Integrative Onkologie: Definition – Inhalte – Bedeutung 9783110497106, 9783110496482

Integrative oncology is gaining importance in the treatment of cancer, thanks in part to increased physician and patient

278 62 1MB

German Pages 216 [218] Year 2019

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Verzeichnis der Abkürzungen
Glossar
1. Integrative Medizin
2. Krebsentstehung unter integrativen Gesichtspunkten
3. Das Immunsystem
4. Medikamentöse Therapie in der integrativen Onkologie
5. Supplementtherapie
6. Nebenwirkungen und Spätfolgen
7. Maßnahmen zur Linderung von Begleiterscheinungen
8. Ernährung
9. Bewegung
10. Mentale Stärke
11. Tiergestützte Therapien
12. Diagnostik
13. Schlaf
14. Grenzwertig integrative Ansätze
15. Beispiele erfolgreich in Standardtherapien konvertierte Therapien
16. Beispiele erfolgreich in leitliniengerechte Diagnostik konvertierte integrative Diagnostikverfahren
17. Zukunftsaussichten
18. Literatur
Stichwortverzeichnis
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Integrative Onkologie: Definition – Inhalte – Bedeutung
 9783110497106, 9783110496482

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Joachim Drevs Integrative Onkologie

Joachim Drevs

Integrative ­Onkologie 

Definition – Inhalte – Bedeutung

Autor Prof. Dr. med. Joachim Drevs UNIFONTIS Praxisklinik für Integrative Onkologie Apothekenweg 6 38173 Sickte

ISBN: 978-3-11-049648-2 e-ISBN (PDF): 978-3-11-049710-6 e-ISBN (EPUB): 978-3-11-049373-3 Library of Congress Control Number: 2019932020 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen mit den Autoren große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe der Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: udra/iStock/gettyimages/ Satz/Datenkonvertierung: L42 AG, Berlin Druck und Bindung: CPI Books GmbH, Leck www.degruyter.com



Mit besonderem Dank an Leona Kröhle Für die Unterstützung in der schwierigen Zeit der Entstehung des Buches

Vorwort Das Ihnen hier vorliegende Buch soll helfen, zu verstehen, was unter dem Begriff Integrative Medizin, hier am Beispiel der Integrativen Onkologie erläutert, zu verstehen ist. Sowohl von der Begrifflichkeit, aber auch von den Inhalten, habe ich versucht, Ihnen einen möglichst guten Überblick zu vermitteln. Ein vergleichbares Werk ist bisher nicht erschienen. Bei den Inhalten handelt es sich, wie häufig in der Medizin, sowohl um sehr aktuelle als auch fließende Entwicklungen. Die Fertigstellung wurde hierdurch erheblich erschwert. Warum dann die Mühe? Dank der Kooperationsbereitschaft des Verlages war und ist es mir ein Anliegen, diesen von mir in den letzten zehn Jahren schwerpunktmäßig betriebenen, noch wenig in Worte gefassten Bereich der Medizin, bekannter zu machen. Weder die zunehmende Präsenz der Integrativen Onkologie bei Vorträgen oder Kongressen, noch der in verschiedenen Einrichtungen vermehrt praktizierte salutogenetische Ansatz, noch die steigende Anzahl wissenschaftlicher Nachweise erreichen bisher im medizinischen Alltag ausreichend Kollegen, um einen nachhaltigen oder signifikanten Fortschritt feststellen zu können. Nach wie vor wird vielerorts der Begriff der „Leitlinie“ mit dem Begriff „Standard“ missbraucht und führt gerade bei jüngeren Kollegen oder größeren Einrichtungen mit noch sehr starren und alten Strukturen zu einer Fehlinterpretation mit teilweise katastrophalen Folgen für die Patienten. Mittlere Überlebensraten aus Statistiken, wie beispielsweise Gauß‘schen Verteilungskurven, werden ohne jedes Verständnis für Statistik und ohne kritische Betrachtung als die individuelle Lebenserwartung an den einzelnen Krebspatienten vermittelt. Dabei eignen sich diese Methoden nicht annähernd, um für einen Patienten eine individuelle Aussage zu treffen. Zudem sind die Daten häufig veraltet. Genauso wird die Bedeutung großer Studien und deren p-Wert als statistische Signifikanz immer noch fehlinterpretiert. Dadurch geraten jene Therapien, die formal nach dem p-Wert als vermeintlich schlechter ermittelt wurden in Vergessenheit, obwohl für einzelne Patienten diese die Therapie der Wahl darstellen würde. Der statistisch am erfolgreichsten durch Studien belegte Therapieansatz wird als der einzig Richtige vermittelt. Dabei wird dann bei Ablehnung der „Standard-Therapie“ durch den Patienten leider noch häufig mit der Konsequenz eines sicheren Rezidivs oder gar dem Versterben „gedroht“. Jedem wissenschaftlich versierten Menschen ist bewusst, dass beispielsweise Doppelblindstudien zwar einen Anhalt für die wissenschaftlich bessere Therapieform darstellen können, jedoch keine Aussage darüber treffen, ob diese auch in der täglichen Anwendung mit den Werten und dem Zustand des Patienten vereinbar ist. Anschaulich wird dies beim Vergleich der kombinierten Chemotherapeutika CMF gegen FEC. Geprüft wurden beide bei jeweils 1.000 Brustkrebspatientinnen mit etwa gleicher Ausgangssituation nach Operation und Strahlentherapie. FEC ergibt für eine signifikante Anzahl an Patientinnen ein besseres Ergebnis, und führt dadurch zu dem Nachteil, dass alle Patientinnen nun nach diesem Schema behandelt werden. Auch https://doi.org/10.1515/9783110497106-201

VIII  Vorwort

jene, die bereits durch die Operation und Strahlentherapie als geheilt gelten. Und auch die, für die der Haarausfall eine nicht zumutbare Belastung darstellt und die daher allein durch erzwungene Stigmatisierung oder die Ablehnung der Therapie ein Rezidiv bekommen. Ebenso fehlt zunehmend der Mut zum Positiven, beispielsweise Hoffnung zu geben. In unserer von Absicherung geprägten Medizin, welche letztlich nur noch die juristische Sicherheit des Arztes im Fokus hat, wird eine palliative Krebserkrankung nach wie vor häufig fälschlicherweise als absolut und definitiv nicht heilbar bezeichnet. Das Gegenteil ist häufig beschrieben und bewiesen. Nur die Tatsache, dass wir nicht vorhersagen können, bei welchem Patienten es „gut laufen“ und bei welchem es „schlecht laufen“ wird, ermächtigt uns nicht zu der Falschaussage, dass Hoffnung auf Heilung gar nicht existiert! Wir sind so gefangen in unserer Angst eine falsche Hoffnung zu geben, dass wir diese zu vermitteln, besonders in der Onkologie, häufig aufgegeben haben. Dabei hat diese ein schwer messbares, aber dem erfahrenen Arzt doch bekanntes, therapeutisches Potenzial. Diese Situation ist auch darin begründet, dass wir bereits im Studium dieses Thema gar nicht oder viel zu wenig schulen. Hier wären sowohl eigene Kurse als auch eigene Lehrstühle dringend erforderlich. Diese müssten dann jedoch auch von Personen besetzt werden, die sich allen therapeutischen Ansätzen gegenüber offen zeigen und unabhängig von anderen Lehrstühlen agieren und nicht einfach nur, wie häufig in staatlich geförderten Stellen für Integrative Medizin und Ernährungsmedizin, nur eine plakative Funktion haben. Es ist leider bezeichnend für das genannte Problem, dass Kollegen daher oftmals erst bereit sind sich über die reine Schulmedizin hinaus zu öffnen, wenn sie eigene Krankheitserfahrungen gemacht haben, eine Krankheit als Angehöriger miterlebt haben oder aus ihren formalen Ämtern mit den dazugehörigen Restriktionen ausgeschieden sind. Wissenschaftlich erwiesen weisen Ärzte mit längerer Berufserfahrung eine höhere Bereitschaft zu integrativen Verfahren auf, als solche mit kürzerer Berufserfahrung. Auch mir als Autor dieses Buches mussten erst die Schicksale meines Mentors Gerd Nagel und meines Sohnes Alvin Drevs die Augen zu einer anderen Sichtweise der Medizin öffnen. Prof. Dr. Gerd Nagel war Professor in Göttingen und Freiburg im Breisgau, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft und Vorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, bevor er selbst an Krebs erkrankte. Danach zeigte er als Direktor der Klinik für Tumorbiologie der Universität Freiburg im Breisgau und mit der Stiftung Patientenkompetenz in Deutschland und der Schweiz, unter Einbringung seiner Erfahrungen aus Patientensicht, neue Wege auf. Hätte die Krankheit meines Sohnes Alvin, welche ihn zu einem Kind mit jeglichem Handicap machte, vielleicht auch nicht verhindert werden können, so war es vor allem der Umgang der eigenen Kollegen und des medizinischen Systems mit uns als Angehörigen, welcher uns am eigenen Glauben zweifeln und nicht mehr an das Gute der reinen Schulmedizin glauben ließ.

Vorwort  IX

In einer Ausbildung mit einem Spagat zwischen einer universitären Schulmedizin und einer tumorbiologischen Klinik, haben diese Schicksale die Kraft und den Mut gegeben, neue Wege zu gehen – sowohl schulmedizinisch als auch integrativmedizinisch. Das aus der Engstirnigkeit der reinen Schulmedizin häufig zusätzlich verstärkte und dadurch anhaltende Leid der Patienten ist unermesslich und daher Motivation genug, mit dem Thema integrative Therapie und diesem Buch auch Aufklärungsarbeit zu leisten. So soll hier neben der Begrifflichkeit und den Inhalten zusätzlich aufgezeigt werden, dass IN der Schulmedizin und deren Kriterien individuelle Ansätze INTEGRIERT werden müssen. Zusätzlich gilt es, dem Patienten seinen individuellen Heilungsweg über weitere Wege zu ermöglichen und zu ergänzen. Dieses Buch sehe ich als meinen Beitrag, meinen Kollegen eine neue und andere Sicht der Medizin aufzuzeigen, und damit auch vielen Patienten eine individuellere und erfolgreichere Therapie zu ermöglichen. Ihr Joachim Drevs

Inhalt Vorwort  VII Verzeichnis der Abkürzungen  XV Glossar  XXI 1 Integrative Medizin  1 1.1 Integrative Onkologie  4 1.2 Stellenwert  6 2 Krebsentstehung unter integrativen ­Gesichtspunkten  7 2.1 Eigenschaften von Tumorzellen  7 2.2 Einflüsse auf die Karzinogenese  8 2.3 Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen  9 Das Immunsystem  13 3 3.1 Krebserkrankung und Immunsystem  14 3.2 Präventive Verfahren  16 3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  16 3.3.1 Antikörper  16 3.3.2 Immun-Checkpoint-Inhibitoren  17 3.3.3 Peptidimpfstoff  18 3.3.4 Dendritische Zellen  19 3.3.5 Adoptiver T-Zell-Transfer: Immunzellen im Labor aktivieren  22 3.3.6 Autologe Tumorzellvakzine  23 3.4 Virotherapie  26 3.5 Tuberkulosebakterien gegen Krebs  27 3.6 Hyperthermie  28 3.6.1 Biologische Effekte der Hyperthermie  28 3.6.2 Formen der Hyperthermie  28 4 Medikamentöse Therapie in der integrativen Onkologie  35 4.1 Pflanzenbasierte Chemotherapie  35 4.1.1 Vinca-Alkaloide  36 4.1.2 Camptothecine  38 4.1.3 Taxane  39 4.1.4 Podophyllin-Alkaloide (Epipodophyllotoxine)  42 Insulinpotenzierte Chemotherapie  44 4.2 4.3 Metronomische Chemotherapie  47 4.4 Methadon  50 4.5 Cannabis  52 4.5.1 Das menschliche Endocannabinoidsystem  52

XII  Inhalt 4.5.2 Cannabinoid-Rezeptoren  53 4.5.3 Verordnung und rechtlicher Rahmen  54 4.5.4 THC, CBD und weitere Cannabinoide  55 4.5.5 Anwendung gegen die Nebenwirkungen konventioneller Therapien  56 4.5.6 Cannabis gegen Krebs  58 4.6 AMT (Auron Misheil Therapie)  60 4.7 Salicylate  62 4.7.1 Prävention  62 4.7.2 Adjuvante Anwendung  63 5 Supplementtherapie  69 5.1 Mistel  69 5.2 Selen  72 5.2.1 Selenmangel  72 5.2.2 Studien  73 5.3 Curcumin  74 5.4 Resveratrol  75 5.4.1 Verlängerung der Lebensspanne  79 5.4.2 Resveratrol und Krebserkrankungen  80 5.4.3 Resveratrol und Gewichtsreduktion  82 5.5 Artemisinin  83 5.5.1 Studien  85 5.5.2 Alternativer Wirkmechanismus  85 5.5.3 Artemisinin als Tumortherapie  86 5.6 Weihrauch (H15)  86 Nebenwirkungen und Spätfolgen  89 6 Übelkeit und Erbrechen  90 6.1 6.2 Anämie  91 6.3 Herzinsuffizienz  91 6.4 Gedächtnisstörungen  92 6.5 Mukositis  92 6.6 Zweittumoren  93 6.7 Haarausfall (Alopezie)  93 6.8 Allergien  94 6.9 Spätfolgen  95 7 Maßnahmen zur Linderung von ­Begleiterscheinungen  97 7.1 Hämoperfusion  97 7.1.1 Indikationen  97

Inhalt  XIII

Mögliche Komplikationen  98 7.1.2 7.2 Lichttherapie  99 8 Ernährung  103 8.1 Krebsdiäten  104 8.2 Der Einfluss von Glucose oder Fructose auf Krebszellen  104 8.3 Ketogene Ernährung  107 8.3.1 Ernährungszustand  108 8.3.2 Kohlenhydrate  109 8.3.3 Tumorzellen mögen Glucose  110 8.3.4 Ketogene Diät gleich Therapie?  111 8.3.5 Studienlage  111 8.4 Zusatznahrung  112 8.5 Kaffee  113 8.6 Fazit  114 9 Bewegung  115 9.1 Dem Krebs davonlaufen  115 9.2 Warum wirkt Sport gegen Krebs?  116 9.3 Welche und wie viel Bewegung?  116 9.4 Der Muskel  117 10 10.1 10.2 10.3

Mentale Stärke  121 Informationsbedarf der Patienten  122 Heilfaktor Arzt  123 Big Data – Kritik an der „Absicherungsmedizin“  124

11

Tiergestützte Therapien  127

12 Diagnostik  129 12.1 Mikronährstoffe  129 12.2 Sensitivitätstests  131 12.2.1 Maintrac  131 12.2.2 Onconomics Test  133 12.2.3 Perthera Test  133 12.3 Makro-CKs  134 12.3.1 CK-MB-Masse  135 12.3.2 CK-MB-Aktivität  135 Tiergestützte Diagnostik  137 12.4

XIV  Inhalt 13 Schlaf  139 13.1 Schlaf und Immunsystem  142 13.2 Chronotherapie  144 13.3 Melatonin  146 13.4 Chronoonkologie  147 14 Grenzwertig integrative Ansätze  149 14.1 Sauerstoff (O2)  149 14.2 Ozon (O3)  150 14.3 Chlorophyll  152 14.4 Indol-3-Carbinol  152 14.5 Krebs-Stoffwechseltherapien (Zellatmungstherapie)  153 14.6 Procain-Basen-Therapie  154 15 Beispiele erfolgreich in Standardtherapien ­konvertierte Therapien  155 15.1 Wechselstrom  155 15.2 Individuelle Gentherapie mit CAR-T Zellen  156 15.3 Nabelschnurblut  158 16 Beispiele erfolgreich in leitliniengerechte ­Diagnostik konvertierte ­integrative ­Diagnostikverfahren  159 16.1 Liquid Biopsy  159 17 Zukunftsaussichten  161 17.1 Integrative Onkologie – Quo vadis?  162 18 Literatur  163 Stichwortverzeichnis  179

Verzeichnis der Abkürzungen µ AFP AGO

Mikro (millionster Teil einer Einheit). Der Tumormarker Alpha-Feto Protein. Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. und der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. AHB Anschlussheilbehandlung. AIDS Engl. „acquired immunodeficiency syndrome“, auch als HIV bekannt. AIO Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. ALL Akute Lymphatische Leukämie. AMG Arzneimittelgesetz. AML Akute myeloische Leukämie. ASS Acetylsalicylsäure, auch bekannt als „Aspirin“, sowohl präventiv, adjuvant bei malignen Tumoren wirksam. Auch direkte antitumorale Wirksamkeit. AZ Körperlicher Allgemeinzustand. BCG Bacillus Calmette-Guerin, Tuberkuloseerreger in abgeschwächter Form; in der antitumoralen Therapie lokal bei Harnblasenkrebs verwendet; auch als Immuntherapie beschrieben. BET Operation bei Mammakarzinom Patientinnen. Hier brusterhaltende Operation. BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. BfR Bundesinstitut für Risikobewertung. BfS Bundesamt für Strahlenschutz. BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit, Beschleunigung kann auf entzündliche Prozesse oder maligne Tumorerkrankungen Hinweisen. BMI Engl. „body mass index“, Beschreibt die Maßeinheiten von Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße; Zur Bestimmung von Adipositas oder Kachexie. BNHO Bundesverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland e. V. BPH Benigne Prostatahyperplasie, allgemeine Beschreibung der Vergrößerung der Prostata. BRCA 1 und 2 Breast Cancer-Gen 1 und Breast Cancer-Gen 2; beschreibt zwei Gene die für die hereditäre Entstehung des Mammakarzinoms als auch anderer maligner Tumorerkrankungen verantwortlich sind. BTM Betäubungsmittel, Medikamente, deren Anwendung an bestimmte Vorschriften gebunden sind; z. B. zentral wirksame Schmerzmittel (Opiate) oder Cannabinoid-haltige Substanzen. BWS Brustwirbelsäule. Ca Karzinom. CEA Allgemeiner Tumormarker; karzinoembryonales Antigen. CLL Chronische Lymphatische Leukämie; maligne Erkrankung des weißen blutbildenden Systems, Vermehrung und Entartung der Lymphozyten; zugehörig zu der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome. CML Chronische myeloische Leukämie; maligne Erkrankung des weißen blutbildenden Systems, Vermehrung und Entartung der Granulozyten; zugehörig zu der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome. CIN Cervikale intra-Epitheliale Neoplasie. CIS Carcinoma in situ. CT Computertomographie; Schnittbilddiagnostik mit Röntgenstrahlen. CR Engl. „complete remission“, komplette Remission.

https://doi.org/10.1515/9783110497106-202

XVI  Verzeichnis der Abkürzungen CSF DGHO DKFZ DKG DKH DKMS DNA DNS

ED EGF EEG EKG EORTC EGF

ER EbM

FIGO

FNP FSH FU G-CSF G GdB GF GIST GKV GM-CSF

GnRH GnRH-Analoga GCP Gy

Engl. „colony stimulating factor“, allgemeine Bezeichnung für Wachstumsfaktor. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V. Deutsches Krebsforschungszentrum. Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Deutsche Krebshilfe e. V. Deutsche Knochenmarkspenderdatei gGmbH. Engl. „desoxyribonucleic acid“, Desoxyribonukleinsäure, siehe auch DNS. Deutsche Bezeichnung für Desoxyribonukleinsäure; spiralförmiges aufgedrehtes Doppelmolekül, Träger der Erbinformation eines Lebewesens, im Zellkern in den Chromosomen verpackt. Erstdiagnose, engl. „extensive disease“, ausgedehnte Erkrankung. Engl. „epidermal growth factor“, epidermaler Wachstumsfaktor. Elektroenzephalogramm; elektrischen Messung der Gehirnströme. Elektrokardiogramm; oder auch: Herzstromkurve; elektrische Messung und Darstellung der Aktivität und der Erregungsleitung des Herzens. Engl. „European Organisation for Research and Treatment of Cancer“, Europäische Organisation zu Forschung in der Tumortherapie. Engl. „epidermal growth factor“, epidermaler Wachstumsfaktor; Wachstumsfaktor der Epidermis. Bindet an spezifische Rezeptoren auf der Membran von malignen Tumorzellen oder der Haut. Engl. „estrogen receptor“, Östrogen-Rezeptor. Engl. „evidence based medicine“, Evidenz basierte Medizin. Individuelle Behandlung eines Patienten basierend auf der existierenden Literatur zur jeweiligen medizinischen Fragestellung. Bezieht sich im Wesentlichen aber nur auf die statistische Relevanz. Franz. „Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique“, Internationale Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Stadieneinteilung gynäkologischer Tumore. Feinnadelpunktion. Follikel stimulierendes Hormon. 5-Fluoro Uracil, Chemotherapeutikum. Engl. „granulocyte colony stimulating factor“, Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor, Wachstumsfaktor zur Stimulierung der Hämatopoese. Engl. „grading“, Differenzierungsgrad. Grad der Behinderung. Engl. „growth factor“, allgemeine Bezeichnung für Wachstumsfaktor. Gastrointestinaler Stroma-Tumor. Gesetzliche Krankenversicherung. Engl. „granulocyte macrophage colony stimulating factor“, Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor, körpereigenes Glykoprotein als Teil der Immunantwort. Engl. „gonadotropin releasing hormone“, körpereigenes Hormon, das die Freisetzung der Gonadotropine stimuliert. Dem GnRH ähnliche, synthetisch hergestellte Analoga; Medikament, dass zur Senkung der Östrogen- oder Testosteronspiegel eingesetzt wird. Engl. „Good Clinical Practice“, professionelle klinische Umsetzung; Qualitätskriterien zur Umsetzung und Analyse von klinischen Studien. Engl. „Gray“, eine nach Louis Harold Gray benannte und von den SI-Einheiten Joule und Kilogramm errechnete Größe. Maßeinheit für die Dosis einer Strahlentherapeutischen Behandlung.

Verzeichnis der Abkürzungen  XVII

HR HBV

HCC hCG HD HER2/neu

HITT HIV HPV HRT HT IARC ICD-O IE IFN iFOBT IGeL IHC ICI

IMRT IORT i.m. i.v. IvP

J KPS

KMT KOF L

Engl. „Hazard Ratio“, Risikoverhältnis. Maß aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, welches die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt, berechnet. Hepatitis-B-Virus; Virus, das Entzündungen der Leber hervorrufen kann; eine chronische Leberentzündung steigert das Risiko, an einem hepatozellulärem Karzinom zu erkranken. Engl. „hepato cellular carcinoma“, hepatozelluläres Karzinom. Humanes Choriongonadotropin: ein Hormon, das auch als Tumormarker verwendet wird. Engl. „Hodgkin’s Disease“, Hodgkin-Lymphom. Engl. „human epidermal growth factor receptor 2“, humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2; Rezeptor, der manchmal vermehrt auf malignen Tumorzellen exprimiert wird. Offizieller Name ERBB2 = engl. „erb-b2 receptor tyrosine kinase“. Hochfrequenz-induzierte Thermo-Therapie; als lokale antitumorale Therapie von malignen Tumoren eingesetzt. Engl. „human immunodeficiency virus“, humanes Immunschwäche Virus (AIDSVirus), assoziiert mit bestimmten Krebsarten (Karposy Sarkom). Humane Papilloma Viren. Engl. „hormone replacement therapy“, Hormonersatztherapie; eine Therapie mit synthetischen Hormonen um körpereigene Mangelzustände auszugleichen. Hormontherapie, eigentlich Anti-Hormontherapie in der Behandlung von Hormon-abhängigen malignen Tumoren (z.B. Prostatakarzinom, Mammakarzinom). Engl. „International Agency for Research on Cancer“, Internationale Agentur für Krebsforschung, Abteilung der WHO. Engl. „International Code of Diseases – Oncology“, Ziffern-Buchstaben- Kombination zur eindeutigen Klassifikation von Erkrankungen. Internationale Einheit, Maßeinheit für viele natürliche Arzneimittel. Interferon, ein Zytokin. Immunologischer fäkaler okkulter Bluttest. Individuelle Gesundheitsleistungen. Engl. „immune histo-chemistry“; Immun-Histologie. Engl. „Immune checkpoint inhibitor“, Immun-Checkpoint-Inhibitoren; physiologisch vorkommende Moleküle, die autoimmune Reaktionen des Immunsystems unterdrücken. Auch von malignen Tumorzellen exprimiert, dadurch wird einen Immunreaktion gegen die maligne Tumorzelle blockiert. Engl. „intense modified radio therapy“, Intensitäts-modulierte Strahlentherapie. Engl. „intra operative radio therapy“, intraoperative Strahlentherapie; Strahlentherapie der Primärtumor-Region nach Resektion. Intramuskulär; Verabreichung von Substanzen in einen menschlichen Muskel. Intravenös; Verabreichung von Substanzen in eine menschliche Vene. Intravenöses Pyelogramm oder auch intravenöse Pyelographie; serielle Röntgenaufnahmen des Verlaufes eines Kontrastmittels durch die Nieren, den Ureters und die Harnblase. Engl. „Joule“, Einheit für Wärme und Energie; ehemals in Kalorien (cal) angegeben. Engl. „Karnofski performance status scale“, Karnofsky-Index; Skala zur Bestimmung der symptombezogenen Einschränkungen der Aktivität, Selbstbestimmung und Selbstversorgung von Patienten mit malignen Tumorerkrankungen. Die Skala reicht von 10–100 %. Knochenmarktransplantation. Körperoberfläche. Lymphgefäßinvasion, Beschreibt im Rahmen der TNM Klassifikation die Invasion von malignen Tumorzellen in Lymphgefäße.

XVIII  Verzeichnis der Abkürzungen LD LDH LH-RH LITT LK MRT MALT MDS MEN MM MRD

MRI N

NCI NHL NSAID NSAR NPL NSCLC NSE NW o. B. ORR

OS

PD p. o. p

PAP-Test

Engl. „limited disease“, maligne Tumorerkrankung in sehr frühem Stadium. Engl. „low dose“, niedrige Dosis. Abk. für Laktatdehydrogenase; ein Blutwert, der die Stoffwechselaktivität im Blut wiedergibt. Bei einigen malignen Tumorerkrankungen auch als Tumormarker geeignet. Siehe auch GnRH; im Hypothalamus synthetisiertes Hormon. Dessen Produktion steuert LH und FSH. Laserinduzierte Thermotherapie. Physikalische Therapie mit gezielter Anwendung thermischer Reize in Form von Wärmezufuhr. Lymphknoten; filtern die Lymphe aus ihrem zugehörigen Einzugsgebiet. Differenzieren und produzieren Lymphozyten. Magnetresonanztomographie, auch Kernspintomographie genannt; Schichtbilddiagnostik, welche mittels Magnetfeldern arbeitet. Strahlungsfrei. Engl. „Mucosa Associated Lymphoid Tissue“, Untergruppe einer speziellen LymphomArt. Myelodysplastisches Syndrom; maligne Knochenmarkserkrankung. Multiple endokrine Neoplasie; Erkrankung, für die Hormon-Ausschüttungen charakteristisch sind. Malignes Melanom, maligne Erkrankung der Haut. Multiples Myelom, maligne Erkrankung des Knochens. Engl. „minimal residual disease“, geringe Resterkrankung. Beschreibt einen minimalen, nicht mehr bildgebend nachweisbaren Restbefund einer malignen Tumorerkrankung nach einer Therapie. Engl. „magnetic resonance imaging“, Magnetresonanztomographie, siehe auch MRT. Engl. „node“, steht für Lymphknoten und wird bei der TNM-Klassifikation verwendet. Die Skala geht von 0 bis 3 und beschreibt das Fehlen bzw. Vorhandensein regionärer Lymphknotenmetastasen. Engl. „National Cancer Institute“, nationales Krebsforschungsinstitut in den USA. Non-Hodgkin-Lymphom. Nichtsteroidale Antiphlogistika. Nichtsteroidale Antirheumatika. Neoplasie. Engl. „non-small cell lung cancer“, nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom. Neuronspezifische Enolase: ein Laborwert der beispielsweise als Tumormarker bei Sarkom-Erkrankungen verwendet wird. Nebenwirkung. Ohne (krankhaften, auffälligen) Befund. Engl. „overall response rate“, Begriff aus klinischen Studien zu malignen Krebserkrankungen, der die Rate des Gesamtansprechens der Patienten auf die zu untersuchende Behandlung angibt. Engl. „overall survival“, Begriff aus klinischen Studien zu malignen Krebserkrankungen, der die Rate des Gesamtüberlebens der Patienten unter der zu untersuchenden Behandlung angibt. Eng. Progressive disease, fortschreitende Erkrankung. Lat. „per os“: durch den Mund. Engl. „pathological“, pathologisch. Zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die für den dahinter stehenden Parameter darauf hinweist, dass dessen Einteilung anhand einer histologischen Untersuchung erfolgt ist. Mikroskopische Untersuchung eines Abstrichs von Muttermund und Gebärmutterhalskanal auf Zellveränderungen; wird zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs durchgeführt.

Verzeichnis der Abkürzungen  XIX

PEG PET/CT

PET

PgR pn

Port

PR PSA PS (p)TNM QoL R

r RCT

RNS/RNA RT SCC SCF SD SLN

SZT STI Sv T

Perkutane endoskopische Gastrostomie; Operative Anlage eines künstlichen Magenzugangs zur klinischen enteralen Ernährung. Zeitgleiche Kombination aus einer Schnittbilddiagnostik (hier der Computertomographie) und einer Szintigraphischen Untersuchung (hier der Positronenemissionstomographie) in einer Maschine. Die Auswertung erfolgt einzeln und nach Überlagerung der Bilder koordiniert. Die Methode erlaubt dadurch nicht nur Aussagen zu Größe und Lage maligner Tumorherde, sondern auch zu deren Aktivität. Positronenemissionstomographie; unter Verwendung verschiedener radioaktiv markierter Tracer (je nach Tumorentität und Fragestellung) Ganzkörperdarstellung entsprechender aktiver Tumorherde. Progesteronrezeptor. Engl. „perineural Invasion“, perineurale Invasion. Zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die für das Fehlen oder Vorhandensein einer perineuralen Invasion, also Eindringens in regionale Nervenscheiden, steht. Dauerhaft operativ unter die Haut implantierbares Katheter System. Das Reservoir, welches aus Metall oder Kunststoff bestehen kann, wird mit einem Katheter konnektiert der subkutan verläuft und einen Zugang zu einer Vene oder Arterie herstellt. Die Silikonmembran des Reservoirs darf nur mit Spezialnadeln angestochen werden. Partielle Remission, Partialremission; Teilremission. Prostataspezifisches Antigen; Protein, das als Tumormarker für Prostatakarzinome verwendet wird. Zu unterscheiden sind freies und gebundenes PSA. Engl. „performance status“, Allgemeinzustand. Von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) festgelegte Stadieneinteilung für maligne solide Tumore. Zuletzt 2017 aktualisiert. Engl. „quality of life“, Lebensqualität. Engl. „residual tumor“, Residualtumor. Abkürzung für den Operationserfolgt. Beschreibt ob, und wenn ja, in welchem Umfang, Tumorreste bei der Operation zurückgeblieben sind. Rezidiviert; zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die dieser vorangestellt wird, wenn sich das Stadium auf einen Rezidivtumor bezieht. Engl. „randomized controlled trial“, Bezeichnung für eine randomisierte kontrollierte klinische Studie. Radio- und Chemotherapie. Ribonukleinsäure. Radiotherapie. Engl. „squamous cell carcinoma antigen“, Plattenepithelkarzinomantigen, wird als Tumormarker bei malignen Plattenepithelkarzinomen verwendet. Engl. „stem cell factor“, Stammzellfaktor, Wachstumsfaktor, der die Hämatopoese stimuliert. Engl. „stable disease“, Krankheitsstabilisierung. Engl. „sentinel lymph node“, Wächterlymphknoten. Beschreibt den das maligne Tumorgebiet drainierenden Lymphknoten. Ist dieser nicht durch maligne Tumorzellen befallen, kann auf eine operative Entfernung weiterer Lymphknoten verzichtet werden. Stammzelltransplantation. Signaltransduktionshemmer. Sievert. Engl. „tumour“, Tumor. Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die die Größe bzw. Ausdehnung des Primärtumors beschreibt.

XX  Verzeichnis der Abkürzungen TBI

TNF U UICC V.a. V VEGF

W+WE WHO X y z. A.  Z. n. ZNS

Engl. „total body irradiation“, Bestrahlung des gesamten Körpers, wie sie beispielsweise vor einer Stammzelltransplantation angewandt wird. Dies geschieht häufig im Rahmen einer allogenen Stammzelltransplantation und wird für die sog. Konditionierung durchgeführt. Tumornekrosefaktor; körpereigenes oder gentechnisch produziertes Zytokin, das zu den Wachstumsfaktoren gehört. Engl. „unit“, Einheit. Franz. „Union Internationale Contre le Cancer“. Verdacht auf. Veneninvasion, Zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die für das Fehlen oder Vorhandensein einer Invasion von malignen Tumorzellen in die Venen steht. Engl. „vascular endothelial growth factor“, vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor. Dieser wird von malignen Tumoren vermehrt sezerniert um die Tumorangiogenese zu stimulieren. Er bindet an spezifische Rezeptoren, die auf den neugebildeten Blutgefäßen des Tumors überexprimiert werden. engl. „watch and wait“ oder „Watchful Waiting“, Abkürzung für ein beobachtendes, abwartendes Verhalten ohne spezifische Therapie. Engl. „World Health Organisation“, Weltgesundheitsorganisation. Zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die für „keine Angabe möglich“ steht. Wird verwendet, wenn (noch) keine Einteilung erfolgen kann. Zusätzliche Abkürzung aus der TNM-Klassifikation, die für das Stadium nach einer vorausgegangenen neoadjuvanten Therapie steht. Zum Ausschluss. Zustand nach. Zentralnervensystem, Gehirn und Rückenmark.

Glossar Abdomen Abdominal Ablatio Abrasio Abstrich Abszess Active Surveillance

Adenokarzinom Adenom Aderhautmelanom Adjuvans adjuvant adjuvante Therapie

Adnexe Äquivalenzdosis

Aflatoxine Afterloading

Agonist

akut Albumin

Algesie Alkylanzien

Bauchregion, Bauchraum. Die Bauchregion betreffend. Amputation. Resektion von Gewebe durch Abschaben oder Abkratzen. Gewinnung einer Zytologie von der Haut- oder Schleimhautoberfläche. Bakterielle Anreicherung mit entsprechendem Sekret mit Bildung eines zystischen Tumors. Engl., anderer Begriff für „watch and wait“, also einem Zuwarten und Beobachten der Krankheitsentwicklung ohne aktive oder spezifische antitumorale Therapie. Maligne Tumorzellen, die Drüsengewebe entsprungen sind. Gutartiger Tumor, der von Drüsengewebe ausgeht. Melanom des Auges, hier der Aderhaut. Supportives Medikament, welches keine eigene antitumorale Wirkung hat, aber die Wirkung eines anderen Medikamentes verstärkt. Direkte Bedeutung = unterstützend, helfend, ergänzend. Vorsorgliche antitumorale Therapie, nach R0 oder R1 Resektion um eventuell vorhandenes, residuales, bildgebend nicht darstellbares, malignes Tumorgewebe zu behandeln. Dazu werden aber aufgrund fehlender Selektionskriterien alle Patienten postoperativ behandelt. Allg. Anhangsgebilde; in der Onkologie meist als Bezeichnung für die Ovarien verwendet. Äquivalent = gleichwertig; Gleichwertigkeit zweier Präparate mit gleichem oder vergleichbarem Wirkstoff und -prinzip in der klinischen Anwendung bezüglich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Von Aspergillus-Arten (Schimmelpilzen) gebildete Toxine, in höherer Dosis letal, in niedriger Dosis kanzerogen und Leberzell-schädigend. Engl., Nachladeverfahren, Verfahren der interstitiellen und intrakavitären Strahlentherapie bei dem die Strahlenquelle über zuvor platzierte Applikatoren temporär in den Körper in die Nähe des malignen Tumors eingebracht wird. Substanz (körpereigen oder körperfremd), die mit einem Rezeptor in Wechselwirkung tritt. Besitzt sowohl Affinität als auch intrinsische Aktivität am Rezeptor. Häufig auch als Mimetikum bezeichnet. Plötzlich auftretend und / oder schnell verlaufend in Bezug auf Krankheiten oder Schmerz. Wichtigstes Plasmaprotein mit einem Anteil von etwa 60 % an der gesamten intravasalen Proteinmenge. Wichtige Funktionen sind die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks, die Bindung und der Transport von hydrophoben Substanzen, z. B. nichtkonjugiertes Bilirubin, freie Fettsäuren, Hormone (T4, Aldosteron), Pharmaka, Spurenelemente (Kupfer, Zink) sowie Kalziumionen. Schmerz. Gruppe zytotoxisch und kanzerogen wirkender Stoffe (Zytostatika). Sie bewirken durch die Alkylierung (Einbau von Alkylgruppen) von Phosphat-, Amino-, Sulfhydryl-, Carboxyl- und Hydroxylgruppen in Nukleinsäuren eine Vernetzung von DNA-Strängen und damit eine Hemmung der Zellteilung.

https://doi.org/10.1515/9783110497106-203

XXII  Glossar Allogen

griech. „allos“, fremd; von genetisch differenten Individuen stammend. In der Onkologie v.a. im Rahmen von Stammzelltransplantationen verwendet. Alopezie Haarausfall. ambulant Medizinische Versorgung, die nicht stationär stattfindet. Aminosäuren Organische Verbindungen mit mindestens einer Carboxyl- und Aminogruppe. Die 21 proteinogenen α-Aminocarbonsäuren bilden die Primärstruktur der Peptide und Proteine. In der Natur kommen Aminosäuren aufgrund eines oder zwei asymmetrischer C-Atome als optisch aktive Verbindungen vor (außer Glycin) und haben meist die L-Konfiguration. Vervielfältigung einer Basensequenz bzw. eines Gens (Genamplifikation) oder Amplifikation Genomteils, z. B. zur vermehrten Produktion von ribosomaler RNA, besonders während der Embryonalentwicklung und in stoffwechselaktiven Zellen bzw. Tumorzellen oder im Rahmen der PCR. Operative oder traumatisch bedingte Abtrennung von Gliedmaßen, WeichAmputation teilen oder Gliedmaßenteilen. Verminderung der Erythrozyten, des Hämoglobins und / oder des Hämatokrits Anämie unter deren Normalwerte. Unempfindlichkeit gegen Schmerz-, Temperatur- und Berührungsreize; Anästhesie iatrogen im Rahmen einer Narkose herbeigeführt um invasive Diagnostik oder Behandlungen durchführen zu können. Medikamente, die die Schmerzwahrnehmung ausschalten ohne das BewusstAnalgetikum sein zu beeinflussen. Griech. Erinnerung; Krankengeschichte eines Patienten. Zu unterscheiden Anamnese sind 1. die durch Befragung des Patienten ermittelte Vorgeschichte seiner aktuellen Erkrankung sowie 2. patientenbezogene Aufzeichnungen des behandelnden Arztes in der Krankenakte einschließlich Stammdaten, erhobenen Untersuchungsbefunden und therapeutischen Maßnahmen. Übergang höher differenzierter Zellen in weniger differenzierte Zellen. Anaplasie Natürliche Verbindung zwischen Blut- (z. B. arteriovenöse Anastomose) oder Anastomose Lymphgefäßen, außerdem operativ angelegte Verbindung (Anastomosierung) von Hohlorganen wie Enteroanastomose, Gastroenterostomie, Choledochojejunostomie oder Blut- (z. B. gefäßchirurgischer Shunt zur Hämodialyse) und Lymphgefäßen. Lehre vom Körperbau und die Kunst des Zergliederns. Anatomie Sammelbegriff für die männlichen Geschlechtshormone, hauptsächlich Androgene Testosteron. Wachstum durch Aussprossung und Abspaltung von Blutgefäßen aus bereits Angiogenese vorhandenen Blutgefäßen. Abzugrenzen von der Neubildung von Blutgefäßen aus endothelialen Vorläuferzellen (Vaskulogenese). Angiogenesehemmer Sammelbegriff für Medikamente, welche die Angiogenese hemmen. Dies geschieht zum Beispiel über eine Blockade von VEGF (engl. „vascular endothelial growth factor“) und wird bei malignen Tumorerkrankungen und der Makuladegeneration eingesetzt. Physiologische Wirkstoffe werden durch Angiostatin und Endostatin, synthetische Wirkstoffe durch Antikörper wie Bevacizumab oder Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Sorafenib repräsentiert. Vaskuläre Anomalie. Angiom Pathologische Hemmung des Appetits. Anorexie Auch engl. „response“ oder engl. „remission“. Beschreibt den Anteil einer Ansprechrate Krankheitsverbesserung in Prozent.

Glossar  XXIII

Antagonist

Medikament, das einem Agonisten entgegenwirkt und damit die Aktivierung eines Rezeptors verhindert. Anthrazykline Zytostatika mit antibiotischer Wirkung, die aus Kulturen von Streptomyces spp. gewonnen werden und in der Chemotherapie verschiedener Krebsarten zum Einsatz kommen. Während der Behandlung mit Anthracyclinen muss aufgrund ihrer Kardiotoxizität die Funktion des Herzens engmaschig kontrolliert werden. Antiandrogene Substanzen, welche die Wirkung von Androgenen an den Erfolgsorganen hemmen. Frauen erhalten Antiandrogene u. a. bei schwerer Akne und im Rahmen der Hormonersatztherapie, Männer bei Prostatakarzinom. Nebenwirkung ist eine Verlängerung der QT-Zeit. Inhibierung der Angiogenese. Antiangiogenese Chemotherapeutika zur Therapie bakterieller Infektionen. Im eigentlichen Antibiotikum Sinn handelt es sich um Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, Bakterien u. a. Mikro- und Makroorganismen (Pflanzen), die auch synthetisch hergestellt werden. Der Prototyp ist das von A. Fleming 1928 entdeckte Penicillin G. Man unterscheidet bakteriostatische und bakterizide Antibiotika. Substanzen zur Prophylaxe und symptomatischen Therapie von Übelkeit und Antiemetikum Erbrechen. Sie werden eingesetzt bei onkologischer Chemotherapie, nach Operationen, in der Schwangerschaft und bei Niereninsuffizienz. Substanz, die von einem Organismus als fremd erkannt wird und eine speAntigen zifische Immunantwort (Bildung von Antikörpern oder immunkompetenten Lymphozyten) oder Immuntoleranz (Selbstantigen) auslöst. Schwächt die Wirkung von Histamin und damit Autoimmunreaktion (allerAntihistaminikum gischen Reaktionen). Antihormontherapie Behandlung, die gegen die Produktion und Wirkung von körpereigenen Hormonen wirkt. Gebräuchlicher ist eigentlich fälschlicherweise der Begriff „Hormontherapie“. Proteine, die Teil des erworbenen Immunsystems sind und so KrankheitsAntikörper erreger, abnorme Zellen oder andere körperfremde Strukturen erkennen und zerstören. Physiologisch als Bestandteil des Immunsystems; therapeutische im Rahmen von zielgerichteten und / oder Immuntherapien. Arzneimittel gegen Konvulsionen (Krampfanfällen), teilweise auch als Antikonvulsivum Schmerzmittel eingesetzt. Substanzen, die aufgrund struktureller Ähnlichkeiten Stoffwechselvorgänge Antimetabolit hemmen und somit die Proliferation von Zellen stören. In der Onkologie werden Antimetabolite wie bspw. Methotrexat oder 5-Fluorouracil als Zytostatikum eingesetzt. Fungistatisch oder fungizid wirkende Medikamente. Antimykotikum Wirkstoffe, welche die Wirkung von Östrogenen an den entsprechenden Antiöstrogene Organen hemmen. Anti-Östrogene kommen beispielsweise in der Therapie von Patientinnen mit Hormon-abhängigen Mammakarzinom zum Einsatz, oder zur Ovulations-Induktion bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Temporärer oder chronischer, doppelläufiger oder endständiger künstlicher Anus praeter Darmausgang in der Bauchwand, auch als „Kolostoma“ bezeichnet. Apparatives, meist vollautomatisches Blutauftrennungsverfahren. Es nutzt Apherese einen extrakorporalen Kreislauf, um einzelne Blutkomponenten zu gewinnen (bzw. zu entfernen) und die übrigen Blutbestandteile zurückzuführen.

XXIV  Glossar Apoptose

Asthenie Astrozytom

asymptomatisch Aszites

Aszitespunktion Atelektase autolog B-Lymphozyten

B-Symptomatik

Basaliom

Bilirubin

Biomarker

Biopsie Bisphosphonate

Zelluntergang, im Gegensatz zur Nekrose wird die Apoptose durch die genetischen Informationen der Zelle selbst ausgelöst. Daher auch bezeichnet als programmierter Zelltod oder Suizid der Zelle. Zentraler Bestandteil vieler Medikamente in der Onkologie. Rasche Ermüdung, Kraftlosigkeit und (psychische) Schwäche. Häufigster Tumor des Gehirns (über 60 %), von astroglialen Zellen ausgehend. Astrozytome kommen auch im Rückenmark vor und stellen dort 15 % der Tumoren (hier sind Ependymome häufiger). Therapie und Prognose hängen ab von Grading, Lokalisation, Ausdehnung und Lebensalter. Frei von Symptomen, ohne Beschwerden. Ansammlung von Flüssigkeit in der freien Bauchhöhle aufgrund einer Störung des Gleichgewichts zwischen portalem Blutdruck und Lymphproduktion sowie Lymphabstrom und kolloidosmotischem Druck. Verursacht u. a. durch Entzündungen oder Tumorabsiedlungen am Bauchfell. Diagnostische oder Therapeutische Entnahme von Aszites mittels Einmalkanüle oder Dauerkatheter. Auch als Parazentese bezeichnet. Zusammengefallener und nicht belüfteter Teil der Lunge, der nicht für die Atmung zur Verfügung steht. Vom gleichen Menschen stammend. Transplantation von körpereigenen Zellen oder Gewebe. Untergruppe von Lymphozyten, die sich ab der 8.–9. Entwicklungswoche im hämatopoetischen Gewebe der fetalen Leber sowie später im Knochenmark bilden und sich danach in den sekundären Organen des lymphatischen Systems ansiedeln. Charakteristische Zellmarker auf der Zelloberfläche sind CD19 und CD20. Symptomkonstellation mit Fieber > 38 °C, Nachtschweiß und Gewichtsverlust von > 10 % des Körpergewichts in den letzten 6 Monaten als Parameter für die Stadieneinteilung maligner Lymphome. Im weiteren Sinne steht der Begriff für eine unspezifische Begleitsymptomatik bei konsumierenden Erkrankungen wie malignen Tumoren sowie schweren subakuten oder chronischen Entzündungen. Auch Basalzellkarzinom, semimaligner Tumor (lokal infiltrierend aber nicht metastasierend) der Epidermis. Vorkommen v.a. im höheren Alter und im Gesicht. Abbauprodukt von Hämoglobin; Behinderung des Galleabflusses und damit Erhöhung des Blutspiegels führt zu Ablagerungen in der Dermis und damit zum Ikterus. Proteine, Enzyme oder Hormone, welche ein objektiv erkenn- und bestimmbares biologisches Merkmal darstellen, dessen Vorhandensein oder vermehrtes Vorkommen in Geweben und Körperflüssigkeiten ein unverwechselbares, physiologisches oder auf einen Krankheitszustand hindeutendes (z. B. Tumormarker) Kennzeichen ist. Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsat) von einem Patienten zur histologischen, zytologischen oder molekulargenetischen Diagnostik. Auch: Diphosphonate; Substanzgruppe mit struktureller Ähnlichkeit zur Pyrophosphorsäure. Bisphosphonate werden eingesetzt zur Behandlung von Osteoporose, Hyperkalzämie und Knochentumoren. Sie regulieren den Kalziumstoffwechsel, indem sie hemmend auf Osteoklasten wirken. Zudem werden Bisphosphonate nach Resorption in die Knochenmatrix eingebaut.

Glossar  XXV

Blutplasma

Flüssige Bestandteile des Blutes. Es macht 55 % des Gesamtblutvolumens aus. Es dient zur Wasserbindung und damit zum Erhalt des osmotischen Drucks und dem Stoffaustausch. Entfernt man auch die Gerinnungsfaktoren aus dem Blutplasma, wird es als Blutserum bezeichnet. Bolus Wörtl. Schuss, Bissen; schnell applizierte Anfangsdosis eines intravenös applizierten Medikamentes. In der Onkologie in manchen ChemotherapieProtokollen verwendet. Brachytherapie Verfahren der Strahlentherapie mit präziser gezielter Applikation von ionisierender Strahlung auf kurze Entfernung bei optimaler Schonung umliegender Gewebe. Brachytherapie wird angewendet bei Tumoren (kurativ oder palliativ) als interstitielle oder intrakavitäre Strahlentherapie, meist mit temporären oder permanenten Implantaten (Seeds), oder kardiologisch bei der In-StentRestenose. EBV-assoziiertes, endemisches Non-Hodgkin-Lymphom welches gehäuft Burkitt-Lymphom bei jungen Afrikanern und Südamerikanern vorkommt. Häufig in Kopf- und Bauchraum lokalisiert. Grampositive, kapsellose, sprossende Hefe von ovaler bis rundlicher Form, Candida albicans teils mit grampositiven Pseudohyphen. Candida albicans ist fakultativ pathogen u. a. für Mensch, Meerschweinchen, Maus, Ratte und Geflügel und ist der häufigste Erreger der Candidose. In Kultur vermehrt sich Candida albicans durch Sprossung (Blastosporen, Sprosszellen). Infektion durch Hefepilze der Gattung Candida. Gehäuftes Auftreten bei Candidose Patienten mit malignen Tumorerkrankungen aufgrund der Therapie-bedingten Schwächung des Immunsystems. Sammelbezeichnung für Substanzen aus indischem Hanf und deren synCannabinoide thetischen Derivaten. Zu den Cannabinoiden gehören ca. 70 verschiedene terpenoide Benzpyranderivate mit gemeinsamem Cannabinol-Grundskelett und ca. 21 C-Atomen. Sie wirken analgetisch, orexigen (Endocannabinoide), antiemetisch, muskelrelaxierend, sedierend, anxiolytisch und psychotrop (psychotrope Substanzen). Cannabinoide unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Abk. CIS; per Definition maligner Tumor, der aber die Basalmembran nicht Carcinoma in situ durchbrochen hat und keinen Anschluss an das Blutgefäßsystem hat; formal wegen der Zellstruktur aber einem Karzinom entspricht; Frühform einer malignen Tumorerkrankung. Die Behandlungsnotwendigkeit und -form ist umstritten. Compassionate Use Engl., wörtl. fälschlicherweise „Anwendung aus Mitgefühl“; in der integrativen Medizin weit verbreiteter Einsatz eines nicht zugelassenen Therapeutikums welches möglicherweise wirksam ist. Der Einsatz lehnt sich meistens an bereits durchgeführte oder laufende Studien an. Eingesetzt bei Patienten für die keine anderweitige erfolgversprechende Behandlung zur Verfügung steht. Der Einsatz ist seit 2010 durch das Arzneimittelgesetz und vom engl. „Off-Label-Use“, also dem Einsatz zugelassener Arzneimittel in anderer Indikation, abzugrenzen. Bereitschaft eines Patienten zur Zusammenarbeit mit dem Arzt bzw. zur Compliance Mitarbeit bei diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, z. B. Zuverlässigkeit, mit der therapeutische Anweisungen befolgt werden (sog. Verordnungstreue).

XXVI  Glossar Coping

Corticosteroide

Cortisol

Cortison

CUP-Syndrom Cyberknife

Dendritische Zellen

Depotpräparat Doppelblindstudie

Dysplasie

Dyspnoe

Ektomie

Prozess der Auseinandersetzung mit und Bewältigung von bestehenden oder erwarteten belastenden Situationen und Stressoren, der behaviorale, emotionale, kognitive oder motivationale Reaktionen umfasst. Das Konzept geht auf Lazarus (1960er) zurück, der damit den Fokus von den Stressoren auf die individuellen Ressourcen zur Stress Bewältigung lenkte. Steroidhormone, die in der Nebennierenrinde gebildet werden. Dazu gehören Mineralokortikoide (v. a. Aldosteron), Glukokortikoide (v. a. Kortisol) und Sexualhormone (v. a. Dehydroepiandrosteron, Östrogene). Kortikosteroide wirken über intrazelluläre Rezeptoren auf die Expression zahlreicher Gene. Im weiteren Sinne gehören synthetische Kortikoide dazu. Natürliches Corticosteroid welches in der Nebennierenrinde gebildet wird. Es wirkt katabol und als „Stresshormon“. Die Freisetzung wird stimuliert durch ACTH und unterliegt einer negativen Feedback- Regulation. Natürliche Vorstufe des in der Nebennierenrinde gebildeten Hormons Cortisol; nicht mehr im Handel befindlich aber trotzdem oft als Synonym von Cortisol verwendet. Engl. „cancer of unknown primary“, maligner metastasierter Tumor, dessen Ursprungsorgan nicht ermittelt werden konnte. Hochpräzisionsbestrahlungsgerät, das aus einem auf einen Roboterarm montierten Linearbeschleuniger und einem computergesteuerten Bildortungssystem besteht. Es ermöglicht einen flexiblen Einstrahlwinkel durch schwenkbaren Roboterarm und computergesteuerten Ausgleich von Patientenbewegungen durch permanente Ortung des Zielvolumens. Es ermöglich dadurch eine randgenaue Bestrahlung von malignem Tumorgewebe unter Schonung von gesundem Gewebe. Antigenpräsentierende Zellen, die Antigene über HLA-Klasse-I- und -II-Moleküle sowie CD1-Moleküle an spezifische naive T-Lymphozyten präsentieren. Sie haben Bedeutung für die Initiierung der Immunantwort durch T- und B-Lymphozyten gegenüber Protein- und Lipidantigenen. Dendritische Zellen sind morphologisch durch dendritenartige, lange Zellausläufer gekennzeichnet. In der integrativen Onkologie auch in der Immuntherapie verwendeter Begriff. In Bildmaterial häufig mit Tumorzellen verwechselt. Arzneimittel, welches seinen Wirkstoff kontrolliert und konstant über einen längeren Zeitraum abgibt. Klinische Studie, bei der weder Patienten noch Ärzte („Doppel“) wissen, in welche der zu vergleichenden Behandlungsformen der Patient randomisiert wurde. Damit wird vermieden, dass das Ergebnis von Seiten eines Bias des Therapeuten oder des Patienten verzerrt wird. Zudem wird ein möglicherweise verfälschender Placebo-Effekt eliminiert. Prä- oder postnatal sich manifestierende, morphologische, funktionelle oder histologische Anomalien aufgrund fehlerhafter Organisation, Proliferation, Differenzierung, Funktion oder Degeneration bestimmter Zelltypen oder Gewebe. Subjektiv erschwerte Atmung mit Anstrengung, Kurzatmigkeit oder Atemnot bis hin zur Erstickungsangst und Erschöpfung. Hinweisend sind Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und Einziehungen an den Nasenflügeln. Häufige Ursachen sind Ateminsuffizienz, kardiale, metabolische und zentrale Störungen. Die Therapie erfolgt kausal und symptomatisch (Sauerstoffgabe, Beatmung). Wortzusammensetzung; Totale operative Organ-Entfernung wie zum Beispiel bei Mastektomie oder Cholezystektomie.

Glossar  XXVII

Embolisation

Emesis

emetogen Ependymom

Epiphyse

Epithel

Erhaltungstherapie

Erstlinientherapie Evidenz

exokrin Exstirpation

Exzision Fatigue

FDA Fibrom

Künstlich herbeigeführte Embolisierung eines einen malignen Tumor versorgenden Blutgefäßes in der Behandlung maligner Tumore; dadurch wird die Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr gehemmt und / oder die Verweildauer von Medikamenten im betreffenden Tumorgewebe verbessert. Kraftvolles, meist mit Übelkeit verbundenes unwillkürliches Auswerfen von Magen-, selten Darminhalten. Ursache ist eine reflektorische Reaktion des Brechzentrums auf Reize wie Intoxikationen, Arzneimittel, Magen-DarmStörungen oder ZNS-Erkrankungen. Beschreibt das meist durch Zytostatika oder Antibiotika geförderte oder ausgelöste Erbrechen. Vom Ependym ausgehender glialer Tumor (6–12 % aller intrakraniellen Tumoren im Kindesalter). Typisches Erkrankungsalter ist bei Kindern bis zum 16. Lj. und Erwachsenen zwischen 30.–40. Lj. Auch: Zirbeldrüse; aus gefäßreichem Bindegewebe, Pinealozyten, Astrozyten und noradrenergen Nervenfasern bestehende Ausstülpung des Zwischenhirndaches. Pinealozyten bilden neben Polypetiden vor allem Melatonin. Das Melatonin wird bei Dunkelheit gebildet und beeinflusst wahrscheinlich den Rhythmus biologischer Vorgänge wie den Hell-Dunkel- oder den Schlaf-WachRhythmus. Geschlossener Zellverband, der innere Hohlräume und äußere Oberflächen des Körpers bedeckt. Das Epithel übt eine Schutzfunktion aus und dient dem Stoffaustausch und der Reizaufnahme. Es lässt sich sowohl nach Funktion als auch nach Aufbau unterteilen und weist verschiedene Oberflächendifferenzierungen auf. Weiterführung einer in der Akutphase einer Erkrankung eingeleiteten Therapie auch nach Abklingen der Symptomatik zur Reduktion der Rückfalloder Wiedererkrankungsrate. Auch engl. „First-Line-Therapy“, Therapie der ersten Wahl. Auch engl. „evidence“, im Kontext der evidenzbasierten Medizin verwendeter Begriff für Nachweis oder Beweis; beurteilt ob Informationen, die zur ärztlichen Entscheidungsfindung eingesetzt werden, in Form wissenschaftlichen, klinischen Studien untersucht und ausreichend bewiesen wurden. Heute Grundlage schulmedizinischen Handelns, für das Individuum von wenig Bedeutung. Nach außen absondernd; physiologischerweise Drüsen, die ihr Sekret an innere oder äußere Körperoberflächen abgeben. Komplette operative Entfernung von gesunden oder erkrankten Organen oder Geweben. In der Onkologie meist für die Entfernung von Lymphknoten verwendet. Beschreibt den chirurgischen Vorgang des Herausschneidens von Gewebe aus dem Körper ohne dabei Organgrenzen zu berücksichtigen. Zustand erheblicher anhaltender Schwäche und schneller Erschöpfbarkeit, mit eingeschränkter Fähigkeit zu körperlicher und geistiger Arbeit und somit der Erwerbsfähigkeit. Häufig besteht eine Assoziation mit anderen unspezifischen Symptomen wie Kopf-, Hals-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrationsund Gedächtnisstörungen. Der Zustand verschlechtert sich nach Anstrengung. Engl. „Federal Drug Administration“, US-amerikanische Arzneimittelbehörde. Benigner Tumor des Mesenchyms, besteht aus Bindegewebe und Kollagen. Meist sind die Sehnenscheiden betroffen.

XXVIII  Glossar Fibrosarkom Filiae Gammastrahlen

Gleason-Score

Glioblastom

Gliom Glucocorticoide

Grading

Granulozytopenie

Halbwertszeit

Hand-Fuß-Syndrom

Helicobacter pylori

Maligner Tumor der Fibroblasten. Gehört zur Gruppe der Sarkome (maligne Tumore des Bindegewebes). Lat. Töchter; Absiedlung von malignen Tumorzellen oder Zellverbänden über Blut- oder Lymphwege in primär nicht erkrankte Körperregionen. Begriff aus der Strahlentherapie; Energiereiche elektromagnetische Wellenstrahlung, die als Folge radioaktiver Kernumwandlung (Abgabe der Anregungsenergie des Tochternuklids) bzw. bei der Paarvernichtung entsteht. Auch Gleason-Klassifikation; besondere histopathologische Charakterisierung des Wachstumsmusters von Zellen eines Prostatakarzinoms zur Bestimmung dessen Malignitätsgrads. Beurteilt werden die verschiedenen histologischen Wachstumsmuster in der Biopsie oder dem Operationspräparat eines Prostatakarzinoms. Dabei werden Drüsenform, -größe und -abstand sowie die Stromainvasion untersucht und mit einem Wert von 1–5 Punkten bewertet (1: hochdifferenziert, dem normalen Gewebe sehr ähnlich; 5: extrem undifferenziert, aggressiv). Die Werte für das häufigste und zweithäufigste Wachstumsmuster im Probenmaterial werden anschließend addiert, sodass sich ein Gleason Score-Wert zwischen 2 und 10 ergibt. Maligner (WHO-Grad IV) astrozytärer Hirntumor (mit 12–15 % häufigster Hirntumor beim Erwachsenen; Prädilektionsalter 50.–70. Lj). Es tritt sporadisch auf, als Rezidiv eines Astrozytoms und selten im Rahmen familiärer Krebssyndrome. Nach Diagnosestellung mit MRT und Histologie folgen operative Resektion, Strahlentherapie und Chemotherapie. Oberbegriff für alle Hirntumoren, die von den Stützzellen des Gehirns ausgehen; zum Beispiel Glioblastom, Astrozytom. Auch Steroidhormone; werden in der Nebennierenrinde gebildet. Das bekannteste natürliche Glucocorticoid ist Kortisol. Die Wirkung ist Immunsuppressiv, damit auch antiallergisch. Differenzierungsgrad; histopathologische Einteilung von malignen Tumorzellen nach dem Grad der Differenzierung; beschreibt dabei wie weit sich die entartete Zelle im Vergleich zu ihrer Ursprungszelle verändert hat. Dabei werden Kriterien wie Anordnung der Zellen, die Zell- und Zellkern Morphologie und die Proliferationsrate beurteilt. Umgangssprachlich wird auch der Begriff der Bösartigkeit des Tumors verwendet. Es gibt 4 Grade: G1 (gut differenziert, hohe Übereinstimmung mit dem Ursprungsgewebe), G2 (mäßig differenziert), G3 (schlecht oder niedrig differenziert), G4 (nicht differenziert oder undifferenziert, kaum noch dem Ursprungsgewebe zuzuordnen). Verminderung der Granulozyten im Blut unter den Normalbereich; häufig durch Strahlen- oder Chemotherapie verursachte Komplikation, die mit einem erhöhten, teilweise lebensgefährlichen Infektionsrisiko einhergeht. Parameter, der angibt, nach welcher Zeit die Menge eines Stoffes (biologisch) oder strahlenden Substanz (physikalisch) auf die Hälfte des anfänglichen Maximalwerts abgefallen ist. Häufige Nebenwirkung von Zytostatika, die mit einer entzündlichen, schmerzhaften Hautveränderung palmar und plantar einhergeht, kann über eine reine Rötung bis hin zur Hautablösung gehen. Gramnegatives, die Magenschleimhaut befallendes und infizierendes Stäbchenbakterium. Der umgangssprachlich auch Magenkeim genannte Erreger verursacht Magengeschwüre und Gastritiden und ist Risikofaktor für maligne

Glossar  XXIX

high grade

Histologie Hodgkin-Lymphom

Hormon

Hyperthermie

Ileostoma Immunglobuline

Immunmodulation

Immunologie

Immunsystem

Immuntherapie

infiltrierend

Tumorerkrankungen wie das Magenkarzinom oder das MALT-Lymphom. Die Diagnostik erfolgt u. a. mittels Urease-Schnelltest oder 13C-Atemtest. Engl., steht für hochaggressiven, schnell proliferierenden und meist gering differenzierten Tumor mit hoher Metastasierungsrate. Dadurch auch hohe Sensibilität für Strahlen- oder Chemotherapie. Lehre vom Gewebe des Körpers. Malignes Lymphom mit histologisch charakteristischen Hodgkin-Zellen und Sternberg-Reed-Riesenzellen. Betroffen sind meist junge Erwachsene, die zu Beginn eine schmerzlose Lymphknotenschwellung aufweisen. Die Stadieneinteilung und damit auch die Prognose richten sich nach Ausbreitung des Lymphknotenbefalls; adaptierte Therapien ermöglichen langfristige Heilungsraten von > 80 %. Intrazelluläre Signalstoffe, die von endokrinen Organen gebildet werden und bereits in geringsten Konzentrationen den Stoffwechsel am Zielorgan charakteristisch beeinflussen. Wörtl. Überwärmung; in der Behandlung maligner Tumore iatrogen herbeigeführte Erhöhung der Körpertemperatur. Im Gegensatz zu Fieber keine Sollwertverstellung im hypothalamischen Zentrum für Temperaturregulation. Zu unterscheiden ist die regionale Hyperthermie von der systemischen (Ganzkörper-) Hyperthermie. Temporär oder chronischer, doppelläufiger oder endständiger künstlicher Darmausgang des unteren Dünndarms (Ileum) in der Bauchdecke. Eiweißstoffe, die von den B-Lymphozyten gebildet werden; dienen als Antikörper in Blut, Gewebeflüssigkeiten und Körpersekreten der körpereigenen Abwehr; es gibt Antikörper verschiedener Klassen (IgM, IgG, IgA, IgD und IgE), deren Nachweis und Differenzierung bei der Diagnose zahlreicher Erkrankungen helfen. Ein Immunglobulin-Mangel ist angeboren (primäres Antikörpermangelsyndrom) oder erworben (wie bei nephrotischem Syndrom oder Sepsis). Erhöhte Werte (Gammopathie) finden sich beispielsweise bei Infektionen und Autoimmunkrankheiten. Sehr allgemein gehaltene Begrifflichkeit für die Beeinflussung des Immunsystems durch körpereigene oder -fremde Substanzen. Hierbei wird primär die Beeinflussung des unspezifische Immunsystem beschrieben. Lehre von der Struktur und Funktion des Immunsystems sowie den Erkennungs- und Abwehrmechanismen eines Organismus für körperfremde (unter Umständen auch körpereigene) lösliche Substanzen und Gewebe. Die Immunologie umfasst zahlreiche Teilgebiete wie die Immunchemie, -genetik, -pathologie, -pharmakologie, -hämatologie und -endokrinologie sowie die Psychoneuro-, Tumor- und Transplantationsimmunologie. Die körpereigene Abwehr; bestehend aus einem funktionellen, komplexen Netzwerk aus verschiedenen Organen, Geweben, Zellen und Molekülen, die je nach Aufgabenstellung miteinander kommunizieren und zusammenwirken. Sammelbegriff für therapeutische Ansätze, die in irgendeiner Form die immunologischen Abläufe des Körpers beeinflussen; Früher als negativ behafteter Begriff alternativer oder komplementärmedizinischer Methoden verwendet. Heute Begriff eines festen Bestandteils antitumoraler Therapie bei Patienten mit malignen Tumorerkrankungen. Wachstum maligner Tumoren über Gewebe und Organgrenzen hinaus in Interzellulärräume, Gewebespalten, lymph- oder Blutgefäße und andere Organe.

XXX  Glossar Inhibitor Initialtherapie Inzidenz

Kachexie

kanzerogen Karzinogen

Karzinogenese klinische Studie

Konditionierung

Kontraindikation

Kontrollgruppe

Kreatin

Kreatinin

Krebsregister

Kryotherapie kurative Therapie Leitlinie

Hemmstoffe aller Art. Auch Erstlinientherapie, in der Regel erste Behandlung nach der Erkrankungsdiagnose. Epidemiologische Maßeinheit für das Auftreten einer Erkrankung oder eines Merkmals während eines bestimmten Zeitraums in einer bestimmten Population; meist angegeben pro 100.000 Einwohner bezogen auf den Zeitraum eines Jahres. Durch konsumierende chronische Erkrankungen sowie Unterernährung einschließlich der Anorexia nervosa verursachte schwere Form der Abmagerung mit generalisierter Muskelatrophie mit oder ohne Verlust an Körperfett. Einen malignen Tumor erzeugend. Als „karzinogen“ Synonym zu „kanzerogen“, als Hauptwort Stoff oder Faktor, der zur Entstehung von malignen Tumorerkrankungen (erhöhtes Risiko) führen kann. Die Entstehung maligner Tumorerkrankungen. Auch: klinische Prüfung; Prüfung von Wirksamkeit und Verträglichkeit neuer interventioneller Maßnahmen an Patienten in kontrollierten oder randomisiert kontrollierten Studien; durchgeführt in 3 Phasen nach den GCP Richtlinien (engl. „good clinical practice”). Zunehmend auch ambulant durchgeführt. 1) Erzeugen einer bedingten (konditionierten) Reaktion auf Reize, die ursprünglich diese Reaktion nicht hervorgerufen haben, durch Lernen. Der Lerninhalt kann durch Extinktion gelöscht (d. h. verlernt) werden. 2) in der Onkologie vorbereitende Therapie mittels Strahlen- und / oder Chemotherapie zur Vorbereitung auf eine Blutstammzelltransplantation. Kriterium, das die Anwendung eines Verfahrens bzw. Arzneimittels bei an sich gegebener Indikation in jedem Fall verbietet (absolute Kontraindikation) bzw. nur unter strenger Abwägung sich dadurch ergebender Risiken (relative Kontraindikation) zulässt. Typische Kontraindikationen sind z. B. bestimmte Vorerkrankungen, Alter, Verletzungen und Schwangerschaft. Auch: Vergleichsgruppe; Gruppe von Probanden in einem Experiment oder anderen Studien, bei der die unabhängige Variable nicht manipuliert wird oder die in einem Quasi-Experiment nicht das interessierende Merkmal aufweist. Eine Kontrollgruppe ermöglicht die Untersuchung von Effekten der unabhängigen Variablen durch Vergleich mit der Experimentalgruppe. Zwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels. Kreatin liegt in der Muskulatur nach dem 4. Lebensjahr in phosphorylierter Form als Kreatinphosphat vor. Kreatinphosphat dient der Regeneration von ATP, die Phosphatgruppe wird durch Kreatinkinase auf ADP übertragen, wobei ATP und Kreatin entstehen. Ein über die Nieren ausgeschiedenes Stoffwechselprodukt; lässt Rückschlüsse auf die Funktion und Ausscheidungsrate der Nieren zu; nicht zu verwechseln mit „Kreatin“. Eine zentrale Datenbank als Krankheitsregister, in welcher Patienten mit malignen Tumorerkrankungen erfasst werden; dabei besteht eine gesetzlich geregelte Meldepflicht. Häufig für Epidemiologische Untersuchungen verwendet. Lat. Behandlung mittels Vereisung; durch die Verwendung von Kälte wird malignes Tumorgewebe zerstört. Auch Kuration = Heilung; eine Therapie, deren Ziel die Heilung der behandelten Erkrankung ist. Empfehlung der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften für ärztliches Handeln (Diagnostik, Therapie, Prävention) ohne Haftungs-begrün-

Glossar  XXXI

dende bzw. -befreiende Wirkung. Medizinische Leitlinien basieren auf der sogenannten wissenschaftlichen Evidenz und sind „systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen im Rahmen der strukturierten medizinischen Versorgung“ (Europarat 2001); sie dienen zur Orientierung und Unterstützung von Ärzten bei der angemessenen medizinischen Versorgung. Leukopenie Auch: Leukozytopenie; Verringerung der Gesamtleukozytenzahl unter 4.000/mm3 als häufige Nebenwirkung einer Chemotherapie oder aber auch als Folge einer malignen Tumorerkrankung selbst; häufig mit zeitgleicher Verminderung der neutrophilen Granulozyten. Erhöhung der Zahl an Leukozyten über den jeweiligen Referenzbereich bei Leukozytose beispielsweise Infektionen; auch mögliches Zeichen für eine Leukämie. Benigner Tumor des Fettgewebes. Lipom Maligne Tumorerkrankung ausgehend von den Zellen des Fettgewebes; Liposarkom Seltenes, häufig gut differenziertes, myxoides, rundzelliges oder pleomorphes Sarkom, meist in den tiefen Weichteilen der Extremitäten (Bein häufiger als Arm) und im Retroperitoneum lokalisiert. Die Therapie besteht aus möglichst vollständiger Entfernung und Strahlentherapie zur Verminderung von Lokalrezidiven. Wiederauftreten eines malignen Tumors am Ort seines ursprünglichen EntLokalrezidiv stehens. Engl., niedrigen Grades; maligne Tumorzellen, die gut differenziert und relativ low grade ausgereift sind; charakterisiert durch eher langsames Wachstum. Lymphadenektomie Operative Entfernung von Lymphknoten, die isoliert oder systematisch-radikal durchgeführt wird. Sie wird im Rahmen der Diagnostik, z. B. Staging, oder der erweiterten Tumorchirurgie vorgenommen. Komplikationen bei systematisch-radikaler Lymphadenektomie, etwa axillär oder pelvin-paraaortal, sind u. a. Lymphödem, Serombildung und Schmerzen. Linsen- bis Bohnen-große, oval geformte Sekundärorgane des lymphatischen Lymphknoten Systems; filtern die Lymphe aus dem entsprechenden regionalen Einzugsgebiet. Daher meist der erste Ort, an dem sich Metastasen bilden. Bis 10 mm Größe normal, bis 2 cm Größe am ehesten entzündlich und ab 2 cm verdächtig auf malignen Tumorbefall. Nativ-Röntgenaufnahme der Brust in verschiedenen möglichen Projektionen Mammographie (kraniokaudal, mediolateral-schräg, Profilaufnahme, zusätzlich Spezialaufnahme der Axilla) unter Verwendung einer besonderen Technik. Meist wird die Rastertechnik angewendet. In der Regel werden beide Seiten untersucht, da es große individuelle Variationen in der physiologischen Gewebestruktur gibt. Zeitpunkt der letzten spontanen Monatsblutung einer Frau, der retrospektiv Menopause für ein Jahr lang keine weitere hormonell gesteuerte uterine Blutung nachfolgt; physiologisch um das 50. Lebensjahr. Auch Tochtergeschwulst; Streuherd von malignen Tumorzellen, die sich über Metastase die Blut- oder Lymphgefäße von ihrem Ursprungsort entfernt an einer anderen Lokalisation im Körper angesammelt haben. Chirurgie, die mit Hilfe spezieller Geräte, nur geringe Verletzungen der Haut minimal-invasiv oder gesunden Gewebes verursacht. Zellen, die von einem einzigen Zellklon ausgehen bzw. produziert werden. monoklonal Der Begriff wird beispielsweise bei monoklonalen Antikörpern oder der monoklonalen Gammopathie verwendet. Behandlung mit nur einem einzigen Arzneimittel. Monotherapie

XXXII  Glossar Morbidität

Myelosuppression Mykose

neoadjuvant

Neoplasie Neutropenie

Non-Responder

Onkogene

Onkolytische Viren Phytotherapie

Placebo

Pleurodese

Pouch

Proliferation engl. Response

Krankheitshäufigkeit innerhalb einer Population, die in bestimmten Größen (z. B. Inzidenz, Prävalenz) ausgedrückt wird. Die sog. Lebenszeitmorbidität ist der Anteil der Personen einer Population, die im Laufe ihres Lebens eine bestimmte Störung zeigen. Die Bezeichnung Morbiditätsrate wird häufig unspezifisch für Inzidenz oder Prävalenz verwendet. Herabgesetzte Funktion des Knochenmarks; häufige Nebenwirkung einer Chemotherapie. Durch Pilze verursachte oberflächliche oder systemische Infektion. Behandelt wird je nach Erreger mit Antimykotika. Auch ungünstige Milieus wie feuchtwarme Zehenzwischenräume begünstigen (lokale) Mykosen. Therapiert wird hier ebenfalls mit Antimykotika. Schwere Verläufe drohen bei lokaler oder generalisierter Abwehrschwäche wie häufig bei Patienten mit malignen Tumorerkrankungen vorhanden. Präoperative Behandlung mittels Strahlen- oder Chemotherapie vor chirurgischen Eingriffen in der Hoffnung den Tumor so zu verkleinern, dass die operativen Heilungschancen zunehmen. Zunehmend hält auch die antihormonelle Therapie Einzug in die neoadjuvante Behandlung. Wörtl. Neubildung; autonomer benigner oder maligner Tumor mit Störung oder Verlust der Wachstumsregulation. Relative oder Absolute Verminderung der Neutrophilen Anzahl unter den Referenzbereich. Häufige Nebenwirkung von Chemotherapien. Schwere Neutropenien ( 108) nach oder unter zytostatischer Therapie ausgelöstes, potenziell lebensbedrohliches klinisches Zustandsbild. Behandelt wird mit intensiver Flüssigkeitsgabe sowie bei akuter Hyperurikämie durch Rasburicase. Substanzen und zelluläre Veränderungen, deren qualitative oder quantitative Analyse eine Aussage über Vorliegen, Verlauf oder Prognose von malignen Erkrankungen ermöglicht. Im weiteren Sinn bezeichnen Tumormarker auch tumortypische Veränderungen im Genom oder Genexpressionsmuster und Proteinmuster (Proteomics). Iridoide Indolalkaloide. Gruppe von ca. 60 z. T. semisynthetisch veränderten Alkaloiden aus verschiedenen Immergrün-Arten. Vinca-Alkaloide hemmen die Zellteilung in der Metaphase und blockieren die DNA- und RNA-Synthese. Als Zytostatika in der Chemotherapie bei Krebspatienten werden z. B. die Mitosehemmstoffe Vinblastin und Vincristin eingesetzt.

1 Integrative Medizin Integrative Medicine is the practice of medicine and health that reaffirms the importance of the relationship between practitioner and patient, focuses on the whole person, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic and lifestyle approaches, healthcare professionals and disciplines to achieve optimal health and healing. (Consortium of Academic Health Centers for Integrative Medicine, 2009) Integrative Medizin ist die Form der Medizin und Gesundheit, die ihren Fokus auf der Beziehung zwischen Arzt und Patienten hat, sich auf die ganze Person fokussiert, sich auf Evidenz stützt aber sie nicht in der Intensität der Schulmedizin fordert und dabei alle relevanten therapeutischen Möglichkeiten, Gesundheitsberufe und -disziplinen nutzt, um optimale Gesundheit und Heilung zu erreichen. (Consortium of Academic Health Centers for Integrative Medicine, 2009) [1]

Der Begriff „Alternativmedizin“, welcher in der weiteren Entwicklung von der Begrifflichkeit „Komplementärmedizin“ abgelöst wurde, stellt Gegensätze und deutliche Abgrenzungen zur „Schulmedizin“ dar und spiegelt damit die jahrzehntelange Auseinandersetzung zwischen der in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten an den Universitäten gelehrten „wissenschaftlichen Medizin“ auf der einen Seite und Naturheilkunde, Homöopathie, Akupunktur, Traditioneller Chinesischer Medizin, Ayurveda, Qigong, Yoga, Atemtherapie, Meditation, Geistheilung und schamanischen Methoden auf der anderen Seite wieder. Die Integrative Medizin bezeichnet nun endlich das Zusammenwachsen der verschiedenen medizinischen Heilmethoden ohne Abgrenzung, sondern unter gleichberechtigter Einbindung aller medizinischer Methoden (Tab. 1.1) [2]. Befragt man Patienten zum Verständnis der Begrifflichkeit, kommt folgende zusammenfassende Beschreibung heraus: Ich verstehe die Integrative Onkologie als eine Kombination aus Elementen der Komplementärmedizin und konventioneller Krebstherapie, die in eine patientenzentrierte, evidenzbasierte Therapie mündet, mithilfe von Körpertherapie und Lebensstiländerungen (Patient, anonym [3]).

Tab. 1.1: Bestandteile der Integrativen Onkologie. Schulmedizin

Naturheilkunde

Psychoonkologie

Physiotherapie

Medikamente

Supplemente

Hypnose

Sport

Immuntherapie

Kneipp

Entspannung

Mobilisierung

Phytotherapie

Homöopathie

Mind-Body-Therapie

Yoga

Ernährung

Wickel

Aromaöltherapie

Fußreflexzonenmassage

https://doi.org/10.1515/9783110497106-001

2  1 Integrative Medizin

Im Grunde haben die Vielfältigen integrativ-medizinischen Verfahren bereits Einzug in unser Gesundheitssystem, unsere Gesundheitsökonomie und unseren Gesundheitsmedizinischen Alltag gehalten. Trotzdem berücksichtigen Lehre und Forschung unserer medizinischen Fakultäten, die sonstigen medizinischen Ausbildungen und die ärztliche Praxis diese gar nicht oder nur ungenügend. Die Folge ist ein sogenannter zweiter Gesundheitsmarkt welcher teilweise bis heute von Heilpraktikern sowie im Rahmen privater Initiativen wie Yogaschulen, Lebensberatungen, Coachings, Seminaren und Kursen beherrscht und praktiziert wird. Da die integrativ-medizinischen Ansätze lange Zeit nicht nach den gängigen wissenschaftlichen Kriterien untersucht wurden, fand diese Entwicklung unbeachtet von Wissenschaft und Gesellschaft statt. Derzeit beginnt die ehemals unkritische allgemeine Ablehnung aufzuweichen. Schon sehr viel weiter fortgeschritten ist diese Entwicklung in den USA (hier wurde der Begriff der Integrativen Medizin geprägt) und in Großbritannien (hier wird eher der Begriff „Integrierte Medizin“ verwendet) und hat nun aber auch in Deutschland begonnen. In den USA ist die Integrative Medizin an nahezu allen renommierten Universitäten – so an der Harvard Medical School in Boston, der Duke University in Durham, der University of Arizona in Tucson und der Mayo-Klinik in Rochester – als eigener Fachbereich vertreten [4]. In Deutschland ist sie bisher nur an wenigen progressiv lehrenden Universitätskliniken, wie z. B. Freiburg oder Essen, als eigener Fachbereich vertreten. In Tübingen entstand 2015 unter Federführung des Autors ein erstes Gesundheitszentrum, welches die universitäre Einbindung gesundheitsfördernder Maßnahmen (Salutogenese) als medizinische Behandlung auf Augenhöhe mit der bisherigen Krankheitsbehandlung repräsentiert. Der Begriff Salutogenese beschreibt ein von dem amerikanisch-israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky angewendetes Konzept. Es ist ein Paradigmenwechsel, welcher die Aufmerksamkeit von der Krankheit und ihren Ursachen (Pathogenese) auf die Faktoren der Gesundung und Gesunderhaltung lenkt. Einflüsse auf die Gesundheit: –– Ernährung –– Lebensstil –– Umwelt –– Hygiene –– Freunde –– Familie –– Schlaf –– Gesundheitsvorsorge –– Stress –– Sport –– Psyche

1 Integrative Medizin  3

Hier steht nun die Gesundheit als ganzheitliche Lebensqualität, die von den traditionellen wissenschaftlichen (biologischen und psychologischen) Kategorien nicht vollständig erfasst und definiert wird anstelle der Vermeidung bzw. Behebung von Krankheit im Vordergrund. Gesundheit ist damit also nicht nur die bloße Abwesenheit von Krankheit und Krankheit nicht ausschließlich nur das Gegenteil von Gesundheit. Diese Entwicklung, der nun immer mehr Ärzte, Forscher und Kliniken nachkommen, ist wohl in erster Linie dem wachsenden Druck von Seiten der Patienten zu verdanken. Also stellt sie eine Art Patienten-Initiative dar. Zu verdanken aber auch dem Paradigmenwandel vieler traditioneller Heilverfahren der Naturheilkunde, der Klassischen Homöopathie, der Traditionellen Chinesischen Medizin sowie Verfahren der Physiotherapie, Ernährungstherapie (Abb. 1.1) und Entspannungstherapie, Bereitschaft zu zeigen, ihre Erfolge in Form von wissenschaftlichen Studien zu belegen. Dies fördert letztlich sowohl die Akzeptanz als auch die wertschätzende Zusammenarbeit aller an der Behandlung beteiligten Therapeuten und Berater. 0 – 10 sitzende Aktivität

– 20

moderates Training intensives Training > 4 Std./Woche

– 30 – 40 – 50

Prämenopausal

Postmenopausal

Abb. 1.1: Körperliche Aktivität und relatives Brustkrebsrisiko. (Quelle: Thune et al., N Engl J Med 1997.)

4  1 Integrative Medizin

1.1 Integrative Onkologie Die Zahl der Entstehung von Krebserkrankungen wächst. So werden es im Jahr 2020 um die Hälfte mehr sein als heute (Abb. 1.2) [5]. Dabei sind immer öfter alte Menschen mit multimorbidem Gesundheitszustand betroffen, die eine nebenwirkungsreiche Tumortherapie nicht mehr gut vertragen. In der Entwicklung der Integrativen Medizin spielte die Integrative Onkologie eine wesentliche Vorreiterrolle. In der Onkologie entstand die Begrifflichkeit „Alternative Medizin“ aufgrund der bis heute weiterhin geringen Erfolgsquote der „Wissenschaftlichen Medizin“ und den häufig schweren Nebenwirkungen bei ihrem Einsatz. So griffen zwei von drei Patienten zusätzlich zu Chemo- und Strahlentherapie insgeheim zur „Alternativen Medizin“, sehr oft ohne dass der behandelnde Arzt etwas davon erfuhr, was die Grabenkämpfe zwischen der „wissenschaftlichen Medizin“ und der „Alternativen Medizin“ nur noch verstärkte. Wenn die Nebenwirkungen der Therapieangebote aus der modernen Spitzenmedizin unerträglich wurden, riskierten Patienten entweder einen Therapieabbruch oder machten sich selbst auf die Suche nach Mitteln, die ihnen Hoffnung versprachen – im Kampf gegen den Krebs oder zumindest gegen die Schmerzen an Leib und Seele. In der weiteren historischen Entwicklung waren es v. a. selbst oder als Angehörige betroffene Ärzte und Spezialisten, dank Derer die „Alternative Onkologie“ zur „Komplementären Onkologie“ hin weiterentwickelt wurde. Damit gelang der Versuch der einseitigen Akzeptanz, da die „wissenschaftliche Medizin“ die zentrale Behandlungsposition behielt, während der ehemals als entweder / oder verstandenen „Alternativen Medizin“ die untergeordnete Rolle einer Begleitbehandlung zugesprochen wurde. Damit wurde zumindest mehr Offenheit in der Arzt-Patienten-Kommunikati-

Abb. 1.2: Absolute Zahl von Neuerkrankungen und Sterbefällen an Krebs in Deutschland 1970– 2014 (Quellen: Zentrum für Krebserkrankungen, Statistisches Bundesamt).

1.1 Integrative Onkologie  5

on geschaffen. Dabei kamen vornehmlich salutogenetische Behandlungsmethoden zum Einsatz. Erst den jüngeren wissenschaftlichen Arbeiten zu positiven Wirkungen auf Krebserkrankungen durch salutogenetische Behandlungsmethoden wie v. a. Ernährung und Bewegung ist es gelungen, eine „Integrative Onkologie“ zu schaffen, in welcher krankheitsbekämpfende und gesundheitsfördernde Methoden, Erfahrungsmedizin und wissenschaftliche Medizin zusammengewachsen sind (Abb. 1.3) [6]. Einen wesentlichen Einfluss hatten dabei auch die Erfolge der wissenschaftlichen Medizin im Bereich der Immuntherapie. Galt früher der Begriff Immuntherapie noch als negativ behafteter Überbegriff für alle „Alternativen Therapien“ ist die Immuntherapie nun auch ein in der „wissenschaftlichen Medizin“ etablierter Therapieansatz. Dies hob wiederum die Akzeptanz bereits existierender Therapieabsätze der „Alternativen Therapien“ und förderte den Mut vieler Wissenschaftler, entsprechende wissenschaftliche Aufarbeitungen zu publizieren [7]. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber auch das Recht zur Aufklärung und Mitbestimmung der Patienten bei der Therapie. Nur wenn sich der Patient gut aufgehoben und nicht übergangen fühlt, schwinden Angst und Stress. Eine positive Einstellung, so zeigen jetzt auch Studien, führt zu signifikant verlängerter Lebenserwartung („Die Hoffnung stirbt zuletzt“). Ein erneuter Nachweis der Notwendigkeit, salutogenetische und wissenschaftliche Medizin inhaltlich sinnvoll zusammenzuführen.

Ernährung

Salicylate

Immuntherapie Sport

mentale Stärkung gesundheitsfördernde Maßnahmen

Supplemente krankheitsbekämpfende Maßnahmen

integrati ve Onkologie

Abb. 1.3: Integrative Onkologie umfasst gesundheitsfördernde und krankheitsbekämpfende Maßnahmen. Darstellung anhand von Beispielen.

6  1 Integrative Medizin

1.2 Stellenwert Unsere Medizin ist heute stark geprägt von Absicherung. Diese „Absicherungsmedizin“, welche häufig zurecht über mögliche Gefahren medizinischer Anwendungen aufklären muss, vergisst in zunehmenden Maß auch weiterhin Hoffnung zu machen. Die Angst falsche Hoffnung zu vermitteln und später dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden sitzt tief und wird schon früh in der ärztlichen Ausbildung gesät. So weisen wir Patienten permanent darauf hin, dass es in der Medizin keine Garantien gibt, keine 100 %ige Sicherheit auf Erfolg und Alles passieren kann, bis hin zum Tod, behaupten aber fälschlicherweise bei palliativen Tumorpatienten, dass es keine, also 0 % Chance auf Heilung gibt (Abb. 1.4). Eine Falschaussage mit fatalen Folgen, da Hoffnung signifikant die Lebenserwartung eines Tumorpatienten verlängern kann, diese zu nehmen aber den Krankheitsprogress beschleunigt [8]. Damit stellt die Integrative Medizin und insbesondere die Integrative Onkologie die moderne medizinische Praxis dar, welche Gespräche ebenso einsetzt wie Medikamente, Heilkunst ebenso wie Heiltechnik, komplementärmedizinische Verfahren ebenso wie Schulmedizin. „Medizin ist keine reine Naturwissenschaft, sondern eine ‚Erfahrungswissenschaft‘, die sich vieler anderer Wissenschaften bedient“ (J.-D. Hoppe, DÄ 46/2010).

Ohne Anspruch auf Vollzähligkeit soll im Weiteren exemplarisch versucht werden, klassische Beispiele einer integrativen Diagnostik und Therapie darzustellen. Wie bei der Integrativen Medizin gilt auch für die Integrative Onkologie, dass diagnostische und therapeutische Ansätze eine wissenschaftliche Rationale aufweisen, auch wenn diese nicht zwingend dem Evidenzanspruch der Schulmedizin gerecht werden müssen, krankheitsbehandelnd als auch gesundheitsfördernd sein können, ohne dabei das gesamte Therapiekonzept in Frage zu stellen. Sie können eigenständig als auch integriert in das schulmedizinische Konzept eingesetzt werden. Aktuelles System Wirksame Medikamente > keine Garantie

Sterben > „Garantie“

Heilung > keine Garantie

Uberleben > keine Garantie

Abb. 1.4:  Das aktuelle Absicherungssystem bei Krebserkrankungen, die als palliativ eingestuft werden.

2 Krebsentstehung unter integrativen ­Gesichtspunkten Warum heißt die Krankheit Krebs „Krebs“? Fest steht, dass die Bezeichnung „Krebs“ bereits auf die alten Griechen zurückgeht. Nachweislich wurde das Wort zuerst von Hippokrates (* um 460 v. Chr., † um 370 v. Chr.) verwendet. Er beschrieb gewisse Knoten und Geschwulste, die von erweiterten Blutgefäßen umgeben waren und nicht heilen wollten als „Karkinos“, da ihr Aussehen ihn an Krebstiere erinnerte, mit ihren Fangscheren und Füßen, wie sie die Fischer im Hafen seiner Heimatinsel Kos täglich fingen. Aristoteles (* 384 v. Chr., †322 v. Chr.), der aus einer Arztfamilie stammte, bezeichnete als Krebs oberflächlich feststellbare, in benachbarte Organe infiltrierende und einwachsende Geschwülste (etwa fortgeschrittener Hautkrebs oder Brustkrebs) [9]. Das Wort Tumor kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Wucherung, Geschwulst, Schwellung. Gutartige Tumore sind kein Krebs und nur selten lebensbedrohlich, da die Zellen von gutartigen Tumoren nicht in die benachbarten Gewebe oder in andere Körperbereiche ausstreuen. Ein gutartiger Tumor wächst verdrängend, indem er das umliegende Gewebe vor sich herschiebt. Gutartige Tumore können meist entfernt werden und wachsen nur selten nach. Ein Beispiel für einen gutartigen Tumor ist das Lipom (Fettgeschwulst). Bösartige Tumore (Karzinome) sind Krebs und können lebensbedrohlich sein. Der bösartige Tumor wächst infiltrierend, das heißt er löst das Gewebe um sich herum auf und zerstört dabei die Körperzellen. Bösartige Tumore streuen und greifen auf benachbarte Gewebe, Organe und Organsysteme über [10]. Sie können oft entfernt werden, können aber nachwachsen.

2.1 Eigenschaften von Tumorzellen Auf zellulärer Ebene fallen maligne Tumorzellen durch atypische Mitosen (untypische Teilung des Zellkerns; die Zelle enthält zu viele Zellkerne), unregelmäßige Formen und weitere Zellanomalien auf. Die Proliferation von malignen Tumorzellen ist abnormal, das heißt nicht vergleichbar mit der einer physiologischen Proliferation. So fehlt häufig der Regulationsmechanismus der Apoptose, also der Mechanismus des programmierten Zelltods oder Zellsuizids, der die Wachstumsquote kontrolliert. Zudem sind maligne Tumorzellverbände durch eine geringere Zell-Zell-Affinität charakterisiert, was die hämatogen und lymphogene Metastasierung durch Ablösen aus dem Zellverband erklärt [11]. Auf diese Art gelangen maligne Tumorzellen über Lymph- oder Blutgefäße in andere Organe, in denen sie, je nach biologischer Voraussetzung, Metastasen bilden können. https://doi.org/10.1515/9783110497106-002

8  2 Krebsentstehung unter integrativen ­Gesichtspunkten

Maligne Tumorzellen sind zudem meistens stark mutagen. Dies bedingt eine Wandlungsfähigkeit, die es ihnen ermöglicht sich auch an die Verhältnisse anderer Organe anzupassen [12]. Maligne Tumorzellen können nicht nur aus fast jedem Organ oder jeder Zelle entstehen, so dass weit über 100 verschiedene maligne Tumorerkrankungen bekannt sind, sie sind häufig auch sehr heterogen. Das heißt, dass sie nicht nur aus einem einzigen Zelltyp bestehen, sondern eine Mischung aus Zellen mit verschiedenen Charaktereigenschaften aufweisen. Das erklärt auch die hohe Rate an Rezidiven und Resistenzen gegenüber den verschiedenen Therapieformen. Die Entstehung von malignen Tumorerkrankungen ist multifaktoriell. Eine zentrale Rolle spielen dabei extrinsische Risikofaktoren und genetische Eigenschaften des Individuums. Durch diese Kombination entsteht ein individuell sehr unterschiedliches Risikoprofil des einzelnen Menschen eine maligne Tumorerkrankung zu bekommen. Hinzu kommen unterschiedliche Fähigkeiten zur Regeneration, bedingt durch Varianzen in den Reparatur-Enzymen Maligne Tumorerkrankungen sind bis auf wenige Ausnahmen nicht vererbbar. Vererbt werden kann aber ein fehlerhaftes Proliferations- oder Regenerations- oder Apoptose-Verhalten welches ähnlich den extrinsischen Risikofaktoren zu einer erhöhten Anfälligkeit für maligne Tumorerkrankungen führen kann [11].

2.2 Einflüsse auf die Karzinogenese Jeder Mensch ist täglich schädlichen Einflüssen ausgesetzt, die Körperzellen zerstören oder zumindest schädigen [6]. Die körpereigenen „Werkstätten“ in Form von Reparaturenzymen reparieren entweder diese Zellen oder zerstören sie. Doch manchmal machen diese „Werkstätten“ Fehler: Die geschädigte Zelle bekommt fälschlicherweise im übertragenen Sinne so etwas wie ein „TÜV-Siegel“ und wird als voll funktionsfähig entlassen. Die schädlichen Einflüsse auf die Zellen sind vielfältig. Je mehr Zellen betroffen sind, desto höher ist das Risiko einer Krebserkrankung. Personen mit häufigem Zigaretten- und Alkoholkonsum haben beispielsweise ein höheres Risiko, an Krebs zu erkranken. Auch Übergewicht, zuckerreiche Ernährung, Stress und Bewegungsmangel gelten als Krebsrisikofaktoren. Auch wer sich häufig ungeschützt der Sonne aussetzt, hat ebenfalls ein erhöhtes Risiko an Krebs zu erkranken. Schätzungen zufolge können etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen durch Änderungen im Lebensstil vermieden werden [6]. Auf die Umweltfaktoren, denen der Körper ausgesetzt ist, hat man nur bedingt Einfluss. Es gibt einige bekannte Kanzerogene, die im täglichen Leben eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielen. Dazu gehören beispielsweise Asbest oder manche Chemikalien und Umweltgifte, aber auch die natürliche Strahlung. Neben äußeren Risikofaktoren spielt die genetische Grundausstattung jedes einzelnen Menschen eine Rolle: Manche Menschen haben ein erhöhtes Krebsrisiko,

2.3 Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen  9

weil sich in allen Zellen ihres Körpers Veränderungen am Erbmaterial finden, die die Krebsentstehung fördern. Nicht jeder Mensch mit einer bestimmten Erbanlage erkrankt zwangsläufig an Krebs. Eine weitere Quelle für Fehler ist der Zellstoffwechsel selbst: Bei normalen Stoffwechselvorgängen in einer Zelle bilden sich sogenannte freie Radikale, die das Erbmaterial schädigen können. Außerdem kann es bei Zellteilungen zu Fehlern kommen. Solche Fehler finden sich dann nicht im ganzen Körper, sondern nur in der betroffenen Zelle. Viele der Fehler und Schäden am Erbmaterial bleiben ohne Konsequenzen, weil sie repariert werden oder die Zellen absterben. Schafft es eine Zelle jedoch sich trotz Schaden weiter zu teilen, kann Krebs entstehen. Je länger ein Mensch lebt, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von bleibenden Fehlern und Schäden. Deshalb steigt mit zunehmendem Lebensalter das Risiko, an Krebs zu erkranken [13].

2.3 Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen Es gibt einige wesentliche Unterschiede zwischen normalen, gesunden Zellen und malignen Tumorzellen. –– Teilweise unabhängig von Wachstumsfaktoren: Gesunde Zellen benötigen zur Proliferation ein intaktes System Aus Wachstumsfaktoren und Rezeptoren. Dieses ist bei malignen Tumorzellen häufig durch Mutation oder Überexpression von Rezeptoren gestört. Meistens führt dieses zu einem autonomen Wachstum, fehlender Apoptose und Überexpression von spezifischen Rezeptoren [14]. –– Resistenz gegenüber apoptotischen oder proliferationshemmenden Signalen: Das Gleichgewicht zwischen Proliferation und Apoptose ist bei malignen Tumorzellen gestört [11]. –– Unbegrenzte Proliferation: Während Zellen von gesundem Gewebe eine Limitierung in der Anzahl der Zellteilungen besitzen ist dies bei malignen Tumorzellen aufgehoben. Dieser Mechanismus wird über Telomere geregelt, welche sich bei jeder Zellteilung verkürzen. Erreichen sie eine kritische Kürzung, blockieren sie die weitere Proliferation. –– Fehlen der Apoptose: Gesunde Zellen sind fähig den „programmierten Zelltod oder Suizid“ zu begehen, vorausgesetzt sie weisen Schäden auf. Obwohl maligne Tumorzellen ausreichend Schäden aufweisen um entsprechend in die Apoptose zu gehen ist dieser Regelmechanismus und die dazugehörigen Signalwege gestört. [14]. –– Angiogenese zur Versorgung des Tumors anregen: Proliferierende maligne Tumorzellen von soliden Geweben benötigen wie gesundes Gewebe eine Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen über die Blutgefäße. Normalerweise ist die Menge und Verteilung der Blutgefäße bei Erwachsenen nach der Geburt konstant, d.h. es werden mit wenigen Ausnahmen in einem gesunden Körper keine

10  2 Krebsentstehung unter integrativen ­Gesichtspunkten

neuen Blutgefäße mehr gebildet. Bei Bedarf werden nur bestehende Blutgefäße mehr genutzt. Maligne Tumorzellen können jedoch die Bildung neuer Blutgefäße anregen. Dafür bilden sie Wachstumsfaktoren wie den „vaskulären Endothelwachstumsfaktor“, abgekürzt VEGF (engl. vascular endothelial growth factor), der durch die Bindung an spezielle Rezeptoren auf der Oberfläche der Blutgefäße die Angiogenese auslöst (sog. Angiogener Switch) [15]. –– Invasion und Metastasenbildung: In der Regel haben Zellen einen festen Standort im Körper: Sie bleiben in ihrem Gewebeverband. Zu den wenigen Ausnahmen gehören zum Beispiel Blutzellen. Tumorzellen können dagegen zerstörend in umliegendes Gewebe einwachsen. Manche Krebszellen lösen sich aus ihrem Gewebe, bewegen sich im Körper fort und bilden in anderem Gewebe Tochtergeschwulste – sie metastasieren. Viele Krebszellen zeigen weitere Unterschiede zu normalen Zellen: Sie stellen ihren Stoffwechsel um und gewinnen zum Beispiel Energie auf eine andere Weise als gesunde Zellen. Solche Stoffwechselumstellungen betreffen aber nicht alle Tumorzellen und sind bei manchen Tumorarten seltener zu beobachten als bei anderen [16]. Die Unterschiede von Tumorzellen im Vergleich zu normalen Zellen entstehen nicht gleichzeitig, sondern schrittweise. Der erste Schritt: Eine zufällige oder durch äußere Einwirkungen ausgelöste Veränderung des Erbmaterials bietet einer Zelle einen Vorteil. Zum Beispiel wächst sie schneller als ihre Nachbarn (Abb. 2.1). Der zweite Schritt: Durch ein weiteres Ereignis erlangt eine von dieser Zelle abstammende Tochterzelle erneut einen Vorteil. Zum Beispiel reagiert sie nicht mehr auf Signale für den programmierten Zelltod. Weitere Schritte: Manche Zellen sammeln auf diese Weise im Verlauf der Zeit alle Veränderungen an, die dafür nötig sind, einen Tumor zu bilden (Abb. 2.1). Obwohl die Zelle offensichtliche Schäden aufweist, kann sie aus unbekanntem Grund trotzdem als „gesund“ wahrgenommen werden und bekommt durch die Im-

Schädigung

CTL PD1 CTL PD1

Möglichkeit 1



Apoptose

glich

ke i t 2

ise rwe iche l h c s l fä

Reparatur Abb. 2.1: Entstehung von Präkanzerosen durch Fehlsteuerung des Immunsystems.

2.3 Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen  11

munzelle eine „Markierung“, ähnlich einem TÜV-Siegel für gesunde Zellen. Daher kann das Immunsystem diese Zelle nicht mehr als fehlerhaft erkennen. Das bedeutet, dass sich die Lymphozyten, also die Immunabwehr, zwar an diese Zelle anhängen, aber das „TÜV-Siegel“ eine Blockade gegen das Immunsystem auslöst, das keine Zelle angreifen darf, die ein frisches „TÜV-Siegel“ trägt. Diese Tumorzelle kann sich nun vermehren und gibt dabei sowohl ihre Schädigung als auch ihr „TÜV-Siegel“ weiter (Abb. 2.1). Somit hat jeder Mensch Millionen solcher Tumorzellen (Präkanzerosen) in seinem Körper, die mit steigendem Alter zunehmen. Die Tumorzelle kann sich bis zu einer Grenze von 2–3 mm ohne Blutanschluss im Körper vermehren. Sie ernährt sich mit Sauerstoff und Nährstoffen durch Diffusion, einem passiven Transportprozess, für die die Zelle keine Energie aufwenden muss. Danach tritt ein Wachstumsstillstand ein. Normalerweise findet in einem geborenen Körper kein Blutgefäßwachstum statt. Doch erstaunlicherweise bildet der Tumor um weiter wachsen zu können eigene Blutgefäße, um sich mit zusätzlichem Sauerstoff, Glukose und Hormonen zu versorgen. Der Prozess der Ausbildung eines Gefäßsystems wird als „Angioneogenese“ zusammengefasst [15]. Sobald der Tumor Blutgefäßanschluss hat, kann er in das umgebende Gewebe eindringen. In diesem Fall spricht man von einer invasiven Krebserkrankung. Ebenso können nun aktive Krebszellen in das Blut oder das Lymphsystem gelangen und so andere Körperregionen erreichen, um sich dort anzusiedeln und erneut einen Tumor (Metastase oder Sekundärtumor) zu bilden. Warum das bestimmte Tumore tun und andere „ruhen“, hängt von vielen Faktoren ab [17]. Welche die auslösenden Faktoren im Einzelnen genau sind, kann bisher niemand mit Sicherheit beantworten. Es handelt sich immer um ein multifaktorielles Geschehen und es sind immer unterschiedliche Umstände, die hier zusammentreffen. Ein Tumor an sich tut nicht weh und man fühlt sich nicht krank, da aufgrund des „TÜV-Siegels“ unser Immunsystem nicht reagiert [17]. In der Regel vergrößern sich die Heilungschancen, je früher man den Tumor diagnostiziert. Früherkennungsuntersuchungen stehen zur Verfügung bei Brustkrebs, Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hautkrebs, Kehlkopfkrebs und Prostatakrebs. Trotzdem bleibt das wesentliche Problem der Tumorerkrankung die fehlende Reaktion des Immunsystems auf die entarteten Zellen. Ein schwaches Immunsystem ist nicht der Grund weshalb dieser Mechanismus nicht ausgelöst wird. Vielmehr fehlt die Fähigkeit, die Tumorzelle als „falsch“ zu erkennen.

3 Das Immunsystem Das Immunsystem spielt in der integrativen Medizin einen wesentlichen Stellenwert. Zum einen basieren viele Therapieansätze in der Modulation des Immunsystems, zum anderen galt der Begriff „Immuntherapie“ viele Jahre als generalisiert verwendeter Begriff zur (negativen) Beschreibung integrativer Therapien. Das Immunsystem ist ein immer noch nur begrenzt verstandenes System, in welches einzugreifen schwierig ist. Mit der Entwicklung neuer Medikamente ist es aber auch in der Schulmedizin „hoffähig“ geworden [18]. Im weitesten Sinne nimmt man zunächst folgende Unterteilung vor: Anatomische bzw. mechanische Barrieren Mechanische Barrieren zur Abwehr vor Viren oder Bakterien oder Giften stellen die Haut, die Schleimhäute, die Nasenhaare oder die Flimmerhärchen auf der Bronchialschleimhaut dar. Sie sind die erste Instanz der Abwehr und garantieren unser Überleben im Biotop, indem sie die gröbsten Angriffe mechanisch von außen abhalten. Dazu gehört auch die Magensäure. Sie macht dabei Keime chemisch unschädlich, die über die Nahrung in den Körper gelangen [19]. Die natürliche humorale Abwehr Sollte es Viren, Bakterien oder Toxinen doch gelungen sein die diversen mechanischen Barrieren des Immunsystems überwunden zu haben, kümmern sich im Körper weitere Komponenten des Immunsystem – bestehend aus Makrophagen, Monozyten oder Granulozyten – um die Abwehr [19]. Die natürliche Abwehr wird dabei nicht ohne Grund auch „unspezifische Abwehr“ genannt. Alles was dem Körper fremd und potenziell bedrohlich erscheint, wird beseitigt. Es erfolgt dabei keine spezifische Analyse um welchen Virus, welches Bakterium oder welches Toxin es sich genau handelt. Genauso gibt es keinen Merk(Memory-)Effekt, die unspezifische Abwehr merkt sich ihre Abwehrmechanismen nicht. Schädlinge oder Substanzen werden einfach phagozytiert und nach und nach abgebaut. Die „spezifische“ Abwehr Die im Knochenmark produzierten B-Lymphozyten und die im Thymus reifenden T-Lymphozyten repräsentieren die spezifische Immunabwehr. Die T-Lymphozyten werden dabei in den Lymphknoten und der Milz, wo sie spezifische Antikörper gegen die Erreger bilden, gesammelt. Sie richtet sich entsprechend gezielt gegen Erreger. Zudem merkt sich das Immunsystem hier die Beschaffenheit der Erreger, der sogenannte Memory Effekt. Bei einer Re-Infektion ist der Körper somit vorbereitet und kann schnell und wirkungsvoll reagieren. Diese Form der Abwehr muss allerdings https://doi.org/10.1515/9783110497106-003

14  3 Das Immunsystem

erst gelernt werden, steht also nicht sofort zur Verfügung. In der Regel dauert es ein 8–10 Tage, bis die spezifische Abwehr voll einsatzbereit ist. Diese Phase nennt mach auch die Boost-Phase. Ist der Schutz aber erst einmal erlernt, bleibt er über viele Jahre bestehen. Die hyperreagible Abwehr Ab hier schießt das Immunsystem über das Ziel hinaus und versucht völlig harmlose Stoffe wie z. B. Pollen beim Asthmatiker zu bekämpfen. Zudem bildet es IgE-Antikörper anstelle von IgG-Antikörpern, die dann die entsprechenden Symptome auslösen. Noch heute können wir diese Überfunktion nicht heilen, sondern nur symptomatisch behandeln [19]. Die fehlgesteuerte Abwehr Werden körpereigene Zellen bzw. Organe als fremd erkannt, kommt es zur Autoimmunerkrankung wie bei der rheumatoiden Arthritis oder dem Morbus Basedow. Die dadurch in den Organen ausgelösten Entzündungen können unterschiedlich schwere Verläufe nehmen. Auch hier steht bis heute nur eine symptomatische Behandlung zur Verfügung [19]. Die geschwächte Abwehr Von einem Immundefekt spricht man, wenn die Immunabwehr gegen Gefahren nicht oder nicht ausreichend funktioniert, wie bspw. AIDS [20].

3.1 Krebserkrankung und Immunsystem Im Zusammenhang mit Krebserkrankungen findet man wiederkehrend folgende Fehlinformationen: –– Krebs entsteht durch ein schwaches Immunsystem –– Eine Stimulierung des unspezifischen Immunsystems wirkt gegen Krebs [21] Da die Krebsentstehung aus einer eigenen gesunden Körperzelle erfolgt und diese – ob als Vorstufe oder wachsender maligner Tumor – über CTL-4, PD-1 und andere mit ausreichend „TÜV“-Siegeln versorgt ist, wird die Krebszelle vom Immunsystem als gesunde unauffällige Zelle nicht beachtet (Abb. 3.1). Daher spielt das Immunsystem bei der Entstehung einer Krebserkrankung keine Rolle. Auch eine Stimulierung des unspezifischen Immunsystems bleibt ohne Auswirkung auf die Erkrankung [22]. Dieses Wissen auf der einen Seite und der von Alternativer Medizin immer wieder als krebstherapeutisch postulierte Therapieansatz auf der anderen Seite führte über viele Jahre dazu, dass der Begriff „Immuntherapie gegen Krebs“ als

3.1 Krebserkrankung und Immunsystem  15

abwertender Terminus für alle nicht-schulmedizinischen Behandlungsformen missbraucht wurde. Erst die Möglichkeiten der Molekularbiologie und die daraus folgenden zielgerichteten Therapieansätze in Form von Antikörpern und Tyrosinkinase-Inhibitoren

Mutation Entstehung einer (inaktiven) Tumorzelle

Kontrolle durch zellinterne Mechanismen: ⋅ Reparatur der Mutationen ⋅ Arrest des Zellzyklus ⋅ Zelltod (Apoptose)

Beginnende klonale Expansion

Escape Progression des Tumors durch Selektion von Zellen mit geringerer Immunogenität

Equilibrium Persistenz des Tumors, Ruhezustand

Elimination

Kontrolle durch das Immunsystem: ⋅ Eliminieren onkogener Viren ⋅ Verhinderung chronischer Entzündungen ⋅ Eliminieren von Tumorzellen durch Erkennung von Tumorantigenen

Abb. 3.1: Von der Entstehung von Tumorzellen bis zur Progression des Tumors. (Quelle: nach Cantor JR, Sabatini DM. Cancer cell metabolism: one hallmark, many faces. Cancer Discov. 2012) autologe Vakzine

PD1

Zelle

dendrit. Zellen

CTL4 integrative Methoden

schulmedizinische Methoden

Abb. 3.2: Schulmedizinische und integrative Ansätze in der Immuntherapie.

16  3 Das Immunsystem

führten letztlich auch in der Schulmedizin zur Entwicklung erster immuntherapeutischer Ansätze. Mit den Zielstrukturen CTL-4 und PD-1, deren Therapeutika und den klinischen Resultaten war der Begriff Immuntherapie rekonvalesziert (Abb. 3.2). Und nicht nur das – viele zuvor ignorierte Ansätze wurden im Rahmen der integrativen Onkologie wieder aufgegriffen [22,23].

3.2 Präventive Verfahren Schutzimpfungen gegen krebsauslösende Viren können die Krebsentstehung verhindern. Hier wird an der frühesten Stelle der Entstehung einer Krebserkrankung eingegriffen, der Ursache. Eine Impfung gegen krebsauslösende Viren kann man daher durchaus auch als vorbeugende „Krebs-Impfung“ bezeichnen. Bislang stehen allerdings nur gegen wenige Krebsviren geeignete Impfstoffe [24] zur Verfügung. Die wichtigsten schützen vor Papillomviren und Hepatitis [25]. Gedacht sind sie nur für Gesunde. Sie helfen nicht, wenn die Erkrankung schon präsent ist [26]. Derzeit wird allerdings auch erforscht, ob sich Viruseiweiße auch als Angriffsziele für eine therapeutische Impfung eignen. Denn solche Eiweiße finden sich auch in Tumorzellen, wenn die Krebserkrankung durch ein Virus ausgelöst wurde. Sie könnten deshalb auch als Tumorantigen dienen. Bisher gibt es allerdings nur frühe klinische Studien zu diesem Ansatz.

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren 3.3.1 Antikörper Medikamente mit Antikörpern spielen schon seit einigen Jahren eine große Rolle in der Krebstherapie. Prinzipiell könnte man sie zwar auch als Immuntherapie bezeichnen, denn normalerweise werden Antikörper von Immunzellen hergestellt [27]. Viele moderne Krebsmedikamente auf Antikörperbasis sollen aber nicht in erster Linie das Immunsystem auf den Tumor lenken: Sie werden gezielt entwickelt, um damit die Wirkung von Botenstoffen oder typische Stoffwechselwege in Tumorzellen zu blockieren, die für das Krebswachstum wichtig sind. Man bezeichnet sie deshalb auch als zielgerichtete Medikamente [28].

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  17

3.3.2 Immun-Checkpoint-Inhibitoren Einen weiteren klinisch zwischenzeitlich relevanten Ansatz stellen Substanzen dar, die sich gezielt gegen die Blockade des Immunsystem bei malignen Tumorzellen richten: Diese Kontrollpunkte oder englisch „Checkpoints“ blockieren physiologischerweise eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigene, gesunde Zellen, die sogenannte Autoimmunreaktionen. Maligne Tumoren aktivieren gezielt solche „Immun-Checkpoints“. Dadurch können Zellen des Immunsystems den Tumor zwar weiterhin erkennen, werden aber in der Funktion der Zerstörung der malignen Tumorzelle blockiert [29]. Sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitoren nutzen diesen Umstand therapeutisch, indem sie die Suppression der Immunantwort aufheben und so dass das Immunsystem die malignen Tumorzellen entsprechend beseitigen kann (Abb. 3.3). Gerade hier zeigt sich aber die Komplexität und die Gefahren eines Eingriffs in das Immunsystem. Konnten mit CTL-4 Antikörpern und auch mit PD-1 Inhibitoren zwar klinisch Erfolge gezeigt werden, so ist jedoch eine über 30 %ige Rate an Nebenwirkungen in Form von Autoimmunerscheinungen noch nicht als „kontrollierte“ Immuntherapie zu betrachten [30]. Dies erklärt sich dadurch, dass die Checkpoints

Tumor PD-1

inaktivierte T-Killerzelle

inaktivierte T-Killerzelle Antigen

PD-L1

Krebszelle vermehrt sich

Krebszelle

Tumor

aktivierte T-Killerzelle Antigen

Antikörper

T-Killerzelle vernichtet Krebszelle

aktivierte T-Killerzelle

Krebszelle

Abb. 3.3: Funktionsweise von Immun-Checkpoint-Inhibitoren (Quelle: nach Bundesamt für Bildung und Forschung).

18  3 Das Immunsystem

nicht rein tumorspezifisch sind und durchaus auch auf anderen, gesunden Organen vorkommen können. Trotzdem besteht Zulassungsstatus bei verschiedenen onkologischen Erkrankungen. Die Behandlung gehört damit aber in sehr erfahrene Hände [29].

3.3.3 Peptidimpfstoff Tumorantigene sind ein krebstypisches Merkmal, das auf gesunden Zellen nicht oder nur in anderer Form oder Häufigkeit vorkommt. Mit verschiedenen Strategien versucht man daher dem Immunsystem beizubringen den Tumor selbst zu erkennen und zu bekämpfen. Solche Verfahren werden gegen Krebs nicht vorbeugend angewendet, wie etwa eine Schutzimpfung gegen Viren, sondern erst, wenn Krebs schon ausgebrochen ist. Daher bezeichnet man sie auch als therapeutische Impfungen. Je nach Tumor lassen sich daher sog. Peptidimpfstoffe, die die bekannten Antigen-Eigenschaften der jeweiligen Tumorart tragen, künstlich herstellen [31]. Diese werden dem Patienten subkutan injiziert und wirken ähnlich einer Grippeimpfung. D.h. es soll durch die Antigene eine spezifische Immunreaktion gegen die im Körper befindlichen Zellen ausgelöst werden (Abb. 3.4). [32,33].

Virus

Virus

MHC-1

virale Peptide

Perforin

MHC-1 CD-8

CD-8

T-Suppressorzelle Tumorzelle

MHC⋅II Makrophage

CD-4

T-Helferzelle

CD-4

Zytokine z. B. IFN-γ

Abb. 3.4: Vergleich Immunreaktion auf Viren und auf Tumorzellen. CD = cluster of differentiation, MHC = Haupthistokompatibilitätskomplex, IFN = Interferon, IL-2 = Interleukin (Quelle: Aldrich JF, et al. Vaccines and Immunotherapeutics for the Treatment of Malignant Disease. Clin Dev Immunol. 2010).

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  19

3.3.4 Dendritische Zellen Dendritische Zellen haben ihre Namensgebung ihrem Erscheinungsbild unter dem Mikroskop zu verdanken. Steinman und Cohn beschrieben 1973 erstmals Zellen mit zahlreichen astförmigen Ausläufern (griechisch: dendros, deutsch: Baum) in der Milz von Mäusen und benannten diese entsprechend als Dendriten [34]. Den Zusammenhang zwischen Dendriten und den bereits Jahrzehnte vorher von Langerhans entdeckten und nach ihm benannten Langerhans-Zellen erkannte man erst Ender der 80er-Jahre [35]. Dabei wurden dendritische Zellen auch in anderen lymphatischen Organen sowie in nichtlymphatischem Gewebe nachgewiesen [36]. Zu Unrecht werden dendritische Zellen aufgrund ihres charakteristischen Aussehens mit den krebsartigen Ausläufern häufig als Abbildung für Tumorzellen verwendet. Es muss sich bei dendritischen Zellen um Zellen der spezifischen Immunabwehr handeln, da sie eine große Zahl von MHC Molekülen der Klasse I und II exprimieren. Es handelt sich also um spezialisierte antigenpräsentierende Zellen [37]. Durch die Isolation und Kultivierung von dendritischen Zellen aus dem peripheren Blut gelang es, die antigenspezifische Immunantworten dieser Zellen zu initiieren und zu regulieren [37]. Zunächst gelang es in Tiermodellen diese Fähigkeit zu nutzen und Immunantworten gegen bestimmte Proteine von Tumorzellen, sogenannte Tumor-assoziierte Antigene, zu generieren. Dabei bilden dendritische Zellen in nahezu allen Geweben des Körpers ein dichtes Netzwerk von Wächterzellen, die permanent ihre Umgebung analysieren, indem sie die extrazellulären Bestandteile durch Prozesse wie Phagozytose und Endozytose aufnehmen [38]. So aufgenommene Proteine werden dann intrazellulär zu Peptiden aufgeteilt, dann an MHC-Moleküle gebunden und letztlich wieder an die Zelloberfläche transportiert. Unser Körper und seine Organe regenerieren sich tagtäglich. Dabei wandern dendritische Zellen nach Verlassen des peripheren Gewebes über die entsprechenden drainierenden Lymphgefäße in die regionalen Lymphknoten, wo sie mit den T-Lymphozyten interagieren. So übertragen sich antigene Determinanten der Peptide auf T-Lymphozyten [39]. Sofern das Gewebe gesund und nicht durch Erreger oder Schadstoffe befallen ist, erreichen die dendritischen Zellen den Lymphknoten im nichtaktivierten Zustand [40]. Das trägt zur Toleranz gegenüber dem präsentierten Antigen bei. Dendritische Zellen verhindern so vermutlich das Auftreten von Autoimmunerkrankungen [41]. Dendritische Zellen stellen somit ein Überwachungssystem dar, indem sie auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für eine Vielzahl von Erregern, aber auch körpereigene freigesetzte Mediatoren oder aktivierte T-Zellen tragen [42,43]. Andersherum können aktivierte T-Zellen durch den in ihre Zellmembran integrierten CD40-Liganden dendritische Zellen aktivieren. Die daraufhin ablaufenden Prozesse werden auch als „Reifung“ bezeichnet. Darunter versteht man

20  3 Das Immunsystem –– den Verlust der Fähigkeit zur Phagozytose –– eine höhere Dichte und größere Stabilität von an MHC-Moleküle gebundenen Peptiden –– eine Neuorganisation der Zytoskelettstruktur –– eine veränderte Expression von Chemokin-Rezeptoren All das ermöglicht den dendritischen Zellen vom Entzündungsgebiet in den drainierenden Lymphknoten zu gelangen [44]. Schließlich kommt es über die Freisetzung von Zytokinen, wie zum Beispiel Interleukin-12, zu einer Interaktion zwischen den dendritischen Zellen und den T-Lymphozyten. In in-vitro und in-vivo Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass es dendritische Zellen sind, die die spezifische Immunantwort von T-Zellen steuern. Intrazelluläre Erreger lösen dabei eine Umwandlung von CD4-T-Zellen zu T-Helfer-Zellen aus. Die T-Helfer-Zellen produzieren überwiegend Interferon-γ. Extrazelluläre Erreger lösen hingegen eine Differenzierung zu Th 2-Zellen aus. Diese produzieren v.a. Interleukin. [45]. Tumorzellen hingegen können spezifische Proteine exprimieren, die von T-Zellen durchaus für eine Immunreaktion erkannt werden können. Dies reicht jedoch nicht für eine effektive Immunantwort aus. Dendritische Zellen zeigen vielmehr eine Toleranz. Ursächlich hierfür ist die Ähnlichkeit zu gesundem Gewebe, in welchem die tumorassoziierten Antigene in geringer Dichte vorkommen Außerdem besitzen Tumorzellen die Fähigkeit über diverse Strategien eine Immunantwort zu vermeiden [46]. In-vivo gelang es in einer Reihe von Versuchen durch eine extrakorporale Beimpfung von dendritischen Zellen diese Toleranz zu überwinden. Klinischen Phase-Iund klinische Phase-II-Studien mit Einsatz entsprechend extrakorporal beimpfter dendritischer Zellen belegen die Wirksamkeit prinzipiell, allerdings nur bezüglich immunologischer und klinischer Endpunkte [42]. Für die extrakorporale Beimpfung von dendritischen Zellen sind vor allem Zellen vom myeloiden Typ interessant. Diese entstehen aus hämatopoetischen Vorläuferzellen des Knochenmarks und dienen der Antigenaufnahme und -präsentation. Histomorphologisch unterscheidet man dabei drei verschiedene Subpopulationen: –– dendritische Zellen vom myeloiden Typ –– dendritische Zellen vom plasmazytoiden Typ –– Langerhans-Zellen der Haut (Abb. 3.5) [43]. Die praktische Umsetzung des Ansatzes besteht darin myeloide dendritische Zellen in vitro in Anwesenheit von Interleukin-4 und von Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierendem Faktor (GmCSF) von Monozyten zu isolieren. Alternativ können myeloide dendritische Zellen aus CD34+-hämatopoetischen Stammzellen des peripheren Bluts isoliert werden [47]. Da der Anteil der myeloiden dendritischen Zellen im peripheren Blut nur sehr gering ist (0,1 bis 0,5 % der mononukleären Zellen) muss durch die systemische Gabe von Wachstumsfaktoren wie beispielsweise flt3, die Zahl

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  21

der myeloiden dendritischen Zellen im Blut um ein Vielfaches erhöht werden. Damit wurden auch im Menschen vervielfältigte myeloide dendritische Zellen für die Beimpfung zugänglich [46]. In klinischen Studien werden derzeit noch alle Präparationen für myeloide dendritische Zellen geprüft. Leider steht ein direkter Vergleich, welche Art am vorteilhaftesten ist, noch aus. Die Grundlage zur Behandlung von Tumorerkrankungen mit myeloiden dendritischen Zellen stellt die Suche nach Strukturen auf der Oberfläche von Tumorzellen dar. Diese müssen entsprechend von zytotoxischen T-Zellen als Antigene erkannt werden. Dazu müssen die Antigene entweder exklusiv nur auf Tumorzellen vorkommen oder von diesen besonders stark exprimiert werden. Zwischenzeitlich ist tatsächlich eine Vielzahl solcher Antigene (Peptide einer Länge von acht bis neun Aminosäuren, die sich auf spezifische Weise an MHC-Moleküle anlagern) identifiziert worden [46]. Um diese Antigene durch dendritische Zellen gegenüber den T-Lymphozyten präsentieren zu lassen, genügt eine in-vitro-Inkubation der Zellen zusammen mit den Peptiden (Abb. 3.5). Dabei können auch Tumorzellen als Quelle zur Präsentation des Antigens verwendet werden. Infrage kommen dabei –– abgetötete Tumorzellen –– Tumorzelllysate –– RNA oder DNA von Tumorzellen –– Tumorzellfragmente Tumorzellfragment

dendritische Zelle

Isolierung

Reifung

Antigenaufnahme

Antigenprozessierung

VAKZINIERUNG

Antigenpräsentation

Zytotoxische Aktivität

LymphozytenPrimen

dendritische Zelle

Antigene

Tumorzellfragmente

Lymphozyt

Abb. 3.5: Wirkungsweise von dendritischen Zellen.

Tumorzelle

22  3 Das Immunsystem

Allerdings erlangen die so hergestellten myeloiden dendritischen Zellen ihre volle Funktionsfähigkeit zur Stimulation der T-Lymphozyten erst nach Aktivierung (s.o.). Bisher wurden in den veröffentlichten klinischen Studien jedoch nur nicht-aktivierte myeloide dendritische Zellen eingesetzt. Nur wenige Studien berücksichtigten den Reifungsschritt, indem sie die myeloiden dendritische Zellen in vitro mit Zytokinen oder monozyten-konditioniertem Medium inkubierten [48]. Ob diese Methode allerdings eine optimale Ausreifung der myeloiden dendritischen Zellen mit zudem erhaltener Fähigkeit zur Migration in lymphatisches Gewebe gewährleisten, wird derzeit noch erforscht. Einmal fertig hergestellt werden myeloide dendritische Zellen subkutan oder intrakutan gespritzt. Allerdings besteht dabei das Problem, dass myeloide dendritische Zellen für eine Interaktion mit T-Lymphozyten einen drainierenden Lymphknoten finden müssen. Dies kann durch die direkte intranodale Injektion, zum Beispiel in einen Leistenlymphknoten, umgangen werden [36]. Bei der Intravenösen Verabreichung von myeloiden dendritischen Zellen besteht das Problem der möglichen Elimination aus den Kapillargebieten von Lunge und Leber an, bevor sie überhaupt, lymphatisches Gewebe erreichen. Daher wird für alle Applikationsarten weiter untersucht werden müssen, über welchen Applikationsweg, wie oft und in welchen Abständen die myeloiden dendritischen Zellen am besten verabreicht werden sollen [49]. Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit von myeloiden dendritischen Zellen durch Kultursysteme und trotz eindrucksvoller Therapieerfolge in Tiermodellen ist die antitumorale Wirksamkeit von myeloiden dendritischen Zellen in klinischen Studien nicht abschließend belegt. Dies liegt daran, dass ein direkter Vergleich dieser Studien untereinander nach den geltenden wissenschaftlichen Regeln nicht zulässig ist, da diese sich bezüglich der behandelten Primärtumore, der Art der Herstellung der myeloiden dendritischen Zellen, der Art der Verabreichung sowie der Studienendpunkte zu stark unterscheiden.

3.3.5 Adoptiver T-Zell-Transfer: Immunzellen im Labor aktivieren Beim sogenannten adoptiven Transfer von T-Lymphozyten verwendet man T-Zellen, die dazu in der Lage sind, Krebszellen zu zerstören. Dies ist also zunächst keine aktive Immunisierung, sondern ein passives Verfahren: Betroffene erhalten außerhalb des Körpers aktivierte Immunzellen. Neue Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass durch die Behandlung auch eine dauerhafte Immunantwort hervorgerufen werden kann [50]. Bei dem Verfahren entnimmt man zunächst T-Zellen aus dem Blut, dem Knochenmark oder aus Tumorgewebe des Patienten oder der Patientin. Bei manchen Ansätzen verwenden Forscher auch Zellen eines gesunden Spenders [51]. Die Immunzellen werden im Labor vermehrt und dabei tumorspezifische T-Zellen angereichert [52]. Oder

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  23

die T-Zellen werden gentechnisch so verändert, dass sie bestimmte Tumorantigene erkennen können. Dann bezeichnet man sie als CAR-T-Zellen (siehe auch Kap. 13). „Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat mit Kymriah (Tisagenlecleucel-T, Novartis) jetzt die erste T-Zell-Therapie mit chimärer Antigen-Rezeptor-Technologie (CAR) zugelassen. Das Medikament dient der Behandlung von B-Zell-akuter lymphatischer Leukämie (ALL) bei Kindern und jungen Erwachsenen bis zum Alter von 25 Jahren. Die Zulassung ebnet den Weg für diesen neuartigen Ansatz. Die FDA bezeichnet das neue Produkt als zellbasierte Gentherapie, genauer gesagt als gentechnisch modifizierte autologe T-Zell-Immuntherapie, die für jeden Patienten individuell aufbereitet wird“ [53]. „Durch die Möglichkeit, die körpereigenen Zellen eines Patienten umzuprogrammieren, um so eine tödliche Krebsart zu bekämpfen, stoßen wir zu neuen Grenzen der medizinischen Innovation vor“, sagt dazu FDA-Kommissar Scott Gottlieb in einer FDA-Mitteilung [54].

3.3.6 Autologe Tumorzellvakzine Lange war aufgrund des Mangels experimenteller Daten die These der Wächterfunktion von B- oder T-Lymphozyten über das Krebswachstum angezweifelt worden. Zwischenzeitlich gilt sie, wenn auch als nur einer von mehreren Bestandteilen in dem deutlich erweiterten Verständnis davon, wie Tumoren und Immunsystem zusammenwirken, als belegt [55]. Antikörperbehandlungen, als eine Art der passiven Form der antitumoralen Immuntherapie, haben sich längst etabliert. Ein Beispiel hierzu stellen folgende Therapien dar: –– Rituximab, ein chimärer monoklonaler Antikörper gegen das Lymphozyten-Antigen CD20 zur Behandlung von Patienten mit malignen Lymphomen –– Trastuzumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen HER2-neu zur Therapie von Patientinnen mit Mammakarzinom. Leider aber haben sich Konzepte zur aktiven Immunisierung gegen Krebs, von denen durch das Memory-Phänomen mehr Nachhaltigkeit zu erwarten ist, bislang nur langsam durchgesetzt [56]. Dabei stellt ein aus autologen, also körpereigenen, Krebszellen des Patienten hergestellter Impfstoff die individuellste und immunogenste Form einer Immuntherapie dar. Die körpereigenen Tumorzellen können dabei dem Patienten aus dem Gewebe, welches bei einer Operation zur Verfügung steht oder bei Vorhandensein aus dem Blut (zirkulierende Tumorzellen) isoliert werden. Die meisten publizierten größeren klinischen Studien zur Immuntherapien mit autologen Tumorimpfstoffen bei soliden Tumoren sind bei Patienten mit Erkrankungen wie dem Melanom, dem kolorektalen Karzinom, dem Nierenzell-, Prostata-, Mam-

24  3 Das Immunsystem

makarzinom und dem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom durchgeführt worden [57]. Die meisten wirksamen zelltherapeutischen Ansätze zeigten eine Aktivierung des Immunsystems durch autologe Tumorantigene [58]. Aktuellste Daten einer Phase-III-Studie aus Philadelphia belegen, dass die Vakzinierung mit autologen Tumorzellen eine Verbesserung der Überlebensrate herbeiführt. Das krankheitsfreie Überleben bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphomen, die nach einer Chemotherapie mit Prednisolon, Adriamycin, Cyclophosphamid und Etoposid für mindestens 6 Monate in einer kompletten Remission waren, erhöhte sich auf durchschnittlich 14 Monate, wenn sie innerhalb eines Jahres nach der zytostatischen Therapie zumindest zweimal die autologen Tumorzellvakzine als Konsolidierungstherapie erhalten hatten [59]. Die Herstellung von autologen Tumorzellvakzinen orientiert sich an der Herstellung monoklonaler Antikörper: dabei wird die maligne Tumorzelle des jeweiligen Patienten mit einer Myelomzelle in vitro fusioniert. Als Endprodukt entsteht eine Heterohybridomzelle, welche größere Mengen an Antikörpern bildet. Diese Antikörper werden an ein Trägerprotein gekoppelt. Diese Verbindung von patienteneigenen Antikörpern an ein körperfremde Trägerprotein löst dann eine humorale als auch zelluläre Immunantwort gegen speziell diese Antikörper aus. Somit stellt diese Form der Behandlung die individualisierteste Form einer Immuntherapie dar, da sie die für sich einzigartige, ursprünglich aus einer seiner gesunden Zellen entstandene Tumorzelle des einzelnen Patienten verwendet. Zwischenzeitlich gibt es trotz fehlender Lobby mehr klinische Daten, die überraschenderweise die besten Erfolge bei fortgeschrittener Tumorlast zeigten. –– Fortgeschrittener Brustkrebs [60]: Bei einer Untersuchung zeigte sich, dass nach einem Jahr bei 50 % der geimpften Frauen kein Fortschreiten des Brustkrebses nachgewiesen werden konnte. Im Vergleich waren es nur 20 % der nicht geimpften Frauen. –– Metastasen bildender Prostatakrebs [61]: 34 von 55 Patienten, die mit einem Krebsimpfstoff behandelt wurden, zeigten durchschnittlich eine 26 Monate höhere Lebenserwartung als Patienten, die nur eine Chemotherapie erhalten hatten. –– Fortgeschrittenes, wiederkehrendes Ovarialkarzinom [62]: Für Patienten, die mit einem Impfstoff und einer Chemotherapie behandelt wurden, lag die Überlebenschance nach sechs Monaten bei 70 %. Bei Patienten, die nur eine Chemotherapie erhalten hatten, betrug die Überlebenschance hingegen 31 %.  –– Fortgeschrittener Darmkrebs [63]: Sechs Jahre nach einer Darmkrebsoperation lag der Wert der mit einem Impfstoff behandelten Patienten, deren Krebs fortschritt, bei zehn Prozent. Im Vergleich dazu lag der Wert der nicht geimpften Patienten, die nur eine Chemotherapie erhielten, bei 40 % [64,65]. Die Immuntherapie, die bei Melanom, Nierenkrebs und anderen Krebserkrankungen in den vergangenen Jahren gute Ergebnisse erzielte, war beim Ovarialkarzinom bisher

3.3 Kurativ-medikamentöse Verfahren  25

Bestrahlung

Tumor

DNA

Tumorzellen genetische Modifikation

CTL

modifizierte Tumorzellen Injektion

Abb. 3.6: Verabreichung von autologen Tumorzellvakzinen.

erfolglos. Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab erreichen nur bei wenigen Patientinnen eine Remission, die die Prognose nicht beeinflusst [66,67]. Der Impfstoff, den ein Team um Lana Kandalaft von der Universität Lausanne zusammen mit US-Forschern entwickelt hat, wird anders angewendet (Abb. 3.6). Die Vakzine werden im Labor aus zwei Komponenten hergestellt, die den Patienten getrennt entnommen werden. Die erste Komponente sind dendritische Zellen, die mittels einer Apherese aus dem Blut der Patientinnen gewonnen und dann in Zellkulturen vermehrt werden. Dort werden sie mit der zweiten Komponente zusammengebracht [68]. Es handelt sich dabei um Zellen aus dem bei der Operation entfernten Tumor. Diese werden mit unterchloriger Säure zerstört [69]. Dadurch werden den dendritischen Zellen zahlreiche Antigene des Tumors präsentiert. Die Immunzellen sollen die Antigene aufnehmen und an T-Zellen weiterleiten. Dazu werden die dendritischen Zellen in einen regionalen Lymphknoten in der Nähe des Primärtumors injiziert [70]. Die ersten klinischen Versuche an fünf Patientinnen ergaben, dass die auf diese Weise erzeugte Vakzine allein zu schwach ist, um einen effektiven Angriff auf die Krebszellen auszulösen. Die Forscher haben die Therapie bei den nächsten zehn Patientinnen mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab kombiniert [71]. Dadurch soll eine „endotheliale Barriere“ überwunden werden, mit der sich die Metastasen vor dem Angriff des Immunsystems schützen. Die letzten zehn Patientinnen erhielten vor jeder Impfstoffgabe zusätzlich Cyclophosphamid. Das Zytostatikum soll verhindern, dass die Krebszellen zu ihrem Schutz regulatorische T-Zellen rekrutieren, die den Angriff der T-Zellen auf die Krebszellen behindern. Die Impfungen, die alle zwei Wochen wiederholt werden, haben sich nach den jetzt vorgestellten Ergebnissen als sicher erwiesen: Nach 392 Injektionen ist es laut Kandalaft in keinem Fall zu schweren Komplikationen gekommen. Die Kombination mit Bevacizumab und niedrigdosiertem Cyclophosphamid scheint auch die Effektivität der Impfung verbessert zu haben [72].

26  3 Das Immunsystem

Die Zwei-Jahres-Überlebensrate war mit 78 % deutlich höher als in anderen Studien, in denen die Patienten nur mit Bevacizumab und Cyclophosphamid behandelt worden waren. Dort überlebten 44 % der Patientinnen zwei Jahre [71]. Die Forscher betonen allerdings, dass sich die klinische Entwicklung des Impfstoffs noch in einem sehr frühen Stadium befindet und dass die Ergebnisse weiterer klinischer Studien abzuwarten sind [73].

3.4 Virotherapie Als onkolytisch werden Viren bezeichnet, die gezielt Krebszellen befallen und zerstören können. Manche Viren tun das natürlicherweise. Andere kann man künstlich tumorspezifisch machen [74]. Als onkotrope Viren bezeichnet man Erreger, die gezielt Tumorzellen infizieren können. Es gibt Viren, die natürlicherweise bevorzugt menschliche Krebszellen befallen. Andere kann man künstlich tumorspezifisch machen. Können die Viren die Tumorzellen nach der Infektion auch zerstören, nennt man sie onkolytische Viren. Die Viren sollen Krebszellen direkt abtöten – allerdings ohne ansonsten eine schwere Erkrankung beim Betroffenen auszulösen. Ein weiterer erhoffter Effekt des Virusbefalls ist die Aktivierung des Immunsystems: Immunzellen erkennen die infizierten Tumorzellen und zerstören sie (Abb. 3.7). Einmal aktiviert, erkennen sie aber auch noch nicht virusbefallene Krebszellen und vernichten auch diese.

Abb. 3.7: Wirkungsweise der onkolytischen Virotherapie. (Quelle: Ledford H. Going Viral against Cancer. Nature. 2015;526:622–623. Mit freundlicher Genehmigung von Springer Nature.)

3.5 Tuberkulosebakterien gegen Krebs  27

Als Kandidaten gelten beispielsweise bestimmte Parvoviren, die beim Menschen keine bekannten Erkrankungen hervorrufen. Adenoviren, zu denen auch Schnupfenviren gehören, werden geprüft, weil sie vergleichsweise wenige Erkrankungen oder nur eher harmlose Folgen hervorrufen. Weitere Beispiele sind gentechnisch veränderte und harmlos gemachte Masern- und Herpesviren [75]. Die onkolytische Virotherapie ist bisher ein weitgehend experimenteller Ansatz: Es liegen vor allem Daten aus vorklinischer Forschung vor, also aus Tests an Zellen, Geweben und aus Tierversuchen. Erste Studien an Patienten wurden zwar in mehreren Ländern durchgeführt. Diese frühen Studien dienten jedoch überwiegend dazu, die Sicherheit der Behandlungsmethode zu bestimmen. Europaweit ist bisher nur ein Produkt zugelassen: eine Virotherapie mit dem Arzneimittel Imlygic®, das ein gentechnisch verändertes Herpesvirus beinhaltet. Erhalten können es Patienten mit fortgeschrittenem, anders nicht behandelbarem Hautkrebs. Als Gentherapie unterliegt der Einsatz dieses Medikaments einer besonderen Überwachung [76]. Weitere Ansätze werden in klinischen Studien getestet. Teilweise gab es erste ermutigende Ergebnisse. Viele Ansätze sind jedoch nicht so wirksam, dass sie als alleinige Therapie infrage kommen. Deshalb versucht man sie zum Beispiel mit etablierten Therapien wie Chemo- oder Strahlentherapie zu kombinieren. Außerdem erproben Forscher wie man die Wirksamkeit der Virotherapie an sich verbessern kann: Zum Beispiel indem sie onkotrope Viren als Träger für weitere Substanzen nutzen. Oder sie verändern die Viren gentechnisch so, dass diese die Tumorzellen leichter befallen können oder die Immunantwort gegen die Krebszellen verstärken [77]. Noch ist es zu früh, um den Nutzen und die Risiken der meisten Behandlungsansätze mit onkolytischen Viren abschließend beurteilen zu können.

3.5 Tuberkulosebakterien gegen Krebs Untersuchungen haben gezeigt, dass abgeschwächte Tuberkulose-Bakterien in Krebszellen aufgenommen werden und dann eine Immunreaktion gegen den Tumor auslösen können. Daher versucht man bereits seit einigen Jahrzehnten TuberkuloseLebendimpfstoffe zur Krebsbehandlung einzusetzen [77]. Mit dem Impfstoff werden Patienten mit Harnblasenkrebs behandelt, bei denen nach einer Operation ein höheres Rückfallrisiko besteht. Betroffenen wird mit dem Medikament wiederholt die Harnblase gespült, um eine örtliche Immunreaktion hervorzurufen.

28  3 Das Immunsystem

3.6 Hyperthermie Unter dem Begriff der Hyperthermie wird zunächst einmal allgemein die Überwärmung des Körpers oder einzelner Körperteile verstanden. Dabei soll die Hyperthermie nicht nur die Wirksamkeit von Chemotherapie und Bestrahlung verstärken, sondern auch eigene antitumorale Prozesse auslösen. Die Hyperthermie gehört in einigen Ländern wie beispielsweise der Schweiz bereits zu den antitumoralen Standardverfahren.

3.6.1 Biologische Effekte der Hyperthermie Bekanntlich haben Tumorzellen einen geringeren Anteil an Lipiden in ihrer Membran. Neben den liposomalen Chemotherapieansätzen macht sich diesen Mangel auch die Hyperthermie zu nutze. Bei Temperaturen von mindestens 42,5 bis 43 Grad Celsius über einen Zeitraum von etwa 40 bis 60 Minuten sterben Tumorzellen ab, während gesunde Zellen diese Temperatur über diesen Zeitraum überleben. Vom Pathomechanismus her bilden Tumorzellen durch langanhaltende und / oder wiederholte Hyperthermiebehandlung in Temperaturbereichen von etwa 41 bis 43 Grad Celsius sogenannte Hitzeschockproteine (HSP), auch Stresseiweiße genannt aus. Diese Proteine sind Antigene für die körpereigene Immunabwehr wie im vorherigen Kapitel beschrieben. Damit gehört die Hyperthermie mit zu den Immuntherapien [78]. Bei geringeren Temperaturen sind andere Wirkmechanismen relevant und längere Behandlungszeiten erforderlich. Trotzdem wird die Hyperthermie in klinischen Studien meist in Kombination zu Bestrahlung und Chemotherapie angewandt. Dabei wurden additive Effekte durch die Hyperthermie beschrieben. Es wird dabei von einer besseren Aufnahme der Medikamente durch die erhöhte Zirkulation und Vasodilatation ausgegangen. Die Hyperthermie ist in vielen Ländern nach wie vor keine Standardbehandlung, allerdings finden auch in Deutschland zunehmend klinische Studien an universitären Einrichtungen statt. Eine Ausnahme stellt derzeit eine Form der regionalen Hyperthermie beim Melanom dar, sie ist hier sogar in den Leitlinien etabliert. Außerhalb der Leitlinien onkologischer Erkrankungen stellt Deutschland mit diversen Therapiezentren aber eine Vorreiterrolle dar [79].

3.6.2 Formen der Hyperthermie Lokale Hyperthermie Wie der Name bereits sagt wird hier nicht der gesamte Körper überwärmt, sondern nur einzelne anatomische Lokalisationen mittels Ultraschall, Radio- oder Mikrowellen überwärmt. Diese Form der Hyperthermie kann bei oberflächennahen Tumoren

3.6 Hyperthermie  29

oder Metastasen angewandt werden. Die Durchführung ist mit den entsprechenden Geräten relativ einfach und könnte sogar vom Patienten zu Hause und alleine durchgeführt werden. Da hier aber keine direkten antitumoralen Effekte, für welche Temperaturen von mehr als 40 Grad notwendig sind, erreicht werden, muss Sie mit anderen Therapieverfahren, wie beispielsweise einer Chemotherapie oder einer Strahlentherapie, kombiniert werden. Einsatzgebiete stellen beispielsweise Sarkome der Extremitäten, Hauttumore, Hautmetastasen oder Brustwandrezidive beim Mammakarzinom dar [80]. Bei letzterem kann die lokale Hyperthermie mit einer Strahlentherapie kombiniert werden. Durch die Anwendung der lokalen Hyperthermie ist es möglich die lokale Strahlendosis der Strahlentherapie zu minimieren, ohne dabei einen Verlust der Wirksamkeit zu befürchten. Dadurch wir auch eine erneute Strahlentherapie bereits vorbestrahlter Regionen möglich. Regionale (Tiefen-)Hyperthermie Neue Entwicklungen der Medizinphysik ermöglichen zwischenzeitlich die Überwärmung auch größerer und tiefer gelegener anatomischer Regionen. Die entsprechenden Gerätschaften bestehen dabei aus Ringapplikatoren, welche mittels elektromagnetischer Wellen gezielt anatomische Bereiche überwärmen können. Anwendungen sind so bei Erkrankungen wie beispielsweise Lebermetastasen, Rektum- und Kolonkarzinomen, Pankreaskarzinomen und Sarkomen der Extremitäten möglich [81]. Auch eine zielgerichtete Überwärmung unter Vermeidung eines relevanten Temperaturanstieges des gesunden Gewebes ist möglich. Neben ringförmigen Applikatoren für die magnetischen Wellen wird hier mit Wasser bzw. Wasserkissen gearbeitet, welche eine Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen in ungewünschte Bereiche vermeiden [82]. Interstitielle Hyperthermie Diese schon länger auch in der Leitlinien-gerechten Therapie angewandte Methode gehört genau genommen ebenfalls zu den Verfahren der Hyperthermie. Hierbei werden Sonden direkt in das Primärtumorgewebe oder Metastasen eingebracht, um dann mittels Ultraschall- oder Mikrowellen eine Überwärmung direkt im Tumorgewebe zu erzeugen. Wenn ein Zugang zum Tumorgewebe über Körperöffnungen nicht möglich ist, muss die Sonde invasiv platziert werden. In diesen Fällen reicht aber meistens eine Lokalanästhesie aus, um die Sonden unter CT- oder Ultraschallkontrolle entsprechend zu platzieren. Man kann diese Form der Hyperthermie auch mit einer Sonderform der Strahlentherapie, der Brachytherapie, kombinieren. Anwendungsbereiche stellen neben Lebermetasen auch Kopf-HalsTumore und Prostatakarzinomen dar. Limitierend sind allerdings häufig Lokalisation und Größe der zu behandelnden Befunde [83].

30  3 Das Immunsystem Ganzkörperhyperthermie Die Ganzkörperhyperthermie, bei der der gesamte Körper des Patienten erwärmt wird, ist die am besten etablierte aller Methoden. Dabei greift sie auf die wichtigste körpereigene Immunabwehr des Menschen zurück: das Fieber. Bei den meisten Formen der Erkrankung durch Viren, Parasiten oder Bakterien entwickeln wir Fieber. Das Fieber selbst ist dabei keine Erkrankung, sondern ein Symptom der humoralen Immunabwehr. Es ist die biologische Reaktion, die aktiv Krankheiten aus dem menschlichen Körper eliminieren kann. Dieser biologische Mechanismus birgt aber gleich auch mehrere Möglichkeiten, maligne Tumorzellen zu zerstören. Durch die erhöhte Temperatur im Körper werden die Stoffwechselaktivitäten beschleunigt und die Immunzellen werden „aufmerksamer“. Die Blutgefäße erweitern sich, sodass bei einer parallelen Medikamentengabe dieses besser zu den Zielzellen gelangen kann. Außerdem trifft man durch die hohen Temperaturen die Tumorzelle an einer ihrer Schwachstellen: Der Empfindlichkeit gegenüber Hitze. Auch bei fortgeschrittenen malignen Tumorerkrankungen im metastasierten Stadium zeigt die Ganzkörperhyperthermie eine systemische Wirkung. Maligne Tumorerkrankungen lösen üblicherweise kein Fieber aus. Durch die Überwärmung des gesamten Körpers des Patienten von extern, können unterschiedlich hohe Körpertemperaturen erreicht werden. Die Erwärmung des Gesamtorganismus erfolgt zum Beispiel moderat (Abb. 3.8), d. h. die dabei entstehenden Körperkerntemperaturen liegen zwischen 38,5 °C und 40 °C (Tab. 3.1). Neben der moderaten Hyperthermie gibt es auch eine milde sowie extreme Ganzkörperhyperthermie, bei der die Körperkerntemperatur auf ca. 38 °C bzw. über 40.4 °C erwärmt wird. Letztere ist nur mit sedierenden Maßnahmen unter Anwesenheit eines Anästhesisten möglich. Zusammen mit Aufwärm- und Abkühlphasen dauert eine moderate Ganzkörperhyperthermie

Abb. 3.8: Temperaturverlauf während der moderaten Hyperthermie. Messung mit einem Gerät der Heckel Medizintechnik GmbH.

3.6 Hyperthermie  31

Tab. 3.1: Anforderungen an die unterschiedlichen Grade der Hyperthermie. Milde Hyperthermie

Moderate Hyperthermie

Extreme ­Hyperthermie

Zieltemperatur

 40,5 °C

Dauer

 30 min

Auswirkungen

Schwitzen, kein thermoregulatorischer Stress

Schwitzen, thermo­ kein thermoregulatorischer regulatorischer Stress Stress

Überwachung

nicht notwendig

­medizinisches Personal ­erforderlich

Indikationen Wellness

 4 h

8 Stunden

Erwachsene

ca. 8 Stunden

Senioren

ca. 6 Stunden

Es ist also naheliegend, dass antitumorale Therapien und hier v. a. Immuntherapien gegen maligne Tumore diesem Wissen angepasst werden sollten, und zwar in Form der sogenannten Chronotherapie.

13.2 Chronotherapie Die Chronotherapie ist ein immer wichtiger werdender Bereich in der medizinischen Forschung, wobei sich hunderte von Studien auf die inneren Uhren des Körpers als Faktor für Gesundheit und Krankheit konzentrieren. Tausende von biochemischen Prozessen, von Schlaf über Wachsamkeit bis hin zu DNS-Reparaturen, werden von diesen inneren Uhren geplant und diktiert [299]. Eine Hauptrolle spielt dabei der Tagesverlauf des Cortisolspiegels, der innerhalb eines Tages so stark schwankt, dass die Durchführung von z. B. Immuntherapien abends deutlich mehr Sinn macht, als am frühen Morgen (Abb. 13.5). Da unsere circadianen Rhythmen für die physiologische Funktion so wichtig sind, ist es keine Überraschung, dass diese auch beeinflussen, wie Medikamente und andere Behandlungen verarbeitet und umgewandelt werden. Bei manchen Therapien könnte eine zeitliche Abstimmung den allentscheidenden Unterschied in Bezug auf Effizienz, Nebenwirkungen, Toxizität und mehr machen. Chemotherapie ist eine der Krebsbehandlungen, bei denen die Chronobiologie immer wichtiger wird. Krebszellen teilen sich zu bestimmten Zeiten am meisten, was vom jeweiligen Genotyp der Krebsart abhängt. Chemotherapie zu diesen Zeiten vorzunehmen, kann zu einer schnelleren und effektiveren Zerstörung der Tumore und anderen krebsartigen Läsionen führen.

13.2 Chronotherapie  145

12

Cortisol [ng/mL]

10 8 6 4 2 0

0 mittlere Aufwachzeit

5

10 Zeit nach Aufwachen [h]

15

Abb. 13.5: Cortisolspiegel im Tagesverlauf.

Zudem haben mehrere Studien festgestellt, dass Krebspatienten verschiedene Medikamente besser vertragen, wenn sie zu bestimmten Tageszeiten verabreicht werden. Es gibt Zeitfenster, in denen Arzneien für die menschlichen Zellen weniger giftig sind und somit weniger Nebenwirkungen verursachen, die die Krebsbehandlung behindern könnten. Die Chronotherapie für Krebs ist eine der heißesten Forschungsbereiche der Onkologie. Patienten müssen keine so schwerwiegende Erkrankung wie Krebs haben, um von der Chronotherapie profitieren zu können. Die allergische Rhinitis ist eine Entzündung und Hypersekretion von Schleim als Reaktion auf Allergene – einfacher gesagt, handelt es sich hierbei um eine verstopfte oder laufende Nase. Zwei von fünf Erwachsenen sind von diesem Gesundheitsproblem, das einem deutlichen 24-Stunden Zyklus folgt, betroffen. Die Symptome der meisten darunter Leidenden sind in der Nacht und am frühen Morgen schlimmer, was sich auf den Schlaf auswirken kann [299]. Der Grund dafür, dass sich die allergische Rhinitis in der Nacht verschlimmert, hat wahrscheinlich mit dem biologischen Rhythmus der Histaminrezeptoren zu tun. Die Aktivität der Histaminrezeptoren, die angeregt werden um allergische Reaktionen wie Rhinitis hervorzurufen, ist am Abend am geringsten und baut sich dann am frühen Morgen zu einem Hoch auf. Neue Untersuchungen zeigen, dass allergische Symptome viel effizienter behandelt werden können, wenn 24-Stunden Medikamente in der Nacht genommen werden anstatt am Morgen, damit die Konzentration höher ist, wenn die Symptome am schlimmsten sind. Einfache Veränderungen wie diese können eine große Auswirkung auf die Lebensqualität haben. Arthritis ist eine chronische Krankheit, die mehreren biologischen Rhythmen folgt. Gelenke werden nicht nur im Winter schmerzhafter (saisonaler Rhythmus), Arthritis ist auch über einen 24-Stunden-Tag hinweg mal besser und mal schlimmer. Osteoarthritis neigt dazu, in der Nacht mehr Entzündung und Schmerzen hervorzurufen, wohingegen rheumatoide Arthritis in der Früh am schlimmsten ist.

146  13 Schlaf

Immer häufiger werden nun Medikamente für alle Arten von Arthritis mehrere Stunden bevor der schlimmste Schmerz und die stärkste Entzündung erwartet werden verabreicht. Medikamente früher und somit in Erwartung des Schmerzes zu nehmen, hält sowohl das Unbehagen als auch die Entzündung auf einem ertragbaren, niedrigen Niveau. Zudem kann Melatonin eingenommen werden, um Schlaflosigkeit aufgrund von Schmerzen zu verhindern, ein Symptom, das bei beiden Arthritis-Arten häufig auftritt. Chronotherapie kann sogar bei Krankheiten effektiv sein, die eine saisonale Schwankung und keinen 24-Stunden circadianen Rhythmus aufweisen. Magengeschwüre sind hierfür ein gutes Beispiel. Der Grund der saisonalen Schwankung ist unbekannt, aber diese Geschwüre verursachen im späten Sommer, frühen Herbst und von der Mitte bis zum Ende des Winters mehr Krankenhausaufenthalte. Die Eskalierung dieser Krankheiten innerhalb der beiden Hauptzeiten könnte verhindert werden, wenn den Patienten angemessene Medikamente verabreicht werden, während sie zu diesen Zeiten eine strikte Diät einhalten. Jene Prozesse, die den menschlichen Körper am Laufen halten, sind nicht konstant, sondern einer ständigen Veränderung unterworfen [299]. Chronotherapie stellt eine Hilfe für jene dar, die an Krankheiten leiden, die Muster der Exazerbation (eine deutliche Verschlimmerung der Symptome) sowie Remission (vorübergehende oder dauernde Abschwächung der Symptome) zeigen. Therapien auf jene Zeiten abzustimmen, zu denen sie am meisten benötigt werden und am effektivsten sind, wird zu besseren Ergebnissen führen und dazu, dass generell weniger Medikamente benötigt werden.

13.3 Melatonin Melatonin, auch als „Mutterhormon der Chronobiologie“ bekannt, ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse hergestellt wird. Dieser Prozess erfolgt durch Hinweise vom suprachiasmatischen Nukleus des Hypothalamus, der den circadianen Rhythmus regelt. Wenn die Netzhaut des Auges aufhört, zu viel blaues Wellenlängenlicht wahrzunehmen, wird der suprachiasmatische Nukleus informiert, der die Zirbeldrüse dazu veranlasst, Melatonin herzustellen. Wenn das erste Morgenlicht von der Netzhaut erfasst wird, wird die Melatoninproduktion eingestellt und stattdessen werden Hormone produziert, die für das Wachsein benötigt werden. Dieser Zyklus hilft dabei, einen circadianen Rhythmus, auch 24-Stunden Schlaf / Wach-Zyklus genannt, zu schaffen [300]. Melatonin besitzt eine sehr kurze Halbwertszeit von etwa 30 Minuten. Da es so schnell zerfällt, muss es permanent in der Nacht hergestellt werden, um einen erholsamen Schlaf aufrecht zu erhalten. Bei Menschen mit einem gesunden circadianen Rhythmus steigt der Melatoninspiegel schnell nach Einbruch der Dunkelheit an und bleibt dann über Nacht auf gleicher Ebene bis zum frühen Morgen. Diese hohe Ebe-

13.4 Chronoonkologie  147

ne ist nicht nur für das Einschlafen unerlässlich, sondern auch für einen tiefen und erholsamen Schlaf. Am frühen Morgen fällt der Melatoninspiegel wieder stark ab, damit der Mensch auf die zunehmenden Lichtverhältnisse reagieren kann und erwacht. Pulsatiles Melatonin ist eine Ergänzung, die so formuliert ist, dass sie in jenen Mengen freigesetzt wird, die gesunde, natürliche Melatoninspiegel imitieren. Es wird verstoffwechselt, sodass das Melatoninniveau stark ansteigt, nachdem die Ergänzung eingenommen wurde und dann für mehrere Stunden auf einem hohen Niveau bleibt. Die Werte fallen dann stark ab, um ein Aufwachen zu ermöglichen. Dadurch werden gesunde, normale circadiane Rhythmus-Zyklen nachgeahmt, die mit einem erholsamen Schlaf assoziiert werden. Die Forschung auf dem Gebiet der Chronobiologie hat gezeigt, dass die Aufrechterhaltung der Melatonin-Zyklen nicht nur für einen erholsamen Schlaf wichtig ist, sondern auch für die allgemeine Gesundheit. Aus diesem Grund empfiehlt eine wachsende Anzahl von Gesundheitsexperten pulsatiles Melatonin als ideale Ergänzung. Diese Art der Ergänzung steht viel mehr im Zusammenhang mit dem natürlichen Melatonin in einem gesunden Gehirn. Die Sicherstellung eines gesunden circadianen Rhythmus ist wichtig für die Gesundheit, daher ist eine pulsatile Melatonin-Ergänzung in der Regel die beste Option.

13.4 Chronoonkologie Unter diesem Begriff führen erste onkologische Einrichtungen Immuntherapien nach den Vorgaben eines Schlafexperten auf Grund einer Schlafanalyse durch. Dabei wird die individuelle Tiefschlafphase des Patienten ermittelt, bei der die Immunaktivität am höchsten ist. Dies hat eine deutliche Wirkoptimierung zum Ziel. Daten zu diesem Ansatz existieren allerdings noch wenige. Kommen wir zurück auf die Mechanismen der Krebsentstehung und hier im Speziellen auf den Mechanismus des sog. angiogenen Switches (Ausschüttung des Wachstumsfaktors VEGF = Vascular Endothelial Growth factor), welcher letztlich dazu führt, dass aus einer Präkanzerose ein Malignom mit seinen entsprechenden Charakteristika entsteht, so liegt auch hier ein Zusammenhang zwischen Krebsentstehung und Schlaf nahe [300,301]. Schlafapnoe verursacht eine Hypoxie des Blutes und Gewebes, welche reaktiv zu einem Anstieg von VEGF und damit zu einem höheren Risiko eines angiogenen Switches führen kann. Entsprechende Messungen und eine frühzeitige Behandlung könnten die Wahrscheinlichkeit einer potenziellen Entstehung von malignen Tumorerkrankungen deutlich verringern.

14 Grenzwertig integrative Ansätze Es gibt eine Vielzahl weitere Therapieansätze und -formen, die als antitumoral bezeichnet werden oder als solche auch mancherorts eingesetzt werden. Bei der Einschätzung der Wertigkeit fällt es heute selbst Experten schwer zu beurteilen, ob für die Anwendung als integrative Therapie eine ausreichende Rationale besteht. Natürlich ist das primäre Ziel der konventionellen als auch der anderen Therapieformen die Heilung beziehungsweise das Langzeitüberleben des Patienten, also eine kurative Behandlung. Dabei wählt die Schulmedizin bei den meisten Ansätzen den Weg des engl. „hit hard and early“, also die antitumoralen Therapien so früh und so intensiv wie möglich einzusetzen. In aller Regel führt das zu hohen Belastungen beim Patienten, sodass es diesen schwer fällt, Nutzen und Risiko noch in Einklang zu bringen. Deshalb ist in den letzten Jahren auch in den Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften die Empfehlung zu neu entwickelten Begleittherapien, die der Erhaltung der Lebensqualität dienen, Rechnung getragen worden. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus, um das Vertrauen der Patienten und deren Angehörigen in die Therapien und Maßnahmen so zu fördern, dass sie nicht nach anderen Wegen suchen würden. Dieser langjährige und anhaltende Zustand des Vertrauensverlustes in die konventionelle Medizin, vor allem wenn diese nur noch als Absicherungsmedizin mit dem viel zu häufigen Versäumnis Hoffnung zu geben funktioniert, ist der Nährboden für Therapieansätze, für welche keine oder nur eine unzureichende Rationale besteht, bis hin zur Scharlatanerie.

14.1 Sauerstoff (O2) Die Gabe von Sauerstoff wir häufig als antitumoral bezeichnet. Dabei ist zunächst von der symptomatischen Gabe von Sauerstoff bei bestimmten Situationen einer Dyspnoe abzugrenzen. Diese ist häufig notwendig für das Überleben und mit einem therapeutischen antitumoralen Einsatz von Sauerstoff auch nicht gemeint. Eine synergistische Wirkung von Sauerstoff bei der Behandlung von malignen Tumorerkrankungen ist beim Einsatz der Strahlentherapie nachgewiesen. Eine schlechte Durchblutung eines malignen Tumors, welche mit einer schlechten Oxygenierung einhergeht, führt zu einem Wirkungsverlust der Strahlentherapie. Dies liegt daran, dass ionisierende Strahlen Sauerstoff in freie Radikale umwandeln, welche dann den zytotoxischen Effekt im Gewebe auslösen. Ansonsten gilt für Tumorgewebe und -zellen wie für alles andere Gewebe, dass eine vermehrte Sauerstoffkonzentration zur Wachstumsbeschleunigung führen kann. Im Vergleich (siehe auch vorhergehende Kapitel) zu gesundem Gewebe ist Tumorgewebe bedingt durch die Angiogenese gezwungenermaßen hypoxisch und dadurch https://doi.org/10.1515/9783110497106-014

150  14 Grenzwertig integrative Ansätze

eher wachstumslimitiert. Durch die chronische Hypoxie sind die Zellen allerdings besser an solche Zustände adaptiert als gesunde Zellen [303]. Durch eine Sauerstofftherapie kann aber ein generell vorhandenes Energiedefizit behandelt werden. Maligne Tumorerkrankungen gehen häufig mit Belastungen und Einschränkungen einher, die die Entstehung von schädlichen Stoffen fördert. Diese, häufig durch eine Hypoxie im gesunden Gewebe hervorgerufenen Zustände, lassen sich durch eine regelmäßige Sauerstoffexposition mindern. Trotzt vieler Umweltbelastungen ist die natürliche Sauerstoffaufnahme durch beispielsweise Waldspaziergänge aufgrund der Kombination mit Bewegung salutogenetisch immer noch das primär anzustrebende Ziel.

14.2 Ozon (O3) Ozon ist ein Molekül, das aus 3 Sauerstoffatomen besteht und üblicherweise als farbloses Gas vorkommt. Es wurde im 19. Jahrhundert entdeckt und ist instabiler als Sauerstoff (O2). Am besten bekannt ist Ozon als Schutz in der Atmosphäre, das uns vor ultravioletter Strahlung schützt. In der Medizin wird Ozon künstlich in Generatoren als Ozon- / Sauerstoffgemisch hergestellt und aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften zur Desinfektion eingesetzt. Obwohl klinische Studien weitestgehend fehlen, wird Ozon auch vielfältig therapeutisch eingesetzt. So wird eine Gas-Exposition mit Ozon für den ganzen Körper über Saunen oder auf bestimmte Regionen wie beispielsweise Gelenke oder Wunden therapeutisch durchgeführt. Dabei ist eine Inhalation über die Lungen zu vermeiden da Ozon hier eine toxische Wirkung hat. Auch eine Anreicherung von Eigenblut mit Ozon wird therapeutisch eingesetzt. Basis hierfür sind allein Tierversuche, in welchen Veränderungen verschiedener biologischer Parameter, wie vor allem immunstimulierenden und immunmodulierenden Effekten, beobachtet wurden. Hier ein paar Anwendungsbeispiele für den therapeutischen Einsatz von Ozon: –– Die häufigste in der Onkologie gebräuchliche Form der Anwendung von Ozon ist die Autohämotherapie. Diese modifizierte Form einer Eigenblutbehandlung verwendet venöses Blut des Patienten, welches dann mit einem Ozon-Sauerstoffgemisch versetzt wird. Obwohl reines Ozon intravenös verabreicht toxisch ist, kann das so mit Ozon angereicherte Eigenblut weitestgehend gefahrlos wieder intravenös dem Patienten injiziert werden. Auch eine intramuskulöse Re-Injektion ist möglich. –– Die rektale Begasung mittels Einwegkatheter, der in den Darm eingeführt wird, stellt eine lokale Therapieform der Ozontherapie dar. Diese Anwendung wird vor allem bei malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes oder entzündlichen Darmerkrankungen durchgeführt. –– In der Behandlung von schlecht heilenden Wunden hat sich die topische Anwendung in Form von ozonisiertem Olivenöl auf infizierte Wunden nachweislich

14.2 Ozon (O3)  151

bewährt. Hier spielt sicherlich die antibakterielle Wirkung von Ozon eine wesentliche Rolle im Wirkmechanismus. Häufig wird aber auch hier die Begasung von Wunden mit Ozon eingesetzt. Dazu werden entsprechende Ozon-gefüllte Beutel verwendet, um das Gas im betroffenen Bereich zu halten und anzureichern. –– Bei Neurochirurgen durchaus verbreitet ist die Injektion von Ozon in der Behandlung von Bandscheibenvorfällen. Dabei wird Ozon in die Facettengelenke der Wirbelkörper oder teilweise sogar direkt in die Bandscheiben injiziert. –– Bei Orthopäden wird eine Ozon-Behandlung vereinzelt bei Gelenkerkrankungen direkt intraartikulär oder periartikulär verabreicht. Neben der antibakteriellen, fungiziden und antiviralen Wirkung von Ozon ist auch eine Förderung der Durchblutung nachgewiesen. Dies ist wie bei anderen Gasen auf einen Rebound-Effekt nach der kurzzeitigen vasokonstriktiven Wirkung von Gasen zurückzuführen. Wie bereits erwähnt, existieren kaum präklinische oder klinische Studien zur therapeutischen Wirkung von Ozon. In einer präklinischen in vivo Studie, welche an Ratten durchgeführt wurde, führte die Begasung des Peritoneums mit Ozon zu einer Reduktion eines durch Tetrachlorkohlenstoff induzierten Leberzellschadens. Eine klinische Studie, welche die Wirkung von einem Ozon- / Sauerstoffgemisch im Vergleich zu einem reinen Sauerstoffgemisch auf die Stimulierung von NK-Zellen (engl. „natural killer cells“) untersucht hat, konnte keine signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigen [304]. Eine 2005 publizierte einarmige klinische Studie postuliert einen positiven Effekt auf Hauterkrankungen und Durchblutungsstörungen durch die topische Anwendung von Ozongas oder ozonisiertes Olivenöl [305]. Bezüglich der Sicherheit in der Anwendung von Ozon muss darauf hingewiesen werden, dass die Anwendung in erfahrene ärztliche Hände gehört. Gerade in den Anfängen der therapeutischen Anwendung von Ozon kam es bei der 1961 noch durchgeführten intravenösen Injektion zu letalen Komplikationen durch Embolien. Seit der extrakorporalen Anreicherung des Blutes mit einem Ozon- / Sauerstoffgemisch sind solche Komplikationen allerdings nicht mehr beobachtet worden. Das re-injizierte Blut enthält dabei kein Ozon selbst, sondern nur noch die durch Oxidation entstandenen Reaktionsprodukte. Auch die Entwicklung der Ozon-produzierenden Generatoren hat deutliche Fortschritte gemacht. Neuere Generatoren können den Ozongehalt zwischenzeitlich mikrogrammgenau produzieren und sind nach dem Medizinproduktegesetz zertifiziert [305]. Mögliche Nebenwirkungen einer therapeutischen Anwendung von Ozon können Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, Husten und Bauchkrämpfe sein. Auch eine allergische Schockreaktion kann auftreten. Trotzdem zeigte eine klinische Anwendungsbeobachtung an ca. 11.000 Patienten, welche eine Autohämotherapie mit einem Ozon- / Sauerstoffgemisch erhielten, eine ausreichende Sicherheit der Therapie.

152  14 Grenzwertig integrative Ansätze

Trotzdem gilt, dass aufgrund der geringen klinischen Datenlage und den widersprüchlichen Aussagen verschiedener Einzelfallberichte und Anwendungsbeobachtungen das Nutzen- / Risikoverhältnis für eine therapeutische Anwendung von Ozon in der Onkologie bisher nicht ausgewogen ist.

14.3 Chlorophyll Vielversprechend aber ebenfalls noch mit nur wenigen klinischen Studien belegt ist die medizin-therapeutische Anwendung von Chlorophyll. Chlorophyll spielt die wesentliche Rolle bei der Umwandlung von Lichtenergie in chemische Energie, der Fotosynthese. Dabei ist Chlorophyll bis auf ein Atom identisch mit Hämoglobin. Neben der Bedeutung in der Photodynamischen Therapie, in der zellzerstörende Stoffe mittels Chlorophyll-Derivaten durch Licht aktiviert werden, wurde auch eine direkte antitumorale Wirkung von Chlorophyll beschrieben. Für Chlorophyllin, einem Chlorophyll-Derivat, konnte präklinisch in vivo eine bessere antitumorale Wirksamkeit gezeigt werden als für die Chemotherapie Hydroxyurea [306]. Auch bei gastrointestinalen Tumoren zeigte sich eine deutlich höhere Wirksamkeit für Chlorophyllin. Der Wirkmechanismus ist dabei auf eine Hemmung des Enzyms Ribonukleotidreduktase (RNR) durch Chlorophyllin zurückzuführen. Dieses ist wiederum maßgeblich an der Proliferation maligner Tumorzellen beteiligt.  Die viel propagierte Chlorophyll-Gabe in Form von grünem Blattgemüse oder grünen „Säften“ wie beispielsweise den grünen Smoothies, führt klinisch sicher nicht zu den präklinisch eingesetzten therapeutisch wirksamen Dosierungen. Anwendungsbeobachtungen zeigen aber, dass auch die Einnahme hoher Konzentrationen von Chlorophyll ohne Risiko von Nebenwirkungen ist. In einzelnen Berichten wird eine Optimierung von Qualität und Quantität der Erythrozyten postuliert. Für Chlorophyll ist zwar aufgrund des geringen Risikos die Nutzen- / Risiko-Abwägung ausgewogen, die klinische Bedeutung von Chlorophyll oder seinen Derivaten ist aber noch weitestgehend ungeklärt.

14.4 Indol-3-Carbinol Nahrungsmittel wie Brokkoli, Kohlrabi, Grün-, Blumen-, Rosen-, Weiß-, Rotkohl und Raps, welche die Wirkstoffe Isothiocyanate (Senföle) und Indolderivate enthalten, sollen entgiftend wirken. Möglicherweise wirken sie auf die Glutathion-S-Transferase. Diese ist schon länger für ihre anti-oxidativen Mechanismus bekannt. In präklinischen Untersuchungen in vitro im „Institute of Food Research“ in Norwich wurde gezeigt, dass der Inhaltsstoff Allylisothiocyanat (AITC) die Proliferation maligner Tumorzellen über eine In-

14.5 Krebs-Stoffwechseltherapien (Zellatmungstherapie)  153

duktion der Apoptose hemmt [307]. Eine präklinische in vivo Studie zeigte zudem eine präventive Wirkung beim Mammakarzinom. Der Wirkmechanismus ist dabei auf eine vermehrte Bildung von 2-OH-Östradiols anstelle von 4-OH- und 16-alpha-OH-Östradiols zurückzuführen [307]. 2-OH-Östradiol, auch als 2-Hydroxyestron bezeichnet, hat in einer klinische Phase I Studie eine anti-hormonelle Wirkung bei Patientinnen mit Mammakarzinom über eine anti-östrogene Wirkung gezeigt. Indolderivate wirken zudem antagonistisch gegen Testosteron. Präklinische Studien zeigten dementsprechend eine anti-tumorale Wirkung von Indolen auch beim Prostatakarzinom. Diese antihormonellen Wirkungen beim Mammakarzinom und beim Prostatakarzinom sind ohne relevante Nebenwirkungen. Sicherheitsstudien zu Indol-3-Carbinol zeigen keinen Hinweis auf Nebenwirkungen [308]. Die im Jahr 1997 erfolgten klinischen Studien zur Sicherheit mit Indol-3-Carbinol in einer täglichen Dosierung von 300 mg zeigten ebenfalls keinen Hinweis auf Nebenwirkungen. Eine klinische Studie zur Wirksamkeit von Indol-3-Carbinol wurde an weiblichen Probanden im Jahr 1998 durchgeführt. Die Frauen waren alle im Alter von 35 bis 47 Jahren. Untersucht wurde der Einfluss auf die Entwicklung der Östrogenspiegel. Der Östrogenmetabolismus konnte mittels Indol-3-Carbinol besser reguliert werden [308]. Bei der Einnahme von Indol-3-Carbinol-haltigen Nahrungsmitteln ist auf eine potentielle Interaktion mit anderen Substanzen zu denken. So kann ein täglicher Verzehr von Kohlarten zu einer verminderten Wirkung vieler zytotoxischer Substanzen als auch der Schilddrüsenfunktion führen. Für einen Einsatz in der integrativen Onkologie reichen die Daten zu Indol-3-Carbinol bisher aber nicht aus, um einen therapeutischen Einsatz zu empfehlen. Zudem gilt auch hier, dass die Menge, die für die präklinisch beschriebenen Effekte notwendig ist, kaum über die Nahrung aufgenommen werden kann.

14.5 Krebs-Stoffwechseltherapien (Zellatmungstherapie) Die Zellatmungstherapie beruht ebenfalls auf der Stoffwechseltheorie der in den 1920er Jahren veröffentlichen Arbeiten von Otto Heinrich Warburg, die letztlich 1931 auch zu der Verleihung des Nobelpreises führten. Allerdings interpretiert diese Theorie die Entstehung maligner Tumore als Folge einer mangelhaften Sauerstoffversorgung der Zellen. Die propagierten antitumoralen Therapieansätze, die aus dieser Therapie entstanden sind, sind mannigfaltig und reichen von Mixturen aus Schöllkrautalkaloiden und Chemotherapeutika bis hin zu grünen Pflanzenmixturen oder Homöopathika. Da es sich um einen allgemeinen Oberbegriff ohne konkreten Therapieansatz handelt, kann an dieser Stelle dieser Therapieansatz auch nur allgemein erwähnt werden.

154  14 Grenzwertig integrative Ansätze

14.6 Procain-Basen-Therapie Eine weitere Form einer schon seit vielen Jahren propagierten antitumoralen Therapie ist die Procain-Basen-Therapie. Bisher fand und findet sie vor allem bei Heilpraktikern Anwendung. Hierbei wird ein Schmerztherapeutikum (Procainhydrochlorid) aus der Neuraltherapie intravenös eingesetzt, was zu einer Schmerzreduktion und vermehrten Perfusion der Kapillaren führt. Neben der Schmerzhemmung hat es damit auch einen anti-entzündlichen Effekt. Auch ein stimmungsaufhellender Effekt ist beschrieben. In der antitumoralen Behandlung wird Procain in Kombination mit einer Base appliziert. Dabei wird Procain langsam intravenös mit der Base Natriumhydrogenkarbonat (THAM) verabreicht. Dies hat zur Folge, dass eine bessere Halbwertszeit für Procain erreicht werden kann, damit eine längere Dauer der Wirkung erzeugt wird. Des Weiteren ist Procain in einer alkalischen Umgebung besser membrangängig und reichert sich stärker in den Zellen an [309]. Die Nebenwirkungsrate ist dabei nur gering. Sehr selten sind Hypotonie, Ataxie und Kopfschmerzen beschrieben, die sofort nach Reduktion der Infusionsgeschwindigkeit wieder reversibel sind. Auch die Gabe einer pH-neutralen Trägerlösung kann zu einer sofortigen Besserung der Symptome führen. Üblicherweise werden 20–100 ml (40 ml) einer 8,4 %igen Natrium-BikarbonatLösung in 500 ml NaCl 0,9 % gelöst. Procain wird dabei in einer Dosis von 0,1 bis 0,5 g (200 mg) verwendet. Die Infusionen sollten über einen langen Zeitraum erfolgen, dabei sollen maximal 250 ml in einer Stunde verabreicht werden. Für eine ausreichende Wirkung auf Schmerzen sind normalerweise zwischen 5 und 10 Infusionen nötig. Diese werden 2 bis 3 Mal pro Woche gegeben, bis es zu einer deutlichen und nachhaltigen Schmerzlinderung kommt [309].

15 Beispiele erfolgreich in Standardtherapien ­konvertierte Therapien 15.1 Wechselstrom Eine tragbare Haube, die elektrische Wechselfelder an das Gehirn abgibt, kann das progressionsfreie Leben und das Gesamtleben von Patienten mit einem Glioblastom verlängern, die eine Standardchemotherapie erhalten. Dies zeigen die abschließenden Ergebnisse einer Phase 3-Studie im amerikanischen Ärzteblatt, deren Zwischenergebnisse vor zwei Jahren zur Zulassung der Therapie in den USA geführt haben [310]. Das Glioblastom ist der häufigste und aggressivste Hirntumor. Zwei Jahre nach der Diagnose lebt nur noch einer von vier Patienten und die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei unter 10 %. Die Therapie besteht, wenn möglich, aus einer Resektion des Tumors und einer anschließenden Chemotherapie mit Temozolomid. Die Tumortherapiefelder (TTfields, TTF) sind ein neuartiges Konzept. Es beruht auf der Beobachtung, dass rasch wechselnde elektrische Felder die Zellteilung verhindern, indem sie die Spindelbildung in der Mitose stören. Die TTF werden dem Patienten über Keramik-Gel-Pads verabreicht. Sie sind in eine Haube integriert, die der Patienten zeitweise auf dem kahlgeschorenen Kopf trägt. Der Hersteller hat die Wirksamkeit der Therapie in einer Phase 3-Studie in 89 Zentren (deutsche Beteiligung: Hamburg, Heidelberg, Kiel) an 695 Patienten untersucht, die im Verhältnis 2 zu 1 auf eine TTF-Therapie plus Temozolomid-Chemotherapie oder eine alleinige Temozolomid-Chemotherapie randomisiert wurden. Die Patienten wurden gebeten, die Haube tägliche für mindestens 18 Stunden zu tragen [310]. Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben. Hier wurde bereits bei einer Zwischenauswertung vor zwei Jahren eine signifikante Verbesserung durch die TTF-Therapie festgestellt. Sie hat im Oktober 2015 zur Zulassung der TTFTherapie in den USA geführt. In Europa ist die Therapie aufgrund einer CE-Zertifizierung ebenfalls verfügbar. Jetzt stellen Roger Stupp vom Lurie Comprehensive Cancer Center in Chicago und Mitarbeiter die abschließenden Ergebnisse der Studie vor. Sie bestätigen die Vorteile im progressionsfreien Überleben. Unter der Kombination von TTF-Therapie und Chemotherapie vergingen im Mittel 6,7 Monate bis zum erneuten Tumorwachstum. Unter der alleinigen Chemotherapie waren es nur 4,0 Monate. Stupp ermittelt eine Hazard Ratio von 0,63, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,52 bis 0,76 signifikant war. Das mediane Gesamtüberleben betrug bei der Kombination von TTF-Therapie und Chemotherapie 20,9 Monate gegenüber 16,0 Monaten unter einer alleinigen Chemotherapie. Die Hazard Ratio von 0,63 (0,53–0,76) war erneut statistisch signifikant. https://doi.org/10.1515/9783110497106-015

156  15 Beispiele erfolgreich in Standardtherapien ­konvertierte Therapien

Die TTF-Therapie gehört damit zu wenigen Therapien, für die in den letzten Jahren eine lebensverlängernde Wirkung nachgewiesen wurde [310]. Die 2-Jahres-Überlebensrate verbesserte sich von 31 auf 43 %. Nach fünf Jahren waren noch 13 gegenüber 5 % der Patienten am Leben.  Das Tragen der Haube war mit Ausnahme von leichten bis mäßigen Hautreizungen auf der Kopfhaut bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten mit keinen Nebenwirkungen verbunden.

15.2 Individuelle Gentherapie mit CAR-T Zellen Ein weiteres gutes Beispiel für einen Übertrag einer zunächst als integrativ bezeichneten Therapie in eine leitliniengerechte Therapie, ist eine weitere Form der individuellen Immuntherapie, die Therapie mit CAR-T-Zellen. Es handelt sich dabei um chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen. Individuell deswegen, da patienteneigene T-Zellen ex vivo mit chimären Antigenrezeptoren (engl. „chimeric antigen receptor“, CAR) ausgestattet werden. Dies geschieht über virale Gentransfervektoren, also Gen-therapeutisch. Die genetische Information für den Antigen-Rezeptor wird dabei extrakorporal in das Genom der T-Zellen des Patienten eingebaut. Damit ist sichergestellt, dass die Information auch bei der Proliferation der T-Zelle erhalten bleibt [312]. Die Grundidee für diesen Ansatz wurde über die dendritischen Zellen generiert, auch wenn die Methoden zwischenzeitlich nicht mehr miteinander vergleichbar sind, da bei der CAR-T-Zellen-Therapie die für die Immunantwort relevante Information sehr aufwändig über den Gentransfer in das Genom der Zelle eingebaut wird. Für das Erkennen der Tumorzellen sind die chimären Antigenrezeptoren verantwortlich. Sie besitzen eine extrazelluläre Bindedomäne, eine Linkerregion („hinge“), eine Transmembrandomäne und eine intrazelluläre Signalsequenz [311]. Die Bindedomäne bindet dabei an das entsprechende Oberflächenantigen der malignen Tumorzelle, die intrazelluläre Signalsequenz sorgt daraufhin für die Aktivierung der T-Zelle. Je nachdem welche Signalsequenz oder Signalsequenzkombination verwendet wird, spricht man von erster, zweiter oder dritter Generation von CAR-T-Zellen. Dabei wird durch die Variablen vor allem die Stärke der T-Zell-Aktivierung beeinflusst [313]. Dabei ist zu beachten, dass die Therapie mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann. In klinischen Studien wurden, wie bei anderen Immuntherapien in abgeschwächter Form auch, starke systemische Autoimmunreaktion oder Zytokinstürme beschrieben. Auch neurologische Nebenwirkungen wurden berichtet. Die Nebenwirkungen der CAR-T-Zell-Therapie können auch letal enden [314]. Nach der Leukapherese, in welcher die Leukozyten des Patienten gewonnen werden, werden die T-Zellen des jeweiligen Patienten gewonnen. Über ein inaktives Virus werden in diese das Gen zur Produktion des chimären Antigenrezeptors gegen

15.2 Individuelle Gentherapie mit CAR-T Zellen  157

CD19 transferiert. Damit ist die CAR-T-Zelle fertig zur in vitro Expansion, die Zellen exprimieren nun den für die Erkennung der Tumorzellen notwendigen Rezeptor. Bevor die CAR-T-Zellen dem Patienten intravenös infundiert werden können, müssen dessen verbliebene, unveränderte T-Zellen zerstört werden. Dies geschieht ähnlich wie vor einer Stammzelltransplantation über eine hochdosierte, Knochenmarks-ablative Chemotherapie (Konditionierung). Dabei werden bevorzugt Substanzen wie Cyclophosphamid und Fludarabin verwendet. Nach der Infusion der CAR-TZellen bleiben die auf diese Weise präparierten T-Zellen dem Patienten lebenslang erhalten (Abb. 15.1). Die in klinischen Studien verwendeten Dosierung betrugen nur zwischen 106 und 109 Zellen pro Dosis. Nach Aktivierung durch die malignen Tumorzellen über den gentherapeutisch in die T-Zellen transferierten Rezeptor, proliferieren diese dann zu zytotoxischen T-Zellen gewordenen Zellen und passen sich der therapeutisch für die Antitumorwirkung benötigten Menge an. Die Nebenwirkungen in Form eines Zytokinsturms zeigen sich typischerweise in Form von sehr hohem Fieber, Fatigue, Übelkeit und Herz-Kreislauf-Störungen. Dies erklärt sich durch die Freisetzung von Interleukinen, Interferonen und dem Tumornekrosefaktor-α. Mittel der Wahl in diesen Fällen ist Tocilizumab – ein Antikörper gegen den IL-6-Rezeptor oder Immunsuppressiva in Form von Kortikosteroiden. Die Nebenwirkungen unter dem Oberbegriff Neurotoxizität traten in Form von Enzephalopathien, Kopfschmerzen oder Aphasien auf. Auch delirische Zustände wurden beschrieben. Vor allem ein akut auftretendes Hirnödem war mit letalen Verläufen assoziiert. Zu beachten ist aufgrund der teilweise sehr starken Wirkung auch ein Tumorlysesyndrom. Dieses wurde vor allem bei Tumoren mit großer Tumormasse (engl. „bulky disease“) beobachtet und hatte vereinzelt ebenfalls tödliche Verläufe [314]. Letztlich sind die für Immuntherapien typischen Autoimmunreaktionen zu beachten. Diese sind darauf zurückzuführen, dass die jeweilig eingesetzten Ziel-Antigene der CAR-T-Zelltherapie nicht nur auf malignen Tumorzellen, sondern auch auf

Blutentnahme für T-ZellGewinnung

CAR-T-ZellProduktion

T-Zelle Vermehrung

(Petrischale)

Ausbildung von „Chimeric-antigenreceptors“

CAR-Gen

Infusion in den Patienten CAR-T-Zellen binden an Tumorzellen und zerstören diese

Abb. 15.1: Wirkprinzip der CAR-T-Zelltherapie.

158  15 Beispiele erfolgreich in Standardtherapien ­konvertierte Therapien

gesunden Zellen exprimiert werden können. Besonders bei der Verwendung eines ErbB2-spezifischen CAR wurden in den klinischen Studien ein Multiorganversagen beobachtet. Die Wahl des jeweiligen Zielantigens steht daher im Fokus weiterer Optimierungen der CAR-T-Zell Therapie. Ansprechraten von 90 % mit CD-19-spezifischen CAR-T-Zellen bei Patienten mit B-Zell-Leukämien lassen auf weitere Erfolge bei anderen malignen Tumorentitäten hoffen. Trotzdem sind die Kosten unverhältnismäßig und lassen derzeit eine Therapie nur in Einzelfällen und dies auch nur nach Antrag bei den Kostenträgern zu.

15.3 Nabelschnurblut Stammzellen, gewonnen aus dem Blut der Nabelschnur kommen schon länger bei Erbkrankheiten des Gehirns zum Einsatz. Zwischenzeitlich ist diese Form einer Stammzelltherapie auch in der Hämatologie zur Behandlung von Leukämien wiederzufinden. Dabei werden zwischenzeitlich aus der Nabelschnur gewonnene Stammzellen bei der Behandlung von Leukämien bei Kindern bevorzugt. Bei etwa 30.000 Transplantationen weltweit werden inzwischen Nabelschnur-Stammzellen verwendet. Den Ursprung hat diese Therapieform 1994 als ein Kind mit einer Fanconi-Anämie mit dem Nabelschnurblut seiner gesunden Schwester geheilt werden konnte [315]. Der Vorteil von aus der Nabelschur gewonnen Stammzellen ist, verglichen mit anderen Stammzellen, die geringe Rate an Autoimmunreaktionen. Zudem proliferieren sie schneller. Auch die sonst häufigen, über die Jahre entstandenen Schäden am Erbgut, sind nicht vorhanden [316,317]. Limitierend ist nach wie vor die fehlende Aufklärung und Zentralisierung der Nabelschnurblut-Einlagerung. Zudem steht in der Regel nur eine sehr geringe Menge an Material zur Verfügung: Da die Nabelschnur nur wenig Blut enthält, stehen auch nur wenige Stammzellen zur Verfügung. Das reduziert die Erfolgschance bei der Stammzelltransplantation, da die geringere Zellmenge zu einer längeren Dauer bis zum Anwachsen des Transplantes führt. Das bedeutet, dass die Zeit ohne Stammzellen länger wird und die Zeit für das Risiko von Infektionen zunimmt. Daher versucht man in der Regel das Nabelschnurblut von zwei Spendern zu verwenden, um eine ausreichende Anzahl an Stammzellen zu erhalten. Das Vorgehen ist zwar sehr erfolgreich, reduziert aber die Ressourcen, die den Betroffenen sonst zur Verfügung stehen würden. Daher bemüht sich die Wissenschaft weiterhin um Methoden, die Stammzellen des Bluts einer Nabelschnur in vitro zu expandieren [318]. Dies würde die Ressourcen wieder verdoppeln. Im besten Fall stehen zukünftig jedem Erwachsenen seine eigenen Nabelschnurblut-Stammzellen für den Fall eines Bedarfs zur Verfügung. Derzeit lagern weltweit mehr als drei Millionen Nabelschnurblut-Spenden in flüssigem Stickstoff [319].

16 Beispiele erfolgreich in ­leitliniengerechte ­Diagnostik konvertierte integrative ­Diagnostikverfahren 16.1 Liquid Biopsy Um eine maligne Tumorerkrankung mit Sicherheit zu diagnostizieren bzw. auszuschließen, wird in der Regel eine Gewebeprobe bioptisch gewonnen und histopathologisch untersucht. Auch zur weiteren Charakterisierung eines bereits diagnostizierten malignen Tumors wird üblicherweise an der Gewebeprobe eine molekularpathologische Untersuchung der aufgearbeiteten Tumorzell-DNA durchgeführt. Dieses Verfahren ermöglicht heute vielen Betroffenen eine individualisierte Therapie, basierend auf dem molekularen Profil der malignen Tumorzelle. In der Nachsorge stellt sich häufig die Frage nach der Dignität neuer Veränderungen. Auch muss häufig unter großem Risiko, beispielsweise beim Verdacht auf Lungen- oder Lebermetastasen, eine erneute Biopsie gewonnen werden. Auch der molekularpathologische Verlauf bezüglich des Hormonstatus beim Mammakarzinom oder molekularer Zielstrukturen beim Bronchialkarzinom verlangen derzeit eine aktuelle Gewebeanalyse. Um die Notwendigkeit für Gewebeproben zu ersetzen, wurde nun eine neue Analyse-Methode, die engl. „Liquid Biopsy“ (Biopsie aus Körperflüssigkeiten), entwickelt. Dabei wird eine Nukleinsäureanalytik im Blut des Patienten durchgeführt, um auf diese Weise maligne im Blut zirkulierende Tumorzellen oder der frei flottierenden DNA nachzuweisen. Erst hochsensitive molekulare Untersuchungsmethoden wie die „digital droplet PCR“ (ddPCR) oder das „next generation sequencing“ (NGS) waren in der Lage, die sehr geringen Mengen der im Blut vorkommenden Tumorspezifischen DNA zu detektieren [320]. Die Bezeichnung als Biopsie (engl. „biopsy“) ist allerdings irreführend. Eine histologische Aufarbeitung der Zellen kann die Methode nicht gewährleisten, sie ist ausschließlich auf die molekularpathologische Analyse maligner Tumorzellen ausgelegt. Neben den im Blut zirkulierenden Tumorzellen (engl. „circulating tumor cells“, CTCs) und der freien DNA (engl. „cell-free DNA“, cfDNA) ermöglicht die Liquid Biopsy zudem die Bestimmung zellfreier mitochondrialer RNA als auch der Exosomen des Tumors (cfmiRNA) [321]. Einsatzgebiete der Liquid Biopsy sind Screening-Untersuchungen in der Prävention und Risikoeinschätzungen nach kurativer Behandlung. Etabliert ist die über eine einfache Blutentnahme zu gewinnende Liquid Biopsy heute zur Identifizierung therapeutisch relevanter molekularer Zielstrukturen, Resistenzmechanismen und zum Tumormonitoring, ohne dafür eine erneute Gewebebiopsie zu benötigen.

https://doi.org/10.1515/9783110497106-016

160  16 Inzwischen leitliniengerechte Diagnostikverfahren

Das Tumor-Monitoring mittels Liquid Biopsy vereint zwei Methoden, indem es möglicherweise entstehende Rezidivtumore sowohl sehr früh detektieren als auch deren gegebenenfalls verändertes molekulares Profil analysieren kann. Therapeutisch relevante molekulare Strukturen stellen dabei beispielsweise die Genmutationen von EGFR, KRAS, NRAS, BRAF oder PIK3CA dar [322]. In klinische Studien an Patientinnen mit Mammakarzinom wurde eine Assoziation zwischen einem in der Liquid Biopsy detektiertem Anstieg der Genmutationen und einem frühen Rezidivrisiko bestätigt. Bestes Beispiel für den Einsatz der Liquid Biopsy beim Monitoring ist die Verlaufskontrolle bei Patienten mit Bronchialkarzinom. Hier konnte in klinischen Studien durch die Liquid Biopsy das Therapieansprechen in „Echtzeit“ verfolgt werden. Der Vorteil der Liquid Biopsy liegt auf der Hand – anstelle einer invasiven Probenentnahme genügt eine Blutprobe. Das Verfahren kommt damit auch für Krebsarten in Frage, bei denen eine Nadelbiopsie riskant ist, z. B. bei Lungen- oder Hirntumoren (Tab. 16.1) [323]. Die Nachteile der Liquid Biopsy gegenüber einer normalen Biopsie liegen in der geringeren Sensitivität von nur 70 % bei Patienten mit metastasierten malignen Tumorerkrankungen. Für Gehirntumoren ist ein cfDNA-Nachweis aufgrund der Barriere der Blut-Hirn-Schranke sogar komplett ungeeignet, da selbst für die Liquid Biopsy zu wenige DNA-Fragmente im Blut zirkulieren [322]. Tab. 16.1: Vergleich zwischen Nadel- und Liquid Biopsy (Quelle: Dahl E. Diagnostik: Liquid Biopsy – Status 2016. Dtsch. Arztebl. 2016). Konventionelle Nadelbiopsie

Liquid Biopsy

zeitintensives Prozedere

einfache Blutentnahme

invasiver Eingriff

minimalinvasiv

lokal begrenztes Gewebe in der Probe

zirkulierende Zellen

OP-Risiko

geringes Risiko für Komplikationen

Probenentnahme direkt aus frischem Gewebe

verminderte Zellzahl durch Blut-Hirn-Schranke

Tumorzellen gelangen ggf. einfacher aus Gewebe

Tumorgewebe wird nicht eröffnet

17 Zukunftsaussichten In Ermangelung besserer Alternativen und im Rahmen einer rasch zunehmenden juristischen Absicherungsmedizin welche Signaturmethoden keinen Spielraum mehr lässt, nutzen wir zur Ermittlung der für den einzelnen Patienten individuell besten Behandlung ein vollkommen falsches System. Zweiarmige, doppelblinde Studien mit ausreichender Power ermitteln einen prozentualen Unterschied im Erfolg der Therapie in einer definierten Gruppe. Zum Erfolg des einzelnen Patienten sagen diese Studien nichts aus. Für den Einzelnen kann nach wie vor die Vorgehensweise A, welche für die Gruppe schlechter als die Vorgehensweise B getestet wurde, der bessere Weg sein. Dieses Beispiel zeigt unser Dilemma sehr deutlich auf. Wir versuchen mittels dokumentierter Ergebnisse Vieler die richtige Empfehlung für das Ergebnis des Einzelnen zu finden. Das ist bei allen Bemühungen auf diese Art nicht möglich. Spielt die Evidenz dann aber keine Rolle mehr? Meiner Meinung nach schon. Aber weit weniger als in der Schulmedizin postuliert und besser integriert im Gesamtkonzept der integrativen Medizin. Zu diesem gehören nach entsprechender Aufklärung gleichberechtigte Aufklärung aller Aspekte. –– Akzeptanz der Patientensicht hinsichtlich seiner Therapie –– Individualisierte, auch einmal von der Leitlinie abweichende Therapie-Leitlinien wurden geschaffen um aus der Erfahrungsmedizin Unwissenheit und Scharlatanerie zu entfernen. Leider ist dieser Idealismus einem Missbrauch der Leitlinien als sog. Standard gewichen, der wiederum v. a. jüngere und unwissende Kollegen zu gefährlichen Fehlaussagen in der Aufklärung von Patienten verleitet. Nimmt man das Beispiel einer jungen Frau mit Mammakarzinom, welche nach Operation und adjuvanter Bestrahlung nun vor der Entscheidung einer nach den Leitlinien empfohlenen adjuvanten Chemotherapie, gefolgt von einer 5-jährigen AntiHormontherapie steht. Die Aussage der Kollegen in dieser Situation lautet wiederkehrend: „Wenn Sie die Therapie nicht machen, wird der Tumor garantiert wiederkommen und Sie werden sterben“. Also Prinzip Angst anstelle Hoffnung oder adäquater Aufklärung. Nach wirklich adäquater Aufklärung kann es sein, dass die Patientin keine weitere Behandlung mehr wünscht und der bisher statistisch erreichte Erfolg nach ihrer eigenen Nutzen-Risiko-Analyse ausreicht. Oder dass sie, wenn sie unter der Chemotherapie keine Alopezie erleiden muss, eine Chemotherapie machen würde (z. B. CMF aus der ehemaligen Leitlinie, zu den heutigen Protokollen mit FEC oder Sandwichverfahren T/EC nur unwesentlich geringer wirksam, statistisch gesehen. Für diesen individuellen Menschen aber vielleicht nicht …). Über die Sinnhaftigkeit der Dauer, der dann auch noch empfohlenen antihormonellen Therapie soll hier kein Text verschwendet werden. https://doi.org/10.1515/9783110497106-017

162  17 Zukunftsaussichten

17.1 Integrative Onkologie – Quo vadis? Die integrative Onkologie ist auf einem guten Weg. Sie hilft bestehende Schwächen unseres Medizinsystems äußern zu dürfen und seine guten Seiten weiter zu entwickeln. Die Schwäche der Medizin als Wissenschaft führt leider viel zu häufig zu einer unnötigen Härte in der Verteidigung ihrer standardisierten Therapieformen. Wurden Kollegen wegen Kunstfehler 2001 noch entlassen, weil sie einen Patienten mit Thrombose nicht sofortige Bettruhe verordnet hatten, werden Sie heute in gleicher Situation entlassen, wenn sie den Patienten nicht, wie zwischenzeitlich in den Leitlinien zur Behandlung einer Thrombose festgehalten, umgehend mobilisieren. Wenn wir der Erfahrungsmedizin erfahrener Kollegen und Chefärzten kein Vertrauen mehr schenken und Ihnen und uns selbst keinen Spielraum mehr in den Leitlinien lassen, dann sollten es doch zumindest die Betroffenen sein, deren Bedenken gegenüber manchen Therapien gehört und akzeptiert werden sollten, ohne dass ihnen Repressionen drohen. Sie sind die, die in einer verstandenen integrativen Onkologie als Teilnehmer in die Tumorboards gehören. Letztlich braucht es einen Weg der frühen Schulung und Ausbildung in integrativer Medizin und Onkologie, sind es doch nach wie vor meistens Kollegen, die selber oder deren Angehörige eine entsprechende Krankheitserfahrung machen mussten, ehe sie den berechtigten Anspruch der Patienten an uns begriffen haben.

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Stichwortverzeichnis Symbole

Δ9-Tetrahydrocannabinol 55

A

Absicherungsmedizin 125, 161 Aceton 111 Acetylsalicylsäure 62, 64 Aderlass 98 Adipositas 82, 106 AGO 69 Aktivkohle 98 Akupunktur 91 Algorithmen 124, 125 alkalisierende antitumorale Therapie 64 alkalisierende Krebstherapie 64 Alkalisierung 65 Allergien6 94 allergische Reaktion 94 Aminosäuren 118 AMT 60 anaerobe Glykolyse 110 Anämie 91 Angioneogenese 11 Angst 123, 161 antiangiogen 49 Antikörper 15, 16 Antioxidantien 75 antitumoral 154 Apoptose 7, 9, 51, 64, 65, 85, 111 Appetitverlust 108 Artemisia annua 83 Artemisinin 83 Artesunat 84, 85 Aspirin 62 ASS 62, 63 Aufklärung 123 Auron Misheil Therapie 60, 61 Autohämotherapie 150 Autophagie 85

B

Barrieren –– mechanische 13 BAX 82 Beifuß 83

Benzoesäure 66 Beratungsstellen 122 Bestrahlung 33 Beta-Carotin 73 Bevacizumab 25 Big Data 125 Biopsie 159 BIOPTRON 100 Biorhythmus 139 Bioverfügbarkeit 75 Blutreining 97 Blutzuckerspiegel 107 Boswellia 86 Boswellia serrata 86

C

Campthotecin-Derivate 36 Camptothecin 38 Cannabidiol 54 Cannabis 52 CAR-T-Zellen 23, 156, 158 –– Therapie 156 CB1 52 CB2 52 CBD 54 CD20 23 Ceramid 55 Checkpoint-Inhibitoren 25 Chemotherapeutika 35 Chemotherapie 89 chimeric antigen receptor (CAR) 156 Chlorophyll 152 Chlorpheniramin 60 Chronobiologie 144, 147 Chronoonkologie 147 Chronotherapie 144, 145, 146 circadianer Rhythmus 146 CK-MB 135, 136 Compliance 112 Cortisolspiegel 144 Cox-1 62 Cox-2 62 CTL-4 16, 17 Curcumin 74 Cyclocreatin 119 Cyclophosphamid 25

180  Stichwortverzeichnis

D

Daten 125 Delfintherapie 128 Dendritische Zellen 19 Depressionen 90 Dexanabinol 58 Diabetes mellitus 79, 82 –– Typ 2 106 Diffusion 11 Docetaxel 41

E

Eigenblut 150 Einjähriger Beifuß 84 Eisen 83 Eisenbeladung 83 Eisenmangel 91 Emesis 56, 90 Endocannabinoid-System 52 Energie 118 Erbanlage 9 Erbrechen 108 Ernährung 103, 107 Ernährungsempfehlungen 112 Etoposid 42 Evidenz 161

F

Fatigue 90 Fiebertherapie 32 Forschungsdaten 125 Fotomodulation 100 freie Radikale 74, 75, 83 Fructose 105 Früherkennungsuntersuchungen 11

G

Ganzkörperhyperthermie 30 Gastroenteritis 56 Gedächtnisstörungen 92 Gefühlsstörungen 89 Gentherapie 27 Gewebeprobe 159 Gewichtsverlust 90 Giftstoffe 97 GIMSA 129 Glucose 104, 105

Glutathion 82 Gummi arabicum 93

H

Haarausfall (Alopezie) 93 Hämodialyse 97 Hämoperfusion 97 Hanf 55 Heliotherapie 99 HER2-neu 23 Herzinfarkt 135 Herzinsuffizienz 91 Herzrhythmusstörungen 91 HIPEC 32 Hitzeschockproteine 28 hochfrequenzinduzierte Thermotherapie (HITT) 32 Hoffnung 123, 161 Homöopathie 1, 69 Hormonstatus 133 Hyperthermie 28, 33 Hypoglykämie 46 Hypoxie 150

I

IGF-I 47 Immunantwort 22 Immunreaktion 27 Immunsystem 142 Immuntherapie 5 individueller Heilversuch 65 Indol-3-Carbinol 152 Infrarot 99 Insulin 47, 60 Insulinrezeptoren 45 Integrative Diagnostik 129 Integrative Medizin 1 IPT 44 IPTLD 44 Irinotecan 38 irkulierende maligne Tumorzellen 131 Isothiocyanate 152

J

Jakobsweg 116

Stichwortverzeichnis  181

K

Kachexie 108, 112 Kaffee 113 Kalorienrestriktion 77 Kalorienverbrauch 104 Kamillenextrakt 60 kanzerogen 113, 119 Kanzerogene 8 Kardiotoxizität 91 karzinogen 93 ketogene Diäten 111 ketogene Ernährung 103, 107, 112 Ketonkörper 111 Kohlenhydrate 109, 111 Kompetenz 124 körperliche Aktivität 115 Kreatin 118, 119 Kreatinin 119 Kreatinkinase 134 Krebs 7 Krebsdiäten 107 Krebsentstehung 147 Kurkuma 74 Kymriah 23

L

Laktat 111 laserinduzierte Thermotherapie (LITT) 32 Lebensqualität 3, 69, 127 Leitlinien 121 Leitlinienempfehlungen 122 Lektine 71 Lerchen und Eulen 139 Licht 99 Life Style Change 115, 121 Lipide 28 Liquid Biopsy 159, 160 Lymphgefäße 19 Lymphknoten 19

M

maintrac® 131, 132 Makro-CK 134 Malaria 83 Mammakarzinom 113 Mangelzustände 104 Manipulation 121 Maximum Tolerated Dose (MTD) 47

Melatonin 146, 147 Memory Effekt 13 Menopause 95 mentale Stärke 121, 123 metabolic equivalent task (MET) 117 Metastasen 7 Metformin 106 Methadon 50 Metronomische (Chemo-) Therapie 47 Metronomische Therapie 49 Mikronährstoffe 129, 130 Mineralstoffe 130 Mistel 69 Misteltherapie 71 monoklonale Antikörper 24 Monozyten 20 Mukositis 56, 90, 92 Muskelmasse 109 Muskelzellen 117 –– quergestreifte 117 Muskulatur 118

N

Nabelschnur 158 Nabelschnurblut 158 Nachsorge 132 Nährstoffbilanz 129 Nahrungsergänzungsmittel 77, 114, 120, 129 Naturheilkunde 1 Naturstoffchemie 43 Nausea 56, 90 Nebenwirkungen 45, 56, 89 Nervenschädigungen 89 NF-κB 75 Nivolumab 25

O

off label use 62 Onconomics 133 onkolytisch 26 onkotrope Viren 26 Opioid-Rezeptoren 50 Ozon 150, 151

P

Paclitaxel 40 Paraaminosalicylsäure 64

182  Stichwortverzeichnis Patientenkompetenz 124 PD-1 16, 17 PEG 92 Peptide 19, 21 Peptidimpfstoffe 18 Pertheras 133 pH-Bereich 65 Phosphokreatin 119 Photodynamische Therapie 152 pH-sensitive Salicylate 66 pH-Wert 64 Podophyllin-Alkaloide 42 Podophyllin-Derivate 36 Polyneuropathie 56, 90 Polyphenole 76 Porenbildung 65 Positronen-Emissions-Tomographie (PET) 104 Präkanzerosen 11 Procain 154 Procain-Basen-Therapie 154 Proliferation 7, 9 Prostaglandine 62 Proteinabbau 107 Proteine 109

R

Regeneration 100 REM-Phasen 142 Reserpin 106 Resistenzen 51 Resorptionsstörungen 130 Resveratrol 75, 76, 79, 81, 82 Rituximab 23 Rotwein 76

S

Salicylate 64, 66 Salicylattherapie 64 salutogenetisch 113 salutogenetische Behandlungsmethoden 5 Samenspende 95 Sauerstoff 149 Schlaf 142, 143 Schlaflosigkeit 56 Schlafstörungen 90 Schulmedizin 1 Schwefel-LOST 35 Selbstbestimmung 121

Selbsthilfe 114 Selbsthilfegruppen 122 Selen 72, 73 Selenmangel 72 Sensitivität 133 Sensitivitätstestung 131 spezifische Immunabwehr 13 Sport 115, 116 Spurenelemente 130 Stammzelltherapie 158 Strahlenbelastung 93 Substitution 130 Syrosingopin 106

T

Taxane 36, 39 Teniposid 43 THC 54 Therapeuten 123 Therapieempfehlungen 134 Therapiefreiheit 121 Therapie-Leitlinien 161 Therapietiere 127 Thrombozytopenie 98 Tiere 127 tiergestützte Diagnostik 137 tiergestützte Therapien 127, 128, 137 Tierkontakt 127 T-Lymphozyten 22 Topotecan 39 Toxin 97 Toxizität 44 Trastuzumab 23 Tuberkulose 27, 64 Tumor 7 Tumorangiogenese 65 Tumorantigene 18, 24 Tumorboard 121 Tumore –– bösartige 7 –– gutartige 7 Tumormarker 134 Tumormonitoring 159 Tumortherapiefelder 155 Tumorzellzählungen 131 Tyrosinkinase-Inhibitoren 15 T-Zellen 19

Stichwortverzeichnis  183

U

Übelkeit 90, 108 Ultraviolett 99 Unfruchtbarkeit 91, 95 unspezifische Abwehr 13

V

Vakzine 25 Vasodilatation 28 Vasokonstriktion 94 Verdauungsbeschwerden 56 Vergärung 110, 111 Verunsicherung 125 Vinblastin 37 Vinca-Alkaloide 35, 36 Vincristin 37 Vindesin 37 Vinorelbin 37 Viren 26 Viruseiweiße 16 Viscotoxine 71 Viscum album 70

Vitalitätstests 133 Vitamine 129, 130 Vitamin E 73 Vorhersagbarkeit 131

W

Wechselfelder 155 Weihrauch 86 Wirksamkeitsanalyse 131

Z

Zellatmungstherapie 153 Zellzahl 133 zirkulierenden Tumorzellen 159 Zucker 104, 105 Zusatznahrungen 112 zweiter Gesundheitsmarkt 2 Zweittumoren 93 Zytokine 20 Zytokinsturm 157 Zytostatikum 25