Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien [1 ed.] 9783428450152, 9783428050154


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Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien [1 ed.]
 9783428450152, 9783428050154

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Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien

Beihefte zu "Der Staat" Zeitschrift für Staatslehre, Öf'f'entlichee Recht und Verfassungsgeschichte

Heft 5

Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien

Herausgegeben von

Rolf Grawert

DUNCKER &

HUMBLOT I

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei A. Say:Uaerth - E. L . Krohn, Berlln 61 Printed in Germany

© 1981 Duncker

ISBN 3 428 05015 0

Vorwort Die derzeitige Haushaltslage liefert neue und offenbar nachhaltige Erfahrungen zu der Einsicht, daß die Entfaltung des Sozialstaates in hohem Maße auf die Wirtschaftsentwicklung angewiesen ist. Seitdem von Wachstum nicht mehr die Rede sein kann, steht statt des Ausbaues staatlicher Leistungen die Erhaltung des "sozialen Kerns" zur Diskussion. Die diesen Umständen angemessenen rechtlichen Ordnungsmaßstäbe und Steuerungsinstrumente sollen demnach das "Notwendige" im Rahmen des "Möglichen" sichern. Nicht von ungefähr bestimmt das Streben nach allseitiger Sicherheit und Absicherung heute das politische, damit auch das rechtliche Geschehen, während das Wagnis, das Risiko der Freiheitsausübung zurückstehen. Gleichwohl bleiben auch im Rahmen der Sicherung Umwertungen nicht aus, so wenn in absehbarer Zukunft die Problemfelder Wohnung und Umwelt in den Vordergrund treten. Bei den einschlägigen Maßnahmen kommen den sozialen Rechten einerseits, den währungspolitischen Befugnissen andererseits besondere, im Wirkungszusammenhang stehende Funktionen zu. Was den Rechtsträgern dort an individuellen Initiativen überantwortet und dem Staat aufgegeben wird, findet hier strukturelle Grundgegebenheiten und Grenzen, die im Verbund von Regierungs- und Bankpolitik definiert werden. Da diese Zusammenhänge international verbreitet sind, ist es angebracht, sie auch rechtsvergleichend zu untersuchen. Die nachfolgenden Referate unternehmen dies für die Bundesrepublik Deutschland sowie für die Republik Italien, für Staaten mithin, deren Verfassungsordnungen hier in vergleichbarer Weise eingerichtet und die den gleichen, zudem miteinander verschränkten Sachproblemen ausgesetzt sind. Die Referate wurden zu dem Dritten deutsch-italienischen Verfassungsrechts-Kolloquium vorgetragen, das im Anschluß an Tagungen in Bonn und Rom von Professor Dr. Peter Badura, München, und Professor Dr. Christian Tomuschat, Bonn, am 11. und 12. Juni 1981 in München mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft veranstaltet wurde.

Rolf Grawert

Inhaltsverzeichnis Walter Schmidt:

Soziale Grundrechte im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Guido Corso:

Die sozialen Rechte in der italienischen Verfassung

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Reiner Schmidt:

Die Zentralbank im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Fabio Merusi:

Die verfassungsrechtliche Stellung der Zentralbank in Italien . . . . . . . .

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Hans-Jürgen Papier:

Die Zentralbank im Verfassungsgefüge- Generalbericht . . . . . . . . . . . . 109 Verzeichnis der Mitarbeiter ... .. ......... . ......................... ... . 123

Soziale Grundrechte im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Von Walter Schmidt, Frankfurt/Main I.

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat in dem Bereich, der unter der Überschrift "soziale Grundrechte" gewöhnlich diskutiert wird, auf der Ebene ihres Grundgesetzes wenig an ausdrücklichen Verfassungsnormen, hingegen 30 Jahre nach Errichtung des Bundesverfassungsgerichts desto mehr an Rechtsprechung aufzuweisen. Verfassungsrechtsprechung ist eine der Möglichkeiten zur Fortschreibung einer Verfassung, zumal bei geringem Ausgangstext; sie hängt ab von der Existenz und Ausgestaltung einer Verfassungsgerichtsbarkeit. Aus den prozeßrechtlich bedingten Möglichkeiten zur Entfaltung auch schwacher Ansätze im Verfassungstext folgen Wechselwirkungen zwischen verfassungsinterpretierender Verfassungsrechtsprechung und verfassungsunterworfener Gesetzgebung. Diese Wechselwirkungen sind das Material für eine praxisbezogene Grundrechtstheorie, die aufgrund solcher Beobachtungen und Erfahrungen ihre früheren Positionen überprüfen und weiterentwickeln muß, dies als Grundrechtstheorie im Gesamtzusammenhang einer Verfassungstheorie. Die grundgesetzbezogene Verfassungstheorie zu den "sozialen Grundrechten" ist noch stark auf die Lücken des Verfassungstextes fixiert; zum Verfassungsrecht, wie es sich in der Rechtsprechung des BVerfG spiegelt, läßt sie einen gewissen Nachholbedarf erkennen.

Das Spannungsdreieck Verfassungstext Verfassungsrechtsprechung - Grundrechtstheorie bestimmt den Darstellungsgang dieses Berichts. Mit einem ersten Blick auf die Texte von Grundgesetz und Landesverfassungen und auf die Grundrechtstheorie und mit einem Seitenblick auf die Diskussionen in einigen Nachbarländern ist genauer einzugrenzen, was für den weiteren Bericht zu den "sozialen Grundrechten" gerechnet wird. Der Bericht wird dann im Schwerpunkt eine Bestandsaufnahme liefern (II) und anschließend einige rechtspolitische Linien skizzieren (III). Die Bestandsaufnahme wird von den Verfassungstexten zu deren Umsetzung in die Verfassungsrechtsprechung kommen und von dort zur Aufarbeitung der Gesamtproblematik in der Grundrechtstheorie. Die Grundrechtstheorie ist mangels aktueller Vor-

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haben für eine Verfassungsreform der geeignete Anknüpfungspunkt für die rechtspolitische Diskussion, zunächst noch in der Theorie selbst, dann für die Frage von Verfassungsergänzungen und für die künftige Rolle der Verfassungsgerichte. 2. a) Der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes enthält nur wenige Teilbestimmungen, die sich als ausdrückZiehe "soziale Grundrechte" deuten lassen1 ; im übrigen wird auf den Verfassungsgrundsatz des "sozialen Rechtsstaats" (Art. 20 I, 28 I GG) verwiesen2 , meist als Soziaistaatsprinzip oder Sozialstaatsgebot oder Sozialstaatsklausel bezeichnet3. Hingegen enthalten die Grundrechtsteile einiger Landesverfassungen gesonderte Abschnitte über "Soziale und wirtschaftliche Rechte und Pflichten" oder die "Wirtschafts- und Sozialordnung", die schon in solchen Abschnittsüberschriften den Bezug zu "sozialen Grundrechten" zum Ausdruck bringen4 • Aber keineswegs alle in diesenAbschnitten zusammengefaßten Grundrechte werden als "soziale Grundrechte" behandelt5. Den Landesverfassungen läßt sich somit kein kanonisierter 1 Genannt werden Art. 6 IV und V; 7 IV 2 GG, daneben die besonderen Gleichheitsrechte der Art. 3 II und III GG (vgl. auch Art. 117 GG); aus neuerer Zeit E. Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Sitzungsbericht F/G zum 50. Deutschen Juristentag, 1974, S. G 13; J. Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19 (1980), S. 367 ff. (370), nennt außerdem Art. 33 V GG. 2 Die Formel "sozialer Rechtsstaat" findet sich in der Homogenitätsklausel des Art. 28 I GG; das BVerfG zitiert gewöhnlich nur Art. 20 I GG; vgl. im übrigen v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage 1957, Bd. I, Vorbem. A II 2 (S. 58), IV (S. 71 ff.), B VI (S. 101); aus der Lehrbuchliteratur E. Denninger, Staatsrecht 2, 1979, S. 166 ff.; K. Doehring, Staatsrecht, 2. Auflage 1980, S. 253; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 12. Auflage 1980, S. 84; E. Stein, Staatsrecht, 7. Auflage 1980, § 6 IV (S. 71 ff.). 3 In der Rechtsprechung des BVerfG überwiegt die Bezeichnung als Soziaistaatsprinzip oder Sozialstaatsgebot; vgl. aber auch E. Benda, Die Soziaistaatsklausel in der Rechtsprechung des BAG und des BVerfG, Vortrag anläßlich der 25-Jahr-Feier des BAG am 12. 10. 1978 (Ts.). 4 Besonders deutlich Hessen (1. Hauptteil. Die Rechte des Menschen ... III. Soziale und wirtschaftliche Rechte und Pflichten, Art. 27- 47); RheinlandPfalz (1. Hauptteil. Grundrechte und Grundpflichten . . . VI. Abschnitt. Die Wirtschafts- und Sozialordnung, Art. 51- 73); Saarland (I. Hauptteil. Grundrechte und Grundpflichten .. . 5. Abschnitt. Wirtschafts- und Sozialordnung, Art. 43- 59); weniger deutlich Bayern (2. Hauptteil. Grundrechte und Grundpflichten. 3. Hauptteil. Das Gemeinschaftsleben. 4. Hauptteil. Wirtschaft und Arbeit); Bremen (1. Hauptteil. Grundrechte und Grundpflichten. 2. Hauptteil. Ordnung des sozialen Lebens); ähnlich schon die Weimarer Verfassung 1919 (2. Hauptteil. Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen ... 2. Abschnitt. Das Gemeinschaftsleben). 5 Besonders eingehend die Aufschlüsselung bei H. F. Zacher, Sozialpolitik und Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland, 1968, S. 11 - 13 (Rn. 4- 6); vgl. auch G. Brunner, Die Problematik der sozialen Grundrechte, 1971, S. 23 mit Fn. 45; P. Badura, Das Prinzip der sozialen Grundrechte und seine Verwirklichung im Recht der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat 14 (1975), s. 17 ff. (32).

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Katalog der "sozialen Grundrechte" entnehmen. Für einen solchen Katalog muß auf die Verfassungsrechtsdogmatik und die Grundrechtstheorie zurückgegriffen werden. Dabei leistet das Kennwort "sozial" nur dann eine begrenzte Hilfe, wenn man es in einer "engeren, auch an die historisch gewachsene Aufgabe der Sozialpolitik anlehnenden Bedeutung gebraucht: In Richtung auf die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz für jedermann, auf Ausgleich von Wohlstandsdifferenzen und Milderung und Abbau von Abhängigkeiten" 6 • Versteht man hingegen "sozial" in einem verblaßten Sinn ganz allgemein als "gesellschaftlich", so lassen sich zahlreiche Grundrechte des politischen Gemeinschaftslebens unter den Begriff "soziale Grundrechte" bringen, die sich zwar in den Grundrechtsabschnitten über "Das Gemeinschaftsleben" finden7 , deren Einbeziehung aber von den eigentlichen Streitpunkten ablenkt. Ebenso verhält es sich, wenn die soziale Komponente der "sozialen Grundrechte" als Schutz gegen gesellschaftliche Macht interpretiert wird: Dieses Problem betrifft längst auch so "klassische Freiheitsrechte" wie die Meinungsfreiheit und liegt deshalb quer zu der Unterscheidung von "sozialen" und anderen Grundrechten. b) Innerhalb des so abgesteckten engeren Begriffsrahmens lassen sich fünf Grundrechte oder Gruppen von "sozialen Grundrechten" unterscheidens: (1) das Recht auf Arbeit; (2) das Recht auf angemessene Wohnung; (3) Zugangsrechte für sozial Schwächere zu sozialen und kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten, die zum Teil als besondere Gleichheitsrechte ausgestaltet sind (Gleichheitsverbürgungen zugunsten von Frauen, Kindern, namentlich unehelichen Kindern, aber auch Behinderten und zunehmend ausländischen Mitbürgern, seien sie als Arbeitnehmer zu uns gekommen oder als Asylsuchende), dazu kann auch das Recht auf Bildung gezählt werden, das erst als solches Zugangsrecht seinen besonderen sozialen Akzent erhält; weiter (4) den Zugangsrechten nahe benachbart, aber davon unterscheidbar das Recht auf soziale Sicherung im weitesten Sinn, also einschließlich der Fürsorge; und schließlich (5) das Recht auf eine menschenwürdige Umwelt, das aus der älteren Schicht des Rechts auf Gesundheitsschutz herausgewachsen ist und sich verselbständigt hat. 8 J. P. Mii.Her, Soziale Grundrechte in der Verfassung, in: Schweiz. Juristenverein 107 (1973), S. 695 ff. (711, in Anlehnung an Zacher, Das Vorhaben des Sozialgesetzbuches, 1973). 7 Dazu die Nachweise oben Fn. 4. 8 Dazu in der neueren Literatur zum GG: P. Badura (Fn. 5); E . Denninger (Fn. 2); zuletzt J . Isensee (Fn. 1), S. 373; D. Lorenz, BVerfG und soziale Grundrechte, Juristische Blätter 103 (1981), 16 ff. (17 f .). Aus dem benachbarten deutschsprachigen Ausland T h. Tomandt, Der Einbau sozialer Grundrechte in das positive Recht, 1967; L. Wildhaber, Soziale Grundrechte, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für M. Imboden, 1972, S. 371 ff. (375).

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Von dem Recht auf Arbeit, dem meist umstrittenen der "sozialen Grundrechte" 9, sind die Rechte der Arbeitsverfassung zu unterscheiden, die sich auf die Sicherung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen richten und dabei den Arbeitsplatz voraussetzen; sie gehören nur in ihren Überschneidungen mit dem Recht auf Arbeit hierher und nicht als eigener Komplex der "sozialen Grundrechte". Zudem sind sie heute im deutschen Verfassungs- und Gesetzesrecht durchgängig gesichert und im Grundsatz außer Streit. Ebenso durchgängig (und zwar auch im Grundgesetz) verfassungsrechtlich gesichert sind die meisten der besonderen Gleichheitsrechte und das Recht auf gleichen Zugang zu allen anerkannten Bildungseinrichtungen ohne "eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern" (wie das Art. 7 IV 3 GG für die Privatschulen vorschreibt). Auch die Rechte auf soziale Sicherung treten als verfassungspolitisches Problem eher in den Hintergrund: Sie sind auf der Gesetzesebene weitgehend verwirklicht; noch vorhandene "störende Verfremdungen beeinträchtigen die Sozialpolitik der Bundesrepublik nicht wesentlich"; ein gewisses "rechts- und sozialpsychologisches Defizit" des Grundgesetzes ist auf diese Sozialpolitik "ohne spürbaren Einfluß" geblieben 10 • Besonderes Augenmerk ist statt dessen auf die verbleibende Trias Arbeit- Wohnung - Umwelt zu richten: auf die zwar in einigen Landesverfassungen der Bundesrepublik verankerten, aber in ihrer Tragweite auch dort nach wie vor umstrittenen Rechte auf Arbeit und auf angemessene Wohnung und auf das nur erst in vereinzelten Ansätzen normierte Recht auf eine menschenwürdige Umwelt11. Für diesen engeren Kreis der "sozialen Grundrechte" liegt die politische Brisanz inzwischen offen zutage. In den beiden übrigen Teilbereichen des weiteren Kreises, für die Zugangsrechte zu sozialen und kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten und für das Recht auf soziale Sicherung, wird es stärker darauf ankommen, das heutige Verfassungsrecht in den Blick zu rücken, das aus einer eher schmalen Textgrundlage entwickelt worden ist. I I.

Ausgangspunkt einer solchen Bestandsaufnahme ist zunächst der Verfassungstext (1); vor seinem Hintergrund hebt sich deutlicher ab, was in der Verfassungsrechtsprechung aus diesem Text gemacht worden ist (2) und wie sich die Grundrechtstheorie zu alledem stellt (3). 1. a) Die wenigen Teilnormen zum Mutterschutz, zu den unehelichen Kindern und zum Privatschulrecht und die besonderen Gleichheits9 Isensee (Fn. 1), S. 373, nennt es "Zentrum und Urbild" der "sozialen Grundrechte". 10 Dazu Zacher (Fn. 5), S. 29 (Rn. 35 - 37). 11 So die treffsichere Auswahl bei H. H. Rupp, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 161 ff. (176).

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rechte, die im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes als "soziale Grundrechte" genannt werden können12, spielen in der Diskussion zum Problem der "sozialen Grundrechte" praktisch keine Rolle. Aus diesem Grundrechtskatalog muß statt dessen eine Norm hervorgehoben werden, die kaum jemals in der Diskussion zu den "sozialen Grundrechten" erwähnt wird: Ich meine das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Art. 2 I GG, und zwar nicht- wie zur Vermeidung von Mißverständnissen rasch und nachdrücklich betont werden muß - in seiner "materiellrechtlichen" Funktion als Auffanggrundrecht für ungeschriebene Freiheitsrechte13, sondern in seiner verfahrensrechtlichen Funktion, andere Verfassungsnormen, die für sich allein genommen keine Grundrechte sind, verfassungsbeschwerdefähig zu machen14 • Das Soziaistaatsprinzip der Art. 20 I, 28 I GG - seiner ursprünglichen Normierung nach nur ein (oberster Verfassungs-)"Grundsatz" oder, wie auch gesagt wird, eine "Staatszielbestimmung" 15 - ist, was kaum deutlich genug unterstrichen werden kann, erst mit Hilfe dieser auf Art. 2 I GG errichteten Konstruktion zu einem allgemeinen Grundrecht auf soziale Sicherung geworden. Das ist - wie ebenfalls zur Vermeidung vorschneller Mißverständnisse schon an dieser Stelle gesagt werden kann - nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit einem grundrechtlich einklagbaren Anspruch auf bestimmte soziale Leistungen, sondern verbleibt, wie noch näher zu zeigen sein wird, für den Regelfall in den Bahnen grundrechtlicher Abwehr einer verfassungswidrigen Ausübung öffentlicher Gewalt, wobei es von der (negativen) Abwehr zur (positiven) Korrektur bekanntlich nur ein kleiner Schritt ist16• Eine andere Gruppe von Verfassungsnormen, die über Art. 2 I GG verfassungsbeschwerdefähig gemacht werden können, sind die bundesstaatliehen Kompetenzzuweisungen an den Bundesgesetzgeber: Ihnen wird - noch unabhängig von der Frage ihrer Einbeziehung in ein Verfassungsbeschwerdeverfahren - ganz allgemein eine "materiellrechtliche" Wirkung zuerkannt, die im Sozialbereich als "sozialstaatliche Zielsetzung" interpretiert werden kann17 , wobei diese konkreteren Zielbestimmungen sich zur allgemeinen Staatszielbestimmung des Sozialstaatsprinzips a Vgl. schon oben Fn. 1. Zu den Gründen und Hintergründen dieser reservierten Haltung des Parlamentarischen Rats gegenüber "sozialen Grundrechten" Doemming I Füßlein I Matz, JöR (n. F.) 1 (1951), S. 54 ff.; H. v. Mangoldt, Grundrechte und Grundsatzfragen des Bonner Grundgesetzes, AöR 75 (1949), s. 272 ff. (275). 13 BVerfGE 6, S. 32 (41); zuletzt BVerfGE 54, S. 148 (153). 14 Ebenfalls BVerfGE 6, S. 32 (41); kennzeichnend auch die Formulierungen in BVerfGE 17, S. 306 (313); st. Rspr. 15 Seit H. P. Ipsen, Über das Grundgesetz, 1950. 18 Zum Grenzfall eines einklagbaren Individualanspruchs aus dem Soziaistaatsprinzip vorerst Benda (Fn. 3), S. 8 bei Fn. 15. 17 Dazu allgemein BVerfGE 12, S. 45 (50); 14, S. 105 (111); zu den "sozialen Grundrechten" Müller (Fn. 6), S. 749 f.; Wildhaber (Fn. 8), S. 378 f.

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wie die speziellere zur allgemeinen Norm verhalten. Eine Verletzung der materiellrechtlich als konkrete sozialstaatliche Zielbestimmung interpretierten Kompetenznorm kann wie beim allgemeineren Soziaistaatsprinzip über Art. 2 I GG als Grundrechtsverletzung mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Für das Recht der sozialen Sicherheit kommen hier vor allem Art. 74 Nr. 7 (Recht der Fürsorge) und Nr. 12 GG (Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung) in Betracht; hier gibt es auch schon einschlägige Rechtsprechung 1s. Für den Umweltschutz kann Art. 74 Nr. 11 a GG (für "den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe") einbezogen werden19 • Schon diese vorläufigen Bemerkungen zum Grundgesetztext lassen erkennen, daß die weitverbreitete Einschätzung, das Grundgesetz habe zum "Schutz sozialer Grundrechte" wenig bis nichts zu bieten, einer kritischen Überprüfung bedarf. b) Der Befund zum Landesverfassungsrecht ist tendenziell entgegengesetzt: Hier gibt es zwar mehr an ausdrücklichen Grundrechtsgewährleistungen, aber weniger an sozialgrundrechtlicher Praxis. Für die Grundrechte auf Arbeit und Wohnung, die in einigen Landesverfassungen vorkommen20 , kann das an den ganz grundsätzlichen Schwierigkeiten liegen, die ihrer praktischen Umsetzung entgegenstehen und auf die noch zurückzukommen ist. Für andere "soziale Grundrechte" ist der zum Teil schwächere Ausbau der Landesverfassungsgerichtsbarkeit genannt worden21 (denn über Landesgrundrechte entscheidet bei Einrichtung einer Landesverfassungsgerichtsbarkeit das Landesverfassungsgericht). Der eigentliche Grund liegt in der ökonomischen Gewichtsverteilung innerhalb eines Bundesstaates: Die einzelnen Länder sind wie praktisch in allen Bundesstaaten - nicht in der Lage, eine von der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Bundes abweichende Linie zu verfolgen; schon deshalb können sie (von mehr grundsätzlichen Einwänden gegen bestimmte Arten von Gewährleistungen hier noch ganz abgesehen) die "sozialen Grundrechte" ihrer Verfassungen nicht aus eigener Kraft verwirklichen22 - künftig vielleicht doch mit einer Aus18 Als Rechtsprechungsbeispiel für Art. 2 I i. V. m. Art. 74 Nr. 12 GG: BVerfGE 11, S. 105, (110 ff.). 10 Vgl. ferner Art. 74 Nr. 19, 19 a GG. 20 Art. 106, 175, 176 Verf. Bayern; Art. 14 I, 47 Verf. Bremen; Art. 37, 38 III Verf. Hessen; Art. 26 Verf. NRW; Art. 67, 70 Verf. Rheinland-Pfalz. 21 Brunner (Fn. 5), S. 27. 22 Dazu U. Scheuner, Die institutionellen Garantien des GG, in: Recht Staat - Wirtschaft IV (1953), S. 88 ff. (98); dem folgt v. Mango1dt I Klein (Fn. 2), S. 101.

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nahrne: dem Umweltschutz23 • Alles in allem wird jedoch das Landesverfassungsrecht für die Darstellung der "sozialen Grundrechte" auch im folgenden nur eine geringe Rolle spielen. c) Die von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten und transformierten internationalen Abkommen, die einen ausgedehnten Schutz "sozialer Grundrechte" enthalten und die in der Diskussion solcher Grundrechte oft genannt werden24, gelten in der Bundesrepublik als einfaches Gesetzesrecht25 und scheiden deshalb aus einer auf das Verfassungsrecht gegründeten Darstellung aus. 2. a) Die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit ist schon angeklungen. Das Verfassungsgericht befragt die Verfassung auch dann, wenn deren Text auf den ersten Blick wenig ergiebig scheint. Das Gericht muß eine rechtsverbindliche Antwort geben und gibt sie deshalb oft klarer als eine Grundrechtstheorie, die auf der Abstraktionshöhe der großen Verheißungen oder der rigiden Verweigerung verharren kann, weil ihre Verantwortung letztlich nicht weiter reicht als das soziale Verantwortungsbewußtsein ihrer Autoren. Zwar sollte die Rechtspraxis die Probe auf die Rechtstheorie sein - gewöhnlich und im besseren Fall ist es umgekehrt. Verfassungsrechtsprechung meint hier die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte und dabei im Schwerpunkt die des Bundesverfassungsgerichts. Darüber soll die Rechtsprechung anderer (oberster) Gerichte auch zu den "sozialen Grundrechten" so wenig übersehen werden wie die der Landesverfassungsgerichte. Jedoch mußten die Landesverfassungsgerichte aus einigen schon genannten Gründen in ihren Entscheidungen eher übertriebene Erwartungen dämpfen; zum Recht auf Arbeit finden sich hier deutlich distanzierende Bemerkungen26 • Für den Ausbau des Grundrechtsschutzes im Sozialber eich ist ihre Rechtsprechung deshalb von vergleichsweise geringerer Bedeutung. Im Verhältnis zu den Fachgerichten, namentlich den obersten Bundesgerichten tritt das Bundesverfassungsgericht schon deshalb in den Vordergrund, weil nur das BVerfG das Verfassungsrecht des Grundgesetzes verbindlich weiterentwickeln kann(§ 31 BVerfGG). b) Diese Feststellung signalisiert bereits die Bedeutung des Verfassungsprozeßrechts. Ein Gericht antwortet nur dann, wenn es gefragt werden kann, und seine Antworten haben nur die Verbindlichn Art. 86 Verf. Bad.-Württ.; Art. 141 Verf. Bayern. Besonders eingehend dazu Zacher (Fn. 10). 15 Dazu K . Hesse, Bestand und Bedeutung der Grundrechte in der Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1978, S. 427 ff. (428). ze Namentlich BayVerfGH 13, S. 141; zuletzt bestätigt E 22, S . 1 (11); vgl. auch BAG NJW 1964, S. 1921 (1922) zu Art. 12 I GG. 24

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keit, die das Prozeßrecht ihnen einräumt. Das gilt in besonderem Maße, wenn es um die Prüfung ganzer Bereiche der Gesetzgebung geht, nicht nur um die Nachprüfung von einzelfallbezogenen Subsumtionsproblemen. Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit für den Grundrechtsschutz hängt deshalb immer auch an der Ausgestaltung der Normenkontrollverfahren. Sie ist im Grundgesetz und Bundesverfassungsgerichtsgesetz schon breit ausgebaut; die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat ein übriges getan, den Zugang zur Normenkontrolle zu erweitern und das Instrument selbst zu verfeinern. Gemeint sind die schon skizzierte Zugangsmöglichkeit über den prozeßrechtlich interpretierten Art. 2 I GG und die Entwicklung von AppellEntscheidungen, mit denen die tradierte Entscheidungsalternative Verwerfung oder Bestätigung des Gesetzgebers, Kassation oder zusätzliche gerichtliche Legitimation durchbrachen wurde. Als grundgesetzlich verbürgte (Art. 93 I Nr. 2, 4 a; 100 I GG) und gesetzlich im einzelnen ausgestaltete Normenkontrollverfahren unterscheiden wir die von jeder Einzelfallanwendung gelöste, deshalb "abstrakte" Normenkontrolle auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestags und die vom Einzelfall ausgehende Normenkontrolle auf Vorlage eines Gerichts. In diesen Verfahren wird die strittige Norm an jeder Bestimmung des Grundgesetzes geprüft, auch an einem obersten Verfassungsgrundsatz wie dem des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 I, 28 I GG); der Brücke über ein Grundrecht bedarf es nicht. Die Unterscheidung von abstrakter und konkreter Normenkontrolle wiederholt sich im Verfassungsbeschwerdeverfahren, auch wenn sie dort nicht so genannt wird. Die Verfassungsbeschwerde kann unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtet werden und verlangt dann lediglich eine grundsätzliche Betroffenheit des Beschwerdeführers, aber nicht eine schon konkret denkbare Grundrechtsverletzung27. Meist wlird die Verfassungsbeschwerde jedoch gegen eine behauptete Grundrechtsverletzung im Einzelfall erhoben und dann wegen des Erfordernisses der Rechtswegerschöpfung in aller Regel gegen eine gerichtliche Entscheidung letzter Instanz; die strittige Rechtsnorm wird dann inzidenter, aber immer noch konkret fallbezogen geprüft. Die Möglichkeit für jedermann, mit diesen Verfahren praktisch jedes ihn betreffende Gesetz zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu stellen, wird theoretisch durch das Erfordernis eingegrenzt, daß nur ein Grundrecht als Maßstab für die Normenkontrolle in Betracht kommt, nicht jede beliebige Verfassungsnorm. Durch die Rechtsprechung zu Art. 2 I GG ist diese Zugangsbeschränkung im Ergebnis beS€itigt worden. Das bedeutet für die Praxis: Hat nicht schon das Fachgericht sich für 27 Seit BVerfGE 1, S. 97 (zugleich die früheste sozialgrundrechtliche Entscheidung des BVerfG).

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eine Vorlage gemäß Art. 100 I GG entschieden, so muß es doch damit rechnen, daß gegen die letztinstanzliehe Entscheidung Verfassungsbeschwerde mit der gleichen Begründung erhoben wird, die eine Vorlage gemäß Art. 100 I GG haben könnte. Es ist bislang nicht untersucht worden, ob sich aus dieser verfassungsprozeßrechtlichen Konstellation Rückwirkungen auf die Vorlagepraxis der (vor allem der letztinstanzlichen) Fachgerichte ergeben haben und wie sich das insbesondere im Sozialrechtsbereich ausnimmt. Nach tradierter Auffassung konnte ein verfassungswidriges Gesetz nur von Anfang an nichtig sein; ein verfassungsmäßiges war von Anfang an und- vorbehaltlich einer Verfassungsänderung- auf unabsehbare Zeit verfassungsmäßig. Fehlte es überhaupt an einem Gesetz, so konnte eine Leistungsklage auf einen Akt der Gesetzgebung nicht erhoben werden. BeidePositionen können seit den Appell-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts so uneingeschränkt nicht mehr aufrechterhalten werden. Fehlt es an einem Gesetz, das aufgrund eines ausdrücklichen Verfassungsauftrags geboten ist (z. B. Art. 6 V, 117 GG), oder ist das Gesetz zwar so auf Dauer nicht haltbar, für eine Übergangszeit bis zu seiner Reparatur durch den Gesetzgeber aber noch nicht entbehrlich, so appelliert das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber, kündigt dabei die baldige Verfassungswidrigkeit der jetzt noch gerade tolerierten Rechtslage an und verbindet diesen Appell oft mit einer Fristsetzung, die gewöhnlich an das Ende einer Legislaturperiode anknüpft2 8 • Die enorme praktische Bedeutung dieses Richterverfassungsrechts, das später vom Gesetzgeber in Andeutungen auch ins Bundesverfassungsgerichtsgesetz übernommen worden ist29 , läßt sich gerade im Bereich des Rechts der sozialen Sicherheit, bei den besonderen Gleichheitsrechten und für das Recht auf Bildung nachweisen. c) Damit sind zwei der vier Themenbereiche genannt, die für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den "sozialen Grundrechten" von besonderem Interesse sind. Diese beiden Bereiche - (1) die Verfassungsbeschwerdebefugnis über Art. 2 I GG und (2) die AppellEntscheidungen - markieren das prozeßrechtliche Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts, stehen aber auch für zentrale Elemente der Grundrechtstheorie des Bundesverfassungsgerichts (- denn auch die gibt es). Zwei stärker materiellrechtliche Themenbereiche kommen hinzu, die vielleicht noch deutlicher die Grundrechtstheorie des Bundesverfassungsgerichts kennzeichnen: es sind (3) der Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren und (4) die Sozialbindung auch an28 Dazu allgemein Ch. Pestalozza, "Noch verfassungsmäßige" und "bloß verfassungswidrige" Rechtslagen, in: Festgabe BVerfG, Bd. I, 1976, S. 519 ff.

(556). 29 §§ 31 II, 79 I BVerfGG i. d. F. der Bekanntmachung vom 3. 2. 1971.

2 Der Staat, Beiheft 5

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derer Freiheitsrechte als nur des Eigentums und damit eine soziale Grundrechtswirkung der "klassischen" Freiheitsrechte. Im einzelnen heißt das: (1) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur prozeßrechtlichen Funktion des Art. 2 I GG bedeutet für den Sozialrechtsbereich die Umwandlung des Sozialstaatsprinzips in ein Grundrecht30 oder, in etwas schlechterem Deutsch: die Versubjektivierung des Sozialstaatsprinzips. Sowenig bekanntermaßen der Grundrechtsschutz nur "subjektivrechtlich" verstanden werden kann, sondern auch "objektivrechtliche" (früher meist "institutionell" genannte) Schutzwirkungen hat31 , sowenig bleiben Verfassungsnormen außerhalb des Grundrechtskatalogs auf ihre "objektivrechtliche" Schutzwirkung beschränkt: Jede Verfassungsnorm, die Schutzwirkungen auch zugunsten des einzelnen entfaltet, kann heute in ein Grundrecht umgedeutet werden. Ob ein Gesetzgebungsauftrag im Sozialbereich als Grundrecht oder als Staatszielbestimmung formuliert wird, bleibt für den Zugang zum Verfassungsbeschwerdeverfahren gleich. Zahl und Ausmaß einschlägiger Entscheidungen mögen bisher noch nicht allzu groß sein32 : Die eigentliche praktische Bedeutung dieser Rechtsprechung besteht in der prozeßrechtlichen Auffangfunktion33 für diejenigen Zweifelsfälle, denen mit keinem geschriebenen Grundrecht beizukommen ist. Rechtspolitische Überlegungen, ob im Sozialbereich der Verfassungstext nicht besser in der Form von Staatszielbestimmungen statt durch ausdrückliche "soziale Grundrechte" in der Form von subjektiven Rechten zu ergänzen sei, verlieren dadurch einiges an Brisanz. Derart unterschiedliche Regelungsformen können zwar auch weiterhin unterschiedliche Schutzfunktionen signalisieren34 ; an einer verfahrensrechtlich verstandenen Grundrechtseignung aller dieser Regelungsformen ändert das nichts. Die prozeßrechtliche Auffangfunktion des Art. 2 I GG wird im Sozialrechtsbereich durch die Kombination des allgemeinen Gleichheits30 Zu "Art. 2 I in Verbindung mit Art. 20 I GG (Sozialstaatsprinzip)" aus der neueren Rechtsprechung BVerfGE 50, S. 57 (107) ; zur älteren Rechtsprechung W. Weinhold, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Sozialstaatsprinzip, Diss. iur. Marburg 1977, S. 69 f.; allgemein zum sozialen Schutzbereich des Art. 2 I GG in der Rechtsprechung des BVerfG auch R. Scholz, AöR 100 (1975), S. 80 ff., 265 ff. (278 ff.); E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, S. 41 ff. Die praktische Bedeutung dieser Rechtsprechung beschränkt sich bisher auf die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Rüge im Verfassungsbeschwerdeverfahren; dazu sogleich im Text mit Fn. 32. 31 Dazu Hesse (Fn. 25), S. 431 ff.; vgl. auch Friesenhahn (Fn. 1), S. 5 f. 32 Mit stärker quantitativen Kriterien kommt Weinhold (Fn. 30), S. 13 f. , zu einer eher skeptischen Einschätzung der Rechtsprechung bis Anfang 1976; vgl. auch schon Fn. 30 a. E. 33 Dazu oben mit Fn. 13. 34 Darauf ist noch unten zu 3. zurückzukommen.

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satzes mit dem Sozialstaatsprinzip ergänzt (in der Sprache des Bundesverfassungsgerichts: Art. 3 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip). Sobald der allgemeine Gleichheitssatz so mit konkreteren, aber für künftige Fälle verallgemeinerungsfähigen Kriterien angereichert wird, wirkt diese Kombination für die Zukunft wie ein neues besonderes Gleichheitsrecht35 • Weil der Grundrechtsschutz jeweils aber schon aus Art. 3 I GG allein ableitbar wäre, handelt es sich im Unterschied zur Kombination mit Art. 2 I GG hier nicht um eine prozeßrechtliche Auffangfunktion des Art. 3 I GG. Die Rechtsprechung zu Art. 3 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist deshalb von nicht ganz so grundsätzlicher Tragweite wie die zu Art. 2 I GG. (2} Gerade zu Art. 3 I GG (allein oder in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip) ist es immer wieder zu Appell-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gekommen36 • Zwar wird dem Beschwerdeführer ein direkter Leistungsanspruch gegen den Gesetzgeber in aller Regel versagt37 , doch gibt ein Verfassungsbeschwerdeverfahren mit AppellEntscheidung dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, einen Anspruch auf Tätigwerden des Gesetzgebers zumindest indirekt durchzusetzen. Die Appell-Entscheidung wirkt im Ergebnis sozusagen wie ein indirektes LeistungsurteiL Der (indirekte) Leistungsanspruch auf Tätigwerden des Gesetzgebers steht unter dem "Vorbehalt des Möglichen" 38• Damit ist die "Teilhabe"Funktion der Grundrechte, die in demselben Numerus-clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar zuvor erstmals proklamiert wurde, so deutlich relativiert, daß mit dem Abstand fast eines Jahrzehnts von diesem insoweit sehr umstrittenen Urteil die Grundsatzbedenken gegen eine Überforderung des Staates, die den Grundsatzbedenken gegen "soziale Grundrechte" durchaus entsprechen, sich etwas beruhigt haben dürften. Das Numerus-clausus-Urteil erging auf Normenkontrollvorlagen zweier Verwaltungsgerichte - es hätte mit gleicher Begründung auch auf eine Verfassungsbeschwerde gegen eine klageabweisende Entscheidung letzter Instanz ergehen können. Im Zusammenhang der "sozialen Grundrechte" steht es für das Grundrecht auf Bildung, für das dem Bundesverfassungsgericht eine höchst differenzierte Konstruktion eingefallen ist: der Grundrechtsschutz ergibt sich aus "Art. 12 I GG in Verbindung mit Art. 3 I GG und dem Sozialstaatsprinzip"39. Art. 3 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip be35 Dazu die Rechtsprechungsübersicht bei E. Benda. Grundrechtswidrige Gesetze, 1979, S. 67, die erkennen läßt, daß die praktische Bedeutung dieser Normenkombination sehr viel größer ist als die mit Art. 2 I GG (oben Fn. 30). 36 Aus den Nachweisen Fn. 35 z. B. BVerfGE 39, S. 316 (333). 37 Dazu nochmals Benda (Fn. 3, 16). 3s BVerfGE 33, S. 303 (333).

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zeichnet die sozialgrundrechtliche Komponente eines Gesetzgebungsauftrags unter dem "Vorbehalt des Möglichen" und relativiert dadurch den Regelungsgehalt des zwar nicht "klassischen", aber den "klassischen" Freiheitsrechten nachgebildeten Grundrechts auf Freiheit des Berufs und freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 I GG). (3) Das Numerus-clausus-Urteil schützte das Recht auf (Hochschul-) Bildung durch besondere Anforderungen an das Auswahl- und Verteilungsverfahren für Studienanfänger und zusätzlich an die Organisation der Ausbildungsstätten40 • Es gehört damit in den größeren Zusammenhang eines Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren. Dies ist zum übergreifenden Merkmal des gesamten Grundrechtsschutzes unter dem Grundgesetz geworden, nicht nur im Sozialrechtsbereich für die gerechte Verteilung knapper Ressourcen, sondern auch im Bereich der "klassischen Freiheitsrechte" 41 • Auch die "klassischen Freiheitsrechte" bedürfen somit staatlicher Schutzvorkehrungen durch ein Tätigvv'erden des Gesetzgebers; sie können nicht länger nur staatsabw ehrend interpretiert werden. (4) Um die "klassischen Freiheitsrechte" geht es schließlich auch, sobald die Sozialbindung auch anderer Freiheitsrechte als nur des Eigentums erkannt und realisiert wird. Anerkannt war eine solche Sozialbindung im Grundsatz schon immer; oft wurde dafür auf Art. 2 I GG verwiesen, wonach das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit seine Grenze an den Rechten anderer findet, doch verlor sich diese Einsicht m eist nur zu rasch in dem Streit, ob und wie die "Schrankentrias" des Art. 2 I GG auf andere Freiheitsrechte übertragbar sei. Das kann hier auf sich beruhen, denn einer solchen Umwegkonstruktion bedarf es nicht. Soweit nämlich die Wahrnehmung eines Freiheitsrechts "in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion" steht und so ihrerseits grundrechtlich geschützte Interessen anderer tangiert, ist die "Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter", je mehr die Grundrechte der anderen betroffen sind. Die Sozialbindung des Freiheitsrechts wächst mit seinem Sozialbezug. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen naheliegenden Gedanken zunächst für die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 I 2, II GG) entwickelt und im Mitbestimmungs-Urteil ausdrücklich auf die Berufsfreiheit erstreckt. 39 BVerfGE 33, S . 303 (Leitsatz 2 sowie S. 332, 355 f .). Zu den "Teilha berecht en" im Schrifttum Martens und Häb e1·le, VVDStRL 30 (1972), S. 21 ff., 69 ff.; Hesse (Fn. 25), S. 433. 40 Vgl. BVerfGE 33, S. 303 (335), zu den Anforderungen an "die Schaffung eines nach Fachrichtungen, Zahl, Größe und Standort zusammenhängenden Systems an wissenschaftlichen Hochschulen". 41 Aus der Rechtsprechung zuletzt BVerfG 53, S. 30 (mit Abweichender Meinung Si mon und H eußner- "lVIühlheim-Kärlich"); aus dem Schrifttum H esse (Fn. 25), S. 434 f.; für den Bereich der sozialen Grundrechte Tomandl (Fn. 8), S. 28.

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Die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer konnte so Mitspracherechte der Arbeitnehmervertreter bei der Wahrnehmung von Eigentums- und Berufsfreiheit der Arbeitgeber begründen 42 • Damit wurde eine Rechtsprechung fortgeführt, die das Gericht zuvor für den Mieterschutz und damit das Recht an einer Wohnung entwlckclt hatte 43 (-ein solches Recht an einer Wohnung ist nicht mit dem Recht auf eine Wohnung zu verwechseln; ebensowenig führt die Mitbestimmung am Arbeitsplatz zu einem Recht auf Arbeit). Das läßt sich zu der Feststellung verC\llgemeinern: Die sozial abhängigen Rechte anderer können zur Teilhabe an sozial bezogenen Herrschaftsrechten führen, die dann in diesem Maße auch sozial gebunden sind. Diese Teilhabe ist durch Organisations- und Verfahrensregelungen zu sichern (z. B. durch Kündigungsschutzverfahren, durch Mitbestimmungsregeln). Die soziale Grundrechtswirkung "klassischer Freiheitsrechte" auf dem Umweg über ihre Sozialbindung wird künftig noch genauerer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Wohnungsfrage und ihre Verquickung mit der Sozialbindung des Grundeigentums wird es an Aktualität nicht fehlen lassen. Einen andersartigen Akzent bekommt das Verhältnis von Eigentum und Sozialbindung, wenn und soweit Ansprüche aus dem Bereich der sozialen Sicherung (z. B. Sozialrenten- oder auch schon Anwartschaften auf solche Rentenansprüche) als eigentumsrechtlich geschützte Positionen anerkannt werden44 : Der damit gerade erst begründete Schutz eines sozialen Besitzstandes muß an den Notwendigkeiten sozialrechtlicher Veränderungen enden; dies ist gewissermaßen seine Sozialbindung. d) Eine Zwischenbilanz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den unterschiedlichen "sozialen Grundrechten" und Gruppen "sozialer Grundrechte" zeigt einen deutlichen Schwerpunkt bei den Zugangsrechten für sozial Schwächere einschließlich des Rechts auf Bildung und bei den Rechten auf soziale Sicherung. Der Umweltschutz zeichnet sich nur erst am Horizont ab 45 • Der besondere Beitrag des Bundesverfassungsgerichts besteht in dem alle Grundrechtsbereiche, auch die "klassischen Freiheitsrechte" erfassenden Ausbau des verfassungsprozeßrechtlichen und des materiellrechtlichen Grundrechtsschutzes: verfassungsprozeßrechtlich durch die verfahrensrechtliche Auffangfunktion des Art. 2 I GG für das Verfassungsbeschwerdeverfahren, 42 BVerfGE 50, S. 290 (340 zu Art. 14 I 2, II GG m. w. N.; S. 364 f . zu Art. 12 IGG). 43 BVerfGE 37, S. 132 (140), bestätigt in BVerfGE 50, S. 290 (340). W. Weber, Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Der Staat 4 (1965), S. 409 ff. (436), nannte Art. 14 II GG eine "eigene, die des Art. 20 verdrängende ,Sozialstaatsklausel' ". 44 Kritisch zuletzt Isensee (Fn. 1), S. 375 f. (mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG). 45 Auch dazu BVerfGE 53, S. 30 ("Mühlheim-Kärlich").

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materiellrechtlich durch die Sozialbindung auch anderer Freiheitsrechte als des Eigentums und durch die immer neu an den Gesetzgeber gerichtete Forderung, die Grundrechtsverwirklichung durch Organisationsund Verfahrensregeln zu unterstützen. 3. Dogmatik und Theorie zu den "sozialen Grundrechten" haben noch nicht alle in der Verfassungsrechtsprechung entwickelten neuen Aspekte in voller Breite in ihre Diskussion aufgenommen und sich noch nicht überall von älteren Ansätzen und Alternativbildungen gelöst. Die Tonlage ist überwiegend kritisch gestimmt. Die Auseinandersetzung entzündet sich gewöhnlich an immer erneut beschworenen Gegensätzen zwischen den "klassischen Freiheitsrechten" -die niemand preisgeben will und die auch hier nicht zur Diskussion stehen - und den als ganz andersartig beschriebenen "sozialen Grundrechten", die geeignet seien, die Freiheit zu gefährden, um nicht zu sagen: zu zersetzen46 • Ein wesentlicher Unterschied wird in der Abhängigkeit "sozialer Grundrechte" von staatlicher Regelung und Reglementierung gesehen, während die "klassischen Freiheitsrechte" auch ohne gesetzliche Regelung hinreichend klar umschrieben seien. Die "klassischen Freiheitsrechte" wirkten in erster Linie als gerichtlich erzwingbare Abwehr- und Begrenzungsrechte gegen den Staat, damit staatsbeschränkend, die "sozialen Grundrechte" vor allem egalitär-anspruchsbegründend und staatsexpandierend. In einer Verfassungsordnung, die an den "klassischen Freiheitsr echten" festhalte, seien soziale Rechte deshalb allenfalls in der Form von Programmsätzen (oder, wie man jetzt zunehmend sagt, Staatszielbestimmungen) normierbar. Als subjektive öffentliche Rechte, also Grundrechte im eigentlichen Sinn, seien sie nicht denkbar, und auch als Programmsätze (oder Staatszielbestimmungen) der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht zugänglich, weil letztlich nicht justitiabel. In den meisten dieser Thesen sind zutreffende Beobachtungen mit undifferenzierten Übertreibungen vermengt; keine ist so, wie bisher vertreten, länger haltbar. Um gleich mit der letzten Behauptung zu beginnen: Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 I und Art. 3 I GG jeweils in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist ablesbar, wie Staatszielbestimmungen justitiabei gemacht werden können. Selbst wenn es gute Gründe gibt, "Sozialrechte" nicht wie andere Grundrechte in der tradierten Form subjektiver Rechte zu formulieren, sondern als "Daueraufträge" und "Zielvorstellungen" (wie jetzt in Art. 26 des Entwurfs einer Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vorgeschlagen) 47 , ändert das nichts daran, daß solche Staatszielbestim46 Eine eingehende Auseinandersetzung bei Wirdhaber (Fn. 8), S. 379 ff.; zusammenfassend P . Badura, Grundfreiheiten der Arbeit, in: Festschrift für F. Berber, 1973, S. 11 ff. (42 f.); eher krit. zuletzt wieder Isensee (Fn. 1).

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mungen unter dem Grundgesetz in gleicher Weise in den verfassungsgerichtlichen Grundrechtsschutz einbezogen werden können (und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge werden müssen) wie andere Verfassungsnormen außerhalb des Grundrechtskatalogs auch48 • Mit den alten Entgegensetzungen subjektivrechtlich- objektivrechtlich ist für den Zugang zum Verfassungsbeschwerdeverfahren und dem durch dieses Verfahren vermittelten Grundrechtsschutz nichts mehr anzufangen: Jede "objektivrechtliche" Verfassungsnorm kann in den "subjektivrechtlichen" Grundrechtsschutz übergehen so wie jede, auch eine "klassische" Grundrechtsnorm eine objektivrechtliche Seite hat. Die Entwicklung vom nur objektivrechtlichen zum durchweg auch subjektivrechtlichen, nämlich von jedermann, der selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist, in Anspruch zu nehmenden Grundrechtsschutz ist in Wahrheit die Geschichte der Verfassungsgerichtsbarkeit und nicht irgendwelcher Theorien zum materiellen Grundrechtsschutz49 • Dennoch bleibt die Frage, ob nicht der Akzent bei den "sozialen Grundrechten" stärker auf dem Leistungsanspruch liegt, bei den anderen, den sogenannten "klassischen" Freiheitsrechten stärker auf der Abwehrfunktion. Die Antwort muß differenzieren. Weder geht es um Leistungsrechte im strengen Wortsinn noch ist ein mit dem Begriff des Leistungs- oder Teilhaberechts ohnehin mißverständlich umschriebener Grundrechtsgehalt auf die "sozialen Grundrechte" beschränkt. Auch die "klassischen Freiheitsrechte" sind auf "Leistungen" des Gesetzgebers angewiesen, nämlich vor allem auf Organisations- und Verfahrensrecht, die ihrer Verwirklichung dienen. Das ist heute außer Streit50• Ebenso unbestreitbar kann kaum jemals ein "soziales Grundrecht" auf ganz bestimmte, individuell konkretisierbare Leistungen gerichtet sein, sondern nur auf ein Gesamtsystem gerechter Leistungsverteilung, also letztlich wieder auf Organisations- und Verfahrensrecht. Auch "soziale Grundrechte" enthalten Abwehrelemente - besonders anschaulich am Umweltschutz; auch die Verwirklichung sozialer Grundrechte erschöpft sich keineswegs immer nur in der Zuteilung einer Leistung, sondern ist abhängig von der Eigeninitiative des einzelnen bei der Wahrnehmung ihm eröffneter Chancen - besonders anschaulich beim Recht auf Bildung. Das hindert nicht, die Regelungsabhängigkeit der "sozialen 47 Dazu Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, 1977, S. 61 (unter Hinweis auf J. P . Müller, hier Fn. 6, S. 708 ff.). 48 Dazu oben 2. 49 Dazu U. Scheuner, Begriff und rechtliche Tragweite der Grundrechte im Übergang von der Aufklärung zum 19. Jahrhundert, Der Staat, Beiheft 4, 1980, S. 105 ff. (108 f.); R. Wahl, Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus, Der Staat 18 (1979), S. 321 ff. 50 Dazu (im Zusammenhang der "sozialen Grundrechte") zuletzt wieder Isensee Fn. 1), S. 367.

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Grundrechte" stärker zu unterstreichen als die der "klassischen Freiheitsrechte", und aus solchen Unterschieden mag die Regelungsform der Staatszielbestimmung den sozialen Grundrechten angemessener sein als die des subjektiven Rechts. Die eigentlichen Steine des Anstoßes, auf die gelegentlich der Blick verstellt wird durch die Vielzahl der ebenfalls diskutierten Sozialleistungen und Sozialchancen, sind die Rechte auf Arbeit und auf Wohnung, dabei noch ausgeprägter das Recht auf Arbeit als das auf Wohnung. Hier wird auch die staatsexpandierende Wirkung am deutlichsten, denn beim Wort genommen, fordern diese Rechte den Staat als Arbeitgeber und Vermieter oder doch zumindest in beiderlei Hinsicht als Zwangsvermittler. Das ist oft diskutiert worden und braucht nicht nochmals ausgebreitet werden51 • Zum Recht auf Arbeit sollen hier nur zwei Aspekte nachgetragen werden. Die Schwierigkeiten der Arbeitsplatzbeschaffung für alle werden durch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaften in einer Weise verschärft, die einen Jedermannsanspruch von vornherein ausschließt. Schon deshalb werden die Debatten um den Grundsatzkonflikt zwischen dem Recht auf Arbeit und anderen Grundrechten zunehmend theoretischer. In diesen Debatten wird oft etwas einseitig nur die Spannung zu den "klassischen Freiheitsrechten" herausgestellt, nicht auch die innerhalb der sozialen Grundrechte selbst. Dabei liegt der Konflikt zwischen Arbeitsplatzbeschaffung und -erhaltung und dem Umweltschutz inzwischen offen zutage. Ebenso offenkundig ist, daß ein Recht auf Arbeit nicht das Recht auf eine frei gewählte Arbeit sein kann: Damit bleibt vom Recht auf Bildung nicht viel mehr übrig als die Pflicht, sich im Rahmen des Großen Plans nach fremdbestimmten Qualifikationskriterien ausbilden zu lassen. Wo das Recht auf Arbeit praktiziert wird und nicht nur auf dem Papier steht, wird es zur Arbeitspflicht, und folgerichtig kennt eine solche Verfassung keine Freiheit des Berufs52 • Vom Recht auf Arbeit bleibt, was in § 1 Stabilitätsgesetz schon geltendes Recht ist: die Pflicht der Regierung und der sonst noch zuständigen Organe der Wirtschaftsverwaltung, die Vollbeschäftigung neben anderen konkurrierenden Zielen im Rahmen des wirtschaftspolitisch und wirtschaftsrechtlich Möglichen anzusteuern. Zu diesen konkurrierenden Zielen ist seit einiger Zeit der Umweltschutz hinzugekommen. Er fehlt noch in der Aufzählung des § 1 Stabilitätsgesetz. Dessen "magi51 Zum Recht auf Arbeit besonders eingehend Tomandt (Fn. 8), S. 30 ff.; zu beiden Rechten: Wildhaber (Fn. 8), S. 388 ff.; zum Recht auf Arbeit ferner Badura, Festschrift Berber (Fn. 46), S. 42 f.; Isensee (Fn. 1), S. 377, 379 ff.; eine Zusammenfassung der bisherigen Kritik zuletzt bei Chr. Starck, Die Grundrechte des Grundgesetzes, JuS 1981, 237 ff. (241 f.). 52 Als Beispiel die Verfassung der DDR von 1969 (zum "Recht auf Arbeit" dort Art. 24).

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sches Viereck" muß deshalb als "magisches Pentagramm" gezeichnet werden. Ob damit die Abwehrkraft gegen böse Entwicklungen erhöht wird, mag dahinstehen. Das Recht auf Wohnung ist etwas anders gelagert. Seine Verwirklichung durch eine staatliche Wohnungsbauförderungspolitik - äußerlich parallel zur staatlichen Arbeitsplatzförderungspolitik - ist zunächst einmal abhängig von der Verwirklichung der Sozialbindung des Grundeigentums. Auf dieser Stufe geht es um das Problem eines "klassischen Freiheitsrechts" und seiner sozialen Einbindung. Wenn in solchen Zusammenhängen Widersprüche zur Marktwirtschaft53 in ihrer bisherigen Form beobachtet werden, so kann das nicht heißen, die Marktwirtschaft sei nicht ihrerseits einer "Sozialbindung" zugänglich, die das abgegriffene Epitheton erst mit Leben erfüllt. Wo der Markt nach seinen bisherigen Gesetzen nicht funktionieren kann, ist der Staat aufgerufen, seinen Beitrag zu diesen Gesetzen zu ändern, dies schon um seines eigenen Überlebens willen. Das ist schwierig genug, denn die ökonomischen Gesetze sind im Zweifel stärker. Aber die defaitistische Maxime "Crescat lucrum et pereat res publica" wird niemand ernsthaft vertreten wollen. Sie würde auch nicht viel nützen. Unter klassisch Gebildeten wird dafür gern auf den König Midas verwiesen. Solche Überlegungen greifen schon über in die Rechtspolitik. Dazu sind, dem Berichtscharakter entsprechend, nur einige Folgerungen aus der bisherigen Bestandsaufnahme nachzutragen. III. 1. Die Grundrechtstheorie muß die Aporie der "sozialen Grundrechte" neu formulieren. Diese Aporie verläuft schon innerhalb der "sozialen Grundrechte" selbst, nicht erst zwischen "sozialen" und "klassischen" Grundrechten. Sie gilt primär für das Recht auf Arbeit im Verhältnis zu allen anderen Grundrechten. Am Recht auf Arbeit - genauer: an der Grundpflicht zur jedem einzelnen zudiktierten Arbeit scheiden sich die politischen Systeme.

Vom Recht auf Arbeit bleibt nicht mehr als das Staatsziel einer staatlichen Arbeitsplatzförderungs- und Arbeitsplatzsicherungspolitik, dies in offener Konkurrenz zu anderen Staatszielen, darunter mit wachsendem Gewicht das Recht auf eine menschenwürdige Umwelt. Werden diese beiden Rechte auf staatliche Arbeitsplatzförderung und -Sicherung und auf eine menschenwürdige Umwelt zu den "sozialen Grundrechten" gezählt, so unterscheiden sie sich von den anderen "sozialen Grundrechsa Isensee (Fn. 1), S. 379 ff.

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ten" und den "klassischen Freiheitsrechten" dadurch, daß sie nicht länger primär als Individualrechte beschreibbar sind, so wie der Zugang zu sozialen oder kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten und der Anspruch auf Sozialleistungen jeweils individualisierbar sind. Primär geht es bei den Rechten auf Arbeit und auf Umweltschutz um den Grundrechtsschutz öffentlicher Interessen - und auch diese Trennlinie zwischen dem Grundrechtsschutz von Individualinteressen und dem Grundrechtsschutz von öffentlichen Interessen verläuft schon innerhalb der "sozialen Grundrechte" selbst. Einen Grundrechtsschutz für primär öffentliche Interessen anzunehmen, mag für viele Ohren befremdlich klingen. Die Alternative hieße, Arbeitsplatzförderung und Umweltschutz aus dem Zusammenhang der Grundrechtsdiskussion ganz zu verweisen, aber durch derlei definitorische Operationen ist noch kein Rechtsproblem gelöst worden. Das gilt nicht in gleichem Maße für das Recht auf eine angemessene Wohnung. Es kann in absehbarer Zeit dem längst anerkannten Recht auf soziale Sicherung vergleichbar und wie dieses primär individualrechtlich interpretiert werden. Auf Wohnung und Umwelt als die eigentlich problematischen "sozialen Grundrechte" sollte die Theorie sich künftig stärker konzentrieren. Im Grundsatz nicht mehr problematisch und nur in Einzelheiten ihrer gesetzlichen Verbesserung umstritten sind demgegenüber die Zugangsrechte zu sozialen und kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten (einschließlich des Rechts auf Bildung) und die gesamte soziale Sicherung. Ganz allgemein hat die Grundrechtstheorie bisher ihre Aufmerksamkeit auffallend auf Fragen des materiellen Rechtsschutzes verengt5 4• Stärker als bisher muß sie sich den Wechselwirkungen von materiellem Grundrechtsschutz und Verfassungsprozeßrecht zuwenden. Nur so läßt sich die "Versubjektivierung" ursprünglich objektivrechtlich gedeuteter Verfassungsnormen (wie der Verfassungsgrundsätze und Kompetenzbestimmungen im Bundesstaat) verstehen und zugleich einsehen, wie hinfällig in der Folge dieser Entwicklung viele der tradierten Begriffsgegensätze geworden sind. In der Diskussion der "sozialen Grundrechte" gilt das etwa für den Gegensatz von subjektivem Recht und Programmsatz. Die Einsicht in die - vorsichtig gesagt - Relativität solcher 54 Vgl. aber die Hinweise bei Brunner (Fn. 5), S. 25 ff. (auch zum Grundrechtsschutz in Italien). Allgemein zu den Wechselwirkungen von Verfassungstheorie und Verfassungsrechtsprechung und zur Eigenständigkeit des Verfassungsprozeßrechts die Arbeiten von P. Häberle, zuletzt: Kommentierte Verfassungsrechtsprechung, 1979, S. IX ff., 403 ff., 425 ff. Zu verkürzt deshalb die Feststellung bei D. Suhr, Rechststaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Der Staat 9 (1970), S. 67 ff. (71), in das GG lasse sich nicht .,ein Katalog sozialer Grundrechte hineinlesen, den der Verfassungsgeber gerade nicht aufgenommen" habe; differenzierend dagegen jetzt L or enz (Fn. 8), S. 25.

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Gegensatzbildungen kann auch helfen, die Frage nach Textergänzungen des Grundgesetzes differenzierter als bisher zu beantworten. 2. Der Wortlaut des Grundgesetzes mag über "soziale Grundrechte" wenig aussagen; das wiederum besagt noch wenig zur Lückenhaftigkeit des Verfassungsrechts und zur Ergänzungsbedürftigkeit des Verfassungstextes. a) Was durch die Verfassungsrechtsprechung auf andere Weise in der Verfassung abgesichert worden ist, bedarf nicht länger einer ausdrücklichen Verfassungsergänzung. Es kann nicht die Aufgabe des verfassungsändernden Gesetzgebers sein, fortlaufend die Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts in den Text des Grundgesetzes zu transformieren und dadurch recht eigentlich erst die Versteinerung des Verfassungsrechts zu bewirken, die man anfangs von der Verfassungsrechtsprechung befürchtet hat - wie es sich heute ausnimmt: zu Unrecht. Nicht der Verfassungsergänzung bedürfen deshalb die Zugangsrechte zu sozialen und kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten und das Recht der sozialen Sicherung. b) Diese These stimmt auch noch mit einer weit verbreiteten Einschätzung überein. Kontrovers wird die Diskussion erst bei der Frage, ob der Grundrechtskatalog um die Rechte auf Arbeit, auf angemessene Wohnung und auf eine menschenwürdige Umwelt ergänzt werden sollte. Dabei ist das Recht auf Arbeit in Fortsetzung der gerade vorgetragenen Überlegungen allenfalls in dem Sinne regelbar, wie es seinen Platz schon in § 1 Stabilitätsgesetz gefunden hat, wobei - wie schon angemerkt - das "magische Viereck" zum Pentagramm auszuweiten wäre. Ob es sinnnvoll ist, ein solches Pentragramm in die Verfassung zu schreiben, kann bezweifelt werden. Die Zurückhaltung, die bei der Schaffung des Art. 109 II GG gezeigt wurde, hatte einiges für sich. Was für Arbeitsplatzförderung und -Sicherung gilt, gilt nicht auch im gleichen Maße für den Umweltschutz. Er hat eine andere Qualität. In einer unbewohnbaren Welt wird es sinnlos, nach Arbeit zu fragen. In der bewohnbaren Welt stellt sich die Frage nach einer angemessenen Wohnung. Wohnung und Umwelt sind die dringlichen Probleme. Ob sie auch dringliche Probleme einer Verfassungsergänzung sind, steht auf einem anderen Blatt. Vorab läßt sich ein mehr pragmatischer Zweifel nicht unterdrücken. Eine Grundgesetzergänzung bedürfte der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Mitglieder des Bundesrates (Art. 79 II GG). Wie soll, so lautet meine zweifelnde Frage, derselbe Gesetzgeber, der einfache Mehrheiten zur Lösung solcher Fragen bisher nicht hat aufbringen können, dies auf einmal mit Zweidrittelmehrheit bewerkstelligen? Auf den

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Vertröstungseffekt schöner Leerformeln wird heute niemand mehr setzen wollen. Grundsätzlicher ist schon die Frage, ob neue Problemstellungen jeweils zu neuen Verfassungstexten führen sollten. Die Gefahr, daß vor einem Lösungsversuch durch Gesetzgebung und notfalls Verfassungsrechtsprechung auf die vorgängige Ergänzungsbedürftigkeit des Verfassungstextes verwiesen wird, ist bekannt. 3. Wenn das Heil nicht in der ständigen Ergänzung des Verfassungstextes gesucht wird, bleibt es Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit, den Auftrag und die Grenzen der Verfassung auf der Grundlage des bisherigen Textes immer wieder neu zu formulieren und erforderlichenfalls mit Appell-Entscheidungen durchzusetzen. Denn dies sind die sich ergänzenden Funktionen des Verfassungstextes und der Verfassungsgerichtsbarkeit: Der Text enthält Aufträge für die Organe der Staatsgewalt und regelt die Grenzen ihrer Tätigkeit; das Verfassungsgericht hat diese Aufträge und Grenzen zu verdeutlichen und von Fall zu Fall verbindlich zu entscheiden. Auch die Grundrechte der Bürger lassen sich auf dieses System von Verfassungsaufträgen und Verfassungsgrenzen beziehen. Wieviel ein Bürger davon unter Berufung auf seine Grundrechte mit rechtlichen Mitteln durchsetzen kann, hängt nicht allein von der Formulierung des Grundrechts ab, sondern mehr noch von der Ausgestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit Für die "sozialen Grundrechte", die bislang noch nicht oder nur rudimentär zur Entscheidung standen, hat das Bundesverfassungsgericht das erforderliche theoretische und methodische Rüstzeug zur Hand. Für den Schutz der Umwelt gegen die Gefahren der industriellen Nutzung der Atomenergie ist ein Ansatz bei Art. 2 II GG in Verbindung mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, der durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken ist, gefunden worden55 ; es bedurfte nicht einmal des Rückgriffs auf das materielle Auffanggrundrecht aus Art. 2 I GG. Es steht mehr im Grundgesetz als bislang herausgelesen worden ist.

ss Dazu nochmals BVerfGE 53, S. 30 ("Mühlheim-Kärlich").

Die sozialen Rechte in der italienischen Verfassung Von Guido Corso, Palermo*

I. Die italienische Verfassung enthält- anders als Art. 20 des Grundgesetzes- keine Generalklausel über den Sozialstaat, doch ist sie reich an Bestimmungen, welche die traditionelle Materie der "sozialen Rechte" berühren: Recht auf Arbeit (Art. 4), Recht auf Gesundheit (Art. 32), Recht auf Bildung (Art. 34), Recht auf eine ausreichende und gerechte Entlohnung (Art. 36), Recht der berufstätigen Frau auf gleiche Behandlung (Art. 37), Recht auf Sozialhilfe (Art. 38 I), Recht auf soziale Sicherheit (Art. 38 II), Gewerkschaftsfreiheit (Art. 39), Streikrecht (Art. 40)1. Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden, wenn z. B. aus der Vorschrift über den Schutz der Landschaft (Art. 9 II), gegebenenfalls in Verbindung mit der Bestimmung über das Recht auf Gesundheit (Art. 32), ein Recht auf Umweltschutz abgeleitet würde2 und wenn die

* Die Übersetzung aus dem Italienischen besorgte Prof. Dr.

muschat, Bonn.

Christian To-

1 Über die sozialen Rechte in der italienischen Verfassung vgl. V. Crisafulli, La Costituzione e le sue disposizioni di principio, Milano 1952, S. 115 ff.; L. Basso, Per uno sviluppo democratico nell'ordinamento costituzionale

italiano, in: Studi per il XX anniversario dell'Assemblea costituente, Firenze 1969, IV, S. 16 ff.; M. Mazziotti, Diritti sociali, in: Encicl. dir., XII, Milano 1962, S. 802 ff.; F. Pergolesi, Aleuni lineamenti dei diritti sociali, Milano 1953; G. Cicala, Diritti sociali e crisi del diritto soggettivo nel sistema costituzionale italiano, Napoli 1967; A. Anzon, L'altra "faccia" del diritto alla salute, Giur. cost. 1979, I, S. 658. Über den Sozialstaat vgl. A. M. Sandulli, Stato di diritto e Stato sociale, in: Nord e Sud, 1963; P. G. Grasso, Osservazioni sullo "Stato sociale" nell ordinamento italiano, Quaderni di Scienze sociali 1965, S. 29; S. Lener S. J., Lo Stato sociale contemporaneo, Roma 1966; M. S. Giannini, Stato sociale: una nozione inutile, in: Scritti in on. di C. Mortati, Milano 1977, I, S. 139 ff. Im deutschen Schrifttum vgl. neben den klassischen Schriften von E. Forsthoff, die teilweise in das Italienische übertragen worden sind (Stato di diritto in trasformazione, Milano 1973, insbes. S. 29 ff.; La Repubblica Federale Tedesca come stato di diritto e come stato sociale, Riv. trim. dir. pubbl. 1956, S. 549 ff.), aus jüngster Zeit P. Badura, Das Prinzip der sozialen Grundrechte und seine Verwirklichung im Recht der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat 14 (1975), S. 17 ff.; J. Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte. Ein Wesenszug des Grundgesetzes, Der Staat 19 (1980), S. 367 ff. 2 Dazu vor kurzem A. Predieri, Paesaggio, in: Encicl. dir., XXXI, Milano 1981, S. 509; E. Capaccioli I C . Dal Piaz, Ambiente (tutela dell') (Parte gen. e dir. amm.), in: Novissimo Digesto italiano, Appendice, 1980, S. 258).

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zahlreichen Hinweise auf Güter, Ziele und Aufgaben, die sich verstreut in den Titeln li (ethisch-soziale Beziehungen) und III (wirtschaftliche Beziehungen) des Ersten Teils finden, in Bestimmungen umgedeutet werden könnten, die ebensolche Rechte verleihen (Familie, Schutz der unehelichen Kinder, Schutz der Mutterschaft, der Kinder und der Jugend, Ausbildung und Fortbildung der Arbeitnehmer, Minderjährigenarbeit, Handwerk, Sparen, Wohnung usw.). Es läßt sich allerdings nur schwer behaupten, daß eine solche Umdeutung objektiver Elemente (Güter, Ziele, Aufgaben, Institutionen) in subjektive Rechtspositionenund insbesondere in sozialrechtliche Positionen - immer möglich sei. Der Zweifel ist sogar noch radikaler. Denn er bezieht sich auch auf einige der Positionen, welche die Verfassung ausdrücklich als Rechte qualifiziert, denen jedoch die vorherrschende Meinung in Lehre und Rechtsprechung - insbesondere die Verfassungsrechtsprechung - den Charakter des subjektiven Rechts abspricht. Es handele sich um andersartige subjektive Rechtsstellungen, und in einigen Fällen fehle es schlechthin an einer subjektiven Rechtsposition. Als exemplarisch erscheint in dieser Hinsicht die Interpretationsgeschichte des Rechtes auf Arbeit. Obwohl Art. 4 ursprünglich als eine der grundlegenden Bestimmungen der neuen Verfassung betrachtet wurde, wurde er in der Folgezeit auf eine bloße Programmvorschrift oder, wie man heute sagt, auf eine bloße "Förderungs"-Norm- zurückgenommen, die geeignet sei, die öffentliche Gewalt auf eine Politik der Vollbeschäftigung zu verpflichten, aber nicht, einen rechtlich oder gerichtlich geschützten Individualanspruch auf Zugang zu einem Arbeitsplatz zu begründen3 • Auch wenn es sich unzweifelhaft um ein subjektives Recht handelt (z. B. das Recht auf eine ausreichende und der Quantität und der Qualität der geleisteten Arbeit angemessene Vergütung), lassen sich doch nur schwer die typischen Merkmale des sozialen Rechtes erkennen, wenn dieses definiert wird als Recht auf eine positive Leistung von seitendes Staates nach Maßgabe des Anteils an den sich aus dem Leben der Gemeinschaft ergebenden Vorteilen oder der Verwirklichung des Gleichheitsprinzips oder des Prinzips "freedom from want". Das Recht auf eine Vergütung richtet sich statt dessen gegen den Partner des Arbeitsverhältnisses. Der Staat hat lediglich die Verpflichtung, den Gerichtsschutz zu gewährleisten, d. h. eine andere Leistung zu erbringen als jene, welche auf Grund von Gesetz und Verwaltungstätigkeit den typischen Inhalt des für ein soziales Recht eigentümlichen Anspruchs bildet. a Zu dieser Diskussion vgl. F. Mancini, in: G. Branca (Hrsg.), Commentario della Costituzione, Principi fondamentali, Bologna 1975, S. 199 ff.

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Man hat den Eindruck, daß die Kategorie des "sozialen Rechtes" nicht geeignet ist, den Reichtum der in den beiden Titeln II und III der Verfassung enthaltenen Aussagen zum Ausdruck zu bringen. Die "ethischsozialen Beziehungen" und die "wirtschaftlichen Beziehungen", innerhalb deren die Art. 29 bis 47 zusammengefaßt sind, umschließen eine sehr viel ausgedehntere Wirklichkeit, als sie von dem Begriff "soziale Rechte" zum Ausdruck gebracht wird, eine Wirklichkeit, die auch über den Bereich der subjektiven Rechtspositionen hinausgeht, obwohl, wörtlich genommen, die Titel II und III Ausprägungen eines umfassenderen Kapitels (Teil I) über "Rechte und Pflichten der Staatsbürger" und daher wiederum über subjektive Rechtspositionen bilden. Andererseits wird eine Gesamtschau des Problems durch die theoretische Unklarheit über den Begriff der sozialen Rechte und seine Eignung, die Vorschriften der Titel II und III zusammenzuhalten, nicht nur entmutigt. Es muß in der Tat berücksichtigt werden, daß die sogenannten sozialen Rechte entstanden sind, sich durchgesetzt und verbreitet haben im Verlauf eines historisch-politischen Einigungsprozesses, der mit einer bemerkenswerten Umwandlung des liberalen Staates zusammenfällt. Im Kontext der geltenden Verfassungsordnung erwachsen die Vorschriften der Art. 29 ff. der Verfassung aus einer einzigen Wurzel und bilden deren Verästelungen. In diesem Zusammenhang sei Bezug genommen auf Art. 3 II, wonach der Republik die Aufgabe obliegt, "die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art zu beseitigen, welche die Freiheit und Gleichheit der Bürger tatsächlich einschränken und die freie Entfaltung der menschlichen Person und die wirksame Beteiligung aller Werktätigen an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung des Landes behindern" (sog. Prinzip der materiellen Gleichheit)4. Dieser Aufgabe auf der Seite der Institutionen entsprechen jene "unabdingbaren Pflichten politischer, wirtschaftlicher und sozialer Solidarität", welche die Stellung des Menschen umreißen, "sei es als Einzelperson, sei es innerhalb der sozialen Zusammenschlüsse, in denen sich seine Persönlichkeit entfaltet (Art. 2). Die einheitliche Fragestellung schließt offensichtlich eine Differenzierung der Schlußfolgerun~n nicht aus. Sie kann sogar ein geeignetes methodisches Mittel darstellen, um differenzierte Schlußfolgerungen zu erreichen.

4 Zur Verbindung der sozialen Rechte mit der Aussicht auf soziale Umwandlung im Sinne des Art. 3 II Verf. jüngst Luciani, A proposito del "diritto aHa salute", Dir. Soc. 1979, S. 410 ff. Eine kritische Überprüfung des im aUgemeinen von den Juristen hochgelobten Prinzips der materiellen Gleichheit findet sich neuerdings bei U. Romagno!i, in: Commentario (Fn. 3), S. 162 ff.; L. Lombardi Val!auri, Corso di filosofia del diritto, Fadova 1978, S. 300 ff.

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Die Vorschriften der Art. 29 ff. der Verfassung eignen sich zu einer Zusammenfassung nach unterschiedlichen Kriterien. Eines dieser Kriterien könnten die geschützten Güter und Grundwerte sein, die jeweils den Kern einer Vielzahl von Vorschriften bilden: Die Entfaltung der Persönlichkeit (sie umschließt Bildung, Erziehung, Berufsbildung, Schutz der Kindheit, der Jugend, der Arbeit von Minderjährigen: Art. 33, 34, 35, 31, 37 letzter Absatz), die Arbeit (Art. 4, 35- 40), die Familie (Art. 29, 31, aber auch Art. 36 im Hinblick auf das Familieneinkommen, und Art. 37 im Hinblick auf die "wichtige Familienaufgabe" der werktätigen Frau). Eine solche Klassifikation hätte den Vorzug, die der Verfassung zugrundeliegende politische Anthropologie und Philosophie zu verdeutlichen, ließe aber die besonderen Eigenheiten der subjektiven Positionen im Dunkel. Bescheidener, aber angemessener für eine rechtliche Betrachtung des Themas erscheint der Rückgriff auf formale Kategorien: Wer sind die Inhaber der in Frage stehenden Rechte? Wer sind die Adressaten und somit die Beziehungen, in denen die Rechte geltend gemacht werden? Welches sind die Mittel der Durchsetzung und des Schutzes? Welches sind die entsprechenden rechtlichen Inhalte (positive Leistungen, Unterlassungsverpflichtungen usw.)? Auch wenn eine solche Fragestellung etwas scholastisch erscheinen mag, so gestattet sie doch nicht nur eine bessere Aufgliederung der üblicherweise als "soziale Rechte" charakterisierten subjektiven Situationen, sondern eignet sich auch als Auswahlkriterium für jene Prinzipien, Ziele und Einrichtungen usw., die sich nicht auf die Denkfigur des "sozialen Rechtes" oder, allgemeiner, des subjektiven Rechtes oder, noch allgemeiner, der subjektiven Rechtsposition zurückführen lassen. Welches auch das zugrunde gelegte Kriterium sein mag, es bedarf jedenfalls einer Vorbemerkung. Wenn es zutrifft, daß die Verankerung der sozialen Rechte in der Verfassung ein typisches Moment der auf sie bezogenen politischen Entwicklung darstellt, so bleibt doch, daß sich die allgemeine Ordnung der sozialen Rechte aus dem Rechtssystem in seiner Gesamtheit und damit aus einer dichten Folge von Vorschriften auf der Ebene des einfachen Gesetzes ergibt. Eine Untersuchung, welche das einfache Gesetz außer Betracht lassen wollte, würde in die Irre führen, denn sie würde ungebührlich differenzierte Bilder der einzelnen Regelungen liefern. Diese Unterschiede verwischen sich, sobald man die Aufmerksamkeit auf die einfache Gesetzgebung richtet. Man betrachte etwa Italien, die Bundesrepublik und Großbritannien. Italien hat eine an "sozialen Rechten" reiche Verfassung; in der Bundes-

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republik gilt ein Grundgesetz, welches die sozialen Rechte fast nicht erwähnt, auch wenn es eine Sozialstaatsklausel gibt; Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung. Und doch ist die konkrete Ausgestaltung der sozialen Leistungen (soziale Sicherheit, Arbeit, Bildung) in den drei Ländern kaum verschieden. Man kann sich daher legitimerweise fragen, inwieweit in Italien die Verfassungsrechtsordnung auf jene rechtliche Ausgestaltung eingewirkt hat oder ob es sich nicht etwa um gleichförmige Entwicklungslinien handelt, die in den westlichen Gesellschaften unabhängig von den Verfassungsvorschriften wirksam sind5• Begonnen sei mit den Rechtssubjekten. Das soziale Recht ist in seiner ursprünglichen Gestalt niemals oder selten konkret ein Recht für jedermann. Denn es setzt eine Situation zu überwindender Ungleichheit voraus, es ist das Recht des Ausgeschlossenen, des Diskriminierten, des weniger Geschützten, an den Vorteilen des Lebens in der Gemeinschaft Anteil zu haben, auf die ihm die formale Position der Gleichheit vor dem Gesetz Anspruch gibt. Das soziale Recht dient dazu, die Ungleichheit und die Ungerechtigkeit der AusgangsJage zu beseitigen. Es ist ein Recht des Individuums und nicht der Gruppe, dem das Rechtssubjekt angehört, aber die Zugehörigkeit zursozialen oder menschlichen- Gruppe definiert den Rechtsinhaber. In dieses Schema paßt die italienische Verfassung voll hinein. Der rechtliche Schutz der unehelichen Kinder (Art. 30 III), der besondere Schutz der kinderreichen Familien (Art. 31), die kostenlose Heilbehandlung der Bedürftigen (Art. 32), der Zugang der Begabten und Würdigen auch zu den höchsten Ausbildungsstufen ohne Rücksicht auf den Vermögensstand (Art. 34 III), das Recht des arbeitsunfähigen Bürgers, der nicht über die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel verfügt, auf Unterhalt und Sozialhilfe (Art. 38), sogar die Bestimmungen über die Arbeit, bei denen der Werktätige nicht mehr mit dem Bürger zusammenfällt - wie dies an sich die Proklamation in Art. 1 der Verfassung zu verstehen gibt: Italien ist eine auf die Arbeit gegründete Republik - , sondern der schwächere Partner im Rahmen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses ist: alle diese Vorschriften beziehen sich auf die Zugehörigkeit zu einer mehr oder weniger ausgedehnten sozialen oder menschlichen Gruppe, die im Verhältnis zur übrigen Gesellschaft benachteiligt ist. 5 Man vergleiche drei Werke, welche im einzelnen die jeweiligen Systeme schildern: R. G. S. Brown, The Management of Welfare- A Study of British Social Service Administration, Glasgow 1975; D. Fausto, 11 sistema italiano di sicurezza sociale, Bologna 1978; B. Schutin, Sozialversicherungsrecht. Ein Studienbuch, Düsseldorf 1976. Zur begrenzten Bedeutung der formalen Verankerung der sozialen Rechte in der Verfassung vgl. M. S. Giannini (Fn. 1), S. 158 ff., der von "Instituten des sozialen Schutzes" spricht.

3 Der Staat, Beiheft 5

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In der konkreten Ausgestaltung hat die italienische Gesetzgebung, einem weit verbreiteten Modell folgend, eine ständige Tendenz gezeigt, über den Kreis hinauszugehen, der die Rechtsinhaber oder Nutznießer dieser Rechte subjektiv eingrenzt. Man denke z. B. an die Gesundheitsfürsorge. In der Verfassung ist sie aufgeteilt zwischen Art. 38 II, wonach die Werktätigen das Recht haben, daß ihnen angemessene Mittel für ihre Lebensbedürfnisse bei Unfall, Krankheit, Invalidität und im Alter sowie bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit gewährleistet werden, und Art. 32, wonach die Republik zum Schutze der Gesundheit als eines grundlegenden Rechts des Individuums und eines Interesses der Gemeinschaft den Bedürftigen kostenlose Heilbehandlung gewährt. Zwischen dem - abhängigen - Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Fürsorge in Anwendung eines genossenschaftlichen Versicherungsprinzips hat - den Leistungen entsprechen die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilten Beiträge -, und dem Bedürftigen, der ein Recht auf - oder Interesse an - kostenlose(r) Behandlung hat, gibt es eine breite Schicht von Personen, die grundsätzlich verpflichtet sind, die Gesundheitsleistungen selbst zu zahlen6 • Dieses Schema ist aufgebrochen. Den ersten Schritt bildete die Ausdehnung des Gesundheitsschutzes auf die Selbständigen und solche Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, oder die einfache Gleichstellung mit den Arbeitnehmern oder die Schaffung selbständiger Krankenkassen. Auf diese Weise sind die Angehörigen der freien Berufe, die Genossenschaftsmitglieder, die Halbpächter, die Pächter, die selbständigen Landwirte, die Kleinhändler, die Handwerker und alle Familienangehörigen in den Kreis der geschützten Personen aufgenommen worden7 • In einer zweiten Phase kam es zur Beseitigung des Versicherungssystems und seiner Träger (Gesetzesdekret vom 8. Juli 1974, Nr. 264, umgewandelt in Gesetz vom 17. August 1974, Nr. 386; Gesetz vom 29. Juni 1977, Nr. 349; Gesetz vom 23. Dezember 1978, Nr. 833), zur Finanzierung der Gesundheitsausgaben durch Steuermittel und der Schaffung eines nationalen Gesundheitsdienstes (Gesetz Nr. 833/1978). Zu dem Empfängerkreis des Gesundheitsdienstes rechnet "die gesamte Bevölkerung ohne Unterschied individueller und sozialer Merkmale nach Maßstäben, welche die Gleichheit der Bürger gegenüber dem Dienst gewährleisten" (Art. 1 III des Gesetzes). 8 Darstellung des ursprünglichen Verfassungssystems bei C. Mortati, La tutela della salute nella Costituzione italiana, Riv. infortuni e malattie professionali 1961, I, S. 1 ff.; L. Cartassare, L'art. 32 della Costituzione e il suo significato, in: Atti del Congresso celebrativo del centenario delle leggi amministrative di unificazione - L'amministrazione sanitaria, Vicenza 1967, s. 105 ff. 7 M. Persiani, Lezioni di diritto previdenziale, Fadova 1978, 8. Aufl., I, s. 25, 30, 96.

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Kostenlose Heilbehandlung ist nicht mehr den Bedürftigen vorbehalten (Art. 32 der Verfassung), sondern steht allen offen8 • (Die Heilbehandlung nach Art. 38 ist, da sie innerhalb eines Versicherungssystems gewährt wird, sei es auch eines Systems sozialer Sicherheit, per definitionem entgeltlich.) Ganz Ähnliches hat sich im Bereich der sozialen Sicherheit zugetragen. Der Grundsatz des Gleichgewichts zwischen Leistungen und Beiträgen, der in der Vergangenheit den Kreis der Begünstigten innerhalb des sogenannten Fürsorgeverhältnisses bestimmt hat (ArbeitgeberVersicherungsnehmer, Arbeitnehmer- Versicherter, Versicherungsträger), hat in wachsendem Umfang Abweichungen erlitten. Man braucht lediglich die öffentliche Finanzierung des Sozialfonds für die sogenannte Minimalentlohnung zu betrachten ("Sozialpension"), der unabhängig von den geleisteten Beiträgen zur Zahlung von Renten an minderbemittelte Personen über 65 Jahre dient (Gesetz vom 21. Juli 1965, Nr. 903, und Gesetz vom 30. April 1969, Nr. 153), sowie die Ausdehnung der Fürsorgeleistungen (nicht nur im Gesundheitssektor) auf Gruppen von Selbständigen9. Auch in diesem Fall sind beim Übergang von einem System der Sozialversicherung auf ein (tendenzielles) System der sozialen Sicherheit erhebliche subjektive Begrenzungen des Rechtsgenusses beseitigt worden. Schließlich einige Bemerkungen über das Recht auf Bildung. Während die während einer Dauer von mindestens acht Jahren gewährte Grundschulerziehung obligatorisch und kostenlos ist, ist das Recht, die höchsten Stufen des Erziehungssystems zu erreichen, für die Begabten und Würdigen ohne Rücksicht auf ihren Vermögensstand vorgesehen, wenn auch nicht vorbehalten (Art. 34 II, III). Der ursprüngliche Gedanke einer Schule, die "gleichzeitig erzieht und eine strenge Auswahl unter den Individuen" trifft, die auch fähig ist, 8 Zur Umwandlung des italien. Gesundheitssystems auf Grund des Gesetzes Nr. 833 v. 23. 12. 1978 vgl. F . Roversi Monaco (Hrsg.), Il Servizio sanitario nazionale, Milano 1979; P. Bernabei I G. Cirinei I P. Zo!o, L'unita sanitaria locale, Roma 1980. Zu den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten s. L. Montuschi, Diritto alla salute e organizzazione del lavoro, Milano 1980, 2. Aufl., S. 217 ff.; s. auch L. Montuschi I D. Vinzenzi Amato, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti eticosociali, Bologna 1976, S. 146 ff. 9 G. Zangari, Riforma pensionistica e sistema costituzionale, Riv. dir. lav. 1980, 18 ff.; L. Riva Sanseverino I G. Mazzoni (Hrsg.), Nuovo trattato di diritto dellavoro, Padova 1971, 111 (und dort vor allem die Beiträge von G. Chiare!!i, G. A!ibrandi und E. Ghera); M . Persiani, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti economici, Bologna 1979, S. 232 ff. Zu den Entwürfen für die Reform des Systems der Altersrenten s. das Heft Nr. 5 von "Sicurezza sociale oggi", 1980.

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die "Dummen auszuscheiden" 10, hat einer breiten Nachfrage nicht standgehalten. Die heute allen Universitätsstudenten gewährten Stipendien (sog. Vor-Gehalt) sind zwar weiterhin an das objektiven Kriterium der Mittellosigkeit geknüpft, aber von der Voraussetzung der "Begabung und Würdigkeit" abgelöst worden. Denn der Durchschnitt der schulischen Noten hat- ohne jede Untergrenze-Bedeutunglediglich für die Reihenfolge, die aufzustellen ist, falls die Stipendienmittel nicht für alle Bewerber, welche die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, ausreichen (Art. 2 ff. des Gesetzes vom 21. April 1969, Nr. 162; umgekehrt das Gesetz vom 14. Februar 1963, Nr. 80). Damit ist das einstmals den Begabten und Würdigen ohne Rücksicht auf ihren Vermögensstand zuerkannte Recht tendenziell auf alle Mittellosen ausgedehnt worden, ohne Rücksicht auf ihre Begabung und Würdigkeit. Sie werden denjenigen gleichgestellt, die, weil sie über Eigenmittel verfügen - auch wenn sie weder fähig noch würdig sind - , bereits ein "effektives" Recht auf höhere Bildung besitzen, lediglich auf Grund der den freien Zugang zu den Schulen und Universitäten regelnden Normen, ohne daß es erforderlich wäre, daß die Republik besondere Maßnahmen ergreift11• III. Wer ist auf der Passivseite der Adressat der subjektiven Rechtspositionen, wie sie in den Titeln II und III von Teil I der Verfassung niedergelegt sind? Nach der traditionellen Konstruktion der sozialen Rechte ist unmittelbarer Adressat der Staat, und in erster Linie der Staat als Gesetzgeber. Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß die administrative Erbringung der Leistung oder die administrative Zulassung zur Leistungsapparatur ein vorgängiges Moment behördlicher Organisation voraussetzt, dem ein gesetzgeberisches Tätigwerden entspricht. Im Hinblick auf dieses organisatorische - durch den Gesetzgeber vorbestimmte - Element besitzt der Private weder ein Recht noch eine andere klagefähige subjektive Rechtsposition. Gerade in dieser Hinsicht läuft das in das Gewand des Bürgerrechtes (diritto civico) gekleidete und als Unterkategorie des subjektiven öffent10 Die rigorosen Zitate im Text stammen von C. Marchesi und A . Fanfani. Sie sind in Erinnerung gerufen worden von S. Cassese, La scuola: ideali costituenti e norme costituzionali, in: Scritti in on. di C. Mortati (Fn. 1), III, S. 264, u. von U. Pototschnig, Istruzione (diritto alla), in: Encicl. dir., XXIII, Milano 1973, S. 109. 11 U. Pototschnig (Fn. 10), S. 107 ff. Wegen der komplexen Entwicklung der Gesetzgebung vgl. A. Mura, La scuola della Repubblica, Bd. I, Roma 1979,

s. 54 ff.

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liehen Rechts entstandene Sozialrecht Gefahr, daß sich seine eigentliche Natur als (subjektives) Recht verflüchtigt. Die Bürgerrechte - Rechte auf eine Verwaltungsleistung -werden in der Tat weder als subjektive Rechte, teilweise noch nicht einmal als legitime Interessen qualifiziertl2. Man braucht lediglich diese Gedankenkonzepte vorzuführen, um zu begreifen, wie weit sie von der in den Vorschriften der Art. 29 ff. Verf. umschlossenen Realität entfernt sind. Im Hinblick auf die Adr essaten muß man Unterscheidungen treffen, ohne den Anspruch erheben zu können, einigende Momente oder Linien einer einheitlichen Tendenz aufzuzeigen. 1. Der Prototyp eines Rechtes, aus dem keine klagefähige subjektive Rechtsposition erwächst, sondern das sich in einem Anspruch gegenüber der staatlichen Gewalt konkretisiert, daß Arbeitsplätze geschaffen werden, ist das Recht auf Arbeit. Im Wortlaut des Art. 4 I der Verfassung - "Die Republik erkennt allen Bürgern das Recht auf Arbeit zu und fördert die Voraussetzungen, welche dieses Recht wirksam machen" wird der Interpretationsschlüssel zum zweiten Teil geliefert, wo von einem Programm zur Förderung der Voraussetzungen die Rede ist, welche das Recht auf Arbeit wirksam machen. Ein solches Programm fügt sich in die in Art. 3 II der Verfassung aufgeführte umfassendere Aufgabe ein, jene Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art zu beseitigen, welche durch die tatsächliche Beschränkung der Freiheit und Gleichheit der Bürger die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die effektive Teilnahme aller Werktätigen am wirtschaftlichen und sozialen Aufbau des Landes behindern.

Alle Versuche, den Inhalt des Rechtes zu verdeutlichen oder ihm die Dichte eines unmittelbar justitiableu Anspruchs zu verleihen, sind fehlgeschlagen. Außerhalb des Art. 4 der Verfassung steht das Recht auf Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses, das heute anerkannt ist für diejenigen Unternehmen, die mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen (Art. 18 und 35 des Arbeitnehmerstatuts, verabschiedet mit Gesetz Nr. 300/1970). Das Recht auf Arbeit schließt nicht das Recht ein, den erhaltenen Arbeitsplatz zu behalten, da nämlich das erstere Recht nicht auch das Recht umfaßt, einen Arbeitsplatz zu erhalten13• Dies gilt auch deswegen, weil, 12 A. M. SanduHi, Note sulla natura dei diritti civici, Foro it. 1952, I, S. 1344 ff.; ders., Brevi osservazioni in tema di pretese private all'esercizio delle funzioni pubbliche, Giust. Civ. 1960, I, S. 2091; R. A!essi, Le prestazioni amministrative rese ai privati, 2. Aufl. Milano 1956. Eine Zusammenfassung der Debatte im Schrifttum geben U. Pototschnig (Fn. 10), S. 97; E. Casetta, Diritti pubblici subbiettivi, in: Encicl. dir., XII, Milano 1964, S. 798.

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abstrakt gesprochen, die Sicherung des Arbeitsplatzes eines beschäftigten Arbeitnehmers auf eine Beeinträchtigung des Rechts auf Arbeit eines Arbeitslosen hinauslaufen kann. Die Beschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers auf Grund des Gesetzes Nr. 604/1966, heute des Gesetzes Nr. 30011970,- eine Kündigung ist nur zulässig aus gerechtem Grund oder aus gerechtfertigtem Motiv - läßt sich sehr viel treffender zurückführen auf Art. 41 der Verfassung, wonach die grundsätzlich freie -private Wirtschaftsinitiative "nicht im Gegensatz zum Wohle der Gesellschaft ausgeübt werden darf oder in einer Weise, die der Sicherheit, der Freiheit oder der Würde des Menschen schaden könnte". Die Semi-Stabilität, wie sie heute dem Arbeitnehmer in den Unternehmen oberhalb einer bestimmten Schwelle und außerhalb kollektiver Entlassungen gewährleistet ist, stellt den Schnittpunkt zwischen unternehmerischer Freiheit und gesellschaftlichem Nutzen dar, wobei die Verfassung die konkrete Bestimmung dem Gesetzgeber überläßt. Im Rahmen dieser ermessensbestimmten Würdigung rechtfertigt sich z. B. die Befreiung der Unternehmen unterhalb einer bestimmten Größe (weniger als 15 Beschäftigte) von den Vorschriften über die Semi-Stabilität. Umgekehrt ließe sich diese Ausnahme nicht rechtfertigen, wenn die Schranken des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers als eine bloße Konkretisierung des von Art. 4 der Verfassung anerkannten R echts auf Arbeit aufzufassen wären. Auch das sogenannte Freiheitsrecht zu arbeiten, mit Hilfe dessen das Verhalten des Streikbrechers legitimiert wird, läßt sich ebensowenig auf Art. 4 der Verfassung zurückführen. Es ist nicht etwa so, daß jenes Freiheitsrecht nicht bestehen würde. Eine ausreichende Grundlage findet es aber in Art. 40 der Verfassung, der den Streik als ein Recht und nicht als eine Pflicht definiert und daher gleichzeitig die Freiheit zuläßt, nicht teilzunehmen - vorausgesetzt, daß der Streik den Gegenstand eines individuellen Rechtes des Arbeitnehmers bildet, auch wenn er in kollektiven Formen ausgeübt wird14• 13 So, allerdings krit. F. Mancini, in: Commentario (Fn. 3), S. 238 (obwohl die These zum erstenmal von demselben Autor vorgetragen worden war, vgl.: Il recesso unilaterale e i raporti di lavoro, I, Milano 1962, S. 359). Wie oben im Text auch R. Scognamigtio, Il lavoro nella costituzione italiana, Milano

1978,

s. 47.

über die Beziehungen zwischen dem Recht auf Arbeit und den Schranken des einseitigen Kündigungsrechts des Arbeitgebers vgl. Corte cost., Nr. 45 v. 26. 5. 1965, wo das Recht auf Arbeit qualifiziert wird "als Maßstab und Begrenzung der Kündigungsbefugnis des Unternehmers und als Mittel, um zwischen den Parteien des für unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrages die Gleichheit wiederherzustellen". Zu den nachfolgenden gesetzlichen Entwicklungen (Gesetz Nr. 604 vom 15. 7. 1966, Gesetz Nr. 300 vom 20. 5. 1970) und zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vgl. jüngst C. Assanti, Corso di diritto dellavoro, Fadova 1981, S. 273 ff.

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In Wirklichkeit betrifft das Recht auf Arbeit Verhältnisse, die der Begründung des Arbeitsverhältnisses vorangehen, und dringt nicht in den Innenraum des Arbeitsverhältnisses vor. Es bezieht sich auf Verhältnisse objektiven Charakters, die sich der Tendenz nach mit den "Voraussetzungen" identifizieren lassen, welche die Befriedigung dieses fundamentalen Bedürfnisses "wirksam machen". Dies erklärt, weshalb Art. 4 vom Verfassungsgerichtshof nur selten angewandt worden ist15• Die gesetzliche Einstellungsverpflichtung - die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen bestimmten Anteil von Arbeitsplätzen lediglich für Personen auszuweisen, die wegen einer erlittenen Behinderung bei der Suche nach einer Beschäftigung besonderer Hilfe bedürfen - zeigt die äußerste Grenze der rechtlichen Bedeutung des Rechts auf Arbeit an. Falls ein Unternehmen die Einstellung eines der privilegierten Kategorie angehörigen Arbeitsuchenden verweigert, der ihm von der zuständigen Kommission vorgeschlagen worden ist, so wächst dem Arbeitsuchenden ein Schadensersatzanspruch zuu'. Es wird also nicht die Substanz der Organisationsgewalt des Unternehmens beeinträchtigt, denn die Einstellungsverpflichtung wirkt nicht auf die Anzahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer ein, sondern führt lediglich zur Festlegung einer Vorbehaltsquote (Pflichtplatzquote) innerhalb des vom Unt~rnehmer bestimmten generellen Rahmens17• Eine ähnliche Struktur weisen andere Rechte mit "Förderungs"charakter auf, für w elche die Verfassung häufig Wendungen gebraucht, die Ziele und Zwecke angeben, statt daß sie subjektive Positionen zuweist oder anerkennt: "Das Gesetz sichert den außerehelich geborenen Kindern jeden rechtlichen und sozialen Schutz zu" (Art. 30), die Republik "sorgt für die Ausbildung und die berufliche Fortbildung der Werktätigen" (Art. 35), "die Republik schützt die Arbeit der Minderjährigen durch besondere Vorschriften" (Art. 37) usw. 14 Die beiden gegensätzlichen Positionen werden vertreten von F. Mancini, in: Commentario (Fn. 3), S. 276, und R. Scognamiglio (Fn. 13), S. 45. 15 Corte cost., Nr. 3 v . 16. 1. 1957, und Nr. 30 v . 1. 4. 1958 zur Pftichteinstellung von Arbeitnehmern und L ehrlingen; Nr. 61 v . 22. 6. 1965 über die Genehmigung des Präfekten zur Ausübung einer Tätigkeit als Bewacher für Mobiliar- oder Immobiliarvermögen oder als P riva tdetekt iv; Nr. 7 v. 8. 2. 1966 über die Zulassung zum Dienst a ls Portier. 18 Es besteht also k ein Anspruch auf ein Urteil, welches konstitutiv ein Arbeitsverhältnis nach Art. 2932 Codice civile begründet, vgl. Cass. Sez. Lav., Nr. 1322 v. 2. 3. 1979, Foro it. 1979, I, 1462. Die Gegenthese - sie ist eine Mindermeinung - ist jüngst vertreten worden von Cass. Sez. Lav., Nr. 487 v. 22. 1. 1979, Foro it. 1979, I, S . 1463. Aus dem Schrifttum vgl. L. Montuschi, I limiti legali nella conclusione del contratto di lavoro, Milano 1967, S. 261 ff.; G. Pera, Assunzioni obbligatorie e contratto di lavoro, Milano 1970, S. 198 ff. 17 L. Mengoni, Introduzione, in: Commentario dello statuto dei lavoratori, hrsg. von U. Prosperetti, I, Milano 1975, S . 24,

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In allen diesen Fällen hat man es mit einem Gebot an die Adresse des Gesetzgebers sowie einem dem Richter an die Hand gegebenen Interpretationskriterium zu tun. Es handelt sich aber nicht um einen unmittelbar klagefähigen Anspruch des Begünstigten. Ein echter Rechtsanspruch kann allenfalls aus dem Gesetz erwachsen, welches das Verfassungsprinzip ausgestaltet. Es ist aber das Gesetz, nicht die Verfassung, welche diesem Anspruch die unmittelbare Grundlage gibt. 2. Eine zweite Gruppe von Vorschriften wendet sich nicht nur an den Staat - oder die Regionen - als Gesetzgeber, sondem auch an den Staat als Verwaltungsgebilde. Es handelt sich hier um den spezifischen Bereich jener Rechte, die früher als bürgerliche Rechte bezeichnet wurden, nämlich als Rechte oder nicht den sachlichen Gehalt eines Rechtes aufweisende- Ansprüche auf Verwaltungsleistungen, die von gesetzlich begründeten Einrichtungen zu erbringen sind. Das von der Verfassung geforderte Gesetz ist nicht wie in der vorstehend behandelten Gruppe ein Gesetz, das Rechtsbeziehungen zwischen Privaten (auf dem Gebiet der Arbeit) regelt, sondem ein Gesetz, das öffentliche Einrichtungen schafft und deren Funktionsweise regelt. Die Schulen und die Einrichtungen des Gesundheitswesens sind typische Beispiele (Art. 32- 34 der Verfassung). Das Recht auf Bildung setzt die Einrichtung der Schule vor der Zulassung des Schülers voraus. Das subj ektive Recht - so wird immer wieder gesagt - entsteht in der zweiten Phase, d. h. in bezugauf die einzelne Maßnahme der Zulassung zu einer bestimmten, bereits konkret vorhandenen und funktionierenden Schule. Was das "Ob" und das "Wann" der Verwaltungsleistung angeht, besitzt der Einzelne lediglich ein Interesse18• So anfechtbar diese Konstruktion erscheinen mag, sicher ist jedenfalls, daß historisch und politisch gesehen eine subjektive Position (ob Recht oder Interesse ist unerheblich) dem organisatorischen Moment dargestellt durch die Verbindung von Organisationsgesetz und Verwaltungstätigkeit zur Schaffung und Funktionssicherung des Dienstes nachgeordnet zu sein scheint. 3. Pflichtadressaten der Rechte der dritten Gruppe sind Privatpersonen. Das Recht des Arbeitnehmers auf eine gerechte und ausreichende Vergütung oder der werktätigen Frau auf Gleichstellung mit dem Mann (Art. 36, 37 der Verfassung) wird gegenüber dem Arbeitgeber ausgeübt, und im Gegensatz zu den Rechten der ersten Gruppe wird hier ohne Einschaltung des Gesetzgebers ein unmittelbarer Schutz gewährleistet. Man ist fern von dem Schema des per definitionem an die Adresse der 18

U. Pototschnig (Fn. 10), S . 97.

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öffentlichen Gewalt gerichteten sozialen Rechtes; gleich ist aber die Motivation, denn auch hier handelt es sich um die Anwendung des Grundsatzes der materiellen Gleichheit (Art. 3 II der Verfassung). Nach Art. 36 der Verfassung hat der Arbeitnehmer das Recht auf eine Vergütung, die der Quantität und der Qualität seiner Arbeit entspricht und jedenfalls ausreicht, ihm und seiner Familie eine freie und würdige Existenz zu sichern. Da diese Vorschrift ein materielles Kriterium der gerechten Entlohnung festlegt, jedoch keinen Vorbehalt der näheren Regelung (durch Gesetz oder Tarifvertrag), hat die Rechtsprechung sich als befugt angesehen, den Grundsatz unmittelbarer anzuwenden, indem sie im Rechtsstreit unmittelbar die Vergütung bestimmte, falls die zwischen den Parteien vereinbarte im Hinblick auf die beiden Maßstabselemente der Proportionalität und der Zulänglichkeit als unangemessen erschien oder falls eine Vergütung schlechthin fehlte. Diese richterliche Rechtsfortbildung findet eine Stütze auch im Zivilgesetzbuch (Art. 2099), das hinsichtlich der Höhe der Vergütung auf die korporativen Regeln- und heute, nach dem Wegfall der den Faschismus kennzeichnenden korporativen Ordnung, auf die Tarifverträge oder auf die Vereinbarung der Parteien und, mangels einer solchen, auf die Entscheidung des Richters verweist. Historisch erklärt sie sich durch das Fehlen einer Gesetzgebung über den Mindestlohn, das teilweise durch den Widerstand der Gewerkschaftsbewegung gegen gesetzliche Eingriffe in traditionell von der Tarifautonomie abgedeckte Sachbereiche bedingt ist. Vorschub ist jener Tendenz ferner geleistet worden durch den Fehlschlag der von Art. 39 vorgesehenen Vertragsregelung, wonach Tarifverträge mit Wirkung erga omnes von einheitlichen Vertretungen der mit Rechtssubjektivität ausgestatteten registrierten Gewerkschaften abgeschlossen werden sollen. Da diese Zielvorstellungen nicht verwirklicht worden sind, ist den Tarifverträgen die vom Verfassungsgeber gewollte allgemeine Anwendbarkeit vorenthalten geblieben. In concreto beziehen sich die Richter soweit wie möglich auf die Minimaltarife, wie sie in den jeweils einschlägigen Tarifverträgen niedergelegt sind, auch wenn diese keine unmittelbare Anwendung finden können, weil sie von Gewerkschaftsorganisationen und von Arbeitgebern abgeschlossen worden sind, denen die Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht angehören. Sie neigen dazu, das Kriterium der Zulänglichkeit der Vergütung gegenüber demjenigen der Angemessenheit zu bevorzugen, obwohl die Verfassung diesem letzteren Kriterium den Vorrang einräumt, indem sie der "Zulänglichkeit" eine Ergänzungsfunktion im Hinblick auf die Angemessenheit zuweist: "angemessene" und "jedenfalls ausreichende" Vergütung. Andererseits haben die Richter im allgemeinen davon abgesehen, Einfluß zu nehmen auf die individuellen Vergütungen, die den Tarif-

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verträgenkonform sind, indem sie in diesen eine wirksame Entfaltung der verfassungsrechtlichen Maßstabselemente erblicken19 • Ganz ähnlich verläuft der Anwendungsprozeß im Hinblick auf das andere verfassungsrechtliche Prinzip der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau ("die werktätige Frau hat die gleichen Rechte und, bei gleicher Arbeit, die gleiche Vergütung wie der werktätige Mann", Art. 37 I der Verfassung) 20• Hier ist die Durchführung durch die Rechtsprechung - obwohl sie noch einfacher ist, da das vergleichende Urteil über die Gleichheit einfacher abzugeben ist als jenes über die Angemessenheit und Zulänglichkeit der Vergütung - auf stärkere Widerstände gestoßen. In weitem Umfang ist nämlich die Ansicht vertreten worden, daß bei gleicher Arbeit eine Untersuchung über die Gleichheit der Leistung zwischen Mann und Frau erforderlich sei. Diese Ansicht verbirgt häufig das Vorurteil, daß die durchschnittliche Leistung der Frau geringer sei als diejenige des Mannes. In diesem Zusammenhang liegen die eigentlichen Schwierigkeiten, nicht beim Richter. Sie resultieren vielmehr aus den Tarifverträgen und aus der Organisation der Unternehmen, die häufig in systematischer Weise die Frauen geringerwertig einstufen als die Männer (Festlegung "typisch weiblicher" Aufgaben und damit zusammenhängende Aufteilung der Arbeitsplätze auf der Grundlage einer "eingeschlechtlichen" Organisation ganzer Abteilungen der Produktionsanlagen)2t, wobei man durchweg von einer Einschätzung dahin ausgeht, daß die werktätige Frau durchschnittlich eine geringere Leistung erbringe. Dies bestätigt die Grenzen einer ausschließlich richterlichen Lösung des Problems der Gleichheit und der sozialen Rechte im allgemeinen. 4. Es gibt schließlich eine Gruppe von gleichsam doppelköpfigen Lagen, weil hier Auswirkungen sowohl gegenüber dem Staat wie auch in privatrechtliehen Beziehungen bestehen. Es handelt sich um das Recht auf Gesundheit (Art. 32), den Umweltschutz (Art. 9, aber auch Art. 32, 41), die Gewerkschaftsfreiheit (Art. 39 I), das Streikrecht (Art. 40). Die Frage wird gewöhnlich in den Denkbahnen der Drittwirkung erörtert, die sich ursprünglich auf die Grundrechte als Abwehrrechte 19 Zu Art. 36 Verf. und zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. T. Treu, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti economici, I, Bologna 1979, S. 72 ff. ; Mortmaro, La problematica della retribuzione nella giurisprudenza della Corte costituzionale, in: R. Scognamiglio (Hrsg.), Il lavoro subordinato nella giurisprudenza costituzionale, Milano 1978, S. 220 ff. 20 Zu Art. 37 Verf. vgl. T. Treu (Fn. 19), S. 146 ff. Zum Gesetz Nr. 903 v. 9. 12. 1977 über die Gleichheit von Mann und Frau im Arbeit srecht vgl. C. Assanti, La disciplina del lavoro femminile, Riv. giur. lav., 1978, I, S. 26 ff.; M. V. BaUestrero, Dalla tutela alla parita, Bologna 1979, S. 223 ff. 2 1 T. Treu (Fn. 19), S. 177.

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bezieht, "die dem einzelnen zuerkannt sind und die der einzelne gegenüber jedermann geltend machen können muß", weil sie nicht nur von der öffentlichen Gewalt, sondern auch von privaten Gewalten bedroht werden können22. Die bürgerlichen Rechte im Sinne des Titels I der Verfassung sollen einer Auffassung zufolge durch ein allgemeines Verbot äußerer Einschränkungen sowohl durch die öffentliche Gewalt wie durch Dritte geschützt sein. Die zugelassenen Einschränkungen - seien sie administrativer oder, wie häufig der Fall, judizieller Art - seien von speziellen Bestimmungen zugelassen, die nicht in erschöpfender Weise das Rechtsregime jener Freiheiten ausgestalten, sondern "Kompetenznormen" statuieren würden, die von dem allgemeinen Eingriffsverbot abweichen23. Einer anderen These zufolge, welche die Drittwirkung restriktiver interpretiert, sollen die Verfassungsbestimmungen über die Grundfreiheiten über die öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse hinaus auch in nicht gleichgeordneten Privatrechtsbeziehungen wirksam sein, allerdings nicht unmittelbar, sondern über Verbindungsnormen (Prinzip der materiellen Gleichheit, private Wirtschaftsinitiative, Privateigentum: Art. 3 II, Art. 41, 42, 43)2 4 • Auch über die offensichtlichen Schwierigkeiten hinaus ist die These von der erga-omnes-Wirkung der Grundrechte nicht frei von Risiken, vor allem wenn man als Widerpart des Individuums die es umfassende 22 Zur Drittwirkung oder Drittrichtung der Grundrechte vgl. W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960; P. Badura, Der Staat 14 (1975), S. 17, 27; H. Niemöhlmann, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 1975, Anm. 14 zu Art. 2. Aus der italien. Literatur vgl. insbesondere F. Mancini, 11 recesso (Fn. 13), II, S. 91 ff.; G. Lombardi, Potere privato e diritti fondamentali, Torino 1970, S. 13, 86 ff.; A. Barbera, in: Commentario (Fn. 13), Principi fondamentali, S. 67 u . 107 - 8, sowie die verschiedenen Kommentierungen des Status der Arbeitnehmer zu Art. 1. Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs s. die Urteile Nr. 122 v. 24. 6. 1970 (aus dem das Zitat im Text entnommen ist) und Nr. 45 v. 26. 5.

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In den Vereinigten Staaten gelangt man zum gleichen Ergebnis durch die Erstreckung der Kategorie der State action auf die Befugnisse und das Verhalten der Privaten; dazu jüngst T. I. Emerson, First Amendment Doctrine and the Burger Court, California L. Review, 68 (1980), S. 422 ff.; L. Tribe, American Constitutional Law, 1978, S. 1147 ff. Einen Hinweis auf die Verbindung zwischen den beiden Theorien von Drittwirkung und State action gibt G. Bognetti, Diritto fondamentali nell'esperienza costituzionale, in: Diritti fondamentaU dell'uomo (Relazioni al XXVII Conv. naz. di studio dell'Unione Giuristi Cattolici Italiani - Roma, 6 - 8 dicembre 1976), Milano 1977, S. 44. 23 A . Pace, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti civili, S. 99. 24 So G . Lombardi (Fn. 22), S. 103- 104; ders ., Potere privato e potere negativo, in: Studi Sassaresi, III (Autonomia e diritto di resistenza), Milano 1973,

s. 468 ff.

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soziale Gruppe berücksichtigt. Wenn die Beziehung zwischen dem Einzelnen und der sozialen Gruppe insgesamt unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Beziehung zwischen Staat und Bürger gleichgestellt wird - wie dies der Wortlaut des Art. 2 nahezulegen scheint -, so läuft man Gefahr, die Substanz vieler sozialer Gruppen zu zerstören, seien sie freiwilliger Art wie die Vereine, seien sie "natürlich" wie die Familie oder, in gewissen Grenzen, die Schule. Auch wenn solche Gruppen auf konsensualer Grundlage beruhen, so bedürfen sie doch autoritärer Strukturen, bestimmter Formen des Zusammenhalts und einer Typik der Beziehungen, die sich mit der vorbehaltslosen Proklamation der Gleichheit und Freiheit der Mitglieder und Angehörigen der Gruppe nicht vereinbaren und jedenfalls nicht allgemein dem Rechtsschutz unterstellen lassen - es sei denn um den Preis einer schweren Beeinträchtigung der Autonomie der Gruppen25 • Fest steht, daß das Kriterium der Doppelköpfigkeit der verfassungsmäßigen Rechte auf die Sozialrechte und zuallererst auf das Recht auf Gesundheit ausgedehnt worden ist. Von der Formulierung des Art. 32 aus (Schutz der Gesundheit als "Interesse der Gemeinschaft", aber auch "Grundrecht des Einzelnen") hat der Verfassungsgerichtshof21> die Gesundheit als "teilbares" Gut qualifiziert. Diese Feststellung beruht auf der Tatsache, daß die Gesundheit ein unmittelbar von dem Einzelnen genossenes Gut darstellt, welches "der Bildung der organisierten Gruppe vorangeht", so daß sie lediglich im Reflexwege zu einem gesellschaftlichen Gut wird, während sie unmittelbar die Lebens- und Überlebensbedürfnisse des Einzelnen "als solchen" betrifft. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich die Gesundheit von den unteilbaren Gütern wie der nationalen Verteidigung oder der öffentlichen Ordnung, für die eine differenzierte Form der Inanspruchnahme durch die Einzelnen nicht denkbar ist, weil sie mit der Bildung und der Erhaltung der sozialen Gruppe verbunden sind. Die Gesundheit bildet, wie in einer Auseinandersetzung mit dem Nationalen Elektrizitätserzeugungsunternehmen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Atomkraftwerks festgestellt worden ist27, den Gegenstand eines gegenüber jedermann unmittelbar und nicht lediglich derivativ oder als Reflex des Schutzes gegenüber der öffentlichen Gewalt wehrfähigen Rechtes; wenn überhaupt, so wird hier der öffentlichrechtliche Schutz als "Reflex" gewährt. 25 Wichtige Andeutungen in dieser Richtung finden sich bei C. Mortati, Note introduttive ad uno studio sulle garanzie dei diritti dei singoli neUe formazioni sociali, in: Scritti in on. di S. Pugliatti, Milano 1978, III, S. 1586; A. Pace, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti civili, S. 192 - 193. 26 Cass. Sez. Un., Nr. 5172 v. 6. 10. 1979, Foro it. 1979, I, S. 2302. 27 Cass. Sez. Un., Nr. 1463 v. 9. 3. 1979, Foro amm. 1981, I, 8.

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Während der Kassationshof sich ausdrücklich auf die Kategorie des sozialen Rechtes berufen hat als eines "Rechtes des Privaten auf ein positives Handeln der öffentlichen Verwaltung zugunsten der Gesundheit entweder im Wege der Vorsorge oder der Heilfürsorge" 28, hat der Verfassungsgerichtshof eher den Charakter der Gesundheit als eines primären und absoluten Rechts" unterstrichen, "das auch in privaten Rechtsbeziehungen wirksam ist" 29 • Eine eigenartige Verbindung von privatrechtliehen und öffentlichrechtlichen Positionen offenbart sich in Art. 9 des Statuts der Arbeitnehmer: "Die Arbeitnehmer haben über ihre Vertretungen das Recht, die Anwendung der Vorschriften zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten zu überwachen und die Suche nach sowie die Erarbeitung und Durchführung von allen Maßnahmen zu fördern, die geeignet sind, ihre Gesundheit und körperliche Integrität zu schützen" 30• Wenn einerseits das "Recht" des Arbeitsnehmers in einen vertraglichen Zusammenhang eingebettet ist, der durch den Arbeitsvertrag konstituiert wird, so unterscheidet es sich von dem - individuellen Recht auf psychische und physische Sicherheit, welches bereits Art. 2087 des Codice civile gewährleistete, durch Verbindung mit einer Pflicht des Unternehmers, die gegenüber den Grundverpflichtungen akzessorisch ist und eine Hilfsfunktion besitzt. Das Recht aus Art. 9 ist in der Tat der Befriedigung eines kollektiven Bedürfnisses vorgeordnet, bei dem der Arbeitnehmer mitzuwirken hat durch seine Vertretung und durch die von dieser über die Erfüllung der dem Unternehmen obliegenden Schutzpflichten geführte Aufsicht. Ähnliche, aber komplexere Erwägungen lassen sich für den Umweltschutz anstellen. "Was das Gut ,Umwelt' angeht", stellt der Kassationshof fest, "so ist in Erwägung zu ziehen, daß der unmittelbare Genuß durch den Einzelnen im Hinblick auf ihre verschiedenen Bestandteile wie Klimabedingungen, geologische Gegebenheiten, Verfügbarkeit von bestimmten Ressourcen, Agrarstruktur, Landschaft - anders als bei der Gesundheit - nicht durch das bloße Personsein bedingt ist, sondern mit der besonderen Bindung zusammenhängt, welche sich im konkreten Fall zwischen dem Einzelnen und seiner Umwelt einstellt. In dieser Verbindung findet sich der differenzierte Charakter des Interesses, das Cass. Sez. Un., 6. 10. 1979 (Fn. 26). Corte cost., Nr. 88 v. 26. 7. 1979, Giur. cost. 1979, 656 (mit Anmerkung von A. Anzon, L'altra "faccia" del diritto alla salute). Siehe auch F. D. Busnel!i I V. Breccia, Tutela della salute e diritto privato, Milano 1980, sowie die Rezension von L. Rossi Carleo, Riv. trim. dir. proc. civ. 1981, S. 551. 30 Vgl. die genannte Monographie von L. Montuschi, Diritto (Fn. 8), sowie die Kommentierungen des Status der Arbeitnehmer in dem von F. Mancini und U. Romagnoli herausgegebenen Werk von C. Assanti, ferner G. Pera, U. Prosperetti und zuletzt G. Giugni, zu Art. 9. 2B 29

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im Falle beeinträchtigender Eingriffe der öffentlichen Verwaltung die Befugnis verleiht, den Rechtsweg zum Verwaltungsrichter zu beschreiten"31. Mit anderen Worten, das Recht auf Umweltschutz soll einem Grundsatz der örtlichen Anknüpfung unterworfen sein, der sich aus der Eigenschaft als Eigentümer oder Inhaber eines sonstigen dinglichen Rechts an Grundstücken ergibt, "die aus der Umwelt ihren besonderen Wert empfangen". Dagegen soll nach dieser Rechtsprechung die bloße Eigenschaft als Bewohner, der weder Eigentümer noch Inhaber eines sonstigen dinglichen Rechts ist, nicht ausreichen. Ganz offensichtlich besteht hier eine Tendenz, Interessen und Güter in subjektive Positionen - subjektive Rechte oder legitime Interessen - umzusetzen und solchen Lagen einen absoluten Charakter ähnlich wie dem Eigentum und den Grundfreiheiten zuzuerkennen. Ebenso offensichtlich ist aber auch das dieser Tendenz innewohnende Risiko, daß nämlich Konflikte so weit radikalisiert werden, bis sie unlösbar werden, daß notwendige oder nützliche Initiativen wirtschaftlicher Art oder zur Umgestaltung der Umwelt mit dem Argument eines unantastbaren Rechtes auf Gesundheit oder eines unverletzlichen Rechtes auf Umwelt blockiert werden. In diesem Zusammenhang erscheint sehr viel angemessener das Modell der Abwägung widerstreitender Interessen (öffentliche und private Interessen, private gegen private Interessen), wie es z. B. in Art. 41 der Verfassung angedeutet ist, wo es heißt, daß die private Wirtschaftsinitiative, obwohl sie frei ist, sich nicht im Widerspruch zum sozialen Nutzen entfalten darf oder in einer Weise, daß der Sicherheit, der Freiheit oder der menschlichen Würde Schaden zugefügt wird. Ein ganz ähnliches Abwägungsgebot findet sich auch bei der Regelung der Grundfreiheiten mit der Bestimmung einschränkender Interessen, an denen sich die Freiheiten messen lassen müssen: Gesundheit und Sicherheit im Hinblick auf die Freizügigkeit, Sicherheit und Unversehrtheit der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit, gute Sitten im Hinblick auf die Religions- und die Pressefreiheit, Art. 16, 17, 19 und 2!3 2 • Was die Beziehungen zwischen Privatpersonen angeht, so wird der Interessenkonflikt immer häufiger nicht als Rechtskonflikt ausgestaltet, Cass. Sez. Un., 9. 3. 1979 (Fn. 27). über den balancing test als Hauptkriterium für die Lösung der Konflikte, welche sich bei der Anwendung der ersten Amendment zur amerikanischen Verfassung ergeben, vgl. T. I . Emerson (Fn. 22), S. 438, und J. H. Efy, Flag Desecration: a Case Study in the Roles of Categorization and Balancing in First Amendment Analysis, Harvard L. Review 88 (1975), S. 1482. Vgl. auch G. Amato, La ponderazione degli interessi nella disciplina costituzionale del domicilio, in: Scritti in on. di Mortati (Fn. 1), III, S. 10 ff. 31

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sondern als eine Kontrollbefugnis, welche einer Seite gegenüber der Ausübung des Rechts der Gegenseite verliehen wird. Eine solche Kontrolle erfordert und setzt voraus eine klare Zielbestimmung der entgegengesetzten privaten Rechtsbefugnis oder jedenfalls eine Abgrenzung des Bereichs, innerhalb dessen sich die Kontrollbefugnis frei entfalten kann. Es ist leicht zu begreifen, daß dieses Schema an den verwaltungsrechtlichen Begriff des Ermessens erinnert. Gleichzeitig hat es gegenüber der Denkfigur Recht gegen Recht den Vorzug, daß es nicht in limine die Tätigkeit anderer Privatpersonen unterbindet, sondern sie in einen Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen einbringt, so daß es möglich ist, in jedem Einzelfall die Wahl zu rationalisieren, die Kosten abzuschätzen, die Opfer abzuwägen und eine Entscheidung zwischen Schadensausgleich in Geld, Präventivmaßnahmen zur Schadensverhütung und Korrektivmaßnahmen zur Eindämmung des Schadens zu treffen. Der Codice civile geht im übrigen, freilich nur in bezug auf das Eigentum, von einer solchen Betrachtung aus. Wenn er z. B. für Immissionen die Grenzen der "üblichen Zumutbarkeit" festlegt und dabei den Gerichten die Aufgabe zuweist, die "Erfordernisse der Produktion mit dem Schutzbedürfnis des Eigentums zum Ausgleich zu bringen" (Art. 844 Codice civile), oder wenn er z. B. vorschreibt, daß "die Abstände schädlicher oder gefährlicher Fabriken oder Ablagerungen" geeignet sein müssen, "die Nachbargrundstücke vor jeder Beeinträchtigung ihrer Festigkeit, gesunden Beschaffenheit und Sicherheit zu bewahren" (Art. 890 Codice civile)33• Nicht anders verhält es sich mit dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Schema, obwohl eine gewisse arbeitsrechtliche Kultur die Konfliktmomente, wie sie teilweise im Statut der Arbeitnehmer niedergelegt sind, übermäßig in den Vordergrund geschoben hat. Art. 46 der Verfassung erkennt das Recht der Arbeitnehmer zur Mitbestimmung in den Unternehmen an. Auch wenn das Modell der Institutionalisierung des Unternehmens nicht durchgeführt worden ist, so behält doch als Interpretationsregel die genannte Wendung über den Schutz der "Produktionsbedürfnisse", mit denen die Mitbestimmung "im Einklang" stehen soll, ihre Bedeutung. "Die Institutionalisierung der Kontrollbefugnisse der Arbeitnehmer in den Unternehmen bringt, auch wenn sie nach dem Modell der konflikthaften Beteiligung verwirklicht ist, eine Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Produktionssystems mit sich, welche eine wesentliche Komponente des in Art. 41 II genannten sozialen Nutzens darstellt. Gerade aus Art. 46 wird abgeleitet, daß ss Dazu die wichtigen Bemerkungen von A. Lener, Violazione di norme di condotta e tutela civile dell'interesse all'ambiente, Foro it. 1980, V, S. 105 ff.

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der Schutz des sozialen Nutzens nicht nur die Macht des Unternehmers im Hinblick auf Produktion und Organisation einschränkt, indem Sicherheit, Freiheit und Würde der Arbeitnehmer respektiert werden müssen, sondern daß er auch im Lichte der Produktionsbedürfnisse die in Art. 26 des Statuts der Arbeitnehmer ausdrücklich angeführt werden - die Gegenmacht zur Organisation der Arbeit beschränkt, wie sie den Arbeitnehmern heute gewährleistet ist34." Es gilt auch hier, was bereits zu den Beschränkungen des einseitigen Kündigungsrechts des Arbeitgebers ausgeführt worden ist. Es gibt kein (verfassungsmäßiges) Recht auf Arbeit (Art. 4) oder Recht auf Mitbestimmung (Art. 46), sondern eine Aufsicht über die Macht des Unternehmers in Gestalt der Subjektivierung der in der Verfassung niedergelegten Schranken für die Ausübung dieser Macht (sozialer Nutzen, Sicherheit, Freiheit, menschliche Würde: Art. 41). Diese Begrenzungen sind auch wirksam zu Lasten der Gegenmacht der Arbeitnehmer (sozialer Nutzen gemäß Art. 41, Produktionsbedürfnisse nach Art. 46). Im Zusammenhang der "doppelköpfigen" sozialen Rechte läßt sich auch das sog. Recht auf die Wohnung anführen, das aus Art. 47 abgeleitet wird. Danach fördert die Republik den Zugang des Volkssparens zum Wohnungseigentum (so wie noch allgemeiner die Verfassung sich zum Ziel setzt, Eigentum für jedermann zugänglich zu machen, Art. 42 II). Auch hier stoßen mehrere Positionen zusammen, das Interesse des Wohnungsuchenden auf den Erwerb einer Wohnung, eine Pflicht der öffentlichen Gewalt, ein breites Angebot an Wohnungen - auch mit direkten Interventionen - zu fördern. Damit können Dritte, die Eigentümer sind, beeinträchtigt werden, entweder in dem Sinne, daß durch Kreditbedingungen, Steuervorschriften oder Gebührenregeln der Erwerb einer Wohnung durch den Nichteigentümer begünstigt wird gegenüber dem Erwerb einer zweiten Wohnung, sei es in dem Sinne, daßim Zusammenspiel zwischen den Art. 41 und 42 - die Mieterschutzgesetzgebung legitimiert wird35 • Es handelt sich nicht um ein Recht, sondern um ein Programm zur Verteilung von Gütern, das über die Mäßigung entgegengesetzter Interessen verwirklicht wird. Auch hier drückt das Muster des Widerstreits von Interessen (öffentlichen, kollektiven, privaten) die Dynamik des 34

L. Mengoni, Einführung, in: U. Prosperetti (Hrsg.), Commcntario (Fn. 17),

s. 33.

35 D. Sorace, A proposito di "proprieta dell'abitazione", "diritto all'abitazione" e "proprieta (civilistica) della casa ", in: Scritti in on. di C. Morta ti (Fn. 1), 111, insbes. S . 1046 ff.; F. Merusi, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti economici, 111,1980, S.166 (er verneint die Existenz eines Rechts auf Wohnung, welches geeignet sei, die Mieterschutzgesetzgebung zu rechtfertigen).

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Systems besser aus als das Schema des sozialen Rechtes oder des subjektiven Rechtes, das sich mit einer Pflicht verbindet. Unter den Rechtsfiguren mit mehreren Adressaten gebührt schließlich besondere Aufmerksamkeit dem Streikrechtse. Der von Art. 40 gewährte und herkömmlich auf abhängige Arbeitsbeziehungen begrenzte Schutz ist auch den Aktionen der in Art. 506 Codice penale genannten Kleinunternehmer - die keine abhängigen Arbeitnehmer haben - zuerkannt worden37 • Indem der Verfassungsgerichtshof ferner den in Art. 503 Codice penale für strafbar erklärten politischen Streik zugelassen hat, hat er endgültig den Streik aus dem Arbeitsverhältnis herausgelöst. Der verfassungsmäßige Schutz deckt Auseinandersetzungen zur Verfolgung aller denkbaren Ziele, soweit nicht die staatlichen Institutionen oder die Verfahren zur Äußerung der Volkssouveränität angegriffen werden, denn der Streik stellt u. a. eines der Instrumente dar, welche zur Herstellung der materiellen Gleichheit beitragen38• Der zulässige politische Streik ist freilich dem Verfassungsgericht zufolge nicht der Rechts-Streik, der sich gegen den Arbeitgeber wendet, sondern der Freiheits-Streik, eine Manifestation rechtlicher Ungebundenheit. Für sich allein betrachtet könnte der politische Streik als Form der Nichterfüllung der Arbeitsleistung auf das Arbeitsverhältnis zu beziehen und damit geeignet sein, Reaktionen der Gegenseite- von der disziplinarischen Sanktion bis hin zur Entlassung - zu rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn der Freiheits-Streik, indem er in den Schutzbereich der vom Statut der Arbeitnehmer gewährleisteten Gewerkschaftsfreiheit eingebracht wird, schließlich die Qualität eines "Rechtes" erlangt, mit dessen Ausübung sich die Entlassung oder eine weniger einschneidende Sanktionsmaßnahme schlecht verbinden läßt. Es braucht kaum betont zu werden, daß das Modell widerstreitender Interessen beim Streik stärker als in anderen Situationen veranschaulicht wird. Der Verfassungsgerichtshof hat seit langem die Zulässigkeit von Einschränkungen des Streikrechts und von Verfolgungsmaßnahmen wegen seiner Ausübung- etwa bei kollektivem Verlassen öffentlicher Behörden, Stellen, Dienste und Arbeiten im Bereich der sog. wesentlichen öffentlichen Dienste - als zulässig anerkannt39 • Es handelt sich bei den "wesentlichen" Diensten um einen engeren Bereich als die öffentliche Verwaltung im allgemeinen, denn erfaßt sind lediglich Dienste, deren Funktionieren für die Gewährleistung primärer Güter 36 Zu den verfassungsrechtlichen Aspekten des Streiks jüngst U. Romagnoli, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti economici, I, 1979, S. 289 ff.; E. Gal!o, Seiopera e repressione penale, Bologna 1981. 37 Corte cost., Nr. 222 v. 8. 7. 1975. 38 Corte cost., Nr. 290 v. 19. 12. 1974. 39 Corte cost., Nr. 123 u. Nr. 124 v. 13. 12. 1962; Nr. 31 v. 27. 2. 1969.

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unerläßlich ist, denen ihrerseits gegenüber dem Selbstschutz der öffentlichen Bediensteten der Vorrang gebührt. Welches konkret gesprochen diese Dienste sind, ist eine offene Frage. Ist es z. B. der Krankenhausdienst insgesamt oder lediglich der Notdienst der Krankenhäuser? die Gerichtsbarkeit insgesamt oder die Strafgerichtsbarkeit? das Transportwesen im allgemeinen oder lediglich der Luftverkehr? der Luftverkehr insgesamt oder der Luftverkehr an Festtagen und während der Ferien? Man braucht sich nur einige dieser Alternativen vor Augen zu führen, um sich die Komplexität des Problems klarzumachen. Von daher erklärt sich auch die vielfach zum Ausdruck gebrachte Vorliebe für Kompromißformen verfahrensmäßiger Art in Anlehnung an die verbreitetsten ausländischen Erfahrungen: Vorankündigung durch die repräsentativsten Gewerkschaftsorganisationen, vorheriger Versuch der Zwangsschlichtung, angemessene Vorwarnzeit, in jedem Falle Gewährleistung eines unerläßlichen Minimums an Funktionsfähigkeit40 • Es ist dies ein Leitbild, welches, ohne sich um die Aufstellung hierarchischer Skalen von Interessen und Werten zu bemühen, jeweils im Einzelfall gestattet, das überwiegende Interesse herauszuschälen, wobei im übrigen entweder eine vorbeugende Kontrolle oder ein Minimum an Schutz zur dauernden Befriedigung der öffentlichen Interessen gesichert ist, die der Ausübung des Streikrechts entgegenstehen41 • IV. Der Reichtum und die Verschiedenartigkeit der beschriebenen Situationen spiegelt sich auch in den Arten des Schutzes wider, die ebenso reich und vielfältig sind. Einigermaßen schematisch lassen sie sich wie folgt aufzählen: G. Pera, Lo sciopero nei pubblici servizi, Riv. dir. lav. 1978, S. 249. Im Hinblick auf die fehlgeschlagene Durchführung von Art. 40 ist die Form der vorgesehenen Regelung eingehend erörtert worden. Es besteht eine Alternative zwischen der Selbstregelung und dem Gesetz, das viele sich vorstellen als Übernahme eines von den Gewerkschaften vorher festgelegten Verhaltenskodex. Darstellung der beiden Thesen jüngst durch den redaktionellen Beitrag Autoregolamentazione e diritto di sciopero, Il Progetto, 1981, Nr. 3, S. 6; M. Rusciano, Sciopero e legge, ebd., S. 76. Zur mangelnden Seriosität des Vorschlags einer Selbstregelung brauchen, soweit er aus der gewerkschaftlichen in die juristische Diskussion übergeleitet wird, nicht viele Worte verloren zu werden: Welche Wirkungen würde die Selbstregelung gegenüber den autr>nomen Gewerkschaften äußern, die den stärksten Hang zum Streik haben und auch diejenigen sind, welche sich von der Festlegung des Verhaltenskodex ausschließen möchten? Weshalb sollte die Selbstregelung auf den Streik und nicht auch auf andere Formen der sozialen Auseinandersetzung begrenzt sein? 40 41

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1. Der Verfassungsrang, der den in den Art. 29 ff. vorgesehenen Rechten, Situationen und Zielen zugewiesen ist, bringt vor allem die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze durch den Verfassungsgerichtshof mit sich. Dies gilt auch für Bestimmungen mit Verfassungszielen wie jene, welche den unehelichen Kindern jeden rechtlichen und sozialen Schutz gewährleisten (Art. 30 III), Maßnahmen zur Erleichterung der Familiengründung vorsehen (Art. 31 I), Mutter und Kind sowie die Jugend schützen (Art. 31 II) oder bestrebt sind, für die Ausbildung und die berufliche Fortbildung der Arbeitnehmer zu sorgen (Art. 35 II) oder den Schutz der Arbeit der Minderjährigen anordnen (Art. 37 III). Wenngleich diese Vorschriften angesichts eines Unterlassensdes Gesetzgebers wenig bedeuten, so bewirken sie doch die Ungültigkeit solcher Gesetze, die sich mit den Zielen in Widerspruch setzen42 • 2. Rechtsschutz wird auch gewährt durch die ordentlichen Gerichte. Wie dargelegt, ist einigen Verfassungsvorschriften (angemessene und ausreichende Vergütung gern. Art. 36 und Gleichheit der Entlohnung zwischen Mann und Frau gern. Art. 37) die unmittelbare Wirksamkeit in privatrechtliehen Rechtsbeziehungen zuerkannt worden und infolgedessen die Eignung, auch in Ermangelung eines Gesetzes Rechtsansprüchen zur Grundlage zu dienen. Daraus hat sich eine reichhaltige Rechtsprechung ergeben, die nach Maßgabe des Art. 36 der Verfassung dazu beigetragen hat, wichtige Aspekte der Entlohnung des Arbeitnehmers zu definieren (Alterszulagen, Zusatzzahlungen usw.) 43 • Im Regelfall jedoch erkennt der Richter über Ansprüche, die sich aus dem einfachen Gesetz ergeben, welches die Verfassungsgebote konkretisiert. Die meisten Fragen betreffen den Bereich der Sozialversicherung (Art. 38), der in die Zuständigkeit des auch für Arbeitsstreitigkeiten zuständigen Richters fällt (Gesetz vom 11. August 1973, Nr. 533). Hier ist die Öffnung des Rechtsweges abhängig von der vorherigen Erschöpfung eines Verwaltungsrechtsmittels, mit dem von dem zuständigen Sozialversicherungsträger eine Überprüfung der Entscheidung begehrt wird, welche die begehrte Leistung abgelehnt hat44 • Eine dritte Gruppe von Klagen hat in die privatrechtliehen Beziehungen im Bereich des Gesundheits- und des Umweltschutzes Eingang gefunden. Das verwendete Rechtsinstrument ist das traditionelle Mittel der Schadensersatzklage und der Unterlassungsklage, wobei der Kreis 42 Vgl. die zahlreichen Entscheidungen, welche Vorschriften des Codice civile wegen Widerspruchs mit dem den unehelichen Kindern von Art. 30 III Verf. zugesicherten Schutz für nichtig erklärt haben: Corte cost., Nr. 79 v. 2. 4. 1969; Nr. 50 v. 16. 4. 1973; Nr. 82 v. 21. 3. 1974. Dazu auch M. Bessone, in: Commentario (Fn. 3), Rapporti etico-sociali, Bologna 1976, S. 112. 43 T. Treu, in: Commentario (Fn. 19), S. 108 ff. 44 M. Persiani, Lezioni (Fn. 7), S. 139 ff.

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der ersatzfähigen Schäden fortschreitend ausgeweitet worden ist. Zumindest tendenziell ist heute auch der Nichtvermögensschaden eingeschlossen, soweit er sich von dem lediglich immateriellen Schaden unterscheidet, nämlich der sogenannte biologische Schaden oder genauer der Schaden, der sich ergibt aus der Verminderung der Lebensfreude an sich und in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Genauer gesagt hat der Verfassungsgerichtshof jüngst ausgesprochen, daß der vom Verantwortlichen bei Begehung eines Delikts zu ersetzende Nichtvermögensschaden (Art. 2059 Codice civile, Art. 185 Codice penale) "nicht beschränkt werden darf auf jene Folgen der Verletzung, welche sich auf die Fähigkeit zur Erzeugung eines Einkommens auswirken, sondern auch die Auswirkung der Verletzung auf das Recht, verstanden als subjektiv-autonome Position, ohne Rücksicht auf weitere Umstände und Folgen mitzuumfassen hat", und zwar wegen des "der Gesundheit wie allen anderen unmittelbar gewährleisteten subjektiven Positionen nicht vermögenswerter Art seitens der Verfassung zuerkannten vorrangigen Schutzes"45 • 3. Die italienische Verfassung hat die auf die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts über die Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückgehende Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und legitimen Interessen verfassungskräftig festgelegt (Art. 103 und 113), indem es die Zuständigkeit für letztere dem Staatsrat (Consiglio di Stato) und den anderen Organen der Verwaltungsgerichtsbarkeit (regionale Verwaltungsgerichte, geregelt im Gesetz vom 6. Dezember 1971, Nr. 1034) übertragen hat. Der Schutz der sozialen Rechte, die sich in Ansprüchen auf Leistungen der öffentlichen Gewalt konkretisieren und denen die Eigenschaft als subjektives Recht abgesprochen wird, ist mithin dem Verwaltungsrichter anvertraut. Wegen der Struktur des Verfahrens hat der Antrag nicht die verweigerte Leistung zum Gegenstand (wie die Verpflichtungsklage des§ 42 I der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung), sondern lediglich die Aufhebung des Verweigerungsaktes46 • Ähnliche Situationen finden sich im Bereich der Sozialversicherung (Art. 38), des Gesundheitswesens (Art. 32) und andeutungsweise auch auf dem Gebiet der Bildung (Art. 33, 34). Quantitativ sehr viel ausgedehnter ist die Form des Schutzes zugunsten derjenigen, die nicht Verwaltungsleistungen begehren, sondern sich Maßnahmen entgegenstellen, die eine private Tätigkeit genehmigen, die Corte cost., Nr. 88 v. 26. 7. 1979. Zu den Schwierigkeiten, welche aus dieser Lücke der italien. Gesetzgebung resultieren, vgl. M. Nigro, La rifonna del processo amministrativo, Milano 1980, S. 119, 183. 45 46

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geeignet ist, Güter wie die Gesundheit oder die Umwelt zu gefährden oder zu schädigen. Man hat in diesem Zusammenhang den Begriff der Widerstandsinteressen (interessi oppositivi) im Gegensatz zu den Anspruchsinteressen (interessi pretensivi) geprägt47 • Der gerichtliche Schutz dieser Güter ist aufgeteilt zwischen dem ordentlichen Richter, der über Unterlassungs- oder Schadensersatzklagen gegen Private befindet, und dem Verwaltungsrichter, der über Verwaltungsmaßnahmen entscheidet (Bebauungspläne, Baugenehmigun~ gen, Einleitungsgenehmigungen usw.), durch welche Private zur Ausübung einer schädlichen oder gefährlichen Tätigkeit ermächtigt werden. Das verwaltungsgerichtliche Streitverfahren besitzt einen weit ausgedehnten Anwendungsbereich. Einer der Gründe dafür ist das Bemühen, die Klagebefugnis über die traditionellen Grenzen des legitimen Interesses - das ein persönliches und gegenwärtiges sein muß - hinaus auszudehnen, indem ein Klagerecht auch Vereinigungen oder Gruppen zuerkannt wird, die Träger allgemeiner Interessen sind. Diese Tendenz, die einen normativen Rückhalt besitzt in Art. 10 des Gesetzes vom 6. August 1967, Nr. 765 (wo "jedermann" die Befugnis zuerkannt wird, Baugenehmigungen vor dem Verwaltungsrichter anzufechten), ist in der Rechtsprechung nicht ohne Widerspruch geblieben48• 4. Wachsender Raum wird vom strafrechtlichen Schutz eingenommen. Strafrechtliche Sanktionen, von denen früher die Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers begleitet war (unterlassene Abführung der Versicherungsbeiträge, Nichtrespektierung der Unfallverhütungsvorschriften usw.), sind von der jüngeren Gesetzgebung auch auf dem Gebiet des Umweltschutzes eingeführt worden. Aber nicht darin liegt der Grund für die zunehmenden Eingriffe des Strafrichters. Im Gegenteil sind z. B. die Unrechtstatbestände im Gesetz Nr. 319 vom 10. Mai 1976 über den Gewässerschutz als Begrenzungen der richterlichen Gewalt hingestellt und unter diesem Gesichtspunkt von den fachlich zuständigen Gerichten auf Grund einer Reihe von Vorlagebeschlüssen an den Verfassungsgerichtshof in Frage gestellt worden. Der Grund ist vielmehr vor allem in der Tatsache zu sehen, daß das Handeln des Strafrichters von jenen Eingrenzungen der Klagebefugnis losgelöst ist, welche bisher den Zugang zur Zivil- oder Ver47

M. Nigro, Giustizia amministrativa, Bologna 1979, S. 131.

Vgl. die drei Sammelbände: La tutela degli interessi diffusi nel diritto comparato, Milano 1976; Le azioni a tutela di interessi collettivi, Atti del convegno di studio tenuta a Pavia 1'11 - 12 giugno 1974, Fadova 1976; Rilevanza e tutela degli interessi diffusi, Atti del XXIII Conv. di scienza dell'amm., Milano 1978. Neuere Hinweise bei G. A~pa, Consumatore (tutela del), in: Noviss. Dig. it (Appendice di aggiornamento), Torino 1981, S. 519 ff.; sowie bei A. Pr~di~ri, Paesaggio (Fn. 2), S. 528 ff. 48

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waltungsgerichtsbarkeit eingedämmt haben (juristische Positionen, welche die Natur eines subjektiven Rechts besitzen, persönliche und gegenwärtige Betroffenheit in einem legitimen Interesse usw.). Daraus erklärt sich die Tendenz des Strafrichters, den Schutz der allgemeinen Interessen zu übernehmen, jener Interessen, die "wegen mangelnder Eignung des Gegenstandes, wegen ihrer Natur und wegen des Charakters der einschlägigen Regelung ... sich nicht auf das Rechtssubjekt als Individuum, sondern als Mitglied einer mehr oder weniger ausgedehnten Gemeinschaft zurückführen lassen, die im Grenzfall mit der Gesamth eit aller Staatsbürger zusammenfällt, so daß eine Vielzahl ähnlicher juristischer Lagen entsteht" 49 • Ein zweiter Grund verknüpft sich mit den Befugnissen des Strafrichters. Dieser verfügt über ein Waffenarsenal, welches es ihm gestattet, entweder gegen das rechtswidrige Verhalten des Privaten anzugehen (mißbräuchliche Grundstücksparzellierung, Bauen ohne Bauerlaubnis oder in Abweichung von der Bauerlaubnis, nicht genehmigte Abfalllagerung usw.) wie auch gegen das rechtswidrige Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Behördenbediensteten, der den Niißbrauch von seiten des Privaten gestattet oder geduldet hat. In dieser zweiten Fallgruppe wird nicht von den speziellen Rechtsvorschriften über den Umweltschutz Gebrauch gemacht, sondern von den allgemeinen Bestimmungen über die Straftaten der öffentlichen Bediensteten gegen die öffentliche Verwaltung: Berücksichtigung privater Interessen bei Amtshandlungen, allgemeiner Mißbrauch des Amtes, Unterlassung von Amtshandlungen (Art. 329, 324 und 328 Codice penale). Mit anderen Worten, der Strafrichter versteht sich einerseits als Vertreter und Hüter sozialer Interessen, die in den üblichen Verbandsformen (Parteien, Gewerkschaften, Lobbies) k einen Fürsprecher finden und sich daher zu anderen institutionellen Ausdrucksformen verlagern. Andererseits handelt er als Ersatzmacht, die bei echter oder angenommener Passivität der institutionell zum Handeln berufenen Organe, insbesondere der Gemeinden, eintritt. Auf der gleichen Linie liegt auch eine Rechtsprechung des Rechnungshofes, wonach der Vermögensschaden, über den der Rechnungshof zu erkennen befugt ist, nicht nur finanzielle Elemente (Änderung oder Störung eines Haushalts) oder Vermögenspositionen (Zerstörung, Entzug oder Beschädigung von Sachen des Staatsvermögens, Regreß wegen schadenstiftender Handlungen öffentlicher Bediensteter) umfaßt, sondern auch den Schaden, der sich aus der Verletzung allgemeinerer, die Gesamtheit aller Staatsbürger betreffender Interessen ergibt, voraus49

Cass. Sez. Un., Nr. 2207 v. 8. 5. 1978, Giust. civ. 1978, I, S. 900, mit Anm.

A. Postiglione.

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gesetzt, er lasse sich wirtschaftlich einschätzen. Im Sinne dieser Rechtsprechung ist die Zuständigkeit des Rechnungshofs zur Entscheidung über Schäden bejaht worden, welche öffentliche Bedienstete dem Nationalpark der Abruzzen durch mißbräuchliche Grundstücksparzeliierungen zugefügt haben50, oder über Schäden, welche öffentliche Bedienstete durch die Einleitung von Schmutzstoffen zum Nachteil der biologischen Schätze des Meeres, insbesondere der Fischerei, verursacht haben51 • 5. Wie dargelegt, haben nicht alle sozialen Rechte den Gehalt von Rechten oder die Natur subjektiver Rechtspositionen. Das Interesse, das diesen Rechten oder Positionen entspricht, wird oft verwirklicht und geschützt auf dem Wege einer vergleichenden Wertung, welche die widerstreitenden (öffentlichen kollektiven, privaten) Interessen einbezieht und die ihren natürlichen Schwerpunkt im Verwaltungsverfahren besitzt. Es fehlt in Italien ein allgemeines Gesetz über das Verwaltungsverfahrens2. Auf dem Gebiet des Umweltschutzes jedoch sind die für einzelne Sachbereiche vorgesehenen Verfahren (Städtebau, öffentlicher Wohnungsbau, Naturschönheiten, Enteignung) in einer Weise strukturiert, welche den betroffenen Interessen die Mitwirkung gestattet. Das gilt auch für die allgemeinen Interessen, denen auf diese Weise ein weiterer Zugang zum Rechtsschutz eröffnet wird.

V. Die sozialen Rechte sind auf der Ebene der subjektiven Rechtspositionen Ausdruck des Welfare State, des Sozialstaates oder des Fürsorgestaates. Sie können sich daher der Krise nicht entziehen, welche heute die politische Philosophie des Welfare State erfaßt hat53• Es wird hier nicht der Anspruch erhoben, global ein so komplexes Thema anzupacken. Vorgetragen seien lediglich einige Überlegungen zur spezifischen Stellung der sozialen Rechte im Bezugsfeld dieser Krise.

° Corte dei Conti, Sez. I, Nr. 39 v. 15. 5. 1973; Nr. 108 v. 20. 12. 1975.

5

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Corte dei Conti, Sez. I, Nr. 61 v. 8. 10. 1979, Foro Amministrativo 1980, I,

s. 825.

52 Wegen einer vergleichenden Würdigung der Situation in Italien und in der Bundesrepublik Deutschland vgl. die Berichte zu der am 29. 3. 1980 in Rom stattgefundenen Studientagung von F. Benvenuti, M. Nigro, G. Berti, P. Catandra, P. Badura und A. von Mutius (jetzt in: Formez, Problemi di amministrazione pubblica - L'azione amministrativa tra garanzia ed efficienza, Napoli 1981). 53 Aus dem ausgedehnten Schrifttum über das Thema sei hingewiesen auf einen Beitrag, der den Vorzug hat, sich mit der politischen Philosophie des Welfare State auseinanderzusetzen, ohne sich bei der Phänomenologie seiner Krise aufzuhalten: R. Nozick, Anarchy, State and Utopia, New York 1974

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1. Die sozialen Rechte sind historisch gesehen Rechte von Individuen mit existenziellen Merkmalen, welche ihre Träger gegenüber der G€samtheit der Bürger benachteiligen. Die historische Lage der sozialen Rechte stimmt nicht mit der theoretischen Definition überein. In dieser Hinsicht sind auch die sozialen Rechte von allgemeiner Geltung. Die Allgemeinheit eines Rechtes - so ist mit Bezug auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte gesagt worden - bedeutet nicht, daß jeder tatsächlich die entsprechende Pflicht erfüllt. Sie besagt auch nicht, daß jeder in der Lage wäre, jene Pflicht zu erfüllen. "Die Allgemeinheit setzt hingegen grundsätzlich das Recht eines jeden voraus, in angemessener Weise behandelt zu werden, wenn er ein Bedürfnis hat, und die Pflicht, im Einklang mit diesem Recht zu handeln, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, die das Handeln erfordern, und wenn er die Fähigkeit hat, sich entsprechend zu verhalten, wobei in Hinblick auf die Fähigkeit die anfallenden Kosten mitberücksichtigt werden54 . "

Wenn abstrakt gesehen die sozialen Rechte Positionen entsprechen, die potentiell jedermann einnehmen kann- nicht nur der Arme, sondern auch der arm gewordene Reiche, nicht nur der Behinderte, sondern auch der zum Invaliden gewordene Gesunde -, so werden doch in concreto die sozialen Rechte als Rechte der Ungleichheit zwischen den Bürgern geschaffen. Es sind Rechte, deren Befriedigung nach Maßgabe der Gleichheit oder besser der Angleichung gefordert wird511• In der italienischen Republik - aber dies gilt für jede westliche Gesellschaft - sind die als Rechte weniger oder vieler, aber nicht als Rechte aller entstandenen sozialen Rechte Rechte aller geworden56• Die kostenlose Heilbehandlung ist nicht mehr den "Bedürftigen" vorbehalten (Art. 32 der Verfassung), sondern ist auf alle, mit eingeschlossen die Ausländer, erstreckt worden. Die soziale Sicherheit betrifft nicht mehr nur die Arbeitnehmer, sondern tendenziell alle Bürger. Die für die Begabten und Würdigen bestimmten Vorteile des Zugangs zu den höheren Bildungseinrichtungen (Art. 34) sind heute in Reichweite selbst dessen, der weder fähig noch würdig ist. (italien. Übersetzung: Anarchia, Stato e Utopia, Firenze 1981; dt. Vbersetzung: Anarchie. Staat. Utopia, München 1976). Zur Auseinandersetzung mit dem Minimal State, von dem Nozick spricht, vgl. A. G ewirth, Reason and Morality, Chicago/London 1978, S. 290 ff. Eine Übersicht über die einschlägige englischsprachige Literatur findet sich bei M. HiU, New Insights in the Welfare State: A review Article, Policy and Politics 1980, S. 217 ff. u A. Gewirth (Fn. 53), S. 71. 55 L. Lombardi Vallauri, Corso (Fn. 4), S. 308. 56 M. S. Giannini (Fn. 1), S. 158, betrachtet die "Verallgemeinerung der Dienste zum sozialen Schutz" als die letzte Etappe in der Geschichte des Sozialstaates.

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Die ideologische Rechtfertigung dieses Prozesses wird von einem eng.., lischen Apologeten des Welfare State geliefert. "Der fundamentale historische Grund für die Annahme dieses Prinzips war das Ziel, die öffentlichen Leistungen für die gesamte Bevölkerung zugänglich zu machen, so daß keinem der Nutzer ein erniedrigender Verlust an Status, an Würde oder Selbstrespekt zugemutet wird. Es sollte bei der Benutzung einer öffentlichen Leistung keinerlei Gefühl der Unterlegenheit, der Armut, der Scham oder der Stigmatisierung vorhanden sein; keinerlei Gedanke, daß der Nutzer "eine öffentliche Last" sei oder werde. Von daher kommt es zu einer Betonung der sozialen Rechte als Rechten aller Bürger, qua verantwortliche Personen die der Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Dienstleistungen zur Befriedigung gewisser Bedürfnisse, für welche der private Markt und die Familie nicht umfassend Sorge tragen können oder wollen, zu nutzen oder nicht zu nutzen57." Es gibt vielfältige konkrete Ursachen. Die Einkommens- und Machtumverteilung, wie sie der Welfare State anstrebt, begegnet zunehmenden Schwierigkeiten der Verwirklichung in dem Maße, wie Einkommen und Macht sich verteilen, so daß die Kosten immer weitere Mittelschichten belasten, die unter dem Schutz der Gewerkschaften stehen. Der Widerstand zeigt sich nicht in der Weigerung, soziale Rechte den benachteiligten Gruppen zuzuerkennen, sondern richtet sich gegen die Forderung nach Erstreckung der Rechte auf andere Gruppen, die sich, da sie numerisch oder wirtschaftlich oder politisch stärker sind, an die Vorteile anhängen58• Von daher erklärt sich auch der häufig auftretende "soziale Regressionseffekt" einer Verallgemeinerung der öffentlichen Leistungen, die häufig die wirtschaftlich verhältnismäßig gut gestellten Kreise mehr als jene begünstigt, für welche die Maßnahmen ursprünglich konzipiert waren. Man denke z. B. an die Folgen der weitgehenden Kostenlosigkeit der höheren Bildung in Beziehung auf die (überwiegend bürgerliche) soziale Herkunft der Universitätsstudenten59• Ein zweiter und viel augenfälligerer Effekt betrifft die öffentlichen Ausgaben. Diese werden nicht nur wegen der objektiven Kosten der Leistungen aufgebläht, sondern auch wegen des internen Drucks, der von den Bediensteten in den Leistungsapparaturen ausgeübt wird, und wegen der Konsumvorbilder, von denen sich der Benutzer leiten läßt, 57

R. M. Titmuss, Commitment to Welfare, London 1968, S. 129.

R. Ktein, The Welfare State: A self-infiicted Crises?, The Political Quarterly, 1980, S. 24. Vgl. auch L. C. Thurow, The Zero Sum Society, New York 1980 (italien. übersetzung: La societä a somma zero, Bologna 1981, s. 217 ff.). 59 H. Lepage, Le ricette di Milton Friedman, Mondoperaio 1981, Nr. 4, S. 58. 58

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wobei es zur Vergeudung der kostenlos angebotenen Leistungen kommt. Eine für den Benutzer kostenlose Dienstleistung ist aber für die Gemeinschaft niemals kostenlos. Im übrigen richten sich die am meisten risikobeladenen Perspektiven auf eine andere Ebene, die man als die anthropologische bezeichnen könnte. Die Ausweitung und die Verallgemeinerung der öffentlichen Leistungen tragen - gleichzeitig als Grund und als Wirkung - zum anthropologischen Bild des Menschen als Hilfeempfängers bei, eines Menschen, der sich in einer lediglich quantitativen Dimension bewegt (Einkommen, Gesundheitsfürsorge, Freizeit); der nicht die Unsicherheit der Zukunft kennt, welche die Versicherungsphilosophie auf ein kalkuliertes und in Geld bewertbares Risiko reduziert und welche die Planungspolitik einem zu verwirklichenden Vorhaben gleichstellt; der das Bedürfnis als ein wesentliches Element der menschlichen Lage ablehnt, auf der Suche nach jener freedom from want, die den gnostischen Traum Roosevelts charakterisiert, welcher keine anderen Güter als ausschließliche Güter kennt, jene Güter, die nicht gleichzeitig von mehreren Personen in Anspruch genommen werden können, wie die Weisheit oder die Freundschaft; der radikal abhängig ist - vom Staat, von der Gemeinschaft, vom sozialen Umfeld60 • 2. Wie dargelegt, werden mit dem Ausdruck "soziale Rechte" zusammenfassend Rechtsansprüche an die öffentliche Gewalt, legitime Interessen, Ansprüche in privatrechtliehen Beziehungen, Formen einer Kontrolle über die Ausübung privater Gewalt, Staatsziele, die nicht mit Rechtsansprüchen Privater gekoppelt sind, rechtliche Institute, Gewährleistungsmechanismen und anderes bezeichnet. Der Gebrauch des Ausdrucks wäre unangemessen, wenn er nicht im Bewußtsein der Vielfältigkeit der Bedeutungen und damit der absoluten Allgemeinheit und mangelnden Technizität des Begriffs geschähe. Hier soll eine politische Überlegung über die Kategorie des sozialen Rechtes angestellt werden, genauer, eine Überlegung über die Tendenz, die Bedürfnisse, die Bestrebungen und Ansprüche auf Güter und sowohl öffentliche wie private Leistungen mit dem Mantel des sozialen Rechts zu umkleiden und, allgemeiner noch, mit dem Mantel des subjektiven Rechts. 60 Vgl. wiederum L. Lombardi VaHauri (Fn. 4), S. 297 ff. Wesentlich sind die Werke von E. Voegelin, insbes.: The New Science of Politics. An Introduction, Chicago 1962 (dt. Übersetzung: Die neue Wissenschaft der Politik. Eine Einführung, 2. Aufl. München 1965); Wissenschaft, Politik und Gnosis, 1959 (teilweise in das Italienische übertragen in: Il mito del mondo nuovo, Milano 1970, S. 21 ff.) . Gesamtüberblick bei S. A. McKnight (Hrsg.), Eric Voegelin's Search for Order in History, Baton Rouge/London 1978.

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Wenn die einzelnen Güter, Dienste oder Leistungen objektiv betrachtet werden, so erweist sich unmittelbar ihre Korrelation mit der Gesamtheit der Güter, Dienste und Leistungen, über welche die Gemeinschaft verfügt oder über die sie verfügen kann. Es ergibt sich daraus eine Begrenzung, die durch das Verhältnis zwischen den Teilen und dem Ganzen gezogen wird, wie sie auch einer Betrachtung unter dem Aspekt der verteilten Gerechtigkeit innewohnt. Wenn die gleichen Güter, Dienste und Leistungen statt dessen immer und in jedem Fall als Gegenstand von Rechten beansprucht werden, so kommt es zu einer Radikalisierung und Absolutierung der Ansprüche. Der öffentlichen Gewalt gelingt es immer weniger, solche Ansprüche auf der Grundlage eines Kriteriums der Gerechtigkeit bei der Verteilung begrenzt verfügbarer Güter zu mäßigen, abzustufen, zu dosieren, zu beschränken oder zurückzuweisen. Die Erstreckung der Logik der Freiheitsrechte auf das Gebiet des wirtschaftlichen und Sozialen trägt mit bei zur "Unregierbarkeit" der entwickelten Gesellschaften. Bei den Freiheitsrechten wird die Note der Absolutheit bestimmt und wird sie erträglich durch die Natur des Anspruchs, der sich bezieht auf eine Unterlassungsverpflichtung, nicht auf eine Verpflichtung, ein Gut oder eine Leistung zu erbringen. Der Theoretiker des Besitzindividualismus61 hat die Formel für die Quadratur des Kreises vorgeschlagen. "Der unbegrenzte Wunsch (nach Reichtum oder Macht), wie er allgemein den einzelnen kennzeichnet, kann lediglich von den Mitgliedern einer bürgerlichen Gesellschaft hochgehalten werden, die charakterisiert ist durch eine dauernde Knappheit der Güter, wo eine Lehre von den Menschenrechten, die auch eine Lehre der natürlichen Rechte ist, ein unübersteigbares Hindernis in dem systemimmanenten und permanenten Antagonismus der Menschen findet, der sich an den Widerspruch zwischen der Unbegrenztheit der Wünsche und der Knappheit der Mittel knüpft." Es gibt jedoch - so schließt MacPherson - "in der Gegenwart einen sozialen Wandel, der dieses Schema umstoßen kann. Die wirtschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Nationen, seien sie sozialistisch oder kapitalistisch, bewegen sich heute in Richtung auf eine Überflußgesellschaft statt auf eine Wirtschaft des Mangels. In dem Maße, in dem der Überfluß den Mangel ersetzt, wird die Prämisse der notwendigen Widersprüchlichkeit zunehmend unrealistischer und kann allmählich verlassen wer den. Ist dies geschehen, so wird die Perspektive einer allgemein akzeptablen Lehre von den Menschenrechten realistisch." 61 C. B. MacPherson, Democratic Theory: Essays in Retrieval, Oxford 1973 (dt. Fassung, Demokratietheorie. Beiträge zu ihrer Erneuerung, 1977), S. 236.

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Diese Worte wurden 1967 geschrieben. Was würden wir heute als realistischer betrachten? Das Wunschbild des Überflusses oder die "alte" Prämisse der Knappheit der Güter und der Unbegrenztheit der Wünsche?

Die Zentralbank im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland* Von Reiner Schmidt, Augsburg I.

Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank kann heute auf den ersten Blick als weitgehend geklärt gelten. Zu den umfangreichen Monographien\ Aufsätzen2 und Kommentierungens aus juristischer

* Bundesbankpräsident i. R. Dr. 0. Emminger hat mein Manuskript kritisch durchgesehen. Ich schulde ihm für Anregungen, Ergänzungen und Korrekturen großen Dank. Bestehenbleibende divergierende Einschätzungen erklären sich aus der Komplexität der Materie, aus dem unterschiedlichen Blickwinkel und nicht zuletzt aus der Vielfalt der menschlichen Natur. Für klärende Gespräche stand mir Bundesbankdirektor H. Stenge! zur Verfügung; auch ihm habe ich zu danken. 1 Vgl. u. a. die Arbeiten von G . Berger, Bundesbank und Stabilitätsgesetz, 1977; K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktioneller Unabhängigkeit und politischer Autonomie, 1979; H . Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, 1969; C. A. Gaugenri eder, Die rechtliche Stellung der Deutschen Zentralnotenbank im Staatsgefüge in Geschichte und Gegenwart, Diss. Würzburg 1961; K. Irrgang, Die Rechtsnatur der Deutschen Bundesbank, Diss. Köln 1969; 0. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank. Eine verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Untersuchung, 2. Aufl. 1971; C .-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, 1967; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, 1968. Besonders hervorzuheben ist die monographieartige Bearbeitung von K. Stern (Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S . 463 - 508), mit der die bisherige Diskussion zusammengeiaßt und fortgeführt wird. 2 A. Hüttl, Die Stellung der deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge - zum gleichnamigen Buch von C.-Th. Samm -, DVBL 1972, S. 64 ff.; G. Prost, Die Deutsche Bundesbank im Spannungsbereich anderer unabhängiger Organe und Institutionen, in: Festschrift H . Rittershausen, 1968, S. 110 ff.; ders., Die Unabhängigkeitsfrage, der zentrale und neuralgische Punkt der n eueren Deutschen Notenbankgesetzgebung, österr. B ank-Archiv, 22. Jg., 1974, S. 259 ff.; ders., Rechtliche Betrachtungen zum lOGjährigen Besteh en des Deutschen Zentralbankwesens, JZ 1976, S. 263 ff.; Reiner Schmidt, Grundlagen und Grenzen der Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, in : Festschrift P. J. Zepos, Bd. 2, 1973, S . 655 ff.; 0.-E. Starke, Verfassungswidrigkeit der Aufgabenstellung der Bundesbank? Faktische Grenzen der Normierbarkeit währungskolitiseher Maßnahmen, in: Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht (WM Teil 4), 1977, S. 3 ff.; C. Wagenhöfer, Der Föderalismus und die Notenbankverfassung, in: Festschrift H. Ehard, 1957, S. 97 ff. 3 Vgl. insbesondere die Kommentierungen von H. Beck, Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 20. Juli 1957, Kommentar, 1959; J. v. Spi ndler I W. Becker I 0.-E. Starke, Die Deutsche Bundesbank, Grundzüge des Notenbank-

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Sicht, zu den grundsätzlichen höchstrichterlichen Urteilen4 kommen wirtschaftswissenschaftliches und politologische6 Arbeiten, gesellen sich Stellungnahmen der unmittelbar Betrofienen 7 und journalistische Äußerungen in Wort8 , Ton und Bild. Spätestens seit Komad Adenauers bewesens und Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, 4. Auf!. 1973, und die Kommentierung von D. Wilke in: v. Mangoldt I Klein, Das Banner Grundgesetz, Bd. III, 2. Auf!. 1974, Art. 88 GG. 4 Vgl. insbesondere BVerfGE 14, S. 197 ff.; BVerwGE 41, S. 334 ff. 5 Vgl. u. a. die Monographien von H.-J. Arndt, Politik und Sachverstand im Kreditwährungswesen, 1963; R. Caesar, Der Handlungsspielraum von Notenbanken, Kölner Habilitationsschrift, 1979; D. Duwendag (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bundesbank, 1973; W. Engels, Notenbanktechnik, Instrumente und Verfahren der monetären Stabilitätspolitik, 1979; 0. Hahn, Die Währungsbanken der Welt, 2 Bände, 1968; H. Rittershausen, Die Zentralnot enbank, 1962; F . W. v. ScheUing, Die Bundesbank in der Inflation, 1975. - Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Aufsatzliteratur vgl. H.-J. Arndt, Von der politischen zur plangebundenen Autonomie - Die Bundesbank in der parlamentarischen Demokratie -,in : Duwendag, a.a.O.; R . Caesar, D ie Unabhängigkeit der Notenbank im demokratischen Staat, ZfP 1980, S. 347 ff.; 0 . Issing, Die Unabhängigkeit der Bundesbank. Bemerkungen zur geplanten Novellierung des Bundesbankgesetzes, in: Festschrift F. Voigt, 1975, S. 365 ff.; A. Oberhauser, Die Zentralbank als Geschäftsbank des Staates, FinArch., Bd. 28 (1969), S. 377 ff.; 0. Pfieiderer, Die Notenbank im Spannungsfeld von Wirtschafts- und Finanzpolitik, in: Festgabe G. v. E ynern, 1967, S. 563 ff.; ders., Die Notenbank im System der wirtschaftspolitischen Steuerung, in: J. H. Kaiser (Hrsg.), Planung III, 1968, S . 409 ff. 6 Vgl. F. W . Dörge IR. Mairose, Die Bundesbank- Eine Nebenregierung?, in: Gegenwartskunde 1969, S. 91 ff., 211 ff.; H. Müller, Die Zentralbank Eine Nebenregierung, 1973; R. Robert, Die Unabhängigkeit der Bundesbank, 1978; R. Wildenmann, Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und der Deutschen Bundesbank in der politischen Willensbildung, 1969. 7 Vgl. aus der jüngsten Zeit u. a. 0. Emminger, Verteidigung der DM, 1980; ders., Die Geldpolitik der Bundesbank, Das Parlament v. 23. 9. 1973, S. 7; ders., Ehe es zu spät ist, Die Zeit v. 30. 3. 1979, S. 19; ders., Dollar-Interventionen und Geldpolitik, FAZ v. 4. 4. 1978, S. 13; K. Klasen, Die Bundesbank ist unabhängig, aber nicht ungefährdet, Rheinischer Merkur v. 12. 5. 1978, S. 4; L. Müller, Die Notenbank und die Kreditinstitute, ZfgK 1980, S. 856 ff.; 0. Pöhl, Die Bundesbankpolitik am Jahresende 1980, Die Bank 1980, S . 546 ff.; ders., So schwierig wie das Abkochen deutscher U-Boote, Handelsblatt v . 23. 10. 1978, S . 10; J. Tüngeler, Ist der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank zu groß? FAZ v. 2. 2. 1980, S. 12; H. Wertz, Größere Aktivität am offenen Markt scheitert an den Voraussetzungen, Handelsblatt, Beilage "Banken International", v. 26. 3. 1979, S. 20. 8 Vgl. aus der jüngsten Zeit H. D. Barbier, Bonn tut der Bundesbank unr edlt, Süddeutsche Zeitung v. 23. 1. 1979, S. 8; C. D ertinger, Ohne die mindeste Reserve, Die Welt v. 20. 1. 1979, S. 6; R. H erlt, "Ein Judas unter uns", Die Zeit v. 22. 2. 1980, S. 21; J . J. Jeske, Bundes-Banken sterben nicht, FAZ v. 6. 7. 1979, S. 11; W. Kannengießer, Der Kanzler und die Bundesbank, F AZ v. 21. 4. 1981, S.1; W. Schickling, Bleibt die Mark Währungsstar? Rheinischer Merkur v. 29. 12. 1978, S. 18; W. Seuß, Das Geldmengenwachstum jetzt stabilisieren, FAZ v. 2. 11. 1979, S. 13; ders., Zu einer Neuorganisation gibt es keinen zwingenden Grund, FAZ v . 2. 2. 1980, S. 12; H. Stadlmann, Emmingers Mahnung, FAZ v. 3. 4. 1979, S. 11; K. Vater, Mit Hebelkraft und T atendurst, Vorwärt s v . 5. 4. 1979, S. 20; D. Zwätz, Die stolze Festung in Frankfurt, Deutsche Zeitung v. 29. 9. 1978, S. 7; ders., Mit stumpfen Waffen, Deutsche Zeitung v. 27. 10. 1978, s. 7.

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rühmt-berüchtigter Rede im Kölner Gürzenich9 bis zum jüngsten Versuch von Bundeskanzler Helmut Schmidt, in deutsch-französischer Bruderschaft mit einer 6,3-Milliarden-Anleihe die Auswirkungen der Hochzinspolitik der Bundesbank abzumildern10 , hatte sie prominente und potente 11 Gegnerschaft zu bewältigen. Wenn ihr dies bisher unbeschadet gelang, dann heißt dies nicht, daß ihre Lage ungefährdet ist. Grundlegend veränderte Rahmenbedingungen könnten den Druck auf die Bundesbank verstärken. Auch macht der sich wandelnde wirtschaftsund politikwissenschaftliche Forschungsstand ihre ständig neue rechtliche Standortbestimmung erforderlich. Der tatsächliche Handlungsspielraum der Bundesbank wird nämlich im wesentlichen von ökonomischen und politischen Gegebenheiten bestimmt, ohne deren Berücksichtigung eine juristische Betrachtung substanzlos bliebe. Von besonderer Bedeutung wird es deshalb sein, ob die Sicherung der Währung als soziale Aufgabe erkannt und anerkannt wird. Die augenblickliche öffentliche Diskussion um die Bundesbank, der man eine Mitschuld an der Arbeitslosigkeit anlasten will, spricht allerdings nicht dafür, daß die unsoziale Wirkung der Inflation und der Zusammenhang zwischen Währungsstabilität und Vollbeschäftigung ausreichend bekannt sind.

II. 1. Nach Art. 88 GG errichtet der Bund eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Nach heute überwiegender Meinung wird mit dieser knappen Verfassungsbestimmung nicht die Unabhängigkeit der Bundesbank garantiertl 2• Mit herkömmlichen Interpretationsmethoden jedenfalls läßt sich ein verfassungsfester autonomer Bereich der Bundesbank nicht begründen13 ; weder Wortlaut, Sinn und Zweck, noch die

Vgl. FAZ v. 30. 5. 1956, S. 7. Zwar kann mit einem Betrag von 6,3 Milliarden wohl kaum die Politik der Bundesbank "unterlaufen" werden, wie einige Pressestimmen vermuten, vgl. FAZ v. 13. 4. 1981, S. 13; W. Seuß, Der Zorn des Kanzlers, FAZ v. 15. 4. 1981, S. 13, und W. Kannengießer, Der Kanzler und die Bundesbank, FAZ v. 21. 4. 1981, S. 1. Bedenklicher erscheint mir vielmehr die zusätzliche Erhöhung der öffentlichen Auslandsverschuldung. 11 Hierzu sind insbesondere führende Wirtschaftspolitiker der SPD zu rechnen (Wolfgang Roth hat jüngst die Notenbank einen Krisenfaktor ersten Ranges genannt, vgl. E. G. V etter, Worte weisen den Weg, FAZ v. 31. 3. 1981, S. 1), die Gewerkschaften (H. Adam, Brauchen wir eine neue Wirtschaftspolitik?, 1977; D. B. Simmert, Reform der Geldpolitik-Konsequenzen für die Tarifpartner, in: WSI-Mitteilungen, 1974, S. 47 ff.; weitere Nachweise bei R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 220 Fn. 2 1.md gelegentlich auch die Banken (vgl. "Banken- Schelte", SZ v. 25. 3. 1981, S. 33). 12 Vgl. insbes. die Darstellung der Meinungen in BVerwGE 41 , S. 334 ff. (354 ff.) und K. Stern (Fn. 1), S. 493 ff. 13 Vgl. Reiner Schmidt (Fn. 2), S. 666 ff. 9

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Systematik des Art. 88 GG oder gar das "vorkonstitutionelle Gesamtbild"14 geben für das gewünschte Ergebnis genügend Anhaltspunkte. Allen Autoren, welche die Unabhängigkeit der Bundesbank als verfassungskräftig abgesichert sehen, ist gemeinsam, daß sie nur einer unabhängigen Währungs- und Notenbank Funktionsfähigkeit zubilligen und damit die Autonomie in den Wortlaut, in Sinn und Zweck des Art. 88 GG hineinlesen15 • Die behauptete unauflösliche Verbindung von Unabhängigkeit und währungspolitischer Leistungskraft besteht aber, wie bereits ein Blick auf die Rechtsstellung der Zentralbanken im europäischen und außereuropäischen Ausland zeigtl6 , sicherlich nicht. Weltweit ist die Aufgabe der Währungssicherung und der Notenausgabe in unterschiedlicher Ausprägung zwischen der Notenbank, der Regierung und anderen Hoheitsträgern in wechselseitigen Abhängigkeiten verteilt. Die Unabhängigkeit der Notenbank kann also nicht zu deren Essentialien gerechnet werden. Ebensowenig wie Wortlaut und Zweck geben Systematik17 und die wechselhafte Entstehungsgeschichte d er Notenbank, die nur von 1924-1937 unabhängig war, Argumente für deren verfassungsrechtlich abgesicherte Unabhängigkeit1 8 her. Sicherlich zeigt die Erfahrung, daß unabhängige Notenbanken zur Währungssicherung besonders geeignet sind19• Eine Verfassungsinterpretation, die verfas-sungspolitisch Wünschenswertes als Verfassungsbestand ausgibt, verwischt jedoch die Konturen. Eine unabhängige Bundesbank könnte zwar durchaus als Teil eines weiterentwickelten G ewaltenteilungssystems verstanden werden20 • Dies ist jedoch kein Argument gegen die herrschende Lehre von der nur einfachgesetzlich vorgesehenen Autonomie2t, sondern ledigLich die Offenlegung eines bestimmten Vorverständnisses bzw. eines verfassungspolitischen Postulats. Vergleicht man den weitaus ergiebigeren Wortlaut des Art. 114 GG, welcher die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs garantiert, mit Art. 88 GG, dann bestätigt dies zusätzlich22 , daß sich mit der Verfassung nicht für die Unabhängigkeit der Bundesbank streiten läßt. 14 Zur Problematik dieser Denkfigur vgl. L. Gramlich, Abschied vom "vorverfassungsmäßigen Gesamtbild", DVBL 1980, S. 531 ff.; vgl. andererseits 0 .-E. Starke (WM 1957, S. 85 ff., u. DÖV 1957, S . 608 f.); C.-Th. Samm (Fn. 1), S. 186; D. Uhlenbruck (Fn. 1), S. 50, u. C. A. Gaugemieder (Fn. 1), S. 98. 1s C.-Th. Samm (Fn. 1), S. 180 f ., 186; D. Uhlenbruck (Fn. 1), S. 50; weit. Nachw. bei K. Stern (Fn. 1), S. 494. 16 Vgl. 0. Hahn (Fn. 5), Bd. 2, passim ; 0. V ei t, Grundriß der Währungspolitik, 3. Aufl., 1969, S. 191 ff. 11 Vgl. Reiner Schmidt (Fn. 2), S. 669. 1s Vgl. H. J. Arndt (Fn. 5), S . 100 ff.; K. Stern (Fn. 1), S. 465 ff. 19 Sou. a. 0. Hahn (Fn. 5), Bd. 2, S. 36. 20 Vgl. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, S. 367. 21 So aber H. H. v. Arnim, a .a.O. 22 Ahnlieh K . Stern (Fn. 1), S . 494 f.

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Das verfassungsrechtliche Grundproblem verschiebt sich deshalb auf die Frage, ob die der Bundesbank einfachgesetzlich eingeräumte Unabhängigkeit vom Grundgesetz erlaubt wird. Eine Beantwortung ist nur nach Sichtung und Wertung des einschlägigen Normbestandes möglich, da für Aufgaben von politischer Tragweite sogenannte regierungsfreie Räume grundsätzlich unzulässig sind23 • 2. Die Bundesbank ist gemäß § 2 BBankG bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Der Bund hat deshalb, ohne daß

dies ausdrücklich vom Gesetzgeber klargestellt werden mußte, gegenüber der Bundesbank Einstandspflichten24 • Die Wahl einer eigenen Rechtspersönlichkeit für die Bundesbank durch den Gesetzgeber sichert dieser größere Unabhängigkeit, als dies durch Einrichtung einer Bundesverwaltungsbehörde gewährleistet wäre. Zentralbankrat und Direktorium der Bundesbank haben nur "die Stellung" von obersten Bundesbehörden (§ 29 I BBankG); die Bundesbank ist eher einem Regierungsorgan als einer Verwaltungsbehörde vergleichbar25 • Der Gesetzgeber hat die Frage offen gelassen, ob die Bundesbank Körperschaft oder Anstalt ist. Wegen des Fehlens von Mitgliedern nimmt die h. M. zu Recht Anstaltscharakter an26. Für unseren Zusammenhang ist vor allem von Interesse, ob daraus eine allgemeine Staatsaufsicht über die Bundesbank folgt. Während einige Autoren dies als selbstverständlich voraussetzen27, kann dies aus rechtsstaatliehen Erwägungen nicht bejaht werden. Die erforderliche und in Betracht kommende Rechtsgrundlage ist das BBankG selbst, das in den§§ 13 und 34 S. 2 nur "Rudimente einer Aufsicht" 28 enthält. 3. Die Bundesbank, vielfach als "Hüterin der Währung" 29 apostrophiert, als "Vierte Gewalt" akzeptiert30, in die Nähe des Bundesverfassungsgerichts gerückt31 oder mit Mühe nur in die Exekutive eingegliedert32, verfügt zweifellos im internationalen Vergleich über einen beträchtlichen Grad an Unabhängigkeit von der Regierung33• Dies ist So BVerfGE 9, S. 268 ff. (S. 282); vgl. auch BVerfGE 22, S. 106 ff. Vgl. J. v. Spindler I W. Becker I 0.-E. Starke (Fn. 3), S. 186. 25 So K. Stern (Fn. 1), S . 469. 26 Vgl. D. Wilke (Fn. 3), S. 2418 Fn. 130, m. w. N.; H. J. Wolf! I 0. Bachof, Verwaltungsrecht li, 4. Aufl. 1976, S. 367 und K. Stern (Fn. 1), S. 471. 27 Sou. a. H. J. Wolf! I 0. Bachof (Fn. 26), S. 367, unter unzutreffender Berufung auf das BVerwG. 2s So richtig K. Stern (Fn. 1), S. 471. 29 So J. v. SpindleT I W. Becker I 0.-E. Starke (Fn. 3), S. 169. so So C.-Th. Samm (Fn. 1), S. 122 ff. 31 v . Arnim (Fn. 20), S. 358. 32 Vgl. den Versuch von K. Stern (Fn. 1), S. 468 ff. 33 Vgl. u. a. H. Ritterhausen (Fn. 5), S. 31, und W. Hankel, Währungspolitik: Weniger Dirigismus durch mehr Ordnungspolitik, ZfgK, 1970, S. 22 f. 23

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nicht zuletzt Folge der unklaren gesetzgebensehen Fassung der Aufgabe der Bank und ihres Verhältnisses zur Bundesregierung. Nach § 12 I 2 BBankG ist die Bank bei Ausübung der Befugnisse, die ihr nach dem Gesetz zustehen, unabhängig. Andererseits ist sie verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen, dies aber nur unter dem Vorbehalt der Wahrung ihrer Aufgabe (§ 12 I 1 BBankG). Die Aufgabe der Bundesbank (Regulierung des Geldumlaufs und der Kreditversorgung der Wirtschaft; bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs) wiederum wird in § 3 BBankG auf das Ziel "die Währung zu sichern" ausgerichtet. Das Verhältnis der beiden Bestimmungen hat zu zahlreichen Interpretationen angeregt34, die zumeist mit der Erkenntnis enden, daß es der Bundesbank überlassen bleibe, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Gefolgschaftspflicht nach§ 12 I BBankG erfüllt sind oder nicht. Die Bundesbank selbst nimmt jedenfalls einen entsprechenden Ermessensspielraum für sich in Anspruch35 • Da unter allgemeiner Wirtschaftspolitik nur die Grundlinie der Wirtschaftspolitik, nicht jede einzelne Maßnahme zu verstehen ist 36, und da sich die Bundesbank darauf berufen kann, mit dem gesetzlichen Auftrag der Währungssicherung die Preisstabilisierung als vorrangiges Ziel verfolgen zu müssen37 , verbleibt ihr ein weitgehend unbegrenzter Handlungsspielraum, der auch durch die Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht des § 1 StabG kaum eingeengt wird. Es ist heute zwar weitgehend unbestritten, daß die Bundesbank zu den bundesunmittelbaren Anstalten des öffentlichen Rechts gehört, die über § 13 III StabG auf das sogenannte magische Viereck ausgerichtet werden38, und gewiß kann hierin eine Abschwächung - nicht jedoch eine Beseitigung - der im BBankG getroffenen Zielpriorität gesehen werden39. Aber einmal ist § 13 III StabG nur eine Sollvorschrift40 , zum Vgl. u. a. C.-Th. Samm (Fn. 1), S. 30 ff.; D. Uhlenbruck (Fn. 1), S. 57 ff.; Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, August 1972, S. 15-17. 36 Vgl. Reiner Schmidt (Fn. 2), S. 673. 37 Vgl. u. a. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drucks. III2781 v. 18. 10. 1956, Anlage 1, S. 23 f.; K. Braun, Die Stellung der Notenbank als währungspolitische Instanz. Das Verhältnis zwischen Regierung und Notenbank in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, Diss. Tübingen 1969, S. 15 ff.; 0. Lampe (Fn. 1), S. 84; D. Tiegel, Staat und Notenbank. Probleme ihrer wirtschaftspolitischen Kooperation, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 411 ff. (S. 433 f.); H. H. v. Arnim (Fn. 20), S. 356; W. P. Hoffmann, Rechtsfragen der Währungsparität, 34

35

1969,

s. 220.

ss Vgl. K. Stern, in: Stern I Münch I Hansmeyer, Kommentar zum StabG, 2. Aufl. 1972, § 13, II, Anm. 4; A. Möller, Kommentar zum StabG, 2. Aufl., 1969, § 13 RN 6; unklar J. v. Spindler I W. Becker I 0 .-E. Starke (Fn. 3), S. 258 f. 89 So H. Faber (Fn. 1), S. 42 f.; W. P. Hoffmann (Fn. 37), S. 220 f.; A . Möller

(Fn. 38), S. 193. 4° So insbes. K. Stern (Fn. 1), S. 481.

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anderen ist das BBankG die speziellere Bestimmung41 ; vor allem aber ist ein aus der Verrechtlichung wirtschaftspolitischer Ziele in § 1 StabG für die Bundesbank entstehender Freiraum bisher noch immer zu wenig berücksichtigt worden 42 . Mißachtet nämlich der Bund bei seinen wirtschafts- oder finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, dann endet die Gefolgschaftspflicht der Bundesbank gegenüber etwaigen Weisungen der Bundesregierung sogar im Bereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik, oder anders: im Konflikt hätte die Bundesbank die Möglichkeit, ihre Unterstützungspflicht mit dem Hinweis auf einen Gesetzesverstoß (§ 1 StabG) der Bundesregierung zu versagen. Im Normalfall wird wegen der Ungesichertheit der Materie nämlich seitens der Bundesbank immer mit einer Gefährdung der Stabilität des Preisniveaus zu argumentieren sein43. Da der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet hat44, den Konflikt zu regeln, wäre notfalls nur das Parlament durch eine Neufassung der§§ 3 und 12 BBankG in der Lage - ein einfacher Parlamentsbeschluß wäre nicht ausreichend - die Bundesbank auf die Linie der Bundesregierung festzulegen. Weitere Kontrollen versagen weitgehend. Dies gilt auch für die öffentliche Meinung, weil diese durch die unausweichlich schwierigen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge überfordert ist; außerdem stehen ihr keine SanktionsmögLichkeiten zur Verfügung 45 . Selbst die Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte ist fast wirkungslos. Der Verwaltungsrechtsweg46 wird nämlich nur bei ganz eklatanten Verstößen erfolgversprechend sein, da die vom Gesetzgeber bereitgestellten Kontrollmaßstäbe - der Materie durchaus angepaßt - unbestimmt bleiben müssen47 • Solange also die Einrichtung eines Schiedsgerichts nach österreichischem Vorbild48 oder die eines Vermittlungsausschusses zwischen Bundesbank und Bundesregierung49 fehlt, wird der Konfliktsfall politisch entschieden werden müssen5°. Eine Betrachtung der wesentlichen Normen zur Regelung des Verhältnisses von Bundesbank und Bundesregierung bestätigt also die So auch K. Stern (Fn. 1), S . 481, m. w. N. in Fn. 69. Vgl. schon Reiner Schmidt (Fn. 2), S . 674. 43 Dieser Gesichtspunkt, der von mir im Jahr 1973 vorgetragen wurde (vgl. Reiner Schmidt [Fn. 2], S. 674), wird von R. Caesar (Handlungsspielraum [Fn. 5], S. 180 Anm. 4) übergangen, wenn er meint, ich sähe im StabG nur eine Abschwächung der Zielpriorität des BBankG. 44 Vgl. zu BT-Drucks. II/3603, S. 5. 45 Vgl. aber zu BT-Drucks. II/3603, S. 5. 46 Der Verfassungsrechtsweg scheidet aus, weil die Bundesbank kein Verfassungsorgan ist; vgl. zutreffend K. Stern (Fn. 1), S. 467 f. 47 Ähnlich K. Stern (Fn. 1), S . 503. 48 Vgl. § 41 III und §§ 45, 46 NationalBanke v. 8. 9. 1955 (Österreichisches BGBl. v. 23. 9. 1955, 49. Stück, Nr. 184). 49 So der Vorschlag von 0.-E. Starke (Fn. 2), S. 6 u. dort Fn. 47. so So auch K. Stern (Fn. 1), S . 503. 41

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zahlreich geäußerten Meinungen von der weitgehenden Unabhängigkeit auch nach Erlaß des StabG51 und auch nach den Versuchen, der Bundesbank eine nur "planbeschränkte Autonomie" 52 zuzugestehen. 4. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Bundesbank in ein System horizontaler Koordination eingeflochten ist, das zwar keine allzu rigiden juristischen Bindungen beinhaltet, aber faktisch doch wirksam ist, weil die Bundesbank, selbst in ihrem ureigenen Bereich der Währungssicherung nur einer von mehreren Akteuren, auf die Zu..: sammenarbeit insbesondere mit der Bundesregierung angewiesen ist. So fällt beispielsweise ein für die Währungssicherung so wesentliches Datum wie die Paritätsfestsetzung in die Kompetenz der Bundesregierung53. Für die Koordination stellt der Gesetzgeber in § 13 einige Regeln zur Verfügung: die Bundesbank hat gegenüber der Bundesregierung Beratungs- und Auskunftspflichten; die Bundesregierung soll den Bundesbankpräsidenten zu währungspolitisch bedeutsamen Beratungen hinzuziehen. Die Mitglieder der Bundesregierung können an den Sitzungen des Zentralbankrats teilnehmen und Anträge stellen. Von dem Recht der Bundesregierung, die Aussetzung der Beschlußfassung bis zu zwei Wochen zu verlangen (§ 13 li 3 BBankG), ist bisher, soweit bekannt, noch nie Gebrauch gemacht worden54• Hinzu kommt das gesetzlich geregelte Teilnahmerecht der Bundesbank an Sitzungen von Konjunkturrat (§ 18 IV StabG) und F,inanzplanungsrat (§ 51 I HGrG) sowie die außergesetzlich zugestandene Beteiligung an der inzwischen allerdings weitgehend lahmgelegten konzertierten Aktion(§ 3 StabG) 55 • Schließlich sind eine Reihe von Genehmigungsvorbehalten und weitere Kooperationsverpflichtungen zu erwähnen, die auf die Mitverantwortung der Bundesregierung hinweisen, und in denen sogar Rudimente einer Aufsicht über die Bundesbank gesehen werden 56• Die in ihrer Bedeutung gelegentlich unterschätzten Koordinationsbestimmungen können bei Vgl. etwa A. Möller (Fn. 38), § 13 RN 6. Dies ist insbes. das Anliegen von H. Faber (Fn. 1), S. 27 ff., der das Geldwesen unter Berufung auf H. J. Arndt "voll durchdemokratisieren" (S. 72) will. Das zugrundeliegende Demokratieverständnis wird heute in der Staatsrechtslehre zu Recht nicht mehr ernsthaft diskutiert. 53 Nachweise bei Reiner Schmidt (Fn. 2), S. 675 mit Fn. 92. 54 Vgl. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 200. 55 An der konzertierten Aktion nimmt die Bundesbank seit Mitte 1968 teil. Die konzertierte Aktion, ein wirtschaftspolitisches Instrument, dem die Schöpfer des StabG zumindest eine wichtige Ergänzungsfunktion zugedacht hatten, ist von den Gewerkschaften im Sommer 1977 blockiert worden und seitdem nicht wieder richtig in Gang gekommen. 56 Eine Auflistung von Befugnissen der Bundesregierung im Bereich der Währungspolitik findet sich bei J. v. Spindler I W. Becker I 0.-E. Starke (Fn. 3), S. 257 f. 51

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gegenläufigem Kurs von Bundesbank und Bundesregierung Wirkung entfalten, solange sich die öffentliche Meinung engagiert. Die Frage, ob für die 6,3-Milliarden-Anleihe des Bundes das "Benehmen" mit der Bundesbank gemäß § 20 II BBankG herzustellen ist, hat deshalb für die Beziehung von Bundesregierung und Bundesbank durchaus Brisanz57. 5. Auch die personelle Ausstattung der Organe der Bundesbank zeigt deren Abhängigkeit von staatlichen Instanzen. Die Mitglieder des Zentralbankrats, des obersten währungspolitischen Gremiums, das sich aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, bis zu acht weiteren Mitgliedern und den Präsidenten der Landeszentralbanken zusammensetzt (§§ 6 und 7 BBankG), werden nämlich von der Bundesregierung bzw. vom Bundesrat vorgeschlagen. Die Amtszeitregelung (normalerweise acht Jahre, §§ 7 III 3, 8 IV 4 BBankG), das Erfordernis einer "besonderen fachlichen Eignung" (§§ 7 II 2, 8 III 3 BBankG) wie die Pflicht zur Anhörung des Zentralbankrats (§§ 7 III 2, 8 IV 2 BBankG) sollen zwar einer Politisierung der Bundesbank entgegenwirken. Der vielberufene "Pluralismus der Ernennungsinstanzen" 58 und das bankintern geltende Kollegialprinzip (§§ 6 III, 7 V BBankG) sind aber kaum geeignet, die Unabhängigkeit der Bundesbank im Krisenfall so zu sichern, wie dies etwa für den Bundesrechnungshof59 gilt. Setzt man die normative Ausgestaltung der Unabhängigkeit der Bundesbank im Funktionellen in Vergleich zu deren Absicherung im Personellen, dann zeigt sich eine Inkongruenz: von Autonomie kann im personellen Bereich kaum die Rede sein; sie wäre beispielsweise durch großzügige Kooptationsmöglichkeiten institutionalisierbar.

6. Das der Bundesbank im BBankG zur Verfügung gestellte Instrumentarium ist geldpolitisch ausgerichtet. Bei Untersuchung der Frage, welches Gewicht der Bundesbank bei Wahrnehmung ihrer Aufgabe im Vergleich zu anderen wirtschaftspolitischen Akteuren zukommt, stößt eine normative, auf die Instrumente abstellende Betrachtung an ihre Grenzen, da es im wesentlichen auf die Wirkung der eingesetzten Instrumente ankommt. Trotzdem soll aus methodologischen Gründen zunächst eine normbezogene Betrachtung im Vordergrund stehen. Mit der Aussage des BVerfG, die Bundesbank nehme "eine Schlüsselstellung im Kreditapparat der Bundesrepublik, eine beherrschende Stellung an der Spitze der Geld- und Kreditwirtschaft" ein60 , ist noch nicht viel gewonnen, weil es auf das Verhältnis zu dem ebenfalls Wirtschaftspolitik beVgl. FAZ v. 24. 4. 1981, S. 13. Vgl. K. Stern (Fn. 1), S. 490 m. w. N. in Fn. 105. 59 Vgl. Art. 114 II GG und das Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. 11. 1950 (BGBl. S. 765). 60 BVerfGE 14, S. 197 ff. (S. 212, 217). 57 58

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treibenden Bund, vor allem also auf die Bundesregierung, auf den Bundesgesetzgeber, aber auch auf die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Träger ankommt. Die Bundesbank als Währungsbank sollte alle Befugnisse erhalten, "die nach der modernen Währungswissenschaft und -praxis für die Manipulierung der Geldmenge geeignet und erforderlich sind" 61 • Das zur Verfügung gestellte Instrumentarium wurde deshalb so reichlich bemessen, daß Ergänzungen kaum erforderlich wurden~ 2 • Der Bundesbank steht "von der Leuchtpistole der Diskontpolitik über das Florett der Offenmarktpolitik bis zum schweren Säbel der Mindestreservepolitik" 63 ein großes Waffenarsenal zur Verfügung. Hinzu kam in den Jahren 1971- 1974 das sogenannte Bardepot64, d. h. die Verpflichtung von Nichtbanken zur Unterhaltung zinsloser Einlagen bei der Bundesbank im Fall von Kapitalimporten. Hier allerdings war die Bundesbank nur für die Festlegung der jeweiligen Prozentsätze im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen zuständig65 • Bezeichnenderweise sind der Bundesbank nur global wirkende Maßnahmen, die allerdings gelegentlich auch selektiv eingesetzt werden könnten, zugestanden worden - offensichtlich, weil diese weniger "politisch" wirken. Diese Grundeinstellung zeigte sich insbesondere bei der Diskussion um die Erweiterung der Befugnisse durch die Kreditplafondierung, also die direkte Kontingentierung von Krediten, und um die Aktiv-Zuwachsreserve, die der Bundesbank nicht zugestanden wurden66 • Die vorgesehene Einbeziehung der Bundesregierung (Ermächtigung durch die Bundesregierung bzw. Zustimmung des Bundesfinanzministers) in den Entscheidungsprozeß67 zeigt, daß einer Ausweitung 61 Begründung der BReg. zum Entw. eines Ges. über die Deutsche Bundesbank, BT-Drucks. 11/2781, Anl. 1, S. 27. Allerdings wären durchaus weitergehende Befugnisse etwa wie die der englischen, der amerikanischen und der italienischen Notenbank denkbar. Im Jahr 1972 hatte die Bundesbank Vorschläge zur Verbesserung und Erweiterung ihres Instrumentariums (hauptsächlich der Mindestreservebestimmungen) vorgelegt, um ihrer Interventionsverpflichtung nach dem Fixkurssystem von Bretton-Woods besser nachkommen zu können. Der Übergang zum Floaten im März 1973 machte die weitere Verfolgung dieser Pläne überflüssig. 62 So auch R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 186. 63 So H. Henckel, Das Geld, die Banken und der Staat, ZfgK 1958, S. 830. 64 Vgl. § 6 a I AWG (eingefügt durch Ges. v. 23. 12. 1971, BGBl. I, S. 2142, in das AWG v. 28. 4. 1961, BGBl. I, S. 481), zuletzt geändert durch Ges. v. 23. 2. 1973, BGBl. I, S. 109. 65 Vgl. AWVO in der Bek. v. 31. 8. 1973 (BGBl. I, S. 1096), § 69 a II; das Einvernehmenserfordernis stellt eine neue Anwendung der Zwei-SchlüsselTheorie dar, vgl. K. v. Bonin (Fn. 1), S. 180 f.; P.-H. Huppertz, Gewaltenteilung und antizyklische Finanzpolitik, 1977, S. 78 f.; s. auch R. Robert (Fn. 6), s. 140 f. 66 Vgl. 0. Issing (Fn. 5), S. 365 ff. (S. 366 ff.), u. R. Robert (Fn. 6), S. 105 ff. 67 Vgl. R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 190, dort Fn. 5.

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der Befugnisse der Bundesbank politische Grenzen gesetzt sind; Grenzen, die auch im Bereich der äußeren Währungssicherung deutlich werden: hier kommt der Bundesregierung das Recht der Paritätsfestsetzung zu, wobei die Bundesbank nur ein Anhörungsrecht hat68 • Der Bundesbank ist es zwar immer wieder gelungen, durch Einfallsreichtum Beschränkungen bei Wahrung ihrer Aufgabe zu lockern; dies gilt beispielsweise für den Ausbau der Mindestreservepolitik zum Instrument der binnenwirtschaftlich orientierten Geldpolitik und der äußeren Währungspolitik, wie für die Entwicklung der Swapsatzpolitik69 und schließlich auch für den Einsatz der moral suasion70• Über die Grenzen der Geldpolitik kommt sie jedoch nicht hinaus. Es besteht nämlich keine Obergrenze für die Gesamtverschuldung des Staates. Die Höchstgrenze des § 20 BBankG für Kassenkredite an Bund, Länder und Sondervermögen des Bundes ist nicht geeignet, um den Haushaltsgesetzgeber an seinem üblicherweise prozyklisch wirkenden Finanzgebaren zu hindern. Normalerweise werden die fiskalpolitisch verantwortlichen Instanzen sich zwar verbal zur aktiven Stabilitätspolitik verpflichten, aber gleichzeitig die Aktionen der Notenbank unterlaufen71 • Nimmt man das Instrumentarium der Bundesbank beschränkt auf den normativen Aspekt in den Blick, dann kann sicherlich eine "generelle Zuständigkeit" 72 zur Sicherung der Währung bei der Bundesbank festgestellt werden. Sowohl aus der Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 4 GG wie auch aus Art. 109 II GG folgt aber deutlich, daß die Bundesbank keineswegs der alleinige Träger des Währungswesens ist; im Bereich der äußeren Währungssicherung kommt ihr sogar nur eine Nebenrolle zu. Bezeichnenderweise ist die Bundesbank an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als einziger internationalen Einrichtung beteiligt73, während der Bund international ungleich mehr engagiert ist. Seine Mitgliedschaften reichen von der Internationalen Bank für Wie68 Vgl. W. P. Hoffmann (Fn. 37), S. 177; zur Rechtsqualität und -grundlage von Paritätsfestsetzungen s. Chr. Tomuschat, Die Aufwertung der Deutschen Mark, 1970, S. 25 ff., 39 ff. 69 Vgl. hierzu S.-T. Ehrig, Devisentermingeschäfte als Instrument der Währungspolitik unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Bundesbank und der Schweizerischen Nationalbank, 1973, S. 85 ff. ; D. Dick ertmann I A. Siedenberg, Instrumentarium der Geldpolitik, 3. Aufl. 1979, S. 104 ff. 70 Vgl. hierzu H. Rittershausen (Fn. 5), S. 148 ff.; J. v. Spindter I W. Becker I 0.-E. Starke (Fn. 3), S. 46; skeptisch K. Ktein, Die Kreditplafondierung, eine geld- und kreditpolitische Notwendigkeit, 1967, S. 20 f. 71 So K.-H. Hansmeyer I D. Mackscheidt, Die Free-Rider-Position der Finanzpolitik - Notenbankpolitik und Staatsaktivität, in: D. Duwendag (Fn. 5),

S. 132 ff. (S. 133). 72 So K. Stern (Fn. 1), S. 478.

73 Abkommen über die BIZ v. 20. 1. 1930 (RGBL II, S. 288) ; Wiederanwendung des Abkommens gern. Bek. v. 13. 3. 1953 (BGBL II, S. 11 7).

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deraufbau und Entwicklung (Weltbank) bis zu den Institutionen zur Regulierung des EWS 74 • Hält man die limitierten währungspolitischen Instrumente der Bundesbank neben die finanzpolitischen, neben die ordnungspolitischen und neben die verteilungspolitischen von Bund, Ländem und Gemeinden, dann schrumpft der Handlungsspielraum der Bundesbank auf den Bereich der inneren Währungssicherung zusammen, die wiederum in vielfältigen Abhängigkeiten zu sämtlichen Maßnahmen der anderen wirtschaftspoLitischen Akteure steht.

7. Die beschränkte und nicht verfassungsfeste Autonomie der Bundesbank gegenüber der Bundesregierung gilt wegen des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 III GG) nicht gegenüber dem Gesetzgeber75 • Allerdings kann sich dieser nicht mit einem sogenannten schlichten Parlamentsbeschluß begnügen, da die im formellen BBankG garantierte Unabhängigkeit vorgeht76 • Wird die Bundesbank selbst als Normgeber tätig, dann genießt sie, folgt man der Meinung des BVerwG77, eine verfassungsrechtlich abgesicherte Sonderstellung: der Bundesgesetzgeber ist nämlich durch Art. 88 GG berechtigt und verpflichtet, "der Bundesbank unmittelbar das währungspolitische Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, das sie in die Lage versetzt, die Stabilität der Währung zu gewährleisten". Da das Gericht Art. 88 GG den Vorrang gegenüber Art. 80 I 1 GG einräumt, ist also die Bundesbank ermächtigt, gestützt auf eine gesetzliche Grundlage, zu deren Erlaß der Bundesgesetzgeber verpflichtet ist, Rechtssätze zu schaffen. Selbstverständlich ist die Bundesbank nicht von der Kontrolle der Gerichte freigestellt. Im Bereich der währungspolitischen Maßnahmen und damit bei der Kernfrage des Verhältnisses von Bundesregierung und Bundesbank wird aber die an sich zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit im Regelfall überfordert sein78 ; sie wird die Gestaltungsfreiheit der Bundesbank unangetastet lassen. 8. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des BBankG sind "potentielle Interessenten einer der Währungspolitik gegenläufigen Entwicklung des Geldvolumens . . . erfahrungsgemäß alle politischen In74 Vgl. die Verordnungen (EWG) Nr. 3180/78 u . 3181/78 des Rates v . 18. 12. 1978 (ABlEG Nr. L 379/1 f.). 75 Vgl. K. Stern (Fn. 1), S. 499. 78 So zutreffend H. Faber (Fn. 1), S. 71. n Vgl. BVerwGE 41, S. 334 ff. (S. 350). 78 Das Urteil des BVerwG v . 29. 1. 1973 (BVerwGE 41, S. 334 ff.) ist kein Gegenbeispiel, denn dort ging es nicht um die Zulässigkeit einer Maßnahme an sich, sondern um die richtige Abgrenzung des Kreises der Betroffenen.

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stanzen, alle Kreditinstitute und alle Kreditnehmer" 79 . Kreditinstitute und Kreditnehmer üben im Rahmen der bei den Landeszentralbanken gebildeten Beiräte, die höchstens zehn Mitglieder umfassen sollen, eine beratende Funktion aus (§ 9 I, II BBankG). Diese Beiräte, die sich höchstens zur Hälfte aus Mitgliedern des Kreditgewerbes, im übrigen aus Vertretern der gewerblichen Wirtschaft des Handels, der Landwirtschaft sowie der Arbeiter- und Angestelltenschaft zusammensetzen, können keineswegs als eine Beschränkung der Unabhängigkeit der Bundesbank angesehen werden, da ihnen der Zugriff auf die geldpolitischen Entscheidungen verwehrt ist8°. 9. Eine zusammenfassende Würdigung der Normlage läßt es zu, weiterhin von einer unabhängigen Bundesbank zu sprechen. Die vom einfachen Gesetzgeber eingeräumte Autonomie ist nach h. M. 81 und nach dem grundlegenden Urteil des BVerwG82 verfassungskonform, und sie dürfte auch vor dem BVerfG Bestand haben, obwohl dessen zwei einschlägige Entscheidungen83 im Hinblick auf das Prinzip der Regierungsverantwortung verbieten, Regierungsaufgaben von "politischer Tragweite"84 generell der Regierungsverantwortung zu entziehen. Zum einen handelt es sich aber nur um eine partielle Aufgabendelegation im Bereich der Währungssicherung85, zum anderen ist die Bundesbank "in ein System von Abhängigkeiten persönlicher und sachlicher Art eingebunden", ein Gesichtspunkt, den das BVerwG zu Recht deutlich herausgestellt hat86. Neben den anderen, nicht seltenen Fällen ministerialfreier Verwaltung87 ragt die Bundesbank wegen der Bedeutung der ihr zugewiesenen Aufgabe als verfassungsrechtlich irregulär88 heraus. Die 79 BT-Drucks. 11/2781, S. 24.

80 So zu Recht R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 183, der aber verkennt, daß die Bundesbank im übrigen wie jede andere politische Instanz den Interessengruppen ausgesetzt ist. Dabei spielt es keine Rolle, daß es der Bundesbank bisher offensichtlich weitgehend gelang, Außeneinflüsse abzuwehren. 81 Vgl. hierzu die Nachweise bei K. Stern (Fn. 1), S. 497 mit Fn. 131; s. auch R. Caesar, ZfP 1980, S. 347 ff. (S. 361 ff.). 8 2 BVerwGE 41, S. 334 ff. 83 BVerfGE 9, S. 268 ff. und 22, S. 106 ff. 8 4 BVerfGE 9, S. 268 ff. (S. 282). 85 So Reiner Schmidt (Fn. 2), S. 677. 86 BVerwGE 41, S. 334 ff. (S. 357). 87 Vgl. C. P. Fichtmüller, Zulässigkeit ministerialfreien Raums in der Bundesverwaltung, AöR Bd. 91, S. 297 ff., insbes. S. 307 ff.; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, Diss. München 1965, insbes. S. 135 ff.; P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung. Begriff, Erscheinungsformen und Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, Diss. Bonn 1972, insbes. S. 241 ff.; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, 1974, insbes. S. 114 ff. Beachtenswert ist die neue verwaltungswissenschaftliche Aufarbeitung von G. F . Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981.

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sich davon nährende Polemik ("Negation des Partizipationsgedankens" 89 , "Finanzdiktatur" 90 u. a.) kann sich aber im wesentlichen nur auf demokratietheoretische Vorstellungen, nicht jedoch auf durchschlagende verfassungsrechtliche Argumente stützen.

III. 1. Der Standort der Bundesbank im Verfassungsgefüge läßt sich allein anhand der normativen Grundlagen nur unvollkommen erfassen. Mehr als b ei anderen Institutionen des Verfassungslebens bestimmt sich nämlich die Bedeutung der Bundesbank fast ausschließlich nach der Wirkung der von ihr getroffenen Maßnahmen, über welche die zugrundeliegenden Normen wenig aussagen. Die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen ist aber einmal - selbst wenn sich diese isoliert betrachten ließen - kaum exakt ergründbar91 , zum anderen steht Geldpolitik immer im Kontext der Maßnahmen anderer wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger, wodurch ein unauflösliches Interdependenz- und Zuordnungsproblem entsteht. Eine Beschreibung der Politik der Bundesbank und deren Hemmnisse kann deshalb keine quantifizierbaren Ergebnisse erbringen. Hierzu reichen auch politologische, wirtschaftswissenschaftliche und sozialpsychologische Kategorien nicht aus. Es kann nur darauf abgestellt werden, ob und in welchem Ausmaß bestehende Kompetenzen genutzt wurden92 und es kann abzuschätzen versucht werden, wie sich der Einsatz der geldpolitischen Instrumente vermutlich ausgewirkt hat. Die Bundesbank hat bis zum Jahr 1974 eine .intensive antizyklische Politik betrieben93 ; seit Ende des Jahres 1974 setzt sie verstärkt auf eine Geldmengenpolitik und gibt entsprechende Zielwerte für das Wachstum der Zentralbankgeldmenge an94 • Die klassischen Mit88 Vgl. P. Badura, in: Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 300; A. Köttgen, Der Einfluß des Bundes auf die Deutsche Verwaltung und die

Organisation der bundeseigenen Verwaltung, in: JöR n. F. Bd. 11 (1962), S. 173 ff. (S. 280); C.-Th. Samm (Fn. 1), S. 134; D . Uhlenbruck (Fn. 1), S. 71. 89 So R. Robert (Fn. 6), S. 55. 9o So H.-J. Arndt (F. 5), S. 311. 91 Zu den Effizienzproblemen vgl. D. Dickertmann I A. Siedenberg (Fn. 69), S. 117 ff. Nach W . Engels (Notenbanktechnik. Instrumente und Verfahren der monetären Stabilitätspolitik, 1979) ist die Notenbankpolitik unprognostizierbar, ineffizient und unnötig teuer. Zu den eigenwilligen Thesen von W. Engels, die hier nicht diskutiert werden können, vgl. W. Seuß, Gewinnorientierte Notenbankpolitik?, FAZ v. 9. 7. 1979, S. 9. 02 Zur Problematik, das Gewicht eines Pouvoir im Rahmen eine quantitativen Gewaltenteilungslehre zu erfassen, vgl. W. Leisner, Die quantitative Gewaltenteilung, DÖV 1969, S. 405 ff. (S. 411). 93 Vgl. Jahresgutachten 1975 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamt wirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucks. VIII4326, Tz. 176. 94 Vgl. D. Diekerlmann I A. Siedenberg (Fn. 69), S. 137 ff.; Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für 1975, S. 9 ff.; Monatsberichte der Deutschen

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tel der Diskont- und Lombardsatzpolitik, der Rediskont- und Lombardkontingentpolitik und der Mindestreservepolitik wurden ebenso eingesetzt wie weniger orthodoxe Instrumente, so die Swappolitik95, das umstrittene Bardepot96 und die Verzinsungsbeschränkungen für Ausländerguthaben. Beweglichkeit zeigte die Bundesbank auch bei Einsatz der Offenmarktpolitik, die sowohl traditionell wie auch in neuen Versionen (Offenmarktgeschäfte mit Nichtbanken, sehr kurzfristige Transaktionen usw.) verwendet wird9 7 • 2. Die Häufigkeit von Konflikten zwischen Bundesbank und Bundesregierung, die Heftigkeit der Auseinandersetzungen, sind Indiz für den Selbststand und die Bedeutung der Bundesbank. An diesen Kriterien gemessen, kommt ihr durchaus Gewicht zu. Angefang€n vom Streit um die DM-Aufwertung im Jahr 1961, über die Bremspolitik der Bundesbank 1965/66, über den zweiten Eventualhaushalt im Jahr 1967 und um die Ersatzaufwertung durch die Bundesregierung im Jahr 1968 sowie um die außenwirtschaftliche Absicherung in den Jahren 1971/72, bis hin zur jüngsten Kontroverse um die erwähnte 6,3-Milliarden-Anheile98, ist das Verhältnis von Bundesregierung und Bundesbank, von der ruhigeren Phase zwischen 1974 bis 1980 abgesehen, durch zahlreiche schärfere Konflikte und nicht zuletzt durch das Ausscheiden von Minister Schiller aus der Bundesregierung im Jahre 1972 gekennzeichnet. Die Bundesbank hat zumindest bis 1974 die Verschuldung des Staates nicht gefördert, sie hat gelegentlich Bund und Ländern die Ausnutzung des Kassenkredits verweigert99 und ihn nur zweckentsprechend, nämlich als Überbrückungskredit, verwendet. Seit 1974 allerdings gibt es Anzeichen dafür, daß die Bundesbank die Offenmarktpolitik nicht mehr rein geldpolitisch, sondern auch zur Erleichterung der Staatsverschuldung einsetzt. Ein "gewisser Abbau der traditionellen Distanz zwischen Staatsfinanzierung und Notenbank ist unverkennbar", stellt Caesar in seiner Habilitationsschrift fest1° 0 • Zu dieser Aussage steht nicht in Widerspruch, Bundesbank, Juli 1974, S. 14 ff.; Januar 1976, S. 5 ff.; November 1976, S. 5 ff.; Januar 1979, S. 5 ff. 95 Vgl. hierzu H. Lipfert, Einführung in die Währungspolitik, 8. Aufl. 1974, s. 191 ff. 96 Vgl. S. Schmidt, Kapitalverkehrskontrollen und ihre Wirkung, 1977, S. 78 ff., S. 107 ff.; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März 1972,

s. 5 ff.

97 Vgl. OECD, Monetary policy in Germany, OECD JI/Ionetary studies series, Paris, S. 37 f., die eingehende Darstellung bei R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 204 ff., und H. Speyerer, Die Offenmarktpolitik der Deutschen Bundesbank, 1979, S. 65 ff. 98 Vgl. W. Seuß, FAZ v. 15. April1981, S. 13, u. FAZ v. 24. April 1981, S. 13 ("Lambsdorff erläutert sein Strukturprogramm"). 99 Zum Kassenkredit s. J. v. SpindZer I W. Becker I 0.-E. Starke (Fn. 3}, s. 428 f. 1oo R. Caesar Handlungsspielraum, (Fn. 5), S. 216.

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daß sich die Bundesbank insbesondere seit der Zunahme der Neuverschuldung ab dem Jahre 1975 immer wieder gegen überhöhte Haushaltsdefizite bei der Bundesregierung wandte. Auch ist das Haushaltsstrukturgesetz von 1975/76 auf Anstoß der Bundesbank zustande gekommen. Andererseits bleibt der Bundesbank aber wohl kein anderer Weg als der des Widerstands bei gleichzeitiger Anpassung. Oder anders: selbst in ihrem ureigenen Bereich der Geldpolitik kann sich die Bundesbank nicht ganz außerhalb des allgemeinen wirtschaftspolitischen Trends stellen. 3. Während die Bundesbank durch die Finanzpolitik der öffentlichen Haushalte in ihrer Wirksamkeit wesentlich behindert wird, sind ihr trotz einer juristisch schwachen Stellung im Bereich der äußeren Währungspolitik zunächst Steuerungsmöglichkeiten zugewachsen. Mit dem Übergang zum Blockfloating am 19. 3. 1973 sind die außenwirtschaftliehen Einflüsse nämlich kontrollierbarer geworden, wodurch das Letztentscheidungsrecht der Regierung für die Paritätsänderungtot entschärft wurde und gleichzeitig die freiwillige Interventionstätigkeit der Bundesbank an den Devisenmärkten an Bedeutung gewonnen hat102• Anders könnte dies nach Ablösung der kleinen "Währungsschlange" durch das Europäische Währungssystem (EWS) im Jahre 1979 103 aussehen. Wie sich das EWS allerdings auf die Autonomie der Bundesbank letztlich auswirken wird, läßt sich schwer abschätzen. Dieses System fester Wechselkurse innerhalb der Gemeinschaft ist nämlich mit einer Interventionsverpflichtung der Bundesbank verbunden. Deren Geldpolitik könnte empfindlich dadurch gestört werden, zugunsten schwächerer Währungen übermäßig intervenieren, d. h. Geld schöpfen zu müssen. Falls es nicht gelingt, die notwendigen Deviseninterventionen durch liquiditätspolitische Maßnahmen zu neutralisieren, ist die Bundesbank darauf angewiesen, die Bundesregierung zu einer Wechselkurskorrektur 10 1 Zum tatsächlichen Einfluß der Bundesbank bei der Währungsparitätsfestsetzung vgl. W. P. Hoffmann (Fn. 37), S . 177 ff.; Chr. Tomuschat (Fn. 68), S. 3, S . 25 ff., bes. S. 35 ff. 102 Vgl. Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank für 1976, S. 37, und 1977, S. 40. Zur Bedeutung der verschiedenen Akteure im Bereich der Währungspolitik vgl. auch Reiner Schmidt, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), S. 65 ff. (S. 92 ff.). to3 Das EWS b eruht auf einer Reihe von Beschlüssen unterschiedlicher rechtlicher Qualität, vgl. R. W. Strohmeier, Das europäische Währungssystem - Eine neue währungspolitische Initiative der EG und ihre Auswirkungen auf die währungspolitische Autonomie der Deutschen Bundesbank, Diss. Würzburg 1980, S. 77 ff.; A. Deringer I J. Sedemund, Europäisches Gemeinschaftsrecht, NJW 1979, S. 1075 ff.; M. Seidel, Da s Europäische Währungssystem - Rechtliche Grundlage und Ausgestaltung, EuR 1979, S. 13 ff. (S. 24 f.) ; H. Albuschkatl R. Dhom I H. Geiger IM. Lahnstein I K. Pöhll R. Pringle, Zum Europäischen Währungssystem, ZfgK 1979, S. 7 ff.; M . Wegener, Das Europäische Währungssystem und die Folgen, EA 1979, S. 189 ff.

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zu veranlassen, für die aber die Zustimmung aller Teilnehmer des EWS erforderlich ist. Da Basis des EWS feste Wechselkurse sind, können Paritätsänderungen nicht allzu häufig vorgenommen werden104• Die Möglichkeit der Bundesbank, im Notfall durch vorübergehende Aussetzung der Interventionen am Devisenmarkt die Bundesregierung zu einer Wechselkurskorrektur zu veranlassen, darf deshalb nicht strapaziert werden, will die Bundesbank nicht Gefahr laufen, durch Beseitigung ihrer Autonomie als Störfaktor ausgeschaltet zu werden. Die Bundesbank ist deshalb durch das EWS weitgehend vom politischen Willen der Partnerländer des EWS abhängig, eine Stabilitäts-, nicht eine Inflationsgemeinschaft pflegen zu wollen. Allerdings könnte die fehlende Konvergenz der Stabilitätspolitik in allen EWS-Ländern - der Inflationsabstand hat im Laufe des Jahres 1980 weiter zugenommen104a - auch dazu führen, daß das System als solches abgeschafft wird, bevor die Bundesbank genötigt wird, auf eine Inflationslinie einzuschwenken.

4. Die Bedeutung der Bundesbank hat durch die Einführung der Geldmengenpolitik, durch die zumindest tendenziell diskretionäre Eingriffe anderer wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger unwichtiger werden105, durch die flexible, teils harte 106 , vielfach umstrittene107, im ganzen aber durchaus anerkannte 107 Handhabung ihres Instrumentariums, vor allem wegen der weiterhin anerkannten fachlichen Qualität und Integrität ihrer höchsten Repräsentanten 108 trotzaller ökonomischen 104 Vgl. zum Ganzen 0 . Emminger, Das Europäische Währungssystem und die deutsche Geldpolitik, Handelsblatt, Beilage "Banken International", v. 26. 3. 1979, S. 3 f.; abgedruckt in 0. Emminger, Verteidigung (Fn. 7), S. 201 ff. Die Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Einstellung der Markteingriffe durch die Bundesbank sind bislang kaum geklärt. Eine rechtlich eindeutig fixierte Interventionsverpflichtung der Bundesbank besteht wohl nicht. Das EWS-Zentralbankabkommen regelt lediglich Abwicklungsfragen; die Entschließung des Europäischen Rates (Nr. 34) ist als zwar bedeutende politische Absichtserklärung zu qualifizieren, die aber Art. 107 Abs. 1 EWGV nicht überlagert. Ebenso wie ein einstweiliges Fernbleiben würde auch die vorübergehende Einstellung der Interventionen im Falle einer verzögerten Wechselkursanpassung durch die Regierungen keine Rechtsverletzung darstellen und toleriert werden müssen. Vgl. auch R. W. Strohmeier (Fn. 103), und A. Deringer I J. Sedemund (Fn. 103); letztere meinen, daß eine nicht willkürliche Suspendierung der Intervention keine Verletzung von Gemeinschaftsrecht darstellen könne (S. 1076). 104 a Vgl. Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für 1980, S. 65. 105 Vgl. H. Giersch, Konjunktur- und Wachstumspolitik in der offenen Wirtschaft- Allgemeine Wirtschaftspolitik, Bd. 2, 1977, S. 133 ff. 106 Vgl. z. B. Jahresgutachten 1979180 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucks. VIII/3420, Tz. 306 und 308. 107 Hierzu D. Dickertmann I K.-H. Hansmeyer, Die Bundesbank im Streit der politischen Interessen, Wirtschaftsdienst 1973, S. 579 ff.; W. Engels (Fn. 91),

s. 9.

108 Vgl. R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 201 f.: Zur "Öffentlichkeitswirksamkeit" der Besetzung von Bundesbankspitzenämtern vgl. P.-H. Huppertz (Fn. 65), S. 82.

Reiner Schmidt

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Wirkungsprobleme zugenommen. Ihre unbequeme Rolle als Mahner109 , ihre undankbare Aufgabe als "Gegenspieler der Finanzpolitik" 110 legen es nahe, das der Bundesregierung zustehende Vorschlagsrecht für die Mitglieder des Direktoriums und das entsprechende Recht der Landesregierung für die Präsidenten der Landeszentralbanken politisch zu mißbrauchen. Sowohl der Berufung des zweiten Präsidenten der Bank, K. Blessing, im Jahr 1958111 wie seiner Wiederernennung im Jahre 1967 112 waren heftige Kontroversen vorausgegangen; auch die Nachfolge in der Spitze der Bank durch K. Klasen (1970), 0. Emminger (1977) und K. 0. Pöhl (1980) war aus politischen, nicht aus fachlichen Gründen umstritten. Was bei den Beratungen des BBankG für undenkbar gehalten wurde113, ist inzwischen eingetreten: der Zentralbankrat hat im Rahmen der Anhörung gemäß § 8 IV BBankG verschiedentlich gegen den vorgeschlagenen Kandidaten gestimmt, ohne daß dies auf die Ernennung Einfluß gehabt hätte 114 • Es fällt schwer daran zu glauben, daß sich der dem BVerfG- insoweit in vergleichbarer Lage- vielfach bescheinigte "esprit de corps" gegenüber parteipolitischen Bindungen bei der Bundesbank auch in Krisenzeiten durchsetzen wird; es fällt schwer daran zu glauben, daß die Bundesregierung den ihr zur Verfügung stehenden Spielraum im Notfall nicht nutzen wird: das Direktorium der Bundesbank ist zur Zeit nur mit sechs statt mit acht Mitgliedern besetzt; eine Politisierung der Präsidenten der Landeszentralbanken wirkt sich deshalb im Zentralbankrat (Stimmenverhältnis 6 : 11) verstärkt aus115 ; außerdem liegt in der möglichen Aufstockung des Direktoriums auf insgesamt zehn Mitglieder (§ 7 II BBankG) erhebliche politische Brisanz. Sicherlich lehrt die bisherige Erfahrung, daß die Integrationskraft des Zentralbankrats beträchtlich ist; auch verhindert das Auseinander109 Aus der jüngsten Zeit vgl. die Mahnung des ehemaligen Präsidenten der Bundesbank, 0. Emminger, vor der Auslandsverschuldung der Bundesrepublik, FAZ v. 27. 4. 1981, S. 13, und den Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für 1980, insbes. S. 7 ff. 110 So E. Arndt, Staat und Notenbank in der Wirtschaftspolitik, in: Volkswirtschaftliche Korrespondenz der Adolf-Weber-Stiftung, 1967, S. 113. 111 W. Trautmann, Bundesbank im Wirbel der tollen Tage, Der Volkswirt

1957, 112 113

s. 1371 f.

Vgl. P.-H. Huppertz (Fn. 65), S. 81. Vgl. Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1957,

s. 7 f.

Vgl. R. Caesar, Handlungsspielraum (Fn. 5), S. 202 f. Vgl. hierzu die Kontroverse zwischen dem mehrjährigen Mitglied des Zentralbankrats J. Tüngeler (Ist der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank zu groß? FAZ v. 2. 2. 1980, S. 12) und W. Seuß (Zu einer Neuorganisation gibt es keinen zwingenden Grund, FAZ v. 2. 2. 1980). Tüngeler erinnert an die angebliche ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, Stimmengleichheit zwischen dem Direktorium und den LZB-Präsidenten herzustellen, und er schlägt vor, die Zahl der Sitze der LZB-Präsidenten auf sechs zu verringern. 114

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fallen der Amtszeiten der Mitglieder des Zentralbankrats ein "packing" während einer Regierungsperiode. Verschärfte Verteilungskämpfe in der Zukunft werden aber den Druck auf die Bundesbank verstärken; auch ist keineswegs gesichert, daß es weiterhin gelingen wird, fachlich und persönlich so unangreifbare Persönlichkeiten wie seither in die Spitze der Bank zu berufen. Es ist sicherlich kein Zufall, daß in Italien die Notenbank nach Auseheiden ihres hochangesehenen Gouverneurs Carli in größere Regierungsnähe geraten ist. IV. Die Hoffnung, mit der Kombination von Freiburger Imperativ und Keynesianischer Botschaft den Schlüssel zur Beherrschung des wirtschaftlichen Prozesses gefunden zu haben, ist längst größerer Nüchternheit gewichen. Die alte Erfahrung, daß die Ausgabefreudigkeit der Parlamente, daß das Wiederwahlinteresse der Parlamentarier unüberwindbares Einsatzhemmnis einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik ist, begünstigt ökonomische Lehren, die durch Einführung von Verstetigungsmechanismen zu einer Entpolitisierung der Wirtschaftspolitik beitragen wollen 116 • Die von den Monetaristen geforderte Beschränkung der Zentralbankpolitik auf eine Kontrolle der Geldmenge wird sich aber keineswegs als ausschließliche, von der Bundesbank zu handhabende Methode der Wirtschaftspolitik117 durchsetzen, einmal weil der Monetarismus in der Wirtschaftswissenschaft zu umstritten ist, zum anderen weil sich die übrigen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger nicht entmachten lassen werden. Immerhin dürfte aber die Einsicht in die politischen Einsatzhemmnisse für richtige Wirtschaftspolitik juristische Lehren begünstigen, die in der Bundesbank eine Milderung der "strukturellen Schwächen des pluralistischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses"118, den "Ausdruck einer aufgeklärten Demokratie"119 oder den "Teil eines weiterentwickelten Gewaltenteilungssystems"120 sehen. Andererseits ist aber zu erwarten, daß trotz dieser Vgl. hierzu grundsätzlich H. Giersch (Fn. 105), S. 133 ff. Die in diesem Zusammenhang von Bruno S. Frey (Moderne Politische Ökonomie, 1977, S. 42 f.) geäußerte Befürchtung, die Notenbank k önne nicht an einer Geldmengenpolitik interessiert sein, da diese auch von einer untergeordneten Stelle wahrgenommen werden könne und deshalb mit einer starken Prestigeeinbuße der Bank verbunden sei, scheint stark übertrieben. us s. v. Arnim (Fn. 20), S. 356. 119 So W. Neubauer, Organisationsprinzipien im Widerstreit, in: D. Duwendag (Fn. 5), S . 163 ff. (S. 169). 120 Vgl. v. Arnim (Fn. 20), S . 367. Ahnlieh neuerdings auch G. F. Schuppert (Fn. 87), S. 331 ff. Schuppert plädiert für eine gemeinwohlorientierte Verfassungsinterpretation; an bewußt geschaffene weisungsfreie Kontrollinstitutionen wie Bundesbank und Sachverständigenrat könne nicht die Elle der parlamentarischen Kontrollierbarkeit angelegt werden (S. 356). - So wirk11 6

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so

Reiner Schmidt

wissenschaftlichen Erkenntnisse in den kommenden Krisenzeiten der Druck einer Verwöhnungsgesellschaft kaum eine ausgewogene, mittelfristig ausgelegte Wirtschaftspolitik zulassen wird. Der Standort der Bundesbank im Verfassungsgefüge, vom Gesetzgeber bewußt als Sonderstellung konstituiert, von der Regierung distanziert, gleichzeitig auf das Allgemeine (gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht) wie- mit Vorrang- auf das Besondere (Preisstabilität) ausgerichtet, dieser heikle Standort wird nur zu halten sein, wenn die Geldwertstabilität als das der Bundesbank primär vorgegebene Ziel in der Bundesrepublik allgemein akzeptiert wird. Sollte dies weiterhin der Fall sein, dann hat die Bundesbank nach der derzeitigen Normlage rechtlich genügend Aktionsraum. Da aber durchaus zweifelhaft ist, ob der allgemeine Konsens einer Gesellschaft des Überflusses auch in Zeiten stagnierenden Wachstums herzustellen sein wird, empfiehlt es sich, die gesetzlich eingeräumte Autonomie einwandfrei verfassungsrechtlich zu verankern. Einem Verfassunggeber, der in den 32 Jahren des Bestehens des Grundgesetzes 34 Änderungen der Verfassung für notwendig hielt, stünde es wohl an, sich dieses wichtigen Themas anzunehmen121. Gewiß böte eine verfassungsrechtliche Absicherung der Autonomie weder eine Garantie für richtige Geldpolitik, noch für einen politischen oder gar ökonomischen Handlungsspielraum der Bundesbank. Manchem tagespolitischem Gezänk und mancher Bedrohung der Bundesbank wäre aber der Boden entzogen. Sie könnte dann auch in Krisenzeiten ihrer Aufgabe mit gewohnter Gelassenheit und Sachkunde nachgehen, ohne einem Handstreich des einfachen Gesetzgebers ausgeliefert zu sein.

lichkeitsnah diese Sicht auch sein mag, so wenig hilft sie darüber hinweg, daß der Grundgesetzgeber keine regierungsfreien Räume vorgesehen hat. 121 Der Vorschlag ist nicht neu. Vgl. W. Neubauer (Fn. 119), S. 169.

Die

Stellung der Zentralbank in Italien verfassun~srechtliche

Von Fabio Merusi, Pisa* I.

Es ist behauptet worden, daß das theologische und das juristische Denken in ähnlicher Weise vorgehen. Diese These läßt sich für die heutige juristische Lehre gewiß in Zweifel ziehen. Mag der Zweifel aber auch im allgemeinen berechtigt sein, so fehlen doch andererseits auch nicht theologische "Restbestände" in der italienischen Lehre vom öffentlichen Recht. Das vielleicht schlagendste Beispiel bildet der Gebrauch der theologischen Figur der "doppelten Wahrheit" im öffentlichen Wirtschaftsrecht. Von ein und demselben Phänomen gibt es eine augenfällige Wirklichkeit, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zieht, und eine den meisten unbekannte andere Wirklichkeit, die sich jenseits des Bildes der rechtlichen Einrichtungen befindet, mit dem sich Politiker und Juristen einzurichten pflegen. Es läßt sich sogar sagen, daß die doppelte Wahrheit eine Konstante ist, welche das öffentliche Wirtschaftsrecht Italiens von seinen Ursprüngen bis heute begleitet hat. Natürlich ist dies nicht gänzlich Schuld des Juristen. Wie in der Theologie die doppelte Wahrheit auf das Wirken Gottes zurückgeht, so im Wirtschaftsrecht auf das Wirken der Politiker. Während der faschistischen Zeit bemühte sich die Lehre, die Korporation und insbesondere die Einrichtungen der korporativen Ordnung der Wirtschaft zu erfassen. Später wurde entdeckt, daß der korporative Staat nur ein Scheinbild darstellte und daß die Ordnung der Wirtschaft durch sektorale Planungen gekennzeichnet war, durch eine völlig neue und originelle Form der Führung der öffentlichen Unternehmen und, im Zusammenhang mit dieser neuen Ordnung, durch ein neues System der Finanzierungsträger mit Rückwirkungen auf die Finanzierung der Unternehmen und daher auf die Grunddaten der gesamten Wirtschaftsverfassung1•

* Die Übersetzung aus dem Italienischen besorgte Prof. Dr.

Chri stian

Bonn. 1 Eine klare Darstellung dieser Zusammenhänge findet sich bei S. Cassese, Corporazioni e intervento pubblico nell'economia, Quaderni Storici 1968,

Tomuschat,

6 Der Staat, Beiheft 5

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Etwas Ähnliches hat sich auch nach dem zweiten Weltkrieg ereignet und vollzieht sich noch heute. Man hat geglaubt, daß Art. 41 der Verfassung, wonach "das Gesetz geeignete Programme und Kontrollmechanismen festlegt, um zu ermöglichen, daß die öffentliche und private Wirtschaftstätigkeit auf soziale Ziele ausgerichtet und mit ihnen abgestimmt wird", die Schlüsselbestimmung der italienischen Wirtschaftsverfassung sei und daß folglich die Planung und ihre Modalitäten das Hauptproblem juristischer Untersuchungen darstellen würden2 • Auch in diesem Fall bildete sich die augenscheinliche "Wahrheit" der Institutionen in folgender Richtung aus: Die politische Debatte verband mit allen Adjektiven die Wörter Plan und Programm, es wurden ein Planungsministerium und ein interministerieller Ausschuß für die Wirtschaftsplanung geschaffen, und es entstanden wirtschaftliche Globalpläne3. Ähnlich wie aber nach dem Sturz der korporativen Ordnung wurde allmählich eine zweite Wahrheit entdeckt, daß nämlich Planung ein Begriff bar jeder effektiven wirtschaftlichen Bedeutung gewesen sei; daß auch dann, wenn dieses Wort mit Bezug auf reale wirtschaftliche Erscheinungen benutzt wird, es sich um Erscheinungen handelt, die mit Planung im eigentlichen Sinne nur wenig zu tun haben; daß, der Planung unterliegend und ihr vorausgehend, es ein Problem des monetären Gleichgewichts gibt, der Beherrschung des Gleichgewichts und der juristischen Mittel zur Herstellung wirtschaftlicher "Stabilität". Im Rahmen dieser zweiten Wahrheit, die bis heute von manchen allgemeinen Werken über Wirtschaftsrecht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht ausreichend dargestellt wird4 , kam allmählich d·ie ZentralS. 402 ff.; zur wirtschaftlichen Entwicklung während der Zeit vgl. jetzt G. Toniolo, L'economia dell'Italia fascista, Bari 1980.

2 Es gibt eine umfangreiche Literatur zu der Frage. Zu den aufschlußreichsten Untersuchungen gehören V. Spagnuolo Vigorita, L'iniziativa economica privata nel diritto pubblico, Napoli 1959; A. Predieri, Pianificazione e Costituzione, Milano 1963; A. Predieri I P. Barucci IM. Bartoli I G. Gioli, 11 programma economico 1966- 70, Milano 1967; F. Salvia, La programmazione economica, Palermo 1970; G. Galma, Economia pubblica e programmazione, Napoli 1980. a Ausführliche Schilderung der politisch-institutionellen Probleme durch M. Carabba, Un ventennio di programmazione 1954/1974, Bari 1977. 4 Diese Feststellung gilt allgemein, wenn auch in unterschiedlicher Akzentuierung, und ist durchaus bezeichnend für die Beschaffenheit der einschlägigen Schriften. Vgl. z. B. M. S. Giannini, Diritto pubblico dell'economia, Bologna 1977; G. Quadri, Diritto pubblico dell'enconomia, Napoli 1977; F. Galgano (Hrsg.), Trattato di diritto commerciale e di diritto pubblico dell'economia, Bd. I, La costituzione economica, Fadova 1977. Auf der Ebene der Lehrbücher bildet in jüngster Zeit eine Ausnahme G. U. Resci gno, Corso di diritto pubblico, Bologna 1979, S. 634, der ausdrücklich die Bedeutung der Banca d 'Italia und ihres Gouverneurs für die Festregung der politischen Leitentscheidungen unterstreicht.

Die verfassungsrechtliche Stellung der Zentralbank

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bankzum Vorschein, zunächst als ein Faktor, der die Beschreibung der normativen Wirtschaftsverfassung "störte", in jüngster Vergangenheit als eine Einrichtung, die sich zwanglos in den Rahmen einer Wirtschaftsverfassung einfügen läßt, die unter Beiseitelassung aller Vordergründigkeit beschrieben wird5 • Aber um das Mißverständnis einer Trennung von Erscheinungsbild und Wirklichkeit zu vermeiden, soll zunächst die Frage gestellt werden, ob eine zentral auf Art. 41 und mithin auf das mythische Institut der Planung ausgerichtete Lektüre der Verfassung zutrifft oder jedenfalls die einzig mögliche Deutung darstellt und ob folglich auch die Zentralbank, ehe man noch ihre Rolle und ihre Funktion innerhalb der Wirtschaftsverfassung untersucht, auch zu dem Kreis derjenigen Einrichtungen geschlagen werden kann, die sich aus der Verfassung im förmlichen Sinne ableiten lassen. I I.

Die Verfassung spricht nicht von der Zentralbank, aber es gibt mit Art. 47 eine Bestimmung, die sie indirekt betreffen kann. Es heißt dort: "Die Republik fördert und schützt das Sparen in allen seinen Formen; sie regelt, koordiniert und überwacht das Kreditwesen." Die Vorschrift ist kein Meisterwerk an Klarheit. Wie jüngste Studien6 bestätigt haben, ergeben sich offenbar nicht einmal aus den Gesetzesmaterialien erschöpfende Interpretationsargumente für die eine oder andere Deutung. Die Dikussion über die Bestimmungen betreffend die wirtschaftlichen Prinzipien wurde unsystematisch geführt, und den beschlossenen Lösungen haften mehr als anderen Vorschriften Unklarheiten an, wie sie für aus verfassunggebenden Versammlungen hervorgegangene Verfassungsdokumente eigentümlich sind. Trotz dieser Mahnung zur Vorsicht scheint sich doch zu ergeben, daß zumindest die Verbindung von Sparen und Kredit einen präzisen Sinn besitzt. Der Schutz des Sparens als solchen, als eines wirtschaftlich und sozial bedeutsamen Wertes, muß besagen, daß es zu den Aufgaben der "Republik" gehört, als Wert an sich dasjenige Element zu verteidigen, in dem die Beziehung zwischen Sparen und Kredit zum Ausdruck kommt, die Währung. Das Sparen kann auch in seiner normalen und vorrangigen Zweckbestimmung für den Kredit lediglich dann geschützt werden, w enn gleichzeitig der Wert des Geldes verteidigt wird, d . h. wenn in sachgerechter 5 Vgl. auch wegen weiterer Hinweise F. Merusi, Per uno studio sui poteri della banca centrale nel governo della moneta, Riv . Trim. Dir. Pubbl. 1972, S. 1425 ff.; ders., Kommentierung des Art. 47 Verf., in: Commentario della Costituzione, hrsg. von G. Branca, Bd. III, Rapporti econom ici, Bologna 1980. 6 Vgl. G. Puccini, L'autonomia della Banca d'Italia, Milano 1979; S. Ortino, Banca d'Italia e Costituzione, Pisa 1979.

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Weise der gesamte Finanzzyklus kontrolliert wird, von der "geförderten" Bildung von Ersparnissen bis zur Investition über die Banken7 • Wenn diese Interpretation zutrifft, so enthält die Vorschrift keinen isolierten "Verfassungswert", der sich abstrakt als Ziel verfolgen läßt, sondern einen Wert, der sich zwangsläufig aus einem komplexen System ergibt und den die formale Verfassung von der Wirtschaftsverfassung empfängt. Es handelt sich um die verfassungskräftige Festlegung einer Reihe von miteinander verbundenen Befugnissen (Förderung und Schutz des Sparens; Ordnung, Koordinierung und Kontrolle des Kredits), die in dynamischer Weise dazu beitragen, die Währung zu einem Zentralelement der Wirtschaftsverfassung zu machen8 • Es handelt sich hier nicht lediglich um die beliebige Interpretation einer wenig konturenscharfen Norm, denn die Bedeutung und die Funktion der monetären Liquidität, wie sie sich aus der Beziehung zwischen Sparen und Kredit ableiten läßt, werden durch die systematische Interpretation im Hinblick auf andere Vorschriften wirtschaftlichen Inhalts bestätigt: 1. Das Prinzip der "ausreichenden Vergütung für eine würdige Existenz", von dem in Art. 36 der Verfassung die Rede ist, setzt eine in der Tendenz gleichbleibende und jedenfalls nicht auf den Augenblick des Empfangs beschränkte Kaufkraft des Geldes voraus, in dem die Vergütung gezahlt wird. 2. Indem Art. 53 der Verfassung steuerliche Abgaben an die steuerliche Leistungskraft knüpft und sie dem Prinzip der Progressivität unterwirft, setzt er voraus, daß die Inflation bekämpft wird, denn bekanntlich äußert sich diese in einem allgemeinen Zugriff auf Einkommen und Vermögen, der sich nicht auf die steuerliche Leistungsfähigkeit stützt und nicht progressiv ausgestaltet ist9 • 3. Indem Art. 81, letzter Absatz der Verfassung verlangt, daß ausgabenwirksame Gesetze die entsprechenden Deckungsmittel angeben, 7 Eingehendere Überlegungen bei F. Merusi, Kommentierung des Art. 47 Verf. (Fn. 5), S. 154 ff. 8 Es ist dies wohl der Sinn der notwendigen Beziehung zwischen Sparen und Kredit, wie sie mehrfach in der Debatte in der Verfassunggebenden Nationalversammlung vom Abg. Ruini unterstrichen worden war, Atti dell'Assemblea Costituente, Rom 1946-48, Bd. IV, S. 1764: ,.der Art. ... befaßt sich für die jeweilige Gegenwart mit dem Sparen und dem Kred it in ihrer gegenseitigen Verbindung und stellt sie sozusagen auf eine technische Ebene, ohne auf andere- frühere oder spätere- Phasen des wirtschaftlichen Prozesses wie die Ersparnisbildung und die Investition des Kapitals einzugehen .. .";siehe auch ebd., S. 1767. G In diesem Sinne auch Ottav iano, Il governo dell'economia: i principi giuridici, in: F. Galgano (Hrsg.), La Costituzione economica (Fn. 4), S. 197, der sich die Frage nach eventuellen verfassungsmäßigen Schranken gegen "die Ergreifung von Maßnahmen, welche objektiv inflationsträchtig sind", vorlegt.

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schreibt er implizit vor, daß Ausgaben mit effektiven Einnahmen gedeckt werden und nicht nur durch eine bloße Ausweitung der monetären Grundlage. Die V€rteidigung des Geldwerts in der dynamischen Beziehung zwischen Sparen und Kredit ist daher einer der Faktoren des von Verfassungs wegen ausdrücklich vorgeschriebenen wirtschaftlichen Gleichgewichts. Aber es kommt noch ein weiteres hinzu. Die Verteidigung des Geldwerts fügt sich in einen Rahmen ein, in dem die Wesenselem€nte des wirtschaftlichen Gleichgewichts Strukturkomponenten der Wirtschaftsverfassung der Republik werden: a) Die Art. 10 und 11 prägen die italienische Verfassungsordnung als eine für das Völkerrecht "offene" Ordnung, was unter wirtschaftlichen Aspekten besagt, daß der int€rne Wert unserer Währung zwangsläufig von dem Austauschverhältnis mit anderen Währungen abhängt, mit der Folge, daß das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz eine Wesenskomponente unseres Wirtschaftssystems wird 10• b) Der bereits erwähnte Art. 81, letzter Absatz, macht, indem er für ausgabenwirksame Gesetze das Deckungserford€rnis aufstellt, das Gleichgewicht zwisch€n Einnahmen und Ausgaben in einer anderen Wesenskomponente des Währungswesens, den öffentlichen Finanzen, zu einem Rechtsgebot. c) Indem Art. 1 der Verfassung festlegt, daß die Republik sich auf die Arbeit gründ€t, und indem Art. 4 ein Recht auf Arbeit "für jeden Bürger" vorsieht, d. h. eine Verpflichtung für jeden Bürger, eine "Tätigkeit oder eine Funktion auszuüben, die zum materiellen und geistigen Fortschritt der Gesellschaft beiträgt", d. h. im weiteren Sinne eine Arbeit, setzen diese Vorschriften ein auf Vollbeschäftigung beruhendes Wirtschaftssystem voraus 11 • Zusammenfassend läßt sich sagen, daß nach der im Verfassungstext festgeschriebenen Wirtschaftsverfassung der Wert des Geldes sich aus dem Gleichgewicht dreier Faktoren ergibt: der auswärtigen Komponente einer "offenen" Rechts- und damit auch Wirtschaftsordnung, der öffentlichen Finanzen und des Verhältnisses zwischen Sparen und Kredit, wobei das Gleichgewicht im Einklang mit einem Wirtschaftssystem erreicht werden soll, das sich auf die Vollbeschäftigung gründet. Nachdem Art. 47 einmal in diesen logischen Zusammenhang eingefügt ist, bleibt zu untersuchen, welcher Zusammenhang zwischen der 10 Zu diesem Thema vgl. die von F. CaprigUone I V. Mezzacapo (Hrsg.), Il sistema valutario italiano, Milano 1981, versammelten Studien. 11 Zu diesem Thema neben der jetzt klassischen Arbeit von M. Mazz iotti, Dir itto a l lavoro, Milano 1956, neuerdings F. Mancini, Kommentierung des Art. 4 Verf., in: Commentario (Fn. 5).

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Vorschrift über Sparen und Kredit und Art. 41 über die Planung bestehen kann. Viele Interpreten haben sich zu der Meinung bekannt, daß Art. 47 eine besondere Ausprägung von Art. 41 sei, da Art. 41 ein Ziel vorsehe ("Ausrichtung der öffentlichen und privaten Wirtschaftstätigkeit auf soziale Ziele"), während die Bestimmung über Kredit und Sparen nicht in einem finalen Zusammenhang stehe12• Eine solche formaljuristische Argumentation berücksichtigt nicht den von den beiden Vorschriften geregelten Gegenstand. In Art. 47 fehlt deshalb ein Ziel, weil kein Bedürfnis dafür besteht oder, anders gewendet, weil das Ziel sich in der Norm selbst erschöpft. Die Verteidigung des Geldwertes, welche die Wechselbeziehung von Sparen und Kredit als Komponente eines größeren Gleichgewichts verwirklichen soll, stellt selbst ein Ziel dar. Das in Art. 41 genannte Ziel betrifft, wie oft betont worden ist, nicht die gesamte Volkswirtschaft, sondern lediglich die öffentliche und private Unternehmenstätigkeit, d. h. eine vom makroökonomischen Gleichgewicht abhängige materielle Komponente der Wirtschaft. Dieses Gleichgewicht drückt sich aus in dem Geldwert, wie er bestimmt ist durch die verschiedenen Komponenten der Liquidität, die ihrerseits auf Grund der vorstehend erörterten anderen Vorschriften der Verfassung festgelegt und auf das Gleichgewicht ausgerichtet sind. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die gesetzliche Lenkung der öffentlichen und privaten Unternehmenstätigkeit lediglich in Einklang mit und in Abhängigkeit vom allgemeinen wirtschaftlichen Gleichgewicht möglich ist. In dieser Sicht überschneidet sich Art. 41 mit Art. 47 nicht, denn die beiden Vorschriften regeln unterschiedliche und - jedenfalls in logischer Hinsicht - klar voneinander abgehobene wirtschaftliche Tatbestände. Aber es gilt noch ein Weiteres. Wenn eine Beziehung hergestellt werden soll zwischen den Art. 41 und 47, so läßt sich sagen, daßtrotz der numerischen Reihenfolge Art. 47 gegenüber Art. 41 das logische prium darstellt, weil er einen der Faktoren regelt, die dem Sachgegenstand des Art. 41 vorhergehen und ihn bedingen 13•

III. Nachdem die verfassungsrechtliche Bedeutung des Kredits und des Sparens und, allgemeiner noch, der monetären Liquidität festgestellt ist, 12 Vgl. in diesem Sinne z. B. V. Spagnuo!o Vigorita, Frincipi costituzionali sulla disciplina del credito, Rass. Dir. Fubbl. 1962, S. 348 ff.; L. Vo!pe, Risparmio, credito investimenti nell'ordinamento costituzionale, Napoli 1968, S. 85 ff. 13 Näheres bei F. Merusi, Kommentierung des Art. 47 Verf. (Fn. 5). Zur Tragweite und zum Inhalt des Art. 41 Verf. vgl. jüngst Cava!eri, Iniziativa economica privata e costituzione "vivente", Fadova 1978; De CarLi, Costituzione e attivita economiche, Fadova 1978; A. Pace, Iniziativa privata e governo pubblico dell'economia, Giur. Cost. 1979, S . 1217 ff.

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bleibt noch herauszuarbeiten, was hinter dem Ausdruck "die Rc:publik" in Art. 47 steht. In bezug auf einen Begriff dieser Art kann man nur auf außerhalb des Textes liegende Interpretationskriterien zurückgreifen. Von mehr als einer Seite ist in der Tat auf das Bankgesetz von 1936/38 hingewiesen worden. Die Verfassungsvorschrift drücke nur in zusammenfassender Form den Inhalt dieses Gesetzes aus, mit der Konsequenz, daß die Organe, welche das Sparen schützen und den Kredit lenken und koordinieren, die im Bankgesetz vorgesehenen Behörden seien14 • Mag die Prämisse zutreffen, so ist die Konsequenz doch aller Wahrscheinlichkeit nach falsch, wenn nicht zuvor geklärt werden der Inhalt des Bankgesetzes wie die Anwendung, welche dieses Gesetz im Hinblick auf eine der von ihm geregelten Spitzeneinrichtungen erfahren hat, als auch die Bedeutung seiner Vorschriften für einen Artikel, der sich nicht aus sich selbst heraus interpretieren läßt, sondern lediglich als nor mativer Ausdruck der Regelung des Währungsgleichgewichts. In der hier interessierenden beschränkten Perspektive erscheint von Wichtigkeit, daß das Gesetz von 1936/38 zwei getrennte Aspekte der Beziehung zwischen Sparen und Kredit unterschieden hatte, nämlich den Unternehmerischen und den monetären Aspekt. Unter dem Unternehmerischen Aspekt sieht das Bankgesetz die Möglichkeit vor, mit öffentlich-rechtlichen Mitteln sowohl die Annahme von Spareinlagen wie auch und insbesondere die Unternehmerische Verwendung der Einlagen durch das Mittel des Kredits zu regeln. Es handelt sich um eine recht differenzierte öffentlich-rechtliche Ordnung, die von der Statuierung einer bloßen "hindernden" Aufsicht bis zur Festlegung zwingender Normen für das Unternehmerische Verhalten reicht1 5• Ihr Zweck ist es offensichtlich, das Gleichgewicht zwischen den aufgenommenen Spareinlagen und den vergebenen Krediten in einer Weise zu sichern, die Bankkrisen ausschließt, wie sie die vorangegangenen Jahre gekennzeichnet hatten. Die daraus eingeleitete Politik zur Rettung der Banken hatte mit der Schaffung des Istituto per la Ricostuzione Industriale (IRI), dem die von den Banken gehaltenen Industriebeteiligungen übertragen wurden, ihren Höhepunkt gefunden, und mit dem Bankgesetz war der Schlußstrich unter diese Entwicklung gezogen worden16• 14 Vgl. etwa M. S. Giannini, Diritto pubblico dell'economia (Fn. 4), S. 205, der ausdrücklich geltend macht, Art. 47 Verf. stelle lediglich "einen generellen Ausdruck der Grundsätze des Bankgesetzes von 1936" dar. 15 Ausführlichere Beschreibung bei G. Vignocchi, Il servizio del credito nell'ordinamento pubblicistico italiano, Milano 1968. 16 Wegen der verschiedenen Aspekte der Geschehnisse vgl. die Aufsätze in G. Toniota (Hrsg.), Industria e banca nella grande crisi 1929 - 1934, Milano 1978, und wegen der eigentlich rechtlichen Aspekte S. Cassese, Documenti

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Unter diesem Aspekt ist das Bankgesetz ein Gesetz über den Schutz des Sparens, das nicht nur dem Schutz des einzelnen Sparcrs dient, dessen Interessen eher als funktioneller Nebenzweck verfolgt werden, sondern der Stabilität der Unternehmerischen Beziehung zwischen Sparen und Kredit, verstanden als ein Wert, der das gesamte wirtschaftliche System bestimmt17 • An die Spitze eines Systems, das sich sowohl aus öffentlichen wie auch aus privaten Banken zusammensetzt, stellte das Bankgesetz zwei Staatsorgane, einen Ministerausschuß, der vom Regierungschef präsidiert wird, und die Inspektion für Kredit- und Sparwesen, ein - wie es das Gesetz definiert - "zweckgeeignetes Organ", das beim Schatzministerium ressortiert. Von diesem unternehmerischen Aspekt der Beziehung zwischen Sparen und Kredit hob das Bankgesetz deutlich den monetären Aspekt ab. Sparen und Kredit sind Gegebenheiten des Geldumlaufs, der auch seinerseits einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterliegt. Auch in diesem Bereich kodifizierte das Gesetz von 1936/1938 das Ergebnis eines mittlerweile zum Abschluß gelangten Prozesses, der auch formalen Umwandlung der Banca d'Italia in einen öffentlich-rechtlichen Träger und ihrer Ausgestaltung als Zentralbank wie auch als einziges Emissionsinstitut18. Dem Gesetzgeber von 1936/1938 entging nicht, daß eine klare Trennung zwischen der Steuerung der Währung und einer administrativen Regelung des Bankwesens lediglich in logischer Hinsicht möglich ist, während praktisch sich die Dinge überschneiden können. Der Gesetzgeber beabsichtigte, diese Überschneidung durch eine Organverbindung zu lösen. Der Gouverneur der Banca d'Italia war gleichzeitig Gouverneur der Zentralbank und Direktor der Inspektion für Kredit- und Sparwesen. Tatsächlich führte die Schwierigkeit, ein komplexes technisches Organ wie die Inspektion zu aktivieren, von Anfang an zu einer Zuweisung der Funktionen der Inspektion an den administrativen Apparat der Banca d'Italia. della preparazione della legge bancaria del 1936, in : La form.azione dello Stato amministrativo, Milano 1974, S. 127 ff. 17 Mehrfach ist dieser Gesichtspunkt betont worden von G. Ferri, der ihn als ausschließlichen versteht: La posizione dell'azionista nelle societa esercenti attivita bancaria, Banca, Borsa, Tit. Cred. 1975, I, S. 1 ff.; ders., La validita attuale della legge bancaria, Riv. Dir. Comm. 1974, I, S. 129 ff.; ders., Considerazioni preliminari sull'impresa bancaria, Banca, Borsa, Tit. Cred. 1968, I, s. 39 ff. 18 Zu diesem Thema vgl. V. Mezzacapo, Evoluzione normativa della disciplina della banca centrale in Italia, Impresa, Ambiente e P. A. 1975, S. 475 ff.

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Wie dem auch sei, dieses komplexe System von Organen an der Spitze des Bankensystems hatte kaum seine Tätigkeit begonnen, als der faschistische Staat zusammenbrach. Mit Königlichem Gesetzesdekret vom 6. April 1944, Nr. 116, wurden die Kompetenzen des Ausschusses für Kredit- und Sparwesen und der Inspektion auf den Schatzminister übertragen, während die Aufsichtsfunktionen, d. h. die Aufgaben einer negativen Kontrolle, auf die Banca d'Italia übergingen, allerdings nicht vollständig. Es handelte sich eher um eine Zufallslösung. Das Gesetzesdekret vom 17. Juli 1947, Nr. 691, errichtete wieder einen Ministerausschuß unter dem Namen "Interministerieller Ausschuß für Kredit- und Sparwesen", dessen Vorsitz nicht mehr der Regierungschef, sondern der Schatzminister innehatte. Die wichtigste in dem Dekret vorgesehene Neuerung war jedenfalls die Übertragung der Funktionen der nicht mehr bestehenden Inspektion für Kredit- und Sparwesen an die Banca d'Italia und die Zuweisung der "Befugnisse und Kompetenzen", die zuvor dem Direktor der Inspektion zugestanden hatten, an den Gouverneur der Bank (Art. 2). Auf diese Weise wurden in einem einzigen Rechtsträger sowohl die Aufgaben der Währungsordnung wie auch die Aufgaben einer Aufsicht der Kreditinstitute zusammengefaßt19. Die nachfolgenden Erfahrungen haben gezeigt, daß die Währungsordnung und die Aufsicht über die Lenkung der Kreditinstitute nicht zwei verschiedene, wenn auch koordinierbare Elemente des Verhältnisses zwischen Sparen und Kredit waren. Als vorherrschendes Element hat sich die von der Zentralbank gesteuerte Ordnung der Währung herausgestellt, während die administrative Aufsicht über die Bankunternehmen eher eine dienende Funktion im Hinblick auf den allgemeineren Tatbestand der Währungsordnung übernommen hat. Infolgedessen sind im Bankgesetz vorgesehene Befugnisse, soweit sie als für die Regelung der Währung unwesentlich betrachtet werden, überhaupt nicht aktiviert oder doch nur höchst selten gebraucht worden, während Befugnisse, die auf die Gewährleistung einer geordneten Geschäftsführung der Kreditinstitute abzielen, im wesentlichen zur Steuerung der Liquidität eingesetzt werden2 o. Diese Konzentration von Funktionen in einem einzigen Rechtsträger hat zumindest in der Praxis auch die im Gesetz von 1936/ 1938 angelegte organisatorische Spannung zwischen der Steuerung der Währung und 19 Zu den Folgen dieser Konzentration vgl. F. M erusi, Per uno studio sui poteri della banca centrale (Fn. 5). 20 Den einheitlichen Charakter des Phänomens Geld und Kredit und die demzufolge gebotene Verschmelzung der Kreditlenkung mit der Steuerung der Liquidität hat mit reichhaltigen Argumenten v or allem betont F. Caprig!ione, Intervento pubblico e ordinamento del credito, Milano 1978.

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der Aufsicht über die Kreditinstitute entfallen lassen. Die vorherrschende Funktion hat die dienende Funktion in sich aufgenommen, und heute erscheint jede Befugnis zur Regelung der Liquidität als bei der Zentralbank konzentriert, während das Regierungsorgan, der Interministerielle Ausschuß, der für die im Rückgang befindliche oder jedenfalls dienende Funktion zuständig ist, an primärer Bedeutung verloren oder jedenfalls seine Befugnisse nicht über die ihm zunächst zugewiesene Aufgabe hinaus ausgedehnt hat21 • Angesichts dieser Situation läßt sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, daß das mit dem Begriff .,Republik" gemeinte Rechtssubjekt die Zentralbank ist. Diese Lösung legen auch die Beziehungen zwischen Art. 47 und den in der Verfassung niedergelegten anderen Faktoren des wirtschaftlichen Gleichgewichts nahe, dem Außenwert der Währung und den öffentlichen Ausgaben. Diese Beziehungen fallen aus dem Rahmen des Bankgesetzes heraus, werden aber in unterschiedlicher Weise direkt oder indirekt durch Personalunion mit dem Gouverneur (wie im Falle des italienischen Devisenamts) 22 der Zentralbank zugerechnet. Einwendungen ließen sich nicht so sehr vom Wortlaut des Art. 47 her geltend machen - insofern als ein Begriff wie die .,Republik" offensichtlich mit jeder Lösung verträglich ist, die auf öffentliche Rechtsträger abstellt - als unter Bezug auf das System der Verfassungsorgane in seiner Gesamtheit. Es ließe sich vertreten, daß der öffentliche Träger, der für die Steuerung der Liquidität zuständig ist, auf jeden Fall in das repräsentative Rahmenwerk einer auf die Volkssouveränität gegründeten Verfassungsordnung eingefügt werden muß (Art. 1). Die Zentralbank scheint außerhalb dieses Zusammenhanges zu stehen. Was die Währungsordnung betrifft, so verfügt sie über eigene Zuständigkeiten und daher über eine bemerkenswerte Autonomie gegenüber der Regierung und insbesondere dem Schatzministerium. Am schlagendsten kommt diese Autonomie in der Unabhängigkeit und .,Stabilität" des Gouverneurs zum Ausdruck. Der Gouverneur wird durch Beschluß des Präsidiums (Consiglio Superiore) der Banca d'Italia ernannt, der seinerseits gebilligt sein muß durch ein vom Premierminister im Einvernehmen mit dem Schatzmi2 1 Vgl. insbesondere die statistischen Untersuchungen von F . BeHi I A. Maio, Un decennio di attivita del CICR, in : P. Vitale (H rsg.), L'ordinamento del credito fra due crisi (192911973), Bologna 1977, S. 79 ff., und F. B e Hi, Legge bancaria e politica del credito, Impresa, Ambiente e P. A. 1975, S. 529 ff. 22 Wegen einer Beschreibung der Struktur und der Aufgaben des Italienischen Devisenamtes (Ufficio Italiano Cambi) vgl. A . Pangrazi, Aleune consider a zioni su l'Ufficio Italia no dei Cambi: istituzion e, funzione e r a pporti con al Banca d 'Italia, Diritto e Econ. 1980, S . 7 ff.; v gl. a uch insbes. wegen der im T e xt b ehandelten Problematik V . M ezzacapo, La Banca d 'Italia e le banehe autorizzate a fungere da sue agenzie, in: F. Capriglione I V. Mezzacapo (Hrsg.), Il sistema valuta rio italiano, Bd. I, Milano 1981, S . 171 ff.

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nister und nach Anhörung des Ministerrats vorgeschlagenes Dekret des Präsid