Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der internationalen Mineralölindustrie: Ihre Bedeutung für die Energieversorgung der Welt [1 ed.] 9783428425143, 9783428025145


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German Pages 252 [253] Year 1971

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Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der internationalen Mineralölindustrie: Ihre Bedeutung für die Energieversorgung der Welt [1 ed.]
 9783428425143, 9783428025145

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Volkswirtschaftliche Schriften Heft 173

Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der internationalen Mineralölindustrie Ihre Bedeutung für die Energieversorgung der Welt

Von

Rudolf B. Eich

Duncker & Humblot · Berlin

R U D O L F B. E I C H

Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der internationalen Mineralölindustrie

Volkswirtschaftliche

Schriften

Herausgegeben von Dr. J. B r o e r m a n n , Berlin

Heft 173

Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der internationalen Mineralölindustrie Ihre Bedeutung für die Energieversorgung der Welt

Von

Dr. Rudolf B. Eich

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1971 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1971 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02514 8

Inhaltsverzeichnis Vorwort

11

Erforderlidie Vorbemerkungen

14

1. Definitionen

14

2. Abgrenzungen

15 Erster Teil

Mineralölindustrie und Energiewirtschaft Erstes Kapitel:

Volkswirtschaftliche

Bedeutung

der Energiewirtschaft

I. Entwicklung des Energieverbrauchs

17

I I . Wirtschaftliches Wachstum u n d Energieverbrauch

19

I I I . Schätzungen des künftigen Energiebedarfs Zweites Kapitel: schaft

Stellung

der Mineralölindustrie

20 in der

Energiewirt-

I. Entwicklung der Welt-Erdölförderung Vordringen

I I I . Künftige S t r u k t u r des Energieverbrauchs der internationalen

Konzerne

für die

38 39

I I . A n t e i l der internationalen Konzerne an den verschiedenen Stufen der Mineralölindustrie 1. Erdölsuche 2. Förderung v o n Rohöl 3. Verarbeitung von Rohöl i n Raffinerien 4. Absatz von Erdölerzeugnissen 5. Investitionstätigkeit I I I . Entwicklungstendenzen

I. Versuche politischer Einflußnahme 1. Konsumländer 2. Förderländer

30 35

I. Die internationalen Konzerne

Viertes Kapitel: Das Interesse der KonsumTätigkeit der Mineralölindustrie

25 25

I I . Strukturelle Verschiebungen i m Energieverbrauch: des Erdöls Drittes Kapitel: Die Bedeutung Welt-Mineralölindustrie

17

und Förderländer

an der

40 40 42 43 44 44 46 49 50 50 53

6

Inhaltsverzeichnis I I . A u s w i r k u n g e n der politischen Einflüsse auf die Tätigkeit der Mineralölindustrie

Fünftes Kapitel: Investitionstätigkeit Mineralölindustrie

und

Investitionspolitik

in

der

I. Investitionen u n d Konzentration

57 57

I I . Einfluß der Kapitalintensität auf die Investitionspolitik Zweiter

55

58

Teil

Die Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie seit 1946 Sechstes Kapitel:

Investitionstätigkeit

und Wachstum

seit 1946

I. Investitionsvolumen

61 62

I I . B r u t t o - u n d Netto-Anlagevermögen

67

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen 1. Erdölgewinnung 2. Transportwesen 3. Raffinerien 4. Chemische Anlagen 5. Vertrieb 6. Andere Sektoren

70 78 80 81 82 83 84

I V . Regionale Verteilung der Investitionen 1. Investitionen i m Bereich der Erdölgewinnung 2. Investitionen f ü r das Transportwesen 3. Investitionen i m Raffinerie-Bereich 4. Investitionen i n Chemischen Anlagen 5. Investitionen f ü r Vertriebseinrichtungen

86 91 91 92 93 93

V. Mineralölverbrauch u n d Investitionen V I . Die Kapazitäten der Mineralölindustrie V I I . Investitionen u n d Kapazitäten

94 95 100

V I I I . Außerökonomische Einflüsse auf die Investitionstätigkeit

109

Siebentes Kapitel:

111

Gegenwärtige

Struktur

der Mineralölindustrie

I. Organisation der Mineralölindustrie I I . Der Mineralölmarkt

111 115

Dritter

Teil

Die Investitionspolitik der Mineralölunternehmen Achtes Kapitel: Neuntes Kapitel:

Investitionspolitik

als Basis der Investitionstätigkeit..

Die Investitionsdeterminanten

I. Analyse u n d Prognose — Organisation u n d Formalisierung I I . Die Investitionspolitik bestimmenden bzw. beeinflussenden F a k toren

119 123 124 126

Inhaltsverzeichnis I I I . Exogene Faktoren 1. U m w e l t 2. Erdöl- bzw. Energiepolitik

127 127 131

3. Sonstige Faktoren

134

I V . Endogene Faktoren 1. Nachfrage 2. Angebot 3. Kapitalverfügbarkeit 4. Forschung u n d Entwicklung

135 137 143 163 164

V. Beeinflußbarkeit der Faktoren

164

Zehntes Kapitel:

Investitionspolitik

und ihre Durchführung

166

I. Ziel u n d Maßnahme

167

I I . Setzung der Unternehmensziele 1. Zielsetzung Erdölbereich 2. Zielsetzung Nicht-Erdölbereich (Diversifikation) a) Primäre Diversifikation b) Sekundäre Diversifikation c) Tertiäre Diversifikation

168 172 181 185 188 191

I I I . Festlegung der Unternehmensstrategie

192

I V . Investitionsplanung

193

V. Kontrolle des Investitionserfolges Elftes Kapitel:

Investitionspolitik

195

und Unternehmensorganisation

197

I. Die Holle der Holding-Gesellschaft i n der Mineralölindustrie .. I I . Die Rolle der Betriebsgesellschaften

198 199

I I I . Dezentralisierung der Holding-Gesellschaft

201

I V . Organisation der Investitionstätigkeit

202

Vierter

Teil

Die künftige Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie Zwölftes toren

Kapitel:

Investitionen

bestimmende

bzw. beeinflussende

I. Bedarf

Fak-

207 207

I I . Angebot (Vorkommen, Reserven)

209

I I I . Wettbewerb der Energieträger

210

IV. Politik

211

V. Technischer Dreizehntes

Kapitel:

Fortschritt Die künftige

212 Investitionstätigkeit

I. Schätzung des Investitionsvolumens 1. Globalschätzung 2. Funktionale Verteilung 3. Regionale Verteilung

bis 1980

213 214 215 220 223

8

Inhaltsverzeichnis I I . A n t e i l der internationalen Konzerne

227

I I I . Kapitalverfügbarkeit

228 Fünfter

Teil

Mineralölindustrie und Energieversorgung Vierzehntes sorgung

Kapitel :

Beitrag

der Mineralölindustrie

zur

Energiever-

I. A n t e i l des Erdöls an der Deckung des Energiebedarfs I I . Investitionspolitik als Garantie f ü r die Sicherstellung der k ü n f t i gen Versorgung? I I I . Wachsende politische Einflußnahme Fünfzehntes

Kapitel:

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen

231 231 232 232 234

I. Zusammenfassung

234

I I . Schlußfolgerungen

237 Literaturverzeichnis

239

Abkürzungen I m T e x t werden aus Gründen der Vereinfachung die folgenden gebräuchlichen Abkürzungen benutzt: EG

= Europäische Gemeinschaften

EGKS

= Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EWG

= Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

OECD

= Organisation for Economic Co-Operation and Development

OEEC

= Organisation for European Economic Co-Operation

OPEC

= Organisation of the Petroleum Exporting Countries

UNO

= United Nations Organisation

I n den Fußnoten werden f ü r die wichtigsten Erdöl-Fachzeitschriften die folgenden Abkürzungen verwendet: OGInt

= O i l and Gas International

OGJ

= Oil and Gas Journal

PIW

= Petroleum Intelligence Weekly

PPS

= Petroleum Press Service

WO

= World Oil

WP

= W o r l d Petroleum

Vorwort Die wachsende Bedeutung der Mineralölindustrie für die Energieversorgung ist eine der wesentlichen Strukturveränderungen i n der Weltwirtschaft seit dem Ende des zweiten Weltkrieges. Aus diesem Grunde besteht i n fast allen Ländern ein starkes politisches, wirtschaftliches, wissenschaftliches und publizistisches Interesse an der Tätigkeit dieses Zweiges der Energiewirtschaft. Soweit dieses Interesse Niederschlag i n Veröffentlichungen, amtlichen Erklärungen oder wissenschaftlichen Studien gefunden hat, konzentrieren sich diese zumeist auf energiepolitische, allgemein statistische, historische oder sektorale Aspekte der Erdölindustrie. Es ist nicht die Absicht der vorliegenden Studie, den genannten Veröffentlichungen eine weitere, i n der Zielsetzung ähnlich begrenzte, hinzuzufügen. Vielmehr versucht sie, Antworten auf die Fragen zu finden, ob 1. es der Mineralölindustrie i n den beiden Jahrzehnten 1946—1966 m i t ihrer Investitionstätigkeit gelungen ist, einen steigenden Anteil des Energiebedarfs kostengünstig und zuverlässig decken zu können; 2. die objektiven Umstände (Geologie, politische Einflußnahme usw.) sowie die subjektive Zielsetzung und — daraus abgeleitet — die erkennbare Investitionspolitik der Mineralölunternehmen den Schluß zulassen, daß das Erdöl auch i n Zukunft wichtigster Energielieferant bleiben w i r d ; 3. die Rolle der großen internationalen Konzerne bei der Sicherstellung der Versorgung positiv beurteilt werden kann und 4. die wachsende politische Einflußnahme die Tätigkeit der Erdölindustrie fördern oder behindern wird. I m Teil 1 sollen die Bedeutung der Energiewirtschaft für das w i r t schaftliche Wachstum und sodann die Stellung der Mineralölindustrie innerhalb der Energiewirtschaft dargestellt werden, wozu eine Beschreibung der strukturellen Veränderungen i m Energieangebot gehört. Der A n t e i l der großen internationalen Gesellschaften an diesem Industriezweig verdient eine besondere Betrachtung, da ihr Handeln i n entscheidendem Maße die gegenwärtige Struktur der Erdölindustrie geprägt hat. Aus ihrer Investitionspolitik, über die umfangreiches Material vorliegt, können Aussagen über das Zukunftsverhalten der Unternehmen abge-

12

Vorwort

leitet werden. Die Bedeutung des Erdöls für die Volkswirtschaften der Konsum- und Förderländer führt zu wachsender politischer Einflußnahme auf die Tätigkeit der Unternehmen. Eine Analyse der Motive, Maßnahmen und Auswirkungen dieser Interventionen soll zu einer Prognose darüber führen, ob und inwieweit die künftige Investitionstätigkeit durch politische Faktoren beeinflußt oder sogar m i t bestimmt werden wird. Die Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie zwischen 1946 und 1966 w i r d i m Teil 2 ausführlich beschrieben und analysiert. Diese Analyse ist Voraussetzung für eine Schätzung der künftigen Investitionstätigkeit. I m Teil 3 w i r d der Versuch unternommen, die objektiven und subjektiven Bestimmungsgründe für die Investitionsentscheidungen der Mineralölunternehmen sowie die Formen, Organisation und Möglichkeiten für die Bestimmung der Unternehmensziele und damit der Investitionspolitik darzustellen und anhand von Beispielen zu konkretisieren. Die Ergebnisse dieses Abschnitts leiten über zu einer Schätzung der Investitionstätigkeit bis zum Jahre 1980 (im Teil 4), der sich ein kurzer Exkurs darüber anschließt, ob die Industrie überhaupt i n der Lage sein wird, das für das geschätzte Investitionsvolumen erforderliche Kapital bereitzustellen. Bei einer Beschäftigung m i t der Mineralölindustrie muß auch verschiedentlich auf das Erdgas eingegangen werden, da dieses weitgehend ebenfalls von den Erdölunternehmen gefördert w i r d ; sei es, daß es als Nebenprodukt bei der Erdölförderung gewonnen wird, sei es, daß es aus eigenen Lagerstätten gefördert wird. I m Gegensatz zum Erdöl erfolgt der Vertrieb des Erdgases an den Verbraucher i n der Regel aber nicht durch die Ölgesellschaften selbst. Dank muß an dieser Stelle einer Vielzahl von Mineralölgesellschaften, den Europäischen Gemeinschaften, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) sowie verschiedenen Regierungsstellen und Instituten ausgesprochen werden, die durch großzügiges Bereitstellen von Informationen diese Arbeit ermöglicht haben. Besonders zu bedanken habe ich mich aber bei meiner Frau, die durch ihren ständigen Ansporn nicht unerheblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat, sowie bei meinen Kindern Christiane und Frank für ihre Rücksichtnahme bei der Niederschrift. Die vorliegende Arbeit hat durch die jüngsten Ereignisse i n der Mineralölwirtschaft noch an Aktualität gewonnen. Die Anerkennung der OPEC, des Zusammenschlusses der Erdöl exportierenden Länder, als

Vorwort

Verhandlungspartner durch die internationalen Gesellschaften sowie der Abschluß eines einen Zeitraum von fünf Jahren umfassenden A b kommens über eine schrittweise Erhöhung der Rohölpreise bedeuten den Beginn eines neuen Abschnitts i n den Beziehungen zwischen Förderländern und Konzessionsgesellschaften. Die Politik w i r d mehr und mehr zu einem entscheidenden Faktor für die künftige Entwicklung dieses wichtigen Zweiges der Energiewirtschaft. Hamburg, Anfang 1971 Rudolf B. Eich

Erforderliche Vorbemerkungen 1. Definitionen

a) Mineralölindustrie: Hierzu zählen alle Unternehmen — unabhängig von den Eigentumsverhältnissen —, die sich m i t der Suche und Förderung, dem Transport, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Rohöl und Erdölerzeugnissen befassen und zumindest auf einer der genannten Stufen nachhaltig tätig sind. I m weiteren Sinne gehören hierzu auch die Suche und Förderung sowie der Vertrieb von gasförmigen Kohlenwasserstoffen, d. h. Erdgas. Die Mineralölindustrie w i r d i m Text auch als Erdölindustrie oder einfach als Industrie bezeichnet. b) ROE: A n Stelle der allgemein üblichen Umrechnung von Energieträgern i n Steinkohleeinheiten (SKE), u m sie vergleichbar zu machen, wurde i n dieser Arbeit die Rohöleinheit (ROE) verwendet, die den Vergleich zu den spezifischen Werten der Mineralölindustrie erleichtert. Als Umrechnungsfaktoren wurden die der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) verwendet: Energieträger

Einheit

SKE

ROE

Steinkohle (handelsüblich) Erdöl Erdgas

metr. t metr. t 1 000 m 3

1 1,43 1,3

0,7 1 0,91

c) Währungseinheit: Alle Werteinheiten werden einheitlich i n USDollar angegeben, der i n der Erdölindustrie gebräuchlichen Recheneinheit. Sowohl der überwiegende Teil des Erdölhandels wie auch der Investitionen w i r d i n Dollar abgerechnet, da auf US-Unternehmen rund 70 Prozent der lauf enden Investitionsausgaben entfallen und zwei D r i t t e l des Brutto-Anlagevermögens der Erdölindustrie amerikanischen Gesellschaften gehören. d) Mittlerer Osten: Entsprechend dem angelsächsischen und dem i n der Erdölindustrie üblichen Sprachgebrauch werden die Förderländer am Persischen Golf regional als Mittlerer Osten zusammengefaßt (Middle East). Dieses Gebiet entspricht der deutschen Definition „Naher Osten".

Erforderliche Vorbemerkungen

15

2. Abgrenzungen

Sofern nicht ausdrücklich vermerkt, behandelt die vorliegende Arbeit die Welt-Mineralölindustrie ausschließlich des Ostblocks. Zwar ist der Ostblock nicht völlig vom Welt-Erdölmarkt isoliert; er exportierte 1968 rund 50 Millionen Tonnen i n andere Länder. Sein Beitrag zur Erdölversorgung der nicht-kommunistischen Welt ist jedoch nur gering und dürfte i n Zukunft eher noch fallen; außerdem liegen zu wenige Informationen über die Erdölindustrie des Ostblocks vor, so daß seine Ausklammerung aus weiten Teilen der Untersuchung notwendig und auch vertretbar ist. Die Untersuchung beschränkt sich dagegen nicht auf die Tätigkeit der Erdölgesellschaften i m Öl- und Gasbereich, sondern bezieht auch andere Sektoren (Diversifikation) ein, soweit dies für die Unternehmens- und Investitionspolitik der Gesellschaften von Bedeutung ist bzw. deren Beitrag zur Energieversorgung irgendwie beeinflußt.

ERSTER T E I L

Mineralölindustrie und Energiewirtschaft Erstes Kapitel

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft Der Industrialisierungsprozeß i n der Weltwirtschaft wurde und w i r d von einem starken Anstieg des Energieverbrauchs begleitet. Das Vorhandensein reicher Energievorräte (Kohle) ermöglichte i m vergangenen Jahrhundert die Industrialisierung Westeuropas und Nordamerikas. Das weitere wirtschaftliche Wachstum der fortgeschrittenen Industrieländer hängt ebenso wie der Aufbau einer modernen Industriewirtschaft i n den Entwicklungsländern davon ab, daß genügend Energie zur Verfügung steht. Die wirtschaftliche Entwicklung (ausgedrückt als Zunahme des Sozialprodukts) bestimmt das Wachstum der Energiewirtschaft; ihr Tempo w i r d aber auch durch die Fähigkeit der Energiewirtschaft bestimmt, genügend Energieträger zu produzieren und unabhängig vom Standort der Erzeugung an den Stätten des Bedarfs bereitzustellen. Die Bedeutung der Energie für die wirtschaftliche Entwicklung ist i n einer Studie der OECD wie folgt beschrieben worden 1 : "The way of life of a contemporary civilisation is based on large and regular supplies of fuel and power. The demand of them is still growing at a rate which is a combination principally of population growth, increasing general mechanisation and especially industrialisation, increasing demand for convenience and comfort i n the home, and new uses of energy, though i t is offset to some extent by the improving efficiency w i t h which energy is used. The growth of demand can be expected to continue...". I. Entwicklung des Energieverbrauchs Der Energieverbrauch ist i n den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Ursachen hierfür waren generell das weltweite, kräftige Wirtschaftswachstum nach dem zweiten Weltkrieg, das nur selten und geringfügig 1

OECD, „Energy Policy — Problems and Objectives", Paris 1966, S. 12.

2 Eich

18

1. T e i l , . Kap.: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft Tabelle 1 Welt-Energieverbrauch in ausgewählten Jahren (in Mio. t ROE)

Region

Nordamerika OECD-Europa Mittel- und Südamerika

1950

1955

1960

1965

Zuwachs 1967 gegen 1967 1950 i n °/o

486

855

1008

1150

1410

1588

86

380

388

420

529

607

840

905

116

155

170

215

1929

1937 bzw. 1938

586

21

18

54

84

112

Mittlerer Osten u n d Afrika

16

23

45

63

84

135

130

189

Japan

29

42

35

50

86

123a)

163a)

365

Ferner Osten u n d Ozeanien

37

45

69

86

113

207

185

168

Ostblock u n d andere

184

260

390

526

953

1240

1209

210

1253

1272

1867

2 347

3105

4110

4 350

133

Welt-Total

a) Aus United Nations, „Statistical Yearbook 1968", New York 1969, S. 351, um diese Mengen wurden die Zahlen aus „Oeldorado" für den Fernen Osten und Ozeanien, die Japan einschließen, korrigiert. Quellen: OECD, „Energy Policy — Problems and Objectives", Paris 1966, Annex I , Table 1 a; für 1965 und 1967: „Oeldorado", Sonderdruck aus Esso-Magazin 1/1967 bzw. 1/1969, hrsg. von der Esso A.G., Hamburg.

durch konjunkturelle Rezessionsperioden verlangsamt wurde, sowie speziell die Entwicklung energieintensiver Verarbeitungsverfahren i n der Industrie, wie z. B. zunehmende Mechanisierung und Automatisierung, und das Entstehen bzw. überdurchschnittlich starke Wachstum von Industriezweigen m i t hohem spezifischem Energieverbrauch, wie z. B. der Chemischen und der Atomindustrie. Auch der steigende Lebensstandard i n den Industrieländern ließ den Energiekonsum i n den Haushalten und auf dem Verkehrssektor kräftig zunehmen. Der Welt-Energieverbrauch 2 erhöhte sich von 1,3 Mrd. t ROE i m Jahre 1929 auf 1,9 Mrd. 1 1950 und auf über 4,3 Mrd. t ROE i m Jahre 1967. Die größten Energieverbraucher waren die hochindustrialisierten Länder i n Nordamerika, Westeuropa und i m Ostblock sowie Japan. Die relative Zunahme des Energiekonsums ist aber i n den Entwicklungsländern am höchsten, eine Folge der Industrialisierungsbemühungen (vgl. hierzu Tabelle 1). 2 Umgerechnet nach OECD, „Energy Policy A n n e x I, Table 1 a.

Problems and Objectives",

I I . Wirtschaftliches Wachstum u n d Energieverbrauch

19

II. Wirtschaftliches Wachstum und Energieverbrauch Die regionale Verteilung des Energieverbrauchs läßt bereits erkennen, daß ein enger Zusammenhang zwischen dem Grad der wirtschaftlichen Entwicklung und der Höhe des Energiebedarfs bestehen muß. „There is a definite relationship between the rate of consumption of fuel and power and the productivity, Standard of living, gross national product and other technical and economic indices. One indicator of the economic strength of any nation is the rate of consumption of energy, and the degree of substitution of energy for human labor 3 ." Aber nicht nur für das weitere wirtschaftliche Wachstum der Industrieländer ist ein zunehmender Einsatz von Energieträgern erforderlich. Das Vorhandensein reichlicher und billiger Energien ist auch eine Grundvoraussetzung für die Ingangsetzung des Industrialisierungsprozesses. „Der Industrialisierungsprozeß ist gekennzeichnet durch einen i m Verhältnis zum Arbeitskräfte- und Bodeneinsatz zusätzlichen und zunehmend überwiegenden Sachkapitaleinsatz, insbesondere i n Form von Maschinen, Motoren, Retorten zuzüglich der komplementären thermischen und mechanischen Energien.. A " Dabei ist es zuerst einmal unerheblich, ob eine Volkswirtschaft selbst über Lagerstätten von Energieträgern verfügt oder diese aus anderen Gebieten importieren muß, sofern das Gesamtenergieangebot auf der Welt nur ausreichend ist und der Handel m i t Energie nicht künstlich behindert wird. Einige lebenswichtige Zweige der Wirtschaft wie das Transport- und Kommunikationswesen sind technisch überhaupt erst durch die Entwicklung spezieller Energiearten (Treibstoffe bzw. Strom) ermöglicht worden. Das Gleiche gilt für weite Bereiche der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung, die ohne den Einsatz sehr großer Energiemengen gar nicht hätten entwickelt werden können. Es sollen hier nur die Kernphysik, die Chemie und die Raumfahrt erwähnt werden. Die Höhe des Energieverbrauchs kann deshalb als ein zuverlässiger Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowie für den Lebensstandard i n einer Volkswirtschaft angesehen werden. Die enge Wechselbeziehung zwischen Energieverbrauch und w i r t schaftlichem Entwicklungsstand (ausgedrückt i n der Höhe des Sozialprodukts) beweisen diese Zahlenreihen für das Jahr 19675: 3

OECD, „ O i l Today (1964)", Paris 1964, S. 31. S. Klatt, „ Z u r Theorie der Industrialisierung", K ö l n u n d Opladen 1959, S. 20. 6 Energieverbrauch nach UNO, „Statistical Yearbook 1968", New Y o r k 1969, S. 349 ff.; Bruttosozialprodukt nach Chase Manhattan Bank, „International Finance", New York, versch. Ausgaben. 4

2•

20

1. Teil, 1. Kap.: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft Tabelle 2 Energieverbrauch pro K o p f (in t ROE)

Sozialprodukt pro K o p f (in US-$)

Nordamerika Westeuropa Japan UdSSR/Osteuropa K o m m u n . Asien Mittelost/Afrika Südamerika Ozeanien Asien (ohne Japan)

6,8 2,2 1,6 2,6 0,3 0,3 0,4 2,5 0,3

4 000 1 200—2 500 1400

Welt-Durchschnitt

1,2



100— 500 250— 600 1 700—2 200 100— 300

Die überragende Bedeutung der Energieerzeugung und des Energiekonsums für die wirtschaftliche Enwicklung und damit für den Lebensstandard und die Weltgeltung eines Staates ist der Grund für die zunehmende Einflußnahme der Politik der einzelnen Länder sowie der internationalen und supranationalen Organisationen auf die Energiewirtschaft (vgl. hierzu das vierte Kapitel).

I I I . Schätzungen des künftigen Energiebedarfs Die Zunahme des Energiebedarfs ist bestimmend für die Entwicklung der Energiewirtschaft allgemein wie auch für das Wachstum der verschiedenen, Energie erzeugenden Industriezweige. Die Schätzung des künftigen Energieverbrauchs ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen als auch für die Ausarbeitung der staatlichen Energiepolitik. Energieprognosen . . . „sind imstande, dem Unternehmer die Grundlage für seine Investitionserwägungen und dem Politiker für seine Entscheidungen zu liefern" 6 . Angesichts der langen Zeitspanne zwischen Investitionsentschluß und der Inbetriebnahme der neuen Kapazitäten i n der Energiewirtschaft und wegen des scharfen Wettbewerbs zwischen den einzelnen Energieträgern und der dadurch ausgelösten langfristigen Strukturverschiebungen i n diesem Wirtschaftsbereich müssen die Prognosen einen Zeitraum von mindestens fünf, möglichst aber von zehn und mehr Jahren umfassen. 6 G. Rose, „ S i n n u n d Wert v o n Energieprognosen", Frankfurter Allgemeine Zeitung v o m 12.1.1960.

I I I . Schätzungen des künftigen Energiebedarfs

21

Ist es schon schwierig, wegen der wachsenden Unsicherheit — je größer der von der Prognose erfaßte Zeitraum ist — den absoluten Anstieg des Energiebedarfs richtig vorherzusagen, so vervielfältigen sich die Fehlermöglichkeiten für die Schätzung, wenn der künftige Bedarf auf die einzelnen Energieträger aufgeteilt und der Einfluß neuer (Kernenergie) oder heute technisch noch gar nicht realisierbarer (Fusionsenergie) Energieträger abgeschätzt werden soll. Die Energieprognose muß aber so detailliert sein und ihr Ergebnis muß ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit besitzen, wenn die heutigen investitionspolitischen Entscheidungen der Energie erzeugenden Unternehmen und die energiepolitischen Entschlüsse der Staaten und der internationalen wie supranationalen Institutionen sicherstellen sollen, daß auch i n Zukunft der Energiebedarf der Weltwirtschaft i n der erforderlichen Höhe, i n der gewünschten Zusammensetzung der einzelnen Energieträger und zu volkswirtschaftlich vertretbaren Kosten gedeckt werden kann. Aus diesem Grunde werden die Schätzung des Energiebedarfs und die laufende Überprüfung einmal erarbeiteter Prognosen sowohl von der Energiewirtschaft als auch von den Trägern der Energiepolitik als eine unerläßliche Aufgabe betrachtet, die man teilweise i n enger Zusammenarbeit zwischen Industrie, wissenschaftlichen Forschungsinstituten und staatlichen Stellen zu lösen versucht. Als bestimmende Größen für den Energiebedarf werden allgemein anerkannt: die Bevölkerungsentwicklung; das Wirtschaftswachstum und hierbei speziell die Industrieproduktion (unterteilt nach Sektoren) und der Lebensstandard (ausgedrückt als Bruttosozialprodukt pro Kopf). Internationale Vergleiche erleichtern die Prognosearbeit. Die bisherige Entwicklung des Energieverbrauchs i n den hochindustrialisierten Ländern, das Verhältnis zwischen dem Wachstum des Sozialprodukts und dem Konsum von Energie sowie der spezifische Energiebedarf i n einzelnen Wirtschaftssektoren lassen Schlüsse auf den künftigen Energiebedarf zu. Das bedeutet aber, daß die Energieprognose umfassende Analysen der bisherigen Entwicklung dieser Größen und Schätzungen ihrer künftigen Entwicklung voraussetzt. Energieprognosen werden von den Unternehmen der Energiewirtschaft zumeist nur für interne Zwecke erstellt und, falls überhaupt, nur auszugsweise veröffentlicht. Schätzungen von politischen Körperschaften, und hier speziell von internationalen und supranationalen Organisationen, werden dagegen i n der Regel i n vollem Umfang veröffentlicht. Sie informieren nicht nur über die Ergebnisse der Prognose, sondern auch über die Methoden der Energiebedarfsschätzungen und die m i t

22

1. T e i l , . Kap.: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft

ihnen verbundenen Probleme sowie über die möglichen Fehlerquellen und Grenzen der Schätzungen 7 . Die meisten Energieprognosen, die i n den letzten Jahren aufgestellt und veröffentlicht worden sind 7 , umfassen i n der Regel einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren, teilweise versuchen sie, den Energiebedarf i n den Jahren 1980, 1985 oder sogar 2000 (u. a. Searl i n „Fossil Fuels i n the Future") zu schätzen. Bemerkenswert ist, daß die meisten Schätzungen, sowohl die von politischen Institutionen als auch die privater Unternehmen, soweit sie veröffentlicht sind 8 , i n ihren Ergebnissen weitgehend übereinstimmen (mit Abweichungen von maximal ± 10 °/o, was bei derart langfristigen Prognosen einer weitgehenden Ubereinstimmung gleichkommt). Teilweise erhebliche Abweichungen w i r d man dagegen feststellen, wenn man z. B. die Energieprognosen aus den Jahren 1955 oder 1960 für das Jahr 1965 oder 1968 m i t den inzwischen bekannten Effektivwerten vergleicht. Ein solcher Vergleich besagt aber wenig, wenn er nicht gleichzeitig die laufenden Korrekturen berücksichtigt, die von den meisten Unternehmen, staatlichen Stellen usw. regelmäßig vorgenommen und i n denen die jeweils letzten Effektivdaten ebenso verarbeitet werden wie neuere Erkenntnisse z.B. über die Entwicklung der Kernenergie. Die Schätzung erhält ihren Wert als Entscheidungsunterlage erst durch diese laufende Überarbeitung, die sicherstellt, daß die Prognose i m Augenblick der Entscheidung auf den besten, verfügbaren Informationen beruht. Selbstverständlich werden auch die Prognosemethoden ständig verbessert. Regressionsanalysen, Extrapolationen und Input-Output-Modelle sowie der Einsatz von Computern sind inzwischen als Hilfsmittel der Schätzung weit verbreitet. Nach den Schätzungen der Europäischen Gemeinschaften w i r d der Welt-Energieverbrauch von 3 105 Mio. t ROE i m Jahre 1960 auf 4 760 7 Vgl. hierzu: Europäische Gemeinschaften, „Untersuchung über die langfristigen energiewirtschaftlichen Aussichten der Europäischen Gemeinschaft", L u x e m b u r g 1964, u n d „Neue Überlegungen über die langfristigen energiewirtschaftlichen Aussichten der Europäischen Gemeinschaft", L u x e m b u r g 1966; OECD, „Energy Policy — Problems and Objectives", OECD, „ O i l Today (1964)"; Council of Europe , „European Energy Problems", Straßburg 1962; M. F. Searl, „Fossil Fuels i n the Future", United States Atomic Energy Commission, Washington 1960. 8 u.a. The Chase Manhattan Bank, „Future g r o w t h of the W o r l d Petroleum Industry", New Y o r k 1961; „Exposé de la Standard O i l Company (New Jersey), le 22 j u i n 1961" vorgetragen v o r dem Erdölausschuß der OEEC i n Paris, DT/E/PE/61.86; Royal Dutch-Shell-Gruppe, „ O i l and gas to provide lion's share of energy during next 20 years", OGJ, 15.11.1965, S. 147; K e r r McGee Corporation, „Free W o r l d oil demand may triple i n 35 years", WO, December 1965, S. 106.

23

I I I . Schätzungen des künftigen Energiebedarfs

Mio. t i m Jahre 1970 und bis 1980 weiter auf 7 600 Mio. t ROE steigen®. Die Zunahme i m Jahrzehnt 1960—1970 beträgt rund 54 Prozent. Von 1970 bis 1980 werde der Energieverbrauch u m weitere 60 Prozent steigen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate w i r d auf 4,7 Prozent geschätzt, was einer Verdoppelung des Energiekonsums i n 15 Jahren entspricht. Dabei werde das Wachstum des Energiebedarfs auch i n Zukunft i n den Entwicklungsländern größer sein als i n den Industrieländern (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3 Schätzung des Welt-Energiebedarfs 1970 und 1980 (in Mio. t ROE) A n t e i l am Energiebedarf i n °/o

1960

1970

1980

Jährliche Zuwachsrate 1960—1980 i n °/o

590

920

1340

4,2

19

19

18

1105

1585

2 220

3,6

36

33

29

80

192

378

7,8

3

4

5

1775

2 697

3 938

4,0

58

56

52

108

206

387

6,8

4

4

5

5. A f r i k a

52

77

126

4,4

2

2

2

6. Mittlerer Osten

35

66

133

7,6

1

2

2

7. Süd- u. Südostasien

80

147

265

6,1

3

3

3

8. Ozeanien

35

56

91

5,1

1

1

1

310

552

1002

6,1

11

12

13

2 085

3 249

4 940

4,4

69

68

65

9. Ostblock

955

1520

2 670

5,3

31

32

35

Welt-Total

3 040

4 769

7 610

4,7

100

100

100

Energiebedarf Region

1. Westeuropa 2. Nordamerika 3. Japan Insgesamt 1.—3. 4. Lateinamerika

Entwicklungsgebiete insgesamt 4.—8. Nicht-kommunistische Welt 1.—8.

a

)

1960

1970

1980

a) Abweichungen gegenüber Tabelle 1 aufgrund verschiedener Umrechnungsfaktoren. Quelle: Europäische Gemeinschaften, „Neue Überlegungen über die langfristigen energiewirtschaftlichen Aussichten der Europäischen Gemeinschaft", in: Bulletin der EGKS, 3. Jg., Nr. 3 (Nr. 61), Luxemburg 1966, S. 38. 9

Europäische Gemeinschaften,

„Neue Ü b e r l e g u n g e n . . S . 38.

24

1. Teil, 1. Kap.: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Energiewirtschaft

Die erwartete Zunahme des Energieverbrauchs stellt die Energie erzeugenden Wirtschaftszweige vor große Aufgaben. Eine Verdoppelung des Angebots i n nur 15 Jahren setzt voraus, daß bereits i n den nächsten Jahren die erforderlichen Investitionen für die Aufdeckung neuer Lagerstätten und ihre Erschließung bis zur Produktionsreife, für Verarbeitungsanlagen, für Transport- und Lagereinrichtungen sowie für den Vertriebsapparat geplant und schrittweise realisiert werden müssen. Der bisherige Beitrag der Mineralölindustrie zur Deckung des Energiebedarfs und der voraussichtliche A n t e i l des Erdöls am künftigen Energieverbrauch sollen i m folgenden Kapitel untersucht werden. I n diesem Zusammenhang w i r d auch auf die strukturellen Veränderungen i n der Energiewirtschaft i n den letzten Jahrzehnten eingegangen werden, die zu erheblichen Verschiebungen i n den Anteilen der einzelnen Energieträger an der Bedarfsdeckung geführt haben.

Zweites Kapitel

Stellung der Mineralölindustrie in der Energiewirtschaft Von den Primärenergie erzeugenden Industrien hatte die Mineralölwirtschaft i n den letzten beiden Jahrzehnten das größte Wachstum zu verzeichnen. Die Expansion der Weltwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg, die beginnende Industrialisierung der Entwicklungsländer und der allgemein steigende Lebensstandard, der u. a. m i t einer raschen Zunahme der Motorisierung verbunden ist, haben auf der einen Seite zu einem stetig steigenden Energiebedarf geführt. Andererseits gelangen gerade i n den 40er Jahren die bedeutenden Entdeckungen der Erdölvorkommen i m Mittleren Osten. Beide Faktoren, der wachsende Energiebedarf und das Absatzmärkte suchende ö l der Länder am Persischen Golf, waren ursächlich für das Erreichen der Position, welche die Mineralölindustrie heute auf dem Energiemarkt einnimmt.

I. Entwicklung der Welt-Erdölförderung Die Welt-Erdölförderung hat sich i m Zeitraum von 1946 bis 1968 von 375 auf 2 001 Mio. t erhöht. Sie ist damit i n etwas über zwanzig Jahren auf mehr als das Fünffache gestiegen. Die jährliche Zuwachsrate hat in den letzten Jahren bei rund 8 Prozent gelegen. Gleichzeitig m i t der kräftigen Zunahme der Förderung ist es zu erheblichen Verschiebungen i n der Bedeutung der einzelnen Förderregionen gekommen. Außerdem hat sich die Zahl der Länder, i n denen wirtschaftlich verwertbare Erdölmengen gefördert werden, i m Laufe der Jahre beträchtlich erhöht, ein Ergebnis der umfangreichen Explorationstätigkeit der Mineralölindustrie. 1950 wurde mehr als die Hälfte des gesamten Erdöls i n Nordamerika gefördert 1 . Die westliche Hemisphäre (Nord- und Südamerika) vereinigte sogar fast drei Viertel der Erzeugung auf sich. 1968 bot die Erdöl-Geographie ein ganz anderes Bild: die westliche Hemisphäre war nur noch m i t 42 Prozent an der inzwischen auf fast das Vierfache gestiegenen 1

Vgl. hierzu die Tabelle 5 sowie Tafel 1.

26

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft Tabelle 4 Welt-Erdölförderung 1938,1946—1968

Jahr

Förderung (Mio. t)

1938 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968

272 375 414 471 469 525 587 621 656 686 770 838 882 908 978 1052 1 119 1214 1301 1408 1504 1710 1831 2 001

Zuwachs vs. V o r j a h r i n Mio. t

i n °/o

___ —

39 57 (2) 56 62 34 35 30 84 68 44 26 70 74 67 95 87 107 96 206 121 170



10 14 —

12 12 6 6 4 12 9 6 3 8 8 6 9 8 8 7 14 7 9

Quelle: Petroleum Press Service, versch. Jg.

Förderung beteiligt; Nordamerika m i t 29 Prozent. Der Mittlere Osten hatte 1968 m i t Nordamerika gleichgezogen. Er erhöhte seinen A n t e i l an der Weltförderung zwischen 1950 und 1968 von 16 auf ebenfalls 29 Prozent. Eine bedeutende Stellung nimmt auch A f r i k a ein, daß 1950 nur 2 Mio. t Erdöl erzeugte, 1968 mit 182 Mio. t aber bereits 9 Prozent der Gesamtförderung erbrachte. I m Ostblock, und hier vor allem i n der Sowjetunion, hat sich die Förderung von 1950 bis 1968 fast verachtfacht. Der A n t e i l an der Welterzeugung hat sich i n diesem Zeitraum mehr als verdoppelt: von 8 auf 17 Prozent. Da die Förderung zeitweilig schneller zunahm als die Verarbeitungskapazitäten und auch der Inlandsbedarf, wurde die Sowjetunion i n die Lage versetzt, auf dem Weltmarkt als Exporteur aufzutreten, der bedeutende Mengen an Rohöl und Erdölerzeugnissen auch an nicht zum Ostblock gehörende Länder liefern kann (1968: rd. 50 Mio. t 2 ). 2 „Wachstum der Ausfuhr des Sowjetblocks hat aufgehört", PPS, M a i 1969, S. 164.

Nord-

davon-

amerlka

Vene-

USA

Quelle: Petroleum Press Service, verseil. Jg.

1938 162 28 1946 234 57 1950 275 271 1955 352 335 1960 373 347 1961 383 353 1962 394 361 1963 406 371 1964 413 376 1965 423 384 1966 521 471 1967 557 503 1968 585 526 Zuwachs 1968 vs. 1950 Mio. t 310 225 in °/o 112 94

Jahr

Ses

108 135

16 35 80 113 148 152 167 169 177 181 176 184 188

zuela

übri

~

™ost Afrika

Fe

Ost-

davon: andere u.Oze^

europa

udSSR

Welt-

Län

484 564

9 000

180 13 325 318

35 297 690 716

27

30 36 272 22 27 375 86 2 4 1 1 43 38 160 2 10 19 84 71 262 14 16 27 167 14 280 23 17 28 186 16 308 38 17 30 207 18 338 57 18 29 229 20 380 82 20 32 248 22 413 107 21 33 268 243 473 130 18 35 296 2 505 144 18 39 316 288 570 182 17 46 340 3

Westlerer

49 204

24 30 45 50 53 55 56 58 62 68 73

a^tein;

Mitt

(in Mio. t)

Tabelle 5: Welt-Erdölförderung 1938 und 1946,1950,1955 sowie 1960—1968 (nach Regionen)

I. Entwicklung der Welt-Erdölförderung

27

28

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft Tafel 1 Anteil der Förderregionen an der Welt — Erdölförderung 1950 und 1968

1950

1968

1950

1968

Nordamerika Venezuela übr. Lateinamerika M i t t l e r e r Osten Westeuropa Ferner Osten Ostblock Welt — T o t a l

53 °/o 15% 5% 16 % 1 %> 2% 8 % 100%

Nordamerika Venezuela übr. Lateinamerika M i t t l e r e r Osten Afrika Westeuropa Ferner Osten Ostblock Welt — T o t a l

29 % 9% 4% 29 % 9 % 1 % 2% 17 % 100%

Die Verschiebungen i n der relativen Bedeutung der einzelnen Förderregionen für die Welt-Erdölförderung wurden mitverursacht bzw. beschleunigt dadurch, daß i n den letzten Jahren i n mehreren Ländern große Vorkommen entdeckt und erschlossen wurden. Die Zahl der Erdöl fördernden Länder ist von 1950 bis 1968 von 43 auf 56 gestiegen, und die ausgedehnten Sucharbeiten der Industrie lassen erwarten, daß diese Zahl sich i n Zukunft noch weiter erhöhen wird. Länder, die noch vor kurzem i n keiner Mineralölstatistik waren, gehörten 1968 bereits zur Spitzengruppe der Erdöl und exportierenden Staaten: es wurden 1968 erzeugt i n Mio. t, i n der Neutralen Zone von K u w e i t 24, i n Nigeria 6 3

verzeichnet fördernden Libyen 125 und i n A b u

3 Die Förderung Nigerias ist als Folge des Bürgerkrieges erheblich zurückgegangen. Sie hatte i m Jahre 1966 bereits 21 Millionen Tonnen betragen; 1969 wurden aber schon wieder über 26 M i l l i o n e n Tonnen gefördert.

I. Entwicklung der Welt-Erdölförderung

29

Dhabi 24 Mio. t. A l l e i n diese vier Länder, von denen drei vor 1960 überhaupt kein und eines (Neutrale Zone) nur eine geringe Menge Rohöl förderten, deckten 1968 rd. 9 Prozent des Weltbedarfs oder rund 35 Prozent des Einfuhrbedarfs von Westeuropa. Eine Darstellung der Entwicklung der Erdölförderung wäre unvollständig ohne einen kurzen Blick auf das Erdgas, das als gasförmige Kohlenwasserstoffe teils gemeinsam m i t Erdöl, teils aus eigenen Gaslagerstätten gefördert wird. I m Hinblick auf die Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie ist von Wichtigkeit, daß das Erdgas a) zum überwiegenden Teil von Mineralölunternehmen w i r d und

gefördert

b) größenordnungsmäßig sowohl für die Deckung des Welt-Energiebedarfs als auch als Betätigungszweig der großen Erdölunternehmen eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. I m Jahre 1968 wurden auf der Welt rund 885 M r d m 3 Erdgas 4 erzeugt. Das entspricht, nach dem Heizwert umgerechnet, etwa 805 Mio. t Rohöl oder rund 40 Prozent der Erdölförderung dieses Jahres. I n den USA sind Erdöl und Erdgas fast zu gleichen Teilen an der Deckung des Energiebedarfs beteiligt. Nach der Entdeckung und Erschließung großer Vorkommen i n den Niederlanden und i m britischen Teil der Nordsee w i r d das Erdgas auch i n Europa eine wachsende Bedeutung für die Energieversorgung gewinnen. Die Fördermöglichkeiten i n Nordafrika und i m Mittleren Osten werden erst i n der Zukunft v o l l genutzt werden können, wenn für das Transportproblem eine wirtschaftliche Lösung gefunden sein wird. Erdgas i n verflüssigter Form w i r d bereits i n Spezialtankern aus Algerien nach Großbritannien und Frankreich gebracht. Seit Anfang 1971 werden auch aus Libyen große Mengen nach Italien und Spanien geliefert. Ferner bestehen Pläne, verflüssigtes Erdgas von Brunei und Alaska nach Japan sowie von Algerien und Venezuela i n die USA zu liefern. I n den geographisch zu den Konsumländern ungünstiger gelegenen Fördergebieten des Mittleren Ostens w i r d das bei der ölerzeugung anfallende Erdgas teils wieder i n die Felder zurückgepumpt, u m den Lagerstättendruck aufrechtzuerhalten, teils für den örtlichen Bedarf eingesetzt, zum nicht geringen Teil aber abgefackelt. Die Zukunft w i r d für dieses Gas wirtschaftlichere Verwendungszwecke bringen. 4 K. D. Fischer , „Energie f ü r das 3. Jahrtausend — Prognosen u n d Aussichten", Tabellenanhang zu einem Vortragsmanuskript, Hamburg Oktober 1969.

30

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft

Einen Uberblick über die wichtigsten Erdgas produzierenden Länder und über die Entwicklung des Fördervolumens gibt die folgende Tabelle: Tabelle 6 Förderung von kommerziell verwertbarem Erdgas in ausgewählten Ländern und Jahren (in Mrd. m 3 ) 1938

1952

1955

1960

1965

1968

65

227

266

361

454

547

1

3

4

15

41

54

1

1

1

4

5

Mexico

1

3

3

10

14

16

Venezuela

1

2

3

5

7

8

.

