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German Pages 190 Year 1999
OXANA M. BALAYAN
Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Schriften zum Internationalen Recht
Band 104
Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Eine rechtliche Untersuchung der Organstruktur der GUS im Vergleich zur Europäischen Gemeinschaft
Von
Oxana M. Balayan
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Balajan, Oksana M.: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) : eine rechtliche Untersuchung der Organstruktur der GUS im Vergleich zur Europäischen Gemeinschaft I von Oxana M. Balayan. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 104) Zug!.: Regensburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08982-0
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08982-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Die danach erschienene Literatur und Rechtsprechung sowie die neusten GUSAbkommen konnten bei dieser Veröffentlichung weitgehend berücksichtigt werden. Die Arbeit ist somit auf dem Stand von November 1997. Ich danke zunächst meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Rainer Arnold, der mich zu einer Promotion in Deutschland angeregt und durch seine engagierte Betreuung nachhaltig unterstützt hat. Mein Dank gilt außerdem dem leider vor kurzem verstorbenen Herrn Professor Dr. Otto Kimminich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke auch der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung für die finanzielle Förderung meines Promotionsstudiwus. Einen besonderen Dank schulde ich meinen Freunden und meinem Bruder Arsen, die die Entstehung dieser Arbeit beeinflußt und mitverfolgt haben. Meinen Eltern Natalia Balayan und Mischa Balayan ist diese Dissertation in Dankbarkeit für ihre große Hilfe gewidmet. Moskau, April 1998 Oxana M Ba/ayan
Inhaltsveneichnis Einleitung ................................................................................................................. 15 I. Kapitel
Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
19
A. Völkerrechtliche Integrationstheorie ..................................... ................. ............... 20 B. Begriff und Fonnen der Wirtschaftsintegration ..................................................... 21 I. Begriff der Integration und der Wirtschaftsintegration ..................................... 21 ll. Integration, Desintegration, Reintegration und Neuintegration in der GUS ....... 23
ill. Fonnen der Wirtschaftsintegration ................................................................... 24 I. Freihandelszone .......................................................................................... 25 2. Zollunion .................................................................................................... 27 3. Gemeinsamer Markt ................................................................................... 28 4. Wirtschaftsunion ........................................................................................ 29 5. Vollständige Integration .............................................................................. 29 IV.Grade der Integration ....................................................................................... 30
c.
Wirtschaftliche und politische Integration .................................................. :.......... 32
I. Föderalistische Konzepte ................................................................................. 33 ll. Funktionalistische Konzepte ............................................................................ 33 D. Ausgangspunkte fi1r die weitere Untersuchung ..................................................... 34 2. Kapitel
Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
37
A. Entstehung und Entwicklung der GUS .................................................................. 38 I. Auflösung der UdSSR als Völkerrechtssubjekt ................................................ 38 ll. Gründung der GUS .......................................................................................... 41 1. Erster Schritt: Gründung der GUS am 8. Dezember 1991 ........................... .42 2. Zweiter Schritt: NeugrUndung am 21. Dezember 1991 ................................ 43
8
Inhaltsverzeichnis ill. Entwicklungsphasen der GUS ......................................................................... 44
I. Zeit der Desintegrationstendenzen .............................................................. 44 2. Zeit der Stabilisierungstendenzen ............................................................... 46 3. Zeit der Intensivierung der multilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ............................................................................................................. 46 4. Zeit der Bildung sub-regionaler Wirtschaftsräume ..................................... .47 IV.Konzeptionelle Gegensätze innerhalb der GUS ................................................ 48 1. Rußland ...................................................................................................... 49 2. Die Ukraine ................................................................................................ 49 3. Kasachstan und die Idee einer Eurasischen Union ....................................... 50 B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS ............................................................ 52 I. Vertragsstruktur des wirtschaftlichen Integrationsvorgangs in der GUS ............ 52 I. Satzung der GUS ........................................................................................ 52 2. Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion ....................................... 55 3. Abkommen über die Errichtung der Freihandelszone .................................. 56 4. Abkommen über die Zollunion.................................................................... 58 11. Wirtschaftspolitische Ziele der GUS im Vergleich zur EG ............................... 60 C. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion .................... 62 I. Die GUS ....................... ,................................................................................. 63 I. Gtilndungsstaaten der GUS ......................................................................... 63 2. Mitgliedstaaten der GUS ............................................................................ 65 a) Gtilndungsstaaten als Mitglieder der GUS ............................................. 65 b) Allgemeine Beitrittsklausel der GUS-Satzung ........................................ 66 c) Sonderstellung Moldovas ....................................................................... 66 d) Die Ukraine und Turkmenistan .............................................................. 67 e) Austrittsklausel der GUS-Satzung .......................................................... 67 3. Beobachterstaaten der GUS ........................................................................ 67 4. Assoziierte Mitglieder der GUS .................................................................. 68 5. Teilnehmerstaaten der GUS ........................................................................ 68 11. Die GUS-Wirtschaftsunion .............................................................................. 70 1. Reguläre Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion .......................................... 70
2. Assoziierte Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion ....................................... 70 3. Beitritt zur GUS-Wirtschaftsunion .............................................................. 71 4. Austritt aus der GUS-Wirtschaftsunion ....................................................... 72
Inhaltsverzeichnis
9
ill. Bewertung der Beitritts- und Assoziienmgsregeln in der GUS ......................... 72 D. Bewertung des gegenwartigen Standes der Wirtschaftsintegration in der GUS ...... 73 3. Kapitel Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
75
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS ............................................. 76 I. Allgemeine Organe der GUS ........................................................................... 76 I. Rat der Staatschefs ..................................................................................... 77 2. Rat der Regierungschefs ............................................................................. 77 3. Exelcutivselcretariat der GUS ...................................................................... 78 4. Wirtschaftsgericht der GUS ........................................................................ 78 5. Menschenrechtskommission ....................................................................... 79 6. Interparlamentarische Versammlung ........................................................... 80 7. Sonstige GUS-Organe und Ständige Vertreter der GUS-Staaten .................. 80 ll. Organe der interministerialen Zusammenarbeit ............................................... 82 I. Rat der Außeruninister ................................................................................ 82 2. Rat der Innenminister ................................................................................. 82 3. Rat der Verteidigungsminister .................................................................... 83 4. Rat der Leiter der Sicherheitsdienste .......................................................... 84 5. Rat der Befehlshaber der Grenztruppen ...................................................... 85 6. Rat der Leiter der Zollbehörden .................................................................. 85 7. Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden .......... ................................... 86
m. Organe der Wirtschafts- und Zahlungsunion .................................................... 86 IV.Organe ftlr branchenspezifische Zusammenarbeit ............................................ 87 V. Vorsitz in den GUS-Organen ........................................................................... 88 VI.Amts- und Arbeitssprachen der GUS ........................ ;...................................... 90 B. Institutionelle Struktur der Wirtschafts integration im einzelnen ............................ 91
I. Rat der Staatschefs .......................................................................................... 92 1. Rechtsgrundlage ......................................................................................... 92 2. Zusammensetzung und Rechtsstellung ........................................................ 93 3. Aufgaben und Kompetenzen ....................................................................... 94 4. Handlungsformen ....................................................................................... 95 a) Klassifizienmg der Handlungsformen in den GUS-Verträgen ................. 95 b) In der Praxis verwendete Handlungsformen ............................................ 96 c) Rechtsalete des Rates im innerstaatlichen Recht der GUS-Staaten ........... 97
10
Inhaltsverzeichnis 5. Beschlußfassung ............................................................................ c•••••••••••• 98 a) Konsens-Regelung der GUS-Satzung ...................................................... 98 b) "Konsens minus eins"-Fonnel der Interimsverfahrensregeln ................... 98 c) Lösung der Konkurrenz der Konsens-Regelung und der "Konsens minus eins"-Fonnel .............................................................................. 100 d) Desinteresse-Klausel. .................................. ........................ ................. 101 6. Vergleich mit dem Europäischen Rat ........................................................ 102 7. Bedeutung des Organs filr die Wirtschaftsintegration ................................ 103 II. Exekutivsekretariat der GUS ......................................................................... 104 1. Rechtsgrundlage ....................................................................................... 104 2. Zusammensetzung und Rechtsstellung ...................................................... 106 3. Struktur ..................................................... ........................ ...... .... ............. 108 4. Kompetenzen und Aufgaben ..................................................................... 108 a) Unterstützung der Tätigkeit des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs ............................................................................. 109 b) Archivierung und Registrierung der GUS-Rechtsakte ........................... 110 c) Infonnationsaustausch und Statistik: ..................................................... 110 5. Vergleich mit dem Generalsekretariat des Rates der EU ........................... 111 6. Bedeutung des Organs flir die Wirtschaftsintegration ................................ 112 IIl. Zwischenstaatliches Wirtschaftskomitee der Wirtschaftsunion ........ .... ........... 113 I. Rechtsgrundlage ....................................................................................... 114 2. Kompetenzen und Aufgaben ..................................................................... 115 a) Hauptaufgaben ..................................................................................... 116 b) Funktionen........................................................................................... 116 c) Befugnisse des Wirtschaftskomitees ..................................................... 118 aa) Vorschlagsbefugnisse ..................................................................... 118 bb) Beratungsbefugnisse ...................................................................... 119 cc) Kontrollbefugnisse ......................................................................... 120 dd) Koordinationsbefugnisse ................................................................ 120 3. Struktur und Zusammensetzung ................................................................ 121 a) Präsidium ............................................................................................ 121 b) Kollegium ............................................................................................ 122 c) Verwaltungsapparat ............................................................................. 124 4. Rechtsstellung .......................................................................................... 124 5. Handlungsfonnen ..................................................................................... 126
Inhaltsverzeichnis
II
6. BeschlußfasSlUlg ....................................................................................... 127 a) Einstimmige Beschlüsse....................................................................... 127 b) Beschlüsse mit gewogener qualifizierter Mehrheit.. .............................. 128 c) Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit.. ............................ ;.................. 129 d) Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.. ................................................ .. ... 130 7. Vergleich mit den entsprechenden Organen der EU .................................. 131 8. Bedeutung ftlr die Wirtschafts integration .................................................. 133 N.Wirtschaftsgericht der GUS ........................................................................... 135 1. Rechtsgrundlage ....................................................................................... 136 2. Aufgaben und Zuständigkeiten.................................................................. 137 a) Beilegung der Streitigkeiten ................................................................. 138 b) Auslegungszuständigkeiten .................................................................. 139 c) Sonstige Zuständigkeiten und Befugnisse ............................................. 140 3. Zusammensetzung und Rechtsstellung ...................................................... 141 a) Richter ................................................................................................. 141 b) Generalberater ..................................................................................... 142 c) Sonstige organisatorische Fragen .......................................................... 143
4. Struktur .................................................................................................... 144 a) Plenum des GUS-Wirtschaftsgerichts ................................................... 144 b) Vollsitzungen des GUS-Wirtschaftsgerichts ......................................... 145 c) Kammern des GUS-Wirtschaftsgerichts ............................................... 146 d) Verwaltungsapparat des GUS-Wirtschaftsgerichts ................................ 146 5. Handlungsfonnen ..................................................................................... 147 a) Klassifizierung ..................................................................................... 147 b) Rechtsprechung des GUS-Wirtschaftsgerichts ...................................... 148 c) Bindungskraft der Entscheidungen ....................................................... 150 d) Veröffentlichung der Entscheidungen ................................................... 151 6. Verfahrensarten ........................................................................................ 152 7. Vergleich mit dem Europäischen Gerichtshof.. .......................................... 154 8. Bedeutung des Organs ftlr die Wirtschaftsintegration ................................ 156 V. Interparlamentarische Versammlung .............................................................. 157 1. Rechtsgrundlage ....................................................................................... 157 2. Zusammensetzung .................................................................................... 158 3. Rechtsstellung .......................................................................................... 159
12
Inhaltsverzeichnis 4. Kompetenzen lUld Aufgaben .................................................... ·................. 160 5. Struktur ............................................................................;....................... 162
a) Rat. ...................................................................................................... 162 b) Komnllssionen ..................................................................................... 163
c) Sekretariat des Rates............................................................................ 163
6. BeschlußfasSlUlg lUld HandllUlgsfonnen .................................................... 164 7. Vergleich mit dem Europäischen Par1ament.. ............................................. 165 8. BedeutlUlg ft1r die Wirtschaftsintegration .................................................. 167 4. Kapitel Rechtsnatur der GUS
169
ZUsammenfasSlUlg .................................................................................................. 173 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 177 Sachwortregister ..................................................................................................... 183
Abkürzungsverzeichnis Abs.
Absatz
APEC
Forum zur asiatisch-pazifischen Wirtschaftskooperation
Art.
Artikel
ASEAN
Association of South East Asian Nations
AFTA
ASEAN Free Trade Area
BENELUX
Wirtschaftsunion zwischen Belgien, Luxemburg und den Niederlanden
CEFfA
Central European Free Trade Area
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (bisher: EWGV)
EJIL
European Journal ofInternational Law
EP
Europäisches Parlament
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGHSlg.
Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift filr Wirtschaftsrecht
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
FS
Festschrift
GATT
Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen vom 30.10.1947
GIS
Gemeinschaft Integrierter Staaten
GSR
Gemeinschaft Souveräner Republiken
GUS
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
Hb.
Halbband
IPV
Interparlamentarische Versammlung der GUS
14
Ab~gsverzeichrüs
MERCOSUR
Mercado Comim deI Sur
NAFTA
North American Free Trade Area
No.
munber
o.
oben
OECD
Organisation filr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
P.
Punkt
Pos.
Position
Rdnr.
Randnununer
RF
Russische Föderation
Rs.
Rechtssache
RSFSR
Russische Sowjetische Föderale Sozialistische Republik
S.
Seite
s.
siehe
SNG
Sodruzhestwo nezavisimych gosudarstv (Bezeichnung der GUS in russischer Sprache)
UdSSR
Union Sowjetischer Sozialistischer Republiken
Ved. RSFSR
Vedomosti Verchownogo Soweta RSFSR (Gesetzblatt der Russischen Föderalen Sozialistischen Sowjetischen Republik)
Ved.SSSR
Vedomosti Verchownogo Soweta SSSR (Gesetzblatt der UdSSR)
verb. Rs.
verbundene Rechtssachen
vgl.
vergleiche
Vol.
volume
WiRO
Wirtschaft und Recht in Osteuropa
WTO
World Trade Organization
Ziff.
Ziffer
Einleitung Mit dem Zerfall der UdSSR wurde eine geopolitische Struktur aufgelöst. Die wirtschaftliche Interdepenz der ehemaligen Gliedstaaten der So\\jetunion, die sich während der Zeit der Planwirtschaft entwickelt hat, konnte hingegen nicht abgeschaffi: werden. Dies führte zur Suche nach neuen Formen der Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den nunmehr selbständigen Staaten. Ende 1991 haben einige der ehemaligen Unionsrepubliken versucht, das entstandene politische und wirtschaftliche Vakuum durch eine innerlich erneuerte Staatenverbindung, die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) I , auszufüllen. In der hierauf folgenden Zeit hat die GUS ungeachtet ihrer Mängel insbesondere bei der Schaffung eines gemeinsamen Wirtschafts raums auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR an Bedeutung gewonnen. Inzwischen umfaßt diese Gemeinschaft alle ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR mit Ausnahme der baltischen Staaten2 . Die Integrationsprozesse innerhalb der GUS haben zu engeren Staatenverbindungen zwischen den einzelnen GUS-Staaten geführt. So haben Kasachstan, Kyrgystan, Rußland und Weiß rußland am 29. März 1996 eine Gemeinschaft Integrierter Staaten (GIS) gegründet, um ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Kultur zu vertiefen3 . Rußland und Weißrußland haben am 2. April 1996 einen Vertrag über die Gründung der Gemeinschaft
1 In russischer Sprache: Sodruzhestwo nezavisimych gosudarstv (SNG). Die wörtliche Übersetzung ins Deutsch lautet "Freundschaftsbund unabhängiger Staaten". 2 Insgesamt haben sich die zwölf folgenden Staaten der GUS angeschlossen: die Aserbajdschanische Republik (Aserbajdschan), die Republiken Annenien, Georgien und Kasachstan, die Kyrgysische Republik (Kyrgystan), die Republik Moldova, die Russische Föderation (Rußland), die Republik Tadschikistan, Turkmenistan, die Ukraine sowie die Republiken Usbekistan und Weißrußland. Ausfilhrlich zur Frage der Mitgliedschaft in der GUS vgl. unten 2. Kapitel, C, I und 11.
3 OSTinvest, Der Wirtschaftsdienst aus den Staaten der GUS und dem Baltikurn, München, Nr. 14,1996, S. 5 fI.
16
Einleitung
Souveräner Republiken (GSR)4 unterzeichnet, der eine weitgehende Integration beider GUS-Staaten vorsieht. Die GSR wurde anschließend in eine noch engere Staatenverbindung, die sog. Union von Rußland und Weißrußland, umgewandelt. Den entsprechenden Vertrag über die Gründung der Union haben die beiden Staaten arn 2. April 1997 in Moskau unterzeichnet. Am 23. Mai 1997 haben Rußland und Weißrußland die Unionssatzung verabschiedet, in der die Grundlagen der neuen Staatengemeinschaft im einzelnen festgelegt wurden-5 . Die GUS bleibt jedoch nach wie vor das wichtigste Integrationsinstrument und stellt den maßgeblichen Rahmen fiir die wirtschaftliche, politische und militärische Zusammenarbeit der ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR dar. Trotz der grundlegenden Bedeutung der GUS rur die Integrationsprozesse auf dem Territorium der ehemaligen So\\jetunion hat sich die Rechtswissenschaft mit dem Phänomen der GUS bisher nur wenig beschäftigt. Der Grund fiir die geringe Zahl der Veröffentlichungen liegt nicht zuletzt darin, daß das Quellenmaterial nur noch schwer überschaubar6 und zum Teil selbst in Originalsprache nicht zugänglich ist7 . Aus diesem Grunde wurde in dieser· Arbeit dem Quellenmaterial besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die institutionelle stnJktur8 der Wirtschaftsintegration im Rahmen der GUS. Die Gestaltung der politischen und militärischen Zusammenarbeit der GUS-Staaten bleibt außer acht.
4 OSTinvest, Der Wirtschaftsdienst aus den Staaten der GUS und dem Baltikum, MÜIlchen, Nr. 14, 1996, S. 4; Wolfgang Glickeritz. Die vertraglichen Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (Teil 6), Recht der Ostwirtschaft, 1996, S. 241 ff.
5 Die Texte des Unionsvertrages vom 2. April 1997 und der Satzung vom 23. Mai 1997 sind in der russischen juristischen Datenbank GARANT in Russisch und Englisch vorhanden. 6 Innerhalb der ersten ftlnf Jahre der GUS-Existenz wurden allein von dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs über 800 Dokumente verabschiedet. Vgl. E.G. Moiseev, Mezhdunarodno-pravovyje osnovy sotrudnitschestwa stran SNG, Moskau, 1997, S. 5; Sergej Karaganov, Rußland und das "nahe Ausland", Internationale Politik, Heft 5, 1995, S. 11. 1 Vgl. zur Frage des Zuganges zu den GUS-Dokumenten Vladimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 7.
8 Mit dem Begriff der institutionellen Stroktur werden für den Zweck der vorliegenden Untersuchung der Organaufbau und die Entscheidungsmechanismen einer Staatengemeinschaft bezeichnet.
Einleitung
17
Um die Integrationsprozesse in der GUS besser analysieren zu können, wird die GUS nicht isoliert, sondern im Vergleich zu einem anerkannt gelungenen Beispiel der zwischenstaatlichen Integration, der Europäischen Union (EU), betrachtet. Dieser Vergleich erscheint zweckmäßig, weil im Rahmen der EU ein supranationaler Rechtskreis entwickelt wurde, der Modellcharakter fiir die zwischenstaatliche wirtschaftliche Zusammenarbeit auf verschiedenen Kontinenten gewonnen hat9 . Der eigentlichen Untersuchung werden die theoretischen Überlegungen zur Wirtschaftsintegration vorangestellt. Dabei werden insbesondere der Begriff, die einzelnen Formen und Grade der Wirtschaftsintegration definiert, die den Maßstab fiir die Bewertung des gegenwärtigen Standes der wirtschaftlichen Integrationsprozesse in der GUS bilden. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird ein Überblick über die bisherige Entwicklung und die Rechtsgrundlagen der GUS gegeben. In diesem Zusammenhang werden die wichtigsten multilateralen GUS-Abkommen dargestellt, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit der GUS-Staaten regeln. Anband dieser Vorschriften werden die wirtschaftspolitischen Ziele der GUS im Vergleich zur Europäischen Gemeinschaft ermittelt und die Mitgliedschaftsregeln in der GUS untersucht. Daraufhin wird der erreichte Stand der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS nach Form und Grad geprüft. Den Hauptteil der vorliegenden Arbeit bildet die Untersuchung der Organstruktur der GUS. Nach einer überblickartigen Darstellung des Gesamtsystems der GUS-Organe werden diejenigen Organe detailliert untersucht, die von vorrangiger Bedeutung fiir die Wirtschaftsintegration der GUS-Staaten sind. Es wird eine genaue Analyse der Kompetenzen, des Beschlußverfahrens und der Handlungsformen einzelner GUS-Organe vorgenommen und jeweils der Vergleich zum entsprechenden Organ der EU gezogen. Es soll dabei herausgearbeitet werden, ob in der GUS schon die Grundlage fiir supranationale Entscheidungsmuster gegeben ist oder ob rechtlich und faktisch eher völkerrechtliche Mechanismen Platz greifen. Im Anschluß daran wird auf die Fragen nach der Rechtsnatur der GUS eingegangen. Anschließend erfolgt die zusammenfassende Gesamtbewertung des institutionellen Systems der GUS unter Berücksichtigung der europäischen Erfahrungen. Insbesondere wichtig erscheint dabei die Frage, ob die gegenwärtige Organstruktur der GUS mit dem vorhandenen Handlungsinstrumentarium das Ziel der Wirtschaftsintegration adäquat erfiillen kann.
9 Vgl. Claus Eiselstein, Die Europäische Gemeinschaft in der Weltwirtschaftsordnung: Zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, Standards und Charakteristika im Außenwirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, Berlin, 1987, S. 19. 2 Balayan
18
Einleitung
Angemerkt sei, daß die nachfolgende Untersuchung nicht das Ziel verfolgt, eine ausführliche Darstellung aller juristischen Probleme der GUS oder eine umfassende rechtsvergleichende Studie über die zwei Wirtschaftsgemeinschaften EU und GUS zu sein. Vielmehr dient sie dem Zweck, die in den GUSAbkommen festgelegte und für die wirtschaftliche Integration maßgebende institutionelle Struktur der GUS anband der rechtlichen Parallelen mit der EU zu bewerten sowie Lösungsvorschläge für die regelungsbedürftigen institutionellen Probleme in der GUS zu erarbeiten. Die Bewertung der institutionellen Struktur der GUS erfolgt allein unter juristischen Kriterien. Den Maßstab bilden zunächst die materiell-rechtlichen Ziele der GUS. Des weiteren werden das Völkerrecht und die Erfahrungen der EU herangezogen. Eine wissenschaftlich begründete ökonomische, politische und soziologische Bewertung der GUS bleibt einer weiteren interdisziplinären Studie vorbehalten.
Erstes Kapitel
Grundgedanken der Wirtschaftsintegration Die Geschichte der Weltwirtschaft kennt verschiedene Erscheinungsformen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich und der Errichtung einheitlicher Wirtschaftsräume. Sie reichen vom Deutschen Zollverein und der Zollunion Rußlands mit ihren Kolonien im 19. Jahrhundert bis zu den modemen Integrationsformen, die sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg herausgebildet habenI. Die Neugestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR vollzieht sich im Kontext der weltweit zu beobachtenden Tendenz zur Integration einzelner Länder hin zu regionalen Wirtschaftsblöcken. Die zwischenstaatlichen Zusammenschlüsse erfolgen derzeit auf drei Wegen: - durch die Eingliederung der Staaten in bereits funktionierende Integrationsstrukturen. Als Beispiel hierfür lassen sich der Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden zur Europäischen Union zum l.1.1995 und die Einbeziehung der mitteleuropäischen Staaten in die EU auf Grundlage der Europa-Abkommen2 nennen; durch die Errichtung neuer regionaler Integrationsverbände, wie zum Beispiel NAFTA, CEFTA oder MERCOSUR3;
Vgl. zum völkerrechtlichen Rahmen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen Otto Kimminich, Das Völkerrecht und die neue Weltwirtschaftsordnung, Archiv des Völkerrechts, Bd. 20, 1982, S. 2 fT.; vgl. zur Geschichte der zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit Helmut Berding (Hrsg.), Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen, 1984; Albrecht Weber, Geschichte der internationalen Wirtschaftsintegrationen, Wiesbaden, 1983. 2 Vgl. zu den Europa-Abkommen Rainer Amold, Außenhandelsrecht. Grundlagen, in: M. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, München, 1993, 1. Ergänzungslieferung, 1995: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie Europaabkommen, K. I, Rdnr. 129 ff.
3
Vgl. hierzu unten 1. Kapitel, B, m, 1 und 3.
20
I. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
durch Neustrukturierung der wirtschaftlichen Beziehungen im Rahmen bereits existierender Integrationsgemeinschaften, wie dies am Beispiel von ASEAN4 zu beobachten ist. Für alle diese regionalen Zusammenschlüsse wird der Begriff der Integration verwendet, wobei wirtschaftliche Bedeutung, angestrebte Ziele, angewandte Methoden und erzielte Erfolge der Integration in jedem einzelnen Fall sehr unterschiedlich sind. Im folgenden werden der Begriff, die Formen und Grade der Wirtschaftsintegration untersucht, die für die Bewertung des erreichten Integrationsstandes innerhalb der GUS maßgebend sind.
A. Völkerrechtliche Integrationstheorie Die Völkerrechtswissenschaft hat bisher keine umfassende Theorie der Wirtschaftsintegration erarbeitet, die eine Systematisierung der rechtlichen Parallelen und Unterschiede in verschiedenen Wirtschaftsgemeinschaften zum Gegenstand hat und eine Bewertung der rechtlichen Instrumente der Integration anband des empirischen Vergleichs von Integrationszielen und Integrationserfolgen anbieten kann. Eine völkerrechtliche Integrationstheorie ist vielmehr nur in Ansätzen vorhandens . Es existieren zwar zahlreiche, teilweise rechtsvergleichende Studien völkerrechtlicher Abkommen, die der zwischenstaatlichen Wirtschaftsintegration zu Grunde gelegt worden sind. Diese Untersuchungen bieten jedoch keine aus der Praxis abgeleiteten oder standardisierten rechtlichen Integrationstechniken, die bei der praktischen Ausgestaltung der regionalen Zusammenschlüs-
4
Vgl. hierzu unten 1. Kapitel, B, m, 1.
Von den wenigen Werken, die sich mit den Fragen der völkerrechtlichen Integrationstheorie befassen, lassen sich folgende nennen: Albrecht Weber, Schutznonnen und Wirtschaftsintegration: Zur völkerrechtlichen, europarechtlichen und internationalen Problematik von Schutzklauseln und ordre-public-Vorbehalten, 1. Aufl., BadenBaden, 1982, S. 34 tf.; Ernst U. Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht und Investitionsgesetzgebung der Entwicklungsländer: Grundprobleme, rechtsvergleichende und multidisziplinäre Aspekte, Baden-Baden, 1974, S. 46 tf.; BeutlerlBieberlPipkornl Streil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 70 tf.; GajaIHaylRotunda, Instruments for Legal Integration in the European Community - a Review, in: Cappelietti/SecombeIWeiler (Hrsg.), Integration Through Law. Europe and the American Federal Experience, Bd. 1,2. Rb., Berlin-New York, 1985, S. 113 tf. 5
B. BegritTund Fonnen der Wirtschaftsintegration
21
se von den Teilnehmerstaaten genutzt werden könnten, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu erreichen6 . Die wirtschaftswissenschaftlichen und politologischen Integrationstheorien sind dagegen bereits weiter entwickelt und dienen als Grundlage für die Systematisierung, Bewertung und praktische Ausgestaltung verschiedenster Integrationsvorgänge.
B. Begriff und Formen der Wirtschaftsintegration I. Begriff der Integration und der Wirtschaftsintegration Der Begriff der Integration wird in der Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaft jeweils unterschiedlich definiert. Eine gewisse Einigkeit besteht bezüglich der allgemeinen Bedeutung des Wortes "Integration", das jeden Prozeß oder Zustand bezeichnet, in dem Teileinheiten vor allem wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Art in einem zusammenfassenden Ganzen verbunden werden oder verbunden sind, und die Einheit im Handeln und Bewußtsein der beteiligten Personen und Institutionen ständig aktualisiert wird7. Ausgehend vom allgemeinen Integrationsbegriff wird in der vorliegenden Untersuchung unter Wirtschaftsintegration ein Zusammenschluß mehrerer Staatsräume zu einem Wirtschaftsgebiet mit binnenmarktähnlichen Verhältnissen verstanden8 . Die Wirtschaftsintegration kann hierbei als Endzustand oder als Prozeß aufgefaßt werden. 6 Vgl. Ernst U. Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht und Investitionsgesetzgebung der Entwicklungsländer: Grundprobleme, rechtsvergleichende und multidisziplinäre Aspekte, Baden-Baden, 1974, S. 51.
7 Vgl. Hans R. Krämer, Fonnen und Methoden der internationalen wirtschaftlichen Integration. Versuch einer Systematik, Tübingen, 1969, S. 21 ff.; JUrg Niederbacher, Das Recht der Technik in der europäischen Integration, Zürich, 1991, S. 7 tT.; RudolfSmend, Integration, in: Roman Herzog (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl, Stuttgart, 1987, Bd. I, S. 1355.
8 Zwn Begriff der Wirtschaftsintegration vgl. Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 4-5; Hans Kasten, Die Europäische Wirtschaftsintegration. Grundlagen, München, 1978, S. II ff.; Dieter Obereseh, Die Wirtschaftliche Integration der BENELUX-Staaten, KölnBerlin-Bonn-München, 1983, S. 2-3; Jacques Pelkmans, The Institutional Economies of European Integration, in: Cappelleni/SecombelWeiler (Hrsg.), Integration Through Law. Europe and the American Federal Experience, Bd. I, l. Hb., Berlin-New York, 1985, S. 318 ff.
22
I. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
Die Integration wird häufig der Kooperation gegenübergestellt. Der Kooperationsbegriff wird dann venvendet, wenn einzelne Länder staatenübergreifend zusammenarbeiten, ohne auf ihre nationale Souveränität zu verzichten. Der Begriff der Supranationalität9 wird dabei als Unterscheidungskriterium zwischen Integration und Kooperation herangezogen. Es wird demgemäß behauptet, daß im Rahmen einer traditionell-zwischenstaatlichen internationalen Organisation keine Integration, sondern lediglich eine wirtschaftliche Zusammenarbeit kooperativer Art stattfindet 10 . Diese Unterscheidung bediogt, daß jede Integration zwingend ein supranationales Element enthält. Es ist in diesem Falle fraglich, ob die wirtschaftliche Zusammenarbeit der ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR im Rahmen der GUS als Wirtschaftsintegration bezeichnet werden darf, weil dieses Gebilde die Merkmale einer supranationalen Gemeinschaft noch nicht aufweist. Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung bedarf der Begriff der Wirtschaftsintegration daher einer weiteren Bestimmung. Als Grundlage für die Abgrenzung zwischen der wirtschaftlichen Integration und Kooperation wird die Differenzierung der Integrationsstufen (oder Integrationsformen) nach Freihandelszone, Zollunion, Gemeinsamer Markt, Wirtschaftsunion sowie vollständige Wirtschafts- und Währungsunion II venvendet, die vom amerikanischen Ökonom Bela Balassa in den 60er Jahren entwickelt wurde. Demzufolge fallen unter den Begriff der Integration wirtschaftliche Zusammenschlüsse jeder Form, die mindestens die Integrationsform einer Freihandelszone aufweisen oder jedenfalls anstreben. Somit können bereits die Verhandlungen über den Abschluß eines Abkommens zur Gründung einer Freihandelszone eine Wirtschaftsintegration begründen. Die wirtschaftliche Integration kann dementsprechend sowohl im Rahmen einer internationalen Organisationinternationale als auch innerhalb einer supranationalen Gemeinschaft erfolgen. Auf die zwischenstaatliche Zusammenarbeit, die über die Grenze einer bloßen Handelsliberalisierung nicht hinauskommt, wie etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ist hingegen der Begriff der Kooperation anzuwenden.
9 Vgl. zwn Begriff der Supranationalität Thomas Oppennann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 390 ff. und 775 ff. 10 Vgl. Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 6-7, mit weiteren Nachweisen zur Literatur.
11
Vgl. hierzu unten 1. Kapitel, B, ill.
B. Begriff und Fonnen der Wirtschaftsintegration
23
Wie bereits oben festgestellt, setzt die Integration kein spezifisches Integrationsmuster voraus, sondern umfaßt das ganze Spektrum möglicher Zusammenschlüsse, deren Fonnen und Ziele von zeitlich, räumlich und funktionalbegrenzten Fonnationen bis hin zu politischen Föderationen reichen können. Nach dieser Auffassung findet die Wirtschaftsintegration sowohl in der Europäischen Gemeinschaft als auch in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten statt, wenngleich die angestrebten und verwirklichten Integrationsfonnen und -grade unterschiedlich sind
11. Integration, Desintegration, Reintegration und Neuintegration in der GUS Hinsichtlich der Neugestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den ehemaligen Gliedstaaten der Sowjetunion wird in der Fachliteratur zwischen Integration, Reintegration, Neuintegration und Desintegration unterschieden 12 . Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung bedürfen diese Begriffe ebenfalls der Erläuterung und weiteren Eingrenzung. Mit wirtschaftlicher Desintegration wird das Gegenteil der Integration bezeichnet, also Zerfall, Auseinandergehen bzw. ZuIiickziehen von wirtschaftlichen Integrationsmaßnabmen 13 . Von Desintegration innerhalb der GUS kann deshalb dort gesprochen werden, wo es um den Zerfall des einheitlichen Wirtschaftsraums der UdSSR in einzelne völlig unabhängige Volkswirtschaften bzw. Nationalstaaten geht, die keinerlei Integrationsbestrebungen untereinander aufweisen. Die Desintegrationstendenzen haben in der GUS im Jahre 1992 dominiert. Mit wirtschaftlicher Reintegration bezeichnen manche Autoren die Wiederherstellung früherer Wirtschaftsbeziehungen, die den Wiederaufbau des 12 Vgl. hierzu Andrei Zagorski, Die Entwicklungstendenzen der GUS: Von der Differenzierung zur Konsolidierung?, Bericht des Bundesinstituts für ostwissenschaftliehe und internationale Studien, Köln, Nr. 24, 1994, S. 14 ff.; Vladimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, in: Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 29 ff.; Olga Alexandrova, Rußland und sein "nahes Ausland": Integrationsvorstellungen und Ansätze der russischen Integrationspolitik, Berichte des Bundesinstituts fUr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 20, 1995, S. 15 ff. 13 Man/red Mols, Integration, in: Görres-Gesellschaft (hrsg.), Staatslexikon: Recht. Wirtschaft. Gesellschaft, 7. Aufl., Bd. 3, Freiburg-Basel-Wien, 1987, S. 111; Hans Kasten, Die Europäische Wirtschaftsintegration. Grundlagen, München, 1978, S. 11.
24
I. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
administrativen Komrnandosystems und die Renaissance der Hegemonie Rußlands voraussetzt 14. Da dieser Begriff hierdurch einen negativen Sinn erlangt, wird der Reintegration die Integration oder Neuintegration als positive Alternative gegenübergesteIltIS. Die (Neu-) Integration hat als Ziel einen Zusammenschluß der GUS-Staaten auf einer neuen Grundlage. Diese Gegenüberstellung der (Neu-) Integration und Reintegration erscheint für die Bewertung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der GUS-Republiken jedoch nicht maßgebend, weil beide Prozesse im Ergebnis zur Bildung eines einheitlichen Wirtschaftsraums führen und somit schließlich mit dem Oberbegriff Integration bezeichnet werden können. Aus diesem Grunde wird bei der Darstellung der Integrationsvorgänge auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion sowohl der Begriff der Integration bzw. Wirtschaftsintegration als auch der Begriff der Reintegration im Sinne eines Zusammenschlusses einzelner GUS-Staaten zu einem Wirtschaftsgebiet verwendet.
III. Formen der Wirtschaftsintegration Die herrschende Theorie der Formen (oder Stufen) der Wirtschaftsintegration wurde vom amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Beta Balassa entwickelt 16 . Je nach Art der Handelshemmnisse, die im Zuge der Errichtung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets beseitigt werden, wird zwischen den fünf folgenden Formen der Wirtschaftsintegration unterschieden: Freihandelszone, Zollunion, Gemeinsamer Markt, Wirtschaftsunion sowie vollständige Wirtschafts- und Währungsunion. Diese theoretische Klassifizierung wurde weltweit für die praktische Gestaltung zwischenstaatlicher wirtschaftlicher Zusammenarbeit verwendet. So werden einzelne Formen der Wirtschaftsintegration im Rahmen der Europäischen Union vertraglich definiert und entsprechend verwirklicht.
14 Andrei Zagorski, Die Entwicklungstendenzen der GUS: Von der DifferenzieTWlg zur Konsolidierwtg?, Bericht des Bundesinstituts ftlr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 24, 1994, S. 17.
15 Vladimir Pankov, Die GUSals Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, in: Berichte des Bundesinstituts ftlr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 29.
16
Bela Balassa, The Theory ofEconomic Integration, London, 1969.
B. BegriffWld Fonnen der Wirtschaftsintegration
25
Die Gründer der GUS haben das von Bela Balassa konzipierte System nach EG-Vorbild dem Integrationsgang iraRahmen der GUS zugrundegelegt17. Die einzelnen Formen der Wirtschaftsintegration sind ebenfalls wie in der EG vertraglich festgelegt18 und werden konsequent als Stufen auf dem Weg zur Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion realisiert. In den rechtswissenschaftlichen Veröffentlichungen zur europäischen und GUS-Integration werden die verschiedenen Integrationsformen nur erwähnt, ohne daß auf ihre Abgrenzung gegeneinander näher eingegangen wird. Im folgenden werden die "klassischen" Integrationsformen kurz vorgestellt, um bei der weiteren Anwendung dieser Begriffe auf eine ausführliche Erläuterung der Merkmale zu verzichten, die fUr· die jeweilige Integrationsform gekennzeichnet sind. Eine Darstellung der einzelnen Integrationsformen erscheint auch deswegen erforderlich, weil im internationalen Wirtschaftsrecht keine allgemein geltenden Legaldefinitionen dieser Formen vorhanden sind. Die Ausnahme bilden die Begriffe "Freihandelszone" und "Zollunion", die in Artikel XXIV des GATI-Abkommens definiert sind. 1. Freibandelszone Die Freihandelszone ist ausschließlich durch den Wegfall sowohl tarifärer als auch nicht-tarifärer Handelshemmnisse im Binnenhandel zwischen :len Mitgliedstaaten gekennzeichnet. Es existiert jedoch kein gemeinsamer Außenzoll 19. Handelshernmnisse gegenüber Importen aus Nicht-Mitgliedstaaten werden von einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor selbständig bestimmt und sind daher von Staat zu Staat unterschiedlich. Dies hat aber zur Folge, daß Importwaren über die Mitgliedsländer mit den niedrigsten Handelshernmnissen in die Freihandelszone eingefiihrt werden, um von dort in das endgültige Be17 Vgl. J. W. SchischkowlW.R. Jewstegneew, Reintegratzija postsowetskogo ekonomitscheskogo prostranstwa i opyt zapadnoj Ewropy, Moskau, 1994, S. 38; Vladimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, in: Berichte des BWldesinstituts filr ostwissenschaftliche Wld internationale Studien, Köln, Nr. 2,1995, S. 14. 18 Art. 4 des GUS-Abkommens über die ErrichtWlg der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993. 19 Andreas Lukas, Regionale Wirtschaftsgemeinschaften im internationalen System: Eine Analyse ausgewählter Wirtschaftsgemeinschaften Wld ihrer Interaktionen, insbesondere zwischen der EG Wld der ASEAN, Frankfurt am Main-Bern-New York, 1985, S. 16.
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1. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
stimmungsland zollfrei exportiert werden zu können20 . Hierdurch entgehen dem Bestimmungsland wichtige Zolleinnahmen. Diese Situation kann durch die Einfiihrung von Ursprungslandzeugnissen vermieden werden, wonach nur solche Waren in der Freihandelszone zollfrei gehandelt werden dürfen, die ihren Ursprung in einem der Mitgliedstaaten haben, d.h. dort produziert oder verarbeitet wurden. Dies macht wiederum Bestimmungen notwendig, die festlegen, welchen heimischen Wertschöpfungsanteil (sog. "1ocal content")21 eine Ware aufweisen muß, damit sie als inländische Produktion gelten kann. Die Ursprungslandsregelungen sind oft sehr kompliziert und umständlich und führen zu einer nicht unerheblichen Zahl von Streitigkeiten. Solche Mängel einer Freihandelszone veranlassen die Mitgliedstaaten, eine höhere Form der Wirtschaftsintegration einzugehen. Als Beispiele für eine Freihandelszone aus der jüngsten Zeit lassen sich folgende Zusammenschlüsse nennen: - NAFfA (North American Free Trade Area), deren Mitgliedstaaten die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Mexiko sind22 . Der Abbau von Handelsschranken für nahezu alle Produkte und Dienstleistungen müßte spätestens im Jahre 2009 erfolgen. - CEFTA (Central European Free Trade Area), der Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn angehören. Ein Assoziierungsvertrag mit der EU ist eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der CEFTA. Die CEFTA-Staaten haben ursprünglich geplant, eine Freihandelszone zum 1.1.1998 zu errichten und die Handelshemmnisse bei den sensiblen Gütern wie z.B. Textilien, Eisen, Stahl und Kraftfahrzeugen bis zum Jahre 2001 schrittweise abzuschaffen23 . Die Verwirklichung dieser Pläne wurde jedoch zunächst verschoben.
20 Gerhard Eckert, Europäischer Einigungsprozess, GAIT-VerhandlWlgen Wld weltweite IntegrationsbemühWlgen, VerwaltWIgSTWldschau, Heft 4-5, 1993, S. 127.
21 Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 10. 22 Vgl. ausfiihrlieh über NAFTA Richard Senti, NAFTA - die nordamerikanische Freihande1szone: EntstehWlg - Vertragsinhalt - AuswirkWlgen, Zürich, 1997; Gary C. Hujbauer, NAFTA: ABrief Assessment in: Theodore Georgakopolous (Hrsg.) Economic Integration Between Unequal Partners, 1994, S. 3 ff.; Michael H. Meub, Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, EuZW, Heft 17, 1993, S. 532 ff.; Leonard Wavennan (Hrsg.), Negotiating and hnplementing a North American Free Trade Agreement, Vancouver, B.C.-Toronto, 1992. 23 Hennann element, Integrationspolitik Wld -entwicklWlg im ehemaligen RGWRaum, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut München, Nr. 194, 1996, S. 26 ff.
B. BegritTWld Fonnen der Wirtschaftsintegration
27
- AFTA (ASEAN Free Trade Area), die von den ASEAN-Staaten spätestens im Jahre 2003 verwirklicht werden soll. Dabei handelt es sich um eine völlige Aufhebung von Binnenzöllen oder deren Abbau auf maximal 5%24. Zur ASEAN gehören derzeit Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, Brunei, die Philippinen und Vietnam. 2. Zollunion
In einer Zollunion werden von den Mitgliedstaaten neben der Beseitigung der internen Handelshemmnisse zusätzlich einheitliche Außenzölle vereinbart2S . Dadurch werden die komplizierten Ursprungslandsregelungen überflüssig. Alle Drittlandswaren unterliegen einer Verzollung beim Ersteintritt in die Zollunion. Dies macht eine Vereinbarung über die Verteilung der Zolleinnahmen zwischen den Mitgliedern der Zollunion notwendig. Bereits bei dieser Form der Wirtschaftsintegration können gemeinschaftliche Organe entstehen, die einen AußenzolltarifI sowie Verteilungsgrundsätze festlegen und die Einhaltung der Zollunionsvereinbarungen überwachen26 . Eines der bekanntesten historischen Beispiele für eine Zollunion ist der Deutsche Zollverein von 1834. Dieser Vorläufer der modemen Integrationsgebilde war mit einer Generalkonferenz als Hauptorgan und einem ZentralRechnungsbÜfo ausgestattet. Die Zollvereinsgesetze, die von den Vertretern der Mitgliedstaaten in der Generalkonferenz zuerst einstimmig und nach 1867 sogar mehrheitlich verabschiedet wurden, waren nicht ratifikationsbedürftig und galten auf dem ganzen Territorium des Zollvereins27 .
24 Vgl. Handelsblatt vom 1./2. Wld vom 15./16.9.1995. Darüber hinaus sind die ASEAN-Staaten Mitglieder des Forums zur asiatisch-pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC), das auf den Abbau aller internen Investitions- Wld Handelshemmnisse bis zum Jahr 2020 hinzielt. Weitere Mitglieder von APEC sind Australien, Neuseeland, NAFTA-Staaten, Chile, Japan, Südkorea, Taiwan, Hongkong, China Wld PapuaNeuguinea. Vgl. zu APEC Matthias Heroegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., München, 1995, S. 134.
25 Karlhans Sauemheimer, Wirtschaftsgemeinschaften, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon: Recht. Wirtschaft. Gesellschaft, 7. Aufl., Bd. 5, Freiburg-BaselWien, 1987, S. 1043. 26 Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 11. 27 Albrecht Weber, Geschichte der internationalen Wirtschaftsintegrationen, Wiesbaden, 1983, S. 17-19.
28
1. Kapitel: Gnmdgedanken der Wirtschaftsintegration
Eine Zollunion wurde auch im Rahmen der Europdischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahre 1970 und für gewerbliche Waren bereits zum 1.7.1968 verwirklicht. Angesichts der zahlreichen vorhandenen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird bezüglich der Charakteristik der EG-Zollunion auf diese Literatur verwiesen28 . 3. Gemeinsamer Markt Der Gemeinsame Markt umfaßt eine Zollunion, wobei der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen durch die Errichtung eines einheitlichen Marktes für andere Produktionsfaktoren, nämlich Arbeit und Kapital, ergänzt wird29 . Das erfolgreichste Beispiel hierfür ist die Errichtung des Gemeinsamen Marktes im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, die großenteils zum 31.12.1992 verwirklicht wurde3°. Die Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay haben im Vertrag über den ''Mercado Comun dei Sur" (MERCOSUR), der am 29.11.1991 in Kraft getreten ist, die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zum 31.12.1995 vereinbart31 . Dieser Markt befindet sich noch im Aufbau und kann nicht als vollendet betrachtet werden.
28 Art. 9-37 EWGV; Vgl. u.a. Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991. Rdnr. 1128 ff.; Gerhard Eckert, Europäischer Einigungsprozess, GATIVerhandlungen und weltweite Integrationsbemühungen, Verwaltungsrundschau, Heft 4-5,1993, S. 127 ff.
29 Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. Il. 30 Vgl. u.a. BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl, Baden-Baden, 1993, S. 52 ff.
31 Vgl. es. Filho/J. Samtleben, Der Südamerikanische Markt: Eine rechtliche Analyse des MERCOSUR, Wertpapiermitteilungen: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Heft 33, 1992, S. 1345 ff. und Heft 34, 1992, S. 1385 ff.; Paulo Borba Casella, A Comparative Approach to Competition Law in the European Communities and the Mercosul, Saarbrücken, 1993; Emilio J. Cardenas, The Treaty of Asunci6n: A Southern Cone Common Market (MERCOSUR) Begins to Take Shape, World Competition, 1994, S. 65 ff. Dieser Autor geht allerdings davon aus, daß MERCOSUR eine Zwischenstufe zwischen dem Gemeinsamen Markt und der Wirtschaftsunion darstellt.
B. BegritTWld Formen der Wirtschaftsintegration
29
4. Wirtschaftsunion Eine Wirtschaftsunion ist über den Gemeinsamen Markt hinaus durch Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken gekennzeichnet32 . Die Koordinierungsgrade reichen vom bloßen Informationsaustausch bis hin zur Bildung supranationaler Institutionen mit eigenen Kompetenzen. Die Koordinierung erfolgt vonviegend in Bereichen der Handels-, Wettbewerbs- und Konjunkturpolitik vor allem im Agrar-, Verkehrs-, Industrie-, Energie- und Investitionssektor. Ein weiteres Feld der Angleichung bildet das Wirtschaftsrecht. Die Ausgestaltungsformen von Wirtschaftsunionen können im einzelnen sehr reichhaltig sein33 . Bemerkenswert ist, daß in der Praxis eine Wirtschaftsunion oft gleichzeitig mit der Bildung einer Währungs- oder Zahlungsunion verwirklicht wird, obwohl eine gemeinsame Währungspolitik eigentlich schon zu der nächsten Stufe der Wirtschaftsintegration gehört. Vorbild fiir die Schaffung einer Wirtschaftsunion ist weiterhin die EuroptJisehe Union. Als weitere Beispiele außerhalb des EU-Integrationsprozesses sind die Be/giseh-Luxemburgisehe Wirtsehaftsunion von 1921 34 sowie die Wirtschaftsunion zwischen Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (BENELUX-Wirtsehaftsunion) von 195835 zu nennen.
s. Vollständige Integration Eine vollständige Integration sieht die Einbeziehung weiterer Politikbereiche neben der Wirtschafts- und evtl. auch Währungspolitik in die Kompetenz
32 Andreas Lukas, Regionale Wirtschaftsgemeinschaften im internationalen System: Eine Analyse ausgewählter Wirtschaftsgemeinschaften Wld ihrer Interaktionen, insbesondere zwischen der EG Wld der ASEAN, Frankfurt am Main-Bern-New York, 1985, S. 16. 33 Vgl. Kar/hans Sauemheimer, Wirtschaftsgemeinschaften, in: GörresGesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon: Recht. Wirtschaft. Gesellschaft, 7. Autl, Bd. 5, Freiburg-Basel-Wien, 1987, S. 1043; Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 12. 34 Das Abkommen über die GründWlg der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion wurde am 25. Juli 1921 Wlterzeichnet Wld trat am 1. März 1922 in Kraft.
35 Der Vertrag über die GründWlg der BENELUX-Wirtschaftsunion wurde am 3. Februar 1958 Wlterzeichnet Wld trat am 1. November 1960 in Kraft. Zur detaillierten DarstellWlg der BENELUX-Wirtschaftsunion vgl. Dieter Oberesch, Die Wirtschaftliche Integration der BENELUX-Staaten, Köln-Berlin-Bonn-München, 1983.
30
I. Kapitel: Gnmdgedanken der Wirtschaftsintegration
der supranationalen Organen vor3 6, deren Beschlüsse fiir alle Mitgliedstaaten bindend sind37 . Als Beispiel fiir eine vollständige Integration werden die Vereinigten Staaten von Amerika genannt38 . Eine vollständige Integration wird auch im Rahmen der Europäischen Union insbesondere nach der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages zur Errichtung der Europäischen Union am 7. Februar 1992 angestrebt. Wie bereits erwähnt, bezeichnet die Integration sowohl einen Zustand als auch einen dynamischen Prozeß. Die einzelnen Integrationsstufen kommen daher sehr selten in reiner Form vor; in der Praxis sind die Grenzen zwischen den einzelnen Stufen fließend. Dies hat zur Folge, daß ein Staatenzusammenschluß Charakteristika zweier oder mehrerer Integrationsstufen aufweisen kann. Die ersten drei Stufen der Wirtschaftsintegration (Freihandelszone, Zollunion und Gemeinsamer Markt) sind der ''Marktintegration " im Sinne der Verschmelzung der nationalen Märkte nach dem "laisser-faire" Prinzip zuzuordnen. Die restlichen zwei Stufen (Wirtschaftsunion und vollständige Integration) gehören zur "Politikintegration", fiir welche die integrationsfOrdemde Abstimmung der nationalen Politiken zwischen den Mitgliedstaaten charakterisierend ist39 . Wie die tatsächliche Entwicklung der Integration in der EG zeigt, wird die Politikintegration selbst bei den ersten drei Stufen in der Praxis nicht zu vermeiden sein.
IV. Grade der Integration Für eine effiziente Wirtschaftsintegration in jeder Form ist von herausragender Bedeutung, welche Instrumente die Mitgliedstaaten fiir die Fassung gemeinsamer Entscheidungen und zu deren Verwirklichung benutzen. Bei den höheren Formen der Wirtschaftsintegration, bei denen die Annäherung der 36 Gerhard Eckert, Europäischer Einigungsprozess, GATI-Verhandlungen und weltweite Integrationsbemühungen, Verwaltungsrundschau, Heft 4-5, 1993, S. 129.
31 Peter Buschmann, Realökonomische Integration im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, Bonn, 1991, S. 13.
38 Jacques Pelkmans, The Institutional Economies of European Integration, in: Cappelletti/SecombelWeiler (Hrsg.), Integration Through Law. Europe and the American Federal Experience, Bd. I, 1. Rb., Berlin-New York, 1985, S. 326. 39 Willem Molle, The Economics ofEuropean Integration: Theory, Practice, Policy, Aldershot-BrookfieldlUSA-Hong Kong-Singapore-Sydney, 1990, S. 13.
B. Begriff und Fonnen der Wirtschaftsintegration
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Politiken (politikintegration) notwendig ist, reicht eine bloße Zusammenarbeit mit der Verwendung völkerrechtlicher Vertragsinstrumente nicht aus. Für den Zweck der Durchführung bestimmter Politiken auf Gemeinschaftsebene ist vielmehr die Übertragung von Hoheitsrechten und der Verzicht auf nationale Souveränität seitens einzelner Mitgliedstaaten erforderlich. Je nach Art der Beseitigung der Unterschiede in bestimmten Politikbereichen, die ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Integrationsgebilde verhindern, wird einer der folgenden Integrationsgrade40 angestrebt: - Informationsaustausch: Die Mitgliedstaaten vereinbaren, einander über die Ziele und Instrumente ihrer nationalen Politiken zu informieren. Diese Informationen können von den einzelnen Mitgliedstaaten für die Änderung ihrer eigenen Politiken zum Zwecke der Politikintegration verwendet werden. Ihre uneingeschränkte Souveränität bleibt jedoch unberührt. - Konsultationen: Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, über einen Informationsaustausch hinaus Meinungen und Empfehlungen der Vertragspartner über die von ihnen durchgeführten Politiken einzuholen. Die Politiken bleiben im Kern national, obwohl die Staaten der Konsultationspflicht unterworfen werden. - Koordinierung bedeutet, daß die Mitgliedstaaten über die Maßnahmen beschließen, die zur Durchführung der aufeinander abgestimmten Politiken führen. Wenn dabei gemeinsame Ziele festgelegt werden, wird der Begriff der Kooperation bevorzugt. Die Koordinierung bedingt bzw. beinhaltet Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften, die hauptsächlich auf die Beseitigung der nationalen Unterschiede gerichtet ist. Bei der Koordinierung bleibt zwar die staatliche Souveränität formell unberührt. Die unabhängige Ausübung der Staatsgewalt durch die Mitgliedstaaten wird jedoch insofern eingeschränkt, daß diese eigenständig über die Ziele und Mittel ihrer Politiken nicht mehr entscheiden dürfen. Die Koordinierungsmaßnahmen werden dennoch überwiegend in Form traditioneller völkerrechtlicher Vereinbarungen gefaßt. Dies hat zur Folge, daß die Staaten zu dem vereinbarten Verhalten oft nicht gezwungen werden können, weil die entsprechenden völkerrechtlichen Mittel dafür fehlen.
- Mit der Vereinheitlichung einzelner Politiken verlieren die Mitgliedstaaten ihr souveränes Recht zur Ausübung bestimmter nationaler Politiken. Die Politiksetzung und -durchführung vollzieht sich einheitlich auf der Gemeinschaftsebene. 40 Begriffsbestimmung nach Willem Molle, The Economics of European Integration: Theory, Practice, Policy, Aldershot-BrookfieldlUSA-Hong Kong-Singapore-Sydney, 1990,S.14ff
32
I. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
Die oben genannten Integrationsgrade können entweder ohne oder mit der Bildung gemeinsamer Organe verwirklicht werden. Das Vorhandensein supranationaler Institutionen kann das Entscheidungsverfahren jedoch beschleunigen und die Durchsetzung der vereinbarten Politiken vereinfachen. Die Auswahl der institutionellen Instrumente hängt aber im großen Maße von den politischen Überlegungen der beteiligten Staaten ab.
C. Wirtschaftliche und politische Integration Problematisch ist außerdem die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Integration die politische Integration begründet oder fOrdert. In der Praxis wird die politische Integration oft mit der wirtschaftlichen Integration oder nach Erreichung einer solchen angestrebt41 . Die Frage über die Wechselwirkung zwischen der wirtschaftlichen und politischen Integration hat eine besondere Bedeutung bei der Diskussionen über die Gestaltung der GUS gewonnen. Da die GUS-Staaten lange Zeit und zum Teil zwangsläufig Gliedstaaten einer politischen Einheit, der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken, waren, zeigen viele von ihnen derzeit keine Bereitschaft, ihre Integrationsbemühungen über den wirtschaftlichen Bereich hinaus zu erstrecken. Eine Antwort auf die Frage, bis zu welcher Stufe eine wirtschaftliche Integration ohne politische Einigung möglich ist, scheint für manche GUS-Staaten Voraussetzung für ihre Entscheidung zu sein, ob sie an den Integrationsvorgängen im Rahmen der GUS teilnehmen oder nicht. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, die westlichen Konzepte über die politische Integration an dieser Stelle kurz vorzustellen; dies wird bei der weiteren Untersuchung helfen, die unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellungen einzelner GUS-Staaten über den Gang der Integration innerhalb der GUS einordnen zu können. Theorien über Struktur, Formen und Dynamik der politischen Integration von Nationalstaaten zu größeren politischen Einheiten wurden insbesondere von amerikanischen Politikwissenschaftlem erarbeitet. Hinsichtlich der Integrationsmethoden haben sich zwei gegenüberstehende Haupttheorien, die föderalistische und die funktionalistische, gebildet.
41
Die Europäische Union ist hier wiederum als Beispiel zu nennen.
c. Wirtschaftliche Wld politische futegration
33
I. Föderalistische Konzepte Nach Ansicht der Vertreter der Fäderationstheorie muß die Form eines zwischenstaatlichen Integrationsgebildes die Struktur eines Staates mit den entsprechenden legislativen, exekutiven und judikativen Organen anstreben, um die Funktion der Bildung eines integrierten Systems adäquat erfiillen zu können ("function follows form")42. Dies ist durch die Gründung von politischen Staatenbünden mit starker, bundesstaatsähnlicher Zentrale oder von Bundesstaaten zu verwirklichen.
11. Funktionalistische Konzepte Nach der Auffassung der Funktionalisten43 beschränkt sich die Integration zunächst auf eine besonders enge Zusammenarbeit in "unpolitischen" Sachbereichen. Hieran wird die Erwartung geknüpft, daß eine enge Kooperation in technischen und wirtschaftlichen Fragen schließlich zu einer Integration im Bereich der staatspolitischen Aufgaben sowie korrespondierender Einschränkungen der nationalen Souveränität führen wird. Dabei werden stufenweise nur diejenigen Bereiche der staatlichen Tätigkeit vergemeinschaftlicht, die auf supranationaler Ebene besser erfiillt werden können. Die Gestaltungsform des Integrationsgebildes spielt nur eine zweitrangige Rolle ("form follows function")44. Ab einem bestimmten Punkt wird der Prozeß der Fortentwicklung von der technischen zur politischen Integration auf Grund der erreichten Eigendynamik unumkehrbar ("spill-over" Effekt)4S. Diese Theorie setzt einen gewissen "Integrationsautomatismus" voraus, der von der wirtschaftlichen Integration zu einer politischen Integration führen soll. 42 Ausftlhrlich über die Ansichten der "Föderalisten" (HaUstein, Brogmans, Spinelli) vgl. Hans Peter Ipsen, Gemeinschaftsrecht, Tübingen, 1972, S. 978 ff. 43 Ausftlhrlich über die Ansichten der "Funktionalisten" (Mitrany) Wld ''Neofunktionalisten'' (Haas, Schmitter, Lindberg, Nye) vgl. Man/red Mols, futegration, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon: Recht. Wirtschaft. Gesellschaft, 7. Aufl., Bd. 3, Freiburg-Basel-Wien, 1987, S. 115-116.
44 Ernst U. Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht Wld fuvestitionsgesetzgebWlg der EntwicldWlgsländer: GrWldprobleme, rechtsvergleichende Wld multidisziplinäre Aspekte, Baden-Baden, 1974, S. 44. 4S Man/red Mols, futegration, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon: Recht. Wirtschaft. Gesellschaft, 7. Aufl., Bd. 3, Freiburg-Basel-Wien, 1987, S. 115. 3 BaI.yan
34
I. Kapitel: Grundgedanken der Wirtschaftsintegration
Die funktionalistische Integrationstheorie war lange Zeit eine der offiziellen Doktrinen der Europäischen Gemeinschaften. Die tatsächliche Entwicklung der europäischen Integrationsprozesse hat aber auch die Erklärungsschwächen dieser Theorie aufgezeigt. So ist es ihr nicht gelungen, genau den Punkt zu bestimmen, in dem der spill-over Effekt eintritt. Die europäische Integration wurde wegen der Abkürzung der Übergangszeit zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes bereits als "point of no return" gefeiert, ehe die Gemeinschaftskrise 1966/1967 diese Annahme widerlegte46 . Der nicht immer vorhandene politische Wille der EU-Mitgliedstaaten zu weiteren Integrationsschritten, wie z.B. Einfiihrung einer einheitlichen europäischen Währung, Erweiterung der Gemeinschaftskompetenzen auf die Bereiche der Sicherheits- und Innenpolitik, ist einer der externen integrationshemmenden Faktoren, die den Integrationsablauf beeinflussen und von den Funktionalisten in ihrer These des "automatischen" Ganges der Integration unterschätzt wurden. Trotz einer gewissen Ernüchterung über die Erklärungsmöglichkeiten der Integrationstheorien in ihrer funktionalistischen Variante bieten die oben dargestellten Konzepte eine brauchbare Grundlage für die Fortentwicklung und Steuerung der Integration innerhalb der GUS.
D. Ausgangspunkte rur die weitere Untersuchung Für jede Form und jeden Grad der Wirtschaftsintegration ist die Suche nach geeigneten institutionellen Integrationsinstrumenten von hervorragender Bedeutung. Diese Problematik ist daher sowohl für die GUS als auch für die EU entscheidend. Die Auswahl der Form und der Instrumente der zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist immer eine politische Entscheidung, die nicht unbedingt aus den Gründen der ökonomischen Rationalität getroffen wird. Diese politische Entscheidung wird erst mit ihrer Umsetzung in eine Rechtsform wirksam. Eine besondere Funktion haben dabei die rechtlichen Regeln über den organisatorischen Aufbau eines Integrationsgebildes. Sie definieren die Rolle jedes Teilnehmers eines Integrationsprozesses, indem sie Kompetenzen, Zusammensetzung, Beschlußverfahren und Handlungsformen einzelner Organe,
46 BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 71 f1
D. Ausgangspunkte ftlr die weitere Untersuchung
35
ihr Zusammenwirken sowie die Beteiligung jedes Staates am Entscheidungsprozeß festlegen. Die Rechtsregeln spiegeln hingegen die politischen Entscheidungen wider und lassen die verschiedenartigen Integrationsprozesse sichtbar werden. Sie sind deshalb wesentliche Bewertungskriterien der Integration. Aus diesem Grund sind es gerade diese Rechtsregeln, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bilden, insbesondere die Rechtsnormen, die die institutionelle Struktur der GUS regeln. Konkret soll zunächst anband der oben dargestellten Überlegungen der rechtliche Gang der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS untersucht werden. Es ist zu fragen, welche wirtsch8ftspolitischen Ziele die GUS-Staaten anstreben und inwieweit die "klassischen" Formen und Grade der Wirtschaftsintegration in den GUS-Abkommen berücksichtigt werden.
Zweites Kapitel
Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Die Frage nach den Erfolgsaussichien einer Reintegration der ehemaligen Sowjetrepubliken erhielt selbst nach der Gründung der GUS weder in der politik- und wirtschafts- noch in der rechtswissenschaftlichen Literatur eine eindeutige Antwort. Die GUS wurde in der Anfangsphase als "eine wirtschaftliche Notgemeinschaft", "eine Liquidationsgemeinschaft von begrenzter Lebensdauer" 1, "eine Einrichtung rur eine zivilisierte Scheidung,,2 oder sogar "ein amorphes Krisenmanagement zur Abwicklung des sowjetischen Erbes"3 bezeichnet. Diese Gemeinschaft hat sich jedoch trotz zahlreicher Spannungen und Konflikte als wesentlich stabiler erwiesen, als dies anfangs angenommen wurde. Inzwischen wird nicht mehr die Frage diskutiert, ob eine Integration innerhalb der GUS anzustreben ist, sondern lediglich überlegt, in welcher Form diese zu erfolgen hat. Besonders intensiv bemühen sich die GUS-Staaten um die wirtschaftliche Integration, ftir welche alle Argumente wirtschaftlicher Logik sprechen4 . Die GUS gewinnt dabei an Bedeutung als Organisation, in deren Rahmen sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit der GUS-Staaten vollzieht. Es erscheint aus diesem Grunde wichtig, die GUS in ihrer gegenwärtigen Form näher zu untersuchen. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung der GUS und die konzeptionellen Gegensätze einzelner GUS-Staaten W1adimir Korowkin, Rußland und andere GUS-Staaten, Jahrbuch der Europäischen Integration, 1992/93, S. 387. 2 V1adimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 8.
3 Bemd Johann, GUS ohne Zukunft. Eine Region zwischen Zerfall und neuen Allianzen, Bonn-Duisburg, 1993, S. 8. 4 Olga AlexandrovaIHeinrich Vogel, Rußlands Politik gegenüber dem "nahen Ausland": Restauration vor Konsolidierung, Europa-Archiv, Folge 5, 1994, S. 138.
38
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
wird der vertragliche Ablauf der Wirtschaftsintegration geschildert. Auf Grundlage der dargestellten GUS-Vereinbarungen werden weiterhin die wirtschaftspolitischen Ziele im Vergleich zur EU analysiert. Ein besonderes Augenmerk gilt den komplizierten Mitgliedschaftsregeln innerhalb der GUS. Anschließend erfolgt die Bewertung des erreichten Standes der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS Der Zerfall der UdSSR und die Entstehung der GUS haben sich parallel vollzogenS .
I. Auflösung der UdSSR als Völkerrechtssubjekt Der Prozeß der Auflösung der UdSSR begann 1990 mit der Bekanntgabe der Souveränitäts- und Unabhängigkeitserklärungen seitens einzelner so\\jetischer Unionsrepubliken. Die baltischen Staaten haben ihre Erklärungen über die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit bereits im Frühjahr 1990 verkündet: Litauen am 11. März 1990, Estland am 30. März 1990 und Lettland am 4. Mai 19906 . Dem Beispiel der baltischen Staaten folgten Armenien am 24. August 1990 und Georgien am 9. April 1991.
S Vgl. ausführlich zwn geschichtlichen Ablauf der Auflösung der UdSSR und der Entwicklung der GUS Hermann C/ement, Die Neugestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Republiken der GUS, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut MUnchen, Nr. 157, 1992; Hermann element, Die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den GUS-Staaten, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut München, Nr. 164, 1993; Sergej Saizew, Vom Zerfall der UdSSR zur Auflösung der GUS?, Politische Studien, Heft 327,1993, S. 59 ff.; TheodorSchweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zwn Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift filr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 541 ff. 6 Endgültig wurde die Unabhängigkeit der baltischen Staaten erst nach dem gescheiterten Augustputsch 1991 erreicht. Der Staatsrat der UdSSR, der aus den Präsidenten der Unionsrepubliken bestand, hat in drei gleichlautenden Beschlüssen vom 6. September 1991 die Anerkennung der Unabhängigkeitserklänmgen der drei baltischen Staaten ausgesprochen. Vgl. hierzu Ved. SSSR 1991, Nr. 37, Pos. 1091, 1092 und 1093.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
39
Das Schicksal der Sowjetunion wurde spätestens nach dem Putschversuch vom August 1991 deutlich, der eine Kettenreaktion der Unabhängigkeitserklärungen aller weiteren Unionsrepubliken auslöste7. Die offiziellen Anerkennungsakte wurden von den zuständigen Organen der UdSSR jedoch nur in Bezug auf die baltischen Staaten verabschiedet8 . Bei dieser Entwicklung war die Transformation der Sowjetunion in eine Gemeinschaft Unabhängiger Staaten die beste Lösung, um einen friedlichen Übergang von einem zentralistisch strukturierten Bundesstaat in einen lockeren Staatenbund herbeizufiihren9 .
Am 8. Dezember 1991 haben die drei slawischen Gründungsstaaten der UdSSR - Rußland, Weißrußland und die Ukraine - in Minsk (Weißrußland) im Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten lO erklärt, daß "die UdSSR als Völkerrechtssubjekt und als geopolitische Realität ihre Existenz beendet" 11. Es stellt sich die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt die Auflösung der UdSSR als Völkerrechtssubjekt als rechtlich vollendet angesehen werden konnte. In der einschlägigen Literatur wird die Meinung vertreten, daß selbst die Unterzeichnerstaaten des GUS-Gründungsabkommens keine Absicht hatten, die Existenz der UdSSR zu beenden. So argumentiert etwa Schweisfurth, daß sich die Feststellung über die Existenzbeendigung der UdSSR nicht im operativen Teil des Abkommens, sondern nur in der Präambel befindet. Ferner 7 Die einzelnen Unionsrepubliken haben ihre Unabhängigkeit an folgenden Tagen deklariert: Ukraine am 24.9.1991, Weiß11Ißland am 25.8.1991, Moldova am 27.8.1991, Aserbajdschan am 30.8.1991, Usbekistan und Kyrgystan am 31.8.1991, Tadschikistan am 9.9.1991, Turkmenistan am 27.10.1991 sowie Kasachstan am 16.12.1991. Die Angaben zu Annenien, Georgien und den drei baltischen Republiken s. oben im Text. Rußland hat keine Unabhängigkeitserklänmg abgegeben. Statt dessen hat sich Rußland ftIr den Rechtsnachfolger der So\\jetunion erklärt. 8 Vgl. ausfilhrlich zur Chronik der Unabhängigkeitserklänmgen Gerhard Simon, Probleme der Staatsbildung auf dem Territoriwn der früheren So\\jetunion, in: Werner Weiden/eid (Hrsg.), Demokratie und Marktwirtschaft in Osteuropa, Gütersloh, 1993, S. 148 ff.; Theodor Schweis/urth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift ftIr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 586, 626 ff. 9 Boris Meissner, Das politische Paktsystem innerhalb der GUS, OsteuropaRecht, 40. Jg., Heft 3, 1994, S. 226 f.
10
Im folgenden "GUS-Gründungsabkommen" genannt.
Wortlaut des Abkommens in deutscher Übersetzung s. in: Ulrich-Joachim Schulz-Torge (Hrsg.), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Bd. I, Swisttal, 1993, S. 004 ff. 11
40
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
ergibt sich aus dem Wortlaut des Abkommens lediglich, daß die UdSSR sich noch im Stadium eines moriturus befindet: Im russischen Originaltext des Abkommens wird in Präsens festgestellt, daß die UdSSR "ihre Existenz beendet", es heißt nicht "beendet hat" oder "wird beendet". Schließlich hat der Oberste Sowjet (parlament) der RSFSR den Unionsgriindungsvertrag von 1922 durch einen besonderen Beschluß gekündigt; dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die UdSSR mit Inkrafttreten des GUS-Gründungsabkommens vom 8. Dezember 1991 als beendet angesehen worden wäre l2 . Die Rechtmäßigkeit und die Rechtsfolgen der Erklärung im GUSGründungsabkommen können jedoch nicht nur aus dessen Wortlaut und aus den Absichten der Unterzeichnerstaaten ermittelt werden. Entscheidend sind auch die allgemeinen Regeln des Völker- und Staatsrechts. Es liegt auf der Hand, daß Rußland, die Ukraine und Weißrußland ihre Kompetenzen in Bezug auf den Rechtsstatus der GUS im GUS-Gründungsabkommen überschritten haben. Zwar waren die slawischen Republiken drei der insgesamt vier Gründungsstaaten der UdSSR im Jahre 1922 13 . Die UdSSR bestand aber zum Zeitpunkt ihrer Erklärung vom 8. Dezember 1991 aus zwölf Mitgliedstaaten, ohne weiche die Entscheidung über die Auflösung der UdSSR nicht rechtskräftig getroffen werden konnte. Die drei slawischen Staaten hätten höchstens ihren Austritt aus der UdSSR erklären dürfen. Aus diesen Gründen ist die Vertragsbestimmung über die Auflösung der UdSSR im GUS-Gründungsabkommen nicht mehr als ein "politisches Statement"14. Der offensichtliche juristische Fehler des GUS-Gründungsabkommens hat jedoch keine negativen politischen und rechtlichen Folgen hervorgerufen, weil alle ehemaligen Sowjetrepubliken mit Ausnahme von den drei baltischen Staaten lS und Georgien am 21. Dezember 1991 die Auflösung der UdSSR rechtskräftig vereinbart und das GUS-Gründungsabkommen bestätigt haben.
12 Theodor Schweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift ftlr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 636 ff. \3 Der Unionsvertrag wurde im Jahre 1922 ursprünglich von vier Sowjetrepubliken unterzeichnet. Neben Rußland, Ukraine und Weißrußland war die Transkaukasische Republik der Unterzeichnerstaat. Diese Republik wurde später in Annenien, Aserbajdschan und Georgien aufgeteilt. 14 Thomas J. Brendel, Die Gründungsdokumente der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Recht der Ostwirtschaft, 1992, S. 85.
15 Die baltischen Staaten waren zu diesem Zeitpunkt offIziell nicht mehr Mitglieder der UdSSR.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
41
In der Deklaration von Alma-Ata, die am 21. Dezember 1991 in Kasachstan unterzeichnet wurde, haben elf Republiken I 6 ausdrücklich festgestellt, daß mit der Bildung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten "die Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken ihre Existenz beendet" hat l7 . Aus völkerrechtlicher Sicht wurde die Existenz der UdSSR als Völkerrechtssubjekt somit mittels einer Dismembration l8 , das Auseinanderfallen eines Staates, am 21. Dezember 1991 beendet. Die ehemaligen Sowjetrepubliken haben gleichzeitig den Status völkerrechtsunmittelbarer Staaten erlangtl9. Die Tatsache, daß Georgien als einziger Mitgliedstaaten der UdSSR die Deklaration von Alma-Ata nicht unte~eichnet hat, ändert an diesem Ergebnis nichts, weil eine Staatenverbindung mindestens zwei Mitglieder voraussetzt.
11. Gründung der GUS Die Gründung der GUS vollzog sich in zwei Schritten.
16 Die Unterzeichnerstaaten der Deklaration von Alma-Ata sind die Aserbajdschanische Republik (Aserbajdschan), die Republiken Annenien und Kasachstan, die Kyrgysische Republik (Kyrgystan), die Republik Moldova, die Russische Föderation (Rußland), die Republik Tadschikistan, Turkmenistan, die Ukraine sowie die Republiken Usbekistan und Weißrußland. 17 Wortlaut des Abkommens in deutscher Übersetzung s. in: Ulrich-Joachim Schulz-Torge (Hrsg.), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Bd. I, Swisttal, 1993, S. 008 ff. 18 Vgl. zum Begriff der Dismembration Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Auft., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 1389; vgl. zur Frage der Staatensukzession nach einem Staatsuntergang Otto Kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Auft., Tübingen-Basel, 1993, S. 167-168. 19 Vgl. zur Frage der Staatensukzession in der GUS 1.1. Lukasuk, Rußland als Rechtsnachfolger in völkerrechtliche Verträge der UdSSR, Osteuropa-Recht, 39. Jg., Heft 4, 1993, S. 235 ff.; E. V. Martynenko, Theorie und Praxis der Rechtsnachfolge der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, Osteuropa-Recht, 39. Jg., Heft 1,1993, S. 34 ff.; TheodorSchweisfurth, Ausgewählte Fragen der Staatensukzession im Kontext der Auflösung der UdSSR, Archiv des Völkerrechts, Bd. 32, Heft 1, 1994, S. 99ff.; Wolfgang Seifert, Von der So\\jetunion (UdSSR) zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS): Das verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Schicksal der So\\jetunion seit dem August-Putsch 1991, in: Wolfgang Seiffert (Hrsg.), Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht Osteuropas im Zeichen des Übergangs zur Marktwirtschaft, München, 1992, S. 113 ff.
42
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
1. Erster Schritt: Gründung der GUS am 8. Dezember 1991 Die GUS entstand am 8. Dezember 1991 als eine Staatenverbindung der drei slawischen Republiken Rußland, Ukraine und Weißrußland auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Abkommens20 . Das GUS-Gründungsabkommen urnfaßt vierzehn Artikel und kann vom Umfang der dort geregelten Fragen keinerlei mit einem üblichen Gründungsdokument einer Staatenverbindung, wie zum Beispiel die Römischen Verträge über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften, verglichen werden. Der Grund dafür lag darin, daß die Errichtung einer neuen Staatenverbindung an Stelle der UdSSR aus politischen Gründen so schnell und unerwartet erfolgte, daß die Zeit fiir die Ausarbeitung der notwendigen Vertragsvereinbarungen nicht ausreichte. Dieser Umstand erklärt auch die offensichtlichen juristischen Mängel des GUS-Gründungsabkommens, wie zum Beispiel das Fehlen jeglicher Klausel über sein Inkrafttreten oder die bereits erwähnte rechtswidrige Feststellung der Auflösung der UdSSR als Völkerrechtssubjekt. Artikel 1 des GUS-Gründungsabkommens enthält die Feststellung, daß die Vertragsstaaten die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gründen. Als offiziellen Sitz für die zukünftigen gemeinsamen Organe der GUS haben die slawischen Republiken die Hauptstadt von Weißrußland, Minsk, ausgewählt21 . Minsk wird deswegen auch Hauptstadt der GUS genannt. Wichtig fiir die zukünftige Entwicklung der GUS erscheint Artikel 7 des GUS-Gründungsabkommens. Die Vertragsstaaten haben in diesem Artikel die Bereiche ihrer gemeinsamen Tätigkeit festgelegt, die auf gleichberechtigter Basis durch die zu errichtenden Koordinationsinstitutionen durchgeführt werden soll. Zu diesen Bereichen gehören im einzelnen: - die Koordination der außenpolitischen Tätigkeit; - die Zusammenarbeit bei der Bildung und Entwicklung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes, eines gesamteuropäischen und eines eurasischen Marktes sowie auf dem Gebiet der Zollpolitik; 20 GUS-Gründungsabkommen vom 8. Dezember 1991. An ihrem ersten Treffen in Minsk verabschiedeten Rußland, die Ukraine und Weißrußland außerdem eine Erklärung der Staatschefs, in der sie die Bildung der GUS verkündet und begründet haben, sowie eine Erklänmg der Regierungschefs über die Koordination der Wirtschaftspolitik. Wortlaut dieser GUS-Dokumente in russischer Sprache s. in: Rossijskaja Gazeta vom 10.12.1991; Wortlaut in deutscher Übersetzung s. in: Ulrich-Joachim SchulzTorge (Hrsg.), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Bd. I, Swisttal, 1993, S. 002 ff.
21
Art. 14 des GUS-Gründungsabkommens.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
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- die Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines Verkehrs- und eines Kommunikationssystems; - die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes, die Beteiligung am Aufbau eines internationalen Systems für ökologische Sicherheit; - Fragen der Migrationspolitik; - die Bekämpfung des organisierten Verbrechens. In Artikel 4 Abs. 2 des GUS-Gründungsabkommens haben die Vertragsstaaten vereinbart, für die genannten Bereiche einzelne Abkommen über die Zusammenarbeit zu schließen. Es wur4e jedoch weder eine detaillierte Liste der auszuarbeitenden Verträge verabschiedet noch ein konkreter Zeitraum für die Unterzeichnung solcher Verträge vorgesehen. Hinsichtlich der Organstruktur wird im GUS-Gründungsabkommen lediglich der Begriff "gemeinsame Koordinationsinstitutionen" verwendet22 , ohne daß die Struktur und die Kompetenzen einzelner Organe festgelegt werden. Letztlich wurde in Artikel 13 Abs. 2 des GUS-Gründungsabkommens vorgesehen, daß das Abkommen allen Mitgliedstaaten der ehemaligen UdSSR zum Beitritt offen steht, ebenso sonstigen Staaten, die mit den Zielen und Grundsätzen dieses Abkommens einverstanden sind.
2. Zweiter Schritt: Neugl'Ündung am 21. Dezember 1991 Nach der Bekanntgabe der GUS-Gründung haben weitere Republiken der UdSSR beschlossen, "sich der GUS als gleichberechtigte Gründungsmitglieder anzuschließen"23. Am 21. Dezember 1991 wurde in Alma-Ata (Kasachstan) auf einem Gipfeltreffen der Staatschefs von insgesamt elf Unionsrepubliken 24
das Protokoll zum Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhdngiger Staaten unterzeichnet2S . In diesem Dokument wurde der Beitritt der acht ehemaligen Sowjetrepubliken zur GUS vereinbart.
.
22
Art. 7 des GUS-Gründungsabkommens.
23 Vgl. Erklärung von Aschgabad (Turkmenistan) vom 13. Dezember 1991, die von den Präsidenten der ft1nf zentralasiatischen Republiken verabschiedet wurde. Wortlaut in russischer Sprache s. in: Rossijskaja Gazeta vom 17.12.1991. 24
Georgien und die baltischen Staaten nahmen an dem Gipfeltreffen nicht teil.
25
Wortlaut des Protokolls in deutscher Übersetzung s. in: Ulrich-Joachim Schulz-
Torge (Hrsg.), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Bd. I, Swisttal, 1993, S. 007 ff.
44
2. Kapitel: Gnmdlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Das Protokoll, das lediglich aus sechs Absätzen besteht, verkündet interessanterweise erneut die Gründung der GUS. So stellt Absatz 2 des Protokolls ähnlich wie Artikel 1 des GUS-Gründungsabkommens fest, daß die Aserbajdschanische Republik, die Republik Annenien, die Republik Weißrußland, die Republik Kasachstan, die Republik Kyrgystan, die Republik Moldova, die Russische Föderation (RSFSR), die Republik Tadschikistan, Turkmenistan, die Republik Usbekistan und die Ukraine auf der Grundlage gleicher Rechte die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gründen. Im Absatz 3 des Protokolls wird festgelegt, daß das Abkommen über die Gründung der GUS vom 8. Dezember 1991 für jeden der Vertragsstaaten im Zeitpunkt seiner Ratifizierung in Kraft tritt. Somit wurde die Rechtslücke im GUS-Gründungsabkommen beseitigt. Gemäß Absatz 5 bildet das Protokoll den integrierten Bestandteil des Abkommens über die Gründung der GUS. Dadurch sind die acht beigetretenen Staaten ihrer Forderung gemäß (Mit-) Gründungsstaaten der GUS geworden. Diese ungewöhnliche Form des Beitritts, die eher als Neugründung zu bezeichnen ist, war nach Ansicht der slawischen Staatsfiihrer die einzige politisch akzeptable Lösung. Sie diente der Beseitigung der Verstimmung der nach Minsk nicht eingeladenen und sich übergangen fiihlenden Staaten.
III. Entwicklungsphasen der GUS Die bisherige Entwicklung der GUS war durch einen ständigen Wechsel zwischen den Des- und Reintegrationstendenzen gekennzeichnet. Es kann hierbei zwischen den vier folgenden Entwicklungsphasen unterschieden werden26 .
1. Zeit der Desintegrationstendenzen Die erste Entwicklungsphase, die von der Gründung der GUS im Dezember 1991 bis Mitte 1993 dauerte, kann als Zeit der Abrechnung mit der So\\jetunion und der Souveränitätsbestrebungen bezeichnet werden.
26 Vgl. hierzu auch Vladimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, Berichte des Bundesinstituts ftlr ostwissenschaftliche Wld internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 7 ff., der in der EntwicklWlg der GUS bis Ende 1994 drei Etappen feststellt.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
45
Schwerpunkt der Zusammenarbeit der GUS-Staaten lag in der Aufteilung des Vermögens und der Schulden der aufgelösten UdSSR und in der Schaffung einheitlicher Militärkräfte. Bereits im ersten Jahr nach der GUS-Gründung wurden 200 GUSDokumente in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, militärischen und sonstigen Fragen verabschiedet. Am 22. Januar 1993 haben sich die GUS-Staaten sogar auf die Satzung der GUS geeinigt27. Aber die Quantität der unterzeichneten Abkommen konnte die Qualität der Zusammenarbeit im Rahmen der GUS angesichts des mangelnden Integrationswillens ihrer Mitglieder nicht ändern. Die meisten GUS-Staaten strebten nach Unabhängigkeit und lehnten eine enge Zusammenarbeit im Rahmen der GUS ab, weil sie in dieser Gemeinschaft ein Ersatz der UdSSR und ein Instrument der russischen Herrschaft sahen. So hat die Aserbajdschanische Republik ihren Austritt aus der GUS am 10. Oktober 1992 verkündet, nachdem ihr Parlament zuvor die Ratifizierung der GUS-Gründungsdokumente28 verweigert hat29 . Unzufrieden mit der schleppenden Entwicklung der GUS haben die fünf zentralasiatischen GUS-Staaten Kasachstan, Kyrgystan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan am 4. Januar 1993 in Taschkent (Usbekistan) in einem Kommunique die Bildung einer "Union der Völker Zentralasiens" vereinbart, um einen gemeinsamen Markt mit einheitlichen Zöllen, Investitionsregeln und gemeinsamer Exportpolitik zu schaffen30 . Die GUS-Entwicklung bis Mitte 1993 war mehr durch zentrifugale Tendenzen als durch einen gemeinsamen kooperativen Ansatz gekennzeichnet3l .
21
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Nr. 9, 1993, S. 17 ff.
28 In der vorliegenden Untersuchung werden das GUS-Gründungsabkommen und
das Protokoll zum GUS-Gründungsabkommen gemeinsam als "GUS-Gründungsdokumente" bezeichnet. 29 Aserbajdschan hat jedoch weiterhin an den GUS-GipfeltrefTen der Staats- und Regierungschefs als Beobachter teilgenommen. 30 Dokumente zur Entwicklung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Europa-Archiv, Folge 21, 1993, S. D 429; Archiv der Gegenwart vom 4. Januar 1993, S. 37504 A. 31 Andrej ZagorskiMadimir Egorov, Die militärisch-politische Zusammenarbeit der GUS-Staaten, Berichte des Bundesinstituts filr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 18, 1993, S. I fT.
46
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
2. Zeit der Stabilisierungstendenzen Die ersten Jahre der Selbständigkeit haben die große Abhängigkeit der Volkswirtschaften von einander gezeigt und zum politischen Umdenken und zur Suche nach geeigneten Gestaltungsformen für eine effektive Zusammenarbeit geführt. In der zweiten Phase, die etwa von Mitte bis Ende 1993 dauerte, wurden die desintegrativen Tendenzen überwunden. Die GUS-Staaten haben sich endgültig darauf geeinigt, daß ihre Zusammenarbeit innerhalb der GUS hauptsächlich im wirtschaftlichen Bereich erfolgen wird. Als Zeichen dafür wurde der Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion am 24. September 1993 unterzeichnet32 . Aserbajdschan und Georgien traten der GUS als Vollmitglieder bei. Diese Phase ist insbesondere durch die Festigung der institutionellen Struktur der GUS gekennzeichnet. Der Organaufbau der GUS wurde in der Satzung vom 22. Januar 1993 festgelegt. Auf Grundlage der Satzung wurden während des Jahres 1993 die einzelnen GUS-Organe errichtet: Koordinationsund Konsultativkomitee sowie Exekutivsekretariat der GUS am 14. Mai 1993; Rat der Außenminister, Rat der Befehlshaber der Grenztruppen und die Kommission für Menschenrechte am 24. September 1993; Stab zur Koordinierung der militärischen Zusammenarbeit der GUS-Staaten am 23. Dezember 1993 33 . Das Jahr 1993 gilt in der russischen Fachliteratur als Wendepunkt (vodorazdel) zwischen Desintegration und Integration im Rahmen der GUS34.
3. Zeit der Intensivierung der multilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit Die dritte Phase in der GUS-Entwicklung lag zwischen den zwei Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs, die am 24. Dezember 1993 und am 21. 32
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 20 ff.
33 Einige GUS-Organe wurden noch vor der Verabschiedung der GUS-Satzung gebildet, wie z. B. Rat der Staatschefs und Rat der Regierungschefs (21. Dezember 1991), Rat der Verteidigungsminister (14. Februar 1992), Interparlamentarische Versammlung (27. März 1992) sowie Wirtschaftsgericht der GUS (6. Juli 1992). Vgl. ausführlich zu einzelnen GUS-Organen unten 3. Kapitel, A, I bis IV. 34 v.N. Kiritschenko, Evoljutzia i perspektivy ekonomicheskich vsaimootnoschenij Rossii so stranami SNG, Rossijskij Ekonomicheskij Zhurnal, Nr. 2,1995, S. 41 ff.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
47
Oktober 1994 stattfanden. Die Integrationsbemühungen der GUS-Staaten hatten in dieser Phase ihren Schwerpunkt im Bereich der multilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Im Zuge der Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion, die noch während der vorherigen Entwicklungsphase vereinbart wurde, unterzeichneten die GUSStaaten am 15. April 1994 das Abkommen über die Freihandelszone der GUS. Damit war die Verwirklichung der niedrigsten Stufe der Wirtschaftsintegration im Rahmen der GUS vereinbart. Hinsichtlich der institutionellen Struktur wurden in der GUS erste, jedoch noch vergeblichen Versuche unternommen, supranationale Organe zu schaffen. Der Rat der Staatschefs der GUS verabschiedete zwar am 21. Oktober 1994 das Abkommen über die Errichtung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees35 . Im Gegensatz zum ursprünglichen Konzept haben die GUS-Staaten dennoch dieses Organ mit keinen supranationalen Eigenschaften ausgestattet. Es wurde in diesem Zeitpunkt deutlich, daß die GUS-Staaten noch keine Bereitschaft hatten, eine Gemeinschaft nach Vorbild der Europäischen Union zu bilden. Die Entwicklung der GUS blieb auf der Ebene der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit mit dem Ziel der Errichtung einer Wirtschaftsgemeinschaft, die über keine supranationalen Vollmachten verfügen sollte. 4. Zeit der Bildung sub-regionaler Wirtschaftsräume Seit Anfang 1995 weist die Entwicklung der GUS hauptsächlich die zwei folgenden Tendenzen auf. Einerseits findet eine vertiefte wirtschaftliche Integration in kleineren Blökken statt. Diese sind jedoch nicht als alternativ, sondern als komplementär zur GUS zu betrachten. Als Beispiel hierfür sind die Errichtung der Zollunion zwischen Kasachstan, Rußland und Weißrußland am 20. Januar 199536 sowie die Gründung der Gemeinschaft Integrierter Staaten zwischen Kasachstan, Kyrgystan, Rußland und Weiß rußland am 29. März 1996 und der Union Rußlands und Weißrußlands am 2. April 1997 zu nennen37 .
35
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 41 tT.
36 Kyrgystan ist als vierter GUS-Staat am 29. März 1996 dem Abkommen über die Zollunion vom 20. Januar 1995 beigetreten. OSTinvest, Der Wirtschaftsdienst aus den Staaten der GUS und dem Baltikum, München, Nr. 13, 1996, S. 6. 37
Vgl. hierzu oben Einleitung zur vorliegenden Arbeit.
48
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Andererseits wird das Problem der ungleichen Partner in der GUS deutlich. Die einzelnen GUS-Staaten versuchen, das politische, militärische und wirtschaftliche Übergewicht Rußlands zu mindern. Sie suchen die Stärkung ihrer Unabhängigkeit in Anlehnung an andere Staaten und Staatengemeinschaften. Die Ukraine strebt z.B. an, sich stärker an die EU zu binden und mit der EU ein Assoziierungsabkommen nach Vorbild der Europa-Abkommen mit den mitteleuropäischen Ländern gemäß Artikel 238 EGV zu schließen38 . Moldova bevorzugt eine engere Zusammenarbeit mit Rumänien. In den zentralasiatischen GUS-Staaten ist die Einflußnahme von Afghanistan, Iran, Israel, Pakistan und der Türkei zu beobachten39 . Es ist davon auszugehen, daß die oben genannten Tendenzen sich in der GUS fortsetzen werden. Es wird erkennbar, daß die GUS sich zu einer Gemeinschaft "mit mehreren Geschwindigkeiten" entwickeln wird. Es ist nicht auszuschließen, daß die Zahl der Mitgliedstaaten der GUS sich zukünftig mindern wird. Dafiir werden die verbleibenden Staaten jedoch intensiver zusammenarbeiten. Ob eine solche Staatenverbindung dann noch den Namen "GUS" tragen wird, ist fraglich.
IV. Konzeptionelle GegensAtze innerhalb der GUS Wie die bisherige Entwicklung zeigt, gehen die Vorstellungen der GUSStaaten über die Rolle und die Gestaltung der GUS auseinander. Die wichtigsten konzeptionellen Gegensätze hinsichtlich des Ablaufes der Wirtschaftsin-
38 Die EU hat bereits Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der Ukraine (14. Juni 1994), Rußland (24. Juni 1994), Moldova (28. November 1994), Kasachstan (23. Januar 1995), Kyrgystan (9. Februar 1995), Weißrußland (6. März 1995), Georgien (22. April 1996), Annenien (22. April 1996), Aserbaijdschan (22. April 1996) und Usbekistan (21. Juni 1996) abgeschlossen. Vgl. EU-Partnerschaftsabkommen mit GUS-Ländern, Osteuropa-Report, WiRO, Heft 10, 1994, S. 403 ff. und Hennann element, futegrationspolitik und -entwicklung im ehemaligen RGW-Raum, Arbeiten aus dem Osteuropa-fustitut München, Nr. 194, 1996, S. 20. 39 Vgl. zu den politischen Entwicklungen im zentralasiatischen Raum der GUS Henrik Bischof, Die islamischen Republiken der GUS in Mittelasien und im Transkaukasus, Bonn, 1992; EhteshamilMurphy, The Non-Arab Middle East States and the Caucasian/Central Asian Republics: Turkey, futemational Relations, 1993, S. 513 ff.; EhteshamilMurphy, The Non-Arab Middle East States and the Caucasian/Central Asian Republics: Iran and Israel, futernational Relations, 1994, S. 81 ff.
A. Entstehung und Entwicklung der GUS
49
tegration, der Notwendigkeit einer politischen Einigung und der institutionellen Ausstattung der GUS lassen sich wie folgt zusammenfassen40 .
1. Rußland Rußlands Linie ist offensichtlich auf eine politische Reintegration auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ausgerichtet. Bezüglich der Weiterentwicklung der GUS einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit vertritt Rußland die Idee einer Gemeinschaft mit mehreren Geschwindigkeiten. Das entsprechende Konzept wurde bereits im Herbst 1992 formuliert41 . Hinsichtlich der institutionellen Struktur der GUS strebt Rußland an, die Effizienz der bereits vorhandenen institutionellen Strukturen zu steigern und allmählich supranationale Gemeinschaftsinstitutionen zu bilden. ArmenieR, Kyrgystan, Tadschikistan und Weißrußland unterstützen dieses Integrationskonzept. 2. Die Ukraine Die Ukraine zieht der Konsolidierung der GUS den Ausbau bilateraler Beziehungen unter den GUS-Mitgliedstaaten vor. Die Position der Ukraine in der GUS wird oft mit deljenigen Frankreichs in der EU verglichen. Das ukrainische Parlament hat bereits am 12. Dezember 1991 seine Vorbehalte zum GUS-Gründungsabkommen formuliert. Nach seiner Auffassung sollen die Aufgaben der GUS auf eine einfache Koordinierung der Politiken der Mitgliedstaaten beschränkt werden; die Beschlüsse der gemeinschaftlichen Organe sollen lediglich Empfehlungen enthalten42 . 40 Vgl. ausftlhrlich zu den Integrationsvorstellungen einzelner GUS-Staaten Olga Alexandrova, Die Union Rußland - Belarus im Kontext der Intra-GUS-Beziehungen, Aktuelle Analysen des Bundesinstituts filr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 16,1997, S. 2 ff.
41 Vgl. Andre; Zagorski, Die Entwicklungstendenzen der GUS: Von der Differenzierung zur Konsolidierung?, Bericht des Bundesinstituts filr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 24, 1994, S. 19. 42 S. Vorbehalte der Obersten Rada (des Parlaments) der Ukraine zwn GUSGtilndungsabkommen vom 12. Dezember 1991 und P. 4 der Erklärung der Obersten Rada zu dieser Frage vom 20. Dezember 1991, Holos Ukrainy, 13. und 21. Dezember 1991. 4 Balayan
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2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Die Ukraine nimmt zwar an der Ausarbeitung der GUS-Abkommen teil, unterzeichnet diese jedoch mit großer Vorsicht und vielen Vorbehalten. So hat die Ukraine die GUS-Satzung noch nicht unterzeichnet und ist der GUSWirtschaftsunion nur als assoziiertes Mitglied beigetreten. In einer leicht modifizierten Weise lehnen sich Aserbajdschan, Moldova, Turkmenistan und Usbekistan an die Position der Ukraine an. Diese Staaten werden in der Fachliteratur auch als eine Gruppe der sogenannten GUS"Dissidentenstaaten" bezeichnet43 .
3. Kasachstan und die Idee einer Eurasischen Union Aus der Sicht des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew besitzt die GUS weder im politischen noch im wirtschaftlichen Bereich ausreichende Vollmachten.
Am 29. März 1994 hat Nasarbajew den GUS-Staaten vorgeschlagen, eine Eurasische Union zu bilden44 . Nach seinem Konzept soll sich die GUS hin zu einer Gemeinschaft nach Vorbild der Europäischen Union entwickeln. Die Eurasische Union soll als höchste Entwicklungsstufe die Integrationsprozesse zwischen den GUS-Staaten krönen. Hinsichtlich der institutionellen Struktur der Eurasischen Union strebt Kasachstan die Errichtung supranationaler Organe an. Die Räte der Regierungschefs, der Verteidigungs- und der Außenminister sollen die entsprechenden Politiken innerhalb der Union vereinheitlichen. Es soll eine einheitliche Wirtschafts- und Währungspolitik auf Gemeinschaftsebene durchgefiihrt werden. Im Gegensatz zur jetzigen institutionellen Struktur der GUS soll die Eurasischen Union ein gemeinsames Parlament besitzen, das die Gesetze einzelner Länder anzugleichen hat. Darüber hinaus soll eine einheitliche Staatsbürgerschaft eingefiihrt werden. Beim Entscheidungsprozeß soll das Einstimmig43 Olga Alexandrova, Die Union Rußland - Belarus im Kontext der Intra-GUSBeziehungen, Aktuelle Analysen des Bundesinstituts ft1r ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 16, 1997, S. 2. 44 Archiv der Gegenwart vom 30. März 1994, S. 38821 A. Vgl. ausführlich zum Konzept der Eurasischen Union Umirserik T. Kassenow, Zentralasien und Rußland: Der dornige Weg zu gleichberechtigten Beziehungen, Bericht des Bundesinstituts ft1r ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 14, 1995, S. 24 ff.; Perspektivy evrasijskoj integratii: Materialy kruglogo stola utschenych i politikow vom 14. Juni 1994, Moskau, 1994, S. 19 ff.
A. Entstehwtg wtd Entwicklwtg der GUS
51
keitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip in allen Organen und bei allen Fragen ersetzt werden. Dieses Konzept hat zwar die Europäische Union als Vorbild, beinhaltet aber einige Vorschläge, die selbst im Rahmen der EU noch nicht verwirklicht wurden. So standen zum Beispiel die Fragen der Ausdehnung des Mehrheitsprinzips, der Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments und der vollen Verwirklichung des Prinzips der Unionsbürgerschaft in der EU erst im Rahmen der Regierungskonferenz zur Revision des Maastrichter Vertrages 1996/97 auf der Tagesordnung4s. Das Konzept des kasachischen Präsidenten ist somit auf die Gründung einer engeren Staatengemeinschaft als die GUS und sogar die EU gerichtet. Die Mehrheit der GUS-Staaten lehnt jedoch die Idee der Eurasischen Union ab, weil sie in ihr einen Versuch sieht, die Sowjetunion unter einer neuen Bezeichnung wiederherzustellen. Insgesamt ist das Verhältnis desintegrativer und integrativer Tendenzen in der Entwicklung der GUS gegenwärtig so zu bewerten, daß die Haltung der Mehrheit der GUS-Staaten integrationsfördemd ist. Das Interesse und die Integrationsbemühungen liegen dabei vor allem im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Durch die vorhandenen Meinungsunterschiede über den Verlauf der Integration wird jedoch die angestrebte Bildung einer Wirtschaftsunion im Rahmen der GUS erheblich erschwert. Die konzeptionellen Gegensätze der GUSStaaten finden ihren Ausdruck auch in der GUS-Praxis der Vertragsgestaltung, die durch Kompromißlösungen gekennzeichnet ist.
45 Die Regierungskonferenz zur Revision des Maastrichter Vertrages wurde am 29. März 1996 auf dem Europäischen Rat in Turin eröffnet wtd auf dem Europäischen Rat in Amsterdam am 16./17. Juni 1997 abgeschossen. Die Unterzeichnwtg des Amsterdamer Vertrages erfolgte am 2. Oktober 1997. Vgl. hierzu Rainer Amold, Maastricht n wtd die institutionelle Reform der Europäischen Gemeinschaften: Zum Zwischenbericht der Reflexionsgruppe ftlr die Regierwtgskonferenz 1996, in: MajorosiSteinkammiKrack (Hrsg.), FS ftlr Gerhard Ritter, WürZburg, 1995, S. 67 ff.; Michael Borchmann, Amsterdam - Weder kleine Taten noch Reilirmchen!, EuZW, Heft 17,1997, S. 1.
52
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS I. Vertragsstruktur des wirtschaftlichen Integrationsvorgangs in der GUS Angesichts einer außerordentlich großen Zahl an GUS-Vereinbarungen werden im folgenden nur die wichtigsten multilateralen völkerrechtlichen GUS-Abkommen dargestellt, die Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der GUS zum Gegenstand haben46 . Die zahlreichen Erklärungen, Deklarationen, Memoranden, Kommuniques und sonstigen Dokumente, die vorwiegend Absichtserklärungen enthalten und selten verwirklicht wurden, bleiben außer Betracht. Ebenso werden die rein bilateralen Vereinbarungen zwischen den einzelnen GUS-Staaten nicht berücksichtigt, da diese die Wirtschaftsintegration GUS-weit unmittelbar nicht regeln. Angemerkt sei, daß solche bilateralen Abkommen dennoch eine wesentliche Rolle in der GUS-Praxis spielen47 .
1. Satzung der GUS Nach intensiven Vorarbeiten haben die GUS-Staaten auf der Sitzung des Rates der Staatschefs am 22. Januar 1993 in Minsk die Satzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (im folgenden "GUS-Satzung") verabschiedet48 . 46 Hinsichtlich der vertraglichen Gestaltung der Währungs- und Zahlungsunion innerhalb der GUS wird auf weitere Literatur verwiesen. Vgl. dazu Peter Bojinger, Ein neuer monetärer Rahmen ftlr das Gebiet der früheren Sowjetunion, in: Kommission der Europäischen Gemeinschaften (hrsg.), Europäische Wirtschaft: Reformansätze in der ehemaligen Sowjetunion, Nr. 49, Brüssel-Luxemburg, 1993, S. 193 t1; Lydia Kossikowa, Die Handelsbeziehungen Rußlands mit den ehemaligen Unionsrepubliken: Tendenzen und Probleme, Berichte des Bundesinstituts ftlr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 23, 1993, S. 43 f1; LanhammerlLacke, Die Handelsbeziehungen der Nachfolgerstaaten der Sowjetunion: Von der regionalen Desintegration zur weltwirtschaftlichen Integration, Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 244, 1995, S. 7 ff.
47 Vgl. zum Überblick über die bilateralen Abkommen zwischen den GUS-Staaten im wirtschaftlichen Bereich Kommersant weekly, Nr. 10,22.3.1994, S. 42 ff. 48 Wortlaut der GUS-Satzung in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 17 ff.; Wortlaut der GUS-Satzung in deutscher Sprache s. in: Europa-Archiv, Folge 21, 1993, S. D 431 ff.
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS
53
Die wesentlichen Vertragsbestimmungen des GUS-Gründungsabkommens vom 8. Dezember 1991, des Protokolls zum GUS-Gründungsabkommen vom 21. Dezember 1991 49 und sonstiger GUS-Rechtsakte, die bisher vereinbart worden waren, wurden in der GUS-Satzung systematisiert und konkretisiert. Die GUS-Satzung enthält vergleichbar wenig Neuerungen, legt jedoch die Grundlagen der GUS fest und ist daher als wichtigstes Dokument anzusehen. In der GUS-Satzung setzen sich die GUS-Staaten das Ziel, auf politischen, wirtschaftlichen, ökologischen, humanitären, kulturellen und sonstigen Gebieten sowie bei der Sicherung der Menschenrechte, der Abrüstung und der Gewährleistung der Freizügigkeit rur die Bürger der GUS-Staaten zusammenzuarbeitenso . Hinsichtlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der GUS-Staaten wurde der Aufbau eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes auf der Basis von Marktbeziehungen und dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften vereinbart51 . Bemerkenswert erscheint hier die Tatsache, daß die GUS-Satzung dem Aufbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den GUS-Staaten die vier Freiheiten zugrunde legt, die auch die Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft bilden. Der Vertrag zur Gründung der EG (EGV) umfaßt jedoch detaillierte Regelungen über jede einzelne Grundfreiheit, die überdies in der Rechtsprechung des EuGH konkretisiert wurden und werden 52 . Im Gegensatz zum EGV wurden die Grundfreiheiten in der GUSSatzung über die oben erwähnte Bestimmung hinaus nicht näher definiert. Wichtig rur die vorliegende Untersuchung ist ferner, daß die GUS-Satzung eine institutionelle Grundstruktur der GUS festgelegt hat. Die GUS-Satzung bestimmt in den Abschnitten VI und VII die Kompetenzen und Zusammensetzung folgender GUS-Organe: - der Rat der Staatschefs, - der Rat der Regierungschefs, - der Rat der Außenminister, - das Koordinations- und Konsultativkomitee, - der Rat der Verteidigungsminister, 49
und 2.
Vgl. zur Charakteristik der GUS-Gründungsdokwnente oben 2. Kapitel, A,
50
Art. 2 der GUS-Satzung.
51
Art. 19 Abs. 2 der GUS-Satzung.
n,
I
52 Vgl. ausfilhrlich BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 285 ff.
54
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
- der Rat der Befehlshaber der Grenztruppen, - das Wirtschaftsgericht, - die Menschenrechtskommission und - die Interparlamentarische VersammlungS3 . Die GUS-Satzung stellt einen Fortschritt im Vergleich zu bisherigen GUSRechtsakten dar. Allerdings enthält dieses Dokument einige Bestimmungen, die dazu fUhren können, daß die einzelnen GUS-Staaten unterschiedlich in die Gemeinschaft eingebunden werden. So läßt z. B. Artikel 42 Vorbehalte zur GUS-Satzung zu, die auch nachträglich aufgenommen werden können. Überdies räumt die GUS-Satzung den Staaten die Möglichkeit ein, der GUS nicht als Vollmitglied, sondern als Beobachter oder assoziiertes Mitglied beizutreten S4. Außerdem beinhaltet die GUS-Satzung keine Klausel über ihren Vorrang vor sonstigen GUS-Abkommen, wie z. B. Artikel 103 der UN-Charta. Da Artikel 5 der GUS-Satzung ausdrücklich festlegt, daß auch die bilateralen Abkommen die Rechtsgrundlage der GUS bilden, wird die Kollision vertraglicher Verpflichtungen innerhalb der GUS nicht zu vermeiden sein. Die GUS-Satzung wurde ursprünglich von sieben GUS-Staaten unterzeichnetSs . Gemäß Artikel 41 Abs. 3 trat die GUS-Satzung ein Jahr nach ihrer Verabschiedung, am 22. Januar 1994, für diejenigen Staaten in Kraft, die die GUS-Satzung bis zu diesem Zeitpunkt ratifiziert hatten. Derzeit haben alle GUS-Staaten mit Ausnahme von Turkmenistan lind der Ukraine die GUS-Satzung unterzeichnet und ratifiziertS6 .
53 Die einzelnen Vorschriften der GUS-Satzlmg über den Organaufbau werden in Kapitel muntersucht.
54 Art. 7 ff der GUS-Satzlmg. Ausfilhrlich zur Frage der Mitgliedschaft in der GUS vgl. unten 2. Kapitel, C, I und II. 55 Die Unterzeichnerstaaten der GUS-Satzlmg sind die Republiken Annenien und Kasachstan, die Kyrgysische Republik (Kyrgystan), die Russische Föderation (Rußland), die Republiken Tadschikistan, Usbekistan und Weißrußland. 56 Angaben der elektroIÜschen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS, Stand: 1. November 1997.
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS
55
2. Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion Der Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion, der am 24. September 1993 in Moskau unterzeichnet wurde, enthält ein umfassendes Konzept der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUSS7. Im Vertrag wird das Ziel der Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes auf Grundlage der auch im EU-Recht bekannten vier Freiheiten bekräftigtS8. Der Vertrag hat jedoch eine stufenweise Errichtung der Wirtschaftsunion eingefuhrt. Die Etappen auf dem Weg zur GUS-Wirtschaftsuniori stimmen grundsätzlich mit den "klassischen" Stufen der Wirtschaftsintegration überein, die vom Wirtschaftswissenschaftler Bela Balassa entwickelt wurden und auch in der EU verwirklicht sind bzw. werdens9 . Gemäß Artikel 4 des Vertrages werden von den GUS-Staaten folgende Stufen der Wirtschaftsintegration bis hin zu einer Wirtschaftsunion angestrebt: - eine zwischenstaatliche (multilaterale) Freihandelszone, - eine Zollunion, - ein Gemeinsamer Markt, - eine Währungsunion. Artikel 4 Abs. 2 des Vertrages stellt jedoch fest, daß die konkreten Maßnahmen für die Verwirklichung jeder einzelnen Form (Stufe) der Integration in gesonderten Abkommen geregelt werden. Auf Grundlage dieser Vertragsbestimmung wurde bereits das Abkommen über die Errichtung der Freihandelszone am 15. April 1994 unterzeichnet. Hinsichtlich der institutionellen Struktur der GUS-Wirtschaftsunion enthält Artikel 27 des Vertrages eine allgemeine Bestimmung, daß die Vertragsstaaten sich der bereits vorhandenen GUS-Organe bedienen sowie neue exekutive und koordinierende Organe bilden. Die Errichtung von Organen mit supranationalen Vollmachten wurde im Vertrag nicht vorgesehen. Der genaue Organaufbau wird gemäß Artikel 28 des Vertrages gesonderten Abkommen vorbehalten. Auf Grundlage dieser Vertragsbestimmung wurde am 21. Oktober 1994 das Abkommen über die Errichtung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der GUS-Wirtschaftsunion unterzeichnet6o . 57 Wortlaut des Vertrages in russischer Sprache s. in: lnfonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 20 tf. 58
Art. 2 und 3 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion.
59
Vgl. oben 1. Kapitel, B, ill.
60
lnfonnationsb1att der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 41 tf.
56
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Ferner wurden die Grundsätze der Investitionsforderung (Artikel 10 ff.), einer abgestimmten Währungs- und Finanzpolitik (Artikel 14 ff.), einer koordinierten Sozialpolitik (Artikel 19 ff.) und der Angleichung der nationalen Gesetzgebung im wirtschaftlichen Bereich (Artikel 25 ff.) formuliert. Für Streitigkeiten aus dem Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion haben sich die Vertragsstaaten der Gerichtsbarkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts unterworfen (Artikel 31 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion). Der Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion ist eindeutig als ein Rahmenvertrag einzustufen. Er benötigt eine Vielzahl weiterer Vereinbarungen, die die gesetzten Ziele verwirklichen sollen. Eine Liste der erforderlichen zwischenstaatlichen Abkommen mit dem genauen Zeitplan der Entwurfsvorlagen hat der Rat der Regierungschefs am Tag der Vertragsunterzeichnung, am 24. September 1993, bereits verabschiedet61 . Der Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion wurde ursprünglich von neun GUS-Staaten unterzeichnet62. Derzeit sind alle GUS-Staaten Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion, wobei die Ukraine den Status eines assoziierten Mitglieds besitzt63 . Gemäß Artikel 34 Abs. 3 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion tritt der Vertrag nach der Einreichung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft. Dies geschah am 14. Januar 1994. Der Vertrag ist gemäß Artikel 33 Abs. 1 auf zehn Jahre abgeschlossen. Er verlängert sich automatisch um weitere fiinf Jahre, wenn keiner der Vertragsstaaten seinen Austritt aus der GUSWirtschaftsunion erklärt.
3. Abkommen über die Errichtung der Freihandelszone Als erste Stufe auf dem Weg zur Wirtschaftsunion wurde von den GUSStaaten am 15. April 1994 die Errichtung einer Freihandelszone vereinbart.
61
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 106 ff.
62 Die Unterzeichnerstaaten des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion sind Aserbajdschan, Arrnenien, Kasachstan, Kyrgystan, Moldova, Rußland, Tadschikistan, Usbekistan und Weißrußland. 63 Georgien trat dem Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion am 14. Januar 1994 und Turkmenistan am 23. Januar 1994 bei. Die Ukraine ist dem Vertrag als assoziiertes Mitglied am 15. Januar 1994 beigetreten. Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS, Stand: I. November 1997.
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS
57
Im Abkommen über die GUS-Freihandelszone64 haben sich die GUSStaaten darauf geeinigt, Zölle, Abgaben gleicher Wirkung sowie mengenmäßige Beschränkungen (Quoten und Lizenzen) für den Warenverkehr innerhalb der GUS schrittweise abzubauen6.5. Das Abkommen läßt jedoch zu, daß einzelne Waren aus dem Freihandel gemäß gesonderten Warenlisten ausgeschlossen werden66 . Die GUS-Staaten haben sich im Abkommen verpflichtet, den einheimischen Produzenten keine Exportsubventionen oder ähnliche Finanzhilfen zu gewähren, die den freien Wettbewerb im innergemeinschaftlichen Warenverkehr hindern können67 . Es wurden zudem die Fragen des Warentransits (Artikel 10) und des Warenreexports (Artikel 11) geregelt und die Vereinheitlichung der Zollformalitäten vereinbart (Artikel 6)68. Das Abkommen enthält jedoch keinen Zeitplan für die Verwirklichung der einzelnen Vertragsbestimmungen. Das Abkommen sieht eine Koordinierung der Handelspolitiken der GUSStaaten gegenüber Drittstaaten vor, insbesondere in Fragen der Zollkontrolle69 . Darüber hinaus wurde eine Koordinierung der innerstaatlichen Wirtschaftspolitiken vereinbart, falls dies für die Verwirklichung der vertraglichen Ziele erforderlich ist70 . Es wurden gleichwohl keine gesonderten Organe errichtet, was der üblichen Gestaltung einer Freihandelszone entspricht. Die Vertragsstaaten haben sich für die Streitigkeiten aus dem Abkommen der Gerichtsbarkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts unterworfen71.
64 Wortlaut des Abkommens über die Errichtung der Freihandelszone vom 15. April 1994 in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 113 ff. 65
Art. 3 ZifI 1 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
66
Art. 3 Ziff. 2 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
67
Art. 9 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
68 In Verbindung mit der Errichtung der GUS-Freihandelszone haben die GUSStaaten folgende Vereinbarungen getroffen: Regeln über die Ermittlung des Ursprungslandes von Waren vom 24. September 1993 (Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 151 ff. und Heft 14, 1994, S. 21 ff.) sowie Vereinbarung über den Reexport von Waren und die Erteilung von Reexportsgenehmigungen vom 15. April 1994 (Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 23 fI). 69 Art. 1 Ziff. 1 Abs. 5 und Art. 15 des Abkommens über die GUSFreihandelszone. 70
Art. 1 Ziff. 1 Abs. 6 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
71
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
58
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Das Abkommen tritt am Tag der Einreichung der dritten RatifIkationsurkunde in Kraft, und zwar nur fiir diejenigen Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben72. Die aUS-Staaten haben sich jedoch darauf geeinigt, daß das Abkommen unmittelbar nach seiner Unterzeichnung vorläufig angewendet wird73 . Die meisten aUS-Staaten haben jedoch die internen Regelungen zur Umsetzung des Abkommens über die GUS-Freihandelszone nicht geschafIen74 . Von einer tatsächlichen Errichtung einer Freihandelszone aUS-weit kann somit nicht gesprochen werden75 . 4. Abkommen über die Zollunion
In der Praxis kam der Aufbau der aus-Wirtschaftsunion nur sehr zögernd voran. Zur Beschleunigung des Integrationsprozesses haben zunächst Rußland und Weiß rußland am 6. Januar 1995 einen Vertrag über die Errichtung der Zollunion unterzeichnet. Auf Grundlage dieses Vertrages wurde am 20. Januar 1995 ein trilaterales Abkommen über die Zollunion geschlossen, zu dessen Vertragsstaaten nunmehr auch Kasachstan gehörte76 . Kyrgystan ist diesem Abkommen als vierter aUS-Staat am 29. März 1996 beigetreten77 .
72 Art. 23 Abs. 1 2. Halbsatz des Abkommens über die GUS-Freihandelszone. Das Abkommen trat am 29. Dezember 1994 in Kraft (Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS, Stand: I. November 1997). 73
Art. 23 Abs. 1 I. Halbsatz des Abkommens über die GUS-Freihandelszone.
Vgl. Hermann element, Integrationspolitik lUld -entwick1lUlg im ehemaligen RGW-Raum, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut München, Nr. 194, 1996, S. 45. 74
75 Vgl. ausf\l.hrlich zur GUS-Freihande1szone V1adimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, Berichte des BlUldesinstituts ft1r ostwissenschaftliche lUld internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 14 tf. 76 Wortlaut des Abkommens in russischer Sprache s. in: Amtliche Beilage (Vedomstwennoje prilozhenije) zur Rossijskaja gazeta vom 28.1.1995, S. I tf. 77 OSTinvest, Der Wirtschaftsdienst aus den Staaten der GUS lUld dem Baltikum, München, Nr. 13, 1996, S. 6. Georgien, Moldova, Tadschikistan lUld Usbekistan haben am 19. Januar 1996 ihre Bereitschaft angekündigt, am Ausbau der Zollunion teilzunehmen, s. Beschluß des Rates der Staatschefs über die Perspektiven der ErrichtlUlg der Zoll- lUld ZahllUlgsunion vom 19. Januar 1996 in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 21, 1996, S. 25 fI.
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS
59
Das GUS-Abkommen über die Zollunion enthält nur neun Artikel und verweist im wesentlichen auf den Vertrag zwischen Rußland und Weißrußland vom 6. Januar 1995, der einen integrierten Teil des GUS-Abkommens über die Zollunion bildