Kriegs manöver , Vertheidigungen , Angriffe , Fouragirungen , Märsche etc .; es brauchte aber für die Wiederherstellung der nöthigen Kriegsfertigkeit Zeit , und erst von 1770 an machte sich in Allem diejenige Routine und Prä cision bemerkbar , welche uns Zuversicht gab . “ Die Cavallerie, welche unter der vorigen Regierung nebensäch lich und mangelhaft gewesen war, machte erst Friedrich zu einem groszen und glänzenden Kriegsfactor. von 1740 sagte : i
Wenn Er von den Reitern
„ diese Colosse auf Elephanten konnten
weder man övriren noch fechten etc. “ , und man dann fünf Jahre später bei Hohenfriedberg schon eine auszerordentliche Meister
schaft dieser Waffe sah, so muss diese cavalleristische Reform , welche in kürzester Zeit so umfänglich stattfand , im höchsten Grade be wundert werden . Sie gründete sich zumeist wieder auf das Genie dieses Kriegsherrn und muss in organisatorischer Hinsicht für Sein Diese Reform fand bis grösztes Meisterstück gehalten werden . Hohenfriedberg und dann im weiteren Verfolge, theils während des Krieges und vermöge der Kriegserfahrung , theils inzwischen und nachher in der Schule des Friedens statt, und ist nicht blos durch Formationen und Dienstvorschriften, sondern noch mehr dadurch ins Werk gesetzt worden , dass der König die in Seinem Offiziercorps befindlichen Reitergenie’s ausfindig machte und an ihre richtigen Plätze wies. Hier ist die Cavallerie von ihnen erzogen und im pulsirt , und sind erst durch sie die neuen Bestimmuugen zu lebendi gen Thatsachen gemacht worden . Sie wuchsen in das höchste Ein verständniss mit ihren Truppen hinein und stiegen in deren Meinung
284
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
bis auf den äuszersten Gipfel ; wenn dann der Krieg kam, so ver mochten Reglement und Disciplin, Begeisterung und Siegesgewissheit in einen Punkt zusammenzuwirken. Die Cavallerie Friedrichs ritt
zuerst in drei ,
dann in zwei
Gliedern ; die Regimenter hatten je zehn oder fünf Escadrons ; die Escadron enthielt vier Züge ; bei den Cürassieren wurde eine halbe Escadron Compagnie genannt.
Auf den geraden Frontmarsch und
die Entwickelung aus der Colonne wendete man viel Sorgfalt ; wenn es zur Attacke ging , so richtete man sich nach der Mitte.
Die
Attacken wollte Friedrich so geschlossen als möglich, und in Seinem 99 Unterrichte für die Generale Seiner Armee 66 sagte Er in dem von den „Treffen und Bataillen " handelnden XXII . Capitel : „ Ich füge diesem noch als eine Generalregel bei , dass in coupirten und difficilen Terrains man 15 Schritte zu den Distancen der Escadrons geben muss , dahingegen sie in der Plaine aneinanderschlieszen müssen. "
Die
damalige Cavallerie ritt , des festeren Zusammenhaltes wegen, Knie an Knie, und wenn sie attackiren sollte, so begann man im Schritte, ging aber schon nach kurzer Distance in den Trab tiber, machte dann durch verhaltenes Galoppiren die Pferde hitzig und jagte end lich en Carrière in den Feind. Die Cavallerie that zu der so vor herrschenden Offensive Friedrichs gewöhnlich das Meiste .
Sie kam
massenhaft auf beide Flügel der Schlachtlinie, und es wurden noch auszerdem der Avantgarde, der Infanterie, welche den Hauptangriff machen sollte, oder der Reserve verhältnissmäszige Cavallerie-Ab theilungen beigegeben. Bei den schrägen Angriffen diente die Ca vallerie des refüisirten als Reserve derjenigen des angreifenden Flügels ; wo auf einem Punkte gröszere Cavalleriemassen standen, formirte man sie stets in zwei Treffen.
In diesen Stellungen blieb
die Cavallerie, bis ihre Momente kamen, und warf sich dann wie die Sturmfluth auf den Feind ; dieses richtige Abwarten aber, und dieses Erspähen der feindlichen Blösze, welches man an ihr bemerkte, be wies , dass diese Reiterei nicht blos überwältigend , sondern auch haltungsvoll und intelligent war. Im ersten Schlesischen Kriege zeigte sich die Preuszische Ca vallerie wohl tapfer, aber noch an vielen Stellen unbehülflich ; doch wurde das Husarenthum jetzt schon bemerkbar und glänzte unter Zieten in mancherlei Recognoscirungen.
Gleich nach dem Berliner
Frieden ging der König sehr ernstlich daran,
einen Musterzustand
seiner Cavallerie zu erzielen ; den reglementarischen Haltpunkt dafür gab zunächst eine ihr,
ebenso wie den anderen Waffen, ertheilte
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem. neue
Dienstvorschrift von 1743.
zuges
von
285
Während des Böhmischen Feld
1744 zeichneten sich die Husaren in Streifereien und
Scharmützeln aus ; eine am 25. Juli 1744 vom Könige erlassene In struction :
„ Ueber das in einem Treffen gegen den Feind
obachtende Verbalten der Reiterführer “,
zu be
war im höchsten Grade be
langreich und sieht schon wie eine Art Prämeditation des Hohen friedberger Sieges aus . Letzterer wurde der Cavallerie des Preuszi schen linken Flügels , welche den Feind mit rasendem Stosze nieder warf ,
verdankt ,
und wenn hier der König zum ersten Male und
gleich so ruhmwürdig Seine Reiterei einen groszen Sieg gewinnen sah ,
so konnte er nachher von ihr sagen :
„ Nur erst seit der
Schlacht von Hohenfriedberg kann man den Zeitpunkt festsetzen ,
wo Meine Reiterei geworden ist ,
was sie
sein sollte , und jetzt ist. “ In der eilfjährigen Friedenszeit, nach dem zweiten Schlesischen Kriege, gedieh Dasjenige, was mit dem aufblühenden Husarenthume und der Dienstvorschrift von 1743 begonnen, dann mit der Kriegs erfahrung, der Instruction von 1744 und dem bei Hohenfriedberg er starkten Selbstgefühle fortgeführt war, zu voller Reife. Seydlitz , vom Könige erkannt und gehoben,
trat in dieser Zeit schon auf
Stufen, wo sein Reitergenie für die Erziehung dieser Waffe Auszer ordentliches leisten konnte ; Zieten arbeitete in seiner engeren Spbäre des Husarenthumes sehr belangreich, und als der siebenjährige Krieg hereinbrach , war dieses fast wunderthätige Reiterschwert , die
glänzendsten Actionen des ersteren
entscheiden
welches
sollte, schon
fertig geschmiedet. Bei Rossbach gewann Seydlitz, unter dem Schutze einer Hügelkette, mit 38 Schwadronen die feindliche rechte Flanke und zertrümmerte das Heer Soubise's förmlich . Bei Leuthen kam die Aufrollung der Oesterreichischen Linie vom linken Flügel ,
als
sie bis zum Centrum gediehen war, ins Stocken ; da flog Driesen mit
der Preuszischen
Cavallerie des
linken Flügels herbei ,
Luchesi's Oesterreichische Cavallerie und vollendete den Sieg. Zorndorf hat die Preuszische Cavallerie das Höchste geleistet,
warf Bei denn
hier trat sie in einer auszerordentlichen Selbstständigkeit auf, und gewann eine Schlacht, welche , ohne sie, verloren worden wäre. Nach dem
Hubertsburger Frieden sagte der König von Seiner
Cavallerie : „ dass sie viel weniger verloren , als die In fanterie , und sich die alten Offiziere und Soldaten grösztentheils in ihr erhalten hätten ; doch wäre einigen Generalen der Cavallerie der Vorwurf gemacht worden , dass sie die Infanterie bei den Heeres - Abtheilungen , Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine, Band XXII. 20
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
286
die sie führten , nicht zweckmäszig manövriren lieszen , wie
denn
auch einigen Generalen der Infanterie ,
in
Betreff der Cavallerie , Gleiches zur Last gefallen wäre. Um solchen Fehlern nun , bezüglich der Folgezeit , vor zubeugen , habe der König ein Werk über die Taktik und
Lagerkunst geschrieben , worin die allgemeinen
Regeln ,
sowohl für den Vertheidigungs- als Angriffs
krieg enthalten waren , und dieses habe die günstigsten Wirkungen geübt. “ Es wurden in der Friedenszeit Reitbahnen angelegt und Stall meister angestellt ; das hauptsächlichste Förderungsmittel aber
be
ruhte darin, dass auch die Cavallerie besondere Inspectionen bildete und diese den cavalleristisch erprobtesten Generalen zu Theil wurden . Die Seydlitz’sche Doppel- Inspection in Schlesien bildete das Normal stück derselben,
und wenn der König Offiziere aller Preuszischen
Cavallerie -Regimenter nach Schlesien schickte, damit sie dort lernen und das Gelernte dann in ihrer Heimath verwerthen möchten,
so
bildete sich hiermit um und bei Seydlitz eine Art cavalleristischer Musterschule .
Er beeinflusste so die ganze Preuszische Cavallerie,
und ihr Zustand blieb vermöge dessen nicht nur ausgezeichnet, son dern er entwickelte sich zu noch immer höherer Musterhaftigkeit. Als Seydlitz 1773 starb , dauerte die letztere gleichwohl fort,
und
auch nach dem Tode Friedrichs ist im nachherigen Rheinfeldzuge die Preuszische Cavallerie bewundert worden . Solche unmittelbar aus dem Genie entsprungene Institute , wie diese Reiterei, steigen zwar,
wenn die Götterarme,
welche sie trugen ,
wieder allmälig von ihrer Höhe herab,
nicht mehr sind,
aber doch bleiben sie auch
in ihren Nachwirkungen noch bewunderungswerth.
Was ist Schill,
was sind die Lützower, Dolffs und Platen etc. , und die cavalleristi schen Helden unserer neuesten Aera Anderes, als die Epigonen von Seydlitz , Kinder des Friedericianischen Geistes und Systemes, nach dieser speciellen Richtung des Reiterthumes bin . Und was einmal eine Zeit für sich gehabt, wird wieder einmal eine für sich haben “ ! wir stehen schon auf der Schwelle eines neuen goldenen Zeitalters unserer Cavallerie, und wenn es in seine Fülle kommt, dann wird sein höchster Ruhm darin bestehen, sich ebenbürtig neben dasjenige Friedrichs stellen zu können . Die Artillerie
beschränkte ihre Friedensübungen während des
Winterhalbjahres meist auf Exercitien und Instructionen in bedeckten Räumen ; im Frühjahre und Sommer wurde mit den Geschützen im Freien exercirt, und im Herbste baute man Batterien, hielt Schiesz
übungen
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
287
und
Die
manövrirte
schlieszlich
im coupirten Terrain.
Taktik der Artillerie liesz noch viel zu wünschen übrig und kann mit der unserigen nicht verglichen werden.
Die Regimentsgeschütze
waren mit ihren Bataillonen eng verbunden, und das Princip, sie mit denselben stehen und fallen zu lassen,
war an sich gut und
führte da und dort zu schönen Waffenthaten ; da aber diese Geschütze nur durch Unteroffiziere befehligt wurden
und die Führer der Ba
taillone ganz für diese in Anspruch kamen, so fehlte der das Gefecht des Bataillons mit demjenigen dieser Geschütze verbindende Geist und somit die Garantie ihren Bataillonen,
des Erfolges.
Die Geschütze fuhren mit
protzten etwa 500 Schritt vom Feinde ab und
wurden, wenn noch weiter avancirt werden sollte, durch die Mann schaft gezogen . Das Kartätschfeuer eröffneten sie gewöhnlich erst auf 350 Schritte ; der Vortheil ihrer ganzen Operation lag darin, dass in diesem Verhältnisse sich überhaupt Artillerie so nahe an den Feind bringen liesz , und dieser dann, wenn der Infanterieangriff glückte, um so gröszeren Schaden litt. Prallte unsere Infanterie hin gegen ab und musste zurückgehen, so fielen die Bataillonsgeschütze fast immer in die Hände des Feindes, weil sie in solcher Nähe dem feindlichen Infanteriefeuer zu sehr ausgesetzt waren und ihnen keine hinreichende
Zeit zum
Aufprotzen
und Zurückgehen
blieb.
Die
Batteriegeschütze leisteten besonders bei Rossbach und Leuthen gute Dienste ;
auf dem Marsche, welchen der König 1760 von Dresden
nach Liegnitz machte, waren die schweren Batterien zum ersten Male den Infanterie- Brigaden beigegeben, und erhöhte dies natürlich die Schlagfertigkeit des Heeres .
Sehr nachtheilig erschien es, dass eine
besondere Reserve-Artillerie meistentheils entweder gar nicht oder nicht ausreichend vorhanden war . Die reitende Artillerie war im siebenjährigen Kriege noch unbedeutend ; 1778 that sie sich in dem Fouragirgefechte bei Slawitin besonders hervor.
Sie manövrirte mit
groszer Schnelligkeit und wurde vom Könige selbst gerühmt.
Auch
sagte Er von ihr in Seiner Instruction vom 3. Mai 1768 : „ Sie soll bedachtsam und hauptsächlich dazu gebraucht werden , eine Attacke unserer auf die feindliche Cavallerie vor zubereiten.
Der
Infanterie
sind
reitende
Geschütze
nur in Ermangelung schwererer Stücke beizugeben etc. “ Die Zahl der Geschütze, welche der König ins Feld führte, war mit der Stärke der Truppen verschiedenartig , aber doch so
pro
portionirt, dass sich eine Zunahme des artilleristischen Kriegsfactors daran erkennen liesz. Bei Lowositz hatte man zu 24,000 Mann 102, bei Prag zu 64,000 Mann 192 , bei Leuthen zu 32,000 Mann 167 Ge 20 *
288
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
schütze.
Dass der König von 1758 an , den gemachten Erfabrungen
nach, schon einen groszen Werth auf die Artillerie legte, sprach sich bereits in Seinem vertraulichen Briefwechsel mit dem Generale Fouqué aus , und in Seiner Abhandlung „ Vom Kriegsstande “ sagte Er, bezüglich der Zeit nach dem Hubertsburger Frieden :
„ Zu Folge
des in dem letzten Kriege entstandenen Gebrauchs , war die
Artillerie
ein
Haupttheil der Armee
geworden. “
Factisch befand sich die damalige Preuszische Artillerie, trotz ihrer noch mangelhaften Taktik, doch im richtigen Verhältnisse mit ihrer Zeit und stand gegen keine andere gleichzeitige Artillerie zurück,
Die Disciplin des Friedericianischen Heeres stimmt mit derjenigen von 1740 im Hauptwesen so überein , dass sich wohl da und dort die Meinung bilden konnte , der grosze König habe nur eigentlich in diesem Punkte das Ihm Ueberlieferte conservirt und kriegerisch verwerthet ; die
Mannszucht
der
um so mehr, als Sein Ausspruch über
Armee Friedrich Wilhelms I.
( S. 236) jede Steigerung eines derartigen Normalzustandes auszuschlieszen schien . Aber es
giebt
keine absoluten Normalzustände ;
alles
Bestehende
kann übertroffen werden und jedes derartige Urtheil steht, ohne der Zukunft vorgreifen zu können , unter den Bedingungen des Zeit punktes , in welchem es gesprochen wird. Die Armee Friedrich Wilhelms I. war für damals wirklich musterhaft disciplinirt und von der militairischen Zeitgenossenschaft ist sie hierin kaum irgendwie erreicht, noch weniger übertroffen worden ; wenn man sie aber mit dem Heere Friedrichs vergleicht, so zeigt schon ein kurzer Blick auf die historischen Situationen Beider auch in diesem Stücke die Ueberragung des letzteren .
Die Armee Friedrich Wilhelms I. be
währte sich
auch disciplinarisch zumeist im Frieden , diejenige Friedrichs zumeist im Kriege. Erstere wurde durch einen groszen
Oekonomen und einen groszen Exercirmeister gelenkt und gehorchte der eisernen Kraft bei mustergültiger Ordnung ; letzterer sind durch das Genie noch unvergleichliche Hebel des Geistes hinzugekommen , Für jede Genossenschaft , welche ein systematisches Ganze bilden steigert sich mit dem äuszeren Wachsthume auch das innere Erforderniss ; wenn also das Heer Friedrichs schlieszlich dreimal so
soll ,
grosz war, hieraus ,
wie
ohne
dasjenige Friedrich Wilhelms ,
sonstige Kenntniss ,
so
müsste
gefolgert werden ,
dass
schon es in
diesem Verhältnisse auch gröszere Kräfte und Einsichten brauchte, welche wiederum im Punkte der Disciplin, einen besseren Zustand herbeiführten.
wie in jedem anderen
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
289
Tritt man der Sache näher, so findet sich vorerst, dass es in der Natur Friedrichs lag , den Schwerpunkt alles kriegerischen Wesens in der Disciplin zu suchen ; und hierin trachtete Er nur den Grund sätzen Alexanders , Hannibals und Cäsars , überhaupt der gröszten Kriegshelden, welche es je gegeben hat, nach .
Demgemäsz musste
Er in diesem Punkte Ungewöhnliches verlangen : die äuszerste Hin gebung an jeder Stelle, die muthige Haltung im Unglücke und diese Begriffsweise , welche in der Unterwerfung des Eigenwillens und in der strengen Pflichterfüllung die höchste Ehre sucht .
Das Alles be
sasz auch , in ihrer Weise , die Armee Friedrich Wilhelms , es kam nur darauf an, sie damit auf höhere Standpunkte und zu groszer Bethätigung zu führen .
Der König bediente sich hierzu unvergleich
licher Hebel und sie beruhten schon in dem Eindrucke Seiner Person , dem Blicke Seines Auges, den unbeschreiblichen Wirkungen Seines Beifalles oder Scherzes einer- und Seines Unwillens andererseits . Sein Erfolg begeisterte, jedes Wort von Ihm drang in Mark und Blut ; wo Er war, da hielt sich der Soldat für unfehlbar ; unter Seiner Fahne belächelte man nur die ganze Liliputanische Gegnerschaft. Man wuchs von Striegau bis Kesselsdorf, von Prag bis Leuthen und von Zorndorf bis Torgau in seinem Bewusstsein Haupt um Haupt, und jeder Preuszische Soldat nahm sich seinen Antheil des Ruhmes Aller.
Solche Genugthuungen machen schon allein die Disciplin
wunderthätig ;
durch eine stete Uebung in Stolz und Freudigkeit
wird sie zur zweiten Natur ; solch' ein Kriegsherr, wie Friedrich, kann gebieten, was Er will,
man beugt sich vor Ihm, wie vor dem
Verhängnisse . War die Armee Friedrichs sonach schon disciplinirt , weil sie Ihn hatte und Sein groszes Thun und Wesen einen alle Truppentheile durchdringenden corps d'esprit schuf, so haben doch auch im Ein zelnen, einmal Seine äuszeren Veranstaltungen, zweitens Seine An sprachen, Ehrengaben und Ehrenstrafen nach dieser gleichen Richtung hin auszerordentlich gewirkt. In ersterer Beziehung sind schon die neuen Kriegsartikel, welche 1749 und 1764 zur Geltung kamen, wichtig ; auszerdem wirkten noch Reglements, Edicte, Instructionen und einzelne Befehle auf die äuszere Conservation und Fortbildung der Disciplin.
Der durch die Kriegs
artikel dieser Regierung festgesetzte Strafmodus hielt im Wesent lichen noch die frühere Strenge fest , und es waren dabei die am häufigsten
vorkommenden
Vergehen
zumeist
ins
Auge
gefasst.
Zu dieser gehörte in erster Reihe die Desertion, und der König be klagte dieses Uebel einerseits und arbeitete ihm andererseits entgegen.
290
Friedrichs der Groszen Soldatenthum und Heersystem .
Wenn Er im XII. Capitel Seines Anti- Machiavell Sich dahin aussprach : dass die besten Kriegsvölker eines Staates die Na tionaltruppen nicht die für
wären ,
doch
aber
ein Reich ,
wenn es
sein Heer und Kriegsbedürfniss nöthige
Menschenzahl hervorbringe , zur Heranziehung von Miethstruppen gezwungen werden könnte “ , und dann von den in der Armee befindlichen Landeskindern :
dass sie
ihrer
üblen Beschaffenheit nach nicht mehr Anbänglichkeit an ihren Herrn hätten , als die Ausländer “ , – so deutet dies schon auf die unabweisliche Grundursache jener Desertionen hin . Seine Klage hierüber nimmt auch die Gestalt einer Vergleichung an, indem Er sagt: „Welch ein Unterschied zwischen die sen Truppen und jenen weltero bernden Römern !
Die
zu unserer Zeit in allen Armeen so häufigen Desertio nen waren bei den Römern etwas Unerhörtes , diesen Menschen , welche für Alles fochten , was ihnen im Le ben das Liebste war etc. “ Man sieht schon aus dieser Aeusze rung , wie sehr Friedrich die Vorzüge eines National- und die Ge brechen eines Miethstruppenheeres erkannte , und wenn man bei solcher Bewandtniss nicht annehmen will , dass Ihn von Herstellung jenes ersteren nur die absolute Unmöglichkeit abbielt,
so wird dies
ein unberechtigter Zweifel an Seiner stets consequenten und überall an das erreichbare Beste haltenden Intelligenz sein .
sich Dass
Friedrich, als Er dieses Urtheil aussprach, noch nicht Zeit und Ge legenheit gehabt hatte, das Preuszische Heer zu durchleuchten , jene militairische Apotheose Seiner Selbst und den wunderthätigen corps d'esprit, deren schon gedacht wurde, hervorzubringen , angegebenen
Aeuszerung
deutlich
genug
hervor ;
geht aus der als
der
Anti
Machiavell geschrieben wurde, lag diese Begeisterung des Heeres für den Herrn , die erst der siebenjährige Krieg voll schaffen sollte , noch im Schosze der Zukunft.
Auch in ihrer Zeit jedoch wurde viel
desertirt, und es kommt dabei in Frage : warum diese Desertion jetzt nicht durch den vorhandenen corps d'esprit verhindert wurde und sie den letzteren ihrerseits nicht beschädigte ? Hierauf ist zu er wiedern : einerseits , dass die zur Desertion geneigten Leute sich doch stets nur in der Minderzahl befanden , andererseits , dass das De sertionsgelüst auch den damit Bebafteten nur zeitweise und meist aus solchen kleinen Ursachen kam , die mit ihrer übrigen Begriffs weise kaum zusammenbingen. gen
zu
Schulden , Liebeshändel , Missstellun
einzelnen Vorgesetzten oder Cameraden , Furcht vor den das waren die regu Folgen irgend eines begangenen Fehltrittes ,
291
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem. lairen Beweggründe der Desertion ,
und der in dieser vorbandene
Geist des Unrechts bescbränkte sich meist auf den Moment des Ver gehens . Dieselben Leute , welche an der beabsichtigten Desertion nur durch Wachsamkeit verhindert, oder nach wirklicher Desertion wieder eingebracht wurden , fochten in der nächsten Schlacht mit Löwenmuth , und bewiesen durch That und Wort, wie begeistert für ihren König und wie stolz auf den Preuszischen Waffenruhm sie waren . Friedrich wusste das recht gut ; da aber die Desertion doch immer bedrohlich war,
so
wurde ihr ebenso mit dem Schrecknisse
der darauf stehenden Strafen , als mit besonderen Vorsichtsmaszregeln Der König sagte über die Desertion und ihre Be
entgegengewirkt . handlung in
Seinem
Unterrichte
an die
Generale Seiner Armee
( I. Capitel ) u . A .: „ Wenn Soldaten , die man zwei Jahre nach ein'ander dressirt bat , verloren gehen , und schlecht oder gar nicht ersetzt werden , so wird dies auf die Länge nachtheilig. Ihr werdet , wenn Ihr nicht darauf Acht gebt ,
Eure beste Force verlieren etc. Der Desertion vorzubeugen campire man , auf Märschen ,
nicht
zu
nahe
an
einem
groszen
Leute öfter in ihren Zelten , Husarenpatrouillen ,
hole
Walde ,
visitire die
umkreise das Lager mit
die
Lager bedürfnisse
nur stets in Reihe und Glied ein , vermeide möglichst die Nachtmärsche , sehe darauf, dass es den Truppen nie am Nöthigen fehlt etc. — Wenn die Desertion bei einer
Truppe einreiszen will , so orientire man sich sofort über die Ursachen davon . Man arbeite unaufhörlich die Disciplinirung , und findet an jedem Tage Miss bräuche abzustellen , die sonst einreiszen werden etc. “ In dem betreffenden Zusatze , welcher auf Friedrichs späteren Aeusze rungen über dergleichen beruht, heiszt es alsdann sehr zutreffend :
n2 Zur Pünktlichkeit in der Ausrichtung eines jeden Be febles muss man den Soldaten gleich beim Eintritte in den Dienst gewöhnen. Fordert man von ihm , einen geringfügigen Befehl genau ausführt ,
dass er so
ge
schieht dies nicht allein , damit der Befehl ausgeführt wird , sondern auch ,
damit sich der .Soldat überhaupt
an die pünktliche Befehls vollstreckung gewöhne.
Sehr
fehlerhaft ist es , wenn so viel Kleinigkeiten vom Sol daten gefordert werden , dass er nicht im Stande ist , jedem Befehle pünktlich nachzukommen. Dadurch leidet die Präcision erstaunlich , und man soll weniger
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
292
fordern , aber auf der genauen Erfüllung des Geforder ten streng bestehen.
Der unbedingte Gehorsam würde ,
wie man an den bürgerlichen Verrichtungen sieht , im Frieden vielleicht nicht so unentbehrlich sein , wenn nicht der Frieden für den Krieg vorbilden müsste . Im Kriege ist solch ein wandelloser Gehorsam unerläss lich , wenn aber der Soldat nicht im Frieden dazu ge wöhnt wurde,
so fehlt es daran im Kriege.
groszer Fehler der Chefs , dass
Es ist ein
sie sich alle Unregel
mäszigkeiten melden lassen und nicht die Erledigung derselben durch ibre Offiziere und Unteroffiziere sta n;
die
Autorität
der Letzteren
leidet darunter ,
und wenn sie dann im Kriege mit ihren Untergebenen abgesondert , und in keine selbstständige Behandlung der vorkommenden Fehler eingelebt sind , daraus grosze Nachtheile entstehen . “
so
werden
Das Alles sind goldene Regeln , und man sieht daran , dass der König nicht nur der Disciplin Seines Heeres nachsann , sondern auch die Wahrheiten , welche Er fand , alsbald zu verwerthen suchte. Solche Insinuationen an Seine Heerführer beugten für die Folgezeit gewiss vielen Vergebungen der Soldaten vor, Zahl der Strafen vermindert wurde ,
und wenn damit die
so milderte
sich die Disciplin
ganz rationell und von Innen heraus , ohne dass der äuszere Straf apparat verändert werden durfte. Ein Drakonisches Gesetzbuch ist da, wo wenig gesündigt wird , ohne Stachel und wird zuletzt hin fällig ; zuchtlose Menschen aber werden durch milde Gesetze immer zuchtloser und empor.
schrauben
erstere
endlich
Die Soldaten Friedrichs mussten,
zur äuszersten Strenge ihrer Natur nach ,
aller
dings streng behandelt werden, aber man kann sicher annehmen, dass die Hälfte ihrer Vergehen durch unkluge Behandlung , un billige Ansprüche u . dgl. verursacht war ; und wenn nun durch jene Instructionen Friedrichs einem solchen Hauptübel gesteuert wurde, so beruhte hierin welche
schon
eine humane Handlung von groszer Tragweite,
die Grundmauern
eines
humanen
Heersystems
zu
schaffen begann . Der äuszere Strafmodus blieb allerdings noch bei seiner Härte . Zwar zeigten sich, im Sinne und nach dem Willen Friedrichs, auch hierin manche Milderungen, aber der gemeine Soldat bekam immer noch Stockprügel ;
der Unteroffizier wurde nach wie vor mit der
Klinge gefuchtelt, was ehrenvoller sein sollte , aber um so scbmerz hafter war ; die Offiziere liesz man wegen geringer Dienstfebler nach
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . der Wache bringen .
Gröszere Vergeben , wie
Diebstähle etc. , zogen die , je
nach
293
z . B. Desertionen ,
den Umständen,
verschieden
graduirte Strafe des Spieszruthenlaufens, Complotstiftungen, Wider setzlichkeiten mit der Waffe u . dgl . die Todesstrafe nach sich . Das Der Spieszruthenlaufen war eine ganz mittelalterliche Barbarei.
i
0
Delinquent muss in der sogenannten „ Birkenallee “ , nämlich in einem von vielleicht 200 Mann gebildeten Spalier, so oft, als es die Sentenz besagt , auf- und abgehen , um dabei fortwährend mit Birkenruthen
li geschlagen zu werden. Sein Oberkörper ist entkleidet ; damit er nicht zurück weichen oder forteilen kann, geht dicht vor und hinter ibm bewaffnete Mannschaft, und der Tambour schlägt dazu das
Marschtempo.
Jeder Mann des Spaliers hält eine starke Birkenruthe
und schlägt damit auf den vorbeipassirenden Delinquenten ; wer es unterlässt , den züchtigen die hinter den Reihen stehenden Unter offiziere. Bisweilen werden die Ruthen geknickt , aber wer dies thut , riskirt für sich schlimme Folgen . Der Delinquent hat eine Bleikugel im Munde , um nicht aus Schmerz seine Zunge zu zer beiszen . – Das ganze Experiment giebt den Türkischen Leibesstrafen oder den Indianischen Martern am Pfahle nicht viel nach , und ist auch mit der Cultur dieser Zeit kaum noch verhältnissmäszig ; man konnte wohl den Stock noch nicht ganz , aber doch dieses Raffinement und diese Schaustellung des Prügelwesens entbehren . Es ist eben in die Begriffsweise der Heereslenker eingerostet, und der gemeine Mann hat sich so daran gewöhnt, dass ihm eine Militairjustiz obne Spiesz rutben ganz unthunlich scheinen würde. Manche Ausländer suchten eine Bravour darin, zelnen
dünkte sie
solch
eine Strafe lächelnd hinzunehmen ; Ein interessantes Abenteuer , oder sie be
nur ein
trachteten dieselbe , wie eine Schröpfkur, vom sanitätischen Stand punkte . Die Ansprachen , welche der König bei verschiedenen Kriegs gelegenheiten an Seine Truppen bekanntesten
hielt ,
drangen stets tief ein ;
sind diejenigen von 1740 und 1757 , –
Ausbruche des ersten Schlesischen Krieges ,
am
erstere beim
letztere zwei Tage vor
der Schlacht von Leuthen , und beide an die Generale und Offiziere, also indirect an die ganze Armee gerichtet . sprache
der König
sagte :
„ Ich
Wenn in ersterer An einen Krieg ,>
unternehme
meine Herren , worin ich keine anderen Bundesgenossen habe , als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Erinnern Sie sich beständig des Rubmes , den Ihre Vor fahren sich erwarben auf den Schlachtfeldern von Warschau und Febrbellin , so wie bei der Unternehmung
294
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
nach Preuszen etc. “ , so setzte Er hiermit grosze Ehrenbebel ein, die dann im Hebepunkte mit multiplicirter Kraft wirken mussten . Was der König sagte,
erfuhren baldigst sämmtliche Unteroffiziere
und Soldaten ; Egoismus und Phantasie illustrirten es , das Vertrauen, welches sich kund gab , bob, wie stets , alle Gemüther.
Die Unter
offiziere werden zu den Soldaten gesagt haben : „ Da könnt Ihr sehen, was der Stock ausrichtet ;
er hat unserer Armee diesen Ruhm
worben , von welchem der König spricht .
er
Jeder Hieb , den damals
ein Soldat bekam , ist zu einer Bombe geworden , welche bei Fehr bellin , und anderwärts den Feind zerschmetterte . und erobert die Welt ,
Vivat Fridericus ! “
Macht's eben so
Als späterbin schon
einige Früchte dieser Philosophie geerndtet waren , sangen die Sol daten : „ Fridericus , mein König, mein König und Held , So wir schlagen je den Teufel für dich aus der Welt. “ wuchs ein Baum aus dem Samenkorne, so konnte unter dem Sterne Friedrichs auch der dürre und harte Soldatenstock sich grün be lauben . In Seiner Leuthener Ansprache stellte der König die schlimme Kriegslage, in welcher Er sich befand, und diese unabweisliche Noth wendigkeit dar,
entweder zu siegen oder mit Ehre unterzugehen.
„ Wir müssen den Feind angreifen, wo er steht , und ohne Rücksicht auf seine und unsere Stärke ; und wenn er sich auch bis an die Zähne verschanzen sollte , so wird doch der Preuszische Heldenmutb und Diensteifer durchdringen . Allen Offizieren und Mannschaften muss gesagt werden , dass hier keine andere Wahl mehr bleibt , als den Feind zu schlagen oder sich vor seinen Batterien begraben zu lassen . --- - Ist aber einer oder der andere darunter ,
der sich fürchtet,
alle Gefahren mit mir zu
theilen , der kann noch heute seinen Abschied erhalten , ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden . “ Diese Oder “ ; der König Rede stellte die Armee auf das Entweder wusste , wie treu und schlagfertig sie war, aber die Situation forderte, dass Er sie in ungewöhnliche Erregung versetzen , alle Lebensgeister bis zu dreifachem Kraftvermögen spannen musste.
Im letzten Passus
gipfelte dieses Vorhaben ; an die Möglichkeit eines wirklichen Aus trittes Zaghafter
konnte in
diesen
Umständen
wohl auch
einer
minder tüchtigen Armee gegenüber kaum gedacht werden , denn wer hier austrat, hätte dazu viel mehr Muth gebraucht, als zum Sturme der Batterien. Friedrich war Seiner Sache ganz sicher, und sagte das nur, um durch diesen Verdacht, welchen Er blicken liesz,
den
295
Friedrichs des groszen Soldatenthum und Heersystem .
ä uszersten Gemüthsaufruhr zu bewirken , der schon gehobenen Stim mung ihren höchsten Schwung zu geben .
Dies gelang Ihm so gut,
dass, in einem Kreise von Generalen und seinem Könige gegenüber, der damalige Major von Billerbeck, bezüglich der ergangenen Auf forderung , sagte : „ Ja , das müsste ein rechter Hundsfott sein , nun wäre
es Zeit ! “
Das war gleichzeitig der erstaun
lichste Bruch und die gröszte Bethätigung der Disciplin, ersteres äuszerlicb , letzteres dem Sinne und Wesen nach . So behandelte es auch der König , denn Er wusste, dass es Momente giebt, wo der Geist jede Schablone zerbrechen darf. Die Augen aller Generale waren feucht,
ihre Begeisterung drang ins Heer und hob es über
jede Vorstellung der Gefahr hinweg.
Friedrich hatte eigentlich schon
vermöge dieser Rede gesiegt, – und es ist überaus merkwürdig, dass in einer Zeit des mechanischen und inhumanen Heerwesens doch die groszen Effecte, auf welche es ankam, in solchem Masze durch den
Geist
wurden .
und
mit
dem
Aufrufe des
Ehrgefühls
hervorgebracht
!
Neben solchen Ansprachen richtete der König auch gelegentlich und im Vorbeigehen oftmals gemüthliche Worte an diesen und jenen Truppentheil , oder selbst an einzelne Soldaten , und diese wirkten um so mehr, als sie eifrig verbreitet wurden .
Er erkannte auch
nach langer Zeit Jeden wieder, der Ihm einmal ins Auge gesprungen war. „ Ich erkenne Ihn recht gut, Er hat anno 1744 mit dem David Kraul zuerst das Fort Ziska erstiegen, gedenke Seiner Mériten und will für Ibn Sorge tragen . “ – „ War Er nicht der blaue Husar, welcher mit mir ins Lissaer Schloss ritt , als wir bei Leuthen ge schlagen hatten ? Man vergisst seine alten Cameraden nicht , bitt' Er Sich eine Gnade aus. “
„ Ihm baben bei Torgau die Ohren ebenso
gebrummt wie mir ; hat sich da, bei Prinz Heinrich , recht hervor gethan und muss ein Glückskind sein , dass Er nachher, als Euch die feindliche Cavallerie so schlimm zusetzte, durchgekommen ist.“
So
sprach Er Viele an , scherzte, lohnte, wie es kam , rief die Bilder der Vergangenheit wach und schuf den Eindruck , dass die Einzelnen Ihm nicht blos Ziffern Seiner Riesenexempel , sondern Individuen waren, an denen Er Theil nahm , in deren eigenstes Thun und Wesen Er fürsorglich einging . Mit Seinen Ehrengaben war, nach dem richtigsten Principe , was es geben kann , der König im Ganzen sparsam .
Er wusste genau,
dass die Auszeichnung Einzelner jedem Heerwesen unerlässlich, der überbäufte Ehrenlohn aber ohne Werth und Wirkung ist.
Die Be
förderung zu höheren Chargen wurde regulair nur Offizieren zu Theil,
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
296
und was die Verleibung von Orden betrifft, so zeigte sich hierin der König, auch dem Offiziercorps gegenüber, nur da freigebig ; wo ganz besondere Umstände vorlagen .
Den Schwarzen Adlerorden
hatten
1784 nur 15 Preuszische Generale ; der Orden pour le mérite wurde während des ganzen siebenjährigen Krieges nur an 72 Offiziere ver schiedener Grade ausgetheilt .
Auf diese beiden Orden beschränkte
sich überhaupt der decorative Ehrenlohn ;
wer aber einen oder den
anderen besasz , dem hing dieses Symbol mit seinen heiligsten Er innerungen zusammen , und er trug es beständig, nicht aus Eitelkeit , sondern in Hochhaltung der Gabe seines Königs und zum Gedächt nisse auszerordentlicher Ereignisse. Belohnungen durch Güter, Geld summen , Präbenden, Adelserhöhungen etc. wurden nur höheren Offi zieren zu Theil ; wo man Personen des Unterstabes oder Gemeinen standes irgendwie hervorhob, da beruhte das, in den einzelnen Fällen, wo es stattfand , auf besonderen Umständen, die in piquanter Weise zur Kenntniss des Monarchen kamen .
Im Ganzen und Allgemeinen
fand eine Beförderung oder Belohnung des
gemeinen Mannes nur
selten, eine regulaire und gesetzlich festgestellte Versorgung des selben gar nicht statt ; – er batte also nur diejenigen Hebel , welche in seiner Begriffsweise und in der ihn beherrschenden Heeresdisciplin lagen . Die Glorie seines Kriegsherrn , der Preuszische Soldatenname, die Ebre des Regiments, das genügte für endlose Beschwerden und halsbrechende Unternehmungen. Das schuf den Löwenmuth und die Todesverachtung, von denen der Feind zerschmettert wurde ; das setzte in haarsträubenden Lagen wunderbare Triumphe durch. einen solchen corps d'esprit Derer, die nicht
An
belohnt und versorgt
wurden , an jene in dem Heersysteme Friedrichs beruhende Disciplin , welche solche Wunder that etc. , denken Diejenigen nicht , welche, vom Standpunkte der Gegenwart, jenes damalige Heerwesen nur ver urtheilen ; uns aber erscheint es viel historischer durch seinen Geist , als durch seine Zuchtmittel, und wir sehen dort eine ausnahmsweise Tafel der Weltgeschichte, welche das, was menschliche Grösze ver mag , im hellsten Lichte zeigt. Friedrich effectuirte auch durch Worte des Lobes oder Tadels, und nicht selten knüpften sich an diese oder jene Thatsache solche Belohnungen und Strafen , die an das Ehrgefühl ganzer Truppentheile gingen .
Nach dem Siege bei Hohenfriedberg erbielt z . B. das dort
sich so auszeichnende Dragoner - Regiment Baireuth das Privilegium der ausscblieszlichen Anwendung des Hohenfriedberger Grenadier marsches, sowie des mit Pauken zu schlagenden Cürassiermarsches , und auszerdem ein Ehrendiplom voll Königlicher Anerkenntniss und
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem. Gnadenbezeigung .
297
Nach der Schlacht von Liegnitz belohnte der
König Alle, die sich ausgezeichnet hatten, reichlich, dankte sodann der ganzen Armee durch Parolbefehl für ihre Tapferkeit, und gab dem Regimente Anhalt, welches sich bei Dresden des Königs Miss fallen zugezogen hatte, die ihm dort genommenen Seitengewehre und Huttressen zurück .
Dass solche eigentlich nur geistige Belohnungen
und Strafen auf jene rohen Soldaten ganz unbeschreiblich einwirken und sich mit der Stockdisciplin ins Gleichgewicht setzen konnten, ist überaus merkwürdig ; man erkennt auch hieran die Macht des Friedercianischen Zauberstabes und sagt sich , dass ohne diese Er fahrung nie an die Möglichkeit geglaubt worden wäre, einen solchen corps d'esprit , wie ihn Friedrich schuf, aus dem inhumanen Heer systeme hervorwachsen zu sehen.
Wenn die groszen Actionen, die glänzenden Siege Friedrichs Seinen Kriegsruhm zumeist nach Auszen verkündigen, so haben doch kleinere und selbst betrübende Thatsachen für die militairische Moral da und dort noch mehr ausgegeben, und gerade in diesen beruhten oft die hervorragendsten Beispiele der Disciplin . Man erinnere sich an Fouqué's Aufopferung bei Landshut , die Vertheidigungen Col die Gefangennahme Preuszischer Cadetten durch Tottleben, Breslau's Vertheidigung durch Tauentzien und die Rettung Cüstrins
bergs ,
durch einen untergeordneten Offizier. In Bezug auf Fouqué's Ge fangennahme sagte der König, nicht diesen Unfall an sich, sondern nur das persönliche Verhalten jenes Feldherrn ansehend :
„ Diese
schöne Kriegshandlung kann nur mit derjenigen des Leonidas und jener Griechen , welche die Thermopylen vertheidigten und deren Loos ein ganz ähnliches war , verglichen werden. " Colbergs Vertheidigungen von 1758, 1760 und 1761 geben eine wahre Heldengeschichte ; die 1760 in Russische Gefangenschaft gekommenen 100 Cadetten zeigten dort , obgleich noch zarte Knaben, einen Patriotismus und Preuszischen Soldaten geist, den selbst der ältere Suwarow bewunderte ; Bogislaw Friedrich von Tauentzien, der heldenmüthige Vertheidiger Breslau's im Jahre 1760 , wurde vom groszen Könige gerühmt (Werke V, 115 ) , und Lessing sagte über ihn : „ Wäre der König so unglücklich geworden, Seine Armee unter einem Baume versammeln zu
können ,
Tauentzien
Baume gestanden. "
hätte
gewiss
unter
diesem
Wenn man endlich in Betrachtung nimmt,
dass 1762 zu Cüstrin ein für diese Festung höchst bedrohlicher Auf stand von Gefangenen nur durch den Lieutenant Tscharnitzky mit 50 Mann bewältigt wurde, und dieser Offizier, 800 Kroaten gegen
298
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
über, das groszartigste Unheil verhütete , so muss hierin eine ganz eminente Kriegshandlung erkannt werden . Factum historisch nur selten die Rede, einer äuszeren Würdigung desselben .
Gleichwohl ist von diesem
und es verlautet nichts von Der König mochte diese
Heldenthat Tscharnitzky's für ein „ Devoir “ ansehen, und lohnte nur Dasjenige, was im Getriebe des groszen Krieges lag ; uns aber gilt sie hier für eine ganz auszerordentliche Probe der Mannszucht, und wir halten es für augenfällig genug, dass, wenn 50 Ueberraschte und Angegriffene dennoch 800 Angreifer zu besiegen vermögen, dies nur durch eine weit überlegene Disciplinirung der ersteren erklärt werden kann . Das gröszte Beispiel solcher Art liefert die Affaire von Hoch kirch , in der nur Preuszische Disciplin aus dem Chaos eine Ordnung und aus dem Schlachten eine Schlacht machen konnte. Wenn des Feindes Bajonnete und Kanonen, zu der Zeit, wo man durch sie aus dem Schlafe geschreckt wird, schon mitten im Lager sind ; wenn die unbekleidet aus ihren Zelten springenden Soldaten, noch ehe sie in Reihe und Glied gelangen, niederkartätscht werden, und Nacht und Nebel die taktische Ordnung vereiteln , da gelten Muth und Ge schicklichkeit nicht mehr viel, die Kriegszucht thut aber bier Alles. Die Gegenwehr schien bei Hochkirch nur Vermessenbeit, der Unter gang wäre natürlich und jedem anderen so überfallenen Heere sicher gewesen ; die Preuszische Disciplin aber fand den Ausweg und hat hier, mitten in der Niederlage , eigentlich einen Sieg gefeiert. Nach dem Hubertsburger Frieden zeigte sich die Preuszische Heeresdisciplin zunächst sehr verringert,
und der König
schrieb
dieses Uebel hauptsächlich dem zu dieser Zeit schon unzulänglich gewordenen Offiziercorps zu . Er sagte hierüber, nachdem der be treffende Zusammenhang geschildert worden , in Seiner Abhandlung „ Vom Kriegsstande “ : „ Man kann aus diesen traurigen Umständen leicht abnehmen , dass es selbst den alten Regimentern an Ordnung , Mannszucht und Pünktlich keit , folglich auch an Stärke fehlte. “
War nun durch die
Wirkungen jenes langwierigen Krieges das Heerwesen auch in allen anderen Hinsichten verwildert, so brauchte es für dergleichen um so mehr einer gründlichen Reparation , und diese ging alsbald in Ge meinschaft und Gegenseitigkeit mit Demjenigen hervor, was überhaupt zur Heilung der Kriegswunden geschab .
Eine der ersten Organi
sationsmaszregeln Friedrichs war es in diesem Sinne , dass Er bald nach dem Frieden Sein Heer waffenweise, und zwar je nach den Bestandtheilen der Monarchie,
in Inspectionen theilte.
Er Selbst
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
299
sagte hierüber in jener Abhandlung : „ Die Regimenter der In fanterie sowohl , als schiedene
der
Inspectionen
Cavallerie , wurden vertheilt ,
um
bei
in ver
denselben
wieder Ordnung , Pünktlichkeit und Strenge der Kriegs zucht
herzustellen
und
zugleich
eine
vollkommene
Gleichförmigkeit in der Armee zu bewirken etc. “
Diese
Einrichtung entsprach der Natur eines so groszen Heeres, wie das Preuszische um 1763 schon war, vollständig, denn sie bedingte eine leichtere und beständige Controle der Regimenter,
für deren über
einstimmende Ausbildung und Disciplin die Inspecteure in ihren groszen Complexen sorgen mussten. Für die Infanterie entstanden Die Inspecteure neun , für die Cavallerie sechs Inspectionen .
musterten
die Truppen und leiteten das Cantonwesen ;
der König
Selbst sah jede Inspection alle zwei Jahre und setzte zu Inspecteuren aus Seiner unmittelbaren Entschlieszung diejenigen Generale ein , welche Er dazu für geeignet hielt. So wurden dem Inspections wesen, ohne Ansehung des Dienstalters, stets nur die im Sinne des Königs passenden Capacitäten zugewendet ;
die
richtige
Vermitte
lung war gefunden und das Verhältniss des Kriegsherrn mit den Truppen wurde so regelrecht, wie es in einem so groszen Heere zur Friedenszeit immer möglich ist. Wenn durch diese Masznahme und Alles, was damit zusammen hing , sowie durch die Regenerirung des Offiziercorps und andere geeignete Mittel , die Preuszische Heeresdisciplin im Wesentlichen wieder auf ihren „ status quo ante “ zurückgeführt wurde, so begannen im Laufe der nun zunächst folgenden fünfzehnjährigen Friedenszeit doch die groszen Impulse und Zielpunkte, welche man vorher gehabt hatte, auf solche Weise 'zu fehlen , dass dies den Standpunkt der Disciplin neuerdings schädigen musste. Der König hatte im sieben jährigen Kriege unmittelbar vor Seinen Regimentern gestanden , jetzt wirkte Er mehr durch die Inspecteure und sah sie nur zweijäbrig ; es gab
keine solche Spannung und Befriedigung, keinen solchen
Wechsel und Humor mehr, wie früher; die durch den Stillstand be wirkte Müdigkeit trat ein, und das Schablonenwesen kam , wie in jeder Friedenszeit, zu nachtheiliger Geltung. konnte, wie von Seydlitz, gesagt werden : fahren , jahren
Von manchem Offiziere „ Könnt er zu Rosse
da hätt's noch keine Noth , doch in den Ruhe besiegte ihn der Tod “ ; viele Soldaten , zumal Aus
länder, verfielen in der Einförmigkeit des Garnisonlebens und unter drückenden Dienstformen in eine moralische Verwilderung, die ihnen im Kriegsgewüble fremd gewesen war. Der Hang zur Desertion
300
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
zeigte sich häufiger und rief um so peinlichere Gegenmaszregeln her vor ; die Vergeben und somit die Strafen nahmen überhaupt zu, das ist Alles gar nicht in Abrede zu stellen .
Aber in diesen Er
scheinungen beruhte kein Verfall des Heeres ; sie waren nur Friedens staub, den ein neuer Ruf zu den Waffen schnell abschütteln musste. Wer in die Einzelnheiten des Bayerischen Erbfolgekrieges blickt, muss dies bestätigt finden.
Der Prinz Heinrich hätte am 28. Juli
1778 seinen meisterhaften Uebergang über das Lausitzer Gebirge nicht so, wie es geschab, bewerkstelligen, der Prinz von Preuszen im September, bei dem so überaus schwierigen Rückzuge des Preuszi schen Hauptheeres über die Aupa, sich nicht so glänzend hervor thun können , wenn nicht in ihnen selbst und in ibren Truppen diese echte und ganze Disciplin gewesen wäre, welche man im jährigen Kriege gehabt hatte .
Mit ihr würde man ,
sieben
wenn nur die
historische Sachlage danach gewesen wäre, ebenso glorreiche Siege erfochten haben, wie vor zwanzig Jahren . Gegen Ausgang der Regierung Friedrichs begann der Geist der Menschheit ein anderer zu werden , und in dem Masze , wie dies der Fall war, veränderten sich auch die seitherigen Bedingungen des Heerwesens. Was bis hierher mit dem Strome der Zeit trieb, musste denselben allmälig gegen sich bekommen ; wo der Heeresapparat zumeist in der Begriffsweise seines Jahrhunderts wurzelte, da hielt ibn schlieszlich nur noch die vorhandene oder nachwirkende Macht Friedrichs zusammen . Dass der grosze König die Vorzeichen der Verwandelung wohl erkannte,
geht schon aus Demjenigen hervor,
was Er zu Seinem Enkelneffen Friedrich Wilhelm , dem nachherigen Könige Friedrich Wilhelm III. , als Er ihn zum letzten Male sah und sprach (vergl . Eylert, Charakterzüge etc : Friedrich Wilhelms III.), äuszerte : „ Ich fürchte , nach meinem Tode wird's pêle mêle gehen . Ueberall liegen Gährungsstoffe , und leider nähren sie die regierenden Herren , vorzüglich in Frank reich , statt zu calmiren und zu exstirpiren . Die Massen fangen schon an von unten zu drängen , und wenn der Ausbruch kommt , ist der Teufel los etc. “ In der That gab sich der neue Weltgeist in jenem ursprünglichen Stadium nur als leise anhebende Weltunruhe, zumeist von Frankreich her, und als Resultat der dortigen Corruption zu erkennen . Er solche Wahrnehmungen machte,
Der König stand , als
schon nahe an Seinem Schluss
punkte und konnte ein System, mit dem Er so lange gelebt und ge siegt hatte, jetzt nicht mebr verstoszen ; wenn Er aber Sich damals noch in voller Kraft befunden hätte, so würde Seine Einsicht Ihm
1
301
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
um so weniger gestattet haben, in einer Zeit drohender Gefahr Sein Haus aufzuräumen und Sein Heer umzubilden . So lange ein neuer Zeitgeist noch in seiner Kindheit liegt , können ihm keine Con cessionen gemacht werden ; so lange er noch mit Sturm und Drang umgeht, muss die Wehrkraft und zumeist die Disciplin unerschüttert bleiben.
Wenn man jetzt urplötzlich den Stock abgeschafft , das
Nationalheer proclamirt hätte, so würde man zunächst gar keine Disciplin und also auch kein schlagfertiges Heer gehabt, und sich so dem Bedroher von Westen ganz wehrlos überliefert haben. Dass aber aus den Dämmerungen und Unwettern, mit denen das neue Jahrhundert an den Horizont zu treten begann, uns dennoch schon einzelne
Lichtstrahlen wirklicher Humanität erreichten ,
mancherlei Beispiele .
Zu diesen gehört u . A.
bewiesen
ein Rundschreiben,
welches am 10. Juni 1785 der damalige Gouverneur von Berlin General -Lieutenant von Möllendorff an die Offiziere der Berliner Garnison erliesz . In diesem hiesz es u. A.: "" - ―― Seit zwei Jahren war es meine Bemühung , die barbarisch gering schätzige Art der Offiziere gegen den gemeinen Mann auszumärzen , und bemerkte ich die Früchte hiervon bei sechs Regimentern der Garnison ; nur bei einem be steht dieses Verfahren noch . Ich rathe aber dem be treffenden Herrn Commandeur hiervon abzustehen und den gemeinen Mann mehr durch Ambition als durch Tyrannei zu derjenigen Ordnung und Kriegsgeschick lichkeit
zu
führen ,
welche
Seine
Majestät
ver
langen etc. " Wenn selbst von Möllendorff ,
der in das alte System so ein
gerostet war und noch 20 Jahre nach Friedrich starr daran fest hielt, eine humane Behandlung der Soldaten so befürwortet wurde, dann muss ein derartiges Bedürfniss damals doch schon recht fühl bar und die Erwägung milderer Principien schon beträchtlich im Schwunge
gewesen
sein.
Offenbar
entsprang dies
zumeist aus
Friedrichs Eigensten Intentionen . Er wollte die Humanität allmälig, und vorerst als freies Geschenk der Menschenliebe, in unsere Dis ciplin bringen , damit sie dort erprobt und in die militairische Be griffsweise eingelebt würde, ehe ihre gesetzliche Einfügung in das Heersystem stattfand.
Nach dieser Auffassung würden weiterhin die
beträchtlichen Milderungen, welche Friedrich Wilhelm II. eintreten liesz , nur für fernere Consequenzen dieses von Friedrich überlieferten Gedankens zu halten sein ; was aber Friedrich Wilhelm III. betrifft, so lässt die Geschichte seiner neun ersten Regierungsjahre es deut 21 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
302
lich genug erkennen ,
dass
in
dieser Zeit schon
eine wirkliche
humane Heeresreform angestrebt war und nur an äuszeren Schwierig keiten scheiterte.
Das Offiziercorps Friedrichs war diesem als ein adeliges überliefert, und man wird nie in Abrede stellen können , dass zur Zeit Friedrich Wilhelms I., und auch noch geraume Zeit nachher, der Adel in seiner Bildung dem Bürgerstande weit überlegen war ; dass er auszerdem, als erblicher Stand , eines Ansehens genoss, welches die Offizierautorität sehr zweckdienlich unterstützen musste, und ihn endlich, zumeist seine Tradition und Verhältnissstellung, ein mal überhaupt an den Waffendienst, Führerstellen wies .
zweitens an die militairischen
Wenn der grosze König in Betreff des Standes
unterschiedes sehr freisinnig dachte und dennoch das militairische Adelsprincip streng aufrecht hielt, so möchte schon hierdurch seine damalige Unerlässlichkeit bewiesen sein .
Friedrich sagt in Seinen
Schriften sehr schön : „ Wenn von der Geschichte des mensch lichen Geistes die Rede ist , verschwindet der Unter schied der Stände und Lebensarten etc. “ , und anderwärts: „ Der Adel etc. " ;
ohne Kenntnisse
ist
nur
ein
leerer
Titel
daraus geht aber nur hervor, dass Er den Standesunter
schied dem Geiste und der Humanität als Philosoph unterordnen, nicht dass Er als Landesherr ibn beseitigen oder zeitungemäsz be schränken wollte . und
Wurde der Adel an sich ,
nützliches Element
als historischer Stand
der Gesellschaft, von Ihm geschätzt,
so
suchte Er auch , nach dem Bedürfnisse jener Zeit, seine Prärogative aufrecht zu halten , und dies geschah gleichmäszig in den civilen und militairischen Hinsichten. In Ansehung des adeligen Offizier thumes heiszt es in Friedrichs Werken (Oeuvres posth. V, 167 ) u. A.: „ Es ist nöthiger , als man glaubt , diese Aufmerksami keit auf die Wahl der Offiziers zu wenden , weil der Adel gewöhnlich Ehre hat. Man kann indessen nicht läugnen , dass man bisweilen auch bei Leuten ohne adelige Geburt Verdienst
und
diesem Falle thut man gut ,
Talent findet ,
sie zu behalten.
und
in
Aber im
Allgemeinen bleibt dem Adel keine andere Zuflucht , Der König als sich durch den Degen auszuzeichnen. “ statuirte also doch Ausnahmen , und diese Concession wurde auch in den Zeiten, wo man frei verfügen konnte, immer umfänglicher; was aber die erwähnte bürgerliche Zufluchtslosigkeit des Adels betrifft, so waren die sehr zahlreichen Elemente des armen Adels allerdings
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . übel daran. treiben,
303
Er durfte, als Adel, damals kein bürgerliches Gewerbe
und die Universitäten wurden ihm durch seine Dürftigkeit
versperrt ; der Staat sah sich also auf den Alternativpunkt gestellt, entweder die alten Pflichten und Rechte jenes historischen Standes ganz fallen zu lassen,
oder ihm auf besondere Weise zu Hülfe zu
kommen. Da man das letztere wählte und eigentlich wählen musste , so war nichts natürlicher, als dass der ärmere Adel speciell dem Offizierstande gewidmet und von Seiten des Staates für ersteren er zogen wurde. Man beschenkte so mit einer Hand den Adel und den Staat; ersterer erhielt seine dürftigen Elemente regenerirt, letzterem haben die adeligen Offiziere ihre Schuld auf den Schlachtfeldern des siebenjäbrigen Krieges immer reichlich genug abgezahlt. Den Standpunkt eines mit dem inländischen Adel identischen Offiziercorps alterirten schon die beiden ersten Schlesischen Kriege ; in viel höherem Grade aber geschah dies durch den siebenjährigen Krieg. Nach diesem letzteren war das Preuszische Offiziercorps ganz verändert , denn von den dem vaterländischen Adel entsprungenen Offizieren lag ein groszer Theil auf den Schlachtfeldern Böhmens, Schlesiens,
Brandenburgs und Sachsens , und es waren dafür viel
Ausländer, hier und da auch tapfere Männer des Unteroffizierstandes eingeschoben. Der König Selbst sagt darüber in Seiner Abhandlung : „ Vom Kriegsstande “ :
„ Eine Anzahl von mehr als 1500
Offizieren , die geblieben waren ,
hatten den Adel sehr
vermindert. Dieser Mangel und die Menge der erledigten Offizierstellen machten es nothwendig , seine Zuflucht zu Bürgerlichen zu nehmen. “ Das Offiziercorps hatte in solchen Umständen jetzt mindestens drei in ihrem ganzen Wesen heterogene Bestandtheile :
den Ueberrest der adeligen Inländer, die Fremdlinge
und das Contingent des Unteroffizierstandes ; diese lieszen sich in keine solche Unität mehr bringen, wie sie früher gewesen war, und der
Altpreuszische
Offiziergeist
begann
damit zu
verschwinden.
Dieser Zustand war bedenklich und der König suchte ihm durch die wirksamsten Mittel abzuhelfen. Zuerst erneuerte Er dieses ursprüngliche und nur in der Kriegs zeit versäumte Princip : Seine Offiziere der Cavallerie und Infanterie regulair nur dem Adel zu entnehmen .
Dasselbe war damals wohl
noch an sich richtig, doch würde es sich fruchtbarer, als dies wirk lich der Fall war, gezeigt haben, wenn es richtiger gehandhabt wor den wäre .
Aber bierin fehlte es nach dem siebenjährigen Kriege
vielfältig.
Die Offiziere wurden wohl wiederum aus dem Adel, aber
nicht mehr durchweg
aus
dem
vaterländischen Adel entnommen. 21 *
304
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
Friedrich sagte hierüber :
, Da das Land selbst nicht so viel
Edelleute hergeben konnte , als bei der Armee erforder lich waren , so nahm man Ausländer , aus Sachsen , Meck lenburg und dem Reiche in den Dienst , unter denen sich einige gute Leute befanden. “ Wenn so nur von „ einigen Guten “ die Rede ist, so lässt sich daraus folgern, dass es auch viel Schlechte darunter gab ; wenn die Deutschen Nachbarn in
solchem
Masze für Ausländer galten, und sich in Betreff ihrer ein so zweifel haftes Resultat ergab, was für Erfahrungen mussten da erst mit den Franzosen , Dänen, Polen etc. , deren man doch auch im Offiziercorps hatte, gemacht werden ! — Gab dieses Heranziehen von Ausländern neuerdings heterogene Offizierelemente, so kamen auch die inländi schen Junker zu früh in die Regimenter und stützten hier ibre An wartschaft zum Offizierthume nur allein auf ihre adelige Standes autorität.
Kinder können wohl militairische Zöglinge, aber
nicht
wirkliche Soldaten und am wenigsten in avancirten Stellungen sein; an Standesprivilegien müssen sich strenge Bedingungen des damit verhältnissmäszigen Wesens knüpfen. Wenn das Standesprivilegium zum Guten impulsirt, so ist es eine Spannfeder, wenn es aber, wie dies hier sehr oft geschah , zur Ueberhebung und Trägheit leitet, dann berubt in ihm ein groszes Uebel. Alle Sorgfalt des groszen Königs hat sowohl den Ausschreitun gen des Adelsprincipes im Offiziercorps, als überhaupt den in letzterem sich einnistenden Uebeln nicht mehr ganz abzuhelfen vermocht.
Der
Offizier war kastenmäszig vom Bürgerstande geschieden und stand auch dem Soldaten als eigenartiger Typus gegenüber. Die Offiziere waren gesellschaftlich meist auf ihre Kaste, und bezüglich des Zeit vertreibes, in kleinen Garnisonen fast nur auf Spiel und Trunk an gewiesen ; Schulden und Duelle kamen bäufig vor, und das im Offi ziercorps vorherrschende Cölibat mochte im Kriege wohl zweckdien lich sein , unterstützte aber zur Friedenszeit alle wüsten Neigungen sehr belangreich. Man erkennt dergleichen schon aus allerlei Regle ments und Königlichen ! Erlassen . In dem Reglement für die Dra goner-Regimenter heiszt es u. A .: dass in die alljährlich in Betreff der Offiziere einzureichende Conduiten - Liste gesetzt werden soll , ,, ob der Offizier ein Säufer ist ,
ob er guten Verstand
und einen offenen Kopf hat , oder dumm ist “ . wurde vom
Könige
wiederholt
verboten ,
Das Spiel
und jeder Offizier,
der
dennoch spielte , sollte im Avancement zurückgesetzt werden ; in Betreff des Schuldenmachens der Offiziere enthielten allerlei König. liche Erlasse die schärfsten Bestimmungen , und was die Duelle be
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
305
trifft, so heiszt es in dem oben erwäbnten Dragoner -Reglement : »„ Wenn ein Offzier eine Lachetė begeht , oder auf sich als was sitzen lässt und nicht ein braver Kerl ist , dann der Obriste solches melden soll , und Seine Maje stät wollen einen solchen Offzier cassiren ; dieser wegen soll
aber das
Duell- Edict nicht aufgehoben werden ,
sondern Seine Majestät confirmiren es in diesem neuen Reglement und weisen die Kriegsgerichte neuerdings darauf hin . “ Das Duell - Edict bedrohte jeden Duellanten mit strenger Bestrafung, der Offiziergeist aber verurtheilte und der König cassirte denjenigen, der im Betretungsfalle sich nicht duellirte ; der Offizier wurde hier eben, wie auch früher und später, zwischen Thüre und Angel , zwischen Scylla und Charybdis geklemmt . Sein Be nehmen mochte in dieser Sache sein , wie es wollte, so war es doch stets irgendwie straffällig ;
er hatte nur die Wahl zwischen dem
Bruche des Gesetzes und der Ehrlosigkeit , also einem halben und ganzen Ruin , und da natürlich in solcher Lage stets das kleinere Uebel gewählt wurde, so war das Duell-Edict eigentlich nur da, um übertreten zu werden . Dass das Duell sich aus der Welt schaffen und der Ehrenhandel sich absolut durch Staatsgesetze behandeln lässt, wird kein Erfahrener behaupten wollen ; eben so wenig kann aber dem Staate zugemuthet werden, dass er das Duell gesetzlich statuiren und hiermit in einen Widerspruch Culturvolkes ,
gegen die Grundprincipien jedes
also gegen sich selbst , verfallen soll.
Hier lag also
ein Problem , dem Friedrichs Weisheit nicht beikam , und das auch nachmals und bis jetzt nur eine sehr theilweise Lösung finden konnte. In dem 1784 erschienenen Entwurfe eines Gesetzbuches für den Preuszischen Staat wurde zur Vermeidung der Duelle die Einführung von Ehrengerichten vorgeschlagen , aber das Allgemeine Landrecht beliebte diese Masznahme nicht, und sie blieb einer späteren Epoche vorbehalten .
Friedrichs
persönliche Anschauung
von
dergleichen
spricht sich zumeist in Seiner Abhandlung „ Ueber die Gründe , Gesetze einzuführen und abzuschaffen “ aus , und Er sagt da u . A.: „ Die noch immer aufzulösende Schwierigkeit besteht darin , dass man ein Mittel ausfindig machte , wie die Ehre eines Beleidigten gerettet , und doch das Gesetz in Kraft bleiben kann . Die Macht der gröszten Könige hat gegen diese barbarische Gewohnheit nichts ausrichten können etc. So sehr der grosze König auch das Adelsprincip in Betreff Seines Offiziercorps conservirte, so sind von selbigem doch stets Ausnabmen
306
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
statuirt worden, und es fanden sich auch in den Friedenszeiten nicht nur überhaupt da und dort bürgerliche Offiziere vor, sondern Einzelne derselben gelangten auch zu hoher Bedeutung.
Der General-Liente
nant von Rohdich, welcher 1787 Präsident des Ober- Kriegs- Collegiums und schon 1779 General-Major und Chef des Grenadier -Garde- Ba taillons wurde, war bürgerlich geboren und der Sohn eines Pots damer Feldwebels ; Hohenstock , welchen Friedrich 1785 zum General Major und Chef des schwarzen Husaren - Regiments und Bosniaken Corps ernannte , trat 1741 bei Natzmer Husaren als Gemeiner ein ; Tempelhoff, der Autor jenes groszen Geschichtswerkes über den sieben jährigen Krieg , der es unter Friedrich
bis zum Oberstlieutenant
brachte, nachher aber noch bis zum General-Lieutenant stieg ,
war
in der Schlacht von Hochkirch noch Unteroffizier bei der Artillerie ; und so liesze sich noch von vielen anderen reden : Moller und Guichard, Mayr und Wunsch, Salenmon und Günther etc.
Das bür
gerliche Element störte wohl in damaligen Umständen bisweilen die geistige Unität des Offiziercorps, aber es hat auch zur Auszeichnung des letzteren , nach Verhältniss des nur kleinen Contingentes, welches es ihm stellen durfte, immerhin genug beigetragen.
In Betreff des
nach dem Hubertsburger Frieden stattgefundenen Verfahrens mit den zahlreichen bürgerlichen Offizieren, welche der siebenjährige Krieg geschaffen, sagte der König :
„ Um den für die Wohlfahrt des
Landes so wichtigen Grad von Vollkommenheit zu er reichen , hatte man aus dem Corps der Offiziere Alles hinweggeschafft , was zum Bürgerstande gehörte. Diese Leute wurden bei den Garnison - Regimentern ange stellt etc. “
Nachmals wurde, theils durch Bestimmungen , theils
nur gebrauchsweise, festgestellt, dass bei der Infanterie und Cavallerie Bürgerliche nur nach
zwölfjähriger ausgezeichneter Dienstzeit
zu
Offizieren in Vorschlag gebracht werden dürften, während bei der Artillerie und dem Ingenieurcorps diese Beförderung von wissen Charakteristisch ist es , dass schaftlichen Bedingungen abhing. Friedrich in einem Edict vom 28. Mai 1768 aussprach : wenn die
„ Dass ,
Söhne von bürgerlichen Besitzern adeliger
Güter bei der Artillerie oder den Garnisontruppen , unter stetem Wohlverhalten , 10 Jahre als Capitains gedient hätten , sie gewärtigen dürften , in den Adelstand er hoben zu werden. “ Die Disciplin des Offiziercorps wurde nach dem Hubertsburger Frieden durch allerlei Edicte und Instructionen verschärft. In Seinem
92 Unterrichte an die Generale Seiner Armee “ accentuirte
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
307
der König den gleichzeitigen Subordinations- und Ehrenstandpunkt des Offiziers, und dieser stand so,
dass er seinem Vorgesetzten die
äuszerste Ehre und Submission erweisen musste, aber auch wiederum von seinen Untergebenen Gleiches empfing.
Sein Standpunkt war
unter einer Ehrenpforte, wo Gehorsam und Autorität, Pflicht und Würde, Geben und Empfangen sich mit einander harmonisirten. Die Ehre des Gehorsams und der Selbstbeherrschung trat über diejenige des Egois mus : die Heiligkeit des Dienstes über jedes persönliche Interesse, und hiermit verklärte sich auch jener harte Spruch,
nach welchem
der in Reihe und Glied stehende Offizier selbst eine schimpfliche Behandlung des Vorgesetzten, während der Dauer des Dienstes, still dulden musste und seine Genugthuung dafür erst nachher suchen ging . Bezüglich des Avancements wurde das Anciennetätssytem nur biss zum Hauptmanne streng innegehalten ; denn einem Kriegsherrn, wie Friedrich , musste es ganz besonders einleuchten, dass die Hervor hebung von Verdienst und Talent zu den ersten Nothwendigkeiten jedes Heerwesens gehört.
Auch wusste Er bei Würdigung des Ver
dienstes zu unterscheiden und Masz zu halten .
In einzelnen Fällen ,
wo es darauf ankam , lohnte der König ganz auszerordentlich , an anderen Stellen war Er mit Seinen Belohnungen wieder höchst spar sam .
Die Generale Wedell und Fink
Weise befördert;
wurden in überraschender
Seydlitz ist vom Cornet sogleich Rittmeister und
dann in einem Jahre Generalmajor und Generallieutenant geworden der General von Winterfeld übersprang zweimal eine Charge ganz, und der Rittmeister von Wackenitz avancirte auf dem Schlachtfelde von Zorndorf sogleich zum Oberstlieutenant etc.
Als hingegen 1762
der Herzog von Bevern vor Schweidnitz von vier Oesterreichischen Corps allseitig angegriffen wurde und diesen Angriff tiberaus helden müthig zurückschlug , versagte der König jede Belohnung . Viele höhere und geringere Führer hatten sich in diesem Treffen sehr aus gezeichnet und Bevern wünschte sie belohnt zu seben, der König aber beschied auf seinen bezüglichen Antrag : „ Wenn Distinctio nen bei jeder Gelegenheit erfolgen sollen ,
wo ein Offi
zier Dasjenige thut , was sein Devoir an sich erfordert , 80 müssten sie gar zu gemein werden und müssten end lich aufhören wirklich Distinctionen zu sein. “ Den Orden pour le mérite gab der König selten und erhielt ihn dadurch bedeut sam ; den Schwarzen Adlerorden erhielt damals jeder verdienstvolle Generallieutenant; von den sonstigen Belohnungen verdienter Offi ziere durch Adelserböhungen, Güter und Geldsummen ist schon früher ( S. 296 ) die Rede gewesen.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
308
Der Schwerpunkt dessen, was Friedrich für Sein Offiziercorps that, lag in den von Ihm getroffenen Masznahmen zur Erziehung des ersteren. Die Offiziererziehung beruhte auch jetzt zunächst in dem von Friedrich Wilhelm I. gegründeten Cadettencorps , welches nun ver gröszert und mit mehr Geist und Wissenschaft durchdrungen wurde . Schon 1740 trat eine tendenziöse Reform dieses Institutes insofern ein, als durch Königliche Instruction ein Maszstab der Ambition an die Cadettenerziehung gelegt , das harte Strafsystem gemildert und der wissenschaftliche Unterricht in den Vordergrund gestellt wurde. Im Zeitraume der beiden ersten Schlesischen Kriege lieferte das Ca dettencorps im Ganzen 573 Zöglinge
zur Armee, und der König
widmete ihm zu dieser Zeit eine Sorgfalt , welche um so bewunde rungswürdiger war, als Er selbst aus den verschiedenen Feldlagern , die Geschäfte des Cadettencorps, bis zu den Details binab , durch Correspondenz zu leiten vermochte . In der Friedenszeit von 1745 bis 1756 wurde der Fortentwickelung dieses Institutes ganz besonders dadurch ein Nerv und Haltpunkt, dass Carl Wilhelm Ramler in ein Lehramt desselben trat ,
eine Verbesserung des Deutschen Sprach
unterrichtes durchsetzte und überhaupt den Zöglingen eine höhere Ideenrichtung gab.
Im
siebenjährigen Kriege verwilderte das Ca
dettenthum und Friedrich Selbst sagte hierüber : letzteren Krieges
„ Während des
war die Erziehung der Cadetten so
sehr ausgeartet , dass die jungen Leute , wenn sie lassen wurden , kaum lesen und schreiben konnten . "
ent Alle
Kräfte und Lebensgeister waren eben nur dem Kriege zugewendet , Lehrer und Schüler wurden in solcher Thatenzeit, gerade durch ihren militairischen Geist ,
dem
friedlichen
Cursus zu
sehr
entfremdet.
Ueberdies war jetzt das Cadettencorps eine rastlos empfangende und abliefernde Maschine, und schon diese rege Hin- und Herbewegung musste den ruhigen Erziehungsprocess hindern ;
aber es warf mit
der tüchtigen Gesinnung und dem heldenmüthigen Benehmen seiner zur Armee strömenden Zöglinge ein schwerwiegendes Aequivalent in die Wagschale des Vaterlandes .
Nach dem Kriege lenkte das Ca
dettencorps wieder in die Bahn institutioneller Regelmäszigkeit und wurde gefördert und augmentirt. an jene von Ihm knüpfend :
Der König Selbst sagt darüber,
erwähnte Verwilderung des Cadettenthumes
„ Um das Uebel mit der Wurzel
an
auszurotten ,
stellte der König an die Spitze dieser Anstalt dep.Ge peral
von Buddenbrock ,
einen Mann ,
der ohne Wider
rede im Lande am geschicktesten war , diesem Posten
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
309
vorzustehen . Zu gleicher Zeit wählte man gute Lehrer und vermehrte die Zahl derselben im Verhältnisse mit den Zöglingen .
Um
auch
dem Mangel
der Erziehung
bei dem jungen Pommerschen Adel , wenn die Eltern arm waren , abzuhelfen , errichtete der König eine Schule zu Stolpe ,
wo 56 Kinder von Stande auf Seine
Kosten unterhalten ,
gekleidet
und erzogen
wurden . “
In Ergänzung dieses Wortes muss gesagt werden, dass die Hülfs anstalt zu Stolpe 1769 und demnächst noch eine zweite Hülfsanstalt 1773 zu Culm hervorging , deren Stiftung sich
durch die mit der
ersten Theilung Polens erworbenen Landestheile begründete. |
Noch
früher, nämlich schon 1765, stiftete Friedrich die , académie mili . taire “ , von welcher Er sagt:
„ Auch ward eine Akademie
gegründet , in welcbe diejenigen Cadetten aufgenommen wurden , die den meisten Kopf verriethen. Der König selbst ordnete die Einrichtung derselben an , und gab
I
eine Anweisung , worin bestimmt wurde , worüber die aufgenommenen Zöglinge unterrichtet werden und welche Erziehung sie erhalten sollten .
Man suchte zu
Professoren dieser Akademie die geschicktesten Männer aus , die in Europa zu finden waren . Fünfzehn junge Edelleute wurden in derselben unter Aufsicht von fünf Hofmeistern erzogen .
Ihre
ganze Erziehung zweckte
darauf ab , ihre Beurtheilungskraft zu bilden. Die Aka demie hatte einen glücklichen Fortgang , und lieferte seitdem brauchbare junge Leute , angestellt wurden. “
die
bei der Armee
Der König gab dieser Akademie eine von Ihm Selbst verfasste Instruction , und es erblühete in ihr eine Anstalt , welche für den ersten Grundbau unserer die Führer des Heeres vorbildenden mili tairischen Hochschule gelten kann.
Das ursprüngliche Motiv dazu
mag in dem wäbrend des Krieges gefühlten Bedürfnisse eines eigent lichen und speciell für seinen Beruf herangebildeten Generalstabes beruht haben ; da aber auch die „ académie militaire “ diesem Mangel vorerst nur allgemein und langsam abhelfen konnte, so bediente sich der König für diesen Zweck noch der besonderen Maszregel: die talentvollsten Offiziere zu Sich nach Potsdam zu nehmen und sie hier Selbst in die höheren Erkenntnisse der Kriegskunst einzuführen . Hierdurch
vornehmlich
empfing
der
1764
errichtete
Preuszische
Generalquartiermeisterstab seine nächste Candidatur, und aus diesem eigenen Unterrichte des Königs sind u . A. die Generale von Pinto,
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
310
von Pfau, von Geusau etc., welche nachher rühmliche Dienste leiste ten, hervorgegangen .
Am speciellsten genoss der damalige Lieute
nant , nachberige General von Rüchel , den Königlichen Unterricht, und hat ihn, diesseits des Unglückspunktes von 1806 , zum Besten des Vaterlandes reich verwerthet. Das Berliner Cadettenhaus lieferte der Armee von 1740 bis 1786 2987 Zöglinge, und aus diesen sind 41 Generale der Folgezeit, unter denen sich Boyen, Rüchel, Dierike, Köckeritz, Horn, sämmtlich Ritter des Ordens vom Schwarzen Adler, befanden . Unter den dem groszen Könige verdankten Bildungsmaszregeln zu Gunsten des Offiziercorps ist endlich noch des kriegswissenschaft lichen Unterrichtes zu gedenken , den Er von 1764 an für Junker und Subalternoffiziere einrichten liesz, und über dessen Grund und Ziel Er Sich in einem an Fouqué gerichteten Briefe vom 27. April 1764 (Werke XX, 131 ) aussprach .
Zu diesem Unterrichte wurden
die fähigsten Individuen ausgewählt, und diese blieben dann in den Wintermonaten dienstfrei und hörten in den gröszeren Garnisonen Vorlesungen über Mathematik , Fortification, Taktik etc.; die Elite derselben kam dann in den oben erwähnten hohen Cursus nach Potsdam . Die theoretische Ausbildung, welche Friedrich Seinen Offizieren zu Theil werden liesz, musste um so wirksamer sein, als sie an sich stets mit der Praxis Hand in Hand ging, und Dasjenige,
was im
Frieden erlernt war, sich in den meisten Fällen auch alsbald durch die Schule des Krieges anschaulich machen
und verwerthen liesz.
Von den Cadetten, welche während des Krieges ins Heer traten, sagt Archenholz :
„ Ungeachtet ihrer edlen Geburt ,
unter der
Muskete erzogen , an grobe Kost gewöhnt , durch Frost und Hitze abgebärtet , waren sie mit allen Theilen des Dienstes vertraut und voll hoher Begriffe von kriege rischer Ehre. beim Heere
Oft wurden sie bald nach ihrer Ankunft zu
erheblichen Kriegsverrichtungen
ge
braucht , die sie mit männlichem Ernst , Eifer und Sach . kenntniss vollbrachten . Bisweilen exercirten sie die Recruten der Regimenter ,
oder man gab ihnen kleine
Abtheilungen zu befehligen , oder machte sie zu Adju tanten . Im Treffen munterten sie selbst alle Soldaten durch Zureden auf und flöszten ihnen durch ihr Beispiel Muth ein. “ Jede Schlacht des siebenjährigen Krieges , ja selbst jede kleinste Zwischenaction, erzählte von dem Heldenthume unserer Offiziere ; - was würde von erstaunlichen Handlungen und bunten
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
311
Schicksalen, Leid und Lust und Humor, vom sprühenden Feldherrn talente, das zu keiner Erfüllung kam , vom Verdienste der Unglück lichen und der Schwäche der Glückskinder zu melden, welche Poesie des Lebens und des Todes würde zu verzeichnen sein , was für einen ungeheueren Cursus der Erfahrung würden wir durchmachen , wenn auch nur das Preuszische Offiziercorps des siebenjährigen Krieges nach allen seinen Eigenschaften, Intentionen und Arbeiten erforscht werden könnte ! -- Dergleichen ist nie erreichbar, und wenn unsere ganze Geschichtschreibung sich zur wirklichen Menschengeschichte nur wie ein Landkartenbild zu der lebendigen Welt Gottes verhält, so kann auch in Betreff jenes Offiziercorps selbst die eingehendste Charakteristik kaum mehr als ein Schatten sein. Sie widmet sich immer nur einer
dürftigen Repräsentation Aller
und , günstigsten
Falles, bei jedem Repräsentanten den gröszeren Eigenschaften und Handlungen desselben, wie sie äuszerlich ins Auge springen . Hier an dieser Stelle kann, in den engsten Linien , bunden sind,
an welche wir
ge
nur von dem Auszuge aus einer an sich knappen Re
präsentation, nämlich nur von einigen der hervorragendsten Generale Friedrichs, die Rede sein . Die Generalität ist immer dasjenige Element eines Heeres und speciell eines Offiziercorps, welches nicht
blos historisch am
meisten ins Auge fällt, sondern auch ganz speciell in den Brenn punkten und an den Triebfedern der militairischen Ereignisse steht. Die Generalität Friedrichs repräsentirte
den Herrn , der an ihrer
Spitze stand, und das Heer, welches von ihr geführt wurde, so glän zend ,
dass
sich allerdings jede
den Kriegsruhm
Friedrichs
ver
kündende, in das geistige Getriebe Seines Heerwesens eingehende Darlegung auf sie ganz besonders stützen kann . Als Friedrich zur Regierung kam , stand Er Seiner Generalität mit einer doch nur relativen Schätzung gegenüber und sagte in Be treff ihrer in Seiner Abhandlung
„ Vom Militair etc. “ :
meisten Generale hatten mehr Muth
als
Kopf.
» Die Unter
ihnen allen war nur der Fürst von Anhalt im Stande , eine Armee zu commandiren. Er wusste dies und be nutzte seine Ueberlegenheit , so sebr er nur konnte , um desto mehr gesucht zu werden und den Vorrang zu habe n . “ Von diesem alten Helden und seiner Verhältnissstellung mit Friedrich ist bereits die Rede gewesen (SS . 232, 233, 240).
Schon
diesseits des ersten Schlesischen Krieges als Feldherr weltberühmt, diente er, selbst ein Deutscher Fürst, jetzt schon dem dritten Könige von Preuszen.
Er hatte bei Höchstädt und Turin gesiegt und leistete
312
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
auch organisatorisch Bedeutendes ; sein Eisenkopf machte ihn um 80 schneidiger, und seine Missachtung der Gelehrsamkeit hinderte ihn doch nicht, in eigener Weise geistvoll zu sein. als Groszoheim
verwandtschaftlicb ,
geistig nabe gestellt ;
Dem Könige war er
und als vormaliger
Instructor
in ihren Kriegstalenten fanden sie grosze Be
rührungspunkte, aber ihre Charaktere stieszen sich ab . Der König nannte in der Geschichte Seiner Zeit “ den Dessauer einen Kriegsmechanikus “ und rühmte dort seine Vorzüge als Heeres bildner ; in den „ Memoires de Brandenbourg “ sagte Er über ihn : 12 Der Fürst von Anhalt war ein Mann von heftigem und hartnäckigem Charakter ; feurig , aber klug in seinen Unternehmungen , Helden
vereinigte
er
die
Tapferkeit
eines
mit der Erfahrung der schönsten Feldzüge des
Prinzen Eugen etc. “ ,
und weiterhin :
Ueber alle anderen
Generale erhob sich der Fürst von Anhalt ;
er hatte die
glänzendsten Kriegshandlungen und das allgemeine Ver trauen der Truppen für sich etc. “
Als der König im zweiten
Schlesischen Kriege auf den anfänglich bei Seite gestellten Dessauer zurückgegriffen und ibm ein detachirtes Heer anvertraut hatte, schrieb Er ihm nach Seinem Siege bei Grosz -Hennersdorf: „ Ich habe meinen Streich in der Lausitz ausgeführt , und wenn Sie den Ihrigen bei Leipzig ausführen , so hoffe Ich Sie in Dresden wiederzusehen. “ Leopold kam dieser Weisung voll ständig nach und vollendete durch seinen Sieg bei Kesselsdorf ebenso die Glorie wie den äuszeren Sieg der Preuszischen Waffen in diesem Feldzuge. Der König liesz ibm nur Gerechtigkeit widerfahren, in dem Er bezüglich dieses Factums in Seiner „ Histoire de mon temps “ aussprach : „ Der Fürst von Anhalt gab in dieser Schlacht grosze Beweise von seiner Erfahrenheit und Gescbick lichkeit. “
Leopold gehört unter Friedrich nur dem Zeitraume der
Schlesischen Kriege an ; als er 1747 starb, fanden sich alsbald neue Feldherrngröszen ,
wie sie, da wo der Kriegsherr selbst ein Feld
herrngenie besitzt, stets hervorgehen müssen. Von den anderen Feldmarschällen, welche Friedrich 1740 theils übernahm , theils ernannte,
that sich im Zeitraume der Schlesischen
Kriege nur Carl Christoph von Schwerin durch seinen Sieg bei Mollwitz so hervor, dass er für einen wirklichen Feldherrn anerkannt werden konnte. Der König sagte von ihm im Allgemeinen : Scbwerin würde ein vollkommener Feldherr sein , wenn er nur Jemanden neben sich leiden könnte " ,
in
Friedrichs Ausspruche über die Schlacht von Mollwitz aber heiszt
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem. es :
313
„ Es fand sich in der Armee nur der Feldmarschall
Schwerin , welcher ein Mann von Kopf und ein erfahre ner General war. “ Schwerin that sich auch noch im Anfange des siebenjährigen Krieges als groszer Kriegsfactor hervor, und über seinen Heldenmuth und Tod in der Schlacht von Prag sagte der König,
in Seiner „ Geschichte des siebenjährigen Krieges “ :
Feldmarschall Schwerin , welcher ,
Der
trotz seines hohen
Alters , noch das volle Jugendfeuer
besasz ,
sah das
Zurückweichen der Preuszen mit Unwillen , und indem er eine
Fahne
ergriff und sich an die Spitze seines
Regimentes setzte , führte er es vorwärts und machte die auszerordentlichsten Kraftanstrengungen ; aber er fiel und wurde getödtet , indem er so ein ruhmvolles Leben durch einen Tod endete , welcher ihm neuen Glanz verlieb . “
Wie hoch Friedrich diesen Verlust veranschlagte,
das zeigt sich in Seiner Aussprache über die dem Prager Siege ge Der fallenen Opfer des Preuszischen Heeres, und es heiszt dort : Preuszische Verlust belief sich auf 18,000 Combattan
ten , ungerechnet den Feldmarschall Schwerin , welcher allein für 10,000 Mann gilt. Sein Tod verkümmerte den Sieger kranz , der mit zu kostbarem Blute erkauft war . “ Da Friedrichs Thronbesteigung auch alsbald den Krieg hervor rief und die Forderung dieses letzteren Ihm mit dem übernommenen Offiziercorps unverbältnissmäszig schien, so that Er für dessen Com pletirung und innere Förderung sogleich das Aeuszerste. So wie Seine Lage war, mussten natürlich die am schnellsten wirkenden Mittel angewendet werden ,
und der König balf also nicht blos den
Ihm bekannten fähigen Köpfen der Armee schnell empor und liesz zahlreiche
Ernennungen
stattfinden ,
sondern Er berief auch
viel
fremde Offiziere höheren Ranges, die schon Kriegserfahrung und Ruf batten, in Seine Dienste. Durch diese Procedur kamen u . A. 1740 Fouqué, Rothenburg, Nassau , 1741 die Schmettau's und Wallrawe, durch jene Förderung eigener Landeskinder von 1740 bis 1743 Winterfeld, Stille, mehrere Bredows und Schwerins in die Preuszische Generalität.
Was die Brüder des Königs betrifft, so wurde der Prinz
August Wilhelm 1741 ,
der Prinz Heinrich erst 1745 Generalmajor ;
der Prinz August Ferdinand befand sich in den zwei ersten Schlesi schen Kriegen noch auf tieferer Stufe. Gedenkt man auszerdem noch des Markgrafen Carl von Brandenburg, der Prinzen von Dessau, der Generale Hautcharmois, du Moulin, Lebwald, Gessler und Zieten, so
314
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
giebt dies schon eine Repräsentation der in den beiden ersten Schlesi schen Kriegen thätig gewesenen höheren Truppenführer Friedrichs. Von Leopold und Schwerin ist schon die Rede gewesen ; die Prinzen von Dessau thaten sich bei vielen Gelegenheiten hervor ; Gessler, Nassau, Zieten waren Hauptfactoren des Sieges von Hohenfriedberg; Winterfeld gab grosze Befähigung kund und war als Generaladjutant dem Könige nahe gestellt. Verdienstvoll sind sie aus diesen Schlesi schen Kriegen sämmtlich hervorgegangen.
Die Herzöge Ferdinand von Braunschweig und August Wilhelm von Bevern wurden zwar
schon 1743 Generalmajors, traten aber doch erst für den sieben jährigen Krieg in den Vordergrund ; der Feldmarschall Keith kam erst 1747 aus der Russischen in die Preuszische Armee, um letzterer dann kaum länger als ein Decennium zu gehören . Von den Generalen der Schlesischen Kriegsperiode übertrugen viele, zumal Schwerin, Markgraf Carl, Fouqué, Hautcharmois, Schmet tau , Winterfeld, Zieten etc. , ihren Rubm und Ruf noch mit auf den siebenjährigen Krieg. Andere waren gestorben, wie Fürst Leopold, oder aus unabweislicher Rücksicht vom Dienste zurückgetreten , wie Prinz Dietrich von Dessau , oder durch Alter und Krankheit in den Ruhestand genöthigt ; aber dafür traten neue und glänzende Bilder hervor : Eugen von Würtemberg, Seydlitz, Manteuffel, Saldern, entzien ,
Platen,
beide Stutterheims ,
Tau
Wedell etc., und Diejenigen,
welche bis 1745 noch eine Nebenrolle spielten , zumal der Prinz Heinrich und der Herzog Ferdinand von Braunschweig, wurden zu recht eigentlichen Schildhaltern der jetzigen neuen Kriegsära. Der Prinz Heinrich machte bis
1745 seine Kriegsstudien,
dann verarbeitete er das im Kriege Gelernte geistig, und der sieben jährige Krieg verwerthete seine Kenntnisse, sein Genie und Manneswerth.
seinen
Nicht so interessant und populair, so vielseitig und
machtvollen Geistes wie Friedrich, war er dennoch ein ganz auszer ordentlicher Feldherr. Er besasz mehr Vorsicht und Correctheit fürs Einzelne, als sein Königlicher Bruder, und wenn Diesen Seine unge heuere Werkthätigkeit bisweilen straucheln liesz, so ist Heinrich in seinen engeren Linien fast unfehlbar gewesen.
Der König brauchte
im siebenjährigen Kriege für die Linie Seiner operirenden Macht einen festbleibenden Punkt , und diesen, der in Sachsen lag , be hauptete der Prinz Heinrich .
Während der König umherzog, zurück
trieb und abprallte, deckte Sein vorsichtiger Bruder Ihm den Rücken und hielt die Ergänzungslocale bereit ; was würde aus dem Könige geworden sein , wenn Er dieses Stützpunktes entbehrt hätte ! aggressiv,
aber doch stets regsam ,
Nicht
groszer Entschlieszungen an
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
315
rechter Stelle stets fähig, stets hingebend, präcise, unermüdet, er gänzte er den groszen König im siebenjährigen Kriege sehr glück lich, und ohne ihn wäre man nicht auf die Höhe von Hubertsburg gelangt. Da Friedrichs Heersystem ihn kriegerisch entwickelt batte, so musste es auch durch ihn ganz besonders repräsentirt werden ; da Friedrich ihn ganz ungemein würdigte und Er auf Seinen gröszten Wegen mit diesem Bruder Hand in Hand ging, so hat in selbigem sich Seine Individualität sehr bemerkbar abgespiegelt, und man würde keine Charakteristik Friedrichs schreiben können, ohne auch auf den Prinzen Heinrich näher einzugehen . Prinz Heinrich war, als man 1756 in Sachsen einrückte, schon Generallieutenant; der Feldherrn stab wurde ihm schon 1757 nach der Schlacht von Rossbach zu Theil. Schon im September 1757 schrieb Friedrich in Betreff Heinrichs an die Markgräfin von Bayreuth : „ Ich habe Ursache , mir zu meinem Bruder Heinrich Glück zu wünschen ; er hat sich als Soldat wie ein Engel , und als Bruder sehr gut gegen mich benommen . “ Eine im October 1757 gedichtete Ode Friedrichs feiert diesen Prinzen als Haltpunkt und Helfer des bedrängten Vaterlandes, und als Heinrich 1759 Sachsen behauptet und Daun im Schache gehalten hatte , sprach der König aus : 12 Prinz Heinrich ist der einzige General , der in diesem Feldzuge keinen Fehler gemacht hat . “ Bezüglich seiner La cam Leistungen im Feldzuge von 1761 sagte Napoleon I .: pagne de 1761 est celle où ce prince a vraiment montré des talents supérieures “ , und als Heinrich 1762 den Sieg von Freiberg gewonnen, ehrte ihn sein Königlicher Bruder durch den Ausspruch : „ Das schönste Lob , welches man dem Prinzen Heinrich beilegen kann , ist die Erzählung seiner Thaten ; Kenner bemerken darin jene glückliche Mi schung von Vorsicht und Kühnheit , welche den groszen Kriegshelden bildet.“
Auch im Bayerischen Erbfolgekriege
noch leistete Prinz Heinrich Bedeutendes, und man wird sich nie der Erkenntniss verschlieszen können, dass er Friedrichs kriegeri scher und geistiger Zwilling, unter seinen Heerführern der erste, und nach Friedrich Selbst der hauptsächlichste Träger dieses Rubmes und Vortheiles war, die mit dem Friedericianischen Heersysteme er obert wurden .
Wie Prinz Heinrich auf der Hauptbühne
des
siebenjährigen
Krieges den König ergänzte, so bildete in den Auszenregionen der Herzog Ferdinand von Braunschweig das Supplement Friedrichs. Bei Prag half er den Sieg
kriegerische entscheiden ;
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
316 nach
Aufbebung
Friedrich
an
der Convention
die Spitze
des
von
neuen
Kloster Zeven Hannoverschen
stellte
ihn
Heeres ,
an
welcher er den Krieg gegen Frankreich meist allein und überaus glorreich
führte.
Friedrich
sagt darüber
des siebenjährigen Krieges “ : diesen
Heerführer,
dessen
Ruhm
sich
erbeten und man dies bewilligt habe , wieder emporzuheben “ ; ein ganzes Menschen Rückzuges eine Ode Held
Talente ,
(Oeuvres
„Geschichte
durch Europa
verbreitet,
um jene verbündete Armee
und
Geist
einen und
posth. VII) , reiszt Alles
in
Bezüglich
des
widmete ihm Friedrich
welcher
mit
der
der auszerordentlichsten
Edelmuth.
der Franzosen im Jahre 1758
Ferdinand
Seiner
Archenholtz nennt ihn einen Führer,
Heer werth war, durch
in
„ Dass der König von England sich
sich
es
U. A. heiszt :
fort ;
befreit
den Weserstrom , entreiszt Westphalen dem Joche des stolzen Galliers etc. Der Held , den nichts in
seinem schnellen Sie geslaufe hemmt , bezeichnet jeden Schritt und
jeden Augenblick mit einer neuen That. “
Bärenhorst sagt in seinen „ Betrachtungen über die Kriegskunst etc. “ ( I, 264) : „ Herzog Ferdinand und sein Heer lassen sich nicht anders wie als eine Ausstrahlung Friedrichs und der Preuszen betrachten “ , und weiterhin : „ Alexander hat keinen ihm näher reichenden Schüler gezogen als Friedrich Ferdinand ; den Angriff mit versagtem Flügel brachte er bei jeder Gelegenheit an , und bei jeder mög lichen Gelegenheit war er der Angreifende etc. “ Unter seinen Kriegshandlungen ragt der Sieg bei Minden ( 1. August 1759) ganz besonders hervor, und Tempelhoff sagt in seiner „Geschichte des siebenjährigen Krieges “ über diese Affaire ( III, 175) U. A.: 97Diese Schlacht ist ohne Streit eine der merkwürdig . sten , welche die Kriegsgeschichte liefert ; nicht sowohl wegen des Hervorstechenden und Besonderen in ihrer Anordnung , als wegen der Vorbereitungen zu derselben und
des
Betragens
der Feldherren und
während der Dauer des Gefechtes. erscheint hier als
der Truppen
Herzog Ferdinand
ein General , der die verborgensten
Grundsätze der Kriegskunst kennt und mit einer ganz ungewöhnlichen Geschicklichkeit davon Gebrauch zu machen weis z.“
In Bezug auf das dieser Schlacht zugehörige
seltene Vorkommniss eines Angriffes der Infanterie auf die Reiterei des Gegners sagt derselbe Autor : „ Der Gedanke , die Fran zösische Cavallerie gleich mit Infanterie anzugreifen ,
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
317
beweist , dass der Feldherr der Alliirten die Stärke der Infanterie im ganzen Umfange kannte und sie zweck mäszig zu gebrauchen wusste ; das Betragen der Eng lischen und Hannoverischen Infanterie aber, was guter Wille , Standhaftigkeit und eine mit Muth unterstützte , immer sich gleiche Fassung ausführen kann. “ Wenn Friedrich den Herzog von Braunschweig nicht gehabt hätte, so würde Er Sich auch Seiner Feinde nicht erwehrt, und so würde Deutschland das Zehnfache dessen erduldet haben, was an Französischer Brand schatzung und Maltraitation über seine nordwestlichen Länder er ging . Dieser hochberühmte Held verliesz den Preuszischen Dienst schon 1766 und starb 1792 ; die Geschichte seiner Feldzüge von v. Westphalen (2 Bände) möchte zu den ihn und seine Thaten am gründlichsten behandelnden Werken gehören . Wie im groszen und allgemeinen Feldherrnthume Prinz Heinrich und Herzog Ferdinand, so sind in speciell cavalleristischer Hinsicht Zieten und Seydlitz als Ausstrahlungen des Friedericianischen Kriegsgenie's zu betrachten, - zwei in dieser besonderen Kategorie sich so nabe stehende und doch durch ihre Naturen, Lebensläufe und Wirkungen so sehr unterschiedene Helden. Sie waren ein Doppelgestirn, wie Blücher und Gneisenau, und Beide Genie's der Praxis, die gerade durch ihr Zweierlei an Wesen und Wirkung das schwerwiegende Factum eines gerade auf diese Zeit und Regierung treffenden goldenen Zeitalters der Preuszischen Cavallerie bewirkten.
Als Seydlitz geboren wurde, war Zieten schon
Fähnrich, als Ersterer 1744 zum Generalmajor aufstieg, befand sich Seydlitz erst in der Stellung eines Rittmeisters ; dennoch kamen sie 1757 auf gleiche Linie.
Zieten hat 73 und Seydlitz nur 39 Jahre
im Heere gedient ; Letzterer,
welcher viel schneller lebte, gehörte
als Koryphäe nur eigentlich dem siebenjährigen Kriege, Ersterer dem ganzen Kriegs- und Lebenslaufe Friedrichs. Zieten schuf das historische Husarenthum unserer Armee und Seydlitz überhaupt die überwältigende und von aller Welt bewunderte Preuszische Reiterei. Ersterer, der Matador des kleinen Krieges und der Scharmützel, ge wann dennoch als allgemeiner Feldherr dem Könige die Schlacht von Torgau ; Letzterer entschied als Reiterchef die Schlachten von Rossbach und Zorndorf.
Zieten war dauerhaft , präcise und uner
müdlich, Seydlitz genial und splendide ;
Sie haben Beide zu Ross
und mit der Klinge improvisirt, und mit Seydlitz hat Friedrich das Land auszukehren, auf Zieten aber hat Er Sich wie auf einen Stab zu stützen vermocht. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine . Band XXII. 22
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
318
Zieten erzog seine Husaren wohl zu einer generellen Kriegs tüchtigkeit, doch noch mehr zur Meisterschaft des kleinen Krieges, und wenn er sich mit ihnen, und sonst überhaupt in den groszen Actionen, hervorthat, so geschah dies noch viel mehr in diesem seinem natürlichen Elemente des Parteigänger- und Scharmützelkrieges , 80 dass ihn die Tradition nicht ohne Grund den „ Zieten aus dem Busch " genannt hat. Er stand zumeist und am längsten in steti ger Wechselwirkung mit dem groszen Könige ;
wo Einer genannt
wird, klingt auch der Name des Anderen, und Sie leben mit einander in Lied und Bild, Geschichte und Tradition, zumeist in der Kriegs geschichte, unvergänglich fort.
Am Abende der Schlacht von Torgau,
als der König noch um keinen Sieg wusste, schrieb Er doch zu Seinem Schlachtberichte : „ Zieten ist noch im Rücken des Feindes , und dieser wird es darum nicht wagen , sition zu bleiben. “
in seiner Po
Als Friedrich, gegen alle Vermuthung, 1761
aus Seinem Bunzelwitzer Lager heil hervorging, sagte Er zu Zieten : „ Er
hat
Recht gehabt ,
Sein
Alliirter
hat Wort
ge
halten “ , und als in der Friedenszeit und schon am Lebensabende Zieten einst in Gegenwart des Königs einschlummerte, sprach dieser : „ Lasst mir den Alten schlafen , der hat genug gewacht. “ Als endlich Zieten im Januar 1786, also nur sieben Monate vor dem Könige, dahinging, sah Ersterer hierin einen Voract Seiner eigenen Vollendung, und sprach das humoristisch klingende und doch tief tragische Wort :
„ Zieten hat , wie sonst im Leben , so auch
jetzt im Tode ,
wieder die Avantgarde genommen ;
so
werde ich denn mit dem Gros bald nachfolgen müssen .“ Seydlitz durchlief alle Reiterkategorien, um zu einer sachkundi gen Leitung aller befähigt zu werden.
Er liesz jeder
cavalleristi
schen Species ihre Eigenart und leitete sie doch sämmtlich zur Er füllung ihres allgemeinen Berufes. Ein unübertroffener Reiter, ein bis zu den äuszersten Möglichkeiten durchdringender Erzieher der Reiterei, ging er mit dem Wagen und Können überall persönlich voraus, und jeder Cavallerieoffizier suchte eine Ehre und ein Ver gnügen darin, ihm nachzueifern . Der Geist Friedrichs spiegelte sich nach dieser Richtung hin in ihm ab , aber er hatte sonst kein Vor bild und wurde von keinem seiner Schüler erreicht. Seine Taktik bildete sich aus dem Genie und nach den Bewandtnissen, er kam, sah und siegte, wie es eben der Moment gab. Im Aeuszerlichen attackirte er mit mehreren hinter einander folgenden Treffen, die schwere Reiterei vorn , Reserve.
die Husaren auf den Flanken und in der
Bei Angriffen auf Infanterie formirte er sich en muraille ;
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
319
gegen Reiterei war der Zusammenschluss lockerer, aber man suchte sie zu überflügeln , während man die eigenen Flanken sicherte. Seydlitz gelangte zu groszer Unabhängigkeit von den Beschränkun gen durch den Oberfeldherrn .
Friedrich commandirte die Schlacht,
Seydlitz war Sein Reiterchef ;
Sie stimmten in der Hauptidee und
genialen Behandlung,
im Uebrigen durfte Seydlitz frei handeln.
Friedrich erkannte und nützte dieses Reitergenie im böchsten Masze ; um letzteres zu können, musste Er den Mann selbst so ungewöhn lich fördern , wie dies früher (S. 307 ) erwähnt wurde .
Bezüglich
des Handstreiches auf Gotha, sagte der König in Seiner „ Geschichte des siebenjährigen Krieges “ :
„ Dieses Beispiel zeigt ,
dass
die Befähigung und Entschlossenheit eines Führers im Felde mehr entscheidet , als die Zahl der Truppen .“ In der Schlacht von Rossbach befehligte Seydlitz als Generalmajor die ganze Preuszische Cavallerie, und nach selbiger wurde er General lieutenant und erhielt den Schwarzen Adlerorden ; als nach dem Siege bei Zorndorf der bei Friedrich befindliche Englische Gesandte Mitchel den Monarchen auf der Wahlstatt beglückwünschte, sagte dieser, auf Seydlitz deutend : „ Ohne diesen würde es schlecht mit uns aussehen .“ Bei Kunersdorf wurde Seydlitz so schwer verwundet, dass er geraume Zeit kampfunfähig blieb ; nach seiner Wiederher stellung war er der Armee des Prinzen Heinrich zugetheilt und trug zu dem Siege bei Freyberg wesentlich mit bei . Als der Huberts burger Friede geschlossen war, bekam Seydlitz die Ober- und Nieder schlesische Cavallerie-Inspection, bildete mit dieser das Normalstück der Preuszischen Reiterei und wirkte darin auch zur Friedenszeit noch Beträchtliches .
Aber die Zeit seiner eigentlichen, nämlich der
kriegerischen Berufserfüllung, war vorüber ; Seydlitz konnte sich im Frieden nicht mehr ganz befriedigt fühlen, und starb schon 1773. Sein Geist lebte nur so weit, als er sich verkörpern und mittheilen liesz, in unserer Cavallerie fort, aber das Innerste und Eigenste dieses Reitergenie's liesz sich nicht reproduciren ; wir haben nach mals noch viel schneidige und ruhmvolle Reiterführer gehabt,
aber
ein zweiter Seydlitz ist noch nicht zum Vorschein gekommen .
Nur
ein Friedrich konnte einen Seydlitz haben , und in diesem hat einer von den groszen lebendigen Brennpunkten beruht, welche der Geist Friedrichs einsetzte , und um welche dessen Heersystem sich drehte. Mehrere der accentuirtesten Generale Friedrichs schieden früb zeitig, und von diesen springen der Prinz August Wilhelm, Schwerin , Winterfeld und Keith ganz besonders ins Auge. Prinz von Preuszen,
August Wilhelm ,,
des groszen Königs zur Thronfolge bestimmter 22 *
320
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
Bruder,
starb 1758, in noch frühem Mannęsalter, und während der
Krieg auf seiner Höhe stand, zu Oranienburg , friedlich , kaum länger als ein Jahr, nachdem, im Gegensatze damit, Schwerin, ein 74jähriger Greis, bei Prag gefallen war. Winterfeld that sich bei Mollwitz, Hohenfriedberg und Prag hervor ; er wurde schon 1741 Friedrichs Generaladjutant und war bei Er Beginn des siebenjährigen Krieges bereits Generallieutenant. wog eben so schwer im Rathe, als vor der Front, König einerseits sein Talent hoch veranschlagte ,
und wenn der
andererseits ihm
liebreich geneigt war, so beruht hierin die gröszte Lob preisung seines Werthes. Als 1757 der Herzog von Bevern Schlesien überaus
deckte, und der König gegen Soubise nach Sachsen zog,
wurde die
Verbindung Beider durch ein Preuszisches Corps unter Winterfeld Wenn der König noch
bewirkt, welches unweit Görlitz postirt war .
„ Bald
hätte Ich
Ihm Seine Vorschrift zu geben.
Nur diese
beim letzten Abschiede zu Winterfeld sagte : vergessen , weisz
Ich
für Ihn :
erhalte Er Sich Mir “ , so sprach sich
hierin eine ganz ungewöhnliche Theilnahme, die bei einem Friedrich auch
tief begründet sein musste,
aus .
Friedrichs Herzenswunsch
blieb gleichwohl unerfüllt, denn Winterfeld fiel am 7. September bei Moys gegen Nadasti, und das Preuszische Heer verlor damit eine grosze Nummer.
Wie tief Friedrich diesen Verlust empfand , das
gab sich , gleich als Ihm der Tod Seines Lieblings bekannt wurde, schon durch die Aeuszerung zu erkennen :
„ Gegen
die
Menge
meiner Feinde werden sich schon noch Mittel finden , aber einen Winterfeld werde ich nicht mehr an treffen.“ In Seiner „ Geschichte des siebenjährigen Krieges“ be zeichnet Er den durch diesen Unfall der Preuszischen Kriegführung entstandenen Nachtheil mit den Worten : ,, Winterfeld starb an seiner Wunde , und wurde in diesen Umständen um so mehr beklagt , als er in dem Heere des Herzogs von Be vern der wichtigste Mann war , und der König in Betreff der zur Vertheidigung Schlesiens ergriffenen Masz regeln nur auf ihn zählte. “ Keith trat schon als vollendeter Feldherr unter das Banner Friedrichs .
Er diente dem Könige mit Namen und Rubm, Talent
und Erfahrung sehr belangreich, aber schon 1758 riss ihn die mör derische Affaire von Hochkirch hinweg. Keith war unter den fremd nationalen Offizieren des Heeres in dieser Zeit der höchste Glanz punkt, und der grosze König hat in der Marmorstatue, welche Er ihm setzen liesz, Sein Urtheil über diesen Offizier der Nachwelt überliefert.
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem.
321
Nicht uninteressant ist es auch , auf diejenigen Truppenführer dieser Periode zu blicken, welche zumeist das Ungemach des Krieges traf; die Vorsehungsgedanken des Missgeschickes sind ganz be sonders lehrreich und die Verdienste der Unglücklichen nicht minder reizvoll. In dieser Kategorie zählt Wedell , der jung und glänzend be förderte Liebling Friedrichs, noch zu den Glücklichen ; aber ein groszes Trübsal in seiner sonst gesegneten Laufbahn war die Niederlage von Kay, welche er erlitt, immer, um so mehr, als sie den bedeutsamen Voract des Verhängnisses von Kunersdorf bildete.
Wedell erlag hier
einer ungünstigen Combination, und es wird ihm kaum ein Vorwurf zu machen sein ; auch behielt er die Gnade seines Kriegsherrn, aber dieser Schlag des Verhängnisses wird doch lebenslänglich von ihm gefühlt worden sein. Der Herzog von Bevern war im Herbste 1757 in Schlesien selbstständig , verlor in Winterfeld seine Hauptstütze, und beging militairische Fehler, die den Rückzug von Breslau und seine persön liche Gefangennahme verschuldeten .
Diese Katastrophe bleibt be
dauerlich und der Herzog tadelnswerth ; dass ihn das Missgeschick schwer heimsuchte,
wird man gleichwohl nicht in Abrede stellen ,
und ebenso wenig wegen dieses Factum seine übrigen Verdienste aus streichen können.
Schmettau wurde 1759 durch die Capitulation Dresdens gestürzt. Der König hatte ihm die Erhaltung der dort liegenden Geldmasse zur Pflicht gemacht ; eine Vertheidigung bis auf den äuszersten Punkt würde diese Kriegscassen geopfert und die Linien des Gehorsams überschritten haben. Sein Verdienst beruhte, den Umständen nach, darin, dass er rechtzeitig capitulirt und dem Könige fünf Millionen Thaler gerettet hat . Dass im Zeitpunkte dieser Capitulation die Masznahme zum Entsatze Dresdens schon nahe lag , wurde von Schmettau nicht geahnt ; er verlor die Gnade Friedrichs und verliesz , ein Opfer dieser unglücklichen Sachlage, den Dienst. Fink , den Friedrich einen zweiten Turenne genannt hatte, be kam von Diesem 1759, Daun gegenüber, den schwierigsten Auftrag. Das Oesterreichische Heer mit nur geringer Streitkraft umgehend, in ungünstiger Position und gegen die auszerordentlichste Ueber macht, musste Fink bei Maxen verunglücken.
Er benahm sich hier
wobl als tüchtiger Feldherr, liesz aber, der unvermeidlichen Nieder lage gegenüber, kein Aufopferungsprincip walten, sondern capitulirte. So gingen dem Könige 11,000 Mann verloren ; man hätte sie im Vertilgungskampfe wohl auch geopfert, aber der Feind wäre alsdann
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem .
322
moralisch erschüttert, unserem Heldenbewusstsein wäre mehr genügt worden. Friedrich glaubte, dass das Unglück bei Maxen hätte ver mieden werden können ; Fink verlor seine Stellung und starb 1766 in fremden Diensten .
Sein Missgeschick übertraf gewiss seine Ver
schuldung, und Turenne, mit dem er verglichen, der aber auch nicht fehlerfrei war, erscheint schon deshalb glücklicher, rühmlichen Soldatentod fand .
weil er einen
Endlich gehört auch noch Fouqué in diesen Zusammenhang, aber ihn hebt
auszerdem
Friedrich hervor. pold
seine besondere
Verhältnissstellung
zu
Er kam schon in früher Jugend als Page zu Leo
von Dessau ,
und
wie
nachmals Rüchel
von Friedrich
dem
Groszen , so wurde 60 Jahre früher Fouqué vom alten Dessauer eines besonderen Unterrichtes in der Kriegskunst gewürdigt, der dann reiche Früchte trug. Andererseits erwarb Fouqué die Zuneigung des Kronprinzen Friedrich , und wenn einerseits das Kriegsgenie des Dessauers in ihm fortlebte und er andererseits der Höhe und Fein heit Friedrichs zupasste, so zeigt sich in ihm ein Mittelglied dieser zwei heterogenen Naturen , von denen jede so original und auszer ordentlich war. Leopolds allzurauhes Betragen zwang ihn, 1739 den Preuszischen Dienst zu verlassen ; aber als Friedrich den Thron be stieg , rief Er Seinen Liebling zurück, und dieser vermochte dann während des siebenjährigen Krieges jene Capacität des alten Des sauers , welche hier liebenswürdig formirt war, zu Gunsten Friedrichs und des Vaterlandes sehr belangreich geltend zu machen .
Bei Lands
hut erlebte Fouqué 1760 ein schweres Unglück , aber es bestand als solches nur materiell , und gereichte auszerdem zu seinem Ruhme. An seine schlimme Position bei Landshut fesselte ihn der ausdrück liche Wille des Königs ; die Niederlage, welche er dort am 23. Juni erlitt, nahm sich , weil er bis auf die letzte Patrone kämpfte und nur in Kampf und Blut erlag, ganz anders aus, als vorjährig diejenige Fink's. des
Der König sagte über diese Action in Seiner „ Geschichte
siebenjährigen Krieges“
(XII. Capitel):
„ Fouqué
erhielt
zwei Wunden und wurde , sammt dem gröszten Theile seiner Truppen , gefangen genommen . Er hatte sich von 2 Uhr Morgens bis um 10 Uhr am Vormittage ver theidigt ; und weit entfernt , dass ein solches Missge schick dem guten Rufe dieses braven Offiziers Abbruch thun konnte ,
der seit so
langer Zeit fest begründet
war , machte es ihn vielmehr desto glänzender , es
ein Beispiel
dessen
lieferte ,
indem
was Tapferkeit und
Standhaftigkeit gegen die Uebermacht , so grosz diese
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem . auch sein mag , vermögen .
323
Diese schöne Kriegs hand
lung kann nur mit derjenigen
des Leonidas und jener
Griechen , welche die Thermopylen vertheidigten und deren Loos ein ganz ähnliches war , verglichen werden. “ Bärenhorst sagt in seinen „ Betrachtungen tüber die Kriegskunst etc. ", dieses Factum besprechend : „ Dieses Beispiel gehört unter die groszen Muster aller Völker und Zeiten " , und alle Autoritäten sind darüber einig , dass hier ein Sieg im Verluste und eine Glorie im Unglücke war.
Fouqué starb 1774 als General der
Infanterie a. D. , Gouverneur von Glatz, Domprobst von Brandenburg, und war mit
dem
Schwarzen Adler und dem Orden pour le mérite
ausgezeichnet. Die „ Mémoires du baron de la Motte Fouqué“ enthalten einen überaus interessanten Briefwechsel Friedrichs des Groszen mit Fouqué . Im Bayerischen Erbfolgekriege ragten von der alten Schule, nächst dem Prinzen Heinrich, noch die Generale Stutterheim, Tau entzien, Platen und Möllendorf hervor ; und auszerdem befanden sich dort
die erst in der letzten Zeit des siebenjährigen Krieges
nannten Generale Werner, Wunsch und Ramin .
er
Ein neuester Zu
wachs an der Spitze des Heeres beruhte in dem erst 1744 geborenen, 1770 zum Generalmajor beförderten Prinzen von Preuszen, dem nach herigen Könige
Friedrich
Wilhelm II. , und dieser that
sich im
Bayerischen Erbfolgekriege so hervor, dass Friedrich zu ihm sagte : Ich betrachte Sie von heute an nicht mehr als meinen Sie haben
Neffen , – ich sehe Sie als meinen Sohn an . Alles gethan ,
was Ich hätte thun können , Alles ,
was
man von dem erfahrensten General erwarten konnte.“
Von den Generalen , welche Friedrich überlebte , müssen auszer den bis hierher schon erwäbnten noch Lehwald und Saldern genannt werden .
Lehwald , der sich schon in den Schlesischen Kriegen her
vortbat, 1757 in Preuszen commandirte, 1760 Berlin vertheidigt hat, starb 1768 als Gouverneur von Königsberg. Saldern, der bekannte Taktiker, starb 1785, fast gleichzeitig mit Werner und nicht lange vor Zieten . Das sind nur geringe Andeutungen in Betreff der Generalität Friedrichs, aber sie kennzeichnen doch immerhin jenes Offizierthum , welches
solche Männer und Thaten hervortrieb , andererseits den
groszmächtigen Kriegsherrn, Welcher der geistige Urquell von Allem war, Welcher Alles hielt und durchdrang und verwerthete, einiger maszen .
324
Friedrichs des Groszen Soldatenthum und Heersystem. Das Heersystem Friedrichs , wie es in den Einrichtungen und
der Disciplin des Heeres, im Offizierthume und zumeist in der Gene ralität dieses Zeitraumes beruhte, war zu groszartig, als dass es nicht weit nachschwingen,
seine geistigen Kreise bis zur fernsten
Folgezeit ausbreiten sollte ; aber in seiner äuszeren Formation und ganzen Körperlichkeit blieb es doch nur ein vergängliches Menschen werk. Es brauchte, so wie es eben war, einerseits den Krieg, anderer seits die Kraft und das Genie Friedrichs ; von diesen Lebensbedingun gen losgemacht , musste der alte Geist in neue Formen übergeben. Das Ende eines solchen Regiments , wie es Friedrich geführt, war ein zu auszerordentliches Factum, als dass es nicht überhaupt, und zumal in den militairischen Hinsichten,
erschütternd wirken sollte.
Die
vorhandenen Mängel wurden erst jetzt, wo das grosze Gegengewicht fortfiel , augenfällig.
Die Autorität des 18. Jahrhunderts war mit
Friedrich zu Grabe getragen, die Lebensluft des neuen Zeitgeistes strömte zu ; man wagte erst jetzt, das alte System mit moderner Kritik zu bemessen . Das Preuszische Heer war durch Friedrich zu sehr an die Hülfen der Auszerordentlichkeit gewöhnt worden , Sein System beruhte zu sehr auf und in Ihm, und mit dem Stundenschlage Seines Todes begann der Umwandlungsprocess.
Zuerst leise und
lose, dann in stärkeren Schwingungen, mit dem Kampfe von Alt und Neu, der Hin- und Herströmung, einem täglich wachsenden Fieber in allen Adern.
Es war die doppelte Krisis ,
in welcher der alte
Leib abstarb und der neue zur Welt kam ; die Aufräumung und Er neuerung des Hauswesens, in welcher ein kurzes Chaos neue Cultur ordnungen einleitete .
Was ist in der Umschmelzung normal ? Wo
hat man im Hausbaue und während des Durchganges den von Auszen herantretenden Ereignissen leicht zu begegnen, oder gar seine Feinde zu besiegen vermocht ?
Als der Rheinkrieg Friedrich Wilhelms II.
ins Werk ging, war schon unser innerer Heeresorganismus erschüttert, und wir konnten deshalb nicht durchdringen ; als der Krieg von 1806 hereinbrach, gingen die Wellen der Reform schon hoch, alle Büchsen rührten sich, alle Pulse fieberten, alles Alte war lahmgelegt und alles Neue noch embryonisch , das musste zur Niederlage führen . Wenn damals das System Friedrichs noch in Kraft gewesen wäre, so würde es den Corsischen Imperator zermalmt haben ; - nicht dieses System, sondern nur der morsche Ueberrest desselben wurde von ihm be siegt. Das System Friedrichs wurde Staub , aber der fortlebende Geist desselben hat im 19. noch gröszere Aufgaben vollbracht, als im 18. Jahrhunderte.
Von ihm kam die innere Riesenkraft, mit
welcher man im tiefsten Leide sich am kühnsten aufrichtete, in
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau. Sturm und Nacht seinen Weg fand ,
325
im Ruin der Gegenwart das
Schwert der Zukunft schmiedete. Derselbe Geist hat unsere Organi satoren und die Helden von 1813 belebt ; - aus ihm entsprangen in logischer Consequenz alle weiteren Fortschritte und all' die un geheueren Siege des Geistes und Schwertes bis zur Gegenwart hinan. Vergessen wir nie, um Friedrichs Gleichniss zu gebrauchen, dass der stolze Eichbaum auf der Eichel, die ihn hervortrieb, beruht, und wenn wir in diesem Sinne auf den groszen König und sein System zurück blicken, so möge es stets gedankenvoll und aus vollem Herzen ge schehen. -
XX.
Der Kriegsschauplatz
an
der unteren Donau.
Eine militair - geographische
und kriegsgeschichtliche Skizze von
Thilo v. Trotha , Hauptmann. (Mit Karten- Beilagen.) I.
Militair-geographische Skizze.
1.
Allgemeine Uebersicht.
Der Kriegsschauplatz der unteren Donau umfasst im Besonderen die von der Donau durchströmte Ebene Balkan .
zwischen Karpathen und
Westlich, bei Orsowa, treten beide Gebirge dicht an den Fluss heran, welcher hier im „ Passe des eisernen Thores " die Gebirgs kette durchbricht. An diesem Punkte ziehen sich die Karpathen etwa 40 Meilen nach Osten und nehmen dann eine nördliche, später eine nordwest liche Richtung an ; über die Karpathen führen die Verbindungen des unteren Donaulandes mit Siebenbürgen im Besonderen und mit der Oesterreichisch- Ungarischen Monarchie im Allgemeinen.
Der Balkan
(als Collectivname aufgefasst) entfernt sich, etwa 30 Meilen in süd
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
326
östlicher Richtung laufend, von der Donau und zieht dann in einer Länge von etwa 50 Meilen in östlicher Richtung bis zum Schwarzen Meer ; über den Balkan führen die Verbindungen des unteren Donau landes mit dem Innern des Türkischen Reiches . Jede zwischen Donau und Balkan sich abspielende ernsthafte kriegerische Thätigkeit muss aber, bei den heutigen staatlichen und politischen Verhältnissen, den Weg nach Constantinopel und den Besitz dieser Stadt zum offensiven oder defensiven Ziele haben und daher muss auch das Gebiet südlich des Balkan , das Becken der Maritza, dem Kriegsschauplatze der unteren Donau im weiteren Sinne zugerechnet werden . Von Interesse für die allgemeine Betrachtung politischer und militairischer Constellationen sind folgende, von der südlichen Donau Mündung in gerader Linie gemessenen Entfernungen :
30 Meilen , 60
Odessa, Kischenef, Varna
Constantinopel Kiew . .
80
99
Warschau , Wien , Kleck
150
»
Moskau
180
»
.
200
9
Petersburg, Cairo, Persische Grenze .
225
Rom , Berlin , Riga, Astrachan
2.
Die Donau.
Die Donau durchbricht in einer 9 Meilen langen Strecke zwi schen Gollubitza und Gladowa ein von Norden nach Süden zwischen Karpatben und Balkan gewissermaaszen die Verbindung bildendes Sandsteingebirge.
Der Fluss ist auf dieser Strecke auf beiden Seiten
von Granitfelsen eingeschlossen , das Bett von Klippen und Riffen durchsetzt. Zwischen den Felsen auf beiden Ufern und dem Flusse führen die Engpässe entlang , welche einerseits auf dem linken Ufer) Ungarn mit
der Walachei ,
andererseits
auf dem
rechten
Ufer)
Serbien mit Bulgarien verbinden . Bei seinem Austritte aus dem engen Passe hat der Strom eine Breite von 160 Metern , eine Tiefe von 20 Metern , eine Geschwindig keit von etwa einer Meile in der Stunde . Letztere vermindert sich nach der Mündung zu bedeutend . Die Breite nimmt im Allgemeinen erheblich zu und erreicht vielfach 1000 Meter und mehr. Die Donau hat viele gröszere und kleinere, oft sehr lange und schmale Inseln ; von Widdin an finden sich mehrere Buchten und Seen an beiden Ufern, welche die Breite oft auf mehr als eine halbe Meile anwachsen lassen .
Von Silistria an flieszt der Strom netzartig mit
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau. mehreren Nebenarmen ;
327
bei Galaz haben die durch eine Insel ge
bildeten beiden Arme 160 und 300 Meter Breite ; unterhalb Isaktschah beträgt die Breite etwa 600, bei Tultscha 300 Meter ; die Tiefe be läuft sich auf dieser unteren Strecke durchschnittlich auf 20 Meter. Bei Tultscha beginnt das Deltaland der Donau, eine 47 Quadrat Meilen grosze Wildniss, mit hohen Schilfwäldern bedeckt ; die äuszer sten Mündungsarme liegen 1342 Meilen von einander entfernt. Der nördlichste dieser Arme ist die Kilia - Mündung, 15 Meilen lang ; südlich von ihr liegt die Sulina - Mündung, 11 Meilen lang, 100 Meter breit , 10 bis 15 Meter tief ; der Mündung dieses Armes ist eine sumpfige Bank vorgelagert, so dass nur beständige Aufmerk samkeit und Sorgfalt die Mündung offen halten kann . Der dritte Hauptarm , die Georgs - Mündung, ist 12 Meilen lang , 100 bis 400 5 bis 10 Meter tief. Von diesem Arme zweigen sich zwei ganz unbedeutende Mündungen nach Süden zu ab, welche in
Meter breit ,
das Brackwasser des lagunenartigen Ramsinsee's münden. Zwi schen Kilia- und Sulina-Arm befinden sich die Inseln Tschatal und Leti ; zwischen dem Sulina- und dem Georgs-Arme die Ge orgs - Insel ; zwischen dem Georgs - Arme und der nach dem Ramsin see führenden Dunavetze die Insel Portitza. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen beiden Ufern,
Strom
indem das Bulgarische von Widdin ab überall hoch , jäh
abfallend und überhöhend oft unmittelbar an die Donau herantritt, während auf Walachischer Seite sich stets nur niedrige Lehm - Ufer und breite Wiesenflächen zeigen , durch welche mehrere Donau-Arme sich hindurchwinden, die bei hohem Wasser zum Theil überschwemmt sind . Unterhalb Nikopolis weichen die das rechte Ufer begren zenden Höhen an einzelnen Stellen von demselben zurück und nähern sich ihm dann wieder ; in dem so entstehenden Becken liegen Sistowa, Rustschuk , Turtukai , Silistria. Unterhalb Rustschuk tritt nur an einer einzigen Stelle ,
nämlich
am
Einflusse der Dembaviza , Turtukai
gegenüber, das linke Ufer zwar flacb, aber stets trocken und fest, an den dort durch keine Inseln getheilten Strom heran . Weiter ab wärts
ist
bei Hirsowa die Verengung des Thales und die Be
schaffenheit des Walachischen
Ufers
einem
vom
linken auf das
rechte Ufer auszuführenden Uebergange günstig. Erst von Braila an erhebt sich auch der linke Thalrand und fällt senkrecht, etwa 20 Meter hocb, zum Strome ab.
328
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
3. Oestlich der groszen,
Der Balkan. von Belgrad
über Nisch ,
Sofia ,
Philippopel und Adrianopel nach Constantinopel führen den Strasze, den Raum zwischen dieser Strasze und der Donau bis zum Schwarzen Meere hin grösztentheils ausfüllend ,
erstreckt sich
im Allgemeinen in westöstlicher Richtung ein mannigfach gegliedertes Gebirgssystem, welches unter dem Collectivnamen „ Balkan " zu D sammengefasst wird . Werfen wir einen Blick auf dieses Gebirgssystem etwas südlich von Sofia , da , wo die Quellen der Maritza und der Isker (rechter Nebenfluss der Donau) ziemlich nahe bei einander liegen, so markirt sich hier eine Art Gebirgsknoten .
Von hier aus läuft
ein Zug in nordwestlicher Richtung, den Raum zwischen Donau und Ost-Morawa ausfüllend und im Golubitza-Gebirge bis an die Donau herantretend (s . Tafel 2, Skizze 1 ) . Ein zweiter Zug , das alte Rhodope - Gebirge , jetzt De spoto- Dagh , erstreckt sich auf dem rechten Maritza-Ufer in süd Endlich der östlicher Richtung bis zur Mündung dieses Flusses. dritte Zug, das Maritza - Becken, von Rumelien von Bulgarien trennend ,
dem der unteren Donau, der
eigentliche
Balkan,
wendet sich im Allgemeinen in östlicher Richtung dem Schwarzen Meere zu. Von dem genannten Knotenpunkte an der Maritza-Quelle aus führt dieser letzterwähnte Gebirgszug anfangs den Namen Kodscha Balkan oder Hoher Balkan , ungefähr bis zu der Gegend, wo der Maritza - Nebenfluss Tundscha das scharfe Knie nach Süden macht (Gegend von Sliwno ,
Islevne ) ; von hier aus bis zum
Meere heiszt er Böjuk- (Groszer) Balkan oder auch Emineh Balkan ; er endet im Cap Emineh. Ungefähr in der Höhe von Sliwno entspringen auf der Nord seite des Gebirgszuges ziemlich dicht bei einander zwei Flüsse : der Akali oder Zahme Kamtschik und der Deli oder Wilde Kamtschik.
Beide Flüsse, nachdem sie sich eine Zeit lang von
einander entfernt ,
flieszen später zusammen und bilden den Ver
einigten Kamtschik , welcher Emineh ins Meer mündet.
zwischen
Varna
und
Cap
Nördlich von Sliwno, zwischen den Quellen der beiden Kam tschiks, zieht die Kette des Kutschuk - Balkan oder Kleinen Balkan in nordöstlicher Richtung hin und füllt den Raum zwischen genannten beiden Flüssen aus. ― Fast an derselben Stelle, wo der
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
329
Kleine Balkan sich abzweigt, aber auf der anderen (westlichen) Seite des Akali Kamtschik , wendet sich weiter nach Norden zu der Binar - Dagh , welcher mit den bei Schumla steil auf steigenden Höhen in Verbindung steht. Von Sliwno etwas weiter östlich endlich zweigt sich nach Süden zu der Strandsche - Balkan ab , welcher ziemlich parallel mit der Küste läuft und am Bosporus endet.
4.
Charakteristik des Balkan. ―――
Pässe.
Die Hauptkette des Gebirges, deren Höhe im Emineh - Balkan zwischen 500 und 1000 Meter schwankt , im Kodscha - Balkan dagegen bis zu 1500 und 2000 Meter ansteigt, zeigt im Allgemeinen Kuppenformen und reiche Laubwaldungen. Der südliche Abfall ist bei Weitem der steilere ; der nördliche gewährt um so weniger einen sehr imposanten Anblick, als derselbe durch niedere Vorberge verdeckt wird. Diese Vorberge ,
welche in verschiedenen
Zweigen mit
ab
abweichender Richtung laufen , haben einen von der Hauptkette durchaus verschiedenen Charakter : indem sie Hochflächen bilden, welche zum Theil mit senkrechten Felsenmauern
abstürzen, zum
Theil mit allmälig flacher werdender Böschung sich zu den Thälern hinabsenken. Diese Hochflächen, stets nur an wenigen Stellen er steigbar, sind meistentheils mit einem überaus dichten, kaum zu durchdringenden Strauchwerke bedeckt ;
ebenso ist der Fusz der
Berge und ein groszer Theil der Ebene, auszer in der Nähe der Dörfer ,
auf grosze
Strecken
mit niedrigem Eichengebüsche be
wachsen, welches das Querfeldeinmarschiren fast unmöglich macht. Die wichtigsten Pässe über den Kodscha - Balkan sind von Westen nach Osten zu :
1) Die Trajanspforte bei Sofia, zwischen den Thälern der Maritza und des Isker. 2) Der Schibka - Pass , 18 Meilen weiter nach Osten, zwi schen den Thälern der Tundscha und Jantra. 3) Der Demir - Kapu- ( Eiserne Thor- ) Pass , 8 Meilen weiter nach Osten, zwischen der mittleren Tundscha und einem rechten Zuflusse der Jantra. Ueber den Emine h - Balkan , also ebenfalls noch über die Hauptkette, führen : 4) Der Pass von Sliwno , 2 Meilen von Nr.3 nach Osten zu, zwischen der mittleren Tundscha und dem oberen Deli-Kamtschik.
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau .
330
5) Der Pass von Tscherkaschli , nach Osten zu.
3 Meilen vom vorigen
6 ) Der Pass von Dobrol , abermals 3 Meilen weiter nach Osten. 7 ) Der Pass von Nadir - Derbend , vom vorigen 4 Meilen nach Osten zu, 7 Meilen von der Küste . 8 ) Der Pass von Emineh , dicht an der Küste.
Ueber den Kleinen Balkan führen : 9) Der Pass von Kasan , 5 Meilen von der Abzweigung des Kleinen Balkan entfernt. 10) Der Pass von Tschali- K a wagh , 512 Meilen vom vori gen weiter nach Osten . Ueber den Binar - Dagh führt : 11 ) Der Pass von Osman - Bazar ,
7 Meilen nördlich von
Sliwno .
5.
Verbindungen über den Balkan .
Ungefähr mit dem Nordfusze des Balkan parallel läuft die Linie Sofia - Tirnowa (25 Meilen) -- Schumla ( 15 Meilen) - Varna ( 10 Meilen) ; balbwegs zwischen Tirnowa und Schumla liegt Osman Bazar ; balbwegs zwischen Schumla und Varna Pravady. Längs des Südhanges zieht sich eine Linie von Tatar Ba sardschik (an der Maritza) über Kasanlyk ( 12 Meilen ) Sliwno ( 11 Meilen ) nach Burgas an der Küste ( 10 Meilen) .
und Etwa
halbwegs zwischen Burgas und Sliwno befindet sich Karnabad . Zwischen diesen beiden Linien befinden sich folgende Haupt verbindungen : 1 ) Von Varna aus ziemlich an der Küste entlang ; bei Pod baschi über den 50 Schritt breiten, sumpfigen Kamtschik (nahe an dessen Mündung) ; dann aufwärts durch den Engweg von Derwisch Jovanno ; bei Kosakokoi über den Kosakdere (dicht an der Mündung) ;
dann über den Emine h - Pass nach Missivri und
Burgas ( 8 Meilen) (s. Tafel 2, Skizze 2 ). 2 ) Von Pravady in südlicher Richtung Koprikoi
über den Vereinigten
entweder bei
Kamtschik ,
dann durch
einen über 3 Meilen langen , durch hohe zerrissene Felsen einge schlossenen Engpass nach Beira movo oder etwas weiter west lich bei Jepikoi über den Akali , dann bei Tschenge über den Deli , und nun ebenfalls einen 2 Meilen langen Engpass aufwärts nach Beiramovo ; von hier aus wieder vereinigt geht die Strasze über den Pass Nadir - Derbend nach Aidos ( 2 Meilen ), von hier
331
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau. entweder
nach
Burgas
oder Karnabad
( je 4 Meilen) .
Von
Tschenga aus führt in westlicher Richtung ein Pfad nach dem Passe von Tschali- Kawag h (4 Meilen). 3) Von Schumla in südlicher Richtung durch den Pass von Tschali - Kawagh ( 4 Meilen) über den Kleinen Balkan ;
bei
Magalēssi (24/2 Meilen) über den Deli ; dann durch den Pass von Dobrol über den Groszen Balkan nach Karnabad (4 Meilen). 4 ) Von Osman Bazar durch den dortigen Pass
über
den
Binar - Dagh ; bei Tschatschak ( 2 , Meilen) über den Akali ; dann über den Kleinen Balkan durch den Pass von Kas an nach dem Orte gleichen Namens (24/2 Meilen) ; dann entweder in südöstlicher Richtung zum Passe von Tscherkaschli (3 Meilen) , hier über den Groszen Balkan und über den Ort Tscherkaschli weiter nach Karnabad (4 Meilen)
oder von Kas an aus durch
den Pass von Sliwno nach dem Orte gleichen Namens ( 4 Meilen) . 5) Von Tirnowa in südöstlicher Richtung über den Pass Demir - Kapu nach Sliwno ( 12 Meilen) . Zwischen dieser Strasze und
der
vorigen giebt
es
eine Querverbindung ,
die
bei
Stararek a dicht am Nordfusze des Kodscha - Balkan die erstere in östlicher Richtung verlässt , über Tschikalewo zwischen dem Kleinen Balkan und Binar - Dagh hindurchführt und, am Nord fusze des Kleinen Balkan entlang laufend ,
im Passe von Kasan
sich mit der Strasze Nr. 4 vereinigt. 6 ) Von Tirnowa im Jantra - Thale aufwärts nach Gabrowa (5 Meilen) , dann über den Schibka - Pass und den Ort gleichen Namens nach Kasanlyk (4 Meilen).
7) Die bereits erwähnte grosze Strasze
von Belgrad
über
Sofia und Adrianopel nach Constantinopel – welche den eigentlichen Balkan westlich umgeht und der bequemste, aber aller dings auch längste Weg über diese Gebirgskette ist. Der Theil dieser Strasze zwischen Sofia und Basardschik ( 15 Meiled ) be steht aus einer Reihe verhältnissmäszig bequemer Pässe. Bei Ichtiman den Nordfusz des Hauptkammes erreichend ,
führt die
Strasze bei Ueberschreitung desselben durch die sogenannte Tra jans - Pforte hindurch.
Bei der Trajans- Pforte zweigt sich von der
fahrbaren groszen Strasze links ein Saumpfad ab, welcher kurz vor Basardschik sich mit der Strasze wieder vereinigt.
332
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
6.
Bulgarien .
Bulgarien , nach Norden durch die Donau, nach Süden durch den Balkan, nach Osten durch das Schwarze Meer begrenzt, während nach Westen natürliche Grenzen eigentlich fehlen, nimmt die nördlich des Balkan gelegene Platte ein, welche gegen die Donau mit einem hohen Uferrande abfällt und bedeutend höher liegt als die Walachei. Bulgarien ist fast ganz eben , aber nur ein kleiner Theil des fruchtbaren Ackerbodens ist bebaut , grosze Strecken desselben sind mit dichtem Gestrüppe bedeckt.
In Folge des Lehmbodens sind in
der nassen Jahreszeit die Wege grundlos ; dann ist das Hinabsteigen in die tiefen Thäler , tiber deren Gewässer fast nirgends Brücken führen, zuweilen mit groszen Schwierigkeiten verbunden . fällt der Schnee
Im Winter
in so groszer Menge , dass die Straszen oft gar
nicht aufzufinden sind ; während des Spätsommers aber, in der heiszen Jahreszeit, verdorrt die Vegetation und der Wassermangel macht sich sehr fühlbar. Die nordöstliche Ecke zwischen der Donau und der Meeresküste, die sogenannte Dobrudscha , von dem eigentlichen Bulgarien durch den von Kustendsche nach Tschernawoda laufenden Tra jans - Wall (eine alte Befestigung aus der Römerzeit) getrennt, ist eine vollständig baum- und strauchlose Wüste.
Der Boden besteht
aus einer feinen Sandmasse , welche alles Wasser versiechen lässt. Weder Bäche noch Quellen finden sich in diesem Theile, und in den weit auseinander liegenden Dörfern wird das spärliche Wasser aus 20 bis 25 Meter tiefen Brunnen gewonnen .
Der Ackerbau ist in
Folge dessen äuszerst gering ; man wird vergeblich nach Getreide oder Rauhfutter in den Dörfern suchen . In die Dobrudscha sind nach dem orientalischen Krieg etwa 120,000 Tataren und Nogaier aus
der Krim
eingewandert ,
denen
die
verbältnissmäszig
wohl
habendsten christlichen Dörfer als Wohnsitze angewiesen wurden . Bulgarien , welches die beiden Ejalets (Provinzen ) Widdin und Silistria umfasst, hat eine Bevölkerung von etwa 3 Millionen ; darunter 1,300,000 Muhamedaner , theils echt Türkischer, theils Slavischer Abstammung , und 1,700,000 Rajahs ( christliche Unter thanen) , von denen 1,500,000 eigentliche Bulgaren , der Rest Serben , Griechen , Juden und verschiedene andere Nationali täten sind. Die Städte liegen fast alle an der Donau oder am Fusze des Balkan , dort herrscht die muselmännische , hier die christ liche Bevölkerung vor.
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
7.
333
Die festen Plätze an der Donau und im Balkan.
Die Donan - Linie wurde zur Zeit, als noch beide Ufer im Besitze der Türken waren , durch eine Anzahl von Festungen vertheidigt, welche ,
auf dem
rechten Ufer gelegen ,
einen starken Brücken
kopf auf dem linken Ufer hatten ; umgekehrt war dies Verhältniss nur bei Braila und Ismail , welche am linken Ufer lagen und ihre Brückenköpfe , Matschin und Tuldscha , am rechten Ufer hatten. Seitdem das linke Ufer dicht mehr in der Gewalt der Türken ist , haben die meisten der dort früher bestehenden Brückenköpfe ihren festungsartigen Charakter verloren und sind nur zeitweilig mit Feldwerken versehen worden . Die meisten der Türkischen Donau-Festungen sind in den ver schiedenen Russisch-Türkischen Kriegen mehrfach zerstört und nachher ziemlich nach demselben Plane wieder aufgebaut worden . Der allge meine Charakter der Türkischen Festungen aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wird von competenter Seite *) folgendermaaszen : geschildert : „ Ihre Befestigung ist nach Europäischen Begriffen sehr armselig. Ein bastionirter Hauptwall mit geringem Commendement und ohne Auszenwerke ; trockene Gräben mit revêtirter Escarpe und Contre- Escarpe, aber von geringer Tiefe und Breite ; Linien, welche enfilirt und oft in groszer Nähe dominirt sind ; reichliche Vorräthe an Lebensmitteln , Pulver und Waffen ; zahlreiches Geschütz ,
gänz
licher Mangel an gemauerten Hohlbauten und ein durch Häuser aus Fachwerk und Lebm sehr beengter innerer Raum – dies sind die Eigenthümlichkeiten , welche wir fast überall wiederfinden . “ Erst zur Zeit des Orient-Krieges versuchten Englische und Fran zösische Ingenieure, die Türkischen Plätze in modernem Sinne zu vervollständigen ; die Indolenz der Türken liesz aber nach erfolgter Beendigung des Krieges diese Bemühungen ins Stocken gerathen . Obschon neuerdings wieder viel von Herstellung und Verstärkung der Festungen geredet wird, so scheint doch der Charakter derselben gegen früher im Allgemeinen unverändert geblieben zu sein , nur dürften mehrere von ihnen , so besonders Silistria und Rustschuk, einen Gürtel detachirter Forts erhalten haben . Was die Einzelheiten anbelangt, so bildet Widdin , mit 20,000 Ein wohnern , auf der Landseite von Morästen umgeben , ziemlich genau einen Halbkreis , dessen Durchmesser der Donau zugekehrt ist . Der
*) Moltke , Der Russisch-Türkische Feldzug 1828 bis 1829. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 23
334
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
westliche Theil der Festung , die sogenannte Citadelle , ist ein un regelmäsziges bastionirtes Fünfeck ; die östlich sich daran schlieszende Stadtumfassung besteht aus 7 bastionirten Fronten mit Ravelins von ziemlich regelmäsziger Construction und einem Revêtement von Jenseits des tiefen und breiten Grabens , der 12 Meter Höhe. nach Belieben gefüllt oder abgelassen werden kann , befindet sich ein gedeckter Weg nebst Glacis . Gegen den Fluss ist Widdin durch einen mit viereckigen Thürmen besetzten Wall abgeschlossen . Zwischen Widdin und dem am Walachischen Ufer liegenden Kalafat befindet sich eine Insel und auf dieser ein permanentes Werk, welches einen Theil der Stadtbefestigung beherrscht. ik opolis , an der Osma- Mündung, gegenüber der Aluta -Mün dung, hat 15,000 Einwohner, ist auf einer Anhöhe erbaut und durch unregelmäszige Erdbrustwehren mit flachen Bastionen und Graben mit dem Flusse verbunden . Gegenüber , am Walachischen Ufer, am linken Ufer der Aluta , Turnu , früher mit einem bastionirten Fünfecke, jetzt ohne permanente Werke. Sisto wa ,
oberhalb der Jantra - Mündung , 20,000 Einwohner ;
ist von Werken eingeschlossen , welche zu verschiedenen Perioden errichtet und auf Anhöhen erbaut sind . Die neueren Befestigungen bestehen aus langen Courtinen mit halbkreisförmigen Bastionen . Sistowa gegenüber liegt Simnitza . Rustschuk , mit 30,000 Einwohnern, an derMündung des Lomm (dieser Fluss entsteht etwa 24 , Meilen südlich von Rustschuk durch die Vereinigung des Ak - Lomm aus der Gegend von Schumla und des Kara - Lomm aus der Gegend von Osman Bazar) . Die regelmäszige Umfassung der Stadt besteht aus 8 bastionirten Fronten ohne Rave line , bis zu halber Höhe revêtirt , mit vorliegendem Graben und Contre -Escarpe. An der Ostseite befindet sich die bastionirte Cita delle ;
die Front nach dem Flusse ist sehr unregelmäszig befestigt.
Die Passage zwischen den beiden Donau-Inseln wird durch ein be sonderes Fort gedeckt.
Der Kernpunkt der früheren Befestigungen
von Giurgewo, bestand aus einem bastionirten, in Stein aufgeführten Fünfecke, welches innerhalb der Stadtumwallung lag. Rustschuk
1
ist im Süden und Westen von dominirenden Höhen umgeben , auf denen sich seit dem Orient-Kriege detachirte Forts oder Redouten
1
befinden ; nach Osten zu ist Niederungs - Terrain. – Die untere Strecke des
tiefen und felsigen Lomm - Thales bildet mit der Donau eine
Art Halbinsel , deren Breite an mehreren Stellen kaum 1200 Schritt beträgt. Turtukai , ' der Dembaviza- (Ardschisch-) Mündung gegenüber ;
!
335
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
die 1829 zerstörten Festungswerke waren zur Zeit des Orient-Krieges noch nicht wieder hergestellt, sondern der Ort nur durch Feldwerke befestigt.
Dass hier einer der wenigen, für einen Uebergang vom
linken ans rechte Ufer geeigneten Punkte , ist bereits erwähnt. Am Walachischen Ufer , am linken Ufer der Dembaviza - Mündung, liegt Oltenizza. Silistria , mit 23,000 Einwohnern , bildet ziemlich genau die Hälfte eines Kreises, dessen 2000 Schritte betragender Durchmesser der Donau zugekehrt ist. Der Platz wird von 10 bastionirten Fronten, jede zu 550 Schritt Länge , umschlossen und hatte bis zum Feldzuge 1829 einen etwa 3 Meter tiefen Graben und ein 1
Meter hohes Glacis.
Auszer den beiden kleinen Schanzen Liman - Tabiassi (oberhalb) und Tschengel -Tabiassi ( unterhalb ), welche den Anschluss an die Donau bilden und zur Bestreichung des Flusses bestimmt sind, hatte es zu jener Zeit keine anderen Auszenwerke, sowie keinen gedeckten Weg . Diese frübere Befestigung, deren Commendement nur etwa 3 Meter betrug ,
wurden von
schlossen .
den umliegenden Höhen
vollständig
einge
Das Bulgarische Plateau tritt hier 60 Meter hoch und
durchweg eben bis nahe an die Donau heran und beginnt , etwa 1500 Schritt vom Hauptwalle der Festung entfernt, sich mit flacher Böschung herabzusenken . Noch 800 Schritte von dem südlichsten Bastion entfernt, übersieht man von dem Abhange aus das ganze Innere der Festung bis zu der der Donau zugewandten Kehlseite. Seit 1849 begann man den Platz durch Neubauten erheblich zu verstärken ; auf den umgebenden Höhen , auf denen die Angreifer
bei früheren Belagerungen
ihre
Batterien fast ungestört erbauen konnten, wurden bis zum Ausbruche des Orient-Krieges 12 gröszere oder kleinere detachirte Werke ange legt. Der Festung gegenüber , auf Walachischem Ufer , liegt Ka la rasch . Tschernawoda , an der Mündung eines Donau-Nebenarmes in den Hauptstrom gelegen ; in der Nähe der Anfang des 2 bis 3 Meter hoben und 7 Meilen langen Trajans-Walles, der sich in östlicher Rich tung bis Kustendsche hinzieht. Hirsowa , an einer Stelle gelegen, wo beiderseits vorspringende Felsen den Strom auf etwa 1000 Schritt Breite einschnüren. Bis zum Jahre 1809 nur durch ein altes Schloss vertheidigt , wird Hirsowa zunächst von den Russen provisorisch als Brückenkopf befestigt und dann nach Beendigung des Krieges von den Türken mit 5 bastio nirten Fronten umgeben.
23 *
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
336
Braila ( Ibrahil ) ,
zur
Walachei
gehörig
und jetzt etwa
30,000 Einwohner zählend , liegt auf dem linken Ufer auf einem ebenen Plateau, welches sich sanft und offen gegen den Ort senkt, dann mit fast senkrechten Wänden von 25 Meter Höhe zur Donau abfällt. Auf dem gegenüber liegenden rechten Stromufer breiten sich ausgedehnte, Die Festung (als zum Theil sumpfige Wiesen bis Matschin aus. solche seit dem Jahre 1829 nicht mehr existirend) war demnach nirgends überhöht, wie die meisten anderen Donau-Plätze. Sie bestand aus 9 Bastionen mit starkem Profile und breitem Graben, aber Auszen werke fehlten auch hier. Das am rechten Ufer liegende Türkische Matschin ist von Braila durch einige unbewohnte Inseln getrennt und besteht aus 7 bastionirten Fronten mit einer Citadelle. Galaz , zur Moldau gehörig , zwischen den Mündungen von Shereth und Pruth, ist eine offene Handelsstadt mit etwa 80,000 Ein wohnern. Reni , am linken Ufer, östlich der Pruth- Mündung gelegen, ge hörte bis zum Pariser Frieden (30. März 1856) zu Russland , seit dieser Zeit zur Moldau und ist mit einigen Uferbefestigungen versehen. Ismail , am linken Ufer des Kilia-Armes, wurde als Stadt durch Suwarow zerstört.
Seit dem Bukarester Frieden 1812 zu Russland
gehörig, wurde es im Pariser Frieden 1856 nebst einem Stücke von Bessarabien am linken Ufer des unteren Pruth und des Donau- Delta's an die Türkei, d. h. an die Moldau abgetreten, und ist jetzt also im Besitze Rumäniens . Mit dem neuerbauten Tutschkow hat Ismail zusammen 26,000 Einwohner ;
vor ihrem Abzuge vernichteten die
Russen die vorhandenen Festungswerke und befinden sich augen S Ihm gegen blicklich gleichfalls nur am Ufer einige Befestigungen . über das Türkische Tuldscha am rechten Ufer. Kilia , mit 6400 Einwohnern, an dem gleichnamigen Donau-Arme gelegen und mit einigen Uferbefestigungen versehen, theilt das Geschick Ismails .
Schumla liegt am östlichen Fusze einer durch die Thäler des Kamtschik und seiner Zuflüsse von dem Hauptstocke des Balkans völlig getrennten Gebirgsgruppe, deren ganz flaches, oberes Plateau einen Umfang von etwa 5 Meilen hat und sich etwa 200 bis 250 Meter über die vorliegende Bulgarische Ebene erhebt. Rings umher stürzt dasselbe mit mauerähnlichen , nur an wenigen Punkten ersteigbaren Felswänden von sehr verschiedener Höhe ab und senkt sich dann mit anfangs sehr bedeutender, dann abnehmender Steilheit, von Wein und Obstgärten bedeckt , zur Ebene hinab . Die Stadt selbst , mit
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau ,
337
60,000 Einwobnern in 6000 Häusern , ist in ein kurzes , in steile Schluchten auslaufendes Thal hineingebaut.
Die derselben östlich
vorliegenden Hügel fallen nach der Stadt zu steil ab , böschen sich aber nach auszen glacisartig flach ab (s. Tafel 2, Skizze 3). Etwa 1000 bis 1500 Schritte von der offenen Stadt ziehen sich längs dem Kamme des erwähnten natürlichen Glacis die zusammenhängenden Linien des verschanzten Lagers bin , links an die schroffe Höhe von Strandscha , rechts an die von Tschengel sich anlehnend, welche Schumla im Norden und Süden umfassen . Die verschanzten Linien sind auch an den Flugel - Anlehnungen nach rückwärts weiter geführt und ersteigen dort den steilen Abhang.
Die Ausdehnung der
Linie von dem Flügelpunkte auf der Höhe von Strandscha bis zu dem auf der Höhe von Tschengel beträgt etwa 6 Kilometer (8000 Schritt) . Bis auf etwa 1000 Schritte vor den verschanzten Linien befinden sich einzelne detachirte Werke .
Die
grosze Strasze von
Rustschuk
und
Silistria
nach
Constantinopel zieht über Strandscha und Tschengel am Ostfusze des Plateau's vorüber, dagegen führen von Trudscha , Kiötesch , Novosil , Bular , Gradeschti und Dormus fahrbare Straszen auf das Plateau binauf und dann nach Schumla. Die obere Fläche des Plateaus ist mit so dichtem Walde bedeckt, dass es einzelnen Reitern unmöglich und selbst einzelnen Fuszgängern schwer wird , auszerhalb der schmalen Wege fortzukommen , welche also als meilenlange schwierige Engpässe zu betrachten sind . Varna , mit 20,000 Einwohnern, liegt zwischen dem Meere und dem schmalen, aber etwa 3 Meilen langen Dewno - See , welcher von dem aus der Gegend von Schumla kommenden Pravady (auch Serisse genannt) gebildet wird .
Der Ausflusz dieses See's (auch
wohl Dewna- oder Varna - Fluss genannt) bis zum Meere hat eine Länge von 1500 Metern , sowie einen morastigen Grund und ist ohne Brücke nicht zu passiren . Auf der Nordseite des See's bleibt der Thalrand, welcher sich zu einer Höhe von 300 Metern erhebt und ähnliche Formationen zeigt, wie die bereits beschriebenen Vorberge des Balkans – von der Festung etwa 5000 Meter ab ; der südliche Thalrand , welcher sogleich steil ansteigt und die Kuppenbildungen und Laubwaldungen des hohen Balkans aufweist, ist von der Festung noch 2500 Meter entfernt. Dieser Zwischenraum wird von einer sumpfigen Niederung ausgefüllt , welche Befestigungsanlagen besitzt und nur an der Küste entlang, wo sie durch den Wellenschlag mit Sand bedeckt ist, passirt werden kann. Die nächste Communication zwischen
den
beiden Seiten des
338
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
See's ist durch die Furth von Gebedsche , 2/2 Meilen von Varna entfernt.
Die Stadt selbst , mit 10 bastionirten Fronten und ein Castell
einschlieszend, liegt auf der Nordseite des See- Ausflusses, über welchen eine von einem Brückenkopfe gedeckte steinerne Brücke führt. Gegen
eine
moderne
Belagerung mit
gezogenen Geschützen
würden detachirte Werke, besonders auf dem südlichen Höhenrande, die Hauptrolle der Vertheidigung spielen .
8.
Constantinopel, seine Vertheidigungslinie und bindungen mit dem Balkan .
seine Ver
Die grosze Halbinsel zwischen dem Schwarzen Meere und dem Marmora -Meere, an deren äuszerstem Ende Constantinopel erbaut ist, hat an ihrer südlichen Küste zwei schmale , tief in das Land ein schneidende Buchten oder Seen :
etwa 4 Meilen von Constantinopel
aus die Bucht von Kutschuk - Tschekmedsche , und etwa eine Meile weiter die von Böjük - Tschekmedsche. Auf der nördlichen Seite der Halbinsel
dagegen , etwa 6 Meilen von der
Mündung des Bosporus entfernt und ziemlich in gleicher Höhe mit der Bucht
von
Böjük - Tschekmedsche ,
11/2 Meilen lange Derkos - See ,
erstreckt
sich der
durch eine etwa 1/2 Meile breite
Landenge vom Meere geschieden ; in gleicher Höhe mit dem Ost- Ende dieses See's an der Küste das Fort Kara - Burnu . Von dem Strandsche - Balkan , welcher sich im Allgemeinen an
der nördlichen Küste entlang zieht ,
zweigt sich östlich vom
Derkos- See ein Höhenzug nach Süden ab ; dieser tritt zwischen den Buchten Böjük- und Kutschuk - Tschek medsche ans Meer heran .
In der Richtung dieses Höhenzuges hat die Halbinsel eine
Breite von 7 Meilen , während die Entfernung von der Nordspitze der Bucht von Böjük - Tschekmedsche bis zur Südspitze des Derkos See's nicht ganz 4 Meilen beträgt, wozu dann noch die schmale Land enge zwischen dem Derkos-See und der Küste hinzugerechnet werden muss . Dieser Höhenzug, unter dem Namen der Linien von Tschek medsche bekannt, wurde bei Beginn des Orient-Krieges von Eng. lischen Ingenieur-Offizieren als beste Vertheidigungslinie für Con stantinopel ausgesucht und ist auch jetzt wieder bierfür in Aussicht Vedras Die Aehnlichkeit mit den Linien von Torres genommen . ist kaum zu verkennen .
Von Constantinopel aus führen drei Hauptverbindungs linien nach den Balkan -Pässen : die östliche oder Küstenstrasze ;
Der Kriegsschauplatz an der unteren Donau.
339
die mittlere oder die Strasze Tschathalda - Faki ; endlich die westliche oder die Strasze von Adrianopel. Die Küstenstrasze geht von der Mündung des über Midia
( 15 Meilen) ,
Iniada
(5 Meilen)
Bosporus
und Achteboli
(5 Meilen) nach Burgas (10 Meilen). Die mittlere Strasze geht , zunächst immer am Südfusze des Strandsche - Balkan entlang, von Constantinopel durch die Mitte der Tschekmedsche- Linien nach Tschathalda (6 Meilen) ; dann , die Trümmer der Anastasischen Mauer passirend , über Sarai ( 10 Meilen), Visa (3 Meilen ), nach Kirklissa ( 10 Meilen) . Hier wendet sich die bis jetzt nordwestlich ziehende Strasze scharf nach Norden
und
führt über das
Gebirge
hinüber
nach
Faki
(8 Meilen). Faki , auch Umur- Faki genannt , ist ein wichtiger Straszen knoten . Von hier aus führen Straszen :
a) durch den Pass von Böjük - Derbend nach Adrianopel ; b) nach Achte boli am Schwarzen Meere (13 Meilen) ; c) über Tirnowo nach Ini ada ( 15 Meilen) ; d) durch das Gebirge nach Karnabad ( 12 Meilen) ; e) direct nördlich nach Karapunar (4 Meilen) ; und von hier entweder nach Burgas (6 Meilen) oder nach Aidos (7 Meilen). Die westliche Strasze endlich geht von Constantinopel aus über Böjük - Tschekmedsche ( 5 Meilen) , über Silivri an der Küste (5 Meilen) nach Tschorlu ( 6 Meilen) ; bald hinter diesem Orte über den dicht bei Rodosto in das Marmora - Meer mün denden Tschorludere nach Karistan (4 Meilen) ; von hier aus am rechten Ufer des Ergene entlang, eines linken unterhalb Adrianopel mündenden Maritza - Nebenflusses ; über Luleh - Burgas ( 3 Meilen), Baba- Eskessi ( 5 Meilen) und Kuseli (4 Meilen ) nach Adria nopel (+ Meilen) . Hier auf das rechte Ufer der Trudscha hinüber und entweder im Maritza-Thale aufwärts über Philippopel nach Tatno - Bahardschik ( 30 Meilen) ; oder anfangs den vorigen Weg, die Waritza aufwärts bis Harmani ( 12 Meilen), dann nach Norden zu über Eski - Saara und Kasanlik zum Schibka- Passe ; oder am rechten Trudscha-Ufer aufwärts über Jamboli nach Sliwno und dem Passe von Demir - Kapu.
Das Französische Marine-Budget.
340
XXI .
Das Französische Marine - Budget.
Von H. von Clausewitz , Hauptmann a. D. Je seltener der Fall ist , dass von Französischer Seite ein un befangenes Urtheil über fremde, besonders aber über Deutsche Ver hältnisse abgegeben wird , desto sicherer kann man aber überzeugt sein , dass in einem solchen Falle die Arbeit auch wissenschaftlichen Werth besitzt . Dieses Axiom fand in einer Arbeit von Neuem seine Bestäti gung, welche sich die Aufgabe stellt, den Verfall der gegenwärtigen Französischen Flotte und die Ursachen dieses Verfalles zu con statiren .
Den anonymen Verfasser leitet seiner Versicherung nach
nur der patriotische Grundsatz : „ Die Erkenntniss eines Uebels ist der erste Schritt zur Besserung “ , und seine ernste, würdige Sprache, frei von jeder gebässigen Polemik , lässt diese seine Versicherung Der Aufsatz bildet den Beginn
durchaus glaubwürdig erscheinen.
des Bandes Nr. XVIII, vom 1. November 1876, der Revue des deux mondes, und stammt sicherlich aus der Feder eines erfahrenen Fran zösischen Seeoffiziers. "Zahlreiche Hinweise und Vergleiche mit den Zuständen der Deutschen und Englischen Flotte einerseits, eingehende Schilderungen des inneren Gebietes der Französischen Marine- Ver waltung andererseits , und Vieles, was sich zwischen den Zeilen, oft vielleicht gegen den Willen des Verfassers, lesen lässt , machen den Artikel interessant genug , um eine eingehende Besprechung desselben zu rechtfertigen. Der Artikel beginnt damit , als Grund der schwindenden See macht Frankreichs zwei verschiedene Einflüsse zu bezeichnen.
Einmal babe sich durch die letzten Kriege eine Ansicht Geltung verschafft, welche man als eine irrige bezeichnen müsse : dass näm lich die heutigen Kriege vorwiegend Landkriege seien,
bei welchen
der Flotte nur eine untergeordnete Rolle zufallen könne, zweitens sei eine falsche Oekonomie die Ursache , dass der Französischen Flotte die Lebensadern unterbunden werden, und zwar systematisch seit 1872.
Das Französische Marine -Budget.
341
Entschieden sind auch wir der Ansicht, dass es ein Irrthum ist, heute die Wichtigkeit einer Flotte zu unterschätzen .
Wenn die leicht
sinnige Politik und schlechte Verwaltung während des Kaiserreiches auch die Französische Flotte, der Alliance Dänemarks und der Mög lichkeit einer gewaltsamen Landung auf Deutscher Küste beraubte, so ist dies noch kein Grund, die Wirksamkeit einer besser geführten Flotte ganz in Frage zu stellen . Secundair allerdings wird heut zu Tage eine Flotte immer auf treten . Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, wo man mit 20 Kriegs schiffen und 20,000 Mann weite Länderstrecken unterwerfen und in Botmäszigkeit erhalten konnte .
Eisenbahnen und Telegraphen unter
stützen vor Allem den Vertheidiger, der seine Heimath vor dem Angriffe einer feindlichen Flotte schützen will , und die neuesten Fortschritte im Gebrauche Verschiebung Marine vor.
aller
der Torpedo's bereiten eine groszartige
modernen
Erfahrungswerthe
innerhalb
der
Man hat aber nur nöthig, die beiden letzten Kriege in Amerika aufmerksamer zu betrachten, um die Unentbehrlichkeit und Wichtig keit einer Flotte vollständig zu würdigen .
Weder den nördlichen
Staaten Amerika's würde es gelungen sein, ibrem Hasse gegen die sociale und finanzielle Ueberlegenheit der Südstaaten einen so kräfti gen Ausdruck zu geben, dass vermuthlich auf mehrere Menschenalter jene so reichen und gesegneten Länder ruinirt sind ; noch würden Brasilien und seine Verbündeten , Paraguay und seinen halb
ver
rückten, halb genialen Dictator unterworfen haben , ohne die ener gische Mitwirkung einer pflichttreuen Marine . – Wenn der Fran zösische Autor noch Lissa, Kronstadt , Sebastopol als ähnliche Bei spiele citirt , so scheinen uns diese in ihrem Werthe als Beispiele für eine gut geführte Flotte weniger unangreifbar. Interessant aber ist es , wenn wir sehen, dass der Herr Ver fasser seine Landsleute auf ein Citat der „ Norddeutschen Allgemeinen Zeitung “ verweist : der Zustand einer Flotte sei ein Gradmesser für die materielle Macht und den politischen Einfluss eines Volkes. Indem er der Ansicht ist, dass die geographische Lage Deutsch lands mit derjenigen Frankreichs in dieser Beziehung viele Analogien darbiete, spricht er die für ibn betrübende Beobachtung aus ,
dass
zur Stunde England, Deutschland , ja selbst die Türkei, Frankreich überholt hätten ,
in Bezug auf Construction und Tüchtigkeit ihrer
groszen Kriegsschiffe. Die drei ersteren Staaten seien vollständig zur Eisenconstruction übergegangen,
die in Verbindung mit der Erfindung von wasser
Das Französische Marine -Budget.
342
dichten Abtheilungen allein einigermaaszen Schutz gewähre gegen die Geschosse der modernen Artillerie, wie gegen Torpedo's ; Frank reich indessen conservire noch eine grosze Anzahl veralteter, zum Theil geradezu werthloser Holzbauten , die mühsam zurecht geflickt seien , um den Schein einer Furchtbarkeit zu wahren,
die ihnen in
der That mangelt . Bemerkenswerth und
bestätigend
für
unsere
oben
geäuszerte
Bemerkung : man müsse zwischen den Zeilen zu lesen verstehen , er scheint die hieran geknüpfte Versicherung : Fern liege es durchaus dem Verfasser, wenn er bewundernd die grosze Thätigkeit der be nachbarten Marinen hervorhebe, einem Gefühle der Eifersucht gegen nachzugeben ! Gott sei Dank, alle Rivalität zwischen England
England und Frankreich sei ja auf immer begraben „ sur les champs de bataille de la Crimée “ , todt und begraben, wie in Wirklichkeit jene Staatsmänner, welche einst jene Rivalität geschürt. Englands Ueberlegenheit zur See ist nur eine Bürgschaft für die lange Dauer seiner eigenen wohlverdienten Freiheit . Wiederum wird dann Deutschland citirt , wir vermuthen, nicht ohne einen satirischen Seitenblick auf die eigene Marine -Verwaltung, Deutschland , das fast seine Absicht erreicht habe, Europa's dritte Seemacht zu sein , begünstigt durch seinen erworbenen Reichthum, sowie
durch
die Abwesenheit
eines
schwerfälligen Verwaltungs
apparates, der eine verderbliche Friction stets ausübe. — Sind die Details richtig ,
welche der Verfasser später über die innere Ver
waltung der Französischen Marine giebt , so können wir uns seine Satire wohl erklären .
Indem der Verfasser der energischen, planvollen Arbeit unserer Marine -Verwaltung eine Anerkennung zu Theil werden lässt, welche wohlthuend zu lesen ist, entrollt er ein Bild der maritimen Verhält nisse Frankreichis, um zu zeigen , dass die reichsten Hülfsmittel wohl vorhanden, aber nicht richtig benutzt worden sind . Nach ihm ist das erste Erforderniss für eine Flotte, das nur durch lange kost spielige und mühsame Ausbildung zu erhalten, durch Nachlässigkeit und falsche Maaszregeln aber gar schnell und, für den gegebenen Moment unersetzlich ,
zu ruiniren
ist ,
ein
zahlreiches ,
erfahrenes
Offiziercorps der oberen und unteren Grade. Die Revolution von 1789 hatte ihre mörderischen Fäuste auch nach dem Offiziercorps der alten Marine ausgestreckt .
War doch
die Königliche Marine Frankreichs gerade die Domaine des wahr haft edelsten Theiles des Französischen Adels von jeher gewesen. Wer zu stolz und zu klug war, dem Sirenengesange der Hofgunst
1
Das Französische Marine- Budget.
343
zu lauschen , mit dem planmäszig die Bourbons den einst so mächti gen und kerngesunden Französischen Adel in eine geistig und ma teriell verarmte Aristokratie verwandelten , wen höhere sittliche Lebensideale erfüllten, der strebte der Marine zu.
Sie erhielt sich
auf ihrer Höhe, als Landheer und Civildienst längst verfallen waren . Nachdem die Guillotine und die Emigration die Marine ibres Offiziercorps
beraubt ,
versuchten vergeblich die republikanischen
Theoretiker durch grausame und lächerliche Edicte das Unmögliche. Wie jedem Landheere die Guillotine folgte , so wurde auf jedem Kriegsgeschwader eine solche eingeschifft, als Sporn für die neu ernannten ,
aus
der Hefe hervorgegangenen
Schiffscapitaine.
Schiffe waren vorzüglich gebaut, die Matrosen so tapfer, wie
Die fünf
Jahre früher, und doch war die Marine der Republik obnmächtig. Der Verfasser giebt ein drastisches Beispiel , um den Mangel einer verständigen Führung zu illustriren . Vor Toulon griff der republikanische Admiral Martin ein Eng lisches Kriegsschiff an, weder gröszer noch besser armirt, als das Französische Admiralschiff.
Nach einem Kampfe, in dem die Fran
zösischen Matrosen sicherlich tapfer ausgehalten haben müssen, zog sich der republikanische General mit einem Verluste von 200 Todten und Verwundeten zurück, während das, von einem erfahrenen Eng lischen Seeoffiziere geführte Englische Schiff nicht einen Mann ver loren hatte . Sieht man hier nicht,
im kleinen Maaszstabe, aber mit mikro
skopischer Schärfe, ein Spiegelbild ähnlicher Verhältnisse des Land krieges ?
Dem Vertheidiger der Volkswehr, dem tapferen Streicher
des Armee - Budgets , müsste solcher Vorgang , wenn
sie
wirkliche
Patrioten sind, zu denken geben ! Dem Kaiser Napoleon I. fehlte die Zeit ; aber durch freigebige Dotationen und zweckmäszige Einrichtungen baute
er den Grund
aus, auf welchem die späteren Regierungen in verständiger Erkennt niss der Wichtigkeit weiter bauten . Gegenwärtig besitzt Frankreich
„ noch “ ,
hebt der Verfasser
warnend hervor, ein tadelloses Offiziercorps in den oberen und unteren Graden . Die Feuerprobe bestandener Examen löscht die in Frank reich unter der oberflächlichen demokratischen Glasur in groszer Schärfe auftretenden Standesunterschiede aus. Jung genug, um mit geschmeidiger Geisteskraft zu lernen, durch schnittlich mit 27 Jabren, erreichte der Französische Offizier bis vor Kurzem eine
Stellung, welche
durch
verantwortliche Oberleitung
Das Französische Marine -Budget.
344 eines
gröszeren Schiffes Geist und
Charakter stählte
für
immer
höhere Aufgaben. Wenn es schon für die Landarmee als unabweisbarer Grundsatz feststeht, dass bei einem selbstständigen Wirken im Rahmen der Heeresverfassung die Anforderungen an einen Führer mit der Höhe seiner Stellung in geometrischer Progression wachsen, und immer mehr sein Geist und Charakter es fast allein sind, welche die Friction der Maschine überwinden, so ist dies in noch weit schärfe rem
Maasze in dem Mikrokosmos eines Kriegsschiffes der Fall. Darin beruht die enorme Wichtigkeit und, trotz aller Kosten, un abweisbare Nothwendigkeit eines zablreichen Ober- und Unteroffizier
personales für die Marine eines jeden Landes. Wer in der Französischen Marine in dieser
ersten
Stellung
Mangel an den nöthigen Eigenschaften zeigt, der erbält -.ein Kreuz bei seinem Namen in den Conduitenlisten, und sein Schicksal wird Der Verfasser meint tröstend : „ Die damit meist besiegelt sein . Zabl dieser Pariahs ist glücklicherweise sehr klein ! “ , was ein schönes Zeichen für die Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit der Fran zösischen Vorgesetzten sein würde. Für die Recrutirung
der Equipagen stehen die, nun über 200
Jahr alten , Ordonnanzen Colberts nach Ansicht des Verfassers
un
übertroffen da,
Die
auch hat man sie nur hier und da erweitert.
ganze schifffahrttreibende Küstenbevölkerung Frankreichs ist dienst pflichtig für die Flotte, nach Ableistung seiner Dienstpflicht tritt der Seemann in ein Verhältniss , ähnlich der Reserve und Seewehr des Deutschen Gesetzes ; aber – und dies ist ein wesentlicher Unter schied zu Gunsten der Französischen Flotte -- für die Familie, wie für die Person des altgewordenen Matrosen sorgt der Französische Staat ohne Weiteres . Ohne dass der Mann invalide ist, oder Cam pagnen mitgemacht hat , allein die treue Erfüllung seiner Dienst pflicht giebt ibm Aussicht auf diese Staatsbülfe. Diese Einrichtung ,
80 segensreich sie ist ,
wird sich nun wohl
in Frankreich nicht länger durchführen lassen , sie war gerechtfertigt durch die scheinbare Härte, mit welcher die Regierung die Küsten bevölkerung einer allgemeinen Wehrpflicht unterwarf , bis zum Jabre 1872 die Landbevölkerung ausgenommen
von der war.
Jetzt aber, wo nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wenigstens auf dem Papiere
allen Franzosen dieselben Pflichten
auferlegt sind - wieder wenigstens auf dem Papiere - , da liesze sich eine solche Maaszregel zu Gunsten der Flotte nicht aufrecht erhalten , ohne dem Landheere eben dasselbe zu bewilligen , was
2
Das Französische Marine-Budget.
natürlich
unmöglich ist ,
wenn man
345
unter der Fürsorge für die
Familien etwas anderes versteht, als was z . B. auch bei uns der Staat für die Familien von Wehrleuten thut , wo es sich mehr um vortibergehende Unterstützung während eines Krieges, als um eine dauernde Hülfe handelt. Wie schwierig es übrigens ist , statistische Angaben richtig zu gruppiren, bei einer so wenig seszhaften Bevölkerung , wie es das unruhige Völkchen der Küstenschiffer und Fischer in allen Ländern ist, davon giebt unser Verfasser ein lehrreiches Beispiel. Die ungefähre Kopfstärke der disponibeln Französischen See wehr wurde auf rund 110,000 Mann veranschlagt; nun fand man , dass von
1859 bis 1876 Französische Handelsschiffe weniger in Dienst gestellt wurden, oder, mit anderen Worten , die Französische Handelsflotte sich vermindert hatte um 2270 Schiffe mit 15,000 Ma trosen. Wo waren diese geblieben ? -- Der gesteigerte Ausbau des Eisenbahnnetzes hat dem Handel mit frischen Seefischen eine früher nicht gekannte Ausdehnung verlieben, in Folge dessen hat sich die Küstenfischerei sehr gehoben, und beschäftigt jene 15,000 Mann vollauf und lohnend . Wenn nun auch der Dienst auf einem Ost indienfabrer eine bessere Vorschule für die Kriegsmarine ist , als der Häringsfang oder die Makrelenfischerei, so muss eben jeder Staat mit den gegebenen Verbältnissen, als meist unabänderlichen Gröszen, rechnen . Disciplin und kaltblütige Entschlossenheit, diese Haupttugenden eines jeden Land- oder Seekriegers, lernt übrigens der Küstenschiffer und Fischer gerade eben so gut als der Orlogsfahrer. Zablreiche und meist überfüllte Marineschulen sorgen in ganz
Frankreich dafür, dass es nie an einem Stamme guter Unteroffiziere für die Flotte fehlen wird, also auch von dieser Seite ist der Fran zösischen Marine eine gedeibliche Entwickelung gesichert. So zufrieden der Verfasser mit diesem lebenden Rohmateriale der Flotte, so unzufrieden ist er mit den bestehenden Einrichtungen zur Verwerthung desselben . Er beginnt seine Kritik mit der Einrichtung des Corps der Schiffsbau -Ingenieure. Es lässt sich Nichts einwenden gegen ibre wissenschaftliche und technische Ausbildung , wobl aber gegen die Zusammensetzung des Corps . Eine Commission , le conseil des travaux “ genannt, nimmt ihnen durch endgültige Uebernahme der gebauten Schiffe alle Verantwor tung für die ausgeführte Arbeit , andererseits giebt die Zusammen setzung der conseils durch zu viele und zu alte Mitglieder ein ge
Das Französische Marine -Budget.
346
waltiges Hinderniss ab, mit der schnell fortschreitenden Entwicke lung der heutigen Zeit Schritt zu halten .
Der Tadel scheint alt zu
sein , denn als Beispiel wird angeführt, wie seiner Zeit , durch eine Art Cabale, das Interregnum Guizot’s als Minister benutzend, Dupuy de Lome, die Erlaubniss zum Baue des ersten Dampfbootes sich er kämpfen musste , ohne dass seinem Verlangen, den Bau in
Eisen
auszuführen , nachgegeben wurde. Statt dessen wird verlangt,
volle Verantwortlichkeit des
genieurs für das von ihm erbaute Schiff,
In
Beseitigung des schwer
fälligen Apparates einer Commission, statt ihrer wird ein , comptroller of the navy “ nach Englischem Muster gewünscht. Endlich wird ver langt, dass dem Corps der Schiffs - Ingenieure die Last der Rechnungs legung abgenommen und besonderen Beamten
zugewiesen werde,
damit nicht werthvolle geistige Kräfte in diesem ermüdeuden, mecba nischen Rechnungsführerwesen aufgerieben würden . Den Hauptübelstand aber, an dem alle Einrichtungen der Fran zösischen Marine kranken, ist im Gegensatze zu allen anderen Fran zösischen Einrichtungen die allzugrosze Decentralisation . Fünf grosze Arsenale, Cherbourg , Brest, Toulon , Lorient, Roche fort , werden unterstützt von vier kleineren ,
Indret, la Chaussade,
Nevers, Ruelle. Das scheint allerdings zu viel des Segens , und muss zu einer Zersplitterung und theilweisen Vergeudung der vor handenen Mittel führen. Bei Erwähnung der Fabriken zur Her stellung des Marine - Artillerie - Materials sagt der Verfasser bitter, aber meiner Ansicht nach nicht ganz mit Recht : In England , wo man der Ansicht ist , dass eine Kanone eine Kanone, eine Granate eine Granate ist , gehen alle Geschütze und Geschosse aus dem Ar senale von Woolwich hervor ;
in Frankreich ,
wo man nie
davor
zurückschreckt, das Räderwerk der Verwaltung durch Creirung neuer Stellen zu vermehren, hat man für die Armee und Marine gesonderte Corps von Artillerie -Offizieren , und in Folge dessen lang same Arbeit, und bleibt gegen die anderen Staaten zurück . Nun ist es aber keinesweges richtig , dass England sein Ar tillerie- Material nur in Woolwich herstellen lässt , ebenso wenig hat Deutschland sich auf eine Gieszerei beschränkt; beide Staaten aber verstehen es , trotz der räumlichen und sehr segensreichen Theilung der Arbeit ,
eine straffe, einheitliche Leitung aufrecht zu erhalten.
Darin liegt wohl das Geheimniss des Erfolges. So etwas Aehnliches will der Verfasser wohl andeuten , der sich ganz klar darüber zu sein scheint, dass der unbotmäszige Un gehorsam, die Sucht zur Indisciplin, wie sie in den höchsten Stellen
Das Französische Marine- Budget.
347
der Französischen Armee im letzten Kriege ebenso scharf in ihrer Weise hervortrat , als bei dem gemeinen Manne, dass diese unheil volle Saat der revolutionairen Principien das gröszte Hinderniss für eine Regeneration der Wehrkraft Frankreichs bildet , wenn er trauernd ausruft : 99„ Die Gründe dieser traurigen Situation sind verschiedene, die einen datiren von weit her und sind eine Folge unseres Volks charakters , unserer administrativen Gewohnheiten, der politischen und socialen Strömung, welche uns ergriffen hat, so wie der daraus entspringenden
Schattenseiten
(vices )
unserer
Organisation ;
die
anderen datiren von 1870 und bestehen in der systematischen Ver kürzung der für die Marine bestimmten Geldmittel , und in der Art und Weise, wie diese Geldmittel vertheilt worden sind.
Wir wollen
die eine wie die andere Art von Uebeln genau untersuchen ! " Die Resultate , zu denen der Verfasser auf Grund von entschieden amtlichen Daten und Nachweisen gelangt ,
sind allerdings
über
raschend und werfen ein ganz eigenthümliches Licht auf die heute noch in vielen Kreisen bestehende Mythe von
dem „ furchtbaren
Reichthume" Frankreichs, von der Leichtigkeit, mit der es spielend fünf Milliarden gezahlt und eben so viel indirect eingebüszt hat. Diese Thatsachen geben aber auch zu denken , und zu danken der Preuszischen Regierung , dass sie, unbeirrt durch nör gelndes Tadeln und mit Unwissenheit verbundener Anmaaszung, mit fester Hand auf die einmal in Angriff genommenen Ziele bei Er weiterung unserer Marine zusteuerte, und sie heute, selbst nach dem Zeugnisse Französischer Seeleute, glücklich erreicht hat . Während nämlich in der Dekade von 1860 bis 1870, welche für die Flotte im Frieden verlief, das jährliche Budget für Marine und Colonien sich auf 210 Millionen Francs durchschnittlich stellt, sinkt es während des Jahres 1872 auf 142 Millionen, steigt dann für die Jahre 1872 bis 1876 auf 162 Millionen durchschnittlich, so dass sich gegen die frühere Zeit ein Ausfall von 50 Millionen jährlich zeigt. Auf diese Weise hat man der Marine in den letzten vier Jahren, gering gerechnet, 200 Millionen entzogen . Hierzu kommt aber noch', dass im Jahre 1870 alle Magazine gefüllt waren, dass Vorräthe aller Art, für friedliche Verhältnisse auf mehrere Jahre reichend, in den neun Ausrüstungshäfen vorhanden waren. Alle diese Vorräthe sind verbraucht , denn die Noth des Krieges zwang auch die Land- Armee, so gut es ging, sich mit diesen Vorräthen der Marine auszurüsten . „ Nichts davon ist bis heute ersetzt !"
Das Französische Marine-Budget.
348
Dieser Verlust wird ebenfalls mit 60 Millionen berechnet. Auszerdem aber sind die Ausgaben für die Colonien, welche das Marine - Budget ebenfalls zu tragen hat, und welche auf 35 Millionen normirt waren, in Wirklichkeit auf 44 Millionen gestiegen,
welches
Deficit von 9 Millionen ebenfalls die Marine zu tragen hat. Man sieht, es ist, gering gerechnet, eine Summe von 269 Millionen Francs , welche man der Marine entzogen hat . Um aber diese Schwächung des Französischen Marine - Budgets ganz zu würdigen , muss man erwägen , dass dieser Verlust an Geld mitteln in eine Zeit der Geldkrisis gefallen ist , welche den Werth des Baargeldes erheblich gegen früher vermindert ,
alle Preise für
Lebensmittel , Handarbeit und Rohmaterial in die Höhe geschnellt hat, so dass England sein Budget - lediglich die Flotte betreffend, ohne Colonien – auf 280 Millionen Francs jährlich gesteigert hat. Originell genug , aber sicherlich ganz richtig und vollständig dem
Französischen
schluss , welchen kommt das ? "
Nationalcharakter der
Verfasser
„ Die Marine Frankreichs
ist
entsprechend ,
auf die
Frage
ein Opfer
ist
der Auf her giebt : „ Wo
ihrer eigenen
Voll
kommenheit“, so ungefähr drückt er sich mit einer ächt Französi schen Hyperbel aus.
Da sich nach dem Kriege die Nothwendigkeit von Ersparnissen zu dringend herausstellte, um diese laute Stimme der Nothwendig keit zu überhören, so sah man sich nach dem Factor der Staats finanzen um, welcher am ehesten dies ertragen könne. Eine Re duction der Armee verbot die ohnehin aufs furchtbarste gereizte Selbstliebe der eitlen , hochfahrenden Nation , an der Civilverwaltung wagte man nicht zu sparen, um keine Unzufriedenen zu schaffen, denn bei dem Geldbeutel scheint auch die Gemüthlichkeit dem Fran zosen abhanden zu kommen , und so fiel denn die Marine als Opfer der an und für sich lobenswerthen Sparsamkeit. Wenn der Französische Verfasser sagt : „ Während des Krieges hatte die Marine Alles geleistet , was man von ihr erwartet“, so ist das ein Bischen viel, aber als gemüthlicher Deutscher wollen wir hier die Sache nicht so genau nehmen . Wenn er fortfährt: „ In der Zeit des öffentlichen Unglückes sind es vor Allem die Mannschaften der Marine gewesen ,
welche den
Landtruppen ein Musterbild der Tapferkeit und besonders der Dis ciplin waren ," so geben wir ihm darin ohne Bedenken und aus eigener Erfahrung Recht.
Das Französische Marine -Budget.
349
Dies von allen Seiten anerkannte, wackere Benehmen der Fran zösischen Matrosen und Marinesoldaten
machte die Marine aller
dings sebr populair, aber, sagt der Verfasser, das war gerade ihr Unglück . „ Die Marine ist vollkommen, so wie sie ist , sie braucht weiter Nichts. Sie wird stets auf dem Platze sein . Wir können ihr noch ein Opfer abverlangen , sie ist ja ohnedies reich genug. " So schildert der erfahrene Französische Patriot die öffentliche Stimme seines Vaterlandes im Jahre 1872, und der Erfolg war, dass für die eigentlichen Marinebedürfnisse 106 Millionen angesetzt wurden. Aber wenn dies Geld auch nur richtig angewendet wäre, meint der Verfasser,
wenn es nur zur Ergänzung und Neubeschaffung der
wichtigsten Streitmittel verwendet wäre ; aber dieser einfachen Ver wendung scheint die sebr complicirte Verwaltung unüberwindliche Hindernisse bis zu dieser Stunde entgegenzusetzen . So vertheilt sich der Strom des Geldes
in unzählige kleine
Canäle, bis er schlieszlich fast im Sande verläuft.
Der Verfasser
will damit nicht etwa die Verwaltungsbeamten der Unredlichkeit be schuldigen ; wie wir weiter unten sehen werden, liegt der Fehler eben in der Organisation. Zunächst weist der Verfasser nach , auf welche Weise man es angefangen hat, der Marine jährlich 50 Millionen Francs an ihrem Budget zu streichen . Dies Capitel ist interessant und lehrreich, be sonders für Budgetstreicher und Solche, die es werden wollen. angestammter Gutmüthigkeit wollen wir es daher mittheilen .
Aus
Die Flotte im engeren Sinne besteht in jedem Jahre aus den in Dienst gestellten Fahrzeugen und den Arsenalen . – Man be gann also damit , die Anzahl der in Dienst gestellten Schiffe zu verringern .
Nichts ist einfacher, die Equipagen werden entlassen,
jubelnd ziehen die Matrosen ihrer Heimath zu .
Sold ,
Ausrüstung ,
Ernährung der Mannschaften, Kohlen, Ausbesserungen ( bei Panzer flotten der Krebsschaden ), Alles wird „ gespart “ . In der That ist die Ersparniss grosz, unmittelbar ; und fürs Erste ist Niemand, der darunter leidet.
Den Wenigen, welche unter den
Marineoffizieren oder höheren Staatsdienern weiter blicken , schlieszt die Disciplin oder „ höhere Rücksicht “ den Mund. So hat man denn auch in Frankreich eine grosze Anzahl Schiffe auszer Dienst gestellt, ohne sie zu ersetzen . Schon aber zeigt sich der unheilvolle Einfluss dieser leichtsinnig angeordneten Maaszregel. In Folge derselben wird gerade den älteren Lieutenants zur Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 24
Das Französische Marine -Budget.
350
See die Gelegenheit und Zeit, sich zu wirklich brauchbaren Capitains auszubilden, erheblich verkürzt. Durch das jetzt noch ungehinderte Avancement der unteren Chargen ist eine Ueberfüllung eingetreten , in Folge dessen diese Klasse von Offizieren , auf deren
gediegener Ausbildung die
künftige Entwickelung der Flotte beruht ,
zu
von sechs Jahren
vier am Lande zubringt ! Noch trauriger sieht es selbstverständlich in den oberen Regionen der Flottenoffiziere aus . Nach einem in Frankreich bestehenden Gesetze kann ein Capitain erst avanciren, wenn er mebrere Jahre lang ein Schiff auf See geführt. Während aber unter dem Kaiserreiche, im Jahre 1864, zur Zeit der Expedition nach Mexico , 275 solche Commandeurstellen in Thätig keit waren, zeigt das Jahr 1876 nur 115. Ein Commentar ist für Jeden , der sich darüber klar ist, wie Stellung und überflüssig
Avancement
in
umgekehrtem
Verhältnisse
stehen ,
Vergeblich hat man versucht, ein Correlatif für diese Zustände zu schaffen, indem man einen Theil der Cadres auf den Aussterbe Etat setzte,
und
verfügte,
dass
erst auf fünf Vacanzen
höheren Stellen ein Avancement stattfinden sollte .
in den
Die Dosis ist zu
homöopathisch . In England und anderen Ländern hat man unter ähnlichen Ver hältnissen ein anderes Auskunftsmittel ergriffen, das sich besser be währt hat .
Man hat den Offizieren, welche den Abschied nehmen
wollten, die Pension des nächst höheren Dienstgrades zugesichert, so dass z . B. der Corvettencapitain mit Contreadmiralspension ent lassen worden ist.
In Frankreich hat man zu diesem Mittel nicht greifen mögen oder können ; es scheint eine Camarilla zu existiren, welche sich da gegen stemmt. Statt dessen beklagt sich der Verfasser bitter, dass man die Dauer der Uebungsfahrten und Commando's abgekürzt habe, was nur zu sehr dabin führe , den Werth der Mannschaften wie des
42
Offiziercorps zu verringern, das letztere überdies einem ungeregelten Leben und der Schuldenmacherei aussetze . „ Was würde aus einem Infanterie - Regimente werden ,
das
alljährlich seinen Commandeur
wechselte ? “ fragt der Verfasser, wie uns bedünken will, sebr richtig. Erklärlich ist es ,
wenn diese Vorgänge im Offiziercorps der
Marine eine Erbitterung hervorrufen ,
welche sie dazu bringt , mit
allen Kräften auf ihre jüngeren Verwandten und Bekannten
ein
w
Das Französische Marine- Budget.
351
zuwirken, dass sie einer Carrière fern bleiben, oder sie jung ver lassen, welche sich so aussichtslos gestaltet. Frankreich besasz im Jahre 1876 Schiffslieutenants 742, davon waren auf See 278. England besasz im Jahre waren auf See 548 .
1876 Schiffslieutenants 748 , davon
Frankreich besasz im Jahre 1876 Schiffscapitains 110 , davon waren auf See 29. England besasz waren auf See 97.
im
Jahre
1876
Schiffscapitains
194 ,
davon
Eine fernere Klage des Verfassers besteht darin, dass man in Frankreich nicht, auszer den Panzerschiffen, Uebungsgeschwader von anderen Kriegsschiffen hält.
Auf dem Panzerschiffe lässt, der groszen
Verantwortlichkeit wegen, der Capitain das Commando keinen Augen blick aus der Hand , es ist also den ersten Lieutenants unmöglich, jene Routine der Erfahrung sich zu erwerben, welche nur die eigene Verantwortlichkeit bei Uebernahme eines Commando's geben kann. Wenn dies die Wirkungen auf die Entwickelung
der Flotte
sind, welche eine Verminderung der Indienststellung über die natur gemäszen Verhältnisse zur Folge hat , so sind die Folgen einer zu weit getriebenen Sparsamkeit bei den Arsenalen nicht segensreicher . Wir haben oben erwähnt, dass neun verschiedene Arsenale in Frankreich existiren, jedes dieser Arsenale zerfällt in drei von ein ander unabhängige und leider sehr selbstständige Verwaltungszweige, die sich nicht nur stellenweise,
sondern meistens
wie Hund und
Katze vertragen, natürlich immer unter der Devise : pro republica est, dum ludere videmur ! Hoffen wir, dass so etwas bei uns nicht vorkommt" . Diese drei Behörden sind gewidmet :
1) dem allgemeinen Ver
waltungsbetriebe, 2) den Arbeitern, 3) den Vorräthen der Ausrüstung . Diese neun Arsenale mit ihren 27 Behörden, die sich wieder in eine Legion von Unterbehörden mit einer Armee von 33,000 Nicht combattanten theilen , von denen 21,000 Arbeiter sind (während Eng land nur 16,000 besoldet) , welche 3000 Offiziere und 5000 Civil beamte verbrauchen, diesen ganzen kostspieligen, schwerfälligen und nicht zweckentsprechenden Apparat vergleicht der Verfasser nicht uneben mit einem Flussdelta, in dessen tausend Armen der Pactolus des Budgets zerrinnt ohne nennenswerthe Resultate . Er wirft der Regierung vor, dass sie sich gefürchtet habe, dem alten Herkommen zu rütteln ,
und aus Rücksichten
an
auf die
politischen Wahlen es unterlassen habe, die allgemeine Umwälzung 24*
352
Das Französische Marine -Budget.
aller Verhältnisse im Jahre 1871 dazu zu benutzen, der Marine eine einfach
arbeitende ,
aber schneller schaffende
Verwaltungbehörde
zu geben . Er citirt das Beispiel Englands, welches bei einer ähnlichen Reduction seiner Arsenale einen Theil seiner überflüssigen Arbeiter auf Staatskosten in Canada ansiedelte, und scheint für die Französi schen Ouvriers Ländereien in Algier zu ähnlichem Behufe ius Auge gefasst zu haben . Wir
wollen beiläufig den Französischen Arbeitern dann mehr
Glück wünschen, als die unglücklichen Elsass - Lothringischen Optanten ibrer Zeit in Algier fanden . Auch yerhehlt sich der Verfasser nicht, welche Schwierigkeiten die Sache haben würde, bei der complicirten Verwaltungshierarchie, welche jedes dieser Französischen Arsenale umschlieszt. Dieses Personal besteht nämlich aus :
1 ) Marine - Präfect mit
Generalstab und Bureau ; 2) Major - General mit Generalstab und Bureau , 3 ) Major von der Flotte mit Bureau ; 4 ) Hafen- Director mit Generalstab und Bureau ; 5 ) Commandant der Division mit General stab und Bureau ;
6 ) Director der Artillerie mit Generalstab und
Bureau ; 7 ) Schiffsbau - Ingenieurcorps ; 8 ). Personal -Verwaltung der Betriebsdirection (direction des travaux) ; 9) Director der hydrauli schen Arbeiten ; 11 ) Director des
10) Beamte des Arbeitsdienstes (manutention) ; Gesundheitsamt; Gesundheitsamtes 12) Au
ditoriat ; 13 ) Geistlichkeit ; intendanturen etc. etc.
14)
Generalintendantur ;
15 )
Special
Da erscheint denn allerdings der Wunsch nach Vereinfachung erklärlich, denn man muss sich erinnern , dass diese ganze Gesell schaft, mit Neun multiplicirt , immer erst die locale Verwaltung ergiebt ! Da die Französische Regierung sich nicht entschlieszen konnte, aus welchen Gründen , kann hier gleichgültig sein , – an diesen alt hergebrachten Institutionen zu rütteln, so blieb ihr nichts übrig, als mit dem
Rohmateriale
zum
Schiffsbaue und zur Ausrüstung der
Flotte zu kargen , wenn sie durchaus Ersparnisse auf diesem Ge biete machen wollte. Dies scheint denn auch redlich geschehen zu sein ; der Verfasser bricht wenigstens in die Klage aus , dass es wahrlich für Frankreich besser gewesen wäre, die Hälfte seiner Schiffe wären vom Feinde in den Grund gebohrt , dann wäre man doch gezwungen gewesen , neue brauchbare Fahrzeuge zu bauen , für zum Theil veraltete, un brauchbare Kasten , die man jetzt conservire zum Schaden und ver
Das Französische Marine-Budget.
353
derblicher Selbsttäuschung des Landes . Allerdings seien Ersparnisse gemacht, der Schein einer väterlich sorgfältigen Staatshaushaltung behufs der Wahlen sei glücklich gesichert , der gesunden Fortent wickelung der Französischen Marine aber sei auf lange hinaus die Da man zu wenig Rohmaterial anschafft , kann man trotz des Arbeiter- und Beamtentrosses nur
Lebensader unterbunden worden.
wenig produciren, und da dies Wenige einem alten Gebrauche ge mäsz , der fast Gesetzeskraft besitzt , gleichmäszig nach bestimmtem Verhältnisse an die verschiedenen Arsenale vertheilt wird , so sind die Resultate nichts weniger als gleichmäszig. · Diese Einrichtung stammt noch aus einer Zeit , wo ein Schiff um so besser war, je länger sein Bauholz im Arsenale lufttrocken geworden war.
Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage, Weh' dir, dass du ein Enkel bist ! würde unser Franzose citiren , Gounod's
wenn er einen anderen Faust , als
Margarethe" ihn darbietet, kennte.
Es ist erklärlich, wenn alle diese Uebelstände sich um so greller zeigen , je schneller sich die Erfindungen im Reiche der Marine folgen.
Der zweifelhafte Nutzen , durch die träge Reibung eines
verrosteten Bureauapparates vielleicht der Kosten überhoben zu sein, die eine unzweckmäszige Neuerung verschlungen hätte, wird doch zu theuer erkauft , mit der Wahrscheinlichkeit, am Tage der Schlacht zu unterliegen, wenn der Gegner besser gerüstet war. Die der Lösung harrenden Fragen auf dem Gebiete der Marine, vor Allem der Kampf zwischen dem unterseeischen Torpedo und dem Panzerschiffe mit luftdichtem Kammersysteme, können nur auf dem Wege kostspieliger Experimente gelöst werden. Dies aber hat die Französische Regierung durch die Beibehal tung der fünf groszen und vier kleinen Arsenale, durch die Gleich berechtigung derselben bei Vertheilung des Budgets, durch die selbstständige Placirung
der
einzelnen Verwaltungszweige ,
zu
kurz
durch die zu weit getriebene Decentralisation sich selbst unmöglich gemacht. Der Verfasser erhebt daher laut seine warnende Stimme, dass es die höchste Zeit sei, den betretenen Weg zu verlassen . Während andere Nationen, ruft er aus, Schiffe construiren, wie den Duilio, den Inflexible, die Deutschland, während ihre Minenboote (torpilles entre deux eaux) mit einer Geschwindigkeit von 39 Kilo meter per Stunde das Meer durchfurchen, construirt Frankreich in aller Seelenruhe in fünf verschiedenen Arsenalen fünf Schiffe nach
Das Französische Marine -Budget.
354
ein und demselben Modelle, und wenn sie fertig sind , taugen sie alle fünf nichts.
Wir haben das schon erlebt.
Während Engländer, Deutsche und sogar die Türken darnach streben , schnell in den Besitz der neuesten Panzermodelle zu kommen, und zweckmäszig dazu ihre Wege und Mittel wäblen, arbeiten wir immer im alten Schlendrian weiter. Bei uns ist man froh, wenn nur die Mühle klappert, Jene aber fordern energisch Mehl. Diese figür liche Redensart illustrirt er sofort, indem er die Regierung anklagt, man kann es nicht anders nennen, eine Anzahl unbrauchbarer alter Kriegsschiffe mit Mühe und Kosten nur deshalb zu reserviren , um sie in Zeiten , wie die gegenwärtigen, von den Staatsarbeitern müb sam Stück für Stück auseinander nebmen zu lassen, und das aus dem Grunde, weil man sich auf Kosten des Marine- Budgets bei der Deshalb conservirt man diese Bevölkerung beliebt machen will .
» carcasses“ , wie der Verfasser sich „ mit urkräftigem Bebagen “ aus drückt, anstatt sie auf den Abbruch zu verkaufen, wie es allerdings rationeller sein würde . Dabei verwabrt sich der Verfasser ausdrücklich gegen die In sinuation, dass ihn die Feindseligkeit gegen eine bestimmte Behörde oder Person zu dieser offenen Darlegung so peinlicher Verhältnisse bewege .
Der Grund zu diesen faulen Verbältnissen liegt viel tiefer: weder diese noch jene Administration kann dafür, sondern es ist bei
uns ein eingewurzeltes Uebel , derartige Leute knauserig zu bezahlen, und ihnen dann Vorrechte zu geben, die sie uns sehr lästig werden lassen . Diese tiefer liegenden Verhältnisse aber sind gerade für uns, wenn auch aus anderen Gesichtspunkten, interessant, deshalb heben wir sie hervor. Während in England und Deutschland der Staat sich durch hohe Löhne und gute Verpflegung Arbeiter zu verschaffen sucht, die Zahl der lebenslang Angestellten in seinen Werkstätten auf ein Minimum beschränkt, verfährt Frankreich gerade umgekehrt. Dort sind die Arbeiter der Marine-Werkstätten jämmerlich be zahlt, aber von allem Militairdienste befreit, während sie doch wieder nach einer Reihe von Jahren in den Genuss der Invaliden - Pension Auszerdem werden diese festgeschlossenen Corporationen treten . häufig zu politischen Wahlzwecken gemissbraucht, so dass der Unter schied zwischen ihnen und den berüchtigten National-Werkstätten nicht sehr grosz erscheint. Dass die übertriebene Beamtenmenge nur schädlich wirken kann, bedarf kaum eines Beweises, indessen ist es doch interessant , den
Das Französische Marine-Budget.
Vergleich z. B. zwischen Toulon und Portsmouth zu machen , leider feblen uns die entsprechenden Daten für Kiel oder Danzig. In Toulon sind angestellt 694 Marine- Beamte, welche wirklich
111
1
355
Offiziere sind oder Offizierrang haben, 451 davon gehören dem Rech nungswesen an ; in Portsmouth, was mindestens die doppelte Arbeit von Toulon leistet, sind 240 Beamte im Offizierrang, davon gehören 103 dem Rechnungsfache an.
Ein Englischer Marine- Beamter macht
also die Arbeit von neun französischen .
1 Der Verfasser droht schlieszlich mit dem Schicksale Spaniens, dessen prachtvolle Arsenale leer stehen . Auster ist todt.
Die Schale ist da , die
Es ist das eine charakteristische Eigenthümlichkeit des Franzosen, wenn er einsieht , dass Vieles , faul im Staate Dänemark “ , dann tröstet er sich damit : „ Aber so weit wie die Spanier sind wir doch noch nicht herunter “ . Fast dieselben Worte , sicher aber denselben Sinn , konnte man im Jahre 1870/71 von den Männern der verschie densten Parteien und Bildungsstufen hören , ausgenommen natürlich von dem einfältigen Chauvin , der „ nie besiegt war “ , eine Race, die übrigens weit mebr unter den Zeitungsschreibern Frankreichs , als unter seinen Edelleuten und Bürgern vertreten ist. Endlich giebt unser Verfasser vier verschiedene Heilmittel an, um Frankreichs Marine aus ihrer gegenwärtigen schlimmen Lage zu befreien . Als erstes Remedium
nennt
er die Vereinigung der Offizier
Cadres in der oben erwähnten Weise durch günstige Pensions-Aner bieten .
Indem er aber diese Frage auf das Gebiet der überflüssigen
Beamten und Arbeiter als zweites , ebenso nothwendiges Mittel über trägt, sieht er aus der allgemeinen inneren politischen Lage seines Vaterlandes so enorme Schwierigkeiten hervorgehen , dass er, so zu sagen , nur anstandshalber nicht verzweifelt. Es ist eine furchtbare Saat aus jener ersten vielgepriesenen Revolution für das Französische Volk hervorgegangen, und inniger Dank kann jeden wahren Patrioten nur erfüllen , wenn er der festen Hand gedenkt , die sein Vaterland schützte , eine Beute der Epigonen jener Zeit zu werden .
9Wo soll bei uns der feste Wille herkommen, “ ruft der Franzö sische Patriot zürnend aus , welcher unweigerlich dazu gehört , ein 80 schwieriges Werk zum Ende zu führen . Etwa aus dem Marine Ministerium in Paris ?
Sicherlich dürfen wir daselbst die nöthige
Intelligenz voraussetzen , auch
hinreichende
Autorität
wird dieser
Centralstelle innewohnen , denn seit bei uns der Regierungswechsel eine chronische Krankheit geworden ist , schöpfen unsere obersten
Das Französische Marine-Budget.
356
Verwaltungs-Behörden aus der Unveränderlichkeit, mit der sie alle die Revolutionen überleben, eine Kraft, die täglich mehr sich festigt.“ (Wir fürchten, dass hierin mehr Phrase als Wahrheit steckt.) , Wollen aber und Können ist zweierlei, und es ist sehr fraglich, ob man bei dem Marine - Ministerium auch den Willen voraussetzen darf, eine Umwälzung zu inauguriren, welche seine eigene langjährige, liebge wordene Geschäftsroutine über den Haufen werfen würde !“ Auch hier geben wir dem Französischen Patrioten Recht und erinnern uns lebhaft der Kämpfe und des Widerstandes, den bei uns ihrer Zeit Zündnadel und gezogene Kanone fanden . Dem Französischen Marine Minister aber tritt noch eine andere Schwierigkeit entgegen , das ist der Personenwechsel, der , oft aus den
nichtigsten und unreinsten Parteibestrebungen der politischen
Coterien hervorgehend, die tüchtigsten Fachmänner ibres Amtes ent hebt, ehe ihre Thätigkeit nur begonnen. Es ist dies ebenfalls eine der schönsten Segnungen des liberalen Parlamentarismus, der wir als gute Deutsche die gedeihlichste Fort entwickelung da drüben von Herzen wünschen .
Unser Franzose ist höflicher als wir, und drückt seine Hoffnungs losigkeit nur ganz verblümt aus, er hofft: der Patriotismus kundiger Abgeordneter werde eine Commission ernennen, deren Arbeiten zwar nicht gleich , aber allmälig alle seine angestrebtep Verbesserungen für Frankreichs Marine „ einleiten " würden . „ Sonderbarer Schwärmer “ nennt König Philipp seinen Marquis Posa wegen weit weniger merkwürdiger Hoffnungen. Als dritte, unweigerliche Bedingung , wenn die Dinge sich zum Besseren
wenden sollen ,
verlangt der Verfasser
eine bei weitem
stärkere Anschaffung von Rohmaterial , denn selbst bei bedeutenden Anstrengungen würde es nicht gelingen, die Lücke, welche der Krieg und die seit vier Jahren herrschende Unthätigkeit gerissen haben, aus zufüllen , besonders gegenüber der fortwährend gesteigerten Thätig keit der anderen Seemächte. Schlieszlich findet sich , als letztes und allerwichtigstes Mittel ein höheres Budget. zur Verbesserung der Marine, genannt Damit hätten wir nun nach unserem Geschmacke unsere For derungen eröffnet. Man hat, wie gesagt, für das Jahr 1876 der Marine 146 Millionen bewilligt ; jetzt, wo der Leser, wie wir hoffen, ein deutliches Bild hat von der riesigen Verwaltungsmaschine, nebst der aus ihr nothwendig folgenden Zersplitterung der Mittel und Kräfte , wird es klar sein, dass dies nicht viel ist.
Das Französische Marine-Budget.
357
Wenn ferner für das Jahr 1877 die Indienststellung von fünf Schiffen mehr als bisher in Aussicht genommen ist , so kann man dem Verfasser nur Recht geben, wenn er sagt: „ Das ist zwar Etwas, aber nicht genug !" Da es Frankreich durchaus unmöglich ist, in diesem Augenblicke für das enorme Opfer von mehr als 200 Millionen Francs, welches sie seit dem Kriege hat bringen müssen,
die Marine zu entschädigen
80 schlägt der Verfasser ein anderes Mittel vor , um für die Marine mebr Geld flüssig zu machen , ohne den Credit des Landes noch mehr zu belasten . Er empfiehlt, Truppen und Flotten aus den Colonien
zurückzu
rufen und dieselben dem Schutze ihrer Bewohner zu überlassen .
Die
Colonien empfänden diesen Schutz als ein Joch , trügen ihn wider willig , und er koste dem Staate über 40 Millionen jährlich , ohne irgend Nutzen zu gewähren. Diese 40 Millionen
der Marine zugewendet , würden bessere
Zinsen tragen und dem Vaterlande am Tage der Noth entschieden zu Gute kommen . Der Verfasser schlieszt mit den Worten :
würdigen
und
patriotischen
„ Ist übrigens der Moment nicht gut gewählt ? Dank dem Volke Frankreichs , das jedes Mal , wenn die Geiszel der Fremdherrschaft über sein armes Vaterland dahingebraust ist , und es verheert und gemisshandelt zurückgelassen , dieses Vaterland wieder aufgerichtet und neu gekräftigt hat durch seine geduldige, fleiszige Arbeit ; Dank der Vorsehung, die uns reiche Ernten gegeben, sind unsere Geldmittel reichlich vorhanden , unser Credit wieder schnell kräftig. Der gesunde Sinn des Volkes leiht den trügerischen Phrasen der Parteien nur ein halbes Ohr, denn er ist mit ernster Arbeit , mit dem Wiederauf baue der Heimath beschäftigt, und er weisz : die Regierung hat weder den Willen , noch die Macht , das Land in äuszere Zwistigkeiten zu verwickeln . - Daher herrscht tiefer Frieden im Lande und in Folge dessen eine fast beispiellose Entwickelung des allgemeinen Wohlstandes . Aus diesem Horne des Ueberflusses verlangen wir ein wenig für unsere Marine .
Möge diese Bitte offene
Herzen finden , es bedarf dessen wahrlich !“ Wir schlieszen biermit die Besprechung dieses Artikels, der ein bemerkenswerthes Bild der Situation der Französischen Zustände, nicht nur für die Flotte zu geben geeignet ist.
358
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
XXII .
Ueber
die
Verwendung
motiven
im
von
Straszen - Loco
Kriege.
Aus dem Italienischen übersetzt von
Schmidt, Pomm im Premierlieutenant erschen Fusz-Artillerie -Regiment Nr . 2. Die Ereignisse des Krieges
1870/71 haben auf allen Gebieten
militairischen Wissens Gelegenheit gegeben , reiche Erfahrungen zu sammeln . Auf Grund derselben sind neue Verordnungen und Be stimmungen erlassen worden, insoweit die bestehenden sich nicht als zweckmäszig erwiesen haben .
So hat man unter Anderem auch den
in diesem Kriege zum ersten Male zur Verwendung gekommenen Kriegsmitteln, wie Brieftauben, Luftballons, ja sogar der Flugmaschine besondere Aufmerksamkeit geschenkt . Um so auffallender erscheint es , dass in der Militair -Literatur bisher noch so auszerordentlich wenig über den Werth und die Vor theile der Straszen - Locomotiven für eine operirende Armee resp. für deren Verbindungen veröffentlicht worden ist, wiewohl auch auf diesem Gebiete des militairischen Transportwesens, besonders während der Belagerung von Paris, Erfahrungen gesammelt worden sind. In Italien scheint man dieser ersten Anwendung von Straszen Locomotiven, die damals hauptsächlich nur zum Transporte von Eisen munition nach dem Belagerungsparke benutzt wurden, eine gröszere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben ; denn bald nach dem Kriege wurden auf höheren Befehl Versuche angeordnet und diese drei Jahre hintereinander fortgesetzt, so dass dieselben nunmehr zu einem ge wissen Abschlusse gelangt sind . Die Schwierigkeit der schnellen Beschaffung einer genügenden Anzahl von Pferden bei Mobilmachung des Italienischen Heeres aus dem Lande selbst ist wohl zweifelsohne die Hauptveranlassung ge wesen, diesem Gegenstande eine gröszere Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bisher in anderen Ländern geschehen ist.
Nichtsdestoweniger
aber dürfte die zukünftige Bedeutung der Straszen - Locomotiven doch auch für ein an Pferden reiches Land immerhin wesentlich genug sein, um diesem neueren Transportmittel eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken .
359
Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege.
Wenn die schnellen Bewegungen gröszerer Heeresmassen in den ersten Stadien des Krieges auch vielleicht keine Nutzbarmachung dieser Erfindung gestatten, so können gut construirte Straszen -Loco motiven im Rücken der Armeen für Verpflegung und Munitionsersatz , sowie an solchen Stellen , wo der Krieg sich localisirt , also bei Be lagerung von Festungen , in der Zukunft doch sicherlich grosze Be deutung erlangen. Es
erscheint daher
nicht
uninteressant, die Ansichten
eines
Italienischen Offiziers , welcher sich längere Zeit mit diesem Gegen stande beschäftigt hat, zu bören, und wenn die von ihm angestellten Berechnungen auch nur auf Italienische Heeresverhältnisse passen, so lassen sich dieselben doch leicht auf andere übertragen .
Nachdem der Herr Verfasser in einer allgemein gehaltenen Vor rede den Werth der Straszen - Locomotiven für die Armee und ihre Bedürfnisse geschildert hat , geht er dazu über , nachzuweisen , dass mit ihrer Einführung auch eine gleichzeitige Verminderung der Aus gaben eintreten werde, da eine einzige gut construirte Maschine eine nicht unbedeutende Anzabl von Pferden zu ersetzen im Stande ist. Wenn nun auch die Kohlenpreise in den letzten Jahren bedeutend gestiegen sind , so würden doch die Kosten für die Pferdebeschaffung und die Erhaltung derselben immerhin noch gröszer sein , als die für die nothwendigen Kohlen . Abgesehen hiervon würden aber die einer Armee folgenden Train - Colonnen bedeutend vermindert , besser über wacht und durch geringere Kräfte beschützt werden können . Nach einer kurzen Besprechung über die zweckmäszigste Rad construction , über die wünschenswerthe Geschwindigkeit und Zug kraft, beweist der Verfasser alsdann , dass : 1 ) Innerhalb 20 Tagen die in erster und zweiter Linie für die mobile Armee nothwendigen Pferde und Maulthiere aus dem Lande selbst nicht zu beschaffen sind ; 2) wenn man daher die Artillerie und
alle Administrationen
innerbalb der eben bezeichneten Zeit operationsfähig haben will , es unbedingt nothwendig ist, zur Verbindung der einzelnen Corps-Stabsquartiere mit dem Armee-Hauptquartiere Straszen Locomotiven zur Anwendung zu bringen ;
3) wenn dies geschehen soll , die Geschwindigkeit der nach Adam' schem Principe construirten Räder nicht genüge , und daher 4) die
Nothwendigkeit
einer
gröszeren
Geschwindigkeit
als
6 Kilometer in der Stunde die Einführung eines Rades mit elastischen Reifen erfordere.
360
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
so
Angenommen , unser Heer sollte drei Armeen formiren , fäbrt der Verfasser behufs Beweisung des Behaupteten fort,
eine
jede zu drei Armeecorps mit zwei Divisionen, so ist es leicht , die für dasselbe nothwendigen Pferde für die Completirung zu ermittel Reitpferde 201 3 X 67
Für 3 Hauptquartiere
Zugpferde 414 3 x 138
3 Armee - Intendanturen
3 x 57
171
3 x 496 13 x 886
1488 2658
9 Generalcommando's .
9 x 47
423
9 X 78
702
9 X 55
495
9 X 1098 = 9882
9 servizi accessori di corpo d'armata 9 X 1081 -
9:truppe, suppletiva
18 x 356
18 Divisionen
9729
9X 630
6408
18 X 685
In Summa 17,427
=
5670 12330 33,144
50,571
Pferde und Maultbiere . Im
Frieden
besitzt die Italienische Armee
an etatsmäszigen
Pferden und Maulthieren dagegen nur : Für 80 Infanterie - Regimenter 80 X 3 10 X4 10 Bersaglieri
240 Zugpferde, 40
;;
20 Cavallerie-Regimenter 20 x 540 = 10800
92
10 Artillerie - Regimenter 36 Train -Compagnien 1
10 X 550 = 36 x 30 =
5500 Zug- u . Reitpferde, 1080 ܐܙ In Summa 17,660 Pferde.
Mithin wird es nothwendig, 50,571-17,660 = 32,911 Pferde für die in erster Linie aufzustellende Armee von circa 300,000 Mann zu beschaffen , und immerhin würden dann noch die Pferde feblen , deren man zur Verbindung der Operationsbasis mit den Armee-Hauptquar tieren, den Etappen - Anfangsorten, der Generalreserven der Artillerie, dem Belagerungsparke und für die ganzen in zweiter Linie aufzu stellenden Truppen bedarf. Von diesen letzteren Punkten soll indessen abstrahirt werden , da es sich zunächst nur darum handelt , die für den Beginn der Operationen nothwendigen Pferde des in erster Linie zu verwendenden Heeres zu beschaffen . Wie viel Zeit gebrauchte man nicht im Jahre 1866, um eine so bedeutende Pferdezahl zu beschaffen ! Aus dem Berichte des Generals Petinengo über den Verwaltungs dienst wäbrend des Krieges geht hervor , dass vom 25. März bis 4. Mai, also innerhalb 40 Tagen, 7533 Pferde innerhalb des Landes,
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
361
und 8300 auszerbalb angekauft wurden ; 5438 batte man requirirt, 3430 nebst Wagenführern wurden durch Requisition für die Dauer des Krieges aus den einzelnen Districten herangezogen , so dass im Ganzen von 24,901 Pferden allein 16,400 aus dem Lande selbst be schafft waren . Nehmen wir auch an , dass durch die Annectirung Venetiens und der Römischen Provinzen die Zahl der Pferde gestiegen ist, und berücksichtigen wir ferner die Vorzüge , welche durch die Zählung und vorherige Vertheilung der für den Gebrauch des Heeres noth wendigen Pferde entstanden sind , so wird es immerhin doch noch schwer genug sein, im Lande selbst 32,911 Pferde in 20 Tagen her beizuschaffen ; etwa die doppelte Zahl derer, welche wir mit genauer Noth im Jahre 1866 in einem noch einmal so groszen Zeitabschnitte aufgetrieben hatten . Wenn wir zu keinem anderen Auskunftsmittel greifen , würden wir somit höchstens die Infanterie und Cavallerie auf den Kriegsfusz setzen und auch innerhalb der ersten 15 Tage concentriren können , hätten aber die gesammte Artillerie und noch viele andere Ver sirt. Wir waltungszweige nicht vollständig mobilisirt und organisirt.
könnten daher innerhalb der folgenden 10 bis 15 Tage dem Feinde nur mit einer bei weitem schwächeren Artillerie entgegentreten und , was noch schlimmer ist, nur mit gröszter Vorsicht uns vorwärts be wegen , gerade in einer Zeit, wo es auszerordentlich darauf ankommt, die feindlichen Colonnen , welche die Grenze überschritten haben , an ihrem Vorrücken resp . ihrer Vereinigung zu verhindern . Meiner Ansicht nach erscheinen diese Thatsachen schwerwiegend genug , um auf Abhülfe für diesen Uebelstand zu sinnen. Die Er fahrungen vergangener Zeiten haben uns zum Ueberflusse gezeigt , ein wie theueres Lehrgeld man zahlen muss, wenn man sich zu sehr auf die eigenen Hülfs- und Auskunftsmittel im letzten Momente ver lässt, und welche Consequenzen das Unterlassen der nöthigen Vor sichtsmaaszregeln während des Friedens im Gefolge hat. Das Auskunftsmittel, welches ich nun heute sowohl , als auch schon 1869 und dann 1871 während des letzten Krieges in Vorschlag brachte, besteht in der Verwendung der Straszen- Locomotiven nicht nur längs der Etappenlinien im Rücken der Armee- Hauptquartiere, sondern auch für einzelne Dienstzweige zwischen diesen und den Corps - Hauptquartieren . Ich werde zunächst einzelne dieser Verwaltungszweige aufzählen und dann den Nachweis führen , unter welchen Bedingungen an Stelle der Pferde die Verwendung von Straszen- Locomotiven möglich ist.
Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege.
362
Es gehören : Für 3 Intendanturen .
39
3
2658 Pferde des Fuhrparkes (treno borghese),
se
900 Pferde des Militair-Trains,
Ficht
2322
""
9 Reserve-Colonnen (viveri)
·
1008
19
9 Fuhrparks der Pioniere der
""
99
""
21
""
19
954
99
12
34
""
99 9 mit Brod beladene Colonnen .
2000
99
19
99
"" "" Totale 10,362 Pferde.
99
Armeecorps
99
9 Fuhrparks der Artillerie der
,,
Armeecorps 4 Reserve- Brückentrains
·
520
Terbu
Diese 10,000 Pferde könnten durch eine entsprechende Anzahl von Straszen-Locomotiven ersetzt werden, welche den Lebensmittel ersatz zwischen den Magazinen und den oben in Rede stehenden Fuhrenparks der Armeecorps bewirken.
Hierdurch würde die Anzahl
der als nothwendig anzukaufenden oder zu requirirenden Pferde für die in erster und zweiter Linie zu verwendenden Truppen auf 22,900 herabgesetzt und wir befänden uns in der Lage, innerhalb drei Wochen dem Feinde mit acht vollständig bespannten Geschützen pro Batterie
ta
entgegenzutreten , auszerdem aber , ohne Besorgniss für unsere Ver
ehe
pflegung und Ersatz, freier und unabhängiger operiren und manöve riren zu können .
be
Dies Alles ist recht gut , kann man mir sagen ; wird es denn aber möglich sein ? Wird es aber nicht manchmal nothwendig sein , diese Trains, für welche an Stelle der Pferde die Straszen-Locomotiven in Vor
Ra Can
schlag gebracht werden, eventuell bis nach den einzelnen Divisions Stabsquartieren hin zu dirigiren ? Erscheint diese Maaszregel für die Brückentrains vortheilhaft, abgesehen von denen der Reserve-Trains ? Wenn man beispielsweise gezwungen wäre , die Artillerie- und Pionier-Trains zu theilen, wie sollte dies ohne Pferde geschehen ? Wie
Te
soll längs der Straszen, wo der Etappendienst noch nicht vollständig
201
eingerichtet ist, wie zwischen den einzelnen Armee- Hauptquartieren, der Kohlenersatz und der Wasservorrath, Elemente, ohne welche eine Thätigkeit der Maschinen nicht möglich ist, stattfinden ?
Sollte sich
eine solche Eventualität nicht nachtheilig für das Ganze äuszern ? Alle diese natürlichen Einwände werde ich zu beantworten suchen und mich bemühen , zu zeigen , unter welchen Bedingungen ich den Ersatz der Pferde durch Straszen- Locomotiven für möglich und prak tisch halte .
die
der
30
Stu
1st
Ueber die Verwendung von Straszen-Locomotiven im Kriege.
363
Wir haben den auszerordentlichen Vortheil, der aus der Annahme derselben für die Armee entspringt, wohl deutlich gesehen, und gerade das Wesen des ganzen Organismus wird zeigen, wie auszerordentlich wichtig es ist, zwei Hauptpunkten besondere Beachtung zu schenken, nämlich der Geschwindigkeit der Maschinen und dem damit verbundenen Sicherheitsgrade . Angenommen , es Etappen - Anfangsorte
befände sich je eine Etappe zwischen dem und den
einzelnen
Armee - Hauptquartieren.
Stellen wir nun zunächst die Bedingungen fest, um eine regelrechte Fahrt in einer Ausdehnung von 50 Kilometern auf einer nicht vorher zu diesem Zwecke bestimmten Strasze zu ermöglichen. Nach meiner Ansicht sind folgende vier Punkte unbedingt nothwendig :
1 ) Sicherheit des Kohlenersatzes; 2 ) Entnahme von Wasser nach je 15 Kilometer Fahrzeit; 3) Organisation einer Polizei längs der zu durchfahrenden Strasze ; 4) Garantie, dass die Maschine beim Zurücklegen von wenigstens 100 Kilometern keine Reparaturen erfordere, die der Maschinist nicht selber ausführen kann .
T
Nehmen wir an, dass täglich 10 Züge von je 15 Lasten von dem Etappen - Anfangsorte nach jedem einzelnen Corps-Hauptquartiere ab gehen und daher höchstens 50 Kilometer bis zum Bestimmungsorte zu durchlaufen haben . Für eine solche Fahrt bedarf jede Maschine einer halben Last Steinkohlen, und dieser Vorrath muss für die Hin
1
und Rückfahrt gesichert sein , falls nicht jeder einzelne Zug dies Quantum mit sich führt, ganz unabhängig , ob die Möglichkeit vor handen ist, innerhalb der zu durchfahrenden Zeit neuen Vorrath an Holz und Kohlen aufzunehmen oder nicht. Man könnte hiergegen den Einwand erheben, dass man auf diese Weise sehr beschränkt wird, andere Gegenstände aufzuladen.
Allein
es liegt doch auf der Hand , dass der auf fünf Tage für 20 Pferde mitzuführende Hafer, der für Zurücklegung einer solchen Strecke, wenn man sich der Pferde bediente, nöthig sein würde, allein schon 20 X 5 X 4 Kilo = 400 Kilo und das Heu 20 X 5 X 6 Kilo = 600 Kilo, also in Summa auch eine Last wiegen würde , so dass in Bezug auf diesen Punkt die Verhältnisse gleich sind .
Was nun die Versorgung
der Maschinen mit Wasser und die Sicherheit der Straszen anbelangt, so könnte man jedem einzelnen Zuge auf Entfernungen von 5 bis 6 Stunden kleine Detachements von berittenen Carabiniers, denen man einen Ingenieur- Offizier beigiebt, vorausgehen lassen ; deren Aufgabe ist es dann, in Abständen von 15 Kilometern aus den sich nahe der Strasze befindlichen Häusern und Gehöften Eimer, Kübel und Tonnen
364
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
mit Wasser zu requiriren , um der nachfolgenden Maschine im
Vor
beifahren das Wassernehmen zu ermöglichen. Dies wird durch den an der Maschinen - Construction Horting angebrachten Saugapparat auszerordentlich erleichtert, vermittelst dessen ohne Eimer und Pumpe in wenig Minuten der Wasserbehälter der Maschine gefüllt sein kann. Für zebn Maschinen würden 10 bis 12 Cubikmeter Wasser auf jede 15 Kilometer nothwendig sein. Der Ingenieur -Offizier würde , nachdem er die Wasserstationen 80 organisirt hat, dass entweder alle Maschinen, wenigstens aber die Hälfte derselben, an
einer Stelle ihren Wasservorrath entnommen
haben , mit dem Reste seines Detachements den Weg fortsetzen können , um auf den weiter vorwärts liegenden Stationen in ähnlicher Weise zu verfahren ; jedenfalls müssen aber bei jedem Zuge zwei Carabiniers und ein Avancirter als Begleitung zurückbleiben , um alle ferneren Bewegungen zu überwachen , vor allen Dingen aber etwaige dernisse durch
Hin
die Landbevölkerung schnell beseitigen zu lassen .
Die so längs der Strasze aufgestellten Berittenen können in
ge
nügendem Maasze für die Sicherheit derselben sorgen , Hindernisse bei Zeiten entfernen lassen und auf derselben Strasze entgegen kommende Train - Colonnen noch rechtzeitig von dem Herannahen des Zuges benachrichtigen, um Störungen zu verhindern . Nach Ankunft des ersten Zuges auf der Wasserstation würden die Carabiniers ihres Dienstes hier entbunden sein und durch Pio niere ersetzt werden , nunmehr aber wieder den polizeilichen Sicher heitsdienst auf der Strasze zu übernehmen haben . Auf der dritten Wasserstation erscheint es vortheilhafter, ein dem Obercommando der Armee direct unterstelltes Detachement zu organisiren ,
so dass
das
erste Begleitcommando
nicht
mehr
als
30 Kilometer anstatt des ganzen Weges zurückzulegen braucht. Was endlich die Sicherheit der Maschinen resp . der Züge anbe langt, so glaube ich , dass wenige zur Gewohnheit gewordene Grund sätze genügen würden, um Unglückställe, Störungen und Zeitverluste zu vermindern .
Auf einzelnen Straszen, wo ein sehr lebhafter Zug
verkehr nach beiden Richtungen hin stattfindet , wird man natürlich die Benutzung derselben für marschirende Trains und Artillerie von vornherein ausschlieszen ; eintreten .
dies wird jedoch nur in Ausnahmefällen
Im Allgemeinen wird man die Züge nur während der Tages stunden abgehen lassen , während der Nachtzeit aber die bezüglichen Straszen den marschirenden Train - Colonnen in Gebrauch geben , be sonders wenn dieselben mit Munition beladen sind.
Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege.
365
Bei Annäherung einer mit Pferden bespannten Colonne , oder einer Cavallerie- oder Artillerie-Abtheilung wird die Maschine etwas langsamer fabren, oder aber anhalten , um die ersteren passiren zu lassen. In kurzer Zeit werden sich die Pferde ebenso an das Ge räusch der Locomotive wie an das der Eisenbahnen oder des Artillerie feuers gewöhnen . Was endlich die vierte der aufgestellten Bedingungen anbelangt, so kann man wohl behaupten, dass, abgesehen von einigen unvorher gesehenen Fällen , eine sonst in gutem Stande gehaltene Maschine mehr als genügende Sicherheit bietet , um nicht nach 100 durch laufenen Kilometern schon Reparaturen zu verlangen , die der Ma schinist nicht selbstständig mit einigen Utensilien und einigen Vor rathsstücken für die sich am meisten abnutzenden Theile ausführen könnte. Vor Einführung des mit einer gewissen Elasticität versehenen Rades der Construction Adams waren
Unglücksfälle sehr an der
Tagesordnung und man hatte keine Sicherheit, dass eine Maschine 100 Kilometer zurücklegen könnte, wenn die Straszen sich nicht in dem allerbesten Zustande befanden . Was nun diesen Punkt anbelangt, so erscheint es wohl nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, wie der gute Zustand einer Straszen Locomotive sehr wesentlich von der Gewandtheit, dem guten Willen und dem Interesse des Maschinisten für seine Maschine abhängig ist . Die Maschinisten müssen sich fünf Jahre zu dienen verpflichten ;
sie müssen
ferner gut bezahlt und durch Prämien ausgezeichnet werden , um bei ihnen das Interesse für ihren Dienst und die Für sorge für ihre Maschine zu erwecken, wie dies bei den meisten Eisen bahn-Verwaltungen üblich ist.
Durch ein solches Verfahren würde man nicht nur bedeutende Ersparnisse erzielen, man würde auch eine gröszere Garantie haben , dass die Maschinen in gutem Zustande erhalten würden. Nachdem
diese Vorbedingungen für den militairischen Dienst
zwischen den Etappen - Anfangsorten und den Armee-Hauptquartieren, welche allerdings mehr technischer Art , geprüft worden sind, wenden wir uns nun zu den Forderungen , die für eine unbedingte Sicherheit in Bezug auf die beanspruchten Leistungen gestellt werden müssen . Diese lassen sich nach meiner Ansicht in folgende Punkte zu sammenfassen :
1 ) Dass die rechtzeitige Ankunft der Züge am Bestimmungsorte stattfinde ; Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 25
366
Ueber die Verwendung von Straszen-Locomotiven im Kriege.
2) dass in Fällen einer unvorhergesehenen Verlegung der Corps Magazine nach vorwärts
sie von den Zügen auch dann
noch rechtzeitig, wenigstens von einem Theile derselben, er reicht werden können ; 3) dass diese Züge im Falle einer rückgängigen Bewegung alles Material, welches sie innerhalb des Weges von drei Etappen Stationen bis zu den Corps- Hauptquartieren mit sich geführt haben, innerhalb 24 Stunden auch wieder fortschaffen können ; 4) dass die Locomotiven selbst in den Fällen, wo schnelle Be wegungen gröszerer Truppenkörper eintreten , noch in der Lage sind , rechtzeitig anzukommen und die Magazine und Fuhrparks mit Lebensmitteln zu versehen , Kranke zu eva cuiren etc. Wir haben gesehen , dass die momentan in Versuch befindliche Maschine mit halb elastischem Rade unter den günstigsten Verhält nissen nicht mehr als 60 Kilometer innerhalb 24 Stunden durchlaufen kann, da unterwegs immer ein gewisser Zeitverlust eintreten wird.
Hierhin gehören : 1) Der Zeitbedarf zur Wassernahme auf je 15 Kilometer Weg ; 2) nach je 10 Stunden Fahrzeit die erforderlichen 2 Stunden zur Reinigung und Revision der Maschine ; 3) der Zeitverlust beim Passiren von schwierigen Stellen , als
Steigungen, gepflasterte Strecken, schlammige oder sehr san dige Stellen , wo man die Geschwindigkeit oft verlangsamen muss , um durch die Triebräder eine gröszere Reibung zu erhalten, oft aber sogar gezwungen sein wird , die Züge zu theilen und die verschiedenen Theile einzeln über die schwierige Stelle hinwegzubringen ; 4) der Zeitverlust, welcher eintritt, um entgegenkommende Wagen, deren Pferde scheuen, vorbeizulassen, resp. der beim Passiren von besonders engen Stellen der Strasze ; 5) die gröszeren Umwege , welche sich daraus ergeben , dass man gepflasterte Straszen möglichst zu vermeiden suchen muss ; 6) endlich der Aufenthalt, welcher von Zeit zu Zeit nothwendig ist , um kleine Schäden und Reibungen, welche durch die Erschütterung bei der Bewegung auf den Straszen entstehen, beseitigen oder ausbessern zu können. Wenn der Zeitverlust jetzt schon so erheblich ist , wo in aller auf freien und in dem besten Zustande sich befindenden
Ruhe
Straszen nur ein Zug sich bewegt , so überlasse ich dem Leser, selbst zu beurtheilen, um wie viel gröszer dieser wohl sein muss,
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
367
wenn man bedenkt , dass die Straszen-Locomotiven doch gerade in Kriegszeiten ganz besonders dazu berufen sein werden, ihre Functio nen zu versehen, selbst dann auch, wenn man ihre Verwendung auch nur für die Etappenlinie bestimmt und alles hierfür Nothwendige vorbereitet hat. Die Verdoppelung der Züge , der Zustand der von vielen Armee corps passirten, von deren Fuhrwerken aufgefahrenen Straszen , das häufige Begegnen von Colonnen, die Möglichkeit, leicht entstehender Missverständnisse, dies Alles sind Umstäude, welche wohl im Stande sind , den normalen Gang , wie man ihn bis jetzt festgestellt hat, noch mehr zu verlangsamen . Nach meiner Ansicht wäre es daher nicht richtig, wollte man innerhalb 24 Stunden auf mehr als 40 Kilo meter rechnen ,
wie es, abgesehen hiervon, ja auch der zwischen
Bologna und Sassuolo angestellte praktische Versuch bewiesen hat. Verträgt sich dies nun aber mit den Anforderungen, die ich so eben aufgestellt habe ? Was ist die Folge davon, wenn man so be deutende Zeitverluste, von denen ein Theil unvermeidlich ist , nicht auszugleichen vermag ? Die eintreffenden Züge werden eine
fortlaufende
Verspätung
haben, bei jeder unvorhergesehenen Vorwärtsbewegung eines Corps wird man deren Magazine nicht rechtzeitig füllen können, ebenso wenig wie man dieselben im Falle eines unerwarteten Rückzuges zu entleeren im Stande sein wird, und hieraus müssen natürlicher weise Confusionen entstehen, die beträchtliche Verluste im Gefolge haben , auszerdem aber das Vertrauen erschüttern . Alles dies, wird man mir sagen, beweist die Unzweckmäszigkeit meines Vorschlages, die Straszen - Locomotiven auch noch jenseits der Etappenanfangsorte verwenden zu wollen ; ich aber erwiedere darauf, dass die normale Geschwindigkeit von sechs Kilometern per Stunde der Maschine, Construction Aveling, mit dem Rade Construction Adams, welche man angenommen hat, nicht hinreicht, Problem , unsere Mobilmachung innerhalb
weil das
20 Tagen bewirken zu
können , dadurch hinfällig werden würde, ein Umstand, der noth wendigerweise in der Einschränkung der Verwendung der Straszen Locomotiven für den Militairtrain seinen Grund findet. Es giebt eine Construction von Triebrädern, welche innerhalb einer Stunde 10 bis 12 Kilometer durchlaufen können. Und selbst, wenn diese Entfernung auch auf 6 oder 5 Kilometer aus den vorher erwähnten Gründen herabgesetzt wird , so bleibt das Problem, in dem Sinne, wie es die äuszerste Nothwendigkeit erfordert, doch noch zu lösen !
Die Gewissheit, dass man 100 Kilometer innerhalb 25 *
368
Ueber die Verwendung von Straszen -Locomotiven im Kriege.
24 Stunden zurücklegen kann, selbst wenn man alle die Fahrt ver zögernden Ursachen in Betracht zieht (abgesehen von einzelnen ab normen Fällen) , ist in der That die Hauptbedingung, die gleichzeitig allen vier weiter oben angeführten Forderungen entspricht, und des wegen wird auch mein Vorschlag, den ich unter den verschieden sten Gesichtspunkten betrachtet habe, nicht blos möglich , sondern auch von groszen Resultaten begleitet sein. Eine mittlere Geschwindigkeit von 12 Kilometern in der Stunde, herbeigeführt durch die Annahme der Radconstruction Thomson Burrell , bietet allein die Möglichkeit , die verschiedenartigen
Ver
zögerungen in der Fahrzeit zu compensiren, und wird sicherlich die rechtzeitige Ankunft der Züge begünstigen ,
zumal da man
wohl
weisz , dass gerade dieser Punkt von ganz besonderer Bedeutung im Kriege ist . In einem früheren Aufsatze berichtete ich mit Bezug auf diesen Punkt, dass ein Verzichten a priori auf die Geschwindigkeit von 10 Kilo metern gleichbedeutend mit der Verzichtleistung auf die Aus nutzung der Dampfkraft überhaupt wäre ; Vortheile, die sich schlieszlich nur auf Zeit und Geldersparnisse beschränken. Diesen militairischen Calculs, zu deren Gunsten ich die Adoption des Rades , Construction Aveling, befürworte, will ich noch in Kurzem einige technische und ökonomische Betrachtungen, welche meinen Vorschlag bekräftigen, beifügen . Zunächst bemerke ich , dass man bisher allgemeine Mängel der ersten Locomotiven Thomson's mit denen der Beschaffenheit ihrer Räder verwechselt hat. Die bei Gelegenheit des Transportes des 32 - Centimeter -Geschützes von Turin nach dem Lager von St. Maurizio gemachten Erfahrungen mit einer nicht mehr in ganz brauchbarem Zustande sich befindenden Maschine, die während zwei Jahren in einer Remise in Padua ge standen hatte, bestätigten nur das , was ich im Jahre 1873 in einem meiner Vorschläge für einen so zu organisirenden Militairtrain ge sagt habe, und beweisen , dass ein Rad, welches um ein Fünftel ge ringeres Gewicht hat, dennoch dieselbe Reibung und in Folge dessen auch Zugkraft auszuüben im Stande ist, wie ein solches mit rauhem äuszeren Reifen . Die Haltbarkeit des elastischen Reifens, die Beibehaltung seiner Elasticität und das sichere Functioniren der Bremsvorrichtung Bur rell's
sind Thatsachen ,
welche auch
Diejenigen anerkenden , die
369
Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege.
meine Ansicht nicht theilen , obwohl die Locomotiven , Construction Thomson, in Brasilien und Ceylon sehr an der Tagesordnung sind. Es bliebe nunmehr nur noch der erheblichere Kostenpunkt einer Maschine, Construction Aveling, mit elastischen Rädern im Vergleiche zu einer solchen mit halb elastischem Rade, Construction Adams, zu erörtern .
Diesen Punkt zu bekämpfen, wird mir nicht schwer fallen.
Angenommen , wir hätten eine Etappenlinie , die in einzelne Wegestrecken von je 50 Kilometern eingetheilt wäre. Von einer mit Adams'scher Radconstruction versehenen Maschine lässt sich inner halb 24 Stunden nur der Hinweg bewirken , so dass , um diesen selben Weg in entgegengesetzter Richtung und in derselben Zeit auszu führen, noch eine zweite Maschine nothwendig wird ; während eine solche mit dem Rade Thomson - Burrell , die innerhalb 24 Stunden 100 Kilometer zu fahren im Stande ist, die eine Maschine innerhalb dieser Zeit hin und zurück fabren kann ! Die Ersparung von 5000 Francs pro Maschine bedingt aber die Nothwendigkeit, deren wenigstens zwei zu besitzen . Man wende nicht etwa ein, dass das , loren geht ,
was an Zugkraft ver
an Geschwindigkeit gewonnen wird ;
obwohl man mit
dem elastischen Rade eine Wegstrecke von 100 Kilometern in der 11 , fachen Zeit durchfahren kann , so wird man andererseits doch genöthigt sein, die zu ziehende Last um die Hälfte zu vermindern, woraus ersichtlich ist, dass man , um dasselbe Gewicht fortzuschaffen, gezwungen sein wird, gleichzeitig eine doppelte Zahl von Maschinen vorzuspannen ,
so
dass das Endresultat schlieszlich dasselbe
sein
wird , wie das, welches man mit der anderen Radconstruction erlangt. Zunächst wird man genöthigt sein,
das Gewicht auf höchstens
zwei Drittel der von der Maschine auf horizontalem Boden zu ziehen den Last zu vermindern , einmal mit Rücksicht auf die Steigungen der Strasze, andererseits um Feuerungsmaterial zu sparen.
Ist nun
eine Maschine mit Adams'schen Rädern versehen, so wird sie in der Stunde nicht mehr als sechs Kilometer zurücklegen können , selbst bei der günstigsten Beschaffenheit der Strasze; sollte dies dennoch versucht werden, so würde sie wohl in Kurzem unbrauchbar werden . Ist sie indessen mit einem elastischen Rade versehen, so wird sie mit der Geschwindigkeit von 6 + 8/3 8 Kilometer in der Stunde wohl fahren können, da die zu bewegende Last um ein Drittel des Gesammtgewichtes herabgemindert ist. Aber noch mehr.
Das elastische Rad gewährt den Vortheil ,
dass es seine Reibung (durch die natürliche Eigenschaft der Elasticität
370
Ueber die Verwendung von Straszen - Locomotiven im Kriege.
drückt és seine Form auf der Strasze ab) auf Kieselsteinen , auf Steinpflaster Adams’sche besonders
und
festen
Rampen
Rad
diese
unter
dann ,
wenn
die
etc.
beibehält,
denselben
Verbindungen
während
Verhältnissen des
das
verliert,
äuszeren Reifens
abgenutzt und die Ecken durch den Gebrauch abgerundet und ab geschliffen sind . Unter solchen Umständen würde man mit dem Rade Thomson-Burrell seinen Weg rubig fortsetzen können, wäbrend man mit dem anderen , wie ich schon erwähnte, nicht nur die Fahrt verlangsamen , sondern auch darnach trachten müsste, durch Streuung von Sand oder Asche die Reibung zu erhöhen. Bei starker Steigung einer gepflasterten Strasze kann es nothwendig werden, die Züge nach einander passiren zu lassen, wodurch natürlich ein Zeitverlust eintritt, der von der Länge der Steigung und der Anzahl der zu passirenden Züge abhängig sein wird . --
Bei Straszen , die,
wenn auch noch ziemlich horizontal, in schlechtem Zustande, sandig oder schlammig sind ,
werden sich immer Geschwindigkeitsunter
schiede zwischen den beiden hier zu vergleichenden Rädern heraus stellen, und zwar zu Gunsten des elastischen Rades, denn bei einer Beschaffenheit der Straszen, bei der sich Stösze und Erschütterungen sehr fühlbar machen, wird es nothwendig, die Fahrt mit einer Ma schine , welche die Radconstruction Adams hat, zu verlangsamen und zwar oft bis weniger als drei Kilometer in der Stunde. Als Gesammtresultat dieser Untersuchungen ergiebt sich : 1 ) Eine Geschwindigkeit von acht Kilometern an Stelle von sechs , wenigstens , bei guter Beschaffenheit der Strasze, an den Stellen, wo sie nach der einen oder anderen Richtung sanft abfällt ;
2) kein Zeitverlust , sei es auf einer gepflasterten oder etwas weichen Strasze ; 3) mehr als doppelte Geschwindigkeit an
den Stellen ,
die,
wenn auch sanft abfallend, sich in schlechtem Zustande be finden .
Hieraus folgt,
dass das Rad Thomson - Burrell die Möglichkeit
bietet, dieselbe Last in einer bestimmten Zeit auf der dop pelten Entfernung fortzuschaffen , als dies bei einer für eine Straszen Locomotive würde.
angenommenen Radconstruction Adams der Fall sein
Hierauf fuszt auch meine Behauptung, denn die Radconstruction , für deren Annahme ich plaidire, gestattet genau denselben Dienst, nur mit der halben Anzahl von Maschinen zu versehen .
371
Ueber die Verwendung von Straszen-Locomotiven im Kriege.
Mit Rücksicht auf diesen ökonomischen Vortheil , welchen man auszerdem noch den der besseren Conservation der Maschine durch die
elastischen Kautschukreifen hinzufügen kann , dürfte ich ge
nügende Beweise für die Zweckmäszigkeit meines Vorschlages ge liefert haben, um so mehr, als es nicht schwer gewesen war, die mir entgegen gehaltenen Einwendungen zu widerlegen.
Man wird aber auch auf die zu Woolwerhampton gemachten Erfahrungen hinweisen , wo eine Maschine ,
Construction Aveling,
den ersten Preis erhielt, da es ihr gelang, sich durch eine schlammige Strasze hindurchzuarbeiten , Thomson dies nicht konnte.
während eine solche nach Construction
Hierauf erwiedere ich, dass, wenn es sich um landwirthschaft liche Arbeiten handelt , man der Maschine Aveling unbedingt den Vorzug geben würde. Auch ich will ihre Vorzüge nach dieser Richtung hin nicht in Abrede stellen, der Landwirth bedarf keiner elastischen Reifen, denn bei ihm arbeitet die Maschine unter ganz bekannten und bestimmten Verhältnissen, wo keine bedeutende Geschwindig keit erforderlich ist.
In Folge dessen genügt in diesen ,
so wie
unter anderen ähnlichen Verhältnissen, als da sind : die Transporte innerhalb der Fabriken, auf Schieszplätzen und in Zeughäusern, das Adams'sche Rad , wo ein elastischer Reifen für diese Dienstvor richtungen der Maschinen nicht nothwendig ist .
Es war schliesz
lich nicht die gröszere Reibung des rauhen Radreifens, durch welchen die Maschine Aveling sich auf der oben erwähnten Strasze hindurch arbeitete, sondern die eisernen Schaufeln,
die sich am Rade selbst
befanden, thaten es ; solche Auskunftsmittel sind aber auch bei anderen Radconstructionen möglich. Was endlich die in Bezug auf Reibung des elastischen Reifens angestellten Versuche anbelangt , so verweise ich nur auf die vom Hauptmanne Biancardi gemachten Erfahrungen, welche im Journale für Artillerie und Ingenieure niedergeschrieben worden sind. Vertauscht man
bei
einer Maschine Aveling die Räder
mit
solchen, die einen elastischen Reifen haben, so kann man auf je sechszehn Lasten eine Last mehr fortschaffen ; nämlich sechs Procent mehr,
als dies selbst auf einer guten, nicht gepflasterten Strasze
möglich ist. -
Die Steigung dieser Strasze betrug auf 100 Meter
10 Meter, und wenn man daher im Stande ist , bei einer solchen Steigung eine Last mehr fortzuschaffen, so will dies nichts Anderes sagen, als dass man dreimal so viel auf einer annähernd horizon talen Strasze, nämlich 18 bis 20 Procent, mehr laden kann.
372
Ueber die Verwendung von Straszen-Locomotiven im Kriege. Bei uns ist das Rad mit rauhem Reifen mit vier Stimmen gegen
eine verworfen worden, und im verflossenen Jahre das halbelastische Adams'sche an seine Stelle getreten. Es werden häufig die in Padua und Bergamo sich befindlichen Thomson'schen Maschinen angeführt, um an denselben die geringere Qualität der elastischen Räder nachzuweisen, obwohl bisher durchaus nicht bekannt ist, dass dieselben, was die Güte der Räder anbelangt, sich nicht bewährt hätten. Vielleicht erhebt man aber noch den Einwand, dass das elastische Rad für militairische Zwecke zu complicirt ist !
Hierauf erwiedere
ich, dass Beschädigungen der Maschine bei Weitem unangenehmer sind, als solche an den Rädern ; diese letzteren, welche sich nur auf einzelne wenige Theile derselben beschränken, können in fünf Mi nuten mit aller Ruhe und ohne den Dampf abzulassen, allein schon beim Wassernehmen wieder hergestellt werden . Ich schliesze nunmehr meine Abhandlung und befürworte die Annahme des durch Versuche erprobten Rades , Construction Thomson Burrell ,
gegenüber dem Adams'schen , und glaube versichern zu
können, dass wir, nach Allem, was ich mit Bezug darauf in England gesehen habe, dies nicht zu bereuen haben werden, um so weniger, als nun einmal die grösztmöglichst zu erlangende Geschwindigkeit und die aus derselben resultirenden Consequenzen in Bezug auf die Verwendung der Straszen-Locomotiven in zukünftigen Kriegen von groszer Bedeutung sein werden. -
Umschau in der Militair - Literatur.
373
XXIII.
Umschau in der Militair -Literatur .
Constantin Sander's Geschichte des Bürgerkrieges in den Ver einigten Staaten von Amerika 1861 bis 1865.
Zweite
Auflage , vervollständigt und nach den neuesten Quellen um gearbeitet von F. Mangold, Hauptmann im Brandenburgischen Fusz- Artillerie - Regiment Nr. 3 (General - Feldzeugmeister) . Erster Band.
Mit 4 Karten in Farbendruck und 3 Plänen .
Frankfurt a. M.
J. D. Sauerländer's Verlag.
1877 .
Ueber den Amerikanischen Bürgerkrieg ist bereits schrieben
worden.
viel
ge
Ein erbitterter Rede- und Federkampf leitete
denselben ein und begleitete ihn in seinem ganzen Verlaufe.
Zabl
reiche Sammelwerke von gröszerem oder geringerem historischen Werthe und ebenso zahlreiche Biographien mebr oder weniger her Alle aber hielten den vorragender Persönlichkeiten folgten nach . Parteistandpunkt, von dem sie ausgegangen waren . Von den höheren Führern haben nur sehr wenige bis jetzt ibre Memoiren der Oeffent lichkeit übergeben, und dies mit groszer Vorsicht und Zurückbaltung gethan . An eine kritisch - militairische Zusammenstellung der Be gebenbeiten in ihrer Gesammtheit wagte jenseits des Oceans sich keine fachmännische Feder,
obwohl Material in den gesammelten
Berichten, Rapporten , Stärke- und anderen Listen reichlich genug Die Regierung der Vereinigten Staaten hat keine historische Abtheilung des Generalstabes, welche dieses ungeheuere
vorhanden ist.
Material gesichtet und von der Spreu gereinigt, dem Publicum klar und unbestreitbar vorlegen konnte ; auch war der Krieg eben ein Bürgerkrieg gewesen , welcher wahr und richtig nicht ohne
Ver
noch bestehender Parteien und noch lebender Personen , nicht ohne Wiederaufreiszung kaum vernarbter Wunden , und nicht unter Trennung der politischen von den militairischen Verbältnissen beschrieben werden konnte. Die hierdurch in der Militair - Literatur
letzung
entstandene Lücke aber scheint das bekannte Sander'sche Geschichts
Umschau in der Militair -Literatur.
374
werk in seiner neuesten , kritischen und umfangreichen Bearbeitung, allen Anforderungen genügend, ausfüllen zu wollen. erste Band
enthält nicht weniger als
792 Seiten
Der erschienene und
führt den
Leser doch nur bis zum Ende des ersten Kriegsjahres ; der noch in diesem Sommer zu erwartende zweite Band soll dann den eigent lichen groszen Krieg von 1862 bis 1865 umfassen . Diese anscheinend so ungleichmäszige Vertheilung des Stoffes rechtfertigt die Vorrede mit der Nothwendigkeit einer Vorgeschichte des Krieges, welche in ihrer ersten Abtheilung die Entstehung und Entwickelung der Macht der Amerikanischen Sklavenbalter und deren jetzt kaum noch glaubliche, politische Prätensionen, in
ihrer
zweiten aber deren Conspiration und die Secession mit unzweifel haft historischer Richtigkeit beschreibt. Die hierzu verwendeten ersten 276 Seiten des interessanten Buches erscheinen zum Ver
ständnisse des Krieges ebenso unerlässlich zu sein , wie die auf weiteren 100 Seiten folgende , sehr eingehende Beschreibung der militairischen Hülfsquellen ,
der vorhandenen oder zu beschaffenden Waffen ,
Streitkräfte und der mannigfaltigen
12 dem
ungeheueren
Kriegsschauplatze gewidmete Seiten aber wären für diesen Zweck sicherlich zu wenig , wenn nicht weitere Terrainbeschreibungen allen Feldzügen und Schlachten iu der eigentlichen Geschichte des Krieges Die eine Hälfte des starken Bandes nimmt also vorausgingen . gleichsam eine historische, geographische und militairisch - statistische Einleitung ein , die andere Hälfte enthält die Ereignisse des ersten Dieselben konnten bis auf die Thaten oder Unter Kriegsjahres. lassungen
der
sogenannten
Regimenter
und
ihrer
Führer
ein
beschrieben werden , weil um jene Zeit eine wahre Epi demie der Berichterstattung herrschte und die Berichte auf beiden
gehend
Seiten nicht nur in der Tagespresse, sondern bald auch in bände reichen Sammelwerken veröffentlicht wurden , die Heere überall nur klein , die Operationen auf den getrennten Schauplätzen von Ost und
West - Virginien ,
Wenn
das Sander'sche
und
Kentucki Werk
in
Missouri
seiner
zersplittert
waren .
neuesten Auflage durch
dieses Labyrinth den richtigen Weg gefunden hat , wenn Operatio nen, Schlachten und Gefechte möglichst wahr beschrieben , Daten und Zablen correct angegeben worden sind , so ist dies ein Beweis, dass der Bearbeitung reiche und zuverlässige Quellen vorgelegen haben und dieselben von sicherer und erfahrener Hand gründlich ausgenutzt worden sind . Mit gleicher Sicherheit aber scheint die Bearbeitung durch die Klippen hindurchzugehen , an welchen in der
Umschau in der Militair - Literatur.
375
bewegten See des groszen Bürgerkrieges so viele Amerikanische Fach -Offiziere scheiterten, indem sie der trügerischen Flagge eines künstlich erzeugten, eigennützigen Particularismus, der Idee Con föderation, nicht aber derjenigen der Union folgten, welcher sie den Fahneneid geleistet hatten . worden ist ,
Wenn der Wahrheit gemäsz beschrieben
wie bei Beginn der Secessionsbewegung Forts und
Arsenale, in Texas und New Mexico sogar ganze, der Union treue und feldmäszig ausgerüstete Truppentheile den Conspiratoren, ohne Widerstand zu leisten, in die Hände fallen konnten, so hält die Be arbeitung sich nur an Thatsachen , lässt im Uebrigen aber zwischen den Zeilen lesen, stellt dem Urtheile des militairischen Lesers an heim , zu entscheiden, ob eine Resignation übernommener, militairi scher Aemter in groszer, politischer Krisis gerechtfertigt ist oder nicht, und behandelt das zweifelhafte Benehmen vieler im Dienste verbliebener Offiziere, z . B. das des greisen, commandirenden Ge nerals Scott, das des Commandanten des See -Arsenals von Gosport, Commodore Mac Cauley, und das des Generals Stone im Gefechte von Ball's Bluff mit groszer Reserve. Da dem Texte des ersten Bandes bei Erwähnung der Namen im Verlaufe der Entwickelung des Krieges hervortretender Persönlichkeiten kurze biographische Notizen zugefügt worden sind , ausführlichere Lebensbeschreibungen der hervorragendsten Führer aber am Schlusse des zweiten Bandes folgen sollen , die Karten und Pläne, so weit solche bis jetzt bei gegeben sind,
deutlich und correct erscheinen, so lässt das
San
der'sche Werk in seiner jetzigen Gestalt nichts zu wünschen übrig und wird sicherlich einen dauernden Werth für das Studium des so umfangreichen und so verwickelten Amerikanischen Bürgerkrieges behalten .
Umschau in der Militair-Literatur.
376
1) Supplement zur Allgemeinen Militair-Encyklopädie.
Heraus
gegeben und bearbeitet von einem Verein Deutscher Offiziere und Anderen. ―――――――― Erste Lieferung. - Leipzig , J. H. Webel, 1877. 8 °. 64 S. ―― 2) Iland-Wörterbuch der gesammten Militair-Wissenschaften mit erläuternden Abbildungen.
Herausgegeben unter Mitwirkung
hervorragender Autoritäten von B. Poten , Oberst-Lieutenant. Bielefeld und Leipzig , Velhagen & 1. bis 4. Lieferung. Klasing.
1876/77. 8 °.
384 S. -
Unsere Zeit eilt stürmisch vorwärts , jeder Tag bringt neue Er findungen, neue Entdeckungen im Reiche der Wissenschaft, Reformen auf allen Gebieten des wirthschaftlichen wie politischen Lebens der Völker. Auch die Kriegskunst , auch die militairischen Verhältnisse sind in hohem Grade von diesem verändernden Streben berührt worden. Nur wenigen Militairs ist es vergönnt, in jeder Hinsicht in ihrem Fache orientirt zu sein ; den meisten, namentlich aber denen, die in einer Richtung sich ernstlich beschäftigen, muss vieles Andere fremd bleiben.
Von diesem Gesichtspunkte aus werden Militair-Encyklo
pädien im Allgemeinen gewiss eine willkommene Erscheinung sein. Dass ein Bedürfniss nach solchen Werken vorzuliegen scheint, lässt sich aus dem fast gleichzeitigen Erscheinen der beiden oben ge nannten Sammlungen annehmen. Das erstere dieser Werke ist bereits seit einigen Jahren vollendet und veröffentlicht jetzt, den veränderten Zeitverhältnissen entsprechend, heftweise einen Supplement- Band.
Dem Vorworte des vorliegenden ersten Heftes zufolge ist in die sem Supplement-Bande den kriegerischen Ereignissen der Neuzeit absichtlich eine hervortretende Aufmerksamkeit gewidmet worden. Gewiss eine anerkennenswerthe Absicht , da die Zahl der , den letzten Kriegen angehörenden Kämpfe eine so bedeutende, dass kaum Jemand dieselben vollständig im Gedächtnisse haben wird. Da sich auf cavalleristischem Gebiete manche Neuerungen ergeben haben, so ist dem entsprechend auch den darauf bezüglichen Aus drücken ein verhältniszmäszig bedeutender Raum angewiesen worden. Sei es gestattet, auf diesen Theil näher einzugehen. Der Organisation und Taktik ist eine besondere Berücksichtigung zu Theil geworden, ja sogar der Jagd- und Renn- Sport ist, insoweit er auf die militairischen Verhältnisse influirt, herangezogen.
Umschau in der Militair-Literatur.
377
Dass ein solcher Einfluss höheren Ortes als existirend angenommen wird , dürfte wohl , im Hinblicke auf die Regiments- und Brigade Rennen der Cavallerie , auf die obligatorischen Parforce-Jagden der Reitschule , Niemand zu leugnen versuchen . Der Nutzen , den alle diese Uebungen für das Terrain-Reiten der Offiziere haben, ist nicht mehr zu verkennen.
Aber auch für die Thätigkeit derselben bei der
Ausbildung von Mann und Pferd ist der Werth des durch den Sport gewonnenen Verständnisses ein bedeutender. Es kann daher als
sehr anerkennenswerth bezeichnet werden,
dass eine Aufnahme derjenigen Ausdrücke stattgefunden hat, welche aus der Sprache der Rennbahn übernommen , jetzt zur Bezeichnung eines integrirenden Theiles der Ausbildung der Cavallerie gebraucht werden. So ist in vorliegendem Bande das „, in Athem setzen " in kurzer und treffender Weise besprochen ,
während auf das Wort Trainiren
in einem folgenden Hefte hingewiesen wird .
Auch ferner liegende
Ausdrücke finden Erwähnung, so „ Aufgalop, Aufpullen, Bandagen u. a.“ Die der Bahn- Reiterei angehörigen Bezeichnungen sind im engen Anschlusse an die Reit- Instruction bearbeitet. Bei der Erläuterung der reglementarischen Ausdrücke scheint der Verfasser einen eigenthümlichen Standpunkt einzunehmen, indem er den Neuabdruck des Exercir - Reglements unter Berück sichtigung der durch Allerhöchste Cabinets -Ordre vom 9. Januar 1873 zur versuchsweisen
Einführung
genehmigten Abänderungen
nicht
als eine reglementarische Bestimmung ansieht und somit die seit dem Jahre 1873 in der Cavallerie üblichen Formen als erst durch das Reglement von 1876 eingeführt darstellt. Abgesehen von dieser Anschauung, ist die Erklärung der regle mentarischen Ausdrücke eine im Allgemeinen klare und richtige ; die sich in den
meisten Fällen
anschlieszende
Motivirung
der Ver
änderungen, z. B. bei „ Angriff, Attacke, Aufmarsch, Cavallerie u. A. m. “, zeichnet sich besonders dadurch aus , dass der Verfasser, keiner der extremen Richtungen huldigend, ebensowohl die bedeutenden Schwierig keiten erkennt, mit denen die Cavallerie fortan in der Schlacht zu kämpfen haben wird, als nichtsdestoweniger auch wieder die Wir kung hervorhebt, die ihr Auftreten stets haben wird, selbst wenn es ihr nicht möglich ist, direct zum Einhauen zu kommen. Unter Aufklärung ist in scharf prägnanter Weise charakterisirt die Aufgabe der Cavallerie auf diesem Felde , die Anforderungen,
Umschau in der Militair-Literatur.
378
die dadurch an letztere gestellt werden, und die Form , in welcher, den cavalleristischen Autoritäten gemäsz, die Waffe die Lösung an streben soll. Das Besprochene genügt , um zu zeigen , dass die Bearbeitung des cavalleristischen Gebietes im vorliegenden Hefte geeignet ist, allen Suchenden Antwort auf ihre Fragen zu geben . Obwohl nun auch das Streben ersichtlich, jene in möglichst kurzer und allgemein gültiger Form zu geben , kann doch die Bearbeitung mancher Ausdrücke nicht als eine genügend sorgsame bezeichnet werden.
Es haben sich Fehler eingeschlichen , die bei genauerer Durch arbeit leicht hätten vermieden werden können. So ist unter „ Auf satzzügel " nicht die Verwendung desselben bei den Handpferden der Artillerie und des Trains erwähnt ;
so ist unter „Beschlag" die Be
sprechung des Hufbeschlages doch eine ungenaue und unvollständige geblieben, u. A. m. Es ist zu hoffen , dass in den nächsten Heften Derartiges ver mieden sein wird, und kann man erwarten, dass dann das Gesammt werk ,
in cavalleristischer Hinsicht wenigstens , vollständige und
gediegene Auskunft gewähren wird.
Das zweite der Eingangs genannten Hand-Wörterbücher nimmt durch ein sehr elegantes Aeuszere sofort für sich ein.
Die in langem
Verzeichnisse aufgeführten Mitarbeiter , unter denen mancher Name von bestem Klange, bürgen dafür, dass das Werk nur Vortreffliches bringen wird. Nachdem im verflossenen October die erste Lieferung erschienen ,
sind bis jetzt (Ende Februar) noch drei Lieferungen
nachgefolgt. Bei einem gleichen Fortschreiten des Werkes dürfte das selbe also in etwa drei Jahren beendet sein. Wenn man nach den vorliegenden vier Lieferungen auf den Charakter des ganzen Werkes schlieszen darf, so scheint namentlich dem geo- und ethnographischen Angaben eine bevorzugte Stelle ein geräumt zu sein , wobei wohl nicht immer der rein militairische Standpunkt festgehalten ist .
Abgesehen von den ausgedehnten Mit
theilungen über gröszere Länder , Flüsse , Inselgruppen u. s . w., sei in dieser Beziehung u . A. auf die Artikel : Aleppo, Amoriter, Aorsi, Aosta, Archangel hingewiesen. Sehr interessant und lehrreich sind besonders die Aufsätze über das Heerwesen und die kriegerischen
Umschau in der Militair -Literatur.
379
Ereignisse der alten Geschichte bis in die graue Vorzeit hinauf. Vielleicht bringt das Buch nach dieser Richtung im Vergleiche mit den Angaben über die neuere Kriegsgeschichte zu viel.
So sucht
man wenigstens vergebens nach dem im Amerikanischen Secessions Kriege oft genannten Atlanta oder nach Ball's Bluff ; Ablis, bekannt durch einen Ueberfall im Deutsch - Französischen Kriege, ist nicht erwähnt ; die Schlacht bei Amiens ist in zwei Zeilen abgemacht und wird hierbei General Faidherbe irrthümlicher Weise als der Heer führer der Franzosen genannt ; unter „ Baden “ bildet die Badische Division bereits bei der Belagerung von Straszburg einen Theil des damals noch gar nicht vorhandenen XIV . Armeecorps.
In dem Ar
tikel „Argonnen “ ist nicht deren Beziehung zu dem Feldzuge 1870/71 gedacht, auch über das Gefecht bei Aschaffenburg (14. Juli 1866) ver lautet nichts. Warum ist der 1871 oft genannte Mont Avron, warum Bagneux und Ballegaard nicht erwähnt ? Unter , Aldenhoven “ hat das Gefecht vom 2. October 1794, unter „ Altenkirchen “ das vom 19. Sep tember 1796, unter „ Aachen “ der 1816 dort zusammentretende Con gress keine Erwähnung gefunden.
Wer über den Türkisch-Serbischen
Krieg Belehrung sucht , wird sicherlich Artikel , wie z . B. Alexinatz und Alimpitsch vermissen . Auch möchten die in diesem Kriege oft genannten Türkischen Sultane Abdul Aziz und Abdul Hamid wohl eher Erwähnung verdienen , als z . B. Absalon, ein Englischer Major Andre, ein Römischer Prätor in Britannien Agricola, in der Kriegs geschichte wenig bekannte Schweden, Namens Anckarswärd, die Nieder länder Artevelde, mehrere Französische Offiziere niederen Grades , Namens Autichamp, u . A. m .
Vergleicht man den Artikel „ Arcolay “
mit dem über Prinz Albrecht von Preuszen oder Alvensleben , so steigen Zweifel auf, ob überall mit richtigem Maasze gemessen .
Die
Quellen tiber den Krieg mit Atschin dürften wohl nicht die besten erreichbaren gewesen sein ; der Aufsatz über den Aschanti -Krieg ist meines Erachtens weit über die gestatteten Grenzen ausgedehnt ; Attacken der Infanterie berührt das Werk nicbt. Einen reichen Schatz von Worten aus der Türkischen Militairsprache enthalten die vorliegenden vier Lieferungen hingegen .
Rühmend müssen noch die
erläuternden Abbildungen hervorgehoben werden .
Allerdings fordert
manche Zeichnung in sofern die Kritik heraus, als die festgehaltenen Grundsätze , welche Artikel einer bildlichen Erläuterung bedürfen, nicht recht erkennbar sind.
Die Abbildungen von einzelnen Theilen
der Trajans- Säule, die bildlichen Darstellungen der verschiedenartig sten Bogen und Armbruste haben ein historisches, aber kaum ein
1
380
Umschau in der Militair -Literatur.
voll militairisches Interesse.
Das vorliegende Bild des Markgrafen
Albrecht berechtigt zu der Frage , ob derselbe am 18. März 1522, wie es im Texte heiszt, geboren ist. Diese kurzen Bemerkungen, die mir bei einer flüchtigen Durch sicht der vier Lieferungen des Poten’schen Hand -Wörterbuches unter die Feder kamen , werden bei dem vielen Guten und Vortrefflichen des Werkes dessen hohen Werth gewiss nicht im Mindesten beeinträchtigen . Wie man es auf dieser Welt niemals Allen recht machen kann , so wird auch ein Buch für Alle immer zu einzelnen Ausstellungen An lass geben . Eine strenge Auswahl des Bringenswerthen und richtige Begrenzung des Gebrachten sind die äuszerst schwer durchführbaren Aufgaben der Redaction ; der Zweck dieser Zeilen war es, nach dieser Richtung hin wohlwollende Winke zu geben. Wie ausfübrlich übrigens das Werk in den 727 Artikeln des Buchstaben „ A “ ist, beweist schon der Umstand , dass die Webelsche Encyklopädie mit den mehr als 1000 Stichworten desselben Buchstaben doch einen geringeren Raum einnimmt .
Vorbereitung für das Examen zur Kriegs-Akademie.
Ein Rath
geber zum Selbststudium . Mit 11 Planskizzen und 2 Anlagen . 8º . Berlin 1877 . C. Feicht. 116 Seiten . Es ist eine ebenso zweifellose wie erklärliche Thatsache , dass seit dem
letzten Kriege ein hervorragendes Streben nach geistiger
Fortbildung in dem Offiziercorps des Deutschen Heeres herrscht. Der grosze Theil desselben ist natürlicher Weise hierbei auf das Selbststudium angewiesen ; nur eine verhältnissmäszig geringe Zahl jüngerer Offiziere kann die groszen Vortheile, welche der Besuch der Kriegsakademie gewährt , für ihre Weiterbildung verwerthen .
Die
Vorbereitung zu dem Examen behufs Zulassung an diese höchste mili tairische Bildungsanstalt des Preuszischen Heeres muss im Wesentlichen aber auch durch Selbststudium bewirkt werden . Es handelt sich bei dieser Prüfung nicht darum , Rechenschaft über Neuerlerntes abzu legen , sondern es gilt, darzuthun, dass das bereits früher Gewusste weiter verarbeitet und mit den Jahren in reifere Anschauungen ge bracht ist.
Dies lässt sich hauptsächlich durch das Studium guter
Werke und durch häufige schriftliche Uebungen erreichen . Der löbliche Zweck des vorliegenden Buches ist es nun , die besten Mittel und Wege anzugeben, wie die Betreffenden durch Selbst studium sich für die Annahmeprüfung zur Kriegsakademie vorbereiten
Umschau in der Militair - Literatur.
381
können. Diese recht praktische Idee ist in wohlgeeigneter Weise gelöst worden.
Aus der ganzen Beanlagung und den Angaben des
Buches sprechen Erfahrung und gesunder militairischer Sinn , der mehr dem reellen Sein , als dem Scheine huldigt. Mancher Offizier hat von dem Wesen und dem Zwecke der Kriegsakademie ganz falsche Begriffe, Viele sind sich unklar über die Bedeutung und die Folgen des Besuches dieser Bildungsanstalt.
Das kleine vorliegende
Büchlein giebt klare, kurze Aufklärung über Alles, was die Kriegs akademie bezweckt, was in Betreff der Zulassung bestimmt ist, was und wie auf dieser Schule gelehrt wird. Nicht auf eine blosze Wieder gabe der Bestimmungen für das Examen beschränken sich hierbei die bezüglichen Angaben, es sind vielmehr sämmtliche Aufgaben verzeichnet, welche in den letzten 16 Jahren zu diesem Zwecke gestellt wurden . Es wäre vielleicht angezeigt gewesen ,
auch bei mehreren dieser
Aufgaben die Lösung , nicht als Muster , sondern als Beispiel folgen zu lassen. Auf das kurze Capitel „ Wie soll man Kriegsgeschichte treiben “ sei noch besonders hingewiesen . Die dort niedergelegten Ansichten werden gewiss viele Gleichgesinnte finden , obwohl die Behauptung, „ Jeder, der das Wesen des Krieges erfassen will, muss aus der Kriegsgeschichte selbst in eigenem Studium sich diese Er fahrungssätze entwickeln “, nach meiner Ansicht viel zu weitgehend und allgemein gehalten sein dürfte. Wenn dem Buche ein Vorwurf zu machen ist, so wäre es der, dass es höchstens zu praktisch, fast zu sehr seinen Zweck vor Augen hat.
Diesen allerdings nur sehr
bedingten Einwand , werden gewiss Diejenigen nicht gelten lassen, welche sich Aufklärung darüber verschaffen wollen , wie die Auf nahme in die Kriegsakademie zu erreichen , was mit dem Besuche dieser Anstalt für Folgen verbunden sind.
Friedrich's des Groszen Lehren vom Kriege und deren Bedeutung für den heutigen Truppenführer. Aus den militairischen Schriften des Königs dargelegt von A. v. Taysen , Major im groszen Generalstabe. — Berlin 1877. – E. S. Mittler & Sohn .
8º.
99 Seiten .
„ Die Kriegskunst beruht, wie jede andere Kunst, auf unabänder lichen Grundlagen ; die Art hingegen , diese Gesetze anzuwenden, ,,Die wahren Grundsätze des hängt von den Verhältnissen ab . “ Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXII. 26
382
Umschau in der Militair - Literatur.
Krieges sind diejenigen , welche die groszen Feldherren befolgt haben, deren Groszthaten uns die Geschichte überlieferte , als : Alexander, Hannibal , Cäsar , Gustav Adolph , Prinz Eugen und Friedrich der Grosze .“ – Mit diesen beiden, den Werken Lloyd's und Napoleon's entlehnten Aussprüchen möchte ich Friedrich des Groszen Lehren vom Kriege sofort in ihr volles Recht einsetzen : zu gelten für alle Zeiten , und mehr zu gelten , als andere , sonst aufgestellte Lehren . Denn in diesen Lehren vom Kriege hat der grosze Feldherr selbst die Grundsätze niedergelegt, welche er selbst befolgt und erprobt hat. Auch in dieser Beziehung ist Friedrich einzig , sind seine Lebren einzig . Preuszens Könige wandeln seit 200 Jahren auf fester , vor gezeichneter Bahn , die Thaten der Enkel stehen in sammenhange mit dem Schaffen der Ahnen .
engem
Zu
Die mächtige, kräftige
Eiche , die jetzt Deutschlands Volk beschirmt , ist derselbe Baum, der zu des groszen Churfürsten , des groszen Friedrich's Zeiten em porwuchs.
Darum stehen diese Träger von Preuszens und Deutsch
lands Grösze geistig noch mitten unter uns ; nach hundert Jahren klingt ihr Wort und ihre That dem Enkel noch ! Gerade jetzt , wo Deutschlands Heer auf seine jüngst errungenen Waffenerfolge stolz sein darf, schweift der Blick mit Vorliebe zurück auf jene Zeit, wo Friedrich’s Kriegsrubm hell aufleuchtete , um dort die Fundamente zu suchen für den mächtigen Aufbau des
Deutschen Heerwesens .
Einer zeitgemäszen und dankenswerthen Aufgabe hat der Verfasser der vorliegenden Schrift sich daher unterzogen , dass er das Gold aus den Friedericianischen Lehren vom Kriege gesammelt und ge zeigt hat ,
welcher hohe Werth denselben , trotz der ganz anders
gewordenen Zeiten , noch heute innewohnt.
Der Verfasser hat es
sich nicht verdrieszen lassen , in den Archiven zwischen dem Staube der Acten nachzuforschen nach einzelnen , bisher weniger zu Tage getretenen Goldkörnern.
Ueber das Gesammtresultat seines Suchens
giebt er uns in dem ersten Theile seines Werkes Rechenschaft, indem er Historisch -Kritisches über zehn Lehrschriften des groszen Königs bringt.
Manche neue, werthvolle Angabe enthält dieser Ab
schnitt , der das beste Zeugniss darüber ablegt , mit welcher Gründ lichkeit und Gewissenhaftigkeit der Verfasser zu Werke gegangen ist.
Seine , in einzelnen Punkten von den bisherigen Annahmen ab
weichenden Ergebnisse getroffen. Abschnitt ,
haben allem Anscheine nach das Richtige
Den Haupttheil des Werkes
bildet jedoch der zweite
in welchem dargethan ist , dass Friedrich's Grundsätze über den taktischen Angriff, die taktische Vertheidigung , den stra
383
Umschau in der Militair -Literatur.
tegischen Angriff, die strategische Vertheidigung heut zu Tage noch in ausgedehnter Weise Gültigkeit haben. Ganz besonders sind die Grundlehren der Friedericianischen Angriffstaktik fast Wort für Wort noch für die moderne Kampfweise anwendbar. Die moralische Ueberlegenheit des Angriffes, Vernichtung des Feindes , Ausnutzung der Feuerwirkung , Kämpfen aus der Tiefe, angreifende, versagende Flügel , Verwendung der Cavallerie auf den Flügeln und im Wesent lichen nur , um die Aufgaben der Infanterie zu ermöglichen und deren Erfolge auszubeuten , vorbereitendes Artilleriefeuer , Verfolgen des Feindes bis zum letzten Athemzuge : das sind alles Schlagworte , welche bereits in des Königs Lehren vom Kriege enthalten sind . Die heutigen Formen des Kämpfens gehören im Wesentlichen der bekanntlich erst durch Friedrich zur vollen Entwickelung gebrachten Lineartaktik an. Es sei auf diese Annäherung an die Friedericia nische Zeit hier um so mehr hingewiesen , als die Colonnentaktik, mit welcher der grosze Corse in richtiger Ausnutzung der gegebenen Mittel seine Siege erfocht, eine Zeit lang falsche Grundsätze in die Lehren vom Kampfe einzuschmuggeln drohte. Diese Zeilen werden zur Charakteristik des vorliegenden Buches genügen . Gewandte Darstellungsweise, Klarheit in Zweck und Ziel, sowie das Innehalten richtiger Grenzen erhöhen dieses Werkes . dasselbe
eine
noch den Werth
In historischer wie in taktischer Beziehung bildet werthvolle
Bereicherung
Sonst sachgemäsz ausgestattet , sinnentstellende Druckfehler.
unserer
Militair - Literatur.
enthält das Buch jedoch mehrere
Statistik der in dem Kriege 1870 bis 1871
im Preuszischen Heere etc. vorgekommenen Verwundungen und Tödtungen. Von G. Fischer, Rechnungsrath im Justizministerium . Berlin 1876.
(R. v. Decker. )
49.
64 Seiten .
Preis : 4 Mark.
Die vorliegende, mit ersichtlichem Fleisze bearbeitete Zusammen stellung der durch Waffenwirkung bezw. durch Verunglückung ver anlassten Tödtungen und Verwundungen behandelt die während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 bis 1871 bei den Truppen des Norddeutschen Bundes, mit Ausschluss des XII . (Königlich Sächsi schen) Armeecorps, vorgekommenen Fälle.
Als Unterlage dienten
die Seitens des Königlich Preuszischen Kriegsministeriums veröffent 26 *
Umschau in der Militair - Literatur,
384
lichten Verlustlisten, deren Angaben jedoch nachträglich durch Ver gleichung mit den bei dem „ Central - Nachweisungsbüreau für ver wundete und kranke Krieger “ eingegangenen Lazarethrapporten , bezüglich
des
1870 bis 1871
Offiziercorps
auch nach
den
in
der Rangliste für
und im Militair -Wochenblatte veröffentlichten Nach
weisungen über die zur amtlichen Kenntniss gekommenen
Todes
fälle gebliebener oder an Wunden gestorbener Offiziere controlirt und berichtigt worden sind . Der Herr Verfasser verfolgte bei der Bearbeitung ausschlieszlich den Zweck , die Gefechtsverluste der Armee näher darzustellen nach der Art , nach dem Orte und
nach
der Häufigkeit der Verletzungen, ferner nach der Wirkung der im Kriege zur Verwendung gekommenen feindlichen Waffen und nach den einzelnen Waffengattungen. Die Verluste in Folge von Krank heiten wurden deshalb nicht mit in Betracht gezogen und auch die erhebliche Zahl der nach den Gefechten
als
„ Vermisste “
in
Ab
gang gebrachten Militairpersonen, welche groszentheils zu den Ge fallenen oder verwundet in Feindeshand als Gefangene Verbliebenen zu rechnen sein dürften , blieb unbeachtet.
Die Zahl der bei Ab
schluss des bekannten Werkes des Directors des Königlich Preuszi schen statistischen Büreau's , „ die Verluste der Deutschen Armeen im Kriege gegen Frankreich 1870 und 1871 " , in Tabelle 6 nach gewiesenen Noch -Vermissten,
welcbe
fast durchweg
zu den
Ge
bliebenen zu rechnen sind, beträgt 4009 Mann . Im
Ganzen
umfasst die
Bearbeitung der
hier
besprochenen
bezw . Verwundun
Statistik 88,877 Fälle, nämlich 4668 Tödtungen gen von Offizieren , Aerzten , Vicefeldwebeln , Fähnrichen etc.
und
84,209 Verletzungen , welche Unteroffiziere und Mannschaften
be
troffen haben .
Von der Gesammtzahl lagen jedoch nur über 65,160
Fälle genauere Angaben über die Art und den Ort der Verletzung, sowie die Waffe, welche dieselbe veranlasst hatte, vor, und zwar für 3948 Fälle, welche Offiziere etc. betrafen , und für 61,212 Fälle bei der Mannschaft.
Nur diese genauer bekannten Fälle konnten
für den Zweck der vom Verfasser bearbeiteten Statistik ausgenutzt werden, während die übrigen 23,717 Fälle nur summarisch erwäbnt wurden. Diese Unvollständigkeit der vorliegenden Unterlagen , welche durch die immer noch beträchtliche Zahl der genauer bekannt ge wordenen Fälle keineswegs ihre Bedeutung verliert, beeinträchtigt die Zuverlässigkeit der abgeleiteten Vergleichszahlen.
Dieser Um
stand dürfte wohl vorzugsweise veranlasst haben, dass das Seitens
Umschau in der Militair - Literatur.
385
des Herrn Verfassers bearbeitete Thema nicht bereits früher amt lich oder durch berufsmäszige Statistiker, z . B. im Anschlusse an die „ Verluste der Deutschen Armeen im Kriege gegen Frankreich “, zur Darstellung gelangte. Immerhin bleibt die mühevolle Zusammenstellung der nach den Verlustlisten
bekannt gewordenen Tödtungen
und Verwundungen
eine dankenswerthe Leistung der Privatstatistik, welche namentlich für die Militairärzte von erheblichem Interesse ist und 2, wie wir hoffen, auch in weiteren Kreisen eine Anregung dafür bieten wird , für die Zukunft in geeigneter Weise die Gewinnung vollständigerer Unterlagen sicherzustellen. Es liegt gerade über den Sitz der im Kriege durch feindliche Waffenwirkung vorgekommenen Verletzun gen und den Verlauf derselben bei der folgenden ärztlichen Be handlung so auszerordentlich wenig Material vor, dass jeder
Bei
trag, namentlich aber eine so sorgfältige Durcharbeitung der einiger maaszen zuverlässig erhobenen Thatsachen,
wie es die vorliegende
Statistik des Herrn Fischer ist, eine werthvolle Bereicherung bildet . Es ist nur zu bedauern, dass dem Herrn Verfasser das denselben Gegenstand behandelnde umfangreiche Werk des Generalarztes der Französischen Armee, Dr. Chenu,
„ Aperçu historique, statistique et
clinique sur le service des ambulances et des hôpitaux etc. pendant la guerre de 1870—1871 , Paris 1875 “ , nicht bekannt geworden zu sein scheint , bietet ,
da dieses Gelegenheit
zu interessanten Vergleichen
und u . A. ersichtlich macht ,
wie ungleich wirksamer die
Deutsche Artillerie während des letzten Krieges gewesen ist , die Französische , während für das Gewehrfeuer Verhältniss stattfindet.
als
das umgekehrte
Die Unterscheidung der Verwundeten in Leicht-
und Schwer
verwundete wurde nach den bezüglichen Angaben der Verlustlisten beibehalten und ist nicht nach gleichmäszigen Grundsätzen erfolgt, was schon daraus hervorgeht , dass nach Seite 40 von 28,498 leicht verwundeten Mannschaften 449 an der Wunde gestorben sind, während auf 21,701 schwerverwundete Mannschaften 2500 und auf 3641 überhaupt als „ verwundet“ bezeichnete Mannschaften 150 Todes fälle nachträglich zu verzeichnen waren . Bei den die Verletzungen oder Tödtungen veranlassenden Waffen ergiebt sich für die genauer bekannt gewordenen Fälle folgendes Verhältniss , und zwar einschlieszlich der Getödteten : verletzt vom Tausend aller Verletzten :
Es wurden
durch Schüsse 860 ( wobei
Umschau in der Militair - Literatur.
386 augenscheinlich
auch die Mitrailleusen- und Shrapnel- Schüsse mit
gerechnet worden sind) , durch Granatsplitter 78 , durch Säbelhiebe und Kolbenschläge 3 , durch Bajonnet- und Lanzenstiche 9 , durch Sprengstücke
von
Gestein
etc.
4,
durch Brandwunden
1,
durch
Minenexplosion 1 , durch unbekannte Waffen 40. -Es blieben
sofort todt in Folge von Schussverletzungen 166
per mille der verletzten Offiziere bezw. 122 per mille bei der Mann schaft; in Folge von Granatsplittern dagegen 148 per mille der ge troffenen Offiziere und 136 per mille bei der Mannschaft. Gewehrschüsse, Granatsplitter und Hieb- und Stichwunden bilden bei den einzelnen Waffengattungen in folgendem Verbältnisse die Ursache der Verletzungen : Gewehrschüsse . Granatsplitter. Blanke Waffen. ( Vom Tausend Verletzter jeder Waffengattung.) 779 116
Höhere Stäbe .
892
Infanterie
62
7 175
Cavallerie
755
46
Artillerie
563
306
Pioniere Sanitätsdetachements
625
274
19
750
225
25
Allgemein bildeten mithin Gewehrschüsse die am häufigsten vor gekommene Ursache der Verletzungen, nächstdem Granatfeuer, und zwar letzteres vorzugsweise bei der Artillerie und den Pionieren. Wie sehr die gute Wirkung der Deutschen Artillerie die feindliche Geschützwirkung
unserer Infanterie gegenüber
verminderte , geht
1. A. daraus hervor, dass im Feldzuge des Jahres 1866
bei der
Preuszischen Armee nach Angabe des Militair-Wochenblattes (1867, Seite 244 ) durch Gewehrschüsse 790, durch Geschützfeuer 160 und durch blanke Waffen fast 54 Verletzungen unter je tausend Fällen vorgekommen waren . Nach dem Sitze der Verletzung vertheilen sich die genauer be kannt gewordenen Fälle folgendermaaszen in und Verwundungen : Norddeutsches Sitz der Verletzung. Heer ohne XII. Armeecorps .
per mille aller Tödtungen XII. ( Königl. Sächsisches ) Armeecorps .
Badische Truppen.
Kopf
174
168
176
Arm und Hand
218
218
216
Oberschenkel
105
107
117
144
131
129
Brust und Schulter .
.
Umschau in der Militair -Literatur. -
387
Norddeutsches Heer ohne XII. Armeecorps.
XII. (Königl. Sächsisches ) Armeecorps.
111
123
69
27
24
32
.
68
74
99
Unterleib, Seite Rücken
83
87
90
23
25
22
Sitz der Verletzung.
Bein , Unterschenkel, Wade Knie
Fusz, Zeben
Badische Truppen .
Gesäsz , Geschlechtstheile . Hals
7
9
12
22
24
26
Finger
18
10
11
1. Die Verhältnisszahlen für das Königlich Sächsische Armeecorps und die Badischen Truppen wurden vom Herrn Verfasser auf Grund der inzwischen erschienenen Verlustlisten berechnet. Es wurden sofort getödtet vom Tausend der überhaupt an den nachbenannten Körpertheilen verletzten Offiziere bzw. Mannschaften : Kopf 420 bzw. 491 ; Brust 352 bzw. 315 ; Unterleib 131 bzw. 107 ; Hals 49 bzw. 32 ; Rücken 15 bzw. 16 ;
Seite 17 bzw. 12 ;
Ober
schenkel 3 bzw. 8 ; Schulter 1 bzw. 6 ; Bein 6 bzw. 6 ; Arm 1 bzw. 3 ; Unterschenkel 1 bzw. 1 ; Knie 1 bzw. 1. Wir müssen uns versagen, hier noch weitere Auszüge aus dem interessanten Inhalte der Fischer'schen Statistik mitzutheilen und ver weisen auf das Werk selbst. A. v. F.
ti
388
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
XXIV .
Verzeichniss
der
bedeutenderen Aufsätze
aus
anderen militairischen Zeitschriften . ( 15. Januar bis 15. Februar 1877.)
Neue militairische Blätter (Februar 1877) :
Beiträge zur Ge
Die Kämpfe auf der
schichte des Preuszischen Ingenieur- Corps.
Balkan -Halbinsel. – Lose Fragmente aus der Zeit des Nordameri Der neue Mobil kanischen Bürgerkrieges von 1861 bis 1865. machungsplan der Italienischen Armee und die strategischen Ver Die Französische bältnisse Italiens im Anfange eines Krieges . Militair- Intendantur während des Feldzuges 1870 bis 1871 . Allgemeine Militair -Zeitung (Nr. 2-5) : Die Lothringischen Kriege Karls des Kühnen , Herzogs von Burgund, 1475 bis 1477. Taktische Briefe I. - Ein verdienstvolles Triumvirat: Delvigne, Nessler, Wurstembergert.
Zur Revolverfrage. –
Rückblicke auf
den Türkisch- Serbischen Krieg. – Das Körner- Museum in Dresden. Deutsche Heeres - Zeitung ( Nr. 4–7): Die Oesterreichisch - Un garische Land- und Seemacht. Die Herbstmanöver des Französi schen Heeres im Jahre 1876 . Kürassier- Frage . --
Das 100 - Tons -Geschütz.
Manöver -Eindrücke bei einer Preuszischen
vision im Herbste 1876. -
Mittheilungen
über
neue
Die Di
Handfeuer
waffen. - Ueber neuere Befestigungs- Anlagen . Archiv für die Artillerie- und Ingenieur - Offiziere des Deutschen Reichsheeres (81. Band, I. Heft ): Die Festung Graudenz. - Beitrag zur Ballistik für gezogene Geschütze . Eine artilleristische Bilder bandschrift aus Danzig. Streffleur's Oesterreichische militairische Zeitschrift (Heft | für 1877 ) : Studie über das Maasz der Streitkräfte. – Bericht über die durch die Feld - Artillerie - Truppen ausgeführten scharfen Uebungen mit dem neuen Feld - Artillerie- Materiale . - Schieszversuche der In fanterie als Beitrag zur Theorie des Kampfes um Feldschanzen .
>
aus anderen militairischen Zeitschriften .
Beiträge zur vaterländischen Geschichte.
389
Betrachtungen über die
Schlacht bei Solferino . Organ der militair -wissenschaftlichen Vereine (XIII. Band, 4. Heft): Gedanken eines Grundzüge für Dispositionen bei Einschiffungen. Truppen -Offiziers über die Ausbildung des Soldaten . - Beiträge zur Geschichte des Generalstabes . Oesterreichisch - Ungarische militairische Blätter ( 1. Januar -Heft): Ueber den Einfluss des Offiziers auf die Pflege soldatischer Gesinnung 1 im K. K. Heere . — Schlacht auf dem Brodfelde in Siebenbürgen am 13. October 1479 gegen die Türken . -- (2. Januar-Heft): Der Serbisch Türkische Krieg. - Ueber Distanzmesser. — (I. Februar -Heft): Stra
20
tegische Beleuchtung über das Russisch-Türkische Kriegstheater in Europa . Das Castell Dell Ovo und das Castell Sant Elmo in Neapel . Oesterreichische Militair - Zeitung (Nr. 5-11) : Ueber Wasser straszen. Die Administration der Englischen Kriegsmarine. Die Regimentsgeschichte in den Volksschulen . – Die Statistik der wunden Füsze . – Ueber künstliche Marschbeschleunigung . Oesterreichisch - Ungarische trachtungen über die marschall Radetzky .
Wehr - Zeitung
( Nr.
4-10) :
militairische Lage Oesterreichs von Die strategische Aufmarsch - Zone.
Be Feld Eine
Episode aus den Kriegsjahren 1848 und 1849 in Italien . Oesterreichisch-Ungarische Militair-Zeitung „ Vedette" (Nr. 4-12) : Die gegenwärtige Bewaffnung der Feld-Artillerien der wichtigsten Europäischen Staaten . – Pferde vom La Plata als Remontepferde Von unserer in Europa . Schieszen auf grosze Distanzen . Marine . Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens ( 1. Heft ): Ueber die Verwendung der Artillerie bei den Schluss Manövern im Jabre 1876 zwischen Donau und Thaya. Die Bul garischen Donau -Festungen. – Die Pulverfrage in England. Mittheilungen aus dem Gebiete des Seewesens ( Nr. 1 ) : Ueber die Erhaltung der Wasserdichten Schotte und der Wasserableitungs -Vor richtungen auf Panzerschiffen im dienstbereiten Zustande. Russische Brustwebrmonitor Peter der Grosze . – Constantinopel.
Der
Das Arsenal von
Das Arsenal von Nikolajew .
Erprobung und Einführung des Intensitäts - Multiplicators in S. M. Kriegsmarine. Neue Amerikanische Propellermaschine. – Verbesserte automatische Signalboje.
26 **
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze
390
L'avenir militaire (Nr. 402-407 ) :
Die
Fusz - Uebungen der
Artillerie. – Praktische Instruction der Infanterie - Cadres. – Ar Das Kriegs -Budget pro 1878. – Die Offiziers tillerie - Technik .
IT
Die technischen Sectionen
1
Zusammenkünfte.
Marsch - Taktik . Eine Studie
der Eisenbabnarbeiter.
über die Unteroffiziere.
Die Revisionsberathungen . Bemerkungen über die Artillerie. Das neue Ein Wort über das Reglement. Die Küsten-Artillerie.
Reglement für den Veterinairdienst der Armee . Le Spectateur militaire (15. Januar 1877 ) : Ein Blick auf die Militairmacht Russlands . – Die Italienische Armee und die moderne Taktik .
Studie über den Feldzug im Osten . -
Versuch eines
Abrisses der Kriegsphilosophie . Journal des sciences militaires (Januar 1877 ) : Ueber die Kriegs Die ad Die Unteroffiziersfrage. III . Die Artillerie.
kunst.
ministrative Reorganisation der Französischen Armee. – Die Militair Straszen der groszen Alpen und die Austro- Italienische Grenze .
Revue d'Artillerie ( Januar-Heft ): Ueber die Bewegung schwer wiegender Körper bei mittlerem Widerstande . Artillerie - Taktik während des Krieges von 1866 , Gefecht von Tobitschau , Rokteinitz, Blumenau , Aschaffenburg , Bischofsheim , Werbach , Gerchsheim und Rossbrunn . — Versuche mit Festungsgeschützen, ausgeführt in Russ land im Jahre 1875. – Versuche, in Italien betreff der Annahme eines schweren Feldgeschützes . Englische
Artillerie ,
in
Betreff
Versuche , ausgeführt durch die einer
neuen
Schieszbaumwolle:
„ nitrale de baryte“ . Revue Maritime et Coloniale ( Februar - Heft):
Die Französische
Kriegsmarine , ihre Organisation und Verwaltung . — Ueber den An griff der Küsten -Befestigungen durch die Flotten der Gegenwart. Das Artillerie -Material der Russischen Marine. – Die Vertheidigung der maritimen Grenzen . Russ . Invalide ( Nr. 1-21 pro 1877 ) : Uebersicht der wichtigsten politischen Ereignisse im Jahre 1876. - Eine Reise durch das Thal Der Schwedische Generalstab. - Vorträge über von Fergana. das Völkerrecht. Wojenny Sbornik ( Januar-Heft): Türkei. –
Die Kriege Russlands mit der
Neue Bemerkungen über die Deutsche Armee . –
Be
merkungen über die Türkischen Truppen, mit besonderer Berücksichti gung der Cavallerie.
391
aus anderen militairischen Zeitschriften.
Russ. Ingenieur- Journal (November -Heft): Der praktische Minen krieg , ausgeführt 1875 bei der 2. Sappeur -Brigade. Resultate der Versuche mit der Locomobile ( Dampfsappeur) bei der 2. Sappeur Brigade. – Beschreibung und Prüfung der zwei Etagen hohen Joch brücke, construirt 1876. Morskoi Sbornik (Januar -Heft ): Angaben zur Projectirung neuer Ueber die Vertheidigung Schwedens. – Eine der Ur
Maschinen .
sachen der Zusammenstösze der Schiffe auf der See. L'Esercito ( Nr. 6—13) : Die öffentliche Sicherheit in Sizilien. Das Avancement in der Französischen Armee. Das Scheiben Die Belagerung schieszen in Italien. Ueber Schützenlinien . von Gaeta 1860 bis 1861 .
Rivista militare italiana ( Januar- Heft) : Die groszen Manöver des Deutschen Heeres im Sommer 1876 . Betrachtungen über die Einrichtung des Telegraphendienstes hinter den Heeren . – Die Mu nitions -Ausrüstung der Feld - Artillerie. – Von den militairisch - geo graphisch-statistischen Verhältnissen der Europäischen Türkei und der kleineren an dieselbe grenzenden Staaten . Das 100- Tons Geschütz und die Panzer von 55 Centimeter. Giornale d'artiglieria e genio (Februar - Heft ): Genie -Waffe in Preuszen . – Die Panzerthürme.
Organisation der Oesterreichische
Krupp's Panzerkanone.
Feld -Artillerie.
Rivista marittima ( Januar-Heft ):
Hydraulisches und Geschicht
liches über den Hafen Venedigs und die Ebbe und Fluth daselbst . Army and Navy Gazette (Nr. 895 - 897) : Die Französische Territorial- Armee. Die Britische Armee , ehemals und jetzt. Die Besetzung von Quettah. Naval and Military Gazette (Nr. 2300—2303) : Special- Bericht England und die Die militairische
des Kriegsministeriums über Sanitätswesen . Pariser Declaration . - Geschütze und Panzer. Geographie
der
Europäischen Türkei. -
übungen in Indien. Army
and
Navy Journal
Generals Sheridan.
Die
Infanterie - Schiesz
Die Marine Italiens. (Nr. 698-700 ) :
Der Bericht des
General Pope's Antwort an den Grafen von
Paris . — Verwaltung Abraham Lincoln's.- Reorganisation der Marine. – John J. Abercrombie. – Die Disciplin im Heere und der Marine. La Belgique
militaire
(Nr. 313-316) :
Einige
Belgisch -mili
tairische Erinnerungen. -- Uebung des Kriegsspiels. — Die militairische
392
Verzeichniss der bedeutenderen Aufsätze etc.
Situation Belgiens in der Beurtheilung des Auslandes .
National
Vertheidigung in Holland . Allgemeine Schweizerische Militair - Zeitung (Nr. 3—6) : Die Unteroffizierfrage. Die fortschreitende Entwickelung der Fran zösischen Armee. – Militairischer Bericht aus dem Deutschen Reiche. Revue militaire suisse (Nr. 2 ) :
Der Krieg im Orient.
Ein
Vorschlag zum Zwecke der Herstellung des Gleichgewichtes zwischen den Einnahmen
und Ausgaben der Conföderation , durch die Re
duction von acht Divisionen auf sechs, ohne dadurch der Armee zu schaden . - Studie über Terrain - Erhöhungen auf den Karten . Englische Geschütze schweren Calibers. Kongl. Krigsventenskaps - Akademiens Handlingar och Tidskrift (30. November bis 15. December) : Griechenlands Kriegsmacht. – Versuch zur Bericht über die Veränderungen im Seekriegswesen
Beantwortung der Frage : Welche Veränderungen sind in der Be waffnung und Kampfweise der Cavallerie nach den neuesten Er fahrungen nothwendig . Revista militar (Nr. 2 ) :
Ueber Krieg und
Disciplin .
Die
Italienischen Manöver 1876. Memorial de Ingenieros y revista cientifico militar ( Nr. 2–3) : Bemerkungen über den letzten Krieg in Catalonien ( 1872–1875). – Kritisches Urtheil über die in Frankreich und Deutschland im Jahre 1876 ausgeführten groszen Manöver. - Zerstörungen durch Dynamit und neue Erfahrungen über Minen . Hospital-Ventilation.
Verantwortlich redigirt von Major v. Marées, Berlin, Bülow -Strasze 5. Verlag von F. Schneider & Co. (Goldschmidt & Wilhelmi), Berlin , Unt. d. Linden 21 . Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
BandXXII ,TafL
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