.

2

6

3

5

6

4

6

8

11

2

14

2

2

Land Nordamerika USA Kanada Südamerika Argentinien

Westeuropa Deutschland Frankreich



Großbritannien



.

Italien Niederlande

. —

1

.



.

Österreich Ostblock

.

2

1

1 1

1

3

5

6

10

17

22

3

6

9

45

128

171

1

1

2

2

3

1

2

2

1

2



Polen Rumänien UdSSR

.

Ferner Osten Indonesien Japan Pakistan







Quelle: „Activité de l'Industrie Pétrolière 1968", Tome I , S. E. 12, hrsg. vom Comité Professionnel du Pétrole, Paris 1969.

II. Strukturelle Verschiebungen im Energieverbrauch: Vordringen des Erdöls Die Zunahme des Energieverbrauchs i n den letzten zwei Jahrzehnten war begleitet von einem grundlegenden Strukturwandel i n der Energiewirtschaft: „Einer der wesentlichen Züge der neueren Entwicklung der

II. S t r u k t u r d e

Energieverbrauch

31

Energiewirtschaft i n der ganzen Welt ist die zunehmende Substitution der traditionellen Energiearten durch Erdöl und Erdgas 5 ." Die Kohle war 1937/38 noch m i t 72 Prozent an der Deckung des WeltPrimärenergiebedarfs beteiligt. 1950 betrug dieser A n t e i l 60 Prozent, 1966 nur noch 40 Prozent 6 . Dennoch ist die Kohleförderung i n diesem Zeitraum um 78 Prozent auf rund 1,6 Mrd. t ROE gestiegen. Die entgegengesetzte Entwicklung verzeichneten Erdöl und Erdgas. Der A n t e i l des Öls an der Primärenergieerzeugung stieg von 22 Prozent i m Jahre 1937/38 auf 40 Prozent i m Jahre 1966, der des Erdgases von 5 auf 18 Prozent i m gleichen Zeitraum. Gemeinsam haben die Kohlenwasserstoffe 1966 also mehr als die Hälfte des Welt-Energiebedarfs gedeckt. Dieser Trend hat sich seitdem noch fortgesetzt. Das Vordringen von Erdöl und Erdgas vollzog sich aber nicht überall i m gleichen Tempo und i n gleicher Intensität. I n Nordamerika 7 ging der Anteil der Kohle am Primärenergieverbrauch zwischen 1950 und 1966 von 40 auf 23 Prozent zurück. Der Anteil des Erdöls erhöhte sich i n dieser Zeit geringfügig von 39 auf 40 Prozent. Gleichzeitig nahm der Erdgasverbrauch aber von 19 auf 35 Prozent zu, so daß die Kohlenwasserstoffe zusammen drei Viertel des Energiebedarfs der USA decken. I n Westeuropa und speziell i n der Bundesrepublik Deutschland haben sich der Rückgang der Bedeutung der Kohle und die Zunahme des Erdöls an der Energiebedarfsdeckung i n einem wesentlich schnelleren Tempo innerhalb weniger Jahre vollzogen, wodurch die Anpassungsprobleme des Bergbaus zweifellos verschärft worden sind. I n Westeuropa deckte die Kohle i m Jahre 1950 noch 83 Prozent des Energiebedarfs, 1967 nur noch 45 Prozent. Der A n t e i l von Erdöl und Erdgas verdreifachte sich dagegen i n diesem Zeitraum und betrug i m Jahre 1967 rund 51 Prozent. Dabei war das Erdgas noch relativ unbedeutend. I n der Bundesrepublik ging der Kohleanteil von 91 auf 49 Prozent zurück. Die Bedeutung des Erdöls nahm dagegen sprunghaft zu: von 5 i m Jahre 1950 auf 45 Prozent i m Jahre 1966. Eine Erklärung für die strukturellen Verschiebungen i m Energieverbrauch hat u. a. der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium gegeben8: „Die Hauptgründe für die weltweit zu beobachtende Substitution sind strukturelle Preisrückgänge bei Erdöl und Erdgas, insbesondere infolge der Auffindung und Aufschließung neuer 5 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, „Gedanken über die Konzeption einer künftigen deutschen Energie Wirtschaftspolitik", Bonn, 21.1.1961, S. 1. 6 Zahlenangaben: vgl. Tabelle 7 u n d Tafel 2. 7 Vgl. f ü r die folgenden Zahlen Tafel 3. 8 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, a. a. O., S. 1.

Erdöl

Erdgas

~~ jfrltt" Total

Kohle

280 65 20 1 274 72 22 5 1 100 125 540 181 41 1887 60 29 9 2 802 275 56 2 362 52 34 12 2 100 1093 431 81 3104 48 35 14 3 100 1259 506 89 3 353 45 37 15 3 100 1630 710 90 4 060 40 40 18 2 100

Kohle

Anteil in °/oa)

100

Erdö1

Sas

Erd

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft

£rlft~

W

a) Errechnet auf der Basis der linken Tabellenhälfte. Quellen: OECD, „Energy Policy — Problems and Objectives", Paris 1966, Annex I, Tafel 2 a; die Zahlen für das Jahr 1966 wurden errechnet nach UNO, Statistical Papers, Series J, No. 11, „World Energy Supplies 1963—1966", New York 1968, S. 10 if.

1937/1938 909 1950 1 1955 1229 1960 1499 1962 1499 1966 1620

Jahr

Erzeugung (in Mio. t ROE)

Tabelle 7: Welt-Erzeugung von Primärenergie und Anteil der Hauptenergieträger in ausgewählten Jahren

32 T

I I . Strukturwandel i m Energieverbrauch Tafel 2 Welt-Erzeugung von Primärenergie 1937/38—1966 (ausgewählte Jahre)

Mio t ROE

Wasserkraft 4.000

••

////

//

af, ük H/

3.000

:

Erdgas

!i

2.000

/ /'/ // //

-

'

/

/

/

//

Erdöl

// 1.000

Kohle

1937/38

1950

1955

1960

1966

34

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft Tafel 3 Anteil der Energieträger am Primärenergie-Verbrauch 1950—1955—1966 1966

Welt

1950

1955

1950

1955

Nordamerika

0ECDEuropa

1950

BR Deutschland

i n °/o

OECD _ Westeuropa

Nordamerika

weit

BR Deutschland

1950 1955 1966 1950 1955 1966 1950 1955 1966 1950 1955 1966 Kohle Erdöl Erdgas (EG) Wasserk r a f t (WK)

60 29 9

52 34 12

40 40 18

40 39 19

33 42 23

23 40 35

83 14

74 22 1

2

2

2

2

2

2

3

100

100

100

100

100

100

100

.

i

45 48 3

91 5 3

88 9 2

49 45 3

3

4

1

1

3

100

100

100

100

100

Quellen: OECD, „Energy Policy . . .", Annex I ; Bundesministerium für Wirtschaft, „Leistung in Zahlen 1968", Bonn 1969, S. 61 und „Daten zur Entwicklung der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland", Bonn 1965 und 1967; UNO, „World Energy Supplies 1963—1966", a. a. O., S. 11.

I I I . Künftige S t r u k t u r des Energieverbrauchs

35

Lagerstätten . . . und technische Fortschritte beim T r a n s p o r t . . . und bei der Verwendung der neuen Energieträger." Hinzukommt, daß auf lange Sicht der Energieverbraucher sehr elastisch auf das Angebot der verschiedenen Energieträger reagieren kann. Nur wenige Sektoren der Wirtschaft müssen aus technischen Gründen einen bestimmten Energieträger einsetzen 9 . Aus diesem Grunde entscheiden Kostenüberlegungen und die Bequemlichkeit der Handhabung des Energieträgers sowie die Fähigkeit des Anbieters, spezielle Kundenwünsche zu erfüllen, bei der Wahl des Energielieferanten. Erdöl und Erdgas haben hier einen Wettbewerbsvorsprung vor den traditionellen Energieträgern, zumal wenn das Erdgas an bereits vorhandene Verteilernetze geliefert werden kann.

I I I . K ü n f t i g e S t r u k t u r des Energieverbrauchs

Die geschätzten Anteile der einzelnen Energieträger am künftigen Energieverbrauch stellen ein wichtiges K r i t e r i u m für die Investitionsentscheidungen der Energiewirtschaft dar. Werden sich die strukturellen Veränderungen i m Energiebedarf fortsetzen, d.h. werden Erdöl und Erdgas auch i n der Zukunft einen wachsenden A n t e i l der benötigten Primärenergie bereitstellen müssen? W i r d die Kohle einen Teil ihrer früheren Bedeutung zurückerlangen? W i r d die Kernenergie i n absehbarer Zeit wettbewerbsfähig werden und welchen Anteil des Energiebedarfs vermag sie zu decken? Wie werden sich andere Energieerzeuger wie Wasserkraft sowie Sonnen-, Erdwärmeund Gezeitenkraftwerke entwickeln? Ist i n nächster Zukunft mit einem wissenschaftlichen Durchbruch bei der friedlichen Nutzung der Fusionsenergie („Gezähmte" Wasserstoffbombe) zu rechnen? A u f alle diese Fragen müssen die Großunternehmen der Energiewirtschaft Antworten finden, bevor sie Investitionsentscheidungen treffen können, die erhebliche Kapitalmittel langfristig binden werden und deren Kapazitätseffekt oft erst nach vielen Jahren zum Tragen kommt. Die Notwendigkeit von Schätzungen der künftigen Anteile der Energieträger an der Bedarfsdeckung, die nicht selten Zeiträume von 20 bis 50 Jahren umfassen, steht außer Frage. Jede Fehlschätzung kann zu erheblichen Fehlinvestitionen führen und schwere Krisen auslösen. So hat die Erwartung eines Erdölmangels i n Europa i n den 50er Jahren zu einer Erweiterung der Kapazitäten des Kohlebergbaus geführt, die zu einem nicht geringen Ausmaß für die jüngste Kohlenkrise i n Westeuropa verantwortlich war. Die Überwindung dieser Krise forderte erhebliche Opfer von den betroffenen Volkswirtschaften. 9 OEEC, „Europas neue Energiestruktur i m Werden", dt. Fassung, Bonn 1960, S. 42.



36

1. Teil, 2. Kap.: Stellung des Erdöls i n der Energiewirtschaft

Die Schätzungen des künftigen Gesamt-Energiebedarfs sind i m ersten Kapitel behandelt worden. I n welchem Umfang werden die einzelnen Energieträger an der Deckung dieses Bedarfs teilhaben? Die vorliegenden Schätzungen, von denen einige i n Tabelle 8 einander gegenübergestellt worden sind, weisen nur geringfügige Abweichungen auf. Aus ihnen ist zu entnehmen, daß der A n t e i l der Kohle an der Energiebedarfsdeckung weiter zurückgehen, sich nach 1980 aber stabilisieren dürfte. Erdöl und Erdgas werden dagegen i n zunehmendem Maße zur Bedarfsdeckung beitragen: 1960 deckten die Kohlenwasserstoffe (in der Welt ausschl. Ostblock) 58 Prozent des Energiebedarfs. Bis 1980 dürfte sich dieser Anteil auf rund 70 Prozent erhöhen. Anschließend erwartet man einen etwas rückläufigen Anteil, da dann die Kernenergie ihre volle Wettbewerbsfähigkeit erreicht haben und einen wachsenden Anteil des steigenden Energiebedarfs decken dürfte. Tabelle 8 Schätzung der Anteile der einzelnen Energieträger am künftigen Energiebedarf: Welt ausschl. Ostblock

1960 (effektiv)

Kohle

Erdöl

Erdgas

Wasserkraft

34

43

15

8

25 26 26

50 46 50 48 51 51 51/54 48

17 20 20 20 17 19

Kernenergie

Total 100

Schätzungen: 1970a)

b ) c

)

1975d) 1980a)

c ) e

)

2000a)

22 20 22/20 21

17



7 3

ft

Z I6/ZD

^

1 3 7

7 3 |

1

1

8

w

100 100 100 100 100 100 100

Quellen: a) E. C. Borr ego, „Free World Oil Demand May Triple in 35 Years", in: WO, Dezember 1965, S. 107. b) Chase Manhattan Bank, „Future Growth of the World Petroleum Industry", New York 1961. c) OECD, „Energy Policy . . Graph 5 (gilt nur für die OECD-Länder). d) „Mobil's 10-year oil outlook — exciting", in: OGJ, 8. 3.1965, S. 99. e) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, „Tendenzen der Weltenergiewirtschaft", Serie Energie — Nr. 1, Brüssel 1968, S. 24.

Die OECD schätzt, daß die Kernenergie in ihren Mitgliedsländern (Nordamerika, Westeuropa und Japan) umgerechnet 1970 m i t 31, 1975 m i t 120 und 1980 bereits m i t 305 Mio. t ROE zur Energieversorgung beitragen wird 1 0 . 10

OECD, „Energy Policy . . S . 62.

37

I I I . Künftige S t r u k t u r des Energieverbrauchs

Mitte 1969 waren auf der Welt Kernkraftwerke m i t einer installierten Leistung von über 14 000 M W i n Betrieb 11 . Für die sechs Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft w i r d eine ähnliche Entwicklung erwartet (vgl. Tabelle 9). A b 1970 w i r d das Erdöl schätzungsweise die Hälfte des gesamten Energiebedarfs decken. Weitere 7—10 Prozent dürften auf das Erdgas entfallen, dessen A n t e i l unter Berücksichtigung der jüngsten Funde, vor allem i n den Niederlanden und vor der Küste Großbritanniens, sogar noch stärker steigen kann. Die Kohle w i r d nach dieser Prognose langfristig weniger als 30 Prozent des Energiebedarfs decken. Die Kernenergie w i r d erst ab 1975 einen nennenswerten Beitrag als Energielieferant leisten. Die Mineralölwirtschaft muß aufgrund der Energieprognosen, die nicht nur von ihr selbst, sondern auch von neutralen Institutionen erstellt worden sind, bei ihren Investitionsüberlegungen davon ausgehen, daß sie absolut wie relativ i n steigendem Maße zur Deckung des WeltPrimärenergiebedarfs beitragen wird. Unterstellt man, daß der Energiebedarf der Welt (ausschließlich Ostblock) 1980 fast 5 Mrd. t ROE betragen w i r d und daß die Mineralölindustrie über die Hälfte dieses Bedarfs decken soll, so müssen 1980 rund 2,6 Mrd. t Erdöl gefördert werden gegenüber 1,3 Mrd. t i m Jahre 1966. I n 15 Jahren muß die Förderleistung also verdoppelt werden. Außerdem muß 1980 Erdgas i m Energiewert von etwa 1 Mrd. t ROE gefördert werden, wenn der geschätzte Beitrag von rund 20 Prozent zur Energiebedarfsdeckung verwirklicht werden soll. Die Mineralölindustrie w i r d Produzent eines erheblichen Teils dieses Erdgases sein. Tabelle 9 Deckung des Energiebedarfs in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft: Anteile der einzelnen Energieträger (in °/o) Energieträger Steinkohle Braunkohle Erdöl Erdgas Wasserkraft Kernenergie Total

1950a)

I960 3 )

1965b)

1970b)

1975a)

74 9 10

54 7 27 3 9

38 6 45 4 7







27—32 5 54—49 7 6 1

26—28 4 52—46 8—10 7 3—5

100

100

100

100

100

7

Quellen: a) Europäische Gemeinschaften, „Langfristige Aussichten . . . " , S. 164—166. b) Europäische Gemeinschaften, „Neue Überlegungen . . .", S. 33. 11

„Rivalen des Erdöls", PPS, September 1969, S. 333.

Drittes Kapitel

Die Bedeutung der internationalen Konzerne für die Welt-Mineralölindustrie 1 Die internationale Mineralölindustrie ist ein sehr heterogenes Gebilde, das fortgesetzt strukturellen Veränderungen unterworfen ist. Diese Veränderungen vollziehen sich i n aller Öffentlichkeit. Jeder Verbraucher von Mineralölprodukten registriert sie, wenn z. B. neue Gesellschaften auf dem Markt erscheinen und sich bemühen, seine Nachfrage auf sich zu ziehen, oder wenn die sogenannten „freien" Tankstellen (weil sie keiner Markengesellschaft verbunden sind) den Wettbewerb auf dem Markt für Motorenbenzin verschärfen, der früher einmal das Reservat einiger weniger großer Gesellschaften war. Die strukturellen Veränderungen haben sich insbesondere seit Beginn der fünfziger Jahre beschleunigt. Seitdem besteht die Mineralölindustrie aus den bekannten großen internationalen Gesellschaften, zahlreichen mittelgroßen Unternehmen, speziell aus den USA, die bemüht sind, ihre Tätigkeit auf andere Länder auszudehnen, aus vielen kleinen Gesellschaften, die oft nur i n einer oder zwei Funktionen (z. B. Förderung, Rohölverarbeitung, Vertrieb) tätig sind, und i n wachsendem Maße aus staatlichen oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. Die Entwicklung der internationalen Erdölindustrie w i r d aber nach wie vor i n starkem Maße von der Tätigkeit einiger weniger Großunternehmen geprägt, deren Namen bis i n die ersten Jahre nach dem zweiten Weltkrieg synonym für die gesamte Industrie waren. Über diese Unternehmen liegt auch das umfangreichste, größere Zeiträume umfassende Material vor, so daß sich jede Beschäftigung m i t diesem Wirtschaftszweig weitgehend auf diese Unterlagen stützen muß. Aussagen, die überwiegend auf der Tätigkeit und dem Verhalten einer kleinen Anzahl von Gesellschaften beruhen, können aber nur dann für Zukunftsbetrachtungen verwendet werden, wenn diese Unternehmen 1. einen so großen A n t e i l an der gesamten Mineralölindustrie darstellen, daß ihre Tätigkeit die Entwicklung dieses Industriezweiges maßgeblich zu beeinflussen ver1 I m weiteren Verlauf dieser Arbeit w i r d die Welt-Mineralölindustrie ausschl. der des Ostblocks behandelt werden. Vgl. hierzu die Begründung unter „Erforderliche Vorbemerkungen".

I. Die internationalen Konzerne

39

mag und 2. ihre Arbeitsweise typisch ist für die Mehrzahl aller Erdölgesellschaften. Dies muß auch für längere Zeiträume zutreffen, wenn i n die Zukunft gerichtete Projektionen möglich sein sollen. Uber die Zulässigkeit dieser Arbeitsbasis soll die Beantwortung der folgenden Fragen entscheiden: — welche Unternehmen gehören zu dem Kreis der internationalen Konzerne? — wie groß ist der A n t e i l dieser Konzerne an den einzelnen Stufen der Mineralölindustrie (absolut, relativ i m Zeitablauf)? — haben diese Konzerne spezifische Verhaltensweisen entwickelt, die für die künftige Entwicklung der Mineralölindustrie bestimmend sein könnten? I. Die internationalen Konzerne Zu dem Kreis der als internationale Konzerne bezeichneten Mineralölunternehmen sollen jene gezählt werden, auf die folgende Merkmale zutreffen: a) sie müssen der absoluten Größe nach (Umsatz, Anlagevermögen usw.) zu den größten Unternehmen der Welt gehören; b) sie müssen vertikal voll-integriert, d. h. auf allen Stufen der Mineralölindustrie (Förderung, Verarbeitung usw.) tätig sein; c) ihr Tätigkeitsgebiet muß weltweit sein, d. h. praktisch alle Kontinente m i t Ausnahme des Ostblocks umfassen. Diese Kriterien werden von sieben Gesellschaften erfüllt, die außerdem noch sämtlich private Unternehmen sind und sich über den Mineralölbereich hinaus noch i n vielen anderen Wirtschaftszweigen betätigen. Es sind dies 2 : Tabelle 10 Unternehmen Standard O i l Co. (N. J.) Royal Dutch/Shell M o b i l Oil Co Texas O i l Co Gulf O i l Co Standard O i l Co. (Cal.) B r i t i s h Petroleum Co

Umsatz 1968 (in Mrd. Dollar)

Rang unter den 100 größten F i r m e n

14,1 9,2 6,2 5,5 4,5 3,6 3,3

2 4 8 10 11 15 21

2 Nach Angaben der Zeitschrift „Capital" 8. Jg. Nr. 11, November 1969, S. 134; Umsatzangaben i n US-Dollar umgerechnet; Hangfolge entsprechend dem Umsatz.

40

1. Teil, 3. Kap. : Bedeutung der internationalen Konzerne

Diese Unternehmen sind identisch m i t den „sieben Schwestern", gegen die sich 1952 die große Kartelluntersuchung der amerikanischen Regierung 3 richtete, und die heute noch Gegenstand einer wenig seriösen Literatur sind, die auf dem inzwischen siebzehn Jahre alten Kartell-Bericht fußend das B i l d eines immer noch marktbeherrschenden Ölkartells entwerfen w i l l , dabei aber die strukturellen Veränderungen des WeltMineralölmarktes während der letzten eineinhalb Jahrzehnte unterschlägt 4 . Bei etwas großzügigerer Auslegung der Zugehörigkeitskriterien ließe sich der Kreis der internationalen Konzerne leicht um Namen wie Standard Oil Co. of Indiana, Continental Oil Co. (USA), Compagnie Française des Pétroles, E N I (Italien) und Petrofina (Belgien) erweitern. Der Begriff „internationale Konzerne" soll aber für die genannten sieben Gesellchaften reserviert bleiben, von denen jede einzelne zwischen 5 und 15 Prozent des i n der Welt verbrauchten Erdöls fördert.

II. Anteil der internationalen Konzerne an den verschiedenen Stufen der Mineralölindustrie Als Maßstab für den A n t e i l der sieben großen Konzerne an der WeltMineralölindustrie soll die Beteiligung an den wesentlichen Stufen dieses Industriezweiges gelten: Erdölsuche, Förderung, Verarbeitung i n Raffinerien und Vertrieb. Seit 1949/50 hat sich hier folgende Entwicklung ergeben: 1. Erdölsuche

Das erfolgreiche Suchen nach Erdöl- und Erdgaslagerstätten und deren Aufschließung sind eine entscheidende Voraussetzung für die künftige Marktposition. Von den verfügbaren Reserven ausgehend kann man z. B. auf das Entwicklungspotential des Unternehmens schließen oder seine voraussichtliche Investitionspolitik vorhersagen. Aus diesem Grunde sind Angaben über die Tätigkeit und Erfolge auf dieser Stufe zumeist nur sehr summarisch und qualitativ. Immerhin vermitteln die Geschäftsberichte der Gesellschaften einen Eindruck von dem Ausmaß dieser Tätigkeit 5 . So berichtet die Standard Oil Co. of New Jersey (Esso) über Sucherfolge i n den USA, Kanada, Großbritannien (Nordsee), Holland, Australien, Libyen und Saudi-Arabien. Konzessio3 „Report to the Federal Trade Commission by its Staff on the International Petroleum Cartel", Washington 1952. 4 A l s Beispiel hierfür: A. Zischka, „Weltmacht ö l " , Essen 1965. 5 Aus den Geschäftsberichten f ü r das Jahr 1966.

I I . A n t e i l der Konzerne an den Funktionen

41

nen wurden erworben bzw. Sucharbeiten durchgeführt i n Kanada, Kolumbien, Guatemala, Nicaragua, Norwegen, Frankreich, Libyen, Portugal, Guinea, Äthiopien, Senegal, Philippinen, Malaysia und Neuseeland. Ähnlich liest sich der Bericht der Shell-Gruppe: Sucherfolge i n der britischen Nordsee, i n Nigeria, Gabon, Oman, USA und Kanada. Konzessionserwerb i n Frankreich, Australien und Surinam. Die BP meldet Sucherfolge i n A b u Dhabi, Iran, Dubai, USA, Kanada und Nigeria sowie Explorationstätigkeit i n Kenia, Australien und Neuseeland. Entsprechende Angaben finden sich i n den Geschäftsberichten der übrigen Konzerne 6 . Die teilweise enge Zusammenarbeit i n gemeinsamen Such- und Fördergesellschaften, wie sie speziell i m Mittleren Osten typisch ist, führt allerdings dazu, daß Sucherfolge i n Ländern wie Saudi-Arabien, Iran oder Nigeria von allen beteiligten Gesellschaften ausgewiesen werden. Der Maßstab für den Erfolg der Such- und Aufschließungstätigkeit ist die Höhe der gefundenen Reserven. Hierüber liegen nur sehr spärliche Angaben vor. So w i r d i n dem bereits zitierten amerikanischen Kartellbericht 7 die Höhe der Rohölreserven der sieben Konzerne auf knapp 7 Milliarden Tonnen geschätzt, was damals einem A n t e i l an den bekannten Weltreserven 8 von 69 Prozent entsprach. Eine andere Schätzung für das Jahr 19599 beziffert die Reserven der großen Sieben auf 25,6 Milliarden Tonnen, was einen Weltanteil von 73 Prozent bedeutete. Die bekannte Entwicklung der Welt-Rohölreserven und die Beteiligung der sieben Gesellschaften i n den wichtigsten Fördergebieten lassen die Aussage zu, daß zwischen 60 und 65 Prozent der für Ende 1968 geschätzten Reserven i n Höhe von rund 55 Milliarden Tonnen 10 sich i m Besitz dieser Gesellschaften befanden. Diese Zahl verdient Beachtung angesichts der Tatsache, daß bereits Ende 1966 allein außerhalb der USA rund 700 Unternehmen i n der Erdölsuche und -erschließung tätig waren 1 1 , eine Zahl, die inzwischen weiter gestiegen sein dürfte. 6 Dies läßt den Schluß zu, daß die internationalen Konzerne i n allen Gebieten, i n denen gegenwärtig nach Erdöl u n d Erdgas gesucht w i r d , a k t i v vertreten sind. 7 a. a. O., S. 23. 8 Jeweils ohne Ostblock. 9 J. E. Hartshorn, „ O i l Companies and Governments", London 1962, S. 354, Tafel I V . 10 Die Angaben i n diesem K a p i t e l stammen, sofern nicht anders angegeben, aus: W e l t = „Statistical Review of the W o r l d Petroleum Industry", hrsg. v o n der British Petroleum Co., London, Jg. 1959—1968; Gesellschaften = Geschäftsberichte der Jahre 1950—1968; Zusammenfassung aller Daten i n Tabelle 16. 11 „Neulinge i n der Erdölwirtschaft", PPS, Januar 1967, S. 20 ff.

42

1. Teil, 3. Kap.: Bedeutung der internationalen Konzerne 2. Förderung von Rohöl

Die Höhe der Rohölproduktion ist — ebenso wie die Verarbeitung von Erdöl und der Absatz von Fertigprodukten — kennzeichnend für die jeweilige Marktstellung der Unternehmen. Bei den sieben internationalen Konzernen hat sich die Rohölförderung seit 1950 absolut und i m Vergleich zur Weltförderung wie folgt entwickelt 1 2 : Tabelle 11 Rohölförderung (Mio. t) Jahr

Welt (ohne Ostblock)

7 Konzerne

A n t e i l der 7 Konzerne i n °/o

1950 1955 1960 1965 1968

480 690 890 1240 1660

260 400 530 790 1010

54 58 59 64 61

Hierbei muß berücksichtigt werden, daß etwa seit 1955 i n wachsendem Maße neue Unternehmen i n der Erdölförderung tätig geworden sind 18 . Waren es zuerst mittelgroße und kleinere US-amerikanische ölgesellschaften, die ihre Tätigkeit auf der Suche nach billigem Rohöl auf andere Länder ausdehnten, so folgten später staatliche, staatlich kontrollierte, gemischtwirtschaftliche und private Unternehmen aus den großen K o n sumländern und schließlich überwiegend staatliche Gesellschaften der Förderländer selbst, die sich an der Erdölsuche u n d -förderung beteiligten, nicht selten i n Partnerschaften zwischen z. B. privaten Gesellschaften aus Konsumländern und Staatsgesellschaften der Förderländer. Diese Kooperation ist heute vielfach zu einer Voraussetzung für die Konzessionserteilung geworden. Entfiel die Rohölförderung außerhalb der USA i m Jahre 1950 noch zu fast 90 Prozent auf die internationalen Konzerne, so wurden 1957 bereits 57 und 1961 sogar 104 Gesellschaften gezählt, die eine eigene Jahresförderung von mehr als 50 000 Tonnen hatten. Inzwischen hat sich diese Zahl weiter vergrößert. Z u den bedeutenderen Unternehmen, die heute neben den „sieben" i n der Rohölförderung t ä t i g sind, sind zu zählen: 12

A l l e Zahlen gerundet. Vgl. hierzu: „Neulinge i n der Erdöl Wirtschaft", a . a . O . ; „Auszug nach Übersee", PPS, Februar 1966, S. 47 ff.; „Gone abroad", PPS, Dezember 1962, S. 463 ff.; „Neuartige Partnerschaften i n der ölsuche", PPS, September 1965, S. 322—323; „ H o w powerful are the oil new-comers?", Financial Times v. 25. 5.1962. 13

43

I I . A n t e i l der Konzerne an den Funktionen Aus den U S A :

Standard O i l Co. (Indiana), Continental O i l Co., Amerada O i l Co., Marathon O i l Co., Cities Service Co., Getty and Tidewater O i l Co., Phillips Petroleum Co., Occidental Petroleum Co. Compagnie Française des Pétroles (CFP), Erap, B u r m a h Oil, ENI, Petrofina, Gelsenkirchner Bergwerks A.G.

Aus Westeuropa:

Aus Asien, M i t t e l - und Südamerika sowie Mittelost:

die staatlichen Gesellschaften der einzelnen Länder sowie die japanische Arabien O i l Co.

Obwohl diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, zeigt sie doch, daß eine Entwicklung, wie sie sich i n den letzten zehn Jahren vollzogen hat und die längst noch nicht abgeschlossen ist, langfristig nicht ohne Auswirkungen auf die Struktur der Welt-Mineralölindustrie bleiben kann. 3. Verarbeitung von Rohöl in Raffinerien

Es ist wirtschaftlich vorteilhafter, das Rohöl i m eigenen Unternehmensverband zu verarbeiten, als es an andere Raffinerien zu verkaufen. Für die Marktstellung ist deshalb neben der Rohölförderung die Errichtung einer ausreichenden Raffineriekapazität von großer Wichtigkeit. Wie hat sich der Anteil der sieben internationalen Konzerne auf dem Raffineriesektor seit 1950 entwickelt? Tabelle 12 Rohölverarbeitung in Raffinerien (Mio. t) Jahr

Welt (ohne Ostblock)

7 Konzerne

A n t e i l der 7 Konzerne i n %

1950 1955 1960 1965 1968

490 690 940 1300 1630

280 380 520 730 900

57 55 55 56 55

Ein Vergleich m i t den Förderzahlen zeigt, daß die Konzerne i n ihrer Gesamtheit i m Jahre 1968 rund 100 Millionen Tonnen Rohöl weniger i n ihren eigenen Raffinerien verarbeitet haben, als sie i n diesem Jahr förderten. Diese Menge wurde an andere Gesellschaften verkauft. Auch auf der Verarbeitungsstufe sind i n den letzten Jahren zahlreiche neue Unternehmen tätig geworden. So gab es bereits 1961 neben den großen Konzernen 120 Gesellschaften außerhalb der USA, die Rohöl ver-

1. Teil, 3. Kap.: Bedeutung der internationalen Konzerne

44

arbeiteten 14 . 1965 war diese Zahl bereits auf 139 angewachsen, darunter 100 private und 39 Staatsunternehmen. Die Raffineriekapazität der internationalen Konzerne ist — entsprechend ihrer weltweiten Tätigkeit — regional ziemlich gleichmäßig verteilt. I n den EWG-Ländern entfallen rund 53 Prozent der Gesamtkapazität auf sie 15 . 4. Absatz von Erdölerzeugnissen

Der Marktanteil der internationalen Konzerne hat sich seit 1950 entsprechend der Ausweitung der Rohölförderung und dem Ausbau der Raffineriekapazität entwickelt: Tabelle 13 Absatz von Erdölerzeugnissen (Mio. t) Jahr

Welt (ohne Ostblock)

7 Konzerne

A n t e i l der 7 Konzerne i n °/o

1950 1955 1960 1965 1968

480 680 930 1320 1 630

290 390 530 750 940

60 57 57 57 58

Diese Zahlen zeigen, daß die sieben Konzerne insgesamt gesehen sogar mehr Fertigprodukte abgesetzt haben, als i n den eigenen Raffinerien erzeugt worden sind. Das bedeutet, daß sie über ihre ausgedehnten Vertriebsorganisationen z.T. auch die Überschüsse anderer Gesellschaften leiten, deren Produktion das eigene Absatzpotential übersteigt. 5. Investitionstätigkeit

Die gegenwärtige Marktposition w i r d — wie gezeigt — durch die Höhe der Rohölförderung und -Verarbeitung sowie letztlich durch den Erzeugnisabsatz bestimmt. Uber die künftige Stellung i m Markt entscheidet dagegen neben dem Besitz von Erdölreserven die laufende Investitionstätigkeit, die die Kapazität des Unternehmens auf allen Stufen gleichmäßig erweitern muß, wenn die einmal errungene Position behauptet werden soll. 14

„Neulinge i n der Erdölwirtschaft", a. a. O. V. Leemans, „Bericht i m Namen des Energieausschusses über die Politik der Gemeinschaft i m Bereich v o n Erdöl u n d Erdgas", Europäisches Parlament, Sitzungsdokumente 1966/67, Dok. 106,12.10.1966, S. 8. 15

I I . A n t e i l der Konzerne an den Funktionen

45

Seit 1950 haben die internationalen Konzerne i m Vergleich zur gesamten Mineralölindustrie folgende Investitionen vorgenommen 1 6 ' 1 7 : Tabelle 14 Investitionen (in Mio $) Jahr

Welt (ohne Ostblock)

7 Konzerne

A n t e i l der 7 Konzerne i n %

1950 1955 1960 1965 1966 1967

4.900 9.550 11.600 14.260 15.790 16.770

1.870 3.230 3.940 5.900 6.320 6.700

38 34 34 41 40 40

A u f den ersten Blick scheint der Anteil der sieben Konzerne an der Investitionstätigkeit geringer zu sein, als es ihrer gegenwärtigen Stellung i n der Mineralölindustrie entspräche. I n Wirklichkeit dürfte die Investitionstätigkeit durchaus ausreichend sein, um die Erreichung des Ziels: Behauptung der Marktposition zu ermöglichen. Die laufenden I n vestitionen sind nämlich wirkungsvoller, als es der prozentuale Anteil am gesamten Investitionsvolumen der Mineralölindustrie auszusagen vermag. Dafür sprechen folgende Faktoren: — Die großen Konzerne verfügten zu Beginn des betrachteten Zeitraumes bereits über beträchtliche Kapazitäten auf allen Stufen. — Ihnen gehören große Rohölreserven, die m i t vergleichsweise geringem Aufwand gefördert werden können. — Durch das Ausmaß ihrer Integration (Tätigkeit auf allen Stufen) und der internationalen Verflechtung w i r d eine optimale Nutzung des Kapitaleinsatzes erleichtert. — Ihre Größe erlaubt die Errichtung wirtschaftlich optimaler Kapazitäten m i t niedrigen Einheitskosten. — Andere Gesellschaften, die sich erst eine Marktposition aufbauen müssen, haben einen hohen „Eintrittspreis" zu zahlen, d. h. sie müssen relativ hohe Startinvestitionen vornehmen, u m jene integrierte Organisation zu schaffen, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behauptung i m Markt ist.

16

Investitionen einschl. Ausgaben f ü r die Erdölsuche. Welt-Zahlen nach Chase Manhattan Bank, „Capital Investment of the W o r l d Petroleum Industry, New York, verschied. Jahrgänge; Zahlen der Gesellschaften aus den Geschäftsberichten. 17

46

1. Teil, 3. Kap.: Bedeutung der internationalen Konzerne

I I I . Entwicklungstendenzen Der Uberblick über den Anteil der sieben internationalen Konzerne an der gesamten Mineralölindustrie i n den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten hat gezeigt, daß dieser A n t e i l i m Zeitablauf nahezu konstant geblieben, bei der Förderung sogar noch leicht gestiegen ist. Hierbei bleiben natürlich regionale Abweichungen und solche bei einzelnen Gesellschaften unberücksichtigt. Diese Behauptung der Marktposition ist i n der Tat erstaunlich, wenn man bedenkt, daß sich der Wettbewerb i n den letzten Jahren durch das Vordringen zahlreicher neuer Gesellschaften auf allen Stufen der Industrie erheblich verschärft hat. Hinzu kommt, daß politische Maßnahmen die Expansion der großen Konzerne eher negativ beeinflußt haben. So w i r d z. B. i n Frankreich der Marktanteil der internationalen Konzerne durch eine administrative Bevorzugung der inländischen, zumeist i m Staatsbesitz befindlichen Gesellschaften schrittweise verringert. I n vielen Entwicklungsländern versuchen Staatskonzerne, m i t massiver politischer Unterstützung (bis zur Enteignung wie z. B. i n Algerien, Ceylon) die internationalen Gesellschaften zu verdrängen. Und die Förderländer bevorzugen bei der Vergabe neuer Konzessionen Gesellschaften, die ihnen die Erschließung zusätzlicher Absatzmärkte für ihr Rohöl versprechen. U m sich unter diesen sich verschlechternden Umweltsbedingungen dennoch m i t Erfolg behaupten zu können, haben die großen Konzerne ihre wirtschaftliche, technische und organisatorische Überlegenheit voll einsetzen und sogar noch steigern müssen. Sie haben m i t einer erhöhten Investitionstätigkeit auf allen Stufen, speziell auch auf dem wichtigen Vertriebssektor, reagiert. Sie haben die interne Rationalisierung vorangetrieben, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit verstärkt sowie ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit an die sich ständig wandelnden Umweltsbedingungen entwickelt. Die Konzerne haben ferner m i t risikoreichen Investitionen neue Produkte entwickelt und i n den Entwicklungsländern neue Märkte erschlossen. Die Entwicklung der Anteile an den einzelnen Stufen der Mineralölindustrie zeigt einen fast gleichmäßigen Verlauf. Damit ist der hohe Integrationsgrad dieser Konzerne bewiesen, d.h. das Bemühen, die Tätigkeit auf allen Stufen sorgfältig aufeinander abzustimmen. Das ausgeglichene B i l d der sieben Konzerne i n ihrer Gesamtheit soll aber nicht über Ungleichgewichte bei den einzelnen Gesellschaften, z. B. bei dem Besitz von Erdölreserven und bei der Förderung, hinwegtäuschen. So fördern BP und Gulf Oil z. B. erheblich mehr Rohöl, als sie verarbeiten und über das eigene Vertriebsnetz absetzen können, während umgekehrt Esso, Shell und Mobil Oil mehr verarbeiten und verkaufen, als sie fördern. Diese Ungleichgewichte werden aber zu einem großen Teil durch

47

I I I . Entwicklungstendenzen

l a n g f r i s t i g e R o h ö l l i e f e r v e r t r ä g e zwischen B P u n d G u l f O i l a u f d e r e i n e n sowie Esso, S h e l l u n d M o b i l O i l a u f der a n d e r e n Seite ausgeglichen. Das a u f diese Weise bezogene R o h ö l e n t s p r i c h t f u n k t i o n e l l e i n e r e i g e n e n Förderung. D i e v o r l i e g e n d e n Z a h l e n d ü r f e n n i c h t z u d e r Prognose v e r l e i t e n , daß d i e i n t e r n a t i o n a l e n K o n z e r n e i h r e M a r k t p o s i t i o n l a n g f r i s t i g i m gegenTabellelS Anteil der sieben Großkonzerne an den einzelnen Sektoren der internationalen Mineralölindustrie in ausgewählten Jahren*) (in Mio. t bzw. Mio.$) 1949 bzw. 1950

1955

1960 bzw. 1959

1965

1968

Reserven Welt-Total 7 Konzerne A n t e i l i n °/o

55.000 33—35.800 60—65

35.100 25.600 73

10.000 6.940 69

Rohölförderung (brutto) Welt-Total 7 Konzerne Anteil in %

480 260 54

670 400 60

930 530 57

1.300 790 61

1.660 1.010 61

490 280 57

690 380 55

940 520 55

1.300 730 56

1.630 900 55

480 290 60

680 390 57

930 530 57

1.320 750 57

1.630 910 58

Rohölverarbeitung in Raffinerien Welt-Total 7 Konzerne Anteil in % Absatz Welt-Total 7 Konzerne A n t e i l i n °/o Investitionen Welt-Total 7 Konzerne A n t e i l i n °/o

1967 4.900 1.870 38

9.550 3.230 34

11.600 3.940 34

14.260 5.900 41

16.770 6.700 40

a) Ausschl. Ostblock; alle Zahlen gerundet. Quellen: „The Report to the Federal Trade Commission by its Staff on the International Petroleum Cartel", Washington 1952; J. E. Hartshorn , „Oil Companies and Governments", London 1962; British Petroleum Co., „Statistical Review of the World Oil Industry", London, Jg. 1956—1966; Geschäftsberichte der sieben Gesellschaften; Chase Manhattan Bank, „Capital Investments of the World Petroleum Industry", New York, versch. Jg. (Investitionen einschl. Exploration Expenses); eigene Schätzungen des Verfassers.

48

1. Teil, 3. Kap.: Bedeutung der internationalen Konzerne

wärtigen Umfang werden behaupten können. Sie rechtfertigen aber die Annahme, daß sie auf absehbare Zeit ein wesentlicher Bestandteil der Welt-Mineralölindustrie sein werden, der an dem zu erwartenden Wachstum dieses Industriezweiges teilnehmen wird, sofern diese Teilnahme nicht durch politische Maßnahmen erheblich behindert werden wird. Ihre Arbeitsweise, vor allem die ausgeglichene vertikale Konzentration, ist typisch für diesen Industriezweig, der bereits zu über 70 Prozent aus voll-integrierten Unternehmen besteht. Sie sind Vorbild für andere Gesellschaften und Schrittmacher für neue Entwicklungen, z. B. bei der Erschließung neuer Vorkommen i n abgelegenen Gebieten (Alaska). Insofern können aus der Investitionspolitik und der Investitionstätigkeit der internationalen Konzerne, d. h. aus dem hierüber vorliegenden Material, Schlüsse gezogen werden, die — m i t gewissen Einschränkungen — für die gesamte Mineralölindustrie gelten dürften. Die Bedeutung der Mineralölindustrie für die Deckung des Energiebedarfs — und das gilt speziell auch für die großen internationalen Konzerne, die 1967 z. B. allein m i t ihrer Erdölförderung 28 Prozent des WeltEnergiebedarfs (ohne Ostblock) gedeckt haben — hat i n wachsendem Maße dazu geführt, daß sich die Regierungen der Erdölkonsum- und -förderländer sowie zahlreiche inter- und supranationale Institutionen für die Tätigkeit dieser Industrie interessieren. M i t Hilfe der Energiebzw. Erdölpolitik w i r d versucht, auf die Tätigkeit der Unternehmen i m Interesse des jeweiligen Staates Einfluß zu nehmen.

Viertes Kapitel

Das Interesse der Konsum- und Förderländer an der Tätigkeit der Mineralölindustrie Der bekannte amerikanische ölexperte Walter J. Levy hat einmal die Feststellung getroffen: „No industry is more world-wide i n its ramifications, is more essential to the world economy, or is more entangled i n world politics than oil 1 ." Und die Gründe für das starke politische Interesse, dem das ö l überall begegnet, nannte V. Leemans vor dem Europäischen Parlament 2 : „Erdöl ist für viele Länder die wichtigste Einnahmequelle, für die hochindustrialisierten Wirtschaftsgebiete der Welt ist es ein unentbehrlicher Energieträger. Außerdem stellt es wert- und volumenmäßig den größten Posten der Welthandelsbilanz dar". Je nach ihrer Interessenlage lassen sich die einzelnen Länder einer dieser drei Gruppen zuordnen 3 : a) autarke Länder, die ihren ölbedarf weitgehend selber decken können (USA, Kanada, Mexiko); b) Konsumländer ohne nennenswerte eigene Förderung (Westeuropa, Japan, viele Entwicklungsländer); c) Förderländer, deren Erzeugung den Eigenbedarf weit übersteigt. Ferner haben sich verschiedene Länder i n inter- bzw. supranationalen Organisationen zusammengeschlossen, die — wie die EWG und OECD — ebenfalls eine ö l p o l i t i k betreiben oder deren alleiniger Zweck i n der Durchführung einer gemeinsamen ö l p o l i t i k besteht, wie dies bei der OPEC, der Organisation der Erdöl exportierenden Länder, der Fall ist. Selbst die Vereinten Nationen befassen sich, speziell i n den regionalen Wirtschaftskommissionen, m i t dem Mineralöl 4 . Die internationalen Konzerne, die ausnahmslos i n allen drei Ländergruppen tätig sind, werden i n ihrer Tätigkeit zwangsläufig stark von den 1 Walter Levy , „ W o r l d O i l i n Transition", The Economist, London 19.8. 1961, S. 723. 2 V. Leemans, a. a. O. 3 Paul H. Frankel, „ ö l — Tatsachen u n d Tabus", Hannover 1962, S. 31, auch J. E. Hartshorn, a. a. O. 4 „Vereinte Nationen k ü m m e r n sich u m die Ölindustrie", PPS, März 1962, S. 95—97.

4 Eich

50

1. Teil, 4. Kap.: Interesse der Konsum- und Förderländer

politischen Wünschen der einzelnen Länder betroffen. Da die Interessen der verschiedenen Gruppen naturgegeben gegensätzlich sind, müssen die Unternehmen versuchen, einen Ausgleich zwischen diesen Interessen herbeizuführen. I n jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen, daß die Länder der einen Gruppe (z. B. Konsumländer) direkten Kontakt zu Ländern der anderen Gruppe (Förderländer) aufnehmen, u m auf diese Weise die Ölversorgung langfristig zu sichern. Die Ausführung dieser Politik w i r d dann oft staatlichen Gesellschaften übertragen. Als Beispiele für diese Tendenz seien die Abmachungen zwischen Frankreich und Iran/ Irak sowie zwischen Spanien und Kuweit/Libyen genannt.

I . Versuche politischer Einflußnahme 1. Konsumländer

Die Energiepolitik der Konsumländer gegenüber der Mineralölindustrie hängt weitgehend davon ab, ob — sie selber genügend Erdöl fördern, u m den Eigenbedarf zu einem großen Teil decken zu können; — bedeutende ölgesellschaften i n ihnen ihren Hauptsitz haben; — sie den größten Teil ihres ölbedarfs durch Importe decken müssen; — die allgemeine Wirtschaftspolitik wettbewerbsfreundlich und aufgeschlossen für die internationale Zusammenarbeit ist oder nicht. I m ersten Falle dürfte es das Ziel der Energiepolitik sein, einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad aufrechtzuerhalten und die ölgesellschaften zu einer diesem Ziel adäquaten Investitionstätigkeit zu veranlassen, wobei diese Tätigkeit notfalls durch steuerliche Maßnahmen und eine protektionistische Einfuhrpolitik attraktiv gemacht werden kann (USA). Diese Politik w i r d allerdings immer dann sehr umstritten sein, wenn sie zu einer Verteuerung des Energieangebots führt. Bei Ländern, i n denen die internationalen Konzerne oder andere bedeutende ölgesellschaften ihren Hauptsitz haben (USA, Großbritannien und die Niederlande), w i r d man erwarten können, daß die weltweite Tätigkeit dieser Unternehmen weitgehend unterstützt wird, schließt dies doch eine zuverlässige und kostengünstige Deckung des eigenen Energiebedarfs durch diese Gesellschaften ein. Allerdings werden die ö l interessen durchaus wichtigeren Zielen untergeordnet, wenn dies den Regierungen erforderlich erscheint. So trifft die amerikanische ö l Importpolitik, die eine möglichst hohe Inlandsförderung schützen soll, die internationalen Konzerne am empfindlichsten, die ihre kostengünstigen ausländischen Reserven nicht auf den amerikanischen Markt bringen können. Auch die Maßnahmen der US-Regierung zur Verbesserung

I. Versuche politischer Einflußnahme

51

der Zahlungsbilanz 5 zwangen die amerikanischen Konzerne zu einer Überprüfung ihrer Investitionsprogramme. Verschiedene, mögliche Konzeptionen für eine Energiepolitik bieten sich den Ländern, die ihren Mineralölbedarf überwiegend oder ganz m i t Importen decken müssen. Diese Länder sind bei ihrer Versorgung m i t Mineralöl bisher überwiegend auf die internationalen Unternehmen angewiesen. Gegen dieses Abhängigkeitsverhältnis — zumindest w i r d es so empfunden — richtet sich die Energiepolitik einer Reihe von Ländern, zu denen i n erster Linie Frankreich zu zählen ist. Diese Länder versuchen, m i t massiven staatlichen Subventionen und zumeist unter Beteiligung staatlicher Unternehmen i m In- und Ausland eine eigene Versorgungsbasis zu errichten. Dies ist Frankreich i n einem erheblichen Maße gelungen, wobei allerdings der Mineralölmarkt einem lückenlosen Dirigismus unterworfen werden mußte. Daß der Konsument diese Polit i k i n der Regel m i t überhöhten Preisen bezahlen muß, sollte nicht unerwähnt bleiben. Andere Länder, wie z. B. Australien, begünstigen alle, also auch ausländische Gesellschaften, die i m Inland nach Erdöl und Erdgas suchen. Eine Alternative stellt eine weitgehend liberale Energiepolitik dar, die allen Energielieferanten den Marktzutritt ermöglicht, sofern sie wettbewerbsfähig sind. Eine derartige Politik ist bisher von der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien verfolgt worden. Allerdings wurde auch hier die Freizügigkeit eingeschränkt, u m inländischen Energieerzeugern (Kohle) die Anpassung an die veränderten Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen bzw. den einheimischen Produzenten aus Sicherheitsüberlegungen einen bestimmten Marktanteil zu erhalten. Es sind auch Mischformen der beiden politischen Konzeptionen denkbar, z. B. eine weitgehend liberale Politik bei gleichzeitiger Unterstützung inländischer Unternehmen bei der Erdölsuche i m In- und Ausland. Eine solche Politik w i r d seit einigen Jahren von der Bundesrepublik Deutschland verfolgt. Sie gehört auch zum Konzept der Europäischen Gemeinschaften für eine gemeinsame Energiepolitik der sechs Mitgliedsländer. Bestimmend für die Richtung der Energiepolitik ist jeweils das Gewicht, das eine Regierung einer sicheren, selbst kontrollierten oder kostengünstigen Versorgung m i t Energieträgern beimißt. Eine erhöhte 5 „Das Programm der amerikanischen Regierung zur Verbesserung der Zahlungsbilanz", i n : Europa-Archiv, 23. Jg., Heft 3,10. 2.1968, S. D 55 ff.; „ M a j o r Worldwide Impact Seen i n New U.S. Curbs", P I W , 8.1.1968, S. 5—7; „Die Behinderung der amerikanischen Kapitalausfuhr u n d ihre Folgen", PPS, Februar 1968, S. 47—49.

4*

52

1. Teil, 4. Kap.: Interesse der Konsum- u n d Förderländer

Sicherheit ist i n der Regel nur mit höheren Kosten zu erreichen, während geringstmögliche Kosten gleichzeitig weniger Sicherheit bedeuten. Jedes Land hat bei der Entscheidung über seine Energiepolitik einen Kompromiß zwischen diesen beiden Zielen zu finden. Ein besonderes Gewicht erhält die Energiepolitik, die von politischen und/oder wirtschaftlichen Zusammenschlüssen mehrerer Länder verfolgt wird. Als Beispiel hierfür mag die EWG gelten 6 , die als größter Mineralölimporteur der Welt die internationale Ölindustrie maßgeblich zu beeinflussen vermag. „The Common Market may come to exercise a tremendeous influence on petroleum i n terms not only of the oil industry i n the six countries, but perhaps also on international oil as a whole 7 ." Eine Erdölpolitik der EWG 8 w i r d insbesondere die internationalen Konzerne erheblich beeinflussen, die heute die wichtigsten Lieferanten (über 50 Prozent) dieser Länder sind und die einen wesentlichen Teil ihres weltweiten Geschäfts i m Wirtschaftsraum der sechs Länder abwickeln. Die EWG-Kommission hat ausdrücklich i n ihren Aufzeichnungen 9 festgestellt, daß eine sichere Versorgung des Gemeinsamen Marktes nur i n Zusammenarbeit mit den großen internationalen Gesellschaften möglich ist. So auch V. Leemans vor dem Europäischen Parlament 1 0 : „Als Träger einer sicheren Versorgung der Gemeinschaft w i r d den internationalen Gesellschaften... größte Bedeutung zugemessen." Die geplante gemeinsame Erdölpolitik der sechs Gemeinschaftsländer könnte durch folgende Maßnahmen die Tätigkeit der Mineralölgesellschaften direkt beeinflussen: — Begünstigung der Gemeinschaftsunternehmen, i m Interesse einer Erhöhung der Versorgungssicherheit, wobei es wichtig ist, welche Firmen als Gemeinschaftsunternehmen angesehen werden; — Investitionsbeobachtung und möglicherweise -lenkung; 6 Es soll an dieser Stelle bereits auch auf die Tätigkeit der OECD bei der Konzipierung einer gemeinsamen Energiepolitik ihrer Mitgliedsländer verwiesen werden. Vgl. hierzu „Energy P o l i c y . . . " , u n d „ O i l Today (1964)", Paris 1964. 7 Andrew F. Ensor, „Common Market Influence on Petroleum", Special Supplement, P I W , 5.4.1965. 8 Konzipiert i n „Erste Aufzeichnungen der Kommission über die Politik der Gemeinschaft i m Bereich von Erdöl u n d Erdgas", SEK (66) 496, Brüssel, 14. 2.1966 sowie i n den jährlichen Tätigkeitsberichten der EWG. 9 a. a. O., S. 8 u n d 14. 10 V. Leemans, a.a.O., S.3; vgl. auch Hans Eliasmöller, „Die Vorschläge der EWG-Kommission f ü r eine Politik der Gemeinschaft auf dem Erdölsektor u n d i h r Beitrag an der Schaffung einer gemeinsamen Erdölpolitik", i n : Ordnungsprobleme u n d Entwicklungstendenzen i n der deutschen Energiewirtschaft, Festschrift f ü r Theodor Wessels, Essen 1967, S. 57.

I. Versuche politischer Einflußnahme

53

— Bevorzugung bestimmter Lieferländer (z. B. assoziierte Gebiete); — direkte Verhandlungen m i t den Förderländern (OPEC) über die Sicherstellung der Versorgung. Wie ernst die Unternehmen die erwartete Erdölpolitik der EWG nehmen, beweist auch der Entschluß der Shell-Gruppe, das ehemalige französische Mitglied der EWG-Kommission, Marjolin, ab 1. 1. 1970 i n ihre Direktion zu berufen. M a r j o l i n war bis zu seinem Ausscheiden aus der Kommission verantwortlch für die Ausarbeitung einer Energiepolitik der EWG. Von Bedeutung für die Unternehmen ist auch die Energiepolitik der Entwicklungsländer, deren Erdölbedarf durchweg durch Importe gedeckt werden muß. Hier w i r d die Notwendigkeit, möglichst preiswerte Energie für die wirtschaftliche Entwicklung zu erhalten, von politischen Vorstellungen überlagert, die die Erreichung dieses Zieles vielfach i n Frage stellen. Diese Länder sehen i n der Tätigkeit der internationalen Gesellschaften oft eine Fortsetzung der kolonialen Abhängigkeit, die beseitigt werden soll. Auch ist die i n der Regel betriebene sozialistische W i r t schaftspolitik den privaten Unternehmen nicht freundlich gesonnen. Diese politische Grundhaltung, oft verbunden m i t dem Wunsch, die Zahlungsbilanzbelastung durch den Erdölimport zu verringern, führt vielfach zu Autarkie-Bestrebungen, die sich i n der Gründung staatlicher Erdölgesellschaften und z. T. sogar i n der Schaffung staatlicher Erdölmonopole niederschlagen. Daß diese Politik nur sehr selten zu einer wirtschaftlichen Lösung des Problems einer sicheren und billigen Energieversorgung führt, hat W. J. Levy i n einer Studie für die Weltbank überzeugend nachgewiesen 11 . 2. Förderländer

Das Interesse der Erdöl produzierenden und exportierenden Länder liegt naturgemäß i n der bestmöglichen Verwertung ihrer Bodenschätze, d. h. i n den Einnahmen, die sie von den Fördergesellschaften erhalten 12 . Da diese Einnahmen von den Preisen abhängen, die auf dem Weltmarkt zu erzielen sind, wünschen diese Länder gleichermaßen hohe und stabile ölpreise. Zur gemeinsamen Verfolgung ihrer Ziele haben sie sich i n der „Organization of the Petroleum Exporting Countries" (OPEC) zusam11 „The Search for O i l i n Developing Countries — A Problem of Scarce Resources and its Implications for State and Private Enterprise", New Y o r k 1960. 12 Es soll an dieser Stelle auch auf die Bedeutung des Mineralöls als Steuerquelle i n den Konsumländern hingewiesen werden, i n denen die V e r brauchsteuern oft ein Mehrfaches des Warenwertes ausmachen. So werden z. B. die Treibstoffsteuern n u r zum Teil zweckgebunden f ü r den Straßenbau eingesetzt.

54

1. Teil, 4. Kap.: Interesse der Konsum- u n d Förderländer

mengeschlossen13. Gegenwärtige Mitglieder sind: A b u Dhabi, Algerien, Indonesien, Iran, Irak, Kuweit, Libyen, Qatar, Saudi-Arabien und Venezuela. Nicht zuletzt dank dieser engen Zusammenarbeit ist es den Förderländern gelungen, ihren A n t e i l an den Fördergewinnen der Erdölgesellschaften von 50 % i m Jahre 1957 auf 66 °/o i n 1966 und 73 °/o i m Jahre 1968 zu steigern 14 . Die Staatseinkünfte machen bereits bis zu 60 Prozent des fob-Wertes des Rohöls aus. Das Interesse der Förderländer an den Erdöleinnahmen w i r d besonders dann verständlich, wenn man bedenkt, daß sie ausnahmslos zu den Entwicklungsländern zu zählen sind und daß ihr größter nationaler Reichtum das Erdöl ist, aus dessen Einnahmen überwiegend die w i r t schaftliche Entwicklung finanziert werden muß. So liegt der A n t e i l der öleinnahmen an den gesamten Staatseinnahmen i n den Jahren 1966 und 1967 zwischen 46 (Iran) und 98 Prozent (Kuweit) 1 5 . Absolut haben sich die öleinnahmen der wichtigsten Förderländer wie folgt entwickelt 1 6 (in Mio. $): Tabelle 16 Land Iran Irak Kuweit Libyen Saudi-Arabien Venezuela

..

1950

1955

1960

1965

1966

1967

1968

45 19 14

91 206 282

285 266 465

534 375 671 371 655 1125

607 394 707 476 777 1 112

754 362 718 631 850 1254

836 476 773 952 955 1291







57 331

341 596

355 877

18 Z u r Geschichte u n d Tätigkeit der OPEC vgl. „Der Weg v o n Caracas nach Wien", PPS, Februar 1967, S. 42 ff. sowie die verschiedenen Resolutionen, Veröffentlichungen usw. dieser Organisation, auf die i m Literaturverzeichnis hingewiesen ist. 14 Edward Symonds, „Eastern Hemisphere Rides the Storm", Energy Memo der First National City Bank, New York, Januar 1968; „Revenues Soar 5 7 % I n Just Four Years I n Six OPEC States", P I W , 4. 8.1969, S. 2. 15 OPEC, „ A n n u a l Statistical B u l l e t i n 1966", Wien 1967, S. 12 u n d 109 ff. 16 OPEC, „ A n n u a l Statistical B u l l e t i n 1966", S. 109 ff., John L. Ivers u n d Edward Symonds , „Energy for Economic Development", Vortrag v o r dem 2. Arabischen Erdölkongreß, Oktober 1960, S. 4; „ L i b y a and Venezuela Top Mideast Hikes I n Per-Barrel Income", P I W , 16.9.1968; „Libya's Per Barrel Revenues Soar Far Ahead Of Mideast", P I W , 20.10.1969, S. 6.

I I . Auswirkungen der politischen Einflüsse

55

II. Auswirkungen der politischen Einflüsse auf die Tätigkeit der Mineralölindustrie Die Energie- und speziell Erdöl-politischen Maßnahmen der verschiedenen Länder und Staatengruppierungen vermögen — wie geschildert — die Tätigkeit der internationalen Mineralölindustrie erheblich zu beeinflussen. Dabei bedeutet die Politik stets ein Element der Unsicherheit, besonders bei den großen Unternehmen, bei denen langfristiges Denken i m Vordergrund steht und die politische Maßnahmen i n ihrem laufenden Geschäft wie i n der Planung zu berücksichtigen haben. Es muß nachdrücklich festgestellt werden, daß entgegen vielfach geäußerten Vermutungen ein wesentlicher Einfluß der Mineralölindustrie auf die Politik, wie er sicherlich i n den frühen Jahren dieses Industriezweiges und vielleicht auch noch während der Mossadek-Krise i m Iran und der ersten Suezkrise 1956 gegeben war, heute nicht mehr besteht. Das beweisen die Vorgänge i m Mittleren Osten ebenso wie die i n Nordafrika oder Südamerika. Weder vermögen die ölgesellschaften, ihnen genehme Regierungen vor Staatsstreichen zu bewahren, noch können sie Enteignungen vermeiden oder auch nur angemessene Entschädigungen hierfür eintreiben. Auch i n den Konsumländern w i r d die Energie- und Erdölpolitik oft gegen die Interessen der großen internationalen Unternehmen betrieben. Die Tatsache, daß sie vielfach als ausländische Unternehmen auftreten müssen, legt ihnen bei dem durchaus legitimen Bestreben, z. B. auf die Energiepolitik eines Landes Einfluß zu nehmen, zudem ein solches Maß an Zurückhaltung auf, das die Wirksamkeit ihrer Bemühungen von vornherein erheblich beschneidet. Die Rücksichtnahme auf politische Einflüsse führt zwangsläufig zu einem Abweichen von optimalen wirtschaftlichen Lösungen und damit zu einer Verteuerung der Energieversorgung, was wiederum i m Gegensatz zu den Zielsetzungen der Regierungen stehen kann, deren Politik nicht-optimales Verhalten zur Folge hat. Walter J. Levy meint hierzu: „The essential function of the internationally integrated companies — to Programme production among diversified areas and to match supplies w i t h world requirements — is thus complicated by political inspired limitations on both their freedom of disposal and their freedom of supply 1 7 ." So macht die politische Unsicherheit, wie sie z.B. i n der Suezkrise 1956 und i n der Mittelostkrise 1967 zum Ausdruck gekommen ist, Maßnahmen zur Streuung der Versorgungsquellen notwendig, die zwangsläufig eine Verteuerung der Energieversorgung zur Folge haben. Es ist dies der Preis für eine größere Sicherheit. Andererseits werden die Gesell17

Walter J. Levy, „ W o r l d Oil i n Transition", S. 724.

56

1. Teil, 4. Kap.: Interesse der Konsum- u n d Förderländer

Schäften bei Investitionen in den politisch unstabilen Gebieten besonders strenge Maßstäbe anlegen. I n Ländern, i n denen Enteignungen nicht ausgeschlossen sind, w i r d gewiß nicht großzügig investiert werden — oft zum Nachteil eben dieser Länder. Alle Staaten wollen — zu ihrem Vorteil — auf die Tätigkeit der internationalen ölgesellschaften Einfluß nehmen. Niemand bestreitet aber ernsthaft ihre Bedeutung für einen reibungslosen Fluß des Erdöls aus den Förderländern zu den Konsumzentren. So werden „ . . . die internationalen Erdölgesellschaften, deren Stärke darin liegt, daß sie nun einmal da sind, die man, wenn es sie nicht gäbe, erst noch erfinden müßte, und für deren technische, organisatorische und finanzielle Leistungsfähigkeit noch kein Ersatz i n Sicht i s t . . . 1 8 ," als praktisch unentbehrlich angesehen. Um ihre anerkannte Funktion wirkungsvoll ausüben zu können, dürfen die Erdölgesellschaften aber nicht mehr als nötig reglementiert werden. Denn: „ I n anticipation of future demand, i t (d. h. Ölindustrie) must plan now to provide the necessary facilities. To do these, the industry must be left w i t h reasonable freedom to plan its investments and to manage its affairs . . . Given a modicum of law and order, the industry w i l l be able to function i n a rapidly changing w o r l d . . . 1 9 ." Die Bedeutung politischer Einflußnahme auf die Investitionstätigkeit und -politik i n der internationalen Mineralölindustrie w i r d i m Detail noch zu untersuchen sein.

18

Paul H. Frankel „Öl-Tatsachen u n d Tabus", S. 46. Fast gleichlautende Aussagen treffen V. Leemans, J. E. Hartshorn , a. a. O., S. 350. 19 Walter J. Levy, „ W o r l d Oil i n Transition", S. 729.

a. a. O., S. 14, u n d

Fünftes Kapitel

Investitionstätigkeit und Investitionspolitik in der Mineralölindustrie Die Bruttoinvestitionen je Beschäftigten liegen m i t rund 87 000 Dollar i n der Mineralölindustrie weit über dem Niveau jedes anderen Industriezweiges1. Diese Kapitalintensität ist ein wesentliches Kennzeichen dieser Industrie. Die bisherige Investitionstätigkeit hat zu der gegenwärtigen Struktur der internationalen Erdölindustrie geführt und sie zum wichtigsten Energielieferanten werden lassen. Die Investitionspolitik und -planung, d. h. die künftigen Investitionen, werden darüber entscheiden, ob das Erdöl auch i n der Zukunft seine bedeutende Stellung auf dem Energiemarkt behaupten wird. Die Kapitalintensität, deren Folge eine hohe Fixkostenbelastung ist, hat auch i n entscheidendem Maße Verhaltensweisen der ölgesellschaften geprägt. A n dieser Stelle soll nur das weitverbreitete Grenzkostendenken erwähnt werden, das erheblich die Preisbildung beeinflußt. I. Investitionen und Konzentration Der Zugang zum Erdölmarkt sowie die Behauptung einer einmal erreichten Position setzen den laufenden Einsatz großer Kapitalbeträge voraus. Für die Entwicklung eines zusätzlichen Absatzvolumens von 1 M i l l i o n Tonnen pro Jahr müssen auf allen Stufen der Industrie schätzungsweise 100 Millionen Dollar aufgewendet werden 2 . Unterstellt man, daß i n der internationalen Mineralölindustrie ein Unternehmen, das auf allen Stufen tätig ist und i m Jahr zwischen 5 und 10 Mio. t Erdölprodukte verkauft, als klein bezeichnet w i r d — eine Marktposition, die immerhin Investitionen zwischen 500 und 1 000 Millionen Dollar voraussetzt —, so w i r d die starke Konzentrationsneigung i n dieser Industrie verständlich. Das erforderliche Kapital für die Schaffung und Aufrechterhaltung einer bedeutenden Marktstellung kann nur von großen und leistungsfähigen Wirtschaftseinheiten bereitgestellt werden. Da die I n vestitionen zudem, besonders auf dem wichtigen Gebiet der Erdölsuche, 1 1

OECD, „ O i l Today (1964)", S. 75. W. J. Levy, „The Search for O i l i n Developing Countries", S. 8 u n d 22.

58

1. Teil, 5. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Investitionspolitik

m i t großen Risiken verbunden sind, bietet sich die Konzentration zur Verringerung und Verteilung der Risiken geradezu an. Die spezifischen Eigenheiten der Mineralölindustrie haben zu einer besonderen Form der Konzentration geführt, die allgemein als Integration bezeichnet wird. Diese ist eine Sonderform der vertikalen Konzentration, bei der ein Unternehmen auf allen Stufen der Industrie, von der Erdölsuche bis zum Vertrieb an den Endverbraucher, tätig ist. Integrierte Unternehmen bestimmen deshalb weitgehend die Struktur der internationalen Mineralölindustrie. Nicht integrierte Unternehmen erlangen nur höchst selten eine überregionale Bedeutung.

II. Einfluß der Kapitalintensität auf die Investitionspolitik Die Aufgabe, i n Übereinstimmung m i t den Unternehmenszielen fortlaufend über den bestmöglichen Einsatz erheblicher Kapitalmittel entscheiden zu müssen, w i r d fast ausschließlich von den Konzernzentralen wahrgenommen. Die Investitionspolitik ist den Unternehmensleitungen vorbehalten. Dies dürfte i n allen Industriezweigen ähnlich sein. Angesichts der Größe der internationalen ölgesellschaften und der Höhe der erforderlichen Investitionen erhält die Investitionspolitik bei diesen Unternehmen aber einen andersgearteten, abstrakteren Charakter. Die Muttergesellschaften, die die Verantwortung für das Tagesgeschäft und d. h. auch für die Ausführung einmal beschlossener Investitionspläne fast völlig auf Tochtergesellschaften übertragen haben, konzentrieren sich vorwiegend auf die Investitionspolitik. Die Organisation der Konzernzentralen ist hierauf ausgerichtet. Sie soll der Unternehmensleitung bei der Formulierung, Planung, Durchführung und Kontrolle der Investitionspolitik behilflich sein. Die Ausübung dieser Funktion setzt die Erfüllung zahlreicher Unterund Hilfsaufgaben voraus. Hierzu gehören ein lückenloses Informationssystem über den eigenen Unternehmensverband, eine laufende Beobachtung der Wettbewerber und der Erzeuger anderer Energieträger, die Schätzung der Entwicklung des Energiebedarfs, die Aufstellung von langfristigen Investitions- und Finanzierungsplänen, die Entwicklung und Anwendung von zuverlässigen Methoden zur Beurteilung von Investitionsplänen, Forschung und Entwicklung, die planmäßige Heranbildung von jungen Führungskräften (eine durchaus der Investition vergleichbare Tätigkeit) und die Ausarbeitung von möglichen Unternehmensstrategien. Diese A u f zählung ist bei weitem nicht vollständig. Die bisherige Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie hat zu der Herausbildung der spezifisch internationalen Struktur und der weit-

I I . Einfluß der Kapitalintensität auf die Investitionspolitik

59

gehenden Integration dieses Industriezweiges geführt — eine Struktur, wie sie bei keinem anderen Industriezweig anzutreffen ist. Die Investitionspolitik der Unternehmen w i r d die künftige Struktur der Erdölindustrie maßgeblich mitprägen. Entspricht die A r t , wie diese Politik von den Gesellschaften konzipiert und durchgeführt wird, der Erwartung, auch i n Zukunft den größeren A n t e i l des weiter wachsenden Energiebedarfs der Weltwirtschaft ausreichend decken zu können? Oder anders: scheinen die privaten internationalen Mineralölunternehmen in der Lage zu sein, auch künftig die Verantwortung für die Bereitstellung eines ausreichenden Energieangebots tragen zu können und dabei sogar eine gewisse Versorgungspflicht zu übernehmen? Wie weit muß die Energiepolitik auf die Tätigkeit der Industrie Einfluß nehmen? Hiervon handeln die folgenden Hauptteile dieser Untersuchung.

ZWEITER T E I L

Die Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie seit 1946 Sechstes Kapitel

Investitionstätigkeit und Wachstum seit 19461 Die internationale Mineralölindustrie hat seit dem Ende des zweiten Weltkrieges einen kräftigen Aufschwung genommen. Zwischen 1946 und 1966 — i n zwei Jahrzehnten also — hat sich der Verbrauch von Erdölprodukten i n der Welt (ausschließlich Ostblock) mehr als vervierfacht. Dabei stieg er i n den USA, auf die 1946 mehr als zwei D r i t t e l des Gesamtverbrauchs entfielen, auf das Zweieinhalbfache, während er sich i n der übrigen Welt verachtfachte. 1966 verbrauchten die USA nur noch 40 Prozent der Erdölproduktion, während die übrige Welt bereits 60 Prozent konsumierte. Dieser Trend dürfte auch i n der Zukunft anhalten, da die Zuwachsraten des Verbrauchs i n den USA geringer sind als i n den anderen Ländern. Man schätzt, daß sich der Gesamterdölkonsum i m kommenden Jahrzehnt erneut verdoppeln wird. Dieses Wachstum der Mineralölindustrie wurde gleichermaßen durch die steigende Energienachfrage und durch die Investitionstätigkeit der zu diesem Industriezweig gehörenden Unternehmen ermöglicht, die nicht nur ihre Kapazitäten so weit ausbauten, daß der steigende Bedarf jederzeit ohne Schwierigkeiten gedeckt werden konnte; die vielmehr auch bereits für die Deckung des künftigen Bedarfs — wie z. B. die Entwicklung der Erdölreserven zeigt — investiert haben und gleichzeitig durch die geographische Verteilung ihrer Investitionstätigkeit eine größere Sicherheit der Bedarfsdeckung erreichten. Eine möglichst lückenlose Darstellung der Investitionstätigkeit i n den beiden Dekaden 1946 bis 1966 und deren detaillierte Analyse soll drei Zielen dienen: 1 Die folgenden Ausführungen beziehen sich, sofern nicht anders vermerkt, auf den Zeitraum 1946 bis 1966, f ü r den ausreichende statistische Unterlagen vorliegen.

62

. Teil, . Kap.: Investitionstätigkeit u n d

s t s i t

a) der historischen Beschreibung der Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie; b) der Beantwortung der Frage, ob die Industrie m i t ihren Investitionen die Voraussetzung für eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Energieträgern und damit für die Deckung eines wachsenden Anteils des Weltenergiebedarfs geschaffen hat; c) der Schaffung einer Basis für die Beurteilung der bisherigen und künftigen Investitionspolitik und damit für Voraussagen über die wahrscheinliche künftige Investitionstätigkeit. Die Beschreibung der bisherigen Investitionstätigkeit stützt sich weitgehend, sofern nicht anders angegeben, auf die Untersuchungen der New Yorker Chase Manhattan Bank, der einzigen Institution, die über lange Zeiträume hinweg die Investitionstätigkeit der internationalen Mineralölindustrie verfolgt und regelmäßig darüber berichtet hat 2 . Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Welt m i t Ausnahme des Ostblocks, für den keine ausreichenden Angaben über die Investitionstätigkeit während längerer Zeiträume vorliegen. I . Investitionsvolumen

Die Mineralölindustrie hat i m Zeitraum 1946—1966 Brutto-Investitionen i n Höhe von fast 184 Milliarden Dollar vorgenommen. Dazu kommen nicht-kapitalisierte Aufwendungen für die Erdölsuche, die sog. Exploration Expenses, i n Höhe von fast 20 Milliarden Dollar, die w i r t schaftlich als Investitionsaufwand für die Suche von Erdöllagerstätten zu betrachten sind 3 . I m weiteren Sinne gehören hierzu auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die 1965 schätzungsweise 600—700 Millionen Dollar betragen haben dürften, von denen 435 Millionen i n den USA aufgewendet wurden 4 . 2 „Capital Investments of the W o r l d Petroleum Industry", New York, Jg. 1959—1967; „Investment Patterns i n the W o r l d Petroleum Industry", New York, 1956; „Future G r o w t h of the W o r l d Petroleum Industry, New York, 1956, 1957, 1958 u. 1961; „Petroleum Industry", New York, Jg. 1954—1961; „Financial Analysis of a Group of Petroleum Companies", New York, Jg. 1962—1966. 3 Die Steuergesetze verschiedener Länder, so vor allem die der USA, erlauben den ölgesellschaften, bestimmte Aufwendungen f ü r die Erdölsuche als laufende Betriebsauf Wendungen v o m steuerbaren Einkommen des jeweiligen Jahres abzusetzen. Sie brauchen also nicht aktiviert u n d über einen längeren Zeitraum abgeschrieben zu werden. Wirtschaftlich müssen sie jedoch den Investitionen i m Gewinnungsbereich zugeordnet werden. 4 OECD, „ U n i t e d States", Reviews of National Science Policies, Paris, 1968, A n n e x I I , Tafel A 34, S. 44.

63

I. Investitionsvolumen Tabelle 17 Investitionen der Mineralölindustrie 1946—1966*) (Welt ohne Ostblock; in Mio. $) Welt--Total Jahr

ohne

mit

Expl. Exp.

Expl. Exp.

2.725 4.050 4.950 4.925 4.425 5.325 6.750 7.575 8.075 8.550 10.025 11.400 10.700 11.050 10.525 10.425 11.100 11.150 12.275 13.175 14.675

Total 1946—1966

183.850

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965

21.075 36.275 53.700 58.125

1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

davon: USA

Übrige Weltb) %>

°/q

11.025 12.475 11.750 12.170 11.610 11.445 12.100 12.200 13.405 14.355 15.785

2.000 2.825 3.350 3.000 2.925 3.625 4.400 5.025 5.350 5.600 6.750 7.100 5.950 5.925 5.800 5.700 6.300 6.075 6.750 6.985 7.775

74 71 68 61 66 68 65 66 66 65 61 57 51 49 50 50 52 50 51 49 49

725 1.225 1.600 1.925 1.500 1.700 2.350 2.550 2.725 2.950 4.275 5.375 5.800 6.245 5.810 5.745 5.800 6.125 6.655 7.370 8.010

26 29 32 39 34 32 35 34 34 35 39 43 49 51 50 50 48 50 49 51 51

195.670

109.210

56

86.460

44

59.030 63.505

14.100 24.000 31.525 31.810

67 66 53 50

6.975 12.275 27.505 31.695

33 34 47 50

a) Ab 1956 einschl. Exploration Expenses. b) Enthält nicht-lokalisierbare Investitionen, d. h. vornehmlich solche für Tanker.

D i e I n v e s t i t i o n s t ä t i g k e i t e n t w i c k e l t e sich i n enger A n l e h n u n g a n d e n Bedarfsanstieg. I m J a h r z e h n t 1946—1955 w u r d e n 57,4 M i l l i a r d e n D o l l a r i n v e s t i e r t , i n der f o l g e n d e n D e k a d e 1956—1965 m i t 111,8 M i l l i a r d e n fast d o p p e l t soviel. I m F ü n f Jahresdurchschnitt stiegen die I n v e s t i t i o n e n w i e folgt 5:

5

Z u r jährlichen Entwicklung vgl. Tabelle 17 u n d Tafel 4.

64

. Teil, . Kap.: Investitionstätigkeit u n d

s t s i t

Tabelle 18 Zeitraum

Durchschnitt p. a. i n Mrd. $

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

4.200 7.200 10.800 11.600 14.700

Ebenso wie der Mineralölkonsum sind die durchschnittlichen Jahresinvestitionen von 1946/47 bis 1966 auf das Vierfache angestiegen. Aus dieser engen Korrelation zwischen Verbrauch und Investitionen lassen sich bereits gewisse Schlüsse über die künftig erforderlichen Investitionsaufwendungen ableiten. Über die Hälfte der gesamten Investitionen wurden für die Erschließung von Erdölvorkommen und deren Ausbeute aufgewendet, nämlich 52 Prozent 6 . Die nächstwichtigen Investitionsbereiche waren der Verarbeitungssektor (Raffinerien), das Transportwesen sowie das Vertriebsnetz (je 14 bzw. 13 Prozent). Immerhin wurden bereits 4 Prozent oder 6,5 Milliarden Dollar für die Errichtung chemischer Anlagen ausgegeben, weitere 3 Prozent oder 4,7 Milliarden Dollar für Investitionen i n NichtMineralöl-Sektoren. Diese Investitionen dienen der Erweiterung des Tätigkeitsbereiches der Mineralölunternehmen, auf die unter dem Stichwort Diversifikation noch näher eingegangen werden wird. Regional aufgegliedert entfallen 55 Prozent der gesamten Investitionen oder über 102 Milliarden Dollar auf die Vereinigten Staaten. Hierdurch werden bereits der Reifegrad der amerikanischen Erdölindustrie und das hohe Verbrauchsniveau der USA (absolut und pro Kopf) gekennzeichnet. Die zweithöchsten Investitionen wurden i n Westeuropa (10 Prozent bzw. 19 Milliarden Dollar) vorgenommen, dem wichtigsten Konsumzentrum nach den USA. Die restlichen Investitionen verteilen sich ziemlich gleichmäßig auf die übrigen Regionen m i t Schwerpunkten i n den wichtigsten Förder- (Venezuela, Afrika, Mittelost) und Konsumländern (Japan). Trendmäßig ist eine gleichmäßigere Verteilung der Investitionen auf die einzelnen Funktionen und Regionen zu beobachten, wobei einmal das Übergewicht der Investitionen i m Gewinnungssektor und zum anderen die Vorrangstellung der USA i n der Investitionstätigkeit der Industrie schrittweise verringert werden. • Vgl. hierzu Tabelle 19 u n d Tafel 5.

5 Eich

109.210 55 6

Afrika 0st

gional ost

?~ sierbar

Fer

^elt-

^^ Mitt el " +

Total

11.320 8.029 4 5 70

9.865 10

138.424 4 4

1.060

7.015

19.590 6.975 5 23 7

590

5.915

7.415 100

400

8.336

14.355 195.670a)

11.820

183.850

42.891

2.625 —

14.355

8.911

575

40.266

a) Für den Zeitraum 1946—1955 können weitere Exploration Expenses in Höhe von rund 7 000 Mio. $ angenommen werden.

Welt-Total °/o

europa

"

West

östliche Hemisphäre

4.530 86.360 1.745 3.390 3.690 1.755 10.580 — 96.940 5 89 2 3 4 3 11 100 650 6.662 785 705 1.170 238 2.898 — 9.560 7 70 8 7 12 3 30 100 25 1.460 50 5 35 30 120 14.355 15.935 — — 9 —— — — 1 90 100 2.045 14.583 7.295 547 1.170 3.015 12.027 — 26.610 8 55 28 2 4 11 45 100 340 4.005 1.875 10 60 540 2.485 — 6.490 5 62 29 — 1 8 38 100 1.325 12.934 6.660 1.116 335 2.580 10.691 — 23.625 6 55 28 5 1 11 45 100 255 3.225 590 142 555 178 1.465 — 4.690 5 68 13 3 12 4 32 100

Kanada Y^f" übrige 6 zuela

6.240 6.115 72 6 6 700 462 51 7 5 25 30 9 — 1.190 853 40 4 3 205 — 54 3 — 1.580 184 41 7 1 195 80 57 4 2

USA

Total

Westliche Hemisphäre

Total 102.200 10.135 7.724 9.170 129.229 19.000 zuzügl. Ausgaben für Expl. Expens. 7.010 1.185 305 695 9.195 1956—1966

Gewinnung 69.475 °/o Pipelines 4.850 °/o Schiffahrt 1.380 °/o Raffinerien 10.495 °/o Chem. Anlagen 3.460 °/o Vertrieb 9.845 °/o Andere Sekt. 2.695 Vo

Funktion

(in Mio. $)

Tabelle 19: Brutto-Investitionen der Welt-Mineralölindustrie 1946—1966 (ohne Ostblock)

I. Investitionsvolumen 65

66

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tafel 4 Entwicklung der Brutto-Investitionen 1946—1966 (ohne Exploration Expenses)

Mrd. $

18 17 •• 16 15 +

!

14

/ /

13 •• 12

j

••

11 10 9

-

8

»

7

yA

• /•

6 5 4 3 2

+

/ /

f

/>

//

1



^

\

/


ewininung on: G

/

/

1 0 1946 1948 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966

I I . B r u t t o - u n d Netto-Anlage-Vermögen

67

Tafel 5 Brutto-Investitionen 1946—1966: Anteile nach Funktionen und Regionen

Funktion Gewinnung Pipelines Tanker Raffinerien Chem. Anlagen Vertrieb And. Sektoren Total

....

Mrd. $

%

Region

96.9 9.6 15.9 26.6 6.5 23.6 4.7

52 5 9 14 4 13 3

183.8

100

..

Mrd. $

%

USA Kanada Venezuela übr. westl. Hemisphäre Westeuropa Afrika M i t t l e r e r Osten Ferner Osten Nicht lokalis

102.2 10.1 7.7 9.2 19.0 5.9 7.0 8.3 14.4

55 6 4 5 10 3 4 5 8

Total

183.8

100

I I . Brutto- und Netto-Anlagevermögen 7 Das A n l a g e v e r m ö g e n der M i n e r a l ö l i n d u s t r i e ist b r u t t o v o n 24,6 M i l l i a r d e n D o l l a r i m J a h r e 1946 a u f fast 155 M i l l i a r d e n D o l l a r 1966 u n d n e t t o v o n 12,2 a u f 84,3 M i l l i a r d e n D o l l a r gestiegen 8 . A u f jede v e r b r a u c h t e T o n n e E r d ö l k a m 1966 also e i n A n l a g e v e r m ö g e n v o n 110 b z w . 60 D o l l a r . 7 Netto-Anlagevermögen = Brutto-Anlagevermögen abzüglich Abschreibungen u n d veräußerter Anlagen. 8 Vgl. Tabellen 20—22.

5*

24.600 63.300 88.625 97.250 104.550 111.750 119.225 126.975 135.625 144.375 154.850

a) Welt ohne Ostblack

1946 1955 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

Jahr

17.700 40.400 51.200 54.700 57.800 60.850 64.325 67.450 71.000 75.000 79.175

Welt-Total 6.900

8.500 33.725 48.725 53.150 57.050 61.250 65.200 68.950 73.475 78.200 84.275

Welt-Total übrige Welt

I 12.150 22.900 37.425 42.550 46.750 50.900 54.900 59.525 64.525 69.375 75.675

USA

davon:

Brutto-Anlagevermögen

3.650 20.900 26.100 27.500 28.750 30.350 32.150 33.600 35.650 37.700 40.100

USA

davon:

12.825 22.625 25.650 28.300 30.900 33.050 35.350 37.825 40.500 44.175

übrige Welt

Netto-Anlagevermögen

Tabelle 20: Brutto- und Netto-Anlagevermögen der Mineralölindustriea) (Stand: am 31.12. eines jeden Jahres; in Mio. $)

68 2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

Kanada zuela

westMe Hemisp

Afrika europa

"tf 1" ost

M

Osten

79.175

8.000

6.475

8.800

19.025

4.975

5.825

8.000

Total

40.100

5.225

2.275

5.000

11.900

3.400

3.025

4.700

Gewinnung 22.475 3.050 1.695 1.930 695 1.640 1.595 Pipelines 2.785 415 200 385 690 605 465 Schiffahrt 490 15 5 10 15 5 15 15 Raffinerien 3.950 565 230 1.335 4.625 390 475 Chem. Anlagen 3.050 180 — 305 1.515 10 55 425 Vertrieb 5.980 900 110 875 3.975 700 250 Andere Sektoren 1.370 100 35 160 385 50 170 80

II. Netto-Anlagevermög.

Total

1.550

1.905

565 160

Gewinnung 46.600 4.275 4.960 3.900 1.185 2.370 2.635 1.240 Pipelines 5.300 675 520 630 800 750 1.105 250 Schiffahrt 1.100 30 15 20 35 10 30 25 Raffinerien 9.875 1.200 720 2.170 7.750 585 1.075 3.195 Chem. Anlagen 4.800 255 — 355 1.980 10 60 555 Vertrieb 9.200 1.425 185 1.525 6.775 1.150 420 2.650 Andere Sektoren 2.300 140 75 200 500 100 500 85

I. Brutto-Anlagevermög.

USA

Tabelle 21: Brutto- und Netto-Anlagevermögen Ende 1966 nach Funktionen und Regionen (in Mio. $)

I I . B r u t t o - u n d Netto-Anlage-Vermögen

69

70

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

Bei den Anteilen der einzelnen Funktionen am Brutto-Anlage-Vermögen sind während der letzten Jahrzehnte die gleichen Veränderungen eingetreten wie bei den Investitionen. Relativ zurückgegangen ist die Bedeutung des Anlage-Vermögens i m Bereich der Erdölgewinnung. Kräftig gestiegen sind dagegen, speziell seit 1960, die Anlagen i m Chemie-Bereich. I m einzelnen zeigt die Entwicklung Tabelle 22. Tabelle 22 Anteile der Funktionen am Brutto-Anlagevermögen (Stand: am 31.12. eines jeden Jahres; in Mio. $ bzw. °/o) Funktion

1946

Gewinnung Pipelines Schiffahrt Raffinerien

°/o Vo °/o

°/o Chem. Anlagen Vertrieb

«Vo °/o

Andere Sektoren Vo Total

Vo

1955

1960

1966 67.165 44 10.030 7 15.840 10 26.570 17 8.015 5 23.330 15 3.900 2 154.850 100

11.935 49 1.580 6 2.375 10 4.220 17

30.610 48 4.325 7 6.300 10 12.490 20

3.795 15 695 3

7.995 13 1.580 2

49.750 48 6.725 6 10.735 10 17.785 17 2.710 3 14.300 14 2.545 2

24.600 100

63.300 100

104.550 100

i1

Regional sind i n der Zusammensetzung des Anlagevermögens ebenfalls entsprechend den Veränderungen i n der Investitionstätigkeit starke Verschiebungen eingetreten. Lagen 1946 noch über 70 Prozent des gesamten Brutto-Anlagevermögens der Mineralölindustrie i n den USA, so ist dieser A n t e i l bis 1966 auf 51 Prozent zurückgegangen. Stark erhöht haben sich dagegen die Anteile von Westeuropa (von 4 auf 12 Prozent) und von A f r i k a (von weniger als 1 auf mehr als 3 Prozent) 9 .

I I I . Funktionale V e r t e i l u n g der Investitionen

Die Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie i m Erdöl- und Erdgasbereich 10 erstreckt sich i m einzelnen auf die folgenden Sektoren: 9

Vgl. Schaubild 1. Beide Bereiche sind i n der Regel nicht strikt zu trennen. Deshalb ist bei den Investitionen f ü r die Erdölgewinnung immer — w e n n auch unausgesprochen — das Erdgas eingeschlossen, soweit es v o n Erdölunternehmen erschlossen u n d gefördert w i r d . Vgl. hierzu auch Günter F. Eich, „ V o r k o m 10

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

71

a) Suche, Erschließung und Ausbeute von Lagerstätten, b) Transport und Lagerung, c) Verarbeitung (Raffinerien), d) Vertrieb M i t der Suche, Erschließung und Förderung von Erdöl sind ferner vielfach bedeutende Infrastrukturinvestitionen verbunden, da die wesentlichen Förderländer m i t Ausnahme Nordamerikas zu den Entwicklungsländern zu zählen sind. I n diesen Fällen müssen z. B. Straßen und Hafenanlagen gebaut werden. Für die Beschäftigten sind Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser zu errichten. Vielfach verpflichten sich die Unternehmen i n den Konzessionsverträgen, derartige Investitionen zu tätigen. Der andere große Investitionsbereich läßt sich m i t dem Begriff Diversifikation umschreiben. Hierzu gehören die Investitionen i n anderen Wirtschaftsbereichen, die entweder nur mittelbar oder auch gar nichts m i t dem Ölgeschäft zu tun haben. Tafel 6 Investitionen

Infrastruktur

Erdöl und Erdgas

Straßen Hafenanlagen usw.

Exploration, E r schließung, Förderung

I

Diversifikation

• Absatzbezogen Petro chemie Kraftwerke

Transport

I

Andere Energieträger (Atom, Kohle) Immobilien

Raffinerien Vertrieb

Unabhängig

_

andere W i r t schaftszweige

Forschung

Für die einzelnen Funktionen sind zwischen 1946 und 1966 die folgenden Investitionen getätigt worden (in Mrd. $ ) " : men, Erschließung u n d Gewinnung v o n flüssigen u n d gasförmigen K o h l e n wasserstoffen i n den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft", i n : Statistische Informationen, Brüssel, 1965, Nr. 3, S. 15. 11 Vgl. Tabellen 23 u n d 26.

P6.940

1.700 145 160 2.225 280 325 2.785 365 200 2.770 330 325 2.575 380 280 3.225 360 335 4.090 490 400 4.415 435 600 4.770 365 700 5.210 270 610 6.200 325 675 6.705 525 880 5.575 560 5.880 575 5.610 550 5.380 475 895 5.665 640 905 5.170 625 945 5.565 555 5.785 550 5.640 760

1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1062 1963 1964 19fi5 1966

1946—1966

Gewinnung

Jahr

Schiffahrt

Raffinerien

^n^gen*

Vertrieb

9.560

15.935

26.610

6.490

23.625

— 290 50 2.725 — 475 120 4.050 1.005 — 390 205 4.950 895 — 455 150 4.925 650 — 455 85 4.425 725 — 545 135 5.325 950 10 655 155 6.750 1.275 20 685 145 7.575 1.355 30 735 120 8.075 1.200 195 910 135 8.550 1.360 190 1.135 140 10.025 1.725 205 1.185 175 11.400 1.310 1.560 210 1.145 340 10.700 1.405 1.200 345 1.335 310 11.050 1.110 1.130 460 1.425 240 10.525 1.295 655 1.455 270 10.425 1.425 650 1.585 230 11.100 1.735 630 1.735 310 11.150 1.355 1.565 625 2.190 420 12.275 1.225 1.865 925 2.430 395 13.175 1.295 2.670 1.340 2.410 560 14.675

380 625

Pipelines

(in Mio. $)

4.690

stktoren

Tabelle 23: Brutto-Investitionen nach Funktionen 1946—1966 (Welt ohne Ostblock)

183.850

Total

72 2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit und Wachstum seit 1946

73

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

Wegen des überdurchschnittlich hohen Anteils der Investitionen i m Gewinnungsbereich der USA w i r d i m folgenden — soweit erforderlich — zwischen den Investitionen der Welt (ohne Ostblock) und denen der Welt ausschließlich Ostblock und USA unterschieden werden. Tabelle 24 Welt (ohne Ostblock)

Welt (ohne Ostblock u n d USA)

96,9 9,6 15,9 26,6 6,5 23,6 4,7

27,5 4,7 14,6 16,1 3,0 13,8 2,0

183,9

81,7

Gewinnung Pipelines Marine Raffinerien Chemische Anlagen Vertrieb Andere Sektoren Total

I n der Verteilung der Investitionen auf die einzelnen Funktionen 1 2 sind i m Laufe der letzten zwanzig Jahre erhebliche Veränderungen eingetreten, wie die folgenden Zahlen zeigen: Tabelle 25 Anteile an den Gesamtinvestitionen und durchschnittliche Wachstumsrate (in °/o) Welt (ohne Ostblock) Funktion

Gewinnung Pipelines Marine Raffinerien Chem. A n l . Vertrieb Andere Sektoren

Welt (ohne Ostblock und USA)

Durch- Durchschnitt schnittl. 1946 1946 Zunahme —66 p. a. i n °/o

1946

1966

62 5 6 14

52 5 9 14 4 13

9 11 19 12

48 6 14 18

11

39 5 9 18 9 16

15

12

2

4

3

18

2

1966

25 7 17 25 7 17 2

DurchDurchschnittl. schnitt Zunahme 1946—66 p. a. i n % 34 6 18 20 3 17 2

13 25 31 26 32 29

Auffallend ist der starke relative Rückgang der Investitionen i m Bereich der Erdölgewinnung, und zwar sowohl i n den USA als auch i n den übrigen Ländern. 1966 erreichte der A n t e i l der Gewinnungsinvestitionen m i t 39 bzw. 25 Prozent der Gesamtaufwendungen den niedrigsten, jemals 12

Vgl. Tafel 7.

74

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tafel 7 A n t e i l der einzelnen Funktionen an den GesamtBrutto-Investitionen 1946—1966

Gewinnung

-

30

30

20

1946

1948 1950 1952

in % Gewinnung Pipelines Tanker Raffinerien Vertrieb Chem. Anlagen / andere Sektoren

1954

1956 1958

1960 1962 1964 1966

1946 1948 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 62 5 6 14 11

56 8 4 20 8

58 9 6 15 10

61 7 6 14 10

59 5 9 17 9

62 3 7 14 11

52 5 12 15 11

53 5 11 11 14

51 6 8 13 14

45 5 11 13 18

39 5 9 18 16

2

4

2

2

1

3

5

6

8

8

13

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

75

erreichten Stand. A u f der anderen Seite haben die Anteile der absatzorientierten Investitionen wie Raffinerien, Transportwesen und Vertrieb an Bedeutung gewonnen. Die Gründe hierfür sind hauptsächlich darin zu suchen, daß die hohen Investitionen i m Bereich Erdölgewinnung zur Erschließung so umfangreicher Vorkommen geführt haben, daß dem A b satz dieser Vorkommen zwangsläufig i n den folgenden Jahren stärkere Aufmerksamkeit geschenkt werden mußte als der Erschließung weiterer Vorkommen. Auch der zunehmende Wettbewerb auf den Absatzmärkten erforderte steigende Investitionen i n den der Förderung nachgelagerten Bereichen, sei es zum Aufbau neuer oder zur Sicherung bereits bestehender Marktpositionen. Für die Investitionstätigkeit i m Bereich der Erdölsuche und -erschließung sind das hohe Risiko und die Zufälligkeit des Erfolgs charakteristisch. „Die Erschließung von Erdöl und Naturgasvorkommen von ihrem Aufspüren bis zur Produktionsreife gehört zu den risikoreichsten wirtschaftlichen Unternehmungen überhaupt. Resultate dieser Tätigkeit sind hochgradig von Zufällen beeinflußt und nur beschränkt i m voraus kalkulierbar 1 3 ." Außerdem zwingt die relative Kurzlebigkeit der Felder zu ständig neuen Suchbemühungen i n Form eines kontinuierlichen Prozesses14. Das Risiko der erfolglosen Suche läßt sich durch eine geographische Streuung der A k t i v i t ä t verringern: „The broader the search over likely locations, the better the chances of discovery 15 ." Hieraus folgt ein wichtiges Merkmal der internationalen Mineralölindustrie: der Zwang, weltweit tätig sein zu müssen.„The exploration stage is marked by a very high degree of uncertainty and requires substantial resources. These two features of petroleum exploration also help to explain w h y the petroleum industry is characterized by a very high degree of integration and is constantly expanding to new areas 18 ." Die Geschichte der Erdölsuche kennt zahlreiche Beispiele jahrelanger vergeblicher Arbeit i n verschiedenen Ländern ebenso wie Fälle, i n denen ein Unternehmen nach erfolglosen Bemühungen eine Konzession zurückgibt und ein anderes Unternehmen i n eben diesem Gebiet mit der ersten Bohrung fündig wird. Einige der bekanntesten Beispiele für die Risiken und Zufälligkeiten der Erdölsuche erwähnen die bereits zitierte UNO-Studie 1 7 und W. J. Levy i n seinem Weltbank-Gutachten 1 8 : I n Australien/Papua wurden 13

Günter F. Eich, a. a. O., S. 15. Ebenda. 15 W. J. Levy , „The Search for O i l i n Developing Countries", S. 6. 16 United Nations , Department of Economic and Social Affairs, „Petroleum Exploration — Capital Requirements and Methods of Financing", New Y o r k 1962, S. 5. 17 Ebenda, S. 11 if. 18 a. a. O., S. 8 u n d 19 ff. 14

76

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

über 20 Jahre mehr als 140 Millionen Dollar ausgegeben, bevor 1962 der erste größere ö l f u n d gelang. Aber 1965 bis 1967 entdeckte eine Tochtergesellschaft der Standard Oil of New Yersey fast auf Anhieb bedeutende Erdgas- und Erdölvorkommen vor der Küste Südaustraliens. A u f West Neu-Guinea wurden 112 Millionen Dollar über 25 Jahre investiert. Dabei wurden nur drei kleine Felder m i t einer jährlichen Höchstförderung von 400 0001 entdeckt. I n Guatemala gaben 30 Gesellschaften allein i n einem Jahr 20 M i l l i o nen Dollar aus: ohne Erfolg. I n Ecuador investierten zwei Gesellschaften zwischen 1938 und 1950 47 Millionen Dollar für die Erdölsuche, bevor sie ihre Arbeiten einstellten. I n Peru wurden zwischen 1953 und 1956 von 12 Gesellschaften 22 Bohrungen für 20 Millionen Dollar niedergebracht, ohne verwertbare Vorkommen zu finden. I n Kanada dauerte es 28 Jahre (bei 133 Fehlbohrungen), bis 1947 das Leduc-Feld entdeckt wurde, das Kanadas Erdölgeschichte eröffnete. Die gegenwärtige Förderung liegt bei 50 Millionen Tonnen i m Jahr. I n Nigeria gaben zwei internationale Konzerne i n einem Zeitraum von fast 20 Jahren 168 Millionen Dollar aus, bis sie 1956 auf größere Vorkommen stießen. Die dann rasch steigende Förderung wurde 1967 durch den Bürgerkrieg für längere Zeit unterbrochen. Inzwischen waren zahlreiche Gesellschaften i n Nigeria fündig geworden. Ganz anders verlief die Erdölsuche i n Libyen, einem Land, dem lange niemand ein ölpotential zugetraut hatte. Schon nach kurzer Arbeitszeit wurde 1958 das bedeutende Zelten-Feld entdeckt. 1961 begannen die ersten Verladungen i n Port Brega. Inzwischen ist Libyen zu einem der bedeutendsten Erdölproduzenten geworden. A u f zurückgegebenem Konzessionsgebiet (nach voraufgegangenen Fehlbohrungen) entdeckte die amerikanische Occidental O i l Co. auf Anhieb Vorkommen, die zu den größten der Welt zu gehören scheinen. Ebenso abwechslungsreich i n Glück und Mißerfolg ist die Geschichte der Erdölsuche i n den arabischen Ländern, die so bekannt ist, daß sie hier nicht wiederholt zu werden braucht. Gegenüber den Besonderheiten der Investitionstätigkeit in der Erdölsuche unterliegen die Investitionen i n den übrigen Funktionen Unsicherheiten, wie sie i n anderen Wirtschaftsbereichen auch üblich sind, vielleicht m i t Ausnahme des politischen Risikos, das bei weltweit tätigen Unternehmen zwangsläufig größer sein muß als bei Gesellschaften, die nur i n ihrem Heimatland tätig sind. „The extraction, transportation and processing of crude petroleum and the distribution of petroleum products involve a normal margin of

1946—1950

1951—1955

1956—1960

1961—1965

Welt-Total (ohne Ostblock) 1946—1950

1951—1955

1956—1960

Welt (ohne USA und Ostblock)

Total

21.075

(ab 1956)

36.075

58.930

5.330 63.505

5.380 6.955

12.275

2.005 27.205

2.345 31.695

8.670

1961—1965

Gewinnung 12.055 21.710 29.970 27.565 2.735 4.435 9.735 Pipelines 1.500 1.920 2.535 2.845 640 545 1.535 1.505 Schiffahrt 1.290 2.645 5.280 5.325 900 2.375 4.835 5.075 Raffinerien 3.555 5.525 6.975 7.885 1.610 2.570 3.940 5.900 Chem. Anlagen — 255 1.410 3.485 — 105 660 1.725 Vertrieb 2.065 3.530 6.225 9.395 825 1.900 3.975 5.770 Andere Sektoren 610 690 1.205 1.625 245 345 520 705 Exploration Expenses

Funktion

Tabelle 26: Investitionsaufwendungen nach Funktionen (in Mio. $)

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

78

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

uncertainty and may be evaluated on the basis of the same economic criteria as other industrial activities. I n case of an integrated organization, they constitute the relatively stable element on which the more risky venture of exploration can be based 19 ." A u f den einzelnen Sektoren hat sich die Investitionstätigkeit seit 1946 wie folgt entwickelt: 1. Erdölgewinnung Die kapitalisierten Aufwendungen für die Suche, Erschließung und Förderung von Erdöl sind von 1,7 Milliarden Dollar 1946 auf 5,6 M i l l i a r den i m Jahre 1966, d. h. auf mehr als das Dreifache gestiegen. Die höchsten Investitionen wurden 1957 mit 6,7 Milliarden Dollar vorgenommen, als nach der Suezkrise versucht wurde, die Sicherheit der Versorgung durch eine größere regionale Streuung der Vorkommen zu vergrößern. Der Anstieg der Investitionen ermöglichte eine kontinuierliche Steigerung der Förderung (Tafel 8). Die Investitionen waren sogar so erfolgreich i n der Schaffung neuer Förderkapazitäten, daß nach 1957 eine gewisse Reduzierung der Aufwendungen möglich war. Seitdem liegen die Investitionen konstant zwischen 5 und 6 Milliarden Dollar pro Jahr. I m Zeitablauf wurden investiert (in M r d $) 2 0 : Tabelle 27

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

Total

Durchschnitt/Jahr

12,1 21,7 29,8 27,6 5,6

2,4 4,3 6,0 5,6 5,6

Dazu kamen pro Jahr nicht kapitalisierte Suchaufwendungen i n Höhe von rd. 1 Milliarde Dollar. Trotz des starken Anstiegs der Gewinnungsinvestitionen ist ihr A n t e i l an den Gesamtkapitalaufwendungen der Mineralölindustrie seit 1946 erheblich zurückgegangen: von 62 Prozent auf 39 i m Jahre 1966. I n der Welt ohne USA sind die Investitionen für die Erdölgewinnung von 1946—1966 von 350 auf 1 870 Millionen Dollar oder u m 455 Prozent gestiegen. Dennoch ist ihr A n t e i l an den gesamten Investitionen von 48 auf 25 Prozent zurückgegangen. 10 20

United Nations , a. a. O., S. 5. Vgl. Tabelle 26.

79

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen Tafel 8 Investitionen für die Erdölförderung und Entwicklung der Erdölförderung 1946—1966 (Welt ohne Ostblock) Mrd. $

Mio t

T

#/

/

t /

/

Inve »titio nen /

/

/

/

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v

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1.200

t

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1.100 A

A

1.000

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5

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i

900

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800

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4

ir 700

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h

/

y

/

600

/ /// /

•• 500

/

j 11

"A

•• 400

A 1/

300

1946 1948 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966

1946 1948 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 Investition (Mrd. $)

1.7

2.8

2.6

4.1

4.8

6.2

5.6

5.6

Förderung (Mio. t)

345

435

480

565

616

741

777

887 1006 1160 1341

5.7

5.6

5.6

80

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

2. Transportwesen Zu den Transportinvestitionen gehören die Aufwendungen für Pipelines und Tanker, die überwiegend für die Beförderung von Rohöl eingesetzt werden. Die Transportmittel, die für die Produktverteilung benötigt werden, wie Binnenschiffe, Eisenbahn-Kesselwagen und Tankkraftwagen, werden als Teile des Vertriebssystems betrachtet, die für sie getätigten Investitionen entsprechend dort verbucht. Die Investitionen für Pipelines sind von 1946 bis 1966 von 145 auf 760 Millionen Dollar oder um 425 Prozent gestiegen, die Aufwendungen für den Bau von Tankern i m gleichen Zeitraum von 160 auf 1 295 Millionen Dollar oder um 700 Prozent. Hierin spiegelt sich die Tatsache wider, daß das Erdöl meistens nicht dort gefunden wird, wo man es braucht. Es muß deshalb über weite Strecken i m Tanker und z. T. auch durch Pipelines von den Fördergebieten i n die Konsumzentren transportiert werden. So wurden 1966 über 800 Millionen Tonnen Erdöl per Schiff transportiert. Damit was Erdöl das volumen- und wertmäßig größte Transportgut der Welt. Während die USA bereits über ein weit ausgedehntes Netz von Rohölund Fertigproduktleitungen verfügen, werden i n allen übrigen Ländern die Ölleitungen überwiegend zum Rohöltransport von den ölfeldern zu den Verschiffungshäfen und von den Empfangshäfen zu den i m Inland gelegenen Raffinerien benutzt. Erst i n den letzten Jahren w i r d auch der Bau von Fertigproduktenleitungen i n konsumstarken Regionen wie Westeuropa interessant. Der Tankersektor stellt insofern eine Ausnahme innerhalb der Mineralölindustrie dar, als den ölgesellschaften nur rund ein D r i t t e l der gesamten Tonnage gehört 21 , während zwei D r i t t e l von unabhängigen Reedern gebaut wurden und von ihnen an die Gesellschaften m i t unterschiedlicher Fristigkeit (von einer einzelnen Reise bis zu zehn und mehr Jahren) verchartert werden. Die Tankertonnage hat sich von Ende 1950 bis Ende 1966 von 28 auf 95 Millionen Tonnen Tragfähigkeit (DWT) vergrößert 22 . Ihre Leistungsfähigkeit ist indessen infolge technischen Fortschritts bedeutend mehr gewachsen. Die Tankerflotte w i r d als Folge der umfangreichen Bauaufträge für Schiffe m i t 200 000 und mehr Tonnen Tragfähigkeit i n den folgenden Jahren sprunghaft wachsen. Diese Entwicklung ist nicht erst durch die Nahostkrise 1967 ausgelöst, wohl aber durch sie stark beschleunigt worden. Folgende Investitionen wurden für Pipelines und Tanker vorgenommen (in Mrd. $): 21

S. 15.

BP, „Statistical Review of the W o r l d O i l Industry 1966", London 1967,

22 Anfang 1969 belief sich die Transportkapazität der Welt-Tankerflotte bereits auf 127,2 Mio. D W T , weitere 56,6 Mio. D W T waren zu diesem Zeitp u n k t bestellt bzw. bereits i m Bau.

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

81

Tabelle 28

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

Pipelines

Tanker (einschl. freie Reeder)

Total

1.5 1.9 2.5 2.8 0.8

1.3 2.6 5.3 5.3 1.3

2.8 4.5 7.8 8.1 2.1

Durchschnitt pro Jahr 0.6 0.9 1.6 1.7

Bemerkenswert ist der Anstieg der Tankerinvestitionen i m Anschluß an die Suezkrise 1956, eine Erscheinung, die sich nach der Nahostkrise 1967 wiederholen dürfte. Das Ziel dieser Investitionen ist eine größere Unabhängigkeit von nicht kontrollierbaren Größen (Suezkanal) bzw. die Schaffung der durch die Schließung des Suezkanals infolge längerer Transportwege zusätzlich benötigten Tonnage. Der Anteil der Aufwendungen für den Ausbau von Transportkapazitäten an den Gesamtinvestitionen hat sich von 1946 bis 1966 von 11 auf 14 Prozent und außerhalb der USA sogar von 20 auf 24 Prozent erhöht. Hieraus w i r d deutlich, welche Bedeutung dem Rohöltransport i n den Ländern außerhalb Nordamerikas zukommt.

3. Raffinerien

Erdöl ist so, wie es gefördert wird, für den Verbrauch ungeeignet. Die Verarbeitung zu einer Vielzahl von Fertigprodukten erfolgt i n den Raffinerien. Deshalb muß die Raffineriekapazität i m Gleichschritt m i t der Zunahme des Mineralölverbrauchs wachsen. Die Investitionen für den Bau von Raffinerien sind von 1946 bis 1966 von 380 auf 2 670 Millionen Dollar gestiegen, d. h. u m 600 Prozent. Sie haben sich wie folgt entwickelt (in Mrd. $): Tabelle 29

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966 6 Eich

Total

Durchschnitt/Jahr

3.6 5.5 7.0 7.9 2.7

0.7 1.1 1.4 1.6

82

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

Vor allem i n den letzten Jahren sind die Ausgaben für Raffineriebauten und -erweiterungen stark gestiegen; sie haben sich zwischen 1961 und 1966 praktisch verdoppelt. Die wachsenden Investitionen i n Verarbeitungsanlagen spiegeln einmal den Bedarf nach höherer Kapazität wider, zum anderen aber auch die steigenden Aufwendungen für technisch immer komplizierter und damit teurer werdende Anlagen. I n A n passung an die Bedarfsstruktur und die Qualitätsanforderungen des Marktes ist auch künftig eher m i t steigenden Kosten i m Raffineriebau zu rechnen, die nur teilweise durch die geringeren Einheitskosten großer Kapazitäten kompensiert werden können. So w i r d i n Westeuropa nach den z. Z. bekannten Plänen der Gesellschaften die durchschnittliche Kapazität der Raffinerien zwischen 1968 und 1971 von 3,6 auf 4,2 Millionen Tonnen/Jahr steigen. Die Durchschnittskapazität der westdeutschen Raffinerien w i r d sich i n diesem Zeitraum von 3,2 auf 3,7 Millionen Tonnen/Jahr, die der niederländischen Verarbeitungsstätten sogar von 6,5 auf 9,6 Millionen Tonnen erhöhen 23 . Daß dieser Trend weltweit ist, beweist eine Studie von P. H. Frankel und W. L. Newton 2i f nach der sich die Anzahl der Raffinerien m i t einer Jahreskapazität von mehr als 4 Millionen Tonnen i n der Welt (ohne Nordamerika und Ostblock) von 1960 bis 1970 von 32 auf 121 erhöhen wird. Der Anteil der Investitionsaufwendungen für Raffinerien an den gesamten Kapitalauslagen ist von 1946 bis 1966 von 14 auf 18 Prozent, i n den Ländern außerhalb der USA sogar von 18 auf 25 Prozent gestiegen. 4. Chemische Anlagen

I m Zusammenhang m i t dem Raffineriebau muß die Errichtung von chemischen Anlagen gesehen werden, die i n der Regel der Aufbereitung von Mineralölausgangsprodukten zu petrochemischen Erzeugnissen dienen. Die Anlagen sind vielfach bestehenden Raffinerien räumlich angeschlossen und diesen sowohl i n der Technologie als auch i m Betrieb ähnlich. Der Aufwand für chemische Anlagen hat die höchste Zuwachsrate aufzuweisen: er ist von 1952 bis 1966 von 10 auf 1 340 Millionen Dollar gestiegen. M i t ihren Investitionen hat sich die Mineralölindustrie zu einem bedeutenden Bestandteil der Chemischen Industrie entwickelt. Insbesondere die internationalen Konzerne haben die Wachstumschancen dieser Industrie rechtzeitig erkannt. Sie gehören heute zu den größten Chemie-Unternehmen der Welt. Die Kapitalaufwendungen für die Errichtung chemischer Anlagen haben sprunghaft zugenommen (in Mrd. $): 23 D. H. Stormont, „European refiners hump to meet rocketing demand", OGJ, 22.1.1968, S. 33—35. 24 „Die Wirtschaftlichkeit von Raffinerien", PPS, Januar 1968, S. 11—13.

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

83

Tabelle 30

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

Total

Durchschnitt/Jahr

0.3 1.4 3.5 1.3

0.06 3.3 0.7

Rund die Hälfte dieser Anlagen wurde i n den USA, knapp 30 Prozent i n Westeuropa errichtet. Der Anteil der Chemie-Investitionen an den Gesamtaufwendungen stieg von 1952—1966 von 0 auf 9 Prozent. Er dürfte tendenziell weiter steigen. 5. Vertrieb Der Absatz von Mineralölprodukten erfolgt über ein weitgefächertes System von Absatzwegen, von denen die Tankstellen am auffälligsten und daher bekanntesten sind. Zu den Vertriebseinrichtungen gehören aber auch die Transportmittel sowie Umschlags- und Lagereinrichtungen. I n Zeiten wachsenden Konsums und eines sich gleichzeitig verschärfenden Wettbewerbs auf dem Weltmarkt entscheidet nicht zuletzt die Qualität des Vertriebssystems über den Marktanteil einer Gesellschaft und seine Behauptung. Folgerichtig sind die Kapitalaufwendungen für diese Stufe der Mineralölindustrie kräftig gestiegen: von 1946 bis 1966 von 290 auf 2 410 Millionen Dollar. Die Zunahme der Investitionen liegt m i t 730 Prozent weit über der der anderen Funktionen. I m Zeitraum 1961—1965 wurden für Vertriebseinrichtungen die (nach der Gewinnung) zweithöchsten Kapitalauslagen vorgenommen (in Mrd. $): Tabelle 31

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

Total

Durchschnitt/Jahr

2.1 3.5 6.2 9.4 2.4

0.4 0.7 1.2 1.9

Der Anteil dieser Aufwendungen an den Gesamtinvestitionen stieg von 1946 bis 1966 von 11 auf 16 (1965 sogar 19) Prozent, außerhalb der USA von 12 auf 17 (1964: 22) Prozent. e*

84

2. Teil, 6. Kap. : Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

Die starke Zunahme der Zahl der Unternehmen auf dem Mineralölmarkt läßt für die Vertriebsinvestitionen eine weiterhin steigende Tendenz erwarten, müssen diese Unternehmen vielfach doch von Grund auf ein Vertriebssystem aufbauen, das es ihnen ermöglicht, ihre Erdölfunde wirtschaftlich zu verwerten. Auch die von den Fördergesellschaften unabhängigen ölhandelsfirmen, wie z. B. die sogenannten freien Tankstellen, müssen für ihre Expansion erhebliche Investitionen tätigen. 6. Andere Sektoren Hierzu gehören Investitionen, die m i t dem ursprünglichen Tätigkeitsfeld der Mineralölindustrie nichts zu t u n haben. Alle Aufwendungen, die m i t den Diversifikationsbemühungen der Unternehmen zusammenhängen, fallen i n diese Kategorie. Da derartige Anlagen zumeist von den großen Unternehmen vorgenommen werden, dürfte ihre relative Bedeutung für diese größer sein, als es die Globalzahlen zu zeigen vermögen. Diese Ausgaben haben sich seit 1946 immerhin verelffacht; sie sind bis 1966 von 50 auf 560 Millionen Dollar gestiegen (in Mrd. $): Tabelle 32 Total 1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

0,6

0,7

1,2 1,6 0,6

Durchschnitt/Jahr 0.1 0.1 0.2 0.3

Der A n t e i l an den Gesamtaufwendungen liegt ziemlich konstant zwischen 2 und 4 Prozent.

1946—1966

1966

7.125

6.375

1965

1961—1965

5.100 5.725 5.475 6.100

6.050 6.400 5.300 5.275 5.175

3.625 4.400 5.025 5.350 5.600

2.000 2.825 3.350 3.000 2.925

1961 1962 1963 1964

1956—1960

1956 1957 1958 1959 1960

1951—1955

1951 1952 1953 1954 1955

1946—1950

1946 1947 1948 1949 1950

Jahr

Kanada

705

2.265

1.489

259 305 290 300 335

1.735

1.105

28.859

125 195 210 235 340

600

3.230

3.060

102.200

10.135

875

28.775

750

550 510 600 650

28.200

7.724

150

990

200

200 190 200 200

3.360

38.025

9.170

129.229

760

36.295

600

900 720 675 575

3.470

3.235

80

350

1.090

345 525 505 450 555

1.015

Nicht

1.221

30 60 80 85 95

1.370

5.041

205 235 235 195 220

570

125 235 390 395 225

Total

+

2.375

36.275

161 215 275 290 280

741 1.035 1.095 1.020 1.150 575

21.075

245 455 770 890 675 3.035 900

35 90 160 160 125

Fernostsierbar

lokali-

10 15 15 20 20

Total Mittel-

19.000

8.910

8.150

7.925

6.750 7.145 6.950 7.525

4.955

5.915

2.500

2.890

2.050

1.175 1.450 1.750 1.725

2.035

1.920

7.015

560

2.005

600

8.336

3.785

640 575 500 575

1.950

40.266

600

16.830

625

450 380 275 275

10.860

53.700

14.355

183.850

58.125 840

5.000

800

600 710 775 900

4.815

1.175

1.265

4.075

4.500

2.865 810 10. 3.115 8 3.300 900 11. 3.475 1.275

7.925 695 170 300 320 1.485 615 910 240 350 400 1.900 800 7.175 1.125 450 450 350 2.375 1.1 7.250 1.150 575 425 400 2.550 1.25 6.975 1.075 600 425 450 2.550 1.000

2.380

4.284 5.365 5.980 6.405 6.825

17.120

, 75 115 205 315 305

Afrik a

2.380 3.395 4.060 3.785 3.500

_„ . West^

110 125 145 125 95

übrige

220 355 475 485 200

^ene-

Total

östliche Hemisphäre

655 800 420 700 1.075 525 8.700 625 725 525 650 475 850 600 285 915

24.000

275 465 455 520 550

14.100

50 90 110 175 280

USA

Westliche Hemisphäre

Tabelle 33: Brutto-Investitionen der Welt-Mineralölindustrie 1946—1966 nach Regionen (ohne Ostblock) (ohne Exploration Expenses; in Mio. $)

I I I . Funktionale Verteilung der Investitionen

85

86

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

IV. Regionale Verteilung der Investitionen Die internationale Mineralölindustrie hat zwischen 1946 und 1966 fast 184 Milliarden Dollar investiert, darunter 102 Milliarden oder 55 Prozent allein i n den USA. Eine regionale Aufgliederung der gesamten Kapitalauslagen i n diesem Zeitraum ergibt folgendes Bild 2 5 : Tabelle 34 Investitionen 1946—1966 Gebiet

Mrd. Dollar

Anteil in %

USA Kanada Venezuela übrige westliche Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittelost Ferner Osten nicht lokalisierbar (Tanker)

102.2 10.1 7.7 9.2 19.0 5.9 7.0 8.3 14.4

55 6 4 5 10 3 4 5 8

W e l t - T o t a l (ohne Ostblock)

183.8

100

Diese Zahlen unterstreichen die führende Rolle der USA i n der WeltErdölindustrie. A u f dem zweiten Rang folgt Westeuropa, das nach den USA größte Konsumzentrum, während alle übrigen Regionen einen etwa gleich hohen Anteil der Gesamtinvestitionen auf sich vereinen. Die globalen Zahlen vermitteln aber keinen Eindruck von den strukturellen Verschiebungen, die sich i n den letzten beiden Jahrzehnten i n der regionalen Verteilung der Investitionstätigkeit der Mineralölindustrie herausgebildet haben. Kennzeichnend hierfür ist der Rückgang der relativen Bedeutung der USA und Venezuelas, i n dem als Folge der Unsicherheit der Unternehmen über den künftigen ölpolitischen Kurs dieses Landes 1966 sogar absolut weniger investiert worden ist als 1946. Demgegenüber sind die großen Verbrauchszentren Westeuropa und Ferner Osten (Japan) ebenso wie die jüngste Förderregion Afrika für die Investitionstätigkeit der Industrie zunehmend interessanter geworden. Erstmals 1958 wurde i n den Ländern außerhalb der USA mehr investiert als i n den Vereinigten Staaten (Tafel 9). 1966 betrug der US-Anteil an den Gesamtaufwendungen nur noch 48 Prozent, nachdem er zwanzig Jahre zuvor noch bei 73 Prozent gelegen hatte. Ein aufschlußreiches B i l d vermittelt Tafel 10, die die Veränderungen i n den Anteilen der einzelnen Regionen an den gesamten Investitionen zeigt und dazu die prozentuale Zunahme der Investitionstätigkeit i m Vergleich der Jahre 1946 und 1966. Während der A n t e i l der USA i n dieM

Vgl. Schaubild 2 u n d Tabelle 33.

IV. Regionale Verteilung der Investitionen

87

Tafel 9 Brutto-Investitionen in der Welt (ohne USA und Ostblock) und in den USA 1946—1966 Mrd. $

9

-

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6

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5

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J-

, . 1 . —i

-



i_

*

i

«

»

1946 1948 1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966

sem Zeitraum u m rund ein Drittel, von 73 auf 48 Prozent, zurückging, erhöhte sich Westeuropas A n t e i l von 3 auf 17 Prozent, d. h. auf fast das Sechsfache. Eine steigende Bedeutung für die Investitionstätigkeit haben

88

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

auch A f r i k a , der F e r n e Osten, K a n a d a u n d der r e g i o n a l n i c h t z u z u o r d nende T a n k e r b a u z u verzeichnen. E i n e A u f g l i e d e r u n g d e r I n v e s t i t i o n e n nach R e g i o n e n u n d F u n k t i o n e n e r g i b t das folgende B i l d 2 6 : Tafel 10 Anteile der Regionen an den Investitionen: Welt ohne Ostblock 1946

Region

USA Kanada Venezuela übr. westl. Hemisph Westeuropa Afrika M i t t l e r e r Osten FernerOsten Nicht lokalisierbar Total

26

Vgl. Tabelle 35.

1966

Anteile an den Investitionen

Zunahme der Investitionen 1966 geg. 1946

1946

1966

in %

73 2 8 4 3

48 6 1 5 17 4 4 6 9

256 1650

5 1 4 100 °/o

100 %



175 3 240 5 500 380 2 300 1 165 440

1946—1950

Kanada

96.940

69.475

1946—1966

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965

1946—1966

1.250 1951—1955 1956—1960 1961—1965

1946—1966

4.530 650

1.670 1.760

6.115

85 1.240 2.780

6.240

370 1951—1955 1.350 1956—1960 1.870 1961—1965 2.050

1946—1966

9.300 860 1951—1955 17.275 195&—1960 20.235 1961—1965 18.895

1946—1966

26.610

10.495

23.625

3.460

9.845

Andere Sektoren

— 133 285 —

1.190 205

1.325

— — 630 660

853

2.045 340

25 45 15 10

30

375 — 30 25

25

2.695

28.775

365

4.690

102.200

14.100

183.850

53.700 58.125

Total

255

20 30 2.265 60 65

3

7.724 — 120 — 175 455 65 500 12

80

5 1.735 24 15 1.489 65 35 3.3 — 65

10.135

184

9.170

120 335 30 260



20 — — 55

1.580 195

— 110 20 260 55 610 90 475

— 1.240 1.630 345 24.000 2.250 685 28.200 1.760 3.625 920

6.490

— 125 — 340 20 445 — 225

25

315 525 370 160

462

— 77 265 825

700

Chem. Vertrie bh

— 2.065 610 21.075 5.525 255 3.530 690 36.275 6.975 1.410 6.225 1.205 7.885 3.485 9.395 1.625

RafflAnlagen

1.945 2.955 150 2.835 750 1.985 1.380

15.935

90 265 170 155

4.850

390 1.375 270 1.000 445 1.340 250

9.560

Schiffnerien 2.645 5.280 5.325

3.555

Pipefahrt

1.290 1.920 2.535 2.845

Gelines

12.055 1.500 1951—1955 21.710 1956—1960 29.970 1961—1965 27.565

winnung

ionale Verteilung der Investitionen

Übrige westl. Hemisphäre

Venezuela 1946—1950

1946—1950

USA

(Ohne Ostblock)

Welt-Total 1946—1950

„ . .. Region/Zeitraum

Tabelle 35: Brutto-Investitionen nach Regionen und Funktionen 1946—1966: In Fünf jahres-Perioden (in Mio. $)

I .

89

1946—1950

Mittelost

Ferner Osten

1946—1950

Afrika

Westeuropa

Reeion/Zeitraum itegion/^eiiraum

1946—1966

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965

1946—1966

530 1951—1955 1956—1960 1961—1965

1946—1966

1.745

"

Schiffnerien

RafflAnlagen

5 — 245 395

785

5 547

10

45 37 5 — 370

— —

50

1.875

1.755

225 395 525 505

3.680

8

35

1.170

30

3.015

5.915

350 2.035 2.890

6.660 590

2.380 1.690 120 3.050 295

1.015

540

570 1.221 1.920 385

60 335

2.580

65

7.015

8.336

19.000

3.785

Andere Total . h Sektoren

4.955 8.150

.

178

1.150

545

1.090 90 1.950 2.005

1.116 142

—- 145 — 190 10 — 445 — 350 23 10 575 55 640 55 160 20 1.500

238

60



1.170

60

Chem. vbt Vertrie

5 80 — 171 7 75 — 415 95 10 410 30

7.295

— 220 — 25 145 1.370 450 135 — 245 — 65 175 1.165 295 15 280 5 100 1.280 195 20 250 30 120 110

3.390 705

450

fahrt

pipe

35 (Fortsetzung)

40 — — 620 — 315 40 350 15 — 1.035 85 855 525 130 25 1.850 515 575 415 25 2.840 950

,Ge~ lines

25 — — 1951—1955 135 1956—1960 1.200 1961—1965 1.675

1946—1966

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965

winnung

Tabelle

90 2. T e i l , 6. K a p . : I n v e s t i t i o n s t ä t i g k e i t u n d W a c h s t u m s e i t 1 9 4 6

I .

ionale Verteilung der Investitionen

91

1. Investitionen im Bereich der Erdölgewinnung Tabelle 36 Anteile der einzelnen Regionen (in °/o)

USA Kanada Venezuela übrige westliche Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittelost Ferner Osten

1946—1966

1946—1950

1961—1965

72 6 6 5 2 3 4 2

78 3 10 3

69 7 3 6 2 6 5 2

— —

4 2

Fast drei Viertel der seit 1946 für die Erdölgewinnung getätigten I n vestitionen wurden i n den USA vorgenommen. Auch i m Durchschnitt der Jahre 1961—1965 lag der A n t e i l noch bei 69 Prozent. Bemerkenswerte Verschiebungen haben sich i n Venezuela (Rückgang von 10 auf 3 Prozent i m Vergleich der Zeiträume 1946/50 und 1961/65) sowie i n A f r i k a und Westeuropa (Anstieg des Anteils von N u l l auf 2 bzw. 6 Prozent) ergeben. I n A f r i k a ist die Entwicklung der libyschen, algerischen und nigerianischen Produktion als Ergebnis dieser Investitionen zu nennen, i n Westeuropa die Erschließung bedeutender Erdgasvorkommen, vor allem i n den Niederlanden und i m britischen Teil der Nordsee. Auch i n Kanada hat sich die ölsuche erheblich verstärkt. Die Nähe des großen USA-Marktes macht Funde i n Kanada, selbst wenn diese m i t relativ hohen Kosten verbunden sind, wirtschaftlich interessant.

2. Investitionen für das Transportwesen

Über die Hälfte der Pipeline-Investitionen wurden zwischen 1946 und 1966 i n den USA vorgenommen, die dadurch über ein engmaschiges Netz von Rohöl- und Fertigprodukten-Pipelines verfügen. Der vergleichsweise hohe A n t e i l Afrikas und des Mittleren Ostens am Pipelinebau rührt daher, daß das i n diesen Regionen geförderte Erdöl, teilweise über große Entfernungen, von den Feldern zu den Verschiffungshäfen gepumpt werden muß. I n den sechziger Jahren ist auch der Anteil Westeuropas erheblich gewachsen. M i t diesen Investitionen wurden primär die großen Rohölleitungen geschaffen, die Häfen i n der Bundesrepublik, Frankreich, Holland und Italien m i t den i m Inland, speziell i n Westdeutschland, liegenden Raffineriezentren verbinden.

92

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tabelle 37 Anteile der einzelnen Regionen (in °/o)

USA Kanada Venezuela übrige westliche Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittelost Ferner Osten

1946—1966

1946—1950

1961—1965

51 7 5 7 8 7 12 3

57 6 6 1

47 5

— —

30 —



6 15 14 7 6

Die Investitionen i m Tankersektor lassen sich i n der Regel nicht regional aufteilen, da die Schiffe weltweit eingesetzt werden können und Bau- bzw. Registrierungsland nur selten auch zu den von den jeweiligen Schiffen bedienten Gebieten gehören. Aus diesem Grunde lassen sich nur solche Neubauten, die dem ausgesprochenen Küstenverkehr (z. B. USA) dienen und ausschließlich für diesen eingesetzt werden, regional zuordnen. 3. Investitionen im Raffinerie-Bereich

Verarbeitungsanlagen sind i n zunehmendem Maße i n den Konsumzentren errichtet worden. I m Jahrfünft 1946—1950 wurden noch über 70 Prozent der für Raffinerien verauslagten M i t t e l i n den Hauptförderungsgebieten USA, Venezuela und Mittelost investiert. Zwischen 1961 bis 1965 wurde erstmals i n Westeuropa mehr für Raffinerien aufgewendet als i n den USA. A u f Westeuropa und den Fernen Osten entfielen i n diesem Zeitraum 55 Prozent der gesamten Raffinerieinvestitionen. Die Verlagerung des Schwergewichts i m Raffineriebau von den Förder- zu den Konsumländern hatte vor allem folgende Gründe: a) Der wachsende Mineralölverbrauch betraf alle i m Rohöl enthaltenen Produkte, während vor dem zweiten Weltkrieg z. B. nur Treibstoffe i n vielen Ländern einen bedeutenden M a r k t hatten. Dadurch wurde das Rohöl für die Importländer i m Sinne der Standorttheorie vom Gewichtsverlust- zum Reinmaterial. b) Der Bau immer größerer Tanker machte den Rohöltransport i n diesen Schiffen immer vorteilhafter i m Vergleich zum Fertigproduktentransport i n kleinen Tankern. Auch die Möglichkeit, Rohrleitungen m i t immer größerem Durchmesser und damit immer geringeren Durchsatzkosten je Tonne zu verlegen, trug dazu bei, die Transportkosten für das Rohöl weiter zu senken. Die Gesamttransportkosten wurden u m so niedriger, je näher man das Rohöl an die Verbrauchszentren heran-

I .

93

ionale Verteilung der Investitionen

brachte und erst dort verarbeitete. Hinzu kam, daß die Raffinerieinvestitionen je Kapazitätseinheit i n den hochindustrialisierten Konsumgebieten niedriger waren und auch noch sind als i n den Förderländern. c) Zu den wirtschaftlichen Überlegungen der Erdölgesellschaften kam vielfach der Wunsch der Importländer, oft aus Gründen der Zahlungsbilanz, anstelle der teuren Fertigprodukte lieber billigeres Rohöl einzuführen. Ferner zogen es die Unternehmen vor, die hohen Raffinerieinvestitionen eher i n politisch stabilen Gebieten wie z. B. Westeuropa vorzunehmen als i n den unruhigen Förderregionen. Tabelle 38 Anteile der einzelnen Regionen (in °/o)

USA Kanada v Venezuela übrige westliche Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittelost Ferner Osten

1946—1966

1946—1950

1961—1965

39 4 3 8 28 3 4 11

55 4 11 3 17

25 3 1 8 36 5 3 19



6 4

I m Raffineriebau entfällt auf die USA der geringste A n t e i l aller Funktionen: 39 Prozent oder 10,5 Milliarden Dollar i m Zeitraum 1946—1966. I n Westeuropa wurden 7,3 Milliarden Dollar oder 28 Prozent der gesamten M i t t e l investiert. Nach den vorliegenden bekannten Bauplänen w i r d sich Westeuropas Anteil künftig weiter vergrößern. 4. Investitionen in Chemischen Anlagen

Die Chemische Industrie ist vor allem i n den hochindustrialisierten Ländern, i n denen ausreichende Märkte für die Massenproduktion bestehen, weit entwickelt. Entsprechend hat die Mineralölindustrie ihre Chemie-Investitionen fast ausschließlich i n diesen Gebieten vorgenommen. Von 1951—1966 sind 3,5 Milliarden Dollar oder 55 Prozent der Gesamtausgaben i n Höhe von 6,5 Milliarden Dollar i n den USA für den Bau chemischer Anlagen investiert worden. A u f Westeuropa entfielen 29, auf den Fernen Osten 8 und auf Kanada 5 Prozent. 5. Investitionen für Vertriebseinrichtungen

Der Ausbau des Vertriebssystems w i r d weitgehend von der Bedarfsentwicklung bestimmt. Aus diesem Grunde sind die Anteile der einzel-

9 4 2 .

Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

nen Regionen an den gesamten Vertriebsinvestitionen ähnlich wie bei den Raffineriebauten, die — wie gezeigt — auch vornehmlich i n den Konsumgebieten vorgenommen werden. Tabelle 39 Anteile der einzelnen Regionen (in °/o)

USA Kanada Venezuela übrige westliche Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittelost Ferner Osten

1946—1966

1946—1950

1961—1965

42 7 1 6 18 4 1 11

60 5 1 6 15 2 1 10

39 5 1 5 33 4 1 12

Die Verschiebungen i n den Anteilen folgten den unterschiedlichen Zuwachsraten des Bedarfs.

V. Mineralölverbrauch und Investitionen Der Erdölverbrauch hat sich zwischen 1946 und 1966 vervierfacht: er ist von 350 auf 1 410 Millionen Tonnen gestiegen. Entsprechend haben sich auch die Investitionen i n diesem Zeitraum vervierfacht, so daß eine enge Korrelation zwischen Bedarfsanstieg und erforderlicher Investitionstätigkeit unterstellt werden kann. 1946 entfielen noch 69 Prozent des Verbrauchs auf die USA und folgerichtig 73 Prozent der Investitionen. I n Westeuropa, das bereits m i t 10 Prozent am Konsum beteiligt war, wurden dagegen nur 3 Prozent der Investitionen vorgenommen, was zweifellos noch eine Folge des Krieges und des dadurch bedingten Kapitalmangels war, aber auch auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß damals die Raffinerien noch überwiegend i n den Förderländern errichtet und i n Europa praktisch keine Investitionen i m Gewinnungsbereich getätigt wurden. 1966 verbrauchten die USA noch 41 Prozent des i n der Welt geförderten Erdöls. Investiert wurden in diesem Jahr hier nur noch 48 Prozent der gesamten Mittel. I n Westeuropa m i t einem Bedarfsanteil von 29 und i m Fernen Osten von 12 Prozent wurden 17 bzw. 6 Prozent der Kapitalauslagen vorgenommen. Allerdings ist ein Vergleich zwischen den Anteilen der einzelnen Gebiete am Mineralölverbrauch und an der Investitionstätigkeit insofern problematisch, als einige selber genügend Rohöl fördern können und dafür entsprechend investieren müssen, während andere ihren Erdöl-

V I . Die Kapazitäten der Mineralölindustrie

95

bedarf nur mit Importen decken können. Die Investitionen für diese Förderkapazität müssen also i n anderen Ländern vorgenommen werden. Aus diesem Grunde können eigentlich nur das weitgehend autarke Nordamerika und die übrigen Gebiete i n ihrer Gesamtheit miteinander verglichen werden, was i m folgenden auch geschieht. I n der Welt sind zwischen 1946 und 1966 rund 16,5 Milliarden Tonnen Rohöl verbraucht worden, davon 8,6 Milliarden Tonnen oder 52 Prozent i n den USA. Der Bedarf nimmt grob gesprochen alle fünf Jahre um 1 bis IV2 Milliarden Tonnen zu: Tabelle 40

Welt-Erdölverbrauch (ohne Ostblock) (in Mrd. t) davon: Welt-Total

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1966

2,1 3.1 4.2 5,8 1,4

USA 1,4

1,8

2,3

2,6 0,6

Welt (ohne USA) 0,7 1,3 1,9 3,2

0,8

V I . D i e Kapazitäten der Mineralölindustrie 2 7

Die als sicher nachgewiesenen Erdölvorräte der Welt (ohne Ostblock), die Voraussetzung für das weitere Wachstum der Mineralölindustrie, sind seit 1946 schneller gewachsen als der Verbrauch: sie stiegen von 8,9 Milliarden Tonnen Anfang 1946 auf über 48 Milliarden Tonnen Ende 1966 (Ende 1968: rund 55 Milliarden Tonnen). Einem Anstieg des Konsums auf das Vierfache steht also eine Zunahme der verfügbaren Reserven auf das 5,4fache gegenüber. Rechnet man die kumulative Förderung i n der Zeit von 1946 bis 1966 hinzu, so ist es den Erdölunternehmern gelungen, i n dieser Zeit mehr als 55 Milliarden Tonnen Erdölreserven neu zu erschließen oder mehr als 2,5 Milliarden Tonnen pro Jahr. Die Zunahme der Reserven — ausgedrückt i n der Anzahl jeweiliger Jahresförderungen — hängt sehr eng, wie die Tafeln 11 und 12 für die Welt ein- und ausschließlich USA zeigen, von der Investitionstätigkeit i m Gewinnungsbereich ab. Sie scheint demnach keine Zufallsgröße zu sein. 27 Die Kapazitätsentwicklung w i r d nur bis zum Jahre 1966 verfolgt, da auch n u r bis zu diesem Jahre Statistiken über die Investitionstätigkeit v e r wendet wurden.

96

2. Teil, 6. Kap.

Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tafel 11

Erdölreserven (Anzahl Jahresförderungen) u. Investitionen für die Gewinnung 1950—1966: Welt (ohne Ostblock)

I / 1 •

\

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// i/

// // 4

\ \ V

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Inv estiti onen

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J

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J

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j

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— i — —1

/

1950

1952

1954

1956

1958

1960

1962

1964

1—

1966

V I . Die Kapazitäten der Mineralölindustrie

97

Tafel 12 Erdölreserven (Anzahl Jahresförderungen) und Investitionen für die Gewinnung 1950—1966: Welt (ohne Ostblock und USA)

Jahre

i // •

/

J 1

1

#/

ii

Reser ven r/

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\V

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60

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V

Inves¡ t i t i o r ien

50

V v

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/ 4

i

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u.

1950

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\\\

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40

i.

1952

1954

* —

1956

1958

i

»

1960

1962

1964

i -L.30 1966

9 8 2 .

Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tafel 13

Erdölreserven und Erdölförderung 1966 nach Regionen (ohne Ostblock)

Reserven (Stand: 31.12.)

Förderung

Reserven

Förderung

Region Mrd. t

%

Mio. t

%

USA Kanada Venezuela übr. westl. Hemisphäre Westeuropa Afrika Mittlerer Osten Ferner Osten

5,1 1,1 2.3 1.4 0,3 4,3 32,1 1,6

11 2 5 3 1 9 66 3

410 43 176 62 20 134 462 35

31 3 13 5 1 10 34 3

Total

48,2

100

1341

100

Allerdings sind die bekannten Erdölreserven recht ungleichmäßig über die Erde verteilt. So verfügen die Anliegerstaaten des Persischen Golfes allein über zwei D r i t t e l der gesamten Reserven (auch 1946 schon über die Hälfte). Weitere 9 Prozent sind i n Afrika, und hier vorwiegend in den nordafrikanischen Ländern Libyen und Algerien, erschlossen worden. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß Afrikas A n t e i l an den Weltreserven i n den nächsten Jahren noch steigen wird. Insgesamt verfügt die östliche Hemisphäre (ohne Ostblock) über fast 80 Prozent der sicher nachgewiesenen Reserven. Die restlichen Vorkommen verteilen sich auf

V I . Die Kapazitäten der Mineralölindustrie

99

die USA (11 Prozent), Kanada (2), Venezuela (5) und die übrigen Gebiete der westlichen Hemisphäre (3 Prozent) 28 . Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, daß die Rohölreserven des Ostblocks (einschl. China) Ende 1966 auf 4,6 und Ende 1968 auf 7,6 Milliarden Tonnen geschätzt wurden. Demgegenüber wurde i m Jahre 1966 noch mehr als die Hälfte des gesamten Erdöls i n der westlichen Hemisphäre gefördert. Der Mittlere Osten führt seit 1964 vor den USA die Rangliste der Förderregionen an, unter denen Afrika seine Position stetig verbessert. Venezuela nimmt mit einer bei rund 180 Millionen Tonnen i m Jahr stagnierenden Erzeugung noch den dritten Rang ein. Sollte dieses Mißverhältnis zwischen laufender Förderung und Reservenentwicklung andauern, so w i r d i n der Zukunft i m steigenden Maße die westliche Hemisphäre aus der östlichen Erdöl beziehen müssen, wenngleich gegenwärtig i n der westlichen Hemisphäre die laufende Produktion noch i n etwa dem Bedarf entspricht 29 . Die sicheren Erdölreserven waren Ende 1966 fünfunddreißigmal so groß wie die Förderung dieses Jahres (Welt ohne USA: 46mal). Allerdings ist das B i l d der als sicher nachgewiesenen Reserven nicht vollständig. Rechnet man die von den Geologen als wahrscheinlich vorhanden vermuteten Reserven und die aus den Ölschiefer- und Teersänden gewinnbaren Erdölmengen (wenn auch zu höheren Kosten) hinzu, so kommt es zu erheblichen Verschiebungen i n der Reserveposition der einzelnen Regionen. Hierauf w i r d i m Teil 3 noch einzugehen sein. Die Erdölförderung hat sich von 1946 bis 1966 von 349 auf 1 341 Millionen Tonnen erhöht. Es darf angenommen werden, daß die Förderkapazität i m Jahre 1966 rund 15 Prozent über der tatsächlichen Produktion gelegen haben dürfte. Diese Überschußkapazität, die angesichts der vorhandenen Reserven m i t relativ geringen Investitionen noch gesteigert werden kann, hat nicht zuletzt zu dem sich verschärfenden Wettbewerb und zu den daraus resultierenden Preisrückgängen auf dem Weltmarkt geführt. 1966 wurden i m Mittleren Osten 462 Millionen Tonnen oder 34 Prozent der Gesamtförderung erzeugt. Die übrigen Förderregionen waren wie folgt an der Produktion beteiligt: USA (31 Prozent), Venezuela (13), 28 29

Vgl. Tafel 13.

Die Entdeckung neuer Vorkommen, wie z. B. i n Alaska, k a n n das V e r hältnis Reserven : Förderung i n der westlichen Hemisphäre f ü r einige Jahre wieder etwas verbessern. 7»

1 0 0 2 . Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

A f r i k a (10), übrige westliche Hemisphäre (5), Kanada (3), Ferner Osten (3) und Westeuropa (1). Die Verarbeitungskapazität der Raffinerien wurde dem Bedarfsanstieg gemäß ausgebaut: sie erhöhte sich von 1946 bis 1966 von rund 380 auf 1 630 Millionen Tonnen/Jahr. Dabei hatten die Regionen m i t der stärksten Zunahme des Verbrauchs auch die größte Ausweitung der Raffineriekapazität zu verzeichnen. Ende 1966 verteilte sich die Verarbeitungskapazität wie folgt (in Prozent): USA (33), Westeuropa (30), Ferner Osten (12), übrige westliche Hemisphäre (10), Mittelost (6), Kanada (4), Venezuela (3) und A f r i k a (2). Bei einer normalen Auslastung i n Höhe von 85 Prozent der Nominalkapazität ( = 1 380 Millionen Tonnen) reichte die Raffineriekapazität gerade aus, den Bedarf zu decken. Es bestand also auf dem Verarbeitungssektor i m Gegensatz zum Förderbereich keine Überkapazität.

V I I . Investitionen und Kapazitäten

I m folgenden sollen die Investitionen m i t den durch sie geschaffenen Kapazitäten i n Beziehung gesetzt werden. Die Ergebnisse dieses Vergleichs zeigen einmal die Höhe der Kapitalkosten, die für jede geförderte und verbrauchte Tonne Erdöl aufgewendet werden mußten, zum anderen bieten sie eine Basis für die Schätzung der voraussichtlichen künftigen Investitionen, die von der Mineralölindustrie vorgenommen werden müssen, wenn der steigende Bedarf auch i n Zukunft gedeckt werden soll. Von dem gesamten Brutto-Anlage-Vermögen der Industrie (ohne chemische Anlagen und andere Sektoren) i m Jahre 194630 i n Höhe von 23,9 Milliarden Dollar entfielen 17,2 auf die USA und 6,7 auf die übrigen Gebiete. 1966 lagen 72,1 Milliarden Dollar des Anlage-Vermögens i n den USA und bereits 70,9 i n den übrigen Gebieten. Dieses Brutto-AnlageVermögen gehörte zu rund zwei Dritteln US-amerikanischen Unternehmen, weitere 12 Prozent entfielen auf die beiden europäischen Konzerne Shell und BP 3 1 . Das Anlage-Vermögen je verbrauchte Tonne Erdöl betrug 1946 i n der Welt 70 Dollar (USA 74, übrige Gebiete 61). Bis 1966 war es auf 109 Dollar (USA 124, übrige Gebiete 80) oder u m 56 Prozent angestiegen. 30

Vgl. hierzu Tabelle 41. Chase Manhattan Bank, „Capital I n v e s t m e n t s . . v e r s c h . schäftsberichte der Shell u n d BP. 81

Jg., Ge-

USA

69

(4) Total

70

(4) Total

a) Welt ohne Ostblock

35 12 23

bezogen auf Verbrauch: $/t (1) Gewinnung (2) Verarbeitung (3) Vertrieb/Transport

Anlagevermögen

Brutto -

34 12 23

23.905

(1) Gewinnung (2) Verarbeitung (3) Vertrieb/Transport

spezifisch: $/ t

Anlagevermögen

Brutto -

(4) Total

6.755

74

41 13 20

74

41 13 20

17.150

61

22 11 28

60

21 11 28

109

55 19 35

104

50 19 35

142.935

124

162

27

80

17

21 27

114

72.075

86

81

70.860

20 41

25

18 41

22

USA

33.600

1966

20.565 921 15.600

Welt

46.600 931 16.695 469 49.200 824

ohne^JSA

(1) Gewinnung 11.935 9.525 2.410 67.165 Förderung 349 234 115 1.341 410 (2) Verarbeitung 4.220 3.000 1.220 26.570 9.875 Rohöldurchsatz 340 230 110 1.390 (3) Vertrieb/Transport 7.750 4.625 3.125 Verbrauch 340 230 U0 1.410 586

Total-Brutto-Anlagevermöge n

Welt

1946

Tabelle 41: Spezifisches Brutto-Anlagevermögen 1946 und 1966a) (in Mio. $ bzw. Mio. t)

oh2uSA

VII. Investitionen und Kapazitäten 101

1 0 2 2 . Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946 Tabelle 42 Brutto-Anlage-Vermögen und Verbrauch (Mio. $ bzw. Mio. t) 1966

1946 davon

davon Welt (ohne Ostblock)

USA

übrige Gebiete

6.755 110

142.935 1.410

72.075 586

70.860 824

61

109 56

124 68

86 41

Welt (ohne Ostblock)

USA

übrige Gebiete

23.905 340

17.150 230

70

74

AnlageVermögen Verbrauch AnlageVermögen je t Verbrauch

m

Anstieg i n °/o

Bezieht man das Anlage-Vermögen auf die einzelnen Funktionen, so ergibt sich das folgende Bild: Tabelle 43 Anlage-Vermögen nach Funktionen 1946

1966

USA

übrige Länder

USA

übrige Länder

9.565 3.000 4.625

2.410 1.120 3.125

46.600 9.875 15.600

20.565 16.695 33.600

230

110

586

824

41 13 20

22 11 28

80 17 27

25 20 41

55 18 27

36 18 46

64 14 22

29 23 48

Anlage-Vermögen (Mio. $) Gewinnung Verarbeitung Vertrieb/Transport Verbrauch (Mio. t) Anlage-Vermögen je t Verbrauch (in $) Gewinnung Verarbeitung Vertrieb/Transport Anlage-Vermögen je t Verbrauch (in 0/o) Gewinnung Verarbeitung Vertrieb/Transport

V I I . Investitionen u n d Kapazitäten

103

Entsprechend den hohen Such- und Förderkosten i n den USA entfallen dort fast zwei D r i t t e l des Anlage-Vermögens auf den Gewinnungsbereich (1946 erst 55 Prozent). Demgegenüber ist der Anteil des Anlage-Vermögens i n den übrigen Ländern i m Gewinnungsbereich seit 1946 von 36 auf 29 Prozent gesunken. Umgekehrt ist das Anlage-Vermögen i m Raffinerie- und Vertriebs-/Transportsektor i n der übrigen Welt relativ doppelt so hoch wie i n den USA. U m die heute vorhandene Kapazität der Mineralölindustrie zu erstellen, mußten (ohne chemische Anlagen und andere Sektoren) von 1946 bis 1956 45,8 Milliarden Dollar (USA: 27,3, übrige Gebiete: 18,5) und von 1956 bis 1966 mehr als doppelt so viel, nämlich 116,8 Milliarden Dollar (USA: 59,0, übrige Gebiete 57,8) investiert werden 32 . Diese Investitionen dienten sowohl der Einrichtung zusätzlicher als auch dem Ersatz veralteter Anlagen. Setzt man diese Investitionen i n Beziehung zu den jeweils 1955 bzw. 1966 vorhandenen Kapazitäten (der Einfachheit halber auf die jeweilige Erdölförderung bezogen), so ergeben sich die i n Tabelle 44 dargestellten Werte. Die Investitionen je Kapazitätseinheit auf den Sektoren Raffinerien, Vertrieb und Transport sind i n den USA und i n den übrigen Gebieten praktisch gleich hoch. Sie waren i m Zeitraum 1956—1966 u m 25 Prozent höher als i m vorhergehenden Jahrzehnt. A u f dem Gewinnungssektor lagen die erforderlichen Investitionen für die Schaffung und Aufrechterhaltung einer Förderkapazität von einer Tonne pro Jahr i n der Dekade 1946 bis 1955 i n den USA m i t 50 Dollar zweieinhalbmal so hoch wie i n der übrigen Welt. 1956 bis 1966 waren die durchschnittlichen Investitionen in den USA bereits über viereinhalbmal so hoch: 104 gegenüber 22 Dollar. Während i n der übrigen Welt die Investitionen für eine Tonne Förderkapazität i m letzten Jahrzehnt nur zehn Prozent höher als i m vorausgegangenen waren, hatten sie i n den USA einen Anstieg u m 108 Prozent zu verzeichnen. Die Gründe für die hohen spezifischen Aufwendungen i m Gewinnungsbereich i n den USA liegen einmal i n den i m Vergleich zu den anderen Förderregionen ungünstigeren geologischen Verhältnissen, zum anderen aber auch i n der Struktur der amerikanischen Erdölindustrie m i t ihrer Vielzahl kleiner Grenzproduzenten, i n der künstlichen Beschränkung der Förderung sowie i n der Steuerpolitik, die Kapitalanlagen i m Gewinnungsbereich begünstigt. Die Investitionskosten für die Bereitstellung und Aufrechterhaltung einer Kapazität von einer Tonne pro Jahr auf allen Stufen der Mineralölindustrie beliefen sich auf rund 90 Dollar, sie sind i n den USA m i t 32

Vgl. Tabelle 44.

a) Raffinerien, Transport und Vertrieb

(3) (1) + (2)

$/t (1) Investitionen Förderung für Förderung 1955 bzw. (2) Investitionen 1966 für übrige Funktionen»)

(3) (1) + (2)

Funktionen»)

$/t (1) Investitionen Förderfür Förderung Zuwachs (2) Investitionen für übrige

(4) (2) + (3)

82

32

32 67

50

35

136

53

33

750

87

40

39

47 104

143 j

57.770

16.105

USA

1956—1966

20.275

106

62

69

59.005

40

22

1.033

283

116.775

Welt

53.600

42.900

37

543

11.365

63.175

57

uS°Ane

W

78 195

89

18.535

10.695

20

270

48

30 106

27.290

66 106

70 164

45.825

237 600

Mio. t (1) Förderungszuwachs 338 101 bzw. (2) Investitionen Mio. $ für Förderung 23.765 16.595 (3) Investitionen für übrige Funktionen») 22.060 7.170

USA

Welt

1946—1955

Tabelle 44: Spezifische Investitionen 1946—1955 und 1956—1966: Welt ohne Ostblock (je Tonne Förderzuwachs bzw. je Tonne Förderkapazität 1955 und 1966)

37.495

^ne

We

104 2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit und Wachstum seit 1946

4.435

Rohöldurchsatz (Mio. t) 2 070 3 013 3 931 5 778 Investitionen (Mio. S) 3.555 5.525 6.975 7.885 Investitionen (S/t) 1,72 1,83 1,77 1,36

Verarbeitung

2 050 3 108 4187 5 751 20.465 35.330 51.085 53.015 11,68 12,65 9,51

7,51

j

7,55

j

j

9,45

j



3 568 9.735 4,30

10 908 17 346 6 423 11.740 11.015 0,41 0,68 1,72

Anm.: Differenz der Investitionen für Reserven bzw. Förderung = Exploration Expenses a) Welt ohne Ostblock

V. Gesamt-Erdölversorgung (II. + III. + IV.) Erdölverbrauch (Mio. t) Investitionen (Mio. $) Investitionen (S/t) 9,89

Erdölverbrauch (Mio. t) 2 050 3 108 4 187 5 751 Investitionen (Mio. $) 4.855 8.095 14.140 17.565 Investitionen (S/t) 2,37 2,60 3,38 3,05

IV. Transport/Vertrieb

III.

13 016 19 595 8 363 21.710 35.300 32.945 1,68 1,80 3,95

Rohölförderung (Mio. t) 2 075 3 001 3 997 5 411 797 1424 2 267 Investitionen (Mio. $) 12.055 21.710 29.970 27.565 2.735 4.435 Investitionen (S/t) 5,80 7,25 7,50 5,10 3,42 3,12

II. F örderung

Zuwachs erschlossener Reserven (Mio. t) Investitionen (Mio. $) Investitionen ($/t)

I. Reserven

Welt (ohne USA)



6,85

8.670 2,44

1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965

Welt-Total

Tabelle 45: Spezifische Investitionsaufwendungen») (einschl. Exploration Expenses 1946—1965)

V I I . Investitionen u n d Kapazitäten

105

1 0 6 2 . Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

143 Dollar aber mehr als doppelt so hoch wie i n der übrigen Welt (62 Dollar). Von Interesse sind auch die spezifischen Investitionsaufwendungen für jede geförderte, verarbeitete bzw. verbrauchte Tonne Erdöl 3 3 . Sie zeigen nämlich, wie viele Dollar für jede letztlich verbrauchte Tonne Erdöl investiert werden mußten, oder auch, ein wie hoher A n t e i l des Verkaufserlöses für Investitionen bereitgestellt werden mußte, wenn man bedenkt, daß die Welt-Erdölindustrie i m Durchschnitt ihre Investitionen zu 80 bis 90 Prozent aus eigenen Mitteln, d. h. aus Abschreibungen und einbehaltenen Gewinnen, finanziert. Tabelle 46 Spezifische Investitionen ($/t) 1946—1950 1951—1955 1956—1960 1961—1965 Förderung Verarbeitung Transport/Vertrieb*)

5.80 1.72 2.37

7.25 1.83 2.60

7.50 1.77 3.38

5.10 1.36 3.05

Total*) (Welt ohne USA&)

9.89 7.51

11.68 7.55

12.65 9.45

9.51 6.85)

a) bezogen auf den Gesamtverbrauch b) diese Zahlen berücksichtigen die unterschiedlich hohen Durchschnittsinvestitionen im Gewinnungsbereich

Die Kapitalaufwendungen je verbrauchte Tonne Erdöl sind von 1946 bis 1960 kontinuierlich gestiegen, seitdem aber wieder etwas gesunken. Gegenwärtig müssen für jede verbrauchte Tonne Erdöl rund 10 Dollar (außerhalb der USA 7 Dollar) investiert werden. Das Absinken der durchschnittlich erforderlichen Investitionsaufwendungen i n der letzten Fünf jahresperiode hat vor allem zwei Ursachen: — einmal ist die Investitionstätigkeit i m Gewinnungssektor relativ und gegenüber der vorhergehenden Fünf jahresperiode sogar absolut zurückgegangen; — zum anderen haben die Rationalisierungsbemühungen der Industrie sowie der Trend zur Erstellung großer Kapazitätseinheiten (große Raffinerien, Supertanker usw.), der erst durch den wachsenden Bedarf ermöglicht wurde, eine starke Kostendegression je Tonne Kapazität ermöglicht. Während der zuletzt genannte Trend anhalten und sogar noch zu einer weiteren geringen Reduzierung der spezifischen Investitionsauslagen führen dürfte, ist damit zu rechnen, daß die durchschnittlichen Investitionen i m Gewinnungsbereich langfristig eher wieder steigen oder gün83

Vgl. Tabelle 45.

107

V I I . Investitionen u n d Kapazitäten

stigstenfalls konstant bleiben werden, wenn man bereit ist, eine weitere Verschlechterung der Relation Reserven/Jahresförderung i n Kauf zu nehmen. Dies beweisen auch die durchschnittlichen Investitionsaufwendungen für die Erschließung neuer Erdölreserven. Sie sind nämlich kontinuierlich gestiegen und betragen je Tonne Erdölreserve 34 (Dollar): Tabelle 47 Welt (ohne Ostblock)

Welt (ohne Ostblock u n d USA)

1.68 1.80 3.95

0.41 0.68 1.72

1951—1955 1956—1960 1961—1965

Wie stark die durchschnittlichen Investitionen regional schwanken, zeigt die nachfolgende Tafel 3 5 : Tafel 14 Investitionsaufwendungen für die Erdölsuche und -gewinnung 1950—1965

USA übrige westl. Hemisphäre

Naher Osten

übrige östliche Hemisphäre

Welt ohne Ost block insgesamt

Freie Welt ohne USA

i — r

8

I

1 Investitionen je entdeckte Tonne in Dollar

1

| Investitionen je geförderte Tonne in Dollar

Anmerkung: Die Zahlen können nur als grobe Richtwerte angesehen werden. Besonders die Angaben für den Nahen Osten dürften nicht repräsentativ sein, da die Rohölvorräte in diesem Gebiet zwischen 1950 und 1965 mengenmäßig höher bewertet wurden, während die Erschließung erst bei einem Teil durchgeführt worden ist. 34 Investitionen i m Gewinnungsbereich bezogen auf den Zuwachs der Reserven einschl. der k u m u l a t i v e n Förderung. 35 Aus: Esso AG, „Die Investitionen der Welt-Mineralölindustrie", H a m burg, Sommer 1967.

1 0 8 2 . Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

Wie sich die Investitionen zur Aufrechterhaltung und Ausweitung der Erdölproduktion i n den wichtigsten Fördergebieten i m Zeitablauf entwickelt haben, zeigt Tabelle 48 für die Jahre 1949 bis 1966. I m Jahre 1966 wurden i m Gewinnungsbereich je geförderte Tonne investiert (Dollar): USA (10,75), Kanada (17,40), Venezuela (0,80), A f r i k a (3,20), Mittelost (0,65) und Ferner Osten (4,45). Es ist klar, daß die durchschnittlichen Investitionsaufwendungen stark von der Höhe der jeweiligen Investitionstätigkeit abhängig sind, so daß zuverlässige Aussagen nur aus langjährigen Zahlenreihen gewonnen werden können. Typisch für mögliche Tabelle 48 Investitionen zur Aufrechterhaltung u n d Ausdehnung der Erdölförderung 3 )

Jahr

USA

Kanada

Venezuela

1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

1,20 1,18 1,32 1,58 1,69 1,86 1,88 1,94 1,95 1,73 1,69 1,63 1,53 1,74 1,58 1,68 1,56 1,47

6,90 6,99 4,83 5,47 4,02 4,01 3,28 2,85 2,61 2,51 2,70 2,53 2,20 1,65 1,97 1,94 2,37 2,38

0,76 0,30 0,37 0,42 0,41 0,39 0,41 0,81c) 0,95c) 0,58 0,41 0,24 0,17 0,14 0,14 0,13 0,14 0,11

Afrika

Mittelost

1,60 1,62 0,94 0,73 0,56 0,44

0,33 0,13 0,11 0,17 0,11 0,11 0,12 0,16 0,17 0,21 0,19 0,15 0,15 0,13 0,07 0,07 0,15 0,09

Ferner Osten ~ 1,16 0,70 0,75 0,88 0,79 0,83 0,86 0,84 1,07 0,86 0,75 0,62 0,51 0,57 0,81 0,99 0,89 0,61

a) 1. 1949—1961 nach Chase Manhattan Bank. 2. 1962—1966 nach eigener Errechnung auf gleicher Basis: Investitionen für Gewinnung -f Expl. Expense s _ E i n h e i t s k o s t e n Jahresförderung ~~ b) bbl = Barrel (Faß); eine in der Erdölindustrie gebräuchliche Maßeinheit; 1 Barrel = 159 Liter; 7,5 Barrel entsprechen rund 1 Tonne Rohöl c) einschl. 0,35 bzw. 0,38 für den Erwerb von Konzessionen

Fehlschlüsse ist die Entwicklung i n Venezuela, i n dem die Investitionen je geförderte Tonne als Folge des bereits erwähnten Nachlassens der Investitionsbereitschaft erheblich zurückgegangen sind 36 . Trotz dieser Einschränkung vermitteln die oben genannten Zahlen ein brauchbares B i l d für die relativen Förderkosten i n den einzelnen Gebieten. 58 Die geringe Investitionsneigung hat z . B . einen Rückgang i n der Höhe der nachgewiesenen Reserven zur Folge gehabt.

V I I I . Außerökonomische Einflüsse auf die Investitionstätigkeit

109

V I I I . Außerökonomische Einflüsse auf die Investitionstätigkeit I n diesem Kapitel wurde gezeigt, daß die Investitionen der Mineralölindustrie fast gleichmäßig m i t dem steigenden Bedarf wachsen bzw. dessen Wachstum ihrerseits stimulieren. Neben diesem primär die Investitionstätigkeit beeinflussenden Faktor haben auch außerökonomische, d. h. speziell politische Faktoren Einfluß auf die Höhe und Zusammensetzung der Investitionen. So sind z. B. nach der Korea-Krise 1951 und nach der Suezkrise 1956" die Investitionen jeweils kräftig angestiegen, wobei die Funktionen Gewinnung und Tankerbau eindeutig bevorzugt wurden. Zusätzliche Kapazitäten auf beiden Gebieten (bei der Erdölförderung verbunden m i t einer regionalen Streuung der Vorkommen) erhöhen die Versorgungssicherheit und verringern die während der Krisen offenkundig gewordenen Versorgungsrisiken. Ob nach der Nahostkrise des Sommers 1967 eine ähnliche Entwicklung eintreten wird, läßt sich noch nicht schlüssig vorhersagen. Die Tankerbauprogramme der großen Ölgesellschaften und die wahrscheinlich verstärkten Bemühungen, die Abhängigkeit von den arabischen Erdölländern zu verringern, deuten bereits i n diese Richtung. Ein anderes Beispiel ist — wie bereits mehrfach zitiert — Venezuela. Eine Änderung der politischen Haltung gegenüber den i m Lande tätigen ölgesellschaften führte nach 1958 zu einem drastischen Rückgang der Investitionstätigkeit, der bisher nicht beendet wurde, obwohl bei einem für die Gesellschaften besseren Investitionsklima die Investitionen unverzüglich wieder steigen dürften.

87

Vgl. Tafel 15.

2. Teil, 6. Kap.: Investitionstätigkeit u n d Wachstum seit 1946

110

Tafel 15 Investitionen in den einzelnen Funktionen 1946—1966: Welt (ohne Ostblock und USA)

Mio $ 2.000

\

1.800

KOREAKRISE

1 Gewinnung -a

\

lf Ii

\

1.600

V

SUEZKPI^F

1.400

j

0 i\

• iJ ! v A f

1.200 -

800

J

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200

-

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1 1"'

1

V

A

t hat. Vgl. hierzu „ O i l scrambling to unravel sulfurcurb supply k n o t " , OGJ, 24. 6.1968, S. 41—44. 35 Ebenda, S. 43. 34

144

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

Sammlungen von Kohlenwasserstoffen fast über die ganze Welt verteilt, wobei für ihr Entstehen aber ganz bestimmte geologische Gegebenheiten Voraussetzung waren 3 6 . Es sind vor allem die großen Sedimentbecken, die die günstigsten Voraussetzungen für das Entstehen von Kohlenwasserstofflagerstätten geboten haben und auf die sich entsprechend die Suchtätigkeit der Erdölgesellschaften konzentriert. Eine geologische Überprüfung der Erdoberfläche ergibt, daß die folgenden Gebiete besonders aussichtsreich für das Auffinden von Erdöl und Erdgas sein müssen 37 : Arabien, Nordafrika, USA, UdSSR, Karibien, Kanada, Brasilien, Australien, sowjetisch-chinesisches Asien, Antarktis. Die Sedimentbecken sind aber nicht auf das Festland beschränkt, sie setzen sich vielmehr unter der Meeresoberfläche fort. Deshalb müssen zu den genannten Gebieten noch hinzugefügt werden: der amerikanisch-mexikanische Golf, der Persische Golf, Teile des M i t telmeeres und der Nordsee, das Rote Meer, das Kaspische Meer, das Karibische Meer, die Zone zwischen Asien und Australien sowie die Zone des arktischen Ozeans. Aufschluß über das Vorhandensein von Lagerstätten kann aber erst die Suchtätigkeit der Erdölindustrie bringen. Die Erdölsuche ist trotz aller Fortschritte der Geologie bis zu einem gewissen Maße immer noch ein Glücksspiel, bei dem die Erfolgschancen mit der Höhe und Streuung der eingesetzten Mittel steigen. Beispiele für erfolglose oder erst nach vielen Jahren durch Funde belohnte Explorationsbemühungen gibt es genug 38 . Aus der Sicht einer großen Gesellschaft, der Shell, sieht das Explorationsrisiko wie folgt aus 39 : Von den Investitionen i m Gewinnungsbereich i n den letzten 14 Jahren erbrachten (ausschl. USA) 4 0 % bedeutende Funde an Erdöl 4°/o Erdgasfunde 25 °/o kleinere Funde 1 0 % noch ungewiß 2 1 % keine Erfolge. Ein Fünftel der Investitionsaufwendungen mußte also ergebnislos abgeschrieben werden. 38 Eine kurzgefaßte Einführung i n die Erdölgeologie gibt „Tendenzen der Weltenergiewirtschaft", a. a. O., S. 94—97. 37 Ebenda, S. 97. 38 Vgl. hierzu das sechste Kapitel. 39 „ E i n Blick i n die Z u k u n f t des Öls", Erdöl-Nachrichten, hrsg. v o n der Deutsche Shell AG, Nr. 6/68, J u n i 1968, S. 8.

I .

E o g e n e Faktoren

145

Das Risiko der Investitionen auf dem Sektor der Erdölgewinnung w i r d verstärkt durch die Höhe des einzusetzenden Kapitals. I m Weltdurchschnitt ist i n den letzten beiden Jahrzehnten über die Hälfte des insgesamt von der Mineralölindustrie investierten Kapitals, nämlich 97 Milliarden Dollar, für die Suche und Förderung von Erdöl eingesetzt worden. I n den USA beläuft sich dieser Anteil sogar auf zwei Drittel; i n der übrigen Welt (ohne Ostblock) liegt er immer noch bei einem Drittel. Keine Phase der Erdölindustrie benötigt soviel Kapital wie der Gewinnungssektor, und i n keiner Phase ist die künftige Rendite so unsicher wie i n dieser. Die Höhe der Gewinnungsinvestitionen beruht auf den folgenden Faktoren: „Exploration activities have many phases, including geological studies and evaluations, acquisition of leases and concessions, and the drilling of wells. These operations, extending over a period of years, require substantial expenditures for exploration, lease rentals, investment i n producing wells and related equipment, and large outlays for non-productive wells. Following successful exploration work, development drilling is required to bring the field to efficient production. A number of factors are making the search for new crude oil and gas reserves increasingly expensive. Costs of material, labor and services continue to rise, and the effect is intensified by the greater depth of exploratory wells drilled and offshore activities. Acquisition of undeveloped acreage also has become more costly 40 ." Für die Investitionsüberlegungen der Mineralölunternehmen sind die Erdölreserven sowie ihre wahrscheinliche geographische Verteilung eine entscheidende Größe, von der langfristig die Existenz dieses Industriezweiges abhängt. Aber auch die Wirtschaftspolitik interessiert angesichts der Bedeutung des Erdöls für die Energieversorgung, ob die Reserven auch langfristig ausreichend sein werden, u m es der Erdölindustrie zu gestatten, den von ihr geschätzten Beitrag zur Energieversorgung überhaupt leisten zu können. Einer Darstellung der Schätzungen der Erdölreserven hat zweckmäßigerweise eine Definition der hierbei gebräuchlichen Reserve-Begriffe vorauszugehen 41 . Es werden folgende Reserve-Definitionen unterschieden: — Nachgewiesene Reserven = unter derzeitigen technischen und w i r t schaftlichen Verhältnissen gewinnbare Kohlenwasserstoffe aus bekannten Lagerstätten einschließlich der Sekundärreserven erschlossener Lagerstätten. 40 Chase Manhattan Bank , „Financial Analysis of a group of Petroleum Companies 1959", New Y o r k 1960, S. 10. 41 „Tendenzen der Weltenergiewirtschaft", S. 99 ff., u n d Paul D. Torrey/ C. L . Moore u n d George H. Weber, „ W o r l d O i l Resources", 6. Welt-Erdölkongreß, F r a n k f u r t / M a i n 1963, Section V I I I , Paper 9.

10

Eich

146

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

— Mögliche und äußerste Reserven = Schätzung der insgesamt förderbaren Reserven. Diese Schätzungen basieren auf geologischen Extrapolationen der jeweils letzten vorhandenen Daten. I n der Praxis w i r d die Höhe der förderbaren Reserven von folgenden Faktoren abhängen: a) Vorhandensein von Vorkommen b) Ausmaß der Explorationstätigkeit c) Neubewertung bereits erschlossener Vorkommen d) Verbesserung der Bohrtechnik 4 2 (größere Tiefen, Meeresbohrungen) e) Verbesserungen der Fördertechnik Besonders dem Faktor e) w i r d laufend mehr Bedeutung zuerkannt. I m Durchschnitt w i r d ein Erdölvorkommen nur zu 30—35 Prozent ausgebeutet, wobei die sog. Entölungsrate zwischen 10 und 75 Prozent schwanken kann. Durch Methoden der Sekundärförderung kann die durchschnittliche Nutzung eines Vorkommens auf etwa 45 Prozent erhöht werden. Durch Methoden der tertiären Förderung, worunter i n der Regel eine thermische Entölung eines Vorkommens durch Dampf- oder Heißwassereinpressung sowie durch Feuertrieb 43 verstanden wird, läßt sich die Entölung auf 60 Prozent steigern. I n diesem Zusammenhang w i r d auch ernsthaft der Einsatz unterirdischer Kernexplosionen erwogen. Diese Methoden setzen aber erhebliche Investitionen voraus. Die Bedeutung eines höheren Entölungsgrades geht aus einem kleinen Rechenexempel hervor. Basieren die nachgewiesenen Erdölreserven Anfang 1969 i n Höhe von rund 60 Milliarden Tonnen auf einer angenommenen Entölungsrate von 30 Prozent, so bedeutet jede Verbesserung der Vorkommensnutzung um ein Prozent einen Reserveanstieg von über zwei Milliarden Tonnen oder einer gegenwärtigen Weltjahresförderung. Eine Erhöhung der Entölungsrate u m 10 Prozent, was durchaus realistisch ist, würde die derzeit nachgewiesenen Reserven allein u m ein D r i t t e l erhöhen. A m häufigsten genannt werden die nachgewiesenen Reserven. Diese Schätzungen sind naturgemäß sehr vorsichtig und werden von den Gesellschaften nicht selten aus Wettbewerbs- und politischen Überlegungen kräftig nach unten abgerundet. Sie sollten deshalb als minimale Arbeitsreserve betrachtet werden, die m i t vergleichsweise geringen Investitionen gefördert werden können. Nach letzten Veröffentlichungen werden die gegenwärtigen nachgewiesenen Erdöl- und Erdgasreserven wie folgt geschätzt: 42 Hierzu George Roberts Jr., „ D r i l l i n g and Production", 6. Welt-Erdölkongreß, Frankfurt/Main, J u n i 1963. 43 Hierbei w i r d eine Lagerstätte entzündet. Die sich entwickelnde Hitze macht das Erdöl leichtflüssiger u n d damit der Förderung zugänglicher. E i n T e i l des Vorkommens verbrennt bei dieser Methode.

147

I V . Endogene Faktoren Tabelle 52 Erdgas^)

Erdöl*) Region Mrd. t

%

Mrd. m 3

%>

Westliche Hemisphäre Europa Mittelost Afrika Asien/ Ozeanien

10,4 0,4 36,8 5,9 1,8

16 1 59 9 3

11280 3 950 6 250 4 700 1470

30 10 17 13 4

T o t a l Freie W e l t

55,3

88

27 650

74

7,6

12

9 650

26

62,9

100

37 300

100

Ostblock Total Welt

a) BP, „Statistical Review of the World Oil Industry 1968", London 1969, S. 5 b) umgerechnet nach „Worldwide Oil", OGJ, 30.12.1968, S. 102—103

Die Erdölreserven haben sich Anfang 1969 gegenüber 1950 fast versechsfacht und sind seit 1960 u m die Hälfte gestiegen. Die Erdgasreserven haben sich i m Vergleich zu 1960 sogar verdoppelt. Soll bis 1980 ein von der Erdölindustrie als vertretbar angesehenes Verhältnis von Reserven zu jeweiliger Förderung 44 eingehalten werden, so müßten zwischen 1965 und 1980 i n etwa so viele neue Reserven entdeckt werden wie zwischen 1950 und 1965. Für langfristige Überlegungen, und hierum geht es i n erster Linie bei der Festlegung einer Investitionspolitik, sind die nachgewiesenen Reserven aber nur von untergeordneter Bedeutung. Hier interessiert mehr, wie hoch die wahrscheinlichen Gesamtreserven sind und wo sie gefunden werden können. Solche Globalschätzungen, die m i t aller Vorsicht benutzt sein wollen, schwanken zwischen 450 und 2 500 Milliarden Tonnen 45 . Eine Gegenüberstellung der Schätzungen von Geologen, die i n der Fachwelt als besonders kompetent angesehen werden, zeigt Tabelle 53. Sie schwanken 44 Die Reserven müßten einer jeweiligen Förderung v o n 15—25 Jahren entsprechen. 45 EWG-Kommission, „Erste Aufzeichnungen der Kommission an den Rat über die Politik der Gemeinschaft i m Bereich v o n Erdöl u n d Erdgas", SEK (66) 469, Brüssel 14. 2.1966, S. 5; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, „Erste Orientierung f ü r eine gemeinschaftliche Energiepolitik", Anhang I, Brüssel, 17.1.1969, S. 148; L . G. Weeks, „ W o r l d w i d e Review of Petroleum Exploration", 6. Welt-Erdölkongreß, Frankfurt/Main, J u n i 1963; D. C. Ion, „The Significance of W o r l d Petroleum Reserves", 7. W e l t - E r d ö l kongreß, Mexico City 1967, Review Paper Nr. 2, S. 3 u n d 10, zitiert Schätzung des US-Geologen T. H. Hendricks; „World's Oil Reserves: 10 T r ü l i o n bbl", OGJ., 7. 2.1966, S. 56/57.

1*

143

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

zwischen 450 und 830 Milliarden Tonnen, die als äußerst förderbare Reserven angesehen werden. Die äußersten förderbaren Erdgasreserven werden zwischen 212 400 und 335 000 Milliarden m 3 geschätzt, was einem Heizwert von rund 193 bzw. 305 Milliarden Tonnen Rohöl entsprechen würde. Welches die wirklichen äußersten Reserven sind, darüber w i r d erst die Explorationstätigkeit kommender Jahrzehnte entscheiden. Aber derartige Schätzungen sind auch bereits für die heutige Investitionsplanung von Bedeutung, denn „Reserves estimates must give the ceiling to potent i a l production but productive capacity depends on the facilities installed or capable of being installed i n a stated time to effect actual production which is governed by demand" 48 . Daß die Mineralölgesellschaften derartige Schätzungen sehr ernst nehmen, zeigt die Explorationsstatistik. Sie sind i n über 110 Ländern aktiv i n der Erdölsuche tätig, darunter allein i n 80 Ländern unter der angrenzenden Meeresoberfläche 47. Drei Aspekte der Erdölgewinnung sollen abschließend noch gestreift werden, da sie besonders hohe Investitionen erfordern und zudem eine zunehmend wichtige Rolle innerhalb der gesamten Explorationstätigkeit spielen. Es sind dies — die Of fshore-Tätigkeit, — die Ausdehnung der Erdölsuche auf weit abgelegene und klimatisch ungünstige Regionen (Alaska), — die künftige Bedeutung der Ölvorkommen i n Ölschiefer und Teersänden. Für die Erdölsuche und -förderung unter der Meeresoberfläche w i r d bereits mehr als ein Viertel der gesamten Aufwendungen für den Gewinnungssektor ausgegeben. „Progressively, i n recent years, the industry has extended its search for petroleum to offshore areas i n various parts of the world. A n d of the total expenditure for production purposes i n 1967, more than one-fourth — 1,7 billion dollars — was spent on offshore facilities 48 ." Bisher sind für Offshore-Einrichtungen bereits 15 M i l l i a r den Dollar investiert worden, eine Summe, die sich i m kommenden Jahrzehnt verdoppeln dürfte 4 9 . Gegenwärtig stammen bereits 16 Prozent der 46

D. C. Ion, a. a. O., S. 16. Lewis G. Weeks, a. a. O., S. 1 u n d Leslie C. Rogers, „Offshore drawing 25 % of oil Dollars, due to get more", OGJ., 6. 5.1968, S. 77. F ü r die Such- u n d Fördertätigkeit i n den Kontinentalschelfgebieten w i r d k ü n f t i g auch der international gebräuchliche Ausdruck „Offshore-Tätigkeit" verwendet werden. 48 Chase Manhattan Bank, „Capital Investments of the W o r l d Petroleum Industry 1967", New York, Dezember 1968, S. 5. 49 Z u m folgenden: Leslie C. Rogers, a.a.O., S. 75—77 u n d „Offshore to supply t h i r d of o i l i n '77", OGJ, 6. 5.1968, S. 78/79. 47

I .

149

E o g e n e Faktoren

W e l t e r d ö l f ö r d e r u n g aus M e e r e s v o r k o m m e n , die r u n d 20 P r o z e n t der nachgewiesenen Reserven ausmachen. Ü b e r 100 Gesellschaften suchen v o r d e n K ü s t e n v o n 80 L ä n d e r n , v o n d e n e n 20 b e r e i t s P r o d u z e n t e n sind, nach Kohlenwasserstoffen. Diese Suche e r s t r e c k t sich p r a k t i s c h a u f a l l e K o n t i n e n t e ( U S A , K a n a d a , L a t e i n a m e r i k a : 18 L ä n d e r , E u r o p a : 9, A f r i k a : 26, M i t t e l o s t : 14 u n d F e r n e r Osten: 11 L ä n d e r ) .

Tabelle 53 Schätzungen der äußersten Ausbeute der Erdöllagerstätten der Welt (in Mrd. t) nach King Hubberta)

nach L. G. Weeks b >

nach T. A . Hendrickc) 133,0

U S A (inkl. Offshore) Kanada Mexiko Südamerika

23,5 6,0 11,4

37,0 11,3 3,3 26,0

A . Westliche Hemisphäre

40,9

77,6

240,0

1,7 40,5

2,5 104,0 13,5

40,0 120,0 147,0

11,3

39,0

49,9

131,3

346,0

Total Freie Welt A . + B.

90,8

208,9

586,0

C. UdSSR D. Offshore (ohne USA)

27,0 51,0

60,0

240,0

170,0 30,0

270,0

200,0

826,0

250,0

270,0 (100,0) 200,0 150,0

450,0

620,0

826,0

Europa Mittelost Nordafrika Indonesien Australien übriges Asien B. östliche Hemisphäre

Welt-Total A . + B. + C. + D. E. Kondensate Welt-Total A . b i s E . davon Offshore F. Sekundärreserven G. Ölhaltige Sande/Schiefer Welt - Insgesamt A . bis G.

4,0 0,4 3,3

a) Zitiert in „Erste Orientierungen . . a . a. O. b) L. G. Weeks, a. a. O. c) Zitiert in D. C. Ion, a. a. O.





107,0



826,0 —

150

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

Der amerikanische Geologe Weeks erwartet, daß 1977 bereits ein D r i t tel der Weltförderung aus Meeresvorkommen stammen w i r d (das wären über 1 Milliarde Tonnen). Da die Suche i n den Schelfgebieten schneller zunimmt als die auf dem Festland — ihr Wachstum w i r d nur durch den Mangel an geeigneten Bohrgeräten gebremst —, w i r d auch erwartet, daß ein wachsender A n t e i l der zu erschließenden Erdölreserven unter der Meeresoberfläche liegen wird 5 0 . Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, daß von den 4 Millionen Quadratmeilen aussichtsreichen OffshoreGebietes unter 300 m Wassertiefe erst fünf Prozent durch Explorationstätigkeit erfaßt worden sind 51 . Die Suchtätigkeit w i r d künftig aber auch Gebiete einbeziehen, die weit tiefer unter der Meeresoberfläche liegen. So hat ein Kongreßausschuß dem amerikanischen Präsidenten ein 2,5-Milliarden-Dollar-Programm zur Entwicklung von Techniken vorgeschlagen, die eine Förderung i n 600 m Wassertiefe und eine Erforschung des Meeresbodens i n noch größerer Tiefe möglich machen 52 . Über die Kosten der Offshore-Förderung berichtet eine Shell-Studie 53 . So müssen für eine Bohrplattform, die i n 30 m Wassertiefe arbeiten soll, 3,5 Millionen Dollar investiert werden. Eine Anlage für 300 m Wassertiefe kostet hingegen 14,25 Millionen Dollar. Auch die laufenden Arbeitskosten sowie die Pipeline-Investitionen für den Abtransport sind bedeutend höher als bei vergleichbaren Vorkommen auf dem Festland. Die Investitionen für die Entwicklung eines Offshore-Feldes m i t einer Jahreskapazität von 6 Millionen Tonnen Erdöl werden von der Shell m i t 38,8 Millionen Dollar angegeben. Ein vergleichbares Landfeld ist u m mehr als 40 Prozent billiger (22,4 Millionen Dollar). Bei Erdgasvorkommen ist die Diskrepanz noch größer. Ein Feld m i t einer täglichen Ausbeute von rund 23 Millionen m 3 erfordert Offshore-Investitionen i n Höhe von 69,4 Millionen Dollar, auf dem Festland dagegen nur 18,4 Millionen. Aus diesen Zahlenvergleichen folgt, daß ein Feld unter der Meeresoberfläche wesentlich ergiebiger sein muß als ein Festlandsvorkommen, u m als wirtschaftlich verwertbar bezeichnet werden zu können. Der zweite bedeutsame Trend ist die Ausdehnung der Erdölsuche auf weit entlegene Gebiete. Als Beispiel sollen hier die kürzlich erfolgten sensationellen Funde i m Norden Alaskas angeführt werden, die i m Zusammenhang m i t ähnlich bedeutenden Entdeckungen i m nordwestlichen Sibirien folgenden Kommentar eines bekannten ölexperten hervorrie50 Hill/Coqueron in „ H o w the financial Community sees petroleum's next 10 years", OG Int., A p r i l 1967, S. 171, erwarten, daß i n den nächsten 25 Jahren ein Viertel der i n diesem Zeitraum entdeckten Vorkommen unter der Meeresoberfläche liegen w i r d . 51 „Offshore '66", WO, J u l i 1966, S. 113 ff. 52 „Looking Ahead", WO, 1. 2.1969, S. 7. 58 Bericht hierüber i n „Ungeheuer kostspielige Unterwassertätigkeit", PPS, Nr. 1, Januar 1969, S. 28.

I .

E o g e n e Faktoren

151

fen 54 : „Thoughtful men i n the future may look back on 1968 and say, this was an important watershed i n the history of the petroleum industry. I n that year, the industry's center of gravity began to shift from the warm waters of the Arabian and Persian Gulfs towards the cold, inhospitable areas around the Arctic Circle." I n der Tat bietet das Polargebiet alle geologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suchtätigkeit, wenngleich die klimatischen Verhältnisse diese Tätigkeit außerordentlich erschweren 55 . Während der kurzen, hellen Sommerperiode verwandelt sich die Erdoberfläche i n eine Schlammwüste, die ein normales Arbeiten kaum zuläßt. Die Kälte des Winters stellt an Personal, Material und Betriebsstoffe höchste A n sprüche. Das Fehlen jeglicher Infrastruktur i n diesem Gebiet macht es erforderlich, daß das gesamte Material einschließlich der Bohranlagen i m Flugzeug herangeschafft werden muß. Die i n solchen Gebieten benötigten Kapitalmittel sind entsprechend weit höher als i n allen anderen Gebieten; und nur bedeutende Funde können zu einer angemessenen Verzinsung führen. Solche bedeutenden Funde scheinen nun der Esso-Tochter Humble Oil i n Zusammenarbeit mit der Atlantic Richfield Co. und der BP an der Prudhoe-Bay i m Norden Alaskas gelungen zu sein. Erste Schätzungen beziffern die Reserven auf über 1 Milliarde Tonnen. Wie aussichtsreich dieses Gebiet von den Unternehmen eingeschätzt wird, geht aus der Tatsache hervor, daß i m Herbst 1969 über 900 Millionen Dollar für weitere Suchgenehmigungen i m Norden Alaskas gezahlt worden sind. Den Problemen der Suchtätigkeit i n weit abgelegenen, unerschlossenen Gebieten folgt i m Falle eines Fundes das Problem des Abtransports des Erdöls, dessen Lösung erhebliche Investitionen erfordert 56 . So planen die genannten Gesellschaften den Bau einer Pipeline quer durch Alaska zu einem eisfreien Hafen. Die 800 Meilen lange Leitung, die bereits 1972 fertiggestellt sein soll, w i r d Investitionen i n Höhe von 900 Millionen Dollar erfordern. Gleichzeitig wurde noch i m Herbst 1969 die Möglichkeit geprüft, ob für diesen Zweck umgebaute Tanker die kanadische Nordwest-Passage passieren und so das Rohöl auf dem Wasserweg abtransportieren können 57 . 54 John D. Emerson, „Yesterday and Tomorrow", i n : The Petroleum Situation i n December 1968, hrsg. Chase Manhattan Bank, New Y o r k 24.1.1969. 55 Vgl. hierzu Erdöl-Nachrichten, hrsg. Deutsche Shell AG., Nr. 1/69, Januar 1969, S. 5 ff. 56 „ H u n t pushed for arctic tanker route", OGJ, 17. 2.1969, S. 40—43. 57 Erst eine Auswertung der auf der ersten erfolgreichen Fahrt des Tankers „Manhattan" gesammelten Meßdaten u n d vielleicht weitere Versuche werden eine Beantwortung der Frage zulassen, ob der Tankertransport technisch u n d wirtschaftlich möglich ist.

152

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

Wenn abschließend auf die künftige Bedeutung der ölreserven i n Ölschiefer- und Teersändevorkommen eingegangen werden soll, so muß einleitend festgestellt werden, daß die Alaska-Funde die Notwendigkeit, Erdöl aus Ölschiefer und Teersänden zu erzeugen, voraussichtlich u m 5 bis 15 Jahre hinausschieben werden 58 . Für langfristige Überlegungen sind diese Vorkommen aber sehr wichtig, zumal alle größeren Gesellschaften bereits an Versuchsprojekten beteiligt sind, d. h. also schon jetzt für die Zukunft investieren. Über die Größenordnung der Weltvorkommen an Schiefer- und Teersandöl bestehen stark voneinander abweichende Schätzungen, denen allerdings eines gemeinsam ist, daß sie nämlich diese Vorkommen für sehr bedeutend halten. „ O i l shale alone störe two or three times as much potential energy as do the potential oil and gas resources, including secondary recovery 59 ." I n den USA, i n denen rund die Hälfte der gesamten Welt-Schieferölvorräte liegen dürfte, werden die Vorkommen auf 240 Milliarden Tonnen geschätzt; sie wären also fast fünfzigmal so groß wie die derzeit bekannten Erdölreserven 60 . Die Athabaska-Teersände i n Kanada sind ebenfalls bei Betrachtungen über die äußersten Erdölreserven der Welt zu berücksichtigen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der Faktor Geologie, d.h. die voraussichtlichen Erdöl- und Erdgasreserven, auf absehbare Zeit keine Begrenzung für die A k t i v i t ä t der Erdölgesellschaften bedeuten wird. Erdöl ist ausreichend vorhanden, seine Entdeckung w i r d aber wachsende Investitionen erfordern. Die Bedingungen, unter denen eine Ölgesellschaft ihre Ölsuche und -förderung betreiben kann, sowie bis zu einem gewissen Maße die Höhe der von ihr zu tätigenden Investitionen werden von den Konzessionsabkommen 81 bestimmt, die eine Vorbedingung für die Aufnahme der Tätigkeit i n der ölgewinnung sind. Sie sind deshalb ein bestimmendes Element für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Konzessionen werden auf der Basis des i n den Förderländern geltenden Erdölrechts erteilt, i n dem die Rahmenbedingungen für die Konzessionserteilung festgelegt sind. Durch die Tätigkeit der OPEC ist es in58

„Slope seen answer to Output decline", OGJ, 21.1.1968, S. 50. Lewis G. Weeks, a. a. O., S. 32. 60 „Die U S A auf der Suche nach der besten Form der Ölschiefernutzung", PPS, August 1968, S. 287—289; „Recoverable shale oil: 190 b i l l i o n bbl", OGJ, 17.1.1966, S. 41/42. 61 Der Staat, der i n der Regel Eigentümer der unter seinem Staatsgebiet liegenden Bodenschätze ist, t r i t t i n der Konzession sein Recht auf Ausbeute an ein Industrieunternehmen ab, das f ü r diese Rechtsübertragung ein Entgelt zu zahlen hat. Abweichend von dieser Regel ist i n den U S A der jeweilige Grundbesitzer auch Eigentümer der unter seinem G r u n d u n d Boden liegenden Bodenschätze. Auch hier muß das Recht zur Ausbeutung v o n dem Eigentümer gegen Entgelt erworben werden oder die ölgesellschaft e r w i r b t selbst das v o n i h r als aussichtsreich erachtete Grundstück. 59

I .

E o g e n e Faktoren

153

zwischen zu einer weitgehenden Vereinheitlichung des Erdölrechts i n den meisten Förderländern gekommen. Der Verhandlungsspielraum, den das jeweilige Erdölrecht bietet, w i r d von beiden Partnern — ölgesellschaft und Regierung — benutzt, um die optimalen Arbeitsbedingungen bzw. höchstmögliche Staatseinkünfte zu erzielen. Die zunehmend stärker werdende Position der Konzessionsgeber hat dazu geführt, daß bei i n letzter Zeit erteilten Suchrechten die Unternehmen den Regierungen laufend größere Zugeständnisse machen müssen. Der Wettbewerb der Mineralölgesellschaften beginnt bereits bei den Konzessionsverhandlungen. Die größten Aussichten hat die Firma, die den höchsten Preis zu zahlen bereit ist. I h r Angebot legt ihre künftige Investitionspolitik, sofern sie die Konzession erhält, weitgehend fest. Sie muß also bereits klare Unternehmensziele haben, bevor sie ihr Angebot abgibt. Welche Grundbedingungen aus der Sicht einer Gesellschaft erfüllt sein müssen, läßt sich aus einer Veröffentlichung der Shell ablesen 62 : „Die wichtigste Voraussetzung für den Investitionsentscheid einer Gesellschaft muß m i t Rücksicht auf die hohen Aufwendungen die Stabilität der rechtlichen Verhältnisse des betreffenden Landes sein" und „Bei der Suche nach ö l handelt es sich u m einen relativ langsamen Prozeß. Das hat zur Folge, daß i n den Verträgen ein ziemlich langer Zeitraum festgelegt werden sollte." Eine Laufzeit von 30 Jahren w i r d als absolutes M i n i m u m betrachtet, eher sollten 40 Jahre angestrebt werden. Eine vernünftige langfristige Planung ist davon abhängig, daß die ihr zugrunde gelegten Basisannahmen sich während der Planungsperiode nicht grundlegend ändern, da hierdurch die Wirtschaftlichkeit einer Investition gefährdet werden könnte. Daß gerade die wichtigsten Förderländer diese gewünschte Stabilität der Rechtsverhältnisse wegen der politischen und sozialen Unrast i n diesen Gebieten kaum zu bieten vermögen, braucht w o h l kaum erwähnt zu werden. U m so größer ist das Risiko, das m i t jeder Investition i m Gewinnungsbereich verbunden ist. I m einzelnen werden i n den Konzessionsverträgen die folgenden Bedingungen festgelegt 63 : — Vertragstyp: herkömmliche Konzession oder Dienstleistungsvertrag; — Staatsbeteiligung; — Zahlungen, die bei Erteilung der Konzession bzw. bei Erreichung eines bestimmten Fördervolumens zu zahlen sind. Diese Zahlungen haben für die Gesellschaften Investitionscharakter; — Förderzinsen; 82 „ölkonzessionen u n d was dahinter steckt", Erdöl-Nachrichten, hrsg. Deutsche Shell A G , Nr. 10/1965, Oktober 1965, S. 5 ff. 63 Vgl. hierzu „Die Arbeitsbedingungen i m Nahen Osten i n Tabellenform", PPS, März 1969, S. 99—102.

154

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

— Steuern; — Rohölpreise, die als Basis der Besteuerung dienen; — Rohölbezüge, z. B. Übernahme des dem Staat aus seiner Beteiligung zustehenden Rohöls zu besonders vereinbarten Preisen; — Sonderbe Stimmungen; — Laufzeit und mögliche Verlängerungen; — Ausdehnung der Konzession und Rückgabeverpflichtungen. Diese Bestimmungen entscheiden über das Tempo, m i t der ein Konzessionsgebiet erforscht werden muß, damit i m Rückgabezeitpunkt bereits bekannt ist, welches Gebiet aussichtsreich ist und welches nicht; — Arbeitsverpflichtungen, schreiben;

die bestimmte Mindestinvestitionen

vor-

— Erdgasnutzung. Die Fülle der detaillierten Einzelbestimmungen legt die Investitionstätigkeit i m Falle der Konzessionserteilung für einen langen Zeitraum weitgehend fest 64 . I n diesem Zusammenhang soll noch kurz auf die Punkte „Sonderbestimmungen" und „Erdgasnutzung" eingegangen werden, da diese z.T. beträchtliche Investitionsverpflichtungen beinhalten, die m i t der eigentlichen Erdölsuche nichts oder nur wenig zu t u n haben. So enthalten die Sonderbestimmungen vielfach die Verpflichtung der Ölgesellschaft, bestimmte Beträge oder einen festgelegten A n t e i l des Fördergewinns i m Förderlande für andere Zwecke zu investieren, die i n der Regel zur Industrialisierung des betreffenden Landes beitragen sollen. Als Investitionsobjekte werden genannt: der Bau von Raffinerien und petrochemischen Anlagen, landwirtschaftliche Versuchsprojekte, die Errichtung von Schulen, Straßen usw. Die Erdgasnutzung ist eine weitere Forderung, die die Förderländer immer häufiger stellen. Das zwangsläufig m i t der Erdölförderung anfallende Gas kann nur zu einem geringen Teil i n den Förderländern selbst verwertet werden. Aus diesem Grunde wurde und w i r d es bisher, soweit es nicht zur Aufrechterhaltung des Lagerstättendrucks wieder i n die Felder zurückgepumpt wird, abgefackelt. Diese Verschwendung eines wertvollen Energieträgers wollen die Förderländer nicht länger zulassen. Sie verpflichten deshalb i n zunehmendem Maße die Konzessionsgesellschaften, ihnen das Erdgas kostenlos oder zu Selbstkosten für die 64 Über die konkreten Bedingungen neuerer Konzessionen informieren PPS, ebenda, „ W h a t Companies Gave For New L i b y a Concessions", P I W , 4. J u l i 1966, S. 5 ff.; „The new look i n o i l concessionairing", OGJ, 19.8.1968, 5. 38/39 u n d verschiedene OPEC-Veröffentlichungen zu diesem Thema (vgl. Literaturverzeichnis).

I .

E o g e n e Faktoren

155

Industrialisierung des Landes zu überlassen oder aber selbst Industrien aufzubauen, i n denen das Erdgas eingesetzt werden kann, oder Exportmöglichkeiten zu erschließen. Den letzten Weg hat Libyen beschritten, das dabei von seiner geographischen Nähe zu Europa profitiert. Voraussetzung für den Erdgasexport war die technische Lösung des Problems der Gasverflüssigung i n großem Maßstab und des Flüssiggastransports i n Spezialtankern. Die Esso hat i n Libyen 6 5 m i t einem Investitionsaufwand von 350 Millionen Dollar die größte Gasverflüssigungsanlage der Welt errichtet und w i r d ab 1971 erhebliche Erdgasmengen nach Italien und Spanien exportieren. Eine ähnliche Anlage w i r d die Occidental Oil Co. i n Libyen errichten. I n den letzten Jahren haben die Konzessionsbedingungen erhebliche Veränderungen erfahren, deren wichtigste hier kurz aufgeführt werden sollen 66 : — Staatsbeteiligung: Es w i r d heute kaum noch eine Konzession erteilt, die nicht eine Staatsbeteiligung vorsieht, sei es von Anfang an oder erst nach Aufnahme einer kommerziellen Erdölförderung. I n der Regel w i r d eine Beteiligung i n Höhe von 50 °/o angestrebt. Dabei w i r d das Kapital meistens von der Konzessionsgesellschaft vorgeschossen, während das Förderland seinen A n t e i l i m Falle einer erfolgreichen Suche mit Erdöl aus seinem Förderanteil an das Erdölunternehmen zurückzahlt. Das gesamte Risiko einer erfolglosen Exploration tragen fast immer die Gesellschaften. — Vordringen des Kontraktsystems: I n diesen Fällen behält der Staat selber die Schürfrechte und überträgt nur die Durchführung der Such- und Fördertätigkeit einer Erdölgesellschaft i n Form eines Dienstleistungsvertrages. Das Unternehmen hat dabei i n der Regel nicht nur das erforderliche Kapital aufzubringen, sondern das gesamte Risiko der Exploration zu tragen. Sein Entgelt besteht darin, daß es i m Falle einer erfolgreichen Suche eine bestimmte Fördermenge zu Vorzugspreisen übernehmen kann. — Höhere Gewinnbeteiligung: Die ursprüngliche Gewinnteilung i m Verhältnis 50 : 50 zwischen Staat und Fördergesellschaft w i r d durchweg zugunsten des Staates geändert 67 . — Beteiligung an nachgelagerten Funktionen (Verarbeitung/Vertrieb) des Konzessionsnehmers. 65 „Esso's big L i b y a n L N G project near startup", OG Int., August 1968, S. 102. M Die OPEC hat an diesen Veränderungen maßgeblich m i t g e w i r k t . Sie hat i n ihren Publikationen ausführlich zu diesem Thema Stellung genommen. 67 Vgl. viertes Kapitel. Auch aus den älteren Konzessionen erhalten die Förderländer bereits einen Gewinnanteil, der weit über 50 % liegt u n d zudem v o n Jahr zu Jahr steigt.

156

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

— Kürzere Laufzeit: 25 bis 40 Jahre gegenüber bis zu 99 Jahren bei den alten Konzessionen. — Beschränkung der Konzession auf ein kleineres Gebiet i m Gegensatz zu den alten Konzessionen, die oft das Gebiet eines ganzen Staates umfaßten. — Stärkere Beteiligung i m Management. Vor allem den großen internationalen Gesellschaften fällt es schwer, sich auf diese veränderten Bedingungen einzustellen, speziell auf die staatliche Beteiligung und das Mitspracherecht i n der Betriebsführung. Sie befürchten mit einem gewissen Recht, daß diese direkte staatliche Einflußnahme zu politisch motivierten Entscheidungen führen kann, die der Wirtschaftlichkeit nicht dienlich sind, und daß sie sie bei der optimalen Erfüllung ihrer Versorgungsaufgabe behindern kann, die eine freie Disposition über die Verteilung der Rohöle und Produkte voraussetzt. Jeder Staat w i r d aber auf einen maximalen Export seines Rohöls drängen. Unternehmen m i t Staatsbeteiligung, die i n mehreren Ländern tätig sind, werden dadurch i n eine permanente Konfliktsituation versetzt, die ihre unternehmerische Flexibilität drastisch beschneidet. Aus diesen Gründen sind die internationalen Konzerne gegenüber den neuen Konzessionsbedingungen sehr zurückhaltend und bevorzugen beim Neuerwerb von Konzessionen Länder, die nicht auf diesen Bedingungen bestehen. Einen wesentlichen Einfluß auf die Investitionspolitik üben auch die Struktur einer Gesellschaft, d.h. i n der Mineralölindustrie ihr Integrationsgrad, sowie das bereits vorhandene Anlagevermögen aus. So muß ein integriertes Unternehmen bei jeder Investitionsentscheidung prüfen, welche Folgeinvestitionen sich aus dieser Entscheidung für die vor- und nachgelagerten Funktionen ergeben; und die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hat den Gesamteffekt aller Investitionen zu berücksichtigen. Ein Beispiel: baut eine ölgesellschaft eine neue Raffinerie, um einen erhöhten Bedarf zu decken, so muß sie gleichzeitig dafür sorgen, daß die Förder- und Transportkapazitäten entsprechend erweitert werden und das Vertriebssystem die erhöhten Produktmengen den Kunden zuführen kann. Die vorhandenen Anlagen beanspruchen zu ihrer Erhaltung und Modernisierung laufend einen beträchtlichen Teil des zur Verfügung stehenden Kapitals. Sie haben sogar eine gewisse Priorität bei der M i t telzuteilung. „Die Verzinsung des Nettovermögens ist noch nicht zufriedenstellend, und umfangreiche Investitionen sind erforderlich für die fortgesetzte Verbesserung der Rentabilität, die sich bereits abzuzeichnen ginnt 6 8 ." Diese fortgesetzten Investitionen für die Aufrechterhaltung des 88

Shell, Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1967, S. 13.

I .

E o g e n e Faktoren

157

bisherigen Geschäftsumfanges können auch als Sicherungsinvestitionen bezeichnet werden: „ I n both refining and marketing, a certain amount of the sum spent must accordingly be called protective investment, that is to say the investing of a given sum of money to protect an investment consisting of a market share which already existed 69 ." Und diese Investitionen versprechen i n der Regel keinen zusätzlichen Ertrag, „ . . . m u c h of the capital expenditure is to be regarded as defensive and consequentl y does not offer prospects of any great increase i n income. Such expenditure is to be treated as a cost of maintaining the business than a new investment on which added return can be expected" 70 . Der scharfe Wettbewerb innerhalb der Erdölindustrie beinflußt ebenfalls die Investitionspolitik der einzelnen Gesellschaft, die bei ihren Entscheidungen das Verhalten ihrer Konkurrenten zu berücksichtigen hat. Er erfordert Kapital für die Erschließung angemessener Reserven, für laufende Rationalisierungsmaßnahmen, u m die Kosten zu senken, sowie für die Sicherung des Absatzes (Ausbau des Vertriebssystems). Aber auch die Einführung neuer Techniken oder verbesserter Produkte durch Wettbewerber zwingt zu entsprechenden Investitionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung müssen hier besonders erwähnt werden. Die Preise, d.h. die von den Unternehmen zu erwartenden Erlöse, spielen bei Investitionsüberlegungen ebenfalls eine Rolle. So werden die Gesellschaften immer bereit sein, Investitionen zu tätigen, die es ihnen erlauben, Produkte, für die sie auf dem Markt nur einen niedrigen Preis erzielen können (z. B. schweres Heizöl), i n hochwertige Produkte umzuwandeln, solange der erwartete höhere Erlös die hierfür erforderlichen Investitionen rechtfertigt. Voraussetzung für den Bau solcher Anlagen wie z. B. Crackanlagen ist aber eine Schätzung der voraussichtlichen Entwicklung der Produktpreise sowie eine Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen eines Rückzuges aus einem erlösschwachen Geschäft. Es besteht nämlich immer die Gefahr, daß ein anderer Wettbewerber dieses Geschäft übernimmt und i m Rahmen der Kuppelproduktion zusätzlich auch jene Produkte auf den Markt bringt, die höhere Erlöse gewähren. Das zusätzliche Angebot kann aber diese besseren Erlöse i n Gefahr bringen, so daß sich die ursprünglich errechnete Rendite z. B. einer Crackanlage nicht realisieren läßt. Ein besonders weites Feld für ertragreiche Investitionen bieten die Kostensenkungsmöglichkeiten, die sich aus dem Einsatz immer größerer Kapazitätseinheiten und der durch sie bedingten Kostendegression er69 B. A. C. Sweet-Escott, „Financing Problems of Integrated O i l Companies", 4. Arabischer Erdölkongreß, Beirut November 1963, Manuskript, S. 3. 70 Shell, Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1954, S. 22.

158

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

geben. Ermöglicht werden diese Investitionen durch den steigenden Bedarf, der den Einsatz größerer Kapazitäten erlaubt, und den technischen Fortschritt, z.B. i m Schiffsbau; erzwungen werden diese Investitionen durch den Wettbewerb, der es nicht zuläßt, einem Konkurrenten auch nur vorübergehend einen entscheidenden Kostenvorsprung, z. B. beim Tankertransport, zuzubilligen. Veranschaulicht werden soll dieser Faktor „Kostensenkung" an den besonders markanten Beispielen der Größenentwicklung i m Tanker- und Raffineriebau sowie des zunehmenden Einsatzes von Computern und Operations-Research-Methoden zur Optimierung der Versorgungsaufgabe und der Investitionsplanung. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist bei dem Versuch, die langfristigen Angebotskosten für das Erdöl i n den Gemeinschaftsländern zu schätzen, zu dem Ergebnis gekommen, daß i m kommenden Jahrzehnt folgende Kostensenkungen wahrscheinlich sind (in $/t) 7 1 : Tabelle 54 Nordafrika-Rohöl

Mittelost-Rohöl

Seetransport Verarbeitung Vertrieb

0,4 bis 1,3 0,4 bis 0,6 0,5 bis 1,0

0,2 bis 0,8 0,5 bis 0,7 0,5 bis 1,0

Total

1,3 bis 2,9

1,2 bis 2,5

Diese möglichen Kostensenkungen zwischen 1,2 und 2,9 Dollar pro Tonne Erdöl dürften ausreichen, um den erwarteten Anstieg der Förderkosten (primär infolge höherer Steuerbelastung) zumindest teilweise auszugleichen. Die größten Kosteneinsparungen sind i n der Tankerschiffahrt möglich 72 . Folgende Gründe sind dafür ausschlaggebend: — der Trend zu größeren Schiffseinheiten; — sinkende Baukosten je Tonne Tragfähigkeit m i t wachsender Schiffsgröße; — sinkende Betriebskosten; — größere Geschwindigkeit; — verbesserte Lade- und Löscheinrichtungen. 71

„Tendenzen der Weltenergiewirtschaft", S. 131. Z u r Kostendegression der anderen Verkehrsmittel, speziell der Pipelines, siehe M . Hubbard, „The Economics of Transporting O i l to and w i t h i n Europe", London 1967. 72

I .

E o g e n e Faktoren

159

Vor zehn Jahren wurde ein 50 000-DWT-Tanker 78 als „Supertanker" gefeiert, 1969 hat der größte i m Einsatz befindliche Tanker eine Tragfähigkeit von 312 000 Tonnen, und ein 367 000-DWT-Schiff ist i m Bau 7 4 . I n wenigen Jahren dürfte es 500 000-DWT- oder sogar größere Tanker geben, die das Rohöl zu zentralen Umschlagplätzen i n den Verbrauchsregionen transportieren, von denen aus das ö l i n kleineren Schiffen zu den einzelnen Raffinerien gefahren werden wird. Daß gegenwärtig das 200—250 000-DWT-Schiff als optimale Größe angesehen wird, liegt daran, daß man erwartet, dieses Schiff langfristig i n der Ballastfahrt durch den Suezkanal schicken zu können, und daß es i n den Förder- und Konsumländern genügend Häfen geben wird, diese Schiffsriesen aufzunehmen. Der Einsatz noch größerer Tanker setzt den Bau kostspieliger Umschlagseinrichtungen, wie sie Gulf Oil i n der irischen Bantry-Bay errichtet hat, oder aber die Errichtung von Löscheinrichtungen weit vor der Küste voraus, von denen aus das Rohöl durch Pipelines zum Festland gepumpt werden kann. Der Einsatz dieser künftigen Tankergeneration w i r d deshalb zuerst nur den großen internationalen Gesellschaften möglich sein, deren Transportvolumen so groß ist, daß der geringe Vorteil der sich mit wachsender Schiffsgröße stark abflachenden Kostendegression die Bauinvestitionen noch rentabel macht. Wie die Baukosten je Tonne Tragfähigkeit mit wachsender Schiffsgröße sinken, zeigt das folgende Schaubild 75 : Tafel 19 Building cost related to size

Size in dwt (1,000 tons)

Transportation cost related to size

Size in dwt (1,000 tons)

73 D W T - T o n n e n geben die Ladefähigkeit des Schiffes einschl. Treibstoff an. 74 „Die Bedeutung mittelgroßer Tankschiffe, PPS, Februar 1969, S. 59. 75 „Disappearing cost advantages may end rise i n tanker sizes", OG J, 17. 4.1967, S. 185.

160

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

Das Ausmaß der Kostendegression für Tankschiffe bis zu 500 000 DWT zeigt eine von der Shell International Marine Ltd. veröffentlichte Kostenkurve, die für die Fahrt vom Persischen Golf nach Nordwesteuropa typisch ist 7 6 : Tafel 20 How size, route affect cost of tankering crude 2 ) $/t 8. AO 7.00 5.60 A. 20 2.80 1.40 0

18 50 100 150 200 300 Tanker size in thousands dw tons

400

500

Sourcc: Shell International Marin» Ltd.

a) For transporting crude oil from Mena al Ahmadi to Rotterdam

Danach fallen die Kosten bis zu einer Schiffsgröße von 200—250 000 DWT steil ab; bei größeren Schiffen ist der Kostenvorteil nur noch gering. Allerdings liegen noch keine Erfahrungen m i t derart großen Tankern vor, und die Überlegungen verschiedener großer Gesellschaften scheinen darauf hinzudeuten, daß die Kostendegression jenseits der 250 000-DWT-Grenze größer sein dürfte, als sie das Schaubild zeigt. Die Auswirkungen der Kostensenkungen i n der Tankerschiffahrt auf die Gesamtkosten der ölgesellschaften zeigt eine Schätzung 77 für die Shell und BP. Für die Shell werden jährliche Transportkostenersparnisse i n Höhe von 40 Millionen Pfund Sterling, für die BP ab 1972 von 20—25 Millionen Pfund vorhergesagt. Bei konstanten Produktpreisen erhöht eine Frachtkostensenkung u m 10 Prozent den Gewinn u m 17,3 Prozent (bezogen auf den Absatz einer Tonne Kuweit-Rohöl i n Europa) 78 . 76 Veröffentlicht i n „Ceiling on tanker size still debateable", OGJ, 27.5. 1968, S. 64. 77 W. Greenwell & Co., „The O i l Industry-Shell-British Petroleum", L o n don 1968, S. 4 u n d 9. 78 Ebenda, S. 36.

I .

161

E o g e n e Faktoren

Es ist deshalb kein Wunder, daß die internationalen Gesellschaften erhebliche Kapitalbeträge für den Bau dieser großen Schiffe bereitgestellt haben und auch i n Zukunft einsetzen werden. Vor allem Esso und Shell haben große Bauprogramme beschlossen, u m möglichst schnell i n den Genuß der günstigen Frachtkosten zu kommen. M i t ihrem Bauprogramm w i r d die Esso ihre Tankertonnage innerhalb weniger Jahre verdoppeln 79 . Über den Umfang der Baupläne der wichtigsten Gesellschaften informiert die folgende Tabelle 80 : Tabelle 55 Anzahl der Tanker nach Größea) Gesellschaft 150—200 BP Mobil Oil Shell Standard Oil of California Esso Texaco Gulf O i l Unabh. Reeder

3

4 21

200—250

250—300

über 300

4 17 6 4

14 4

58

1

6b)

a) I n 1000 D W T b) Gechartert

Es ist zu erwarten, daß die großen Gesellschaften auch noch einen Teil der von unabhängigen Reedern i n Auftrag gegebenen Tanker unter Charter nehmen werden 81 . I m Raffineriebereich sind die Kostensenkungen weniger dramatisch. Sie sind auch hier weitgehend eine Funktion der Raffineriegröße. Die bereits erwähnte EWG-Untersuchung 82 nennt folgende Verarbeitungskosten i n Relation zur Kapazität ($/t): 79

Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1967, S. 21. Nach Leslie C. Rogers , „ M a m m o t h tankers arrive, head off oil-supply crisis", OGJ, 19. 8.1968, S. 30. 81 Nach „ L a Flotte Mondiale de Tankers au 1er Janvier 1969", Supplément au bulletin analitique pétrolier, Paris 27.1.1969, waren Anfang 1969 insgesamt 162 Tanker über 200 000 D W T i m Bau bzw. i n A u f t r a g gegeben, ferner 44 T a n ker zwischen 150 u n d 199 000 D W T u n d 84 Einheiten zwischen 80 u n d 149 000 DWT. Insgesamt w a r eine Tonnage v o n 56,6 Millionen D W T = 46 Prozent des Bestandes i m Bau bzw. geordert. 80

82

a. a. O., S. 123.

11 Eich

162

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten Tabelle 56 Raffineriegröße 2 Mio. 4 Mio. 6 Mio. 8 Mio.

t/Jahr t/Jahr t/Jahr t/Jahr

Mittelost-Rohöl

Nordafrika-Rohöl

4,5 3,5 3,0 2,7

5,2 4,2 3,6 3,2

Eine Untersuchung der Shell 8 3 bestätigt diese Zahlen. Danach sind die Verarbeitungskosten einer 5-Mio.-t/Jahr-Raffinerie nur noch gut halb so hoch wie die einer Anlage mit einer Jahreskapazität von 1 M i l l i o n Tonnen. So ist es der Shell i n 10 Jahren gelungen, ihre Verarbeitungskosten je Tonne Rohöl u m 32 °/o zu senken — nicht zuletzt dank eines konsequent verfolgten Konzepts, große Raffinerien zu bauen bzw. an Stelle neuer Raffinerien bestehende zu vergrößern. Der Trend zu wachsenden Raffineriegrößen zeigt, daß auch auf diesem Sektor der Wettbewerb die Gesellschaften zwingt, das vorhandene Kostensenkungspotential zu nutzen. I n der Literatur praktisch gar nicht erwähnt werden bisher die Investitionen, die die Ölindustrie für die Anschaffung (oder Anmietung) von elektronischen Rechenanlagen und die Entwicklung von OperationsResearch-Methoden und Programmen tätigt 8 4 . Lediglich die BP, die auf diesem Sektor eine führende Rolle spielt, berichtet i n ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 196785 über ihre A k t i v i tät: „Progress continúes to be made i n the use of Computers. Substantial improvements have been made to speed up the Computing of short and medium term refinery and supply Operations. New methods have deviced and are now i n operation for dealing w i t h longer term problems, including a procedure for calculating the economics of alternative marketing plans." Obwohl wenig darüber veröffentlicht wird, ist es i n Fachkreisen kein Geheimnis, daß alle großen Gesellschaften auf dem Computersektor sehr aktiv sind. Dabei werden Operations-Research-Methoden neben der laufenden Betriebsplanung zunehmend für die Investitions- und Finanzplanung sowie zur Entwicklung von Unternehmensstrategien eingesetzt. Naturgemäß ist der wirtschaftliche Nutzen des Einsatzes solcher Methoden schwer exakt zu bestimmen. Es dürfte aber nicht übertrieben sein zu 83 „Shell reveáis refining economics", OG I n t . Vol. 8, No. 6, J u n i 1968, S. 67—71. 84 Obwohl es sich hierbei buchungstechnisch u m laufende Ausgaben handelt, sollten diese Ausgaben eher als Investitionen betrachtet werden, die einen langfristigen Ertrag abwerfen. 85 S. 38.

I V . Endogene Faktoren

163

behaupten, daß er bereits erheblich zu den Gewinnen beiträgt und dies i n Zukunft noch i n verstärktem Maße tun wird. 3. Kapitalverfügbarkeit

Daß die Kapitalverfügbarkeit i n positivem wie i n negativem Sinne die Investitionsentscheidungen beeinflußt, bedarf eigentlich nicht der Erwähnung. Für die Mineralölgesellschaften gilt dies aber i n besonderem Maße, da ihnen aus den Abschreibungen früherer Investitionen und aus den laufenden Gewinnen ständig so große Finanzmittel zufließen, daß sie ihre Investitionspläne überwiegend aus eigenen M i t t e l n finanzieren können. Edith Penrose hat die Selbstfinanzierungsquote und die Dividendenausschüttung der internationalen Unternehmen über einen längeren Zeitraum untersucht und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen 86 : Tabelle 57 Firma Esso Shell BP Gulf Oil Texaco Standard Oil of California Mobil Oil

Selbstfinanzierungsquote i n °/o

Dividenden i n °/o des Nettoeinkommens

93 95 86 87 99

37 19 20 23 29

91 91

29 25

Die Zahlen zeigen, daß speziell Esso und Texaco trotz ihrer hohen Selbstfinanzierungsquote noch beträchtliche Dividenden ausschütten konnten. Kapitalverfügbarkeit bedeutet für diese Gesellschaften deshalb keine Beschränkung ihrer Investitionspläne, sondern eher einen Anreiz, nach zusätzlichen, attraktiven Anlagemöglichkeiten zu suchen. Die BP, die vergleichsweise die schlechteste Position innehat, stellt folgerichtig i n ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 196787 fest: „ W i t h the high cost of borrowing and the need to conserve our financial resources i t w i l l be increasingly necessary to restrict ourselves to those projects which promise a return commensurate w i t h the risks involved." Hingegen berichtet die Shell 8 8 : „Die starke finanzielle Position der Gruppe 86 Edith T. Penrose , „The Large International F i r m i n Developing Countries—The International Petroleum Industry", London 1968, K a p i t e l I V ; als Nettoeinkommen versteht Prof. Penrose den Reingewinn zuzüglich A b schreibungen, d. h. den net cash-flow der Firmen. 87 S.8. 88 Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1963, S. 37.

11*

164

3. Teil, 9. Kap.: Die Investitionsdeterminanten

gibt ihnen (d. h. den Gruppengesellschaften) vollauf die Gewähr, daß sie die sich ihnen bietenden (Investitions-)Möglichkeiten nutzen können." Die finanzielle Position zumindest der großen Konzerne läßt die Aussage zu, daß ihre Investitionspläne auf absehbare Zeit nicht durch Kapitalmangel begrenzt sein werden, obwohl langfristig ein gewisser Anstieg der Fremdfinanzierung wahrscheinlich ist.

4. Forschung und Entwicklung

Die Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, für die auch i n der Erdölindustrie von Jahr zu Jahr steigende M i t t e l eingesetzt werden 89 , können beträchtliche Investitionen auslösen. I n der Mineralölindustrie konzentrieren sich Forschung und Entwicklung auf die Bereiche Förderung, Verarbeitung und Verwendung. Neue Förder- und Verarbeitungstechniken sollen Kosten senken bzw. bessere Ergebnisse aus dem eingesetzten Kapital ermöglichen. Auf der Anwendungsseite geht es darum, bestehende Produkte laufend zu verbessern, neue Verwendungsmöglichkeiten für sie zu entwickeln bzw. überhaupt neue Produkte aus dem Rohöl zu gewinnen. Ein Zehnjahresrückblick der Esso stellt fest, daß jeder für die Forschung ausgegebene Dollar siebenfachen Ertrag gebracht hat 9 0 , gibt aber nicht an, welche Investitionen durch i h n ausgelöst worden sind.

V. Beeinflußbarkeit der Faktoren Für Investitionsüberlegungen und speziell für die Risikobeurteilung sowie für die daraus abgeleitete Mindestrentabilität, die von einer Investition erwartet wird, ist es wichtig, ob der bestimmende bzw. beeinflussende Faktor durch das Unternehmen beeinflußt werden kann oder nicht. Je größer die mögliche Einflußnahme, desto geringer das Risiko und desto wahrscheinlicher die Realisierung einer erwarteten Rentabilität. A u f der folgenden Tafel w i r d versucht, die einzelnen Faktoren nach dem Grad ihrer Beeinflußbarkeit durch das Unternehmen zu gruppieren:

89 Esso u n d Shell 1968 jeweils über 100 Millionen Dollar. Über A r t u n d Umfang der Shell-Forschung informiert ein Interview m i t Lord Rothschild, dem Group Research Coordinator, i n : Shell-Magazine, 4/68, S. 89—95. 90 M . J. Rathbone, Nr. 2,1960.

„ W h a t Research Means to Jersey", The Lamp, Vol. 42,

165

V. Beeinflußbarkeit der Faktoren Tafel 21 Faktoren Z u beeinflussen exogen

endogen

stark

Verwendungen v o r handener Resourcen

Unternehmensstruktur, Kosten, Kapitalverfügbarkeit, Forschung/Entwicklung

mäßig

Wettbewerb der Energieträger, Erdöl- u n d Energiepolitik

Nachfrage-Qualität, Konzessionen, Wettbewerb, Reserven

kaum

Allgemeine Wirtschaftspolitik

Nachfrage-Volumen, Nachfrage-Struktur, Preise

nicht

Wirtschaftliche E n t w i c k lung, Energiebedarf, Investitionsklima, Technischer Fortschritt, Kapitalmarkt, Kriege u n d Krisen

Geologie (Vorkommen)

Aus dieser Ubersicht soll der Schluß gezogen werden, daß die Erdölgesellschaften die kaum oder gar nicht zu beeinflussenden Faktoren bei ihren Investitionsplanungen als Datenkranz zu unterstellen haben, während die stark bzw. mäßig zu beeinflussenden ihre eigentlichen Entscheidungsvariablen darstellen. Das Schwergewicht ihrer Überlegungen w i r d immer bei den zuletzt genannten liegen, während sie darauf achten müssen, den möglichen negativen Einfluß des Datenkranzes zu minimieren bzw. die durch ihn gegebenen Chancen maximal zu nutzen.

Zehntes

Kapitel

Investitionspolilik und ihre Durchführung Eine entscheidende, nicht delegierbare Aufgabe der Unternehmensleitung ist die Festlegung der Investitionspolitik der Gesellschaft. Die großen Mineralölunternehmen, deren größte sich einem jährlichen Investitionsvolumen von 2 Milliarden Dollar nähern, sind gezwungen, streng rationale Formen und Methoden für die Lösung dieser Aufgabe zu entwickeln. Nur so ist es ihnen möglich, eine Übersicht über die Fülle der Daten, die bei jeder einzelnen Entscheidung berücksichtigt werden müssen, sowie über die Vielzahl der einzelnen Programme und Projekte zu behalten, die erforderlich ist, um optimale Entscheidungen unter dem Aspekt des Gesamtunternehmensinteresses treffen zu können. Die Bedeutung der verschiedenen Hilfsfunktionen für die Entscheidungsvorbereitung (Planung, Informationssammlung und Ausarbeitung von Basisannahmen) ist i m vorhergehenden Kapitel dargestellt worden. Das Zusammenspiel von Unternehmenszentrale und Betriebsgesellschaften w i r d noch zu untersuchen sein 1 . Die Arbeitsteilung i n der Planung, Festlegung und Durchführung der Investitionspolitik w i r k t sich nämlich auch i n der Organisation des Gesamtunternehmens aus. Es steht außer Frage, daß die Formalisierung des Verfahrens der Vorbereitung, Entscheidung und Ausführung von Investitionsplänen die Entscheidungsflexibilität der großen Unternehmen i m Vergleich zu kleineren Gesellschaften oder von Einzelunternehmern geleiteten Firmen einschränkt. Auch ist die Reaktionszeit für sich plötzlich bietende Chancen sowie für die Anpassung an sich ändernde Umweltsbedingungen länger. A l l e i n der Vorteil, durch eine bessere Planung besser fundierte Entscheidungen treffen zu können, gleicht den Nachteil geringerer Beweglichkeit weitgehend aus. Vor allem sind die großen internationalen Gesellschaften aufgrund ihres Informationsniveaus i n der Lage, das Risiko ihrer Entscheidungen zu minimieren. Es ist zu fragen, ob Großunternehmen einem sicheren Vorteil bei minimiertem Risiko nicht generell den Vorzug geben gegenüber einem möglichen Gewinnmaximum bei nicht übersehbaren Risiken. 1

Vgl. elftes Kapitel

167

I. Ziel u n d Maßnahme

I. Ziel und Maßnahme Basierend auf der Kenntnis der ihre Investitionstätigkeit bestimmenden bzw. beeinflussenden Faktoren (Lage-Analyse) ist es Aufgabe der Unternehmensleitung, dem Unternehmen Ziele zu setzen, Maßnahmen zu beschließen, die zur Erreichung der Ziele führen sollen, und zu kontrollieren, ob die ausgeführten Maßnahmen wirklich den erwarteten Erfolg gebracht haben oder nicht. Schematisch dargestellt, ergibt sich folgender Arbeitsablauf: Tafel 22 Aufgabe/Entscheidung

Phase

Fragestellung

Lage

Welche U m w e l t - F a k t o r e n beeinflussen das U n t e r nehmen? Uber welche Resourcen verfügt es?

Analyse, Basisdaten

Was soll das Unternehmen i n der Z u k u n f t tun?

Zielsetzung

Was muß getan werden, u m die Ziele zu erreichen?

Investitionspolitik

Wann, w o u n d w o f ü r muß wieviel investiert werden?

Investitionsplan

Wie werden die Investitionspläne ausgeführt?

Bewertung der Projekte,

Ziel Maßnahme I. II. III.

Rangfolge der Projekte, Programme, Kapitalbudget = Mittelfreigabe IV.

Haben die Investitionen i h r Ziel erreicht?

Kontrolle

Die wesentlichen Aufgaben der Unternehmensleitung bestehen i n der — Zielsetzung, — Annahme der Investitionspläne (Prüfung, ob sie m i t den Zielen übereinstimmen), — Genehmigung des Kapitalbudgets (Mittelfreigabe) und — Kontrolle. Die übrigen Tätigkeiten werden Betriebsgesellschaften übertragen.

den Planungsstäben und

den

168

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

Angesichts der Bedeutung der Investitionen für die kapitalintensive Mineralölindustrie ist es verständlich, daß sich die Vorstände der großen Konzerne fast ausschließlich auf diese Aufgaben konzentrieren und alle übrigen Funktionen nach Möglichkeit auf die Betriebsgesellschaften, auch organisatorisch, übertragen. I I . Setzung der Unternehmensziele Der Fortbestand und das Wachstum eines Unternehmens hängen i n entscheidendem Maße davon ab, daß es der Firmenleitung gelingt, dem Unternehmen die richtigen Ziele zu setzen. Dazu gehört vor allem, daß die Möglichkeiten des Marktes zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit erkannt und die personellen und sachlichen Mittel des Unternehmens zu ihrer Nutzung eingesetzt werden. Das Wachstum eines Unternehmens oder auch eines Industriezweiges ist nie ein naturnotwendiger Vorgang, sondern immer das Ergebnis aktiven Handelns, d. h. des Erkennens und Nutzens von Chancen. „ I n truth, there is no such thing as a growth i n d u s t r y . . . There are only companies organized and operated to create and capitalize on growth opportunities 2 ." Dabei können sich die modernen Großunternehmen nicht mehr auf die Imagination oder glücklichen Ideen ihrer leitenden Angestellten verlassen. Das Erkennen von Wachstumschancen ist ebenfalls eine komplizierte, m i t wissenschaftlichen Methoden betriebene Aufgabe geworden, die Gesamtunternehmensplanung. „The objective of this work is to provide management w i t h whatever i t is its needs to select the course . . . of action that . . . offer the best future for the company. The corporate planner collects the facts, evaluates the possible outcomes, tries to assess the probabilities, and keeps track of the results. Management makes the decisions and bears the responsibility for those decisions 3 ." U m keine gute Chance auszulassen, muß die Unternehmensplanung folglich die gesamte Volkswirtschaft i n ihre Überlegungen einbeziehen. Als Hauptziel von Großunternehmen m i t einer anonymen Masse von Anteilseignern können heute wohl ein stetiges Wachstum der Firma und die Erwirtschaftung eines ausreichenden Gewinns zur Finanzierung dieses Wachstums angesehen werden. „ A secure level of earnings and a maximum rate of growth consistent w i t h the provision of revenues for the requisite investment are the prime goals.. . 4 ." Die Sicherung des 2 Theodore Levitt , „ M a r k e t i n g Myopia", i n : H a r v a r d Business Review, Juli—August 1960, S. 47. 3 4

Claude S. Brinegar , „Corporate Planning", OGJ, 23.12.1963, S. 44.

John Kenneth Galbraith, „The New Industrial 2. Aufl., S. 176; auch E d i t h Penrose, a. a. O., S. 9.

State", London

1967,

I I . Setzung der Unternehmensziele

169

Unternehmens und der hierfür benötigten Finanzmittel steht i m Vordergrund, nicht die Erzielung eines maximalen Gewinns für den A k t i o när. Dieser hat weder auf das Entstehen noch auf die Verwendung des Gewinns einen Einfluß. Da die Investitionen weitgehend aus einbehaltenen Gewinnen — und nur i n der Ausnahme aus Kapitalerhöhungen — finanziert werden, trägt der Aktionär materiell auch nichts zum Wachstum des Unternehmens bei. Es ist vielmehr die Masse der Konsumenten, die dem Unternehmen über den Preis die benötigten Finanzmittel zur Verfügung stellt. Und so ist es nicht verwunderlich, daß sich die Unternehmen mehr u m die Gunst ihrer Kunden als um die ihrer Aktionäre bemühen 5 . Über das Risiko des Aktionärs entscheidet die Aktienbörse, und die Unternehmen helfen m i t ihrer Dividendenpolitik dabei, es nach Möglichkeit gering zu halten. Auch dabei haben sie mehr ihr Ansehen in der Öffentlichkeit i m Auge als das Wohlergehen des Anteileigners. Bei der Verfolgung der Hauptziele lassen sich die Unternehmen zumeist von zwei Motiven leiten: Sicherheit und Unabhängigkeit. Der Sicherheit dient der formalisierte Ablauf der Entscheidungsvorbereitung und -findung. Er soll Risiken nach Möglichkeit ausschließen. Die E r w i r t schaftung der zum Wachstum benötigten Finanzmittel soll die Unabhängigkeit der Unternehmensleitung wahren. Die Rücksichtnahme auf Kapitalgeber, die über seine Verwendung mitentscheiden wollen, ist höchst unerwünscht. Der Sicherheit des Unternehmens, d. h. der Risikoverminderung, gilt auch die Tendenz der meisten Großunternehmen, ihre Tätigkeit auf verschiedene Bereiche auszudehnen6. Eine Unternehmensleitung muß sich bei dem Versuch, der Gesellschaft Ziele zu setzen, eine Reihe von Fragen beantworten, bevor sie einen Entschluß fassen kann, der zudem laufend an sich verändernde Umweltsbedingungen angepaßt werden muß 7 . Die wichtigsten dieser Fragen sind: — I n welchem Wirtschaftsbereich soll das Unternehmen arbeiten? I n seinem gegenwärtigen? Soll es seine Tätigkeit horizontal und/oder vertikal ausweiten? Soll es andere Wirtschaftsbereiche einbeziehen? — I n welchen Gebieten soll die Gesellschaft tätig sein? I m Heimatland des Unternehmens? I n einigen anderen Ländern? Weltweit 8 ? 5 Darüber dürfen auch nicht die aufwendigen Hauptversammlungen h i n wegtäuschen, die weitgehend zu einem Zeremoniell erstarrt sind, das der Pflege des Firmen-Image dient. 6 Vgl. Galbraith, a. a. O., S. 27. 7 Z u m folgenden vgl. Brinegar, a. a. O., S. 45 u n d Levitt, a. a. O. 8 M i t Ausnahme des Ostblocks u n d jener Länder m i t staatlichen Erdölmonopolen, die eine Tätigkeit ausländischer Unternehmen auf ihrem Hoheitsgebiet nicht zulassen.

170

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

— Welche finanziellen Ergebnisse erwartet die Gesellschaft von ihren Investitionen? Welches ist die gerade noch zu akzeptierende M i n destrentabilität? Müssen diese Ziele nach Wirtschaftszweigen, Regionen und Risiken variiert werden? — Wie soll das Unternehmen seine Ziele erreichen? Durch inneres Wachstum des bestehenden Unternehmens, durch Gründung von Tochtergesellschaften oder durch Erwerbungen und Fusionen? — Von welchen Tätigkeitsgebieten sollte sich die Gesellschaft trennen, weil sie nicht mehr m i t den Zielen übereinstimmen 9 ? — Welches Maß an Unabhängigkeit w i l l sich das Unternehmen erhalten? Soll der Alleingang bevorzugt werden oder kommen auch Gemeinschaftsgründungen mit anderen Unternehmen i n Frage? — Soll sich die Expansion i m Rahmen der internen finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens halten oder soll die Kapitalbasis verbreitert werden? — Welches Gewicht soll der Forschung und Entwicklung beigemessen werden? I n der Mineralölindustrie bietet sich den Konzernleitungen eine Vielzahl von Optionsmöglichkeiten, aus denen jedes Unternehmen seine eigene Auswahl treffen muß. Aus der Sicht einer einzelnen Erdölgesellschaft stellt sich der oben skizzierte Fragenkatalog etwa wie folgt dar: a) Tätigkeitsbereich Soll das Unternehmen sich auf sein gegenwärtiges Arbeitsgebiet (z. B. Förderung) beschränken oder soll es i n weitere Stufen vordringen (Integration)? Soll das Erdölgeschäft der alleinige Firmenzweck bleiben = Produkt-Orientierung 1 0 ? Oder soll die Unternehmensaufgabe extensiver ausgelegt werden, d. h. soll sich eine ölgesellschaft i n erster Linie als Erdölprodukte verkaufendes oder als Energie anbietendes Unternehmen verstehen = Verbraucher-Orientierung? Oder soll sie ihre Tätigkeit auch auf andere W i r t schaftszweige ausdehnen, um ein größtmögliches Wachstum zu erreichen = Unternehmens-/Kapital-Orientierung? b) Tätigkeitsgebiet Soll die Gesellschaft nur i m eigenen Land tätig sein oder ihren W i r kungsbereich auf andere Länder ausdehnen? Hier ergeben sich bereits die ersten Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Grundfragen. 9 Dieser Frage w i r d meistens zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl das Festhalten an überkommenen Geschäftsbereichen leicht wachstumshemmend w i r k e n kann. 10 Vgl. hierzu auch Levitt, a. a. O.

I I . Setzung der Unternehmensziele

171

Hat sich nämlich eine Gesellschaft dafür entschieden, ihre Tätigkeit auf die Erdölsuche auszudehnen (Integration), so muß sie i n der Regel auch bereit sein, i m Ausland tätig zu werden, wenn z. B. nur dort Aussicht auf ölfunde besteht. c)

Rentabilitätserwartungen

Soll sich die Gesellschaft einen eigenen Maßstab setzen mit Bezug auf ihre Finanzierungskosten oder soll sie z. B. den Durchschnitt der Erdölindustrie anstreben, da nur so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden kann? Soll sie ihre Erwartungen nach Funktionen und Regionen differenzieren? So ist z. B. die Erdölsuche m i t größeren Risiken behaftet als der Bau eines Tankschiffes, und eine Investition i n Westeuropa dürfte anders zu betrachten sein als eine i n einem politisch seh* unstabilen Gebiet wie z. B. i m Mittleren Osten. Unglücklicherweise sind i n solchen Gebieten die Fundaussichten am größten, so daß sich das Risiko verdoppelt. d) Durchsetzung

der Ziele

Soll das Unternehmen seine Tätigkeit über 100°/oige Tochtergesellschaften ausüben, was gerade von vielen großen Erdölgesellschaften bevorzugt wird, oder sollen auch Gemeinschaftsgründungen akzeptiert werden, wie sie vor allem bei der Erdölsuche und -förderung sowie bei dem Bau großer Erdölleitungen häufig vorkommen? Welche Vorteile muß ein solches „joint venture" bieten, u m die Teilung der Verfügungsgewalt attraktiv zu machen? Ebenso bieten sich verschiedene Optionen auf dem Gebiet der Finanzierung sowie der Forschung und Entwicklung an. Die Praxis zeigt, daß vor allem die großen internationalen Gesellschaften, die primär am Wachstum interessiert sind, sich möglichst viele Optionen offenhalten und deshalb bei der Beantwortung der einzelnen Fragen sehr beweglich sind. Typisch hierfür ist die Äußerung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der größten Erdölgesellschaft, der Standard Oil Co. of New Jersey: „Normally . . . growth stems from certain basic procedures: increased output of tradional product lines; research and development programs; diversification; or acquisition or merger 11 ." I m folgenden soll untersucht werden, wie die Mineralölgesellschaften ihre Zielentscheidungen treffen, wobei der Erdölsektor und der Diversifikationsbereich (andere Wirtschaftszweige) getrennt behandelt werden. 11

(1968).

Michael

L. Haider,

„ A Pattern for G r o w t h " , The Lamp, Vol. 50 No. 1

172

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung 1. Zielsetzung Erdölbereich

Ein Schaubild soll einleitend einen Überblick über die Optionsmöglichkeiten i n diesem primären Arbeitsbereich der Erdölgesellschaften geben: Tafel 23

Zweifellos eines der wichtigsten Ziele, das sich ein Unternehmen zu setzen hat, ist der gewünschte Marktanteil. Dieses Ziel, das unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Marktsituation, der voraussichtlichen Entwicklung des Wettbewerbs und einer realistischen Einschätzung des eigenen Potentials festgelegt werden muß, bestimmt bereits i n erheblichem Ausmaß die zukünftige Investitionstätigkeit. Dabei kann das

I I . Setzung der Unternehmensziele

173

Marktanteilsziel, das sich auf den Gesamt-Mineralölmarkt bezieht, für die einzelnen aus dem Rohöl gewonnenen Produkte sehr unterschiedlich sein. Allerdings ist auch hier auf die Kuppelproduktion und die technischen Möglichkeiten der Ausbeutevariation sowie deren Kosten Rücksicht zu nehmen. Gerade die Großunternehmen der Branche sind sehr marktanteilsbewußt und bereit, ihre finanzielle K r a f t dafür einzusetzen, ein gesetztes Ziel auch zu erreichen, wie die folgenden Erklärungen der beiden größten Erdölgesellschaften beweisen: „Düring 1967 the company demonstrates its confidence i n the future by pursuing an investment program geared to ensure its f u l l participation i n an anticipated 5V2 per cent yearly growth i n free world oil demand over the next decade and an anticipated 6V2 per cent annual growth i n demand for natural gas 12 ", und „ I n order to ensure our participation i n this anticipated growth, Jersey continued an aggressive investment program 1 3 ." Diese erklärte Absicht, zumindest die gegenwärtige Marktposition zu behaupten, wobei die Gesellschaften ihr eigenes Verhalten besonders gern als „aggressiv" bezeichnen, obwohl angesichts des wachsenden Wettbewerbsdrucks die Bezeichnung „defensiv" richtiger wäre, findet sich auch i n den Geschäftsberichten der Shell, der zweitgrößten Erdölgesellschaft, wieder „ . . . die Erhöhung der Ausgaben für die Vertriebsseite von £ 78 Millionen i m Jahre 1963 auf £ 103 Millionen i m Berichtsjahr spiegelt unmittelbar die Entschlossenheit wider, an den wachsenden Absatzmärkten der Zukunft teilzuhaben" 14 und „Die Gruppe hofft, sich bei diesem zukünftigen Wachstum einen A n t e i l zu sichern, der ihren derzeitigen Leistungen entspricht" 15 . Auch die wiederholte Betonung einer Versorgungspflicht, die die großen Gesellschaften hätten, geht von der Behauptung ihrer Marktanteile aus; für wen sollten sie sonst eine Versorgungspflicht empfinden? „The large oil companies . . . have the job of supplying oil consumers and cannot permit themselves to operate only i n the obviously favourable sectors 16 ." Die Neigung zur vertikalen Konzentration, d. h. zur Integration der verschiedenen Stufen i n einem Unternehmen, scheint der Mineralölindustrie immanent zu sein. Dabei soll i n dieser Arbeit keine A n t w o r t auf die Frage gegeben werden, ob diese Integration eine Notwendigkeit sei, die sich aus den Besonderheiten der Mineralölindustrie ergebe, oder ob sich der hohe Integrationsgrad aus der historischen Entwicklung dieses Industriezweiges erklären lasse, aber keineswegs zwangsläufig sei 17 . 12 13 14 15 16

Esso-Geschäftsbericht f ü r das J a h r 1967, S. 21. Esso-Geschäftsbericht f ü r das J a h r 1966, S. 4. Geschäftsbericht f ü r das J a h r 1964, S. 14. Geschäftsbericht f ü r das J a h r 1958, S. 12. D e r ehemalige S h e l l - D i r e k t o r L . Schepers, „ T h e O i l I n d u s t r y T o d a y " ,

1960. 17

Eine K l ä r u n g dieser interessanten Frage w ü r d e den Rahmen der v o r -

1 7 4 3 .

Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

Tatsache ist aber, daß sich gegenwärtig rund 70 Prozent des Welterdölgeschäftes i n der Hand von voll-integrierten Unternehmen befinden, und daß dieser hohe Integrationsgrad tendenziell eher noch zunimmt, wofür vor allem jene Gesellschaften ursächlich sind, die große Erdölfunde getätigt haben und jetzt i n die der Förderung nachgelagerten Stufen vordringen, um dem Erdöl einen gesicherten Absatz zu schaffen 18. Die Vorteile, die eine Entscheidung für die Integration mit sich bringt, sind auch nicht von der Hand zu weisen. Es sollen nur die folgenden genannt sein 19 : — Koordinierte Investitionsplanung aller Teilfunktionen; — optimale Kapazitätsnutzung; — Vorteile i m Versorgungssystem; — Eliminierung von Zwischenkosten; — kontinuierliche Forschung/Entwicklung aufgrund stabiler Gewinne; — besseres Informationsniveau; — Minimierung von Investitionsrisiken; — Absicherung märkten;

gegen

Preisschwankungen

auf

den

Beschaffungs-

— gleichmäßigere Gewinne. Die integrierten Unternehmen „obtain the benefits of large scale operations and, by having control of all phases of industry from producing of the crude oil right down to the sale of the final product, they are able to ensure the maximum use of their equipment at every stage and to plan their capital expenditure w i t h the knowledge that there w i l l be no bottleneck i n their supply line" 2 0 . Daß durch optimalen Kapitaleinsatz und optimale Nutzung der vorhandenen Anlagen auch die Kosten niedrig gehalten werden können, ist ein weiterer Vorzug der Integration. Daß die internationalen ölgesellschaften bemüht sind, nach Möglichkeit ein Gleichgewicht zwischen den einzelnen Funktionen herzustellen, i n denen sie tätig sind, beweist die Tatsache, daß ihre Anteile an der Förderung und Verarbeitung sowie am Absatz sich weitgehend parallel liegenden Arbeit sprengen. Es muß deshalb auf die umfangreiche L i t e r a t u r zu diesem Thema verwiesen werden, speziell auf die folgenden Standardwerke: McLean/ Haigh, „The G r o w t h of Integrated Oil Companies", de Chazeau/ Kahn, „Integration and Competition i n the Petroleum Industry", sowie Edith Penrose, a. a. O. 18 Shell International, „Current International Oil Pricing Problems", PIW, Supplement, 2. 9.1963, S. 8. 19 I n Anlehnung an McLean/Haigh, a. a. O., Kapitel X I u n d X V I I . 20 Lord Strathalmond, „The Petroleum Industry", National Provincial Bank Review, No. 36, London November 1956, S. 3.

I I . Setzung der Unternehmensziele

175

entwickelt haben 21 . Dies ist auch ihre erklärte Absicht: „The inherent vertical integration of the petroleum industry requires incessant effort on the part of any major company to balance the development of the various segments of its business 22 ." Die historische Entwicklung hat dazu geführt, daß der Integrationsgrad der einzelnen Unternehmen sehr unterschiedlich und zudem fortgesetzten Wandlungen unterworfen ist. So verfügen einige Unternehmen über notorische Rohölüberschüsse (BP und Gulf Oil), die sie teilweise aufgrund langfristiger Kontrakte an andere Gesellschaften (Shell, Esso, Mobil Oil) abgeben, während andere trotz aufwendiger Suchbemühungen weniger Erdöl fördern, als sie i n ihren Raffinerien verarbeiten (Shell, Mobil Oil, ENI). Abgesehen von den Gesellschaften, die neuerdings große Erdölfunde gemacht haben und sich deshalb „vorwärts" integrieren, d. h. ihre Tätigkeit auf den Verarbeitungs- und Absatzbereich ausdehnen, gilt das besondere Integrationsinteresse aller Unternehmen der Förderstufe. Dabei scheint das Streben nach Sicherung der Rohstoffversorgung keine besondere Eigenart der Mineralölindustrie zu sein: „To have control of supply — to rely not on the market but on its own sources of supply — is an elementary safeguard 23 ." Auch Edith Penrose 24 bestätigt, daß es den Unternehmen bei der Erdölsuche nicht nur um kostengünstige Rohstoffquellen, sondern mehr noch um die Kontrolle über eine gesicherte Versorgung sowie um die Flexibilität der internen Planung geht. Daß der Kostenaspekt aber nicht unbedeutend ist, bestätigt die Standard Oil Co. of California 2 5 : „The most profitable way to operate an oil company... is to discover and refine our own crude oil, rather than to buy i t on the open market 2 8 ." Daß die Mineralölindustrie i n ihrer Gesamtheit dieser Maxime folgt, beweist die Erfolgsstatistik ihrer Investitionen (Tabelle 58). Danach haben die bedeutendsten Erdölgesellschaften ihre Rohölversorgung aus eigenen Quellen i m Zeitraum von 1957 bis 1967 von 84,1 auf 95,1 Prozent ihres Raffinerieeinsatzes erhöhen können, wobei das Ergebnis für die einzelnen Gesellschaften allerdings höchst unterschiedlich ist. Obwohl Edith Penrose i n ihren zitierten Werken einen Rückgang der Bedeutung eigener Rohölquellen nachzuweisen versucht, sind die mei21

Vgl. das dritte Kapitel. Gulf Oil, Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1955, S. 4. 23 J. K . Galbraith, a. a. O., S. 28. 24 a.a.O.,S. 14. 25 Erklärung auf der Hauptversammlung der Gesellschaft am 2. M a i 1963. 26 Vgl. M. Albert, G. Brondel, G. Ascari, „Die Finanzlage der Mineralölgesellschaften der Europäischen Gemeinschaft", Brüssel 5.2.1968, S. 1 die Rentabilität der Unternehmen von ihren Rohölversorgungsbedingungen . . . abhängt", ferner: D. Eugene Norris, „Crude Oil and Profits— There's a Relationship", P I W , 3. 5.1965, S. 6/7. 22

°/o t—— 1957

a) In thousand barrels daily, t Production as percent of runs. Source: First National City Bank, New York

Five largest U.S. Internationals Jersey Standard 2,112 3,823 2,416 4,437 87.4 86.2 Gulf 1,151 2,375 776 1,387 148.3 171.2 Texaco 982 2,318 1,073 2,155 91.5 107.6 Socal 830 1,780 784 1,354 105.9 131.5 Mobil 644 1,290 878 1,677 73L3 76.9 Subtotal 5,719 11,586 5,927 11,010 96.5 105.2 Five other large International s British Petroleum 968 2,486 655 1,656 147.8 150.1 Shell Group 1,319 2,256 1,642 3,180 80.3 70.9 CFP 178 802 172 587 103.5 136.6 ENI 17 120 102 397 16.7 30.2 Petrofina 19 38 85 352 22A 10.8 Subtotal 2,501 5,702 2,656 6,172 94.2 92.4 Nineteen other integrated U. S. Companie s Standard (Ind.) 308 548 648 862 47.5 63.6 Shell 350 514 545 795 64.2 64.7 Continental 169 430 155 288 109.0 149.3 Phillips 247 377 357 553 69.2 68.2 Atlantic Richfield 181 331 324 384 55.9 86.2 Marathon 107 312 42 177 254.8 176.3 Sinclair 172 295 436 486 39.4 60.7 Getty 159 282 222 174 71.6 162.1 Union 169 272 337 375 50.1 72.5 Sun 121 250 252 289 48.0 86.5 Cities Service 122 180 267 206 45.7 87.4 Tenneco 27 110 31 75 87.1 146.7 Sunray DX 88 105 109 172 80.7 61.0 Skelly 89 103 49 64 181.6 160.9 Signal 58 90 21 174 276.2 51.7 Ohio Standard 36 46 112 167 32.1 27.5 Ashland 12 40 137 216 8.8 18.5 Kerr-McGee 9 29 35 46 25.7 63.0 Murphy 9 20 61 32.8 Subtotal 2,433 4,334 4,079 5,564 59^ 77.9 Grand total 10,653 21,622 12.662 22,746 8411 95.1

—Net crude and NGL prod.a)— -Refinery runs») — 1957 1967 1957 1967

Tabelle 58: How production/refining balance has changed for twenty-nine large firms in 10 years 1967

176 3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

I I . Setzung der Unternehmensziele

177

sten Gesellschaften zumindest gegenwärtig noch bemüht, ihre Rohölförderung und die dazugehörigen Reserven ihren Absatzerwartungen anzupassen, und wenden dafür einen beträchtlichen Teil ihres Kapitals auf. „Ihre Politik ist darauf abgestellt, langfristig immer ein ausreichendes Gleichgewicht zwischen auf der einen Seite eigenen oder vertraglich gesicherten Erdölreserven und auf der anderen Seite der Verarbeitung und dem Vertrieb zu haben 27 ." Die nächste Zielentscheidung gilt dem regionalen Tätigkeitsgebiet. Vor diese Entscheidung sind die großen internationalen Konzerne allerdings nicht mehr gestellt, da sie seit Jahrzehnten bereits i n allen Teilen der Erde (ohne Ostblock) tätig sind. Für andere Unternehmen, wie die sog. „Newcomers" und jene Gesellschaften, die bisher nur i n ihrem eigenen Land tätig waren 2 8 , ist eine solche Zielentscheidung aber von weittragender Bedeutung, stellt sie das Unternehmen doch vor völlig neue A u f gaben. Drei Faktoren vor allem können eine Ölgesellschaft dazu bewegen, ihre Tätigkeit auf andere Länder auszudehnen: „First, the potential for market growth, . . . second, the geological prospects were favorable. Third, the rate of return on average invested capital was higher 2 9 ." Diese Aussage w i r d von der Continental Oil Co., einer seit mehreren Jahren i m Ausland besonders aktiven amerikanischen Gesellschaft mehrfach bestätigt, die außerdem die Auslandstätigkeit als Wettbewerbsnotwendigkeit ansieht, um sich i m Kreis der großen Ölgesellschaften behaupten zu können 30 . Allerdings muß hinzugefügt werden, daß die Entscheidung für die meisten amerikanischen „Newcomers" i m internationalen Erdölgeschäft, auch i n anderen Ländern tätig zu werden, zumeist nicht freiwillig war. Sie hatten Anfang der 50er Jahre m i t der Erdölsuche i m Ausland begonnen i n der Hoffnung, kostengünstiges Rohöl für ihr einheimisches Geschäft zu finden. Als sie aber dieses Rohöl gefunden hatten, wurde ihnen der Zugang zum amerikanischen Markt durch Importrestriktionen verwehrt 3 1 . Um ihr Rohöl verkaufen zu können, mußten sie sich nach ande27 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, „Zehn Jahre M i n e r a l ölindustrie i n der Gemeinschaft (1958—1967)", Brüssel, Februar 1968, S. 126; hierzu auch I. A. van Heuvel, „Die Erdölwirtschaft i n ihren internationalen Zusammenhängen", K ö l n 1960, S. 2. 28 Dies gilt z. B. auch f ü r verschiedene deutsche Gesellschaften, die seit einigen Jahren ihren Geschäftsbereich über die deutschen Grenzen hinaus ausgedehnt haben. 29 Chase Manhattan Bank, „1966 A n n u a l Financial Analysis of a Group of Petroleum Companies", New Y o r k 1967, S. 5. 30 John G. McLean, „American Industrial Expansion Abroad", Chicago 13.11.1962 u n d Geschäftsberichte der Continental O i l Co. f ü r die Jahre 1958 (S. 4), 1960 (S. 2) u n d 1962. 31 A l s Schutzmaßnahme f ü r die eigene Förderung, deren Aufrechterhaltung aus strategischen Gründen f ü r notwendig gehalten w i r d . 1

E i h

178

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

ren Absatzmärkten umsehen. So haben auch auf dem westdeutschen Mineralölmarkt i n den letzten Jahren mehrere dieser Gesellschaften, wie z. B. die Continental Oil Co., die Marathon Oil Co. und die Occidental Oil Co. ihre Tätigkeit aufgenommen. Von diesem Sonderfall abgesehen, scheint die Schlußfolgerung zulässig, daß jedes auf Wachstum bedachte Mineralölunternehmen zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Geschichte den Entschluß fassen muß, den Fuß über die Grenzen des Heimatlandes zu setzen. Wer, vor diese Entscheidung gestellt, m i t „Nein" antwortet, w i r d nie über eine lokale Bedeutung hinauswachsen können. Welche Investitionsentscheidung m i t der Ausdehnung der Tätigkeit auf ein anderes Land verbunden sein kann, zeigt der kürzliche Entschluß der britischen BP, für 400 Millionen Dollar i n den USA zwei Raffinerien, rund 10 000 Tankstellen und ein ausgedehntes Vertriebssystem zu übernehmen, um auf dem attraktiven amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Die BP braucht diese Anlagen für die Verwertung des von ihr i n Alaska gefundenen Erdöls. Die Kaufgelegenheit bot sich, als die amerikanischen Behörden der Übernahme der Sinclair Oil Co. durch die Atlantic Richfield Oil Co. nur unter der Bedingung zustimmten, daß die beiden Gesellschaften Anlagen i n Bundesstaaten, i n denen sie bisher getrennt tätig waren, verkaufen würden, u m den Wettbewerb i n diesen Staaten nicht einzuschränken. Es wurde bereits mehrfach festgestellt, daß bei den Entscheidungen von Großunternehmen das Motiv „Sicherheit" eine große Rolle spielt. I n der Mineralölindustrie sind es vor allem drei Sektoren, auf denen eine Wahl getroffen werden muß, welchen Grad an Sicherheit das Unternehmen für erforderlich hält. Es sind dies die Rohölversorgung, die geographische Verteilung der Investitionen und die Sicherung des Absatzes. Die Sicherheit der Versorgung soll durch eine möglichst breite geographische Streuung der Versorgungsquellen erzielt werden, selbst wenn dabei mehr Reserven erschlossen werden, als das Unternehmen aus betrieblichen Gründen anstreben würde. Allerdings hat diese weltweite Erschließungstätigkeit für das einzelne Unternehmen den Vorteil, daß ein von ihm entdecktes Vorkommen sich i n seiner Verfügungsgewalt befindet. „Their (der großen Gesellschaften) motive for continued exploratory expenditure is not the replacement of depleted reserves, for the major oil companies already have more reserves and more highly promising acreage i n their hands than could conceivably justify a search elsewhere"; statt dessen stehen zwei andere Motive i m Vordergrund: „First, i t is a defensive measure designed to ensure that if oil is found i t w i l l be i n their h a n d s . . . secondly, exploration efforts are maintained i n order to diversify risk by creating as many alternative sources of supply

I I . Setzung der Unternehmensziele

179

as possible 32 ." Speziell die OPEC-Länder sehen i n diesem Bemühen der Gesellschaften auch die Absicht, durch den Besitz möglichst vieler Lieferquellen ihre Verhandlungsposition gegenüber den Förderländern zu stärken. Und die Konsumländer betrachten diese Erhöhung ihrer Versorgungssicherheit m i t Wohlwollen: „Es ist i n der Tat vernünftig, daß sich Gesellschaften, die Märkte i n allen Gebieten der Welt versorgen, auf eine möglichst weitgehende Streuung der Vorkommen stützen. Die internationalen Erdölgesellschaften spielen somit bei der Versorgungssicherheit eine entscheidende Rolle 33 ." Daß die Gewinne, die die Gesellschaften i n den Hauptförderländern erzielen, für die Streuung der Versorgungsquellen und damit für eine potentielle Minderung der Bedeutung eben dieser Länder eingesetzt werden, w i r d von der OPEC heftig kritisiert. „The profitability of production i n some areas has allowed the companies to support long drawn-out and sometimes fruitless exploration efforts i n other areas, and thereby to give consumers much of the assurance of s u p p l y . . . 3 4 ." Der Risikominderung dient ferner die konsequent verwirklichte A b sicht, Investitionen nach Möglichkeit i n Gebieten vorzunehmen, die politisch besonders stabil sind. So haben die Erdölgesellschaften nach dem Kriege ihre Raffinerien überwiegend i n den Konsumgebieten, z.B. i n Westeuropa, errichtet 35 , während vorher die Raffineriekapazität überwiegend i n den Förderländern gebaut worden war. Die Tatsache, daß die Mineralölgesellschaften auf diese Weise die zum Absatz des Erdöls erforderlichen Anlagen dem möglichen Zugriff der Förderländer entzogen haben, stärkt ihre Position ganz erheblich. „ . . . The strength the international oil companies have i n the producing countries no l o n g e r . . . derives from their ability to find oil, to produce and to finance i t . . . what does... matter is . . . their Power of Disposal, i. e. their control of downstream operations 38 ." Zur Sicherheit tragen auch die wachsenden Investitionen i m Vertriebsbereich bei, durch die dem eigenen Erdöl ein gesicherter Absatz geschaffen werden soll. „For the companies' strength i n marketing is more important than strength i n the production .. . 3 7 ." A u f die Bedeutung der Kosten für die Mineralölindustrie und die Investitionen zu ihrer Reduzierung ist bereits i m vorhergehenden Kapi82

OPEC, „Pricing Problems: Further Considerations", Genf 1963, S. 12. EWG-Kommission, „Erste Aufzeichnungen...", S. 8. 84 E. Symonds, „ O i l Advances i n the Eastern Hemisphere", New York, Dezember 1962, S. 11. 35 Daß der Bedarfsanstieg u n d die Entwicklung der Transportkosten diese Verlagerung auch wirtschaftlich rechtfertigten, liegt auf der Hand. Vgl. hierzu das sechste Kapitel. Das Sicherheitsmotiv sollte aber bei dieser Entscheidung nicht außer Betracht bleiben. 86 Paul H. Frankel, „The Current State of Oil", S. 6. 37 Greenwell & Co., a. a. O., S. 54. 33

1

180

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

tel ausführlich eingegangen worden. I n der Tat haben die Firmenleitungen kaum die Wahl zwischen einem unkontrollierten Anstieg der Kosten, der sie sehr bald wettbewerbsunfähig machen würde, und fortgesetzten Bemühungen, sie unter die Kontrolle des Unternehmens zu bringen. Sie haben aber durchaus die Wahl, Prioritäten zu setzen. So kann sich eine Gesellschaft dafür entscheiden, i m Bau supergroßer Tanker voranzugehen und dafür einen großen Teil des vorhandenen Kapitals einzusetzen, oder sie sieht i n einer Straffung des Vertriebssystems größere Einsparungsmöglichkeiten. Die großen internationalen Konzerne sind aufgrund ihrer Finanzkraft i n der Lage, gleichzeitig i n allen Funktionen eine optimale Kostenstruktur anzustreben, wobei ihnen ihr hoher Integrationsgrad, wie gezeigt, von Nutzen ist. Mittelgroße und kleinere Gesellschaften sind aber durchaus gezwungen, sich für Schwerpunktprogramme zu entscheiden. Die Frage, ob ein Unternehmen versuchen soll, seine Ziele allein oder i n Zusammenarbeit m i t anderen Gesellschaften zu erreichen, stellt die Firmenleitungen vor eine Wahl besonderer A r t . I n der Regel bevorzugen die großen Erdölunternehmen den Alleingang, d. h. sie sind bemüht, i h r Geschäft durch Tochtergesellschaften abwickeln zu lassen, deren Kapital ihnen zu 100 Prozent gehört. A u f diese Weise erhalten sie sich eine maximale Dispositionsfreiheit i n der Hoffnung, die Früchte ihres Handelns m i t niemandem teilen zu müssen 38 . Ein „Joint Venture" w i r d allgemein nur dann akzeptiert, wenn der Geschäftszweck anders nicht erreicht werden kann (in manchen Ländern bestehen gesetzliche Vorschriften, die eine einheimische Mindestbeteiligung an ausländischen Investitionsvorhaben zwingend vorschreiben; oder die Beteiligung an einer aussichtsreichen Konzession ist nur so möglich) 39 oder wenn die wirtschaftlichen Vorteile einer Gemeinschaftsgründung so groß sind, daß das kaufmännische K a l k ü l keine andere Wahl läßt (Bau von Erdölfernleitungen oder Gemeinschaftsraffinerien i n kleinen Ländern m i t geringem Konsum). Für mittlere und kleinere Gesellschaften ist die Gemeinschaftsgründung auch als M i t t e l zur Aufbringung von Risikokapital (speziell i n der Erdölsuche) bzw. zur Sicherung des Absatzes eines bedeutenden Fundes zu betrachten, dessen Förderkapazität das Absatzpotential eines einzelnen Unternehmens übersteigen würde. Vor allem die amerikanischen „Newcomer" sowie die europäischen und japanischen Gesellschaften ent38 Vgl. hierzu auch Galbraith, a. a. O., i n seiner ideenreichen A r b e i t über das moderne Großunternehmen. 39 Die Zusammenarbeit der großen Konzerne i n den arabischen Förderländern ist historisch bedingt durch die frühere Form der Konzessionsvergabe. Sie prägt noch heute die S t r u k t u r der internationalen Erdölindustrie, sollte aber dennoch als Sonderfall betrachtet werden.

I I . Setzung der Unternehmensziele

181

scheiden sich oft für ein „joint venture", da es ihnen oft erst die Arbeitsaufnahme i n anderen Ländern ermöglicht. Aufwendungen für die Bereiche Forschung und Entwicklung sind für ein Großunternehmen eine Notwendigkeit für die Sicherung künftigen Wachstums. Die Unternehmen haben die Wahl, durch die Bestimmung von Schwerpunktbereichen die voraussichtlichen Ergebnisse wesentlich zu beeinflussen. So können die Ausgaben auf die Verbesserung bestehender Produkte oder auf die Entwicklung neuer Anwendungsbereiche für bestehende Produkte konzentriert werden. Es kann auch die Entwicklung völlig neuer Produkte aus dem Erdöl (Petrochemie) als Ziel gesetzt werden oder sogar die Forschung auf dem Sektor möglicher Substitutionsgüter (Energiezelle, Elektromotor). Große Unternehmen sind sogar i n der Grundlagenforschung tätig i n der Annahme, daß mögliche Entdeckungen oder Erfindungen der Gesellschaft völlig neue Geschäftsbereiche erschließen können. Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Förder- und Verarbeitungstechnik sowie auf dem Transport- und Vertriebssektor sind eine Selbstverständlichkeit, da jedes Ergebnis auf diesen Gebieten dem Unternehmen einen, wenn auch i n der Regel nur kurzlebigen, Wettbewerbsvorsprung gibt. 2. Zielsetzung Nicht-Erdölbereich (Diversifikation)

Die Ausdehnung der Geschäftsaktivität auf andere Wirtschaftszweige w i r d von vielen industriellen Großunternehmen als geeigneter Weg zu einem maximalen Wachstum der Gesellschaft sowie zur Verminderung des allgemeinen Unternehmensrisikos angesehen40. Diese Diversifikation dürfte künftig das beherrschende Merkmal hochindustrialisierter Volkswirtschaften sein und die horizontale wie vertikale Konzentration innerhalb der Industriezweige an Bedeutung übertreffen. Ursächlich hierfür dürfte sein, daß die Leitungen der Großunternehmen bei der Festlegung der Unternehmensziele andere Maßstäbe anzulegen beginnen. Die Gesellschaften überspringen i n wachsender Zahl Produkt- und nationale Grenzen. Sie fühlen sich als Organisationen, deren Aufgabe es ist, profitable Märkte aufzuspüren und für sich zu nutzen 41 . Eine detaillierte Aufstellung der möglichen Gründe, die ein Unternehmen zur Diversifikation veranlassen können, gibt Thomas A. Staudt 42, von denen hier nur die wichtigsten genannt sein sollen, die auch für die Mineralölindustrie von Bedeutung sind: 40

Vgl. hierzu auch Galbraith, a. a. O. Vgl. das Z i t a t v o n Levitt , a. a. O., S. 47. 42 „Program for Product Diversification", November/Dezember 1954, S. 122—123. 41

Harvard

Business

Review,

182

3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

A. Fortbestand des Unternehmens — zum Ausgleich schrumpfender märkte;

oder verschwindender

Absatz-

— zum Ausgleich sinkender Gewinne; — zum Ausgleich ungünstiger Standorte als Folge struktureller Änderungen der Volkswirtschaft. B. Streben nach Stabilität — Ausgleich zwischen Produkten m i t hohen und niedrigen Gewinnspannen; — Erhaltung des Marktanteils; — Gegenmaßnahmen gegen neue Produkte des Wettbewerbs; — Verteilung Märkten;

des

Risikos

durch

Tätigkeit

auf

verschiedenen

— Unabhängigkeit von Lieferanten. C. Produktiver Einsatz von Resourcen der Gesellschaft — vertikale Integration; — Verwertung von Rohstoffen; — Nutzung von Überschußkapazitäten; — Verwertung ergebnissen;

von

eigenen

Forschungs-

und

Entwicklungs-

— profitable Nutzung von technischem Know-how; — Nutzung des Management-Potentials; — Verwertung des Firmen-Image bzw. eines vorhandenen Vertriebssystems; — Nutzung der Marktkontakte. D. Anpassung an Änderungen der Nachfrage — Erfüllung der Wünsche bedeutender Kunden oder des Händlernetzes; — Erweiterung des Sortiments. E. Wachstum — Ausgleich der Marktsättigung i m bestehenden Geschäft; — attraktive Anlage für Gewinne; — Nutzung außergewöhnlich chancen;

guter

Fusions-

oder

Übernahme-

— Beschleunigung des Unternehmenswachstums als selbständiges Ziel.

I I . Setzung der Unternehmensziele

183

F. Sonstige Gründe — Ausnutzung von Steuervorteilen; — Erhaltung des Firmen-Ansehens als führendes Industrieunternehmen. Die Diversifikationsbemühungen der Erdölunternehmen beanspruchen heute bereits zwischen 8 und 13 Prozent ihrer gesamten Investitionsaufwendungen 43 . Allerdings sind die einzelnen Diversifikationsschritte aus der Sicht einer primär i m Mineralölgeschäft tätigen Gesellschaft sehr unterschiedlich zu beurteilen. Aus diesem Grunde soll i m folgenden Schaubild versucht werden, die verschiedenen Diversifikationsmöglichkeiten nach ihrer Nähe zum ursprünglichen Unternehmenszweck und zugleich nach ihrer überwiegenden Motivierung zu klassifizieren (Tafel 24). Es ist einleuchtend, daß bei den meisten Erdölunternehmen das Schwergewicht i m Bereich der „primären" Diversifikation liegt. „Like that of other firms, the diversification of the international oil companies has been i n direction which, by and large, have some connection w i t h their primary line of business... notably i n the petrochemical industry 4 4 ." Das Motiv der Absatzsicherung gilt auch für den Bau von Motel-Ketten oder die Aufnahme des Kfz-Zubehörgeschäfts an den Tankstellen. I n beiden Fällen w i r d der Gedanke der Dienstleistung für den Kraftfahrer i n den Vordergrund gestellt; die Sicherung des Benzinabsatzes durch Erhöhung der Anziehungskraft der Tankstelle ist aber mehr als nur eine erwünschte Nebenwirkung. Der Ubergang zur „sekundären" Diversifikation weist gegenwärtig wohl die größte Zuwachsrate auf. „Increasingly, oil companies are coming to regard themselves as natural resource companies, spreading their activities into several forms of primary energy and, i n some cases, into other minerals 45 ." Die Wandlung des Unternehmensdenkens von der Produkt- zur Marktorientierung sowie das Bemühen, die Resourcen der Gesellschaft optimal zu nutzen, forcieren diesen Trend. Vergleichsweise gering ist noch die Betätigung i m Bereich der „tertiären" Diversifikation. Von der Nutzung günstiger Anlagemöglichkeiten abgesehen, w i r d dieser Sektor auch dann erst vermehrt an Bedeutung gewinnen, wenn die Gewinnraten i n den Bereichen der „primären" und „sekundären" Diversifikation nachhaltig unter das Niveau anderer W i r t schaftszweige sinken sollten. 43 44 45

Edith Penrose, a. a. O., S. 146/147. Ebenda, S. 146. „Integration Today", a. a. O.

Petrochemie, Ölkraftwerke, neue Verwendungen für Ölprodukte (Bauindustrie)

\r

Direkt absatzbezogen

Kfz-Zubehörgeschäft an Tankstellen, Motels, Ölbrenner

f

Indirekt absatzbezogen

Primäre D.

P

Erdgas06' Elektrizität, Kraftwerke

Andere Energieträger: Uranbergbau, Kohlebergbau, Ölschiefer/

t

Energieanbieter

Sekundäre D.

Suche nach anderen Bodenschätzen



Kapitalverfügbarkeit



Forschung/ Entwicklung

Ertragreiche Anlage Verwertung von in anderen WirtErgebnissen schaftsbereichen, Investitionsgesellschaften

z.B. Verwertung „ von Grundvermögen

ir

Andere

™Pw!lw? ResouSn

Tertiäre D.

Technische

Diversifikation

Tafel 24

184 3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

I I . Setzung der Unternehmensziele

185

I m folgenden soll untersucht werden, wie groß die A k t i v i t ä t der Erdölgesellschaften i n den drei Diversifikationsbereichen bereits ist und welche Tendenzen zu erkennen sind. a) Primäre

Diversifikation

Hauptursache für das starke Engagement der Mineralölunternehmen i n der Petrochemie waren und sind: — Die Verdrängung der Kohle durch Erdöl und Erdgas als Einsatzprodukt für die organische Chemie. I n den USA stellen ö l und Gas bereits über 95, i n Westeuropa über 70 Prozent des Rohmaterials 46 . — „The value per ton of C is often increased twenty times or more between the input stage and the final output stage i n the production of synthetic chemicals. This provides a considerable economic incentive .. . 4 8 ." — Die jährliche Zuwachsrate der Petrochemischen Industrie ist bereits doppelt so hoch wie die der Erdölindustrie. Der Abstand dürfte langfristig eher noch zunehmen. Dies gilt sowohl für die USA als auch für die übrige Welt (ohne Ostblock) 47 . — Die Rentabilität des i n der chemischen Industrie eingesetzten Kapitals ist höher als die der Erdölindustrie, speziell dann, wenn ein Unternehmen nicht nur i n der Erzeugung von petrochemischen Einsatzprodukten, sondern auch i n der Weiterverarbeitung tätig ist 4 8 . Diese Kombination von Anreizen, ein schnell wachsender und profitabler Industriezweig, dessen Rohstoffe aus dem Erdöl und Erdgas kommen und dessen Verfahrenstechnik der Raffinerietechnik nicht unähnlich ist, sowie die günstigen Zukunftsaussichten mußten eine starke Anziehungskraft auf die Erdölunternehmen ausüben, die sich auf diese Weise ferner den gesicherten Absatz für ein wachsendes Erdölvolumen sichern konnten. Es war nur konsequent, daß sie einen wachsenden Anteil ihrer Investitionsaufwendungen für diesen Geschäftszweig bereitstellten. „Recent years have seen the proportion of the processing outlay allocated to chemical plants increase rapidly. I n 1967, the industry spent 1.6 billion 46 OECD, „The Chemical Industry i n the European Member Countries of OECD 1953—1962", Paris 1964, S. 17 u n d 22; OECD, „The Chemical Industry 1965—1966", Paris 1967, S. 22 u n d 89. 47 Robert L. Bateman, „Prospects for the Petrochemical Industry", I n t e r national Finance, hrsg. v o n der Chase Manhattan Bank, New Y o r k 14.10.1968, S. 8; Christopher Tugendhat, „ W h y the O i l Companies t u r n to Chemicals?" Financial Times, 25.1.1967. 48 McGrath/Hill, „Refining or Petrochemicals: Which w i l l w i n ? " , Kelloggram, 1961 Series, Issue Nr. 3, New York, S. 6.

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3. Teil, 10. Kap.: Investitionspolitik u n d ihre Durchführung

(Milliarden) dollar for petrochemical facilities — as much as 38 per cent of the total expenditure for processing 49 ." I n Verfolgung dieser Investitionspolitik sind zahlreiche Erdölunternehmen auch zu großen Chemieproduzenten geworden. Shell und Esso gehören bereits zum Kreis der 20 größten Welt-Chemieunternehmen, und die BP dürfte sehr bald ebenfalls i n diese Spitzengruppe vorstoßen. Aus den Geschäftsberichten der einzelnen Gesellschaften läßt sich der Umfang ihrer Chemie-Interessen wie folgt ablesen: Tabelle 59

Gesellschaft

Shell Esso BP Mobil Oil Standard O i l of California Gulf Oil Texaco

Jahr

Umsatz Mio. $

Mio. t

1968 1968 1968 1968

1.131 933 312 417

7,9

1966 1966

226 jährliche Zuwachsrate: 17%

2,9

Position unter den größten Welt-Chemiefirmen a) 14 17 72 50

3,4

a) „Shell führend In der Petrochemie", PPS, September 1969, S. 350

Die Standard Oil Co. of New Jersey (Esso) faßte 1955 den Grundsatzbeschluß, die Chemieinteressen zu erweitern. „ . . . that expansion i n chemicals would be appropriate ... While affiliates of Jersey had been engaged i n the production of chemicals for nearly fifty y e a r s . . . relatively large—scale investments by the company did not begin u n t i l recent t i m e s . . . I n one sense, our growth i n chemicals could be construed as diversification ... more logical extension of our primary activities .. ." 5 0 . Der Esso-Konzern entschloß sich vergleichsweise spät, sein Chemiegeschäft auszuweiten, betrieb dann aber eine stark expansive Politik 5 1 . Zwischen 1963 und 1967 stiegen die Chemie-Investitionen i m Jahresdurchschnitt u m 19%. Das Anlagevermögen erreichte Ende 1967 über 1,3 Milliarden Dollar und bestand aus über 100 Fabrikationsstätten i n 49 Chase Manhattan Bank, „Capital Investments of the World. Petroleum Industry 1967", New Y o r k 1968, S. 7. 50 Michael L. Haider, a. a. O. 51 Vgl. zum folgenden „Chemicals: A n expanding Frontier", The Lamp, Vol. 50, No. 1 (1968), S. 2—5, u n d P. Brand, „Esso Chemie i n 100 Ländern", Esso Magazin 3/1968.

I I . Setzung der Unternehmensziele

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30 Ländern. 35 weitere Werke i m Werte von 465 Millionen Dollar befanden sich zu diesem Zeitpunkt i m Bau. Die jährliche Umsatzzunahme liegt bei 16 Prozent. Die Chemie-Interessen werden von der 1963 gegründeten Esso Chemicals Co., New York, verwaltet. Neben petrochemischen Erzeugnissen werden auch Schwefel, Phosphate und Pottasche produziert. Eine Ausweitung des Geschäfts i n den USA durch Übernahme des größten Pottasche-Produzenten wurde durch die Antitrust-Behörde vereitelt. Chemieerzeugnisse werden i n mehr als 100 Ländern verkauft. Die größten Chemie-Interessen unter den Erdölgesellschaften hat die Shell-Gruppe, die wohl als erste die Bedeutung dieses Sektors voll erkannt hat und ihr Unternehmensziel entsprechend festsetzte. I m Gegensatz zur Esso, die bisher den Alleingang vorgezogen hat, war die Shell auch zu Gemeinschaftsgründungen m i t Chemieunternehmen, i n Deutschland z. B. mit der BASF, bereit. „ I n den letzten zwei Jahrzehnten haben Gruppengesellschaften die Herstellung von Kunstdünger, Schädlingsbekämpfungsmitteln, Kautschuk und Kunststoffen auf Erdölbasis stark vergrößert. Infolgedessen ist die Beteiligung der Shell-Gruppe an der chemischen Industrie jetzt größer als die irgendeiner anderen Gruppe von Erdölgesellschaften, und gemessen an den Wareneriösen zählt sie zu den ersten zwölf chemischen Unternehmen der Welt 5 2 ." Das Chemiegeschäft hat die Shell ebenfalls einer Tochtergesellschaft, der Shell International Chemical Company Ltd., übertragen. Über 12 Prozent des Gesamtumsatzes und schätzungsweise 10—11 Prozent des Konzerngewinns stammen aus dem Chemiegeschäft, das weitgehend auf Europa und die USA konzentriert ist 5 3 . Die Gewinne aus dem Petrochemie-Bereich scheinen also vergleichsweise nicht größer zu sein als die aus dem Erdölgeschäft. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß sie durch die Abschreibungen auf die hohen Investitionen i n Chemieanlagen i n den letzten Jahren stark beeinträchtigt worden sind. I n den kommenden Jahren dürften die Chemie-Beteiligungen aber i n wachsendem Maße zum Unternehmensgewinn beitragen. Die BP, die i n Deutschland eng mit dem Bayer-Konzern zusammenarbeitet, hat erst 1966 i n einer Gewaltanstrengung versucht, den Vorsprung der anderen ölunternehmen aufzuholen. Sie übernahm Ende 1966 für rund 200 Millionen Dollar die britische Chemiegruppe „The Distillers Company Ltd." und gab 1968 ein großes Chemie-Investitionsprogramm bekannt. „The additional chemical interests acquired last year have made BP the second largest chemical group i n the United Kingdom . . . We are confident that the development of our chemical interests w i l l be of great future benefit to the group 54 ." Für das Chemie52 53 64

Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1957, S . U . Greenwell & Co., a. a. O., S. 65. Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1967, S. 8/9.

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geschäft wurde ebenfalls eine Dachgesellschaft, die BP Chemicals Ltd., gegründet. Diese Gesellschaft, die ebenfalls zahlreiche Gemeinschaftsgründungen m i t anderen Chemiekonzernen vorgenommen hat, besitzt gegenwärtig einen Vorsprung i n der Proteinerzeugung aus Erdöl, einem sehr zukunftsreichen Produktionszweig 55 . I n Frankreich und Großbritannien sollen 1970 die ersten beiden Anlagen zur kommerziellen Produktion i n Betrieb genommen werden. Experten trauen der BP zu, bereits 1972 der größte westeuropäische Petrochemieerzeuger zu sein 56 . Die bisher erreichte Position i m Chemiegeschäft sowie die erklärten Ziele der übrigen großen Erdölgesellschaften ähneln — wenn auch i n kleinerem Maßstabe — denen der großen Drei. „Düring the seventieth we expect an increasing percentage of our hydrocarbon reserves to be transmuted into plastics, textiles, paints, adhesives, medicines and other useful products.. . 5 7 ." „ . . . We are continuing to develop a vigorous chemical division w i t h strategically placed components i n attractive growth areas 58 ." Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Chemie-Interessen der Erdölgesellschaften künftig weiter stärker zunehmen werden als der ölbereich, wobei überraschende Übernahmen und Gemeinschaftsgründungen nicht ausgeschlossen sind. Für den zweiten Bereich der „primären" Diversifikation soll hier nur das Beispiel der Esso angeführt werden, die innerhalb weniger Jahre i n Westeuropa eine Kette von 32 Motels errichtet hat, die von Skandinavien bis Italien reicht. Außerdem ist sie dabei, unter ihrem Markenzeichen ihre Tankstellen zu Fachgeschäften umzuwandeln, die dem Kraftfahrer u. a. ein vollständiges Sortiment an Kfz-Zubehör anbieten. b) Sekundäre

Diversifikation

Die Aufnahme der Tätigkeit i n Sektoren der „sekundären" Diversifikation erfolgt immer dann, wenn die Unternehmen ihre Ziele dahingehend setzen, daß sie nicht nur Anbieter von Erdöl und Naturgas, sondern von Energie i n allen denkbaren Formen sein wollen bzw. wenn sie glauben, ihr technisches Wissen für die Erschließung von Bodenschätzen auch für die Gewinnung anderer Rohstoffe m i t Gewinn einsetzen zu können. Dieser Entschluß w i r d vielfach dadurch erleichtert, daß die Unternehmen bei der Erdölsuche auch auf andere Bodenschätze stoßen, 55 Shell sowie Esso i n Gemeinschaft m i t dem Nestle-Alimentana-Konzern sind ebenfalls auf diesem Gebiet aktiv. 56 „ B P w i l l be top petrochem", OG Int., Dezember 1968, S. 107. 57 Standard O i l Co. of California „ A Report to Stockholders", 4. Quartal 1968. 58 Geschäftsbericht der M o b i l Oil Co. f ü r das Jahr 1963, S. 2.

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I I . Setzung der Unternehmensziele

deren Ausbeutung sich besonders dann anbietet, wenn der Markt für diese Rohstoffe günstige Erlöse bietet. Diese Gesellschaften betrachten sich dann nicht mehr als Erdölunternehmen, sondern eher als Energiefirmen oder gar als „natural resource companies". Wie weit diese Entwicklung schon gediehen ist, zeigt eine jüngst veröffentlichte Aufstellung 5 9 . Danach sind ölgesellschaften i n den USA bereits bei folgenden Rohstoffen Produzenten bzw. besitzen Vorkommen: Tabelle 60 Anzahl Rohstoff Ölschiefer Teersände Kohle Uran Schwefel Phosphate Pottasche Kupfer Andere NE-Metalle

Gesellschaften

Produktion 3 3

7

6 6 6 3 6 10

Reserven 14 13 9 18 13 14 12 12 10

„These developments... stem from the industry's decade-long pursuit of ,total energy' and ,natural resource' identification as a tool to spur g r o w t h . . . 6 0 ." Besonders i m Energiebereich ist dieser Trend, der sich bisher auf die USA konzentriert, aber bald auch auf andere Gebiete übergreifen dürfte, sehr ausgeprägt. „ . . . The intensity of competition between fuels w i l l make i t important to consider setting a foot i n more than one c a m p . . . I n the future, increasing attention may be paid to their access to diverse types of energy 61 ." I m Kohlebereich besitzen zahlreiche Gesellschaften bedeutende Interessen62, so die Continental Oil durch die Übernahme der größten amerikanischen Fördergesellschaft, der Consolidated Coal Co., für 600 Millionen Dollar, die Gulf Oil, der das zehntgrößte Grubenunternehmen der USA gehört, die Occidental Oil, die Esso-Tochter Humble, die 1 200 Quadratkilometer Kohlevorkommen besitzt, die Shell, die Atlantic Richfield Co., die Marathon Oil Co. und andere. Das langfristige Interesse an der 59

Leslie C. Rogers , „ O i l - f i n d i n g talent pours into broad minerals drive", OGJ, 24. 2.1969, S. 37—39. 60 Ebenda, S. 37. 61 Edward Symonds, „The Energy Stakes of the Sixties", Energy Memo der First National City Bank, New Y o r k Januar 1967. 62 „Coal makes b i d to j o i n Plowshare nuclear program", WO, M a i 1968, S. 111—120.

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Kohle besteht z. B. auch i n der Erwartung, diese i n flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe umzuwandeln, wofür der Einsatz unterirdischer Kernexplosionen ernsthaft studiert wird. Ein weiteres Schwerpunktgebiet sind neuerdings die Uransuche und die Herstellung von Kernbrennstoffelementen, die durch die Aussicht auf einen steil ansteigenden Brennstoffbedarf der existierenden und geplanten Kernreaktoren besonders attraktiv zu werden versprechen 63 . I n den USA und Kanada lagert mehr als die Hälfte der bekannten Weltreserven (ohne Ostblock), die zu Kosten von weniger als 10 Dollar je Pound (0,453 kg) gewonnen werden können. Eine besonders starke Position nimmt die Esso-Gruppe durch ihre USamerikanische und kanadische Tochtergesellschaft ein. Ihre Kohlenvorkommen verteilen sich über die Staaten Illinois, Colorado, Wyoming, Montana und North Dakota. Jährlich werden 12 Millionen Dollar für die Kohleverwertung investiert 6 4 . I n Colorado gehören ihr beträchtliche Ölschieferlagerstätten. Anfang 1969 wurden die Kohleinteressen der Carter Oil Co. übertragen, die auch die Nutzung der ölschiefervorkommen übernehmen dürfte 6 5 . Eine neue Grube i n Illinois soll bereits 1970 Großkunden i n Chicago beliefern. Die kanadische Tochter Imperial Oil schürft ebenso wie Shell, BP und Mobil Oil i n Kanada nach Uran. „We are interested i n uranium because we are an energy company and uranium is part of the energy picture 6 6 ." Ferner ist die Imperial Oil an ausgedehnten Teersandgebieten beteiligt. Uber ihre Motive und Ziele berichtet die Esso i n ihrem Geschäftsbericht für 196767: „ I n the belief that fossil fuel resources other than petroleum w i l l play a significant role i n meeting the nations's future energy needs, the company has expanded its coal and shale oil activities and established a major coal reserve p o s i t i o n . . . The company's minerals department, organized i n 1966 to conduct exploration for uranium and other nonferrous metals, continued to acquire leases i n promising areas." Ebenfalls sehr aktiv ist die Gulf Oil 6 8 , die sich um die Erschließung von Uran-, Kohle-, Ölschiefer-, Teersand-, Schwefel-, Pottasche- und andere Mineralienvorkommen bemüht. 63 Vgl. hierzu European Nuclear Energy Agency /International Atomic Energy Agency, „Uranium —Production and Short T e r m Demand", hrsg. OECD, Paris 1969, Spez. S. 24. 64 Hierzu „Need for synthetic fuels forecast", I n t e r v i e w m i t dem H u m b l e Generaldirektor M. A. Wright, OGJ, 3. 6.1968, S. 42—44. 85 „Humble again fires u p Carter Oil", OGJ, 6.1.1969, S. 50. Die Carter O i l ist eine frühere Tochtergesellschaft der Esso, die von der Humble Oil übernommen wurde. Der Firmenmantel wurde bereits f ü r den A n k a u f von Kohlevorkommen benutzt. 66 „The search for u r a n i u m pulls i n the giants", Financial Times, 25. 8.1967. 67 S. 10. 68 „ G u l f forms non oil resources affiliate", OGJ, 16.12.1968.

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Die Continental Oil begründet den Erwerb der Consolidated Coal Co. mit förderbaren Reserven i n Höhe von mehr als 5 Milliarden Tonnen wie folgt: „This move would strengthen Continental's position as a producer of energy raw materials and provide participation i n an industry which has attractive growth prospects, particularly i n supplying fuel for electric power generation 60 ." Und die Atlantic Richfield Co., ein durch Fusionen und Übernahmen besonders rasch wachsendes Unternehmen, erklärte 7 0 : „The petroleum industry of the 1970's w i l l t u r n to synthetic crude o i l s . . . A n d new deposits of uranium must be f o u n d . . . Clearly, a company providing any of these energy raw materials can look forward to growth. But the brightest future awaits those companies sufficiently diversified to consider themselves part of the total energy industry." Dieser Grundsatzerklärung war Anfang 1967 die Übernahme eines der bedeutendsten Produzenten von Uran- und Plutonium-Brennstoffelementen i n den USA vorausgegangen 71 . Ein anderer Diversifikationsschritt ist die Verwertung des beträchtlichen Grundbesitzes der großen Erdölgesellschaften i n eigener Regie. Neben der Esso-Tochter Humble Oil, die i n der Nähe Houstons/Texas Industrie- und Wohngelände erschließt, ist auf diesem Gebiet die Standard Oil Co. of California führend, die allein i n Kalifornien über 1 000 Quadratkilometer Grundvermögen besitzt, das teilweise i n städtischen Gebieten liegt. Sie hat eigens für diesen Zweck die Chevron Land and Development Company gegründet, u m Wohngebiete, Einkäufszentren und Feriensiedlungen zu errichten. Der Grundbesitz diente ursprünglich der Erdölsuche 72 . c) Tertiäre

Diversifikation

Hauptmotiv für die „tertiäre" Diversifikation ist die Kapitalanlage i n Wirtschaftsbereichen, die eine besonders hohe Rendite versprechen. Auch die Ausnutzung günstiger Erwerbschancen ist hierzu zu zählen. Dieser Bereich ist noch von untergeordneter Bedeutung und w i r d wohl auch erst dann wichtiger werden, wenn bestimmte Wirtschaftsbereiche beträchtlich bessere Aussichten bieten als die i n den Abschnitten über die „primäre" und „sekundäre" Diversifikation genannten Betätigungsgebiete. Immerhin hat die Esso eine Tochtergesellschaft, die Jersey Enterprises Inc., gegründet, deren Aufgabe es ist, Möglichkeiten der „tertiären" 69

Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1965, S. 2. Geschäftsbericht f ü r das Jahr 1967, S. 3. 71 „Report for Three Months 1967". 72 „ L a n d Use—A new area of operation", A 2. Quartal 1968. 70

Report

to

Stockholders,

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Diversifikation aufzuspüren und zu nutzen. Der Umsatz des Unternehmens aus Bereichen, die nicht zum ö l - , Gas- oder Chemiegeschäft zu zählen sind, belief sich 1966 bereits auf 516 Millionen Dollar 7 3 . Die Beteiligung an Investitionsgesellschaften gehört ebenfalls hierher. Esso (durch ihre Tochtergesellschaft Creole) und Shell betreiben seit Jahren i n Venezuela Investitionsgesellschaften, die Minderheitsbeteiligungen an einheimischen Unternehmen erwerben und diese finanzieren. Ende 1968 haben beide Unternehmen Anteile an der Private Investment Company for Asia erworben 74 . Neben Kapital stellen diese Investitionsgesellschaften auch technische und kaufmännische Beratung zur Verfügung und leisten damit Entwicklungshilfe i n nicht zu unterschätzendem Umfang. Die BP hat sich durch die Übernahme der C-E-I-R i n Großbritannien ein führendes Unternehmen auf dem Gebiet der Operations Research und der Computer-Anwendung angegliedert. Der Nutzen dieser Erwerbung für das Gesamtunternehmen kommt i n der führenden Rolle der BP bei der Operations-Research- Anwendung zum Ausdruck. Die ausführliche Darstellung der Bedeutung der Unternehmenszielsetzung für die Investitionspolitik unter Berücksichtigung der den Erdölgesellschaften zur Auswahl stehenden Optionsmöglichkeiten und unter Beschreibung konkreter Fälle, wie zwischen diesen Möglichkeiten gewählt worden ist und wird, erschien notwendig, da die Zielsetzung die die Investitionspolitik bestimmende Größe ist. I m folgenden soll der Mechanismus der Bestimmung der Investitionspolitik, ihre Durchführung und Kontrolle untersucht werden. I I I . Festlegung der Unternehmensstrategie Hat ein Unternehmen seine Ziele gesetzt, so müssen die Wege bestimmt werden, auf denen man die Ziele erreichen zu können glaubt. Diese Wegbestimmung ist identisch m i t der Investitionspolitik, die auch als strategischer Plan der Gesellschaft angesehen werden kann, der Direktiven für die Aufstellung der laufenden Investitionspläne enthält. Die Entscheidung über die Strategie obliegt der Firmenleitung. Sie hat eine Prioritätenliste für die verschiedenen Ziele aufzustellen, z. B. der Erschließung eigener Rohölquellen absoluten Vorrang einzuräumen; sie hat Termine zu setzen, bis wann jedes einzelne Ziel erreicht werden soll; und sie hat darüber zu befinden, wie die Ziele erreicht werden dürfen. So kann ein bestimmter Marktanteil z. B. durch einen forcierten Ausbau des 73 74

1968.

„Einführungsprospekt 1966", S. 27. Charles Smith, „24 companies i n Asia project", Financial Times, 27.12.

I V . Investitionsplanung

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eigenen Vertriebsnetzes angestrebt werden, aber auch durch den Erwerb anderer Unternehmen oder durch Fusion m i t anderen Gesellschaften. Gerade i n der Mineralölindustrie ist es i n den letzten Jahren zu verstärkten Konzentrationsbewegungen gekommen. „The merger has become a favorite route to quick growth 7 5 ." I n den USA ist es allein 1968 bzw. Anfang 1969 zu einigen bedeutenden Übernahmen gekommen. Die Atlantic Richfield Oil Co. gliederte sich die Sinclair Oil Co. ein (Übernahmewert: 1,2 Milliarden Dollar). Sun O i l übernahm die Sunray D X Co. (840 Millionen Dollar). Occidental Oil erwarb für 800 Millionen Dollar die Hooker Chemical Co. Die Amerada Oil Co., der letzte bedeutende, nicht-integrierte Rohölproduzent der USA, und die Hess Oil Co., ein Vertriebsunternehmen ohne eigene Rohölförderung, beschlossen eine Fusion beider Unternehmen. I n der Bundesrepublik Deutschland hat die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke A G durch die Übernahme einer bedeutenden Beteiligung an der Gelsenkirchener Bergwerks A G einen weiteren Schritt i n Richtung auf einen Energiekonzern getan. Und die Gründung einer Rohölversorgungsgesellschaft durch die unabhängigen deutschen Raffineriegesellschaften könnte die Keimzelle für ein voll-integriertes deutsches Erdölunternehmen sein. Der strategische Plan, der das Was, Wann, Wo und Wie vorgibt, ist Basis für die Aufstellung der Investitionspläne, d. h. für die Durchführung der Investitionspolitik.

IV. Investitionsplanung Die Investitionsplanung hat die Aufgabe, unter Beachtung der investitionspolitischen Richtlinien und der die Investitionstätigkeit des Unternehmens bestimmenden bzw. beeinflussenden Faktoren Programme bzw. einzelne Projekte zu entwickeln, die geeignet sind, die Unternehmensziele zu verwirklichen. Diese Planungstätigkeit, die letztlich i n der Vorlage eines Kapital-Budgets zur Annahme durch die Firmenleitung, die damit die erforderlichen M i t t e l freigibt, ihren Höhepunkt und A b schluß findet, ist bei den meisten Erdölgesellschaften ein komplizierter und ebenfalls streng formalisierter Vorgang 78 . 75 Leslie C. Rogers, „The motives behind oil's sudden big urge to merge", OGJ, 17.2.1969, S. 37—39; auch: „Neuer M a r k t f ü r B r i t i s h Petroleum durch Fusion", PPS, Dezember 1968, S. 447—449. 76 Über die Unified Planning Machinery-UPM der Shell-Gruppe berichtet H. Bridges i n einem I n t e r v i e w „The Integrated Look" i m Shell-Magazine, Januar/Februar 1967, S. 22 ff.

13 Eich

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Für die Entwicklung einzelner Projekte werden i n zunehmendem Maße Operations-Research-Methoden und Computer eingesetzt, die Optimallösungen für alle quantifizierbaren Probleme (Kapazitäten, Investitionen, Kosten usw.) zu liefern vermögen. Jeder Investitionsvorschlag w i r d von den Konzernzentralen auf seine Wirtschaftlichkeit für das Gesamtunternehmen und i m Hinblick auf Alternativlösungen und durch i h n bedingte Folgeinvestitionen überprüft. So kann z. B. der geplante Bau einer Raffinerie eine Ausweitung des Vertriebsnetzes erforderlich machen, da über das bestehende die zusätzliche Produktion nicht mehr abgesetzt werden kann. Oder es müssen Tanker gebaut werden, u m diese Raffinerie mit Rohöl versorgen zu können. Das Raffinerieprojekt muß die Summe aller Investitionen rentabel machen, um als w i r t schaftlich akzeptiert zu werden. Hier liegt ein wesentlicher Vorteil der integrierten Unternehmen. Sie können jede Investition so planen, daß die Gesamtkapazität optimal beschäftigt w i r d und jede Stufe sorgfältig auf die anderen abgestimmt wird. Die einzelnen Projekte jeder Betriebsgesellschaft werden zu einem Kapital-Budget zusammengefaßt. Die Einzel-Budgets werden schließlich zu einem Gesamtkonzern-Budget konsolidiert und der Firmenleitung zur Entscheidung vorgelegt. Da jedes einzelne Projekt bereits von der Konzernzentrale geprüft ist, w i r d sich die Entscheidung darauf konzentrieren, das Budget i m Hinblick auf die Vereinbarkeit m i t den Unternehmenszielen und auf die Kapitalverfügbarkeit einer letzten Globalprüfung zu unterziehen. Ist das Budget beschlossen, so w i r d den Betriebsgesellschaften das Kapital zugeleitet, das sie zur Ausführung der einzelnen Projekte benötigen. Die Hilfestellung der Konzernzentrale erstreckt sich auch auf die Ausführung der Investitionspläne. Sie h i l f t bei der technischen Ausarbeitung der Projekte unter Verwendung der Erfahrungen und des Wissens (Patente usw.) der gesamten Gruppe. Sie stellt Fachkräfte zur Verfügung und leitet Ausschreibungen an die verschiedenen Tochtergesellschaften weiter, so daß international das günstigste Angebot erzielt werden kann. Das System der Investitionsplanung und -ausführung neigt naturgemäß zu einer gewissen Unbeweglichkeit. So vergehen in der Regel zwischen der Entwicklung eines Projektes und seiner Ausführung mindestens zwei bis drei Jahre. Günstige Chancen, die eine sofortige Entscheidung erfordern, können möglicherweise nicht genutzt werden, weil der Instanzenweg und die Beurteilungsmodalitäten eine ausreichend kurze Reaktionszeit des Unternehmens nicht zulassen. W i r haben gesehen, daß moderne Großunternehmen bereit sind, diesen Nachteil i n Kauf zu nehmen. Dennoch sind sie bemüht, ihrem Planungsmechanismus ein M i n i m u m an Flexibilität einzubauen, so daß auch außerhalb der regulären Budget-Prozedur Investitionsentscheidungen getroffen werden können.

V. Kontrolle des Investitionserfolges

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V. Kontrolle des Investitionserfolges Für die Unternehmensleitung ist es wichtig zu wissen, ob eine beschlossene Investition auch den erwarteten Erfolg bringt oder nicht. Aus diesem Grunde setzt die Kontrolle der Konzernzentrale bereits bei der Ausführung ein. Es muß i m Interesse der Gesamtplanung sichergestellt werden, daß die Bautermine eingehalten, die Kostenschätzungen nicht überschritten, die Anlagen planmäßig erstellt (z. B. Soll-Kapazität) und die Ausgaben zeitlich wie geplant abgewickelt werden. Jede Abweichung kann nämlich zu Friktionen i m integrierten Gesamtsystem führen und Korrekturmaßnahmen erforderlich machen. Die eigentliche Analyse des Investitionserfolges erfolgt nach einer bestimmten Betriebszeit der neuen Anlagen. Die für dieses Projekt verantwortliche Betriebsgesellschaft hat eine Ist-Rechnung aufzumachen und m i t der Soll-Rechnung zu vergleichen. Abweichungen müssen erklärt werden. Die Unternehmensspitze braucht diese Information, u m beurteilen zu können, ob eine Investition die i n sie gesetzten Erwartungen erfüllt, d. h. zur Erreichung eines Unternehmenszieles beigetragen hat, oder ob zusätzliche Ausgaben erforderlich sind, um den gewünschten Erfolg sicherzustellen oder ob das Objekt gar als Fehlinvestition aufgegeben werden muß. Diese Kontrolltätigkeit gewährt der Gesellschaft ein reiches Erfahrungswissen, das bei der Entscheidung über künftige Investitionsvorhaben Verwendung findet. Die Investitionstätigkeit endet also erst m i t der Erfolgskontrolle. I n diesem Kapitel sind vorwiegend die Netto-Investitionen der Mineralölgesellschaften behandelt worden. Bei einem Brutto-Anlagevermögen der gesamten Erdölindustrie (ohne Ostblock) i n Höhe von rund 155 Milliarden und einem Netto-Anlagevermögen von über 84 M i l l i a r den Dollar 7 7 sind natürlich auch laufend beträchtliche Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen erforderlich, die jährlich rund 6—7 Prozent der bestehenden Kapazitäten betreffen 78 . Da diese Investitionen, die i m übrigen nur schwer von den Gesamtinvestitionen zu trennen sind, aber unbedingt erforderlich sind, u m den bestehenden Geschäftsumfang aufrechtzuerhalten, unterliegen sie nur bedingt der freien Entscheidung durch die ölgesellschaften. Sie binden aber einen beträchtlichen Teil des Kapitals i m voraus und begrenzen damit den Spielraum für wachstumsfördernde Netto-Investitionen. Allerdings müssen auch die Ersatzinvestitionen sorgfältig geplant werden. Der mögliche Wechsel eines Stand77

Vgl. das sechste Kapitel, I I . Shell, „Capital Needs of the Oil Industry, 1966—1970", London M$rz 1967, S. 3. 78

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3. Teil, 1 . Kap.: Investitionspolitik u n d

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ortes, die Wahl eines neuen Verfahrens, der Bau moderner und damit leistungsfähigerer Anlagen ermöglichen auch den Ersatzinvestitionen wachstumsfördernde Effekte. Aus diesem Grunde unterscheiden viele Erdölgesellschaften auch nicht zwischen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen. Jedes Projekt, auch der Ersatz einer alten Anlage, muß wirtschaftlich neu begründet werden. Vielleicht bietet sich eine günstigere Alternative. Auch für die Sicherung des bestehenden Geschäfts w i r d also jedesmal eine optimale Lösung gesucht, die nicht i n der Ersetzung einer ausgedienten Kapazität durch eine neue, gleichartige bestehen muß.

Elftes

Kapitel

Investitionspolitik und Unternehmensorganisation Die Investitionsaufgabe, d. h. die Bestimmung der investitionspolitischen Grundsätze, die Ausarbeitung von Investitionsplänen, die Aufstellung und Verabschiedung des Kapital-Budgets sowie die Ausführung der einzelnen Projekte und die sich anschließende Erfolgskontrolle, erfordert eine zweckmäßige Organisation des Gesamtunternehmens, die eine optimale Arbeitsteilung zwischen der Geschäftsführung und den einzelnen Unternehmensteilen ermöglicht. Ebenso wie bei der Abwicklung des täglichen Geschäfts entscheidet eine zweckmäßige Organisationsform auch m i t über den Erfolg der Investitionstätigkeit. Besonders bei den i n der Mineralölindustrie vorherrschenden Großunternehmen, bei denen die Konzernzentrale die Arbeit von 100 und mehr Betriebsgesellschaften zu koordinieren hat, kommt dem reibungslosen Zusammenspiel zwischen Zentrale und Konzerntöchtern eine erhebliche Bedeutung zu. Erschwerend für die international tätigen Gesellschaften kommt hinzu, daß die einzelnen Betriebsgesellschaften über die ganze Welt verstreut und zudem noch i n verschiedenen Wirtschaftszweigen engagiert sind. Die Organisation muß also auch ein komplexes Kommunikationsproblem lösen 1 . Ferner muß die Organisation für ein Gleichgewicht i n der Verteilung der Verantwortung sorgen, d.h. einen Kompromiß zwischen übertriebener Zentralisierung der Entscheidungsgewalt und extremer Dezentralisierung finden, die das Gesamtunternehmen handlungsunfähig machen könnte. Als mögliche Formen der Arbeitsteilung zwischen Holding-Gesellschaft und Beteiligungsunternehmen bieten sich an: a) Die Holding-Gesellschaft legt die Unternehmensziele fest und gibt den Betriebsgesellschaften allgemeine Richtlinien, nach denen sie die Planung und das Tagesgeschäft zu betreiben haben. So können die Tochterunternehmen i n eigener Regie Investitionspläne aufstellen; die Holding behält sich die Beurteilung dieser Pläne vor und weist die Investitionsmittel zu. Sie kontrolliert die Geschäftsergebnisse ihrer Beteiligungen. 1

Vgl. hierzu auch neuntes u n d zehntes Kapitel.

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3. Teil, 11. Kap. : Investitionspolitik u n d Unternehmensorganisation

b) Die Holding agiert als Spitze der Betriebsgesellschaften. Die Planung und Koordinierung des Tagesgeschäfts sind ebenso wie die Investitionsplanung weitgehend zentralisiert. Sie interveniert durch eine permanente Kontrolle fortgesetzt i n allen Tätigkeitsbereichen und überläßt den Betriebsgesellschaften nur die Ausführung. c) Die Holding-Gesellschaft definiert ihre Funktion als die einer Investitionsbank m i t dem Betätigungsschwergewicht in einem bestimmten Industriezweig. Sie teilt Kapital zu und erhält von den Beteiligungsgesellschaften Dividenden. Sie interveniert nur, wenn das finanzielle Betriebsergebnis nicht mehr zufriedenstellt und dies primär durch Veränderungen i m Management der Tochtergesellschaften. I. Die Rolle der Holding-Gesellschaft in der Mineralölindustrie Die Besonderheiten der Erdölindustrie lassen eine organisatorische Lösung nach c) nicht zu. Der hohe Integrationsgrad, die internationale Verflechtung, die Vielfalt der politischen Einflüsse und der Wunsch, die Vorteile der Integration maximal zu nutzen, führen dazu, daß die Konzernzentralen wesentliche Zentralaufgaben an sich ziehen oder zumindest entscheidend mit bestimmen. Dies gilt auf jeden Fall für die wichtigen Planungs-, Finanzierungs- und Kontrollaufgaben. Eine Ausnahme wäre höchstens i m Bereich der „tertiären" Diversifikation denkbar, i n dem das Schwergewicht auf der Kapitalverwendung und damit auf der Rendite liegt. Die einzelnen Betriebsgesellschaften i m integrierten Unternehmensverband wären auch gar nicht i n der Lage, eine vernünftige Investitionsplanung zu betreiben, da ihnen wesentliche Informationen über die nicht ihnen unterstehenden anderen Funktionen und regionalen Schwestergesellschaften fehlen. Das große Erdölunternehmen muß seine Organisation deshalb zwischen den Möglichkeiten a) und b) wählen, wobei der Trend eindeutig zu b) tendiert, da der Konzern auch i m laufenden Geschäft die Früchte der Integration ernten möchte. Die meisten großen Mineralölgesellschaften sehen deshalb die Rolle der Konzernzentrale mehr i n der Führung eines Industrieunternehmens als i n der Ausübung der Aufgaben einer Finanzholding 2 . Die Integration läßt auch nicht die Wahl der Division-Organisation zu, wie sie z. B. i n der internationalen Automobil- und Elektroindustrie weit verbreitet ist. I n diesem System arbeiten die einzelnen Konzernglieder weitgehend unabhängig voneinander nach den Richtlinien der Unternehmensspitze. Die Verbesserungen der Organisations- und Kommunikationstechniken sowie der zunehmende Computereinsatz für Planungs- und Infor2

Vgl. Edith T. Penrose, a. a. O., S. 152.

I I . Die Rolle der Betriebsgesellschaften

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mationsaufgaben verstärken den Trend zur Zentralisierung der Planungs- und Entscheidungsfunktion. Die Autonomie der Betriebsgesellschaften schwindet zusehends, worüber auch anderslautende Erklärungen nicht hinwegtäuschen können, die die Verantwortlichkeit und den Handlungsspielraum der Tochtergesellschaften betonen. Eine Form der indirekten Zentralisierung stellt die Entsendung von Führungskräften aus den Konzernzentralen i n die Tochtergesellschaften dar. Hingegen geschieht die Berufung von Spitzenkräften der ausländischen Betriebsgesellschaften i n leitende Positionen der Holding nur i n Ausnahmefällen, so die Shell-Gruppe, die den Amerikaner Spagth i n ihren Vorstand berief, wozu allerdings eine Satzungsänderung des Unternehmens erforderlich war. Langfristig w i r d die Funktionsfähigkeit der internationalen Erdölgesellschaften von der Internationalisierung ihres Managements abhängen. Sie können auf eine Ausschöpfung des Potentials ihrer ausländischen Führungskräfte nicht verzichten. Außerdem verringert die zunehmende Zentralisierung der Planungs- und Entscheidungsfunktionen die Entwicklungsmöglichkeiten i n den Betriebsgesellschaften. Qualifiziertes Personal kann dann nur gewonnen werden, wenn i h m Aufstiegsund Entfaltungsmöglichkeiten i m Gesamtkonzern einschließlich der Unternehmensspitze geboten werden. Erste Ansätze hierfür sind bereits zu erkennen.

II. Die Rolle der Betriebsgesellschaften Bei den großen internationalen Erdölgesellschaften lassen sich vier verschiedene Arten von Betriebsgesellschaften unterscheiden, und zwar hinsichtlich des Umfangs ihrer regionalen bzw. funktionalen Zuständigkeit. Die nationalen Tochtergesellschaften, die für das Gesamtgeschäft des Konzerns i n jeweils einem Land verantwortlich sind. Hierbei kann es sich u m voll-integrierte Unternehmen handeln, die von der Exploration bis zum Endabsatz der Fertigerzeugnisse alle Stufen der Erdölindustrie umfassen. Diese Gesellschaften sind i m Rahmen der ihnen von der Konzernzentrale vorgegebenen Richtlinien für die Abwicklung des laufenden Geschäfts zuständig und besitzen hierfür auch eine begrenzte lokale Entscheidungsfreiheit. Darüber hinaus wirken sie an der Planung des Gesamtunternehmens m i t und sind für die Durchführung der Investitionspläne verantwortlich. „Operational guidelines and budget objectives are developed i n concert w i t h the affiliates and are continuously updated as conditions change. Affiliate managements thus has latitude and authority

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3. Teil, 11. Kap.: Investitionspolitik u n d Unternehmensorganisation

to respond to local conditions, and the headquarters office provides regional coordination 3 ." Für die Betriebsgesellschaften stellen die „guidelines" und „objectives", auf deren Festlegung sie nur sehr bedingt Einfluß zu nehmen vermögen, weitgehend verbindliche Anweisungen dar, deren Nichtbefolgung von der Zentrale nur bei Vorliegen triftiger Gründe akzeptiert wird. Es ist wiederum der hohe Integrationsgrad, der die Erdölgesellschaften geradezu zwingt, die Betriebsunternehmen am kurzen Zügel zu führen. Jede Abweichung hat nämlich Auswirkungen auf andere Gebiete und Funktionen und kann daher das geplante Optimum gefährden. I m übrigen ist das Ausmaß der Autonomie, das einer Tochtergesellschaft gewährt wird, natürlich auch von ihrer Größe und damit von ihrer Bedeutung für den Gesamtkonzern, von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung (Gesellschaftsrecht) und auch davon abhängig, ob die Betriebsgesellschaft eine 100°/oige Tochter ist oder ob auf Minderheitsaktionäre Rücksicht genommen werden muß. Bei den anderen drei Arten von Betriebsgesellschaften handelt es sich eher u m ausgegliederte und aus den verschiedensten Gründen rechtlich verselbständigte Funktionen der Unternehmenszentrale 4 . Hierzu gehören i n erster Linie alle Gesellschaften, denen weltweite Koordinierungsfunktionen übertragen werden. Diese Unternehmen sind i n der Regel i m Heimatland der Muttergesellschaft rechtlich eingetragen und direkt der Konzernspitze verantwortlich. Die Aufgaben dieser Gesellschaften bestehen — weitgehend übereinstimmend bei allen internationalen Unternehmen — i n der Koordination und teilweise auch selbständigen Durchführung der Rohölverteilung, des Produktaustausches zwischen den einzelnen Konzernteilen m i t dem Ziel einer optimalen Bedarfsdeckung, des weltweiten Geschäfts m i t Nicht-Konzerngesellschaften, der Explorationstätigkeit sowie der Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Auch diese Gesellschaften w i r k e n an der Planung und Zielsetzung der Zentrale mit, wobei ihnen wegen ihrer besonders detaillierten Kenntnis einiger Investitionsfaktoren oft eine entscheidende Rolle zufällt. Die dritte Gruppe der Betriebsgesellschaften, die unter allen Umständen separat betrachtet werden muß, bilden jene Unternehmen, denen innerhalb des Konzerns eine gewisse Schlüsselstellung zukommt. Es sind dies vor allem die Fördergesellschaften bzw. die Beteiligungen, die die einzelnen Unternehmen an den großen Förderkonsortien, z. B. i m M i t t leren Osten, halten. Sowohl der Beitrag, den diese Gesellschaften zum 3 4

Michael L. Haider, a. a. O. Eine weitere F o r m w i r d unter I I I . dargestellt.

I I I . Dezentralisierung der Holding-Gesellschaft

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Gewinn des Konzerns leisten, als auch die grundsätzlichen politischen Implikationen jeder ihrer Handlungen 5 lassen es ratsam erscheinen, sie unmittelbar der Konzernleitung zu unterstellen. Zu einer vierten Gruppe von Betriebsgesellschaften sollen jene Konzerntöchter gezählt werden, denen auf bestimmten Diversifikationsgebieten Holding-Funktionen übertragen worden sind. Es wurde gezeigt, daß z. B. alle großen Erdölgesellschaften ihre Chemie-Interessen i n vom Ölgeschäft strikt getrennten Unternehmen zusammengefaßt haben, die teilweise sogar die Kapitalanteile der verschiedenen Beteiligungsfirmen halten. I I I . Dezentralisierung der Holding-Gesellschaft Die Größe und Komplexität der großen internationalen Konzerne hat bei den meisten Firmenleitungen zu der Einsicht geführt, daß die unter II. geschilderte Ausgliederung von Aufgaben und Verantwortung auf Betriebsgesellschaften noch so viele Detailaufgaben bei den Zentralen beläßt, daß deren Wahrnehmung es den Konzernzentralen nicht erlaubt, sich ausschließlich auf die Aufgaben der Unternehmenslenkung, d. h. auf die Zielsetzung, die strategische Planung und die großen Investitionsentscheidungen zu konzentrieren. Außerdem erschwerte die räumliche Entfernung der Zentrale von den Betriebsgesellschaften zunehmend eine reibungslose Koordination und Kontrolle. Aus diesem Grunde sind viele große Gesellschaften i n den letzten Jahren dazu übergegangen, regionale Zwischenholdings zu schaffen, denen Aufgaben wie die laufende Planung und Koordination des Geschäfts, die regionale Zusammenfassung der Investitionspläne und der Kapital-Budgets sowie des Rechnungswesens, der Kontrolle und der Statistik übertragen wurden. Diese regionalen Holding-Gesellschaften agieren als verlängerter A r m der Zentrale, üben die Funktionen der Unternehmenszentrale aus und sind i n der Spitze m i t leitenden Kräften der Muttergesellschaft besetzt. Die Kapitalbeteiligungen an den Betriebsgesellschaften verbleiben hingegen bei der Zentrale. Der Vorteil dieser Regionalgesellschaften besteht darin, daß sie einmal die Firmenleitung von Detailaufgaben entlasten und daß sie zum anderen durch die Konzentration ihrer Arbeit auf ein bestimmtes geographisches Gebiet die Koordination wesentlich wirkungsvoller wahrnehmen können. „As a result of this move toward further decentralization, some of the authority and functions now exercised by the parent Company w i l l be delegated to the regional organizations. Jersey's top management w i l l 5 Es sollen hier n u r die Probleme der Rohölpreisbildung u n d der Besteuerung genannt werden.

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3. Teil, 11. Kap.: Investitionspolitik u n d Unternehmensorganisation

continue to review major programs of affiliates, but i t w i l l be freer to concentrate on interregional coordination together w i t h major planning and policy . . . W i t h their expanded responsibilities, regional companies w i l l bring about more effective coordination among the Esso operations i n each broad area 8 ." Es steht außer Frage, daß die regionale Dezentralisierung der Konzernzentrale 7 die Möglichkeit verbessert, das Gesamtgeschäft besser und effizienter zu koordinieren; allerdings u m den Preis einer weiteren Einengung der Autonomie der Betriebsgesellschaften. „ W i t h time, however, national management groups w i l l have to accept their local and secondary role; i t is the regional office that must eventually have the power and staff required to run a t r u l y European business 8 ." Es bleibt abzuwarten, ob die zunehmende Bedeutung der regionalen Holdings nicht zu einem Erlahmen der Initiative und Eigenverantwortlichkeit bei den einzelnen Betriebsgesellschaften führt. Speziell i n Westeuropa ist nicht auszuschließen, daß die regionale Holding als Vorläuferin einer europäischen Gesellschaft 9 betrachtet werden muß, die einen erheblichen Rationalisierungseffekt haben könnte. Die internationalen Erdölgesellschaften haben bewiesen, daß sie auch ihre Organisation den Veränderungen ihres Geschäftsumfanges und ihrer Unternehmensziele laufend anzupassen vermögen. Hinter der scheinbaren Dezentralisierung verbirgt sich unausgesprochen ein Zug zur Zentralisierung, der durch die Fortschritte i n der Kommunikations- und Planungstechnik (Computer) geradezu provoziert wird. Die Vorteile der Integration werden künftig i n zunehmendem Maße genutzt werden können. Als Beispiel für eine, für die großen Erdölgesellschaften typische Organisationsform w i r d auf Tafel 25 der Aufbau des Esso-Konzerns dargestellt. Die Organisation von Gesellschaften wie der Shell, Gulf Oil und Mobil Oil zeigt nur unbedeutende Abweichungen. I V . Organisation der Investitionstätigkeit

Die Organisationsform, wie sie sich bei den meisten internationalen Gesellschaften durchgesetzt hat, ist auch ein Ausdruck der Arbeitsteilung i m Bereich der Investitionsplanung und -ausführung. Die Kon6

Geschäftsbericht der Standard Oil Co. of New Jersey f ü r 1965, S. 3. M a n sollte eher davon sprechen, daß die Zentrale näher an ihre Betriebsgesellschaften heranrückt. 8 F. Newton Parks, „ S u r v i v a l of the European headquarters", H a r v a r d Business Review, M ä r z / A p r i l 1969, S. 83. 9 Sobald die rechtlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen worden sind. Vgl. die Bestrebungen der Europäischen Gemeinschaften. 7

Betriebsgesellschaften

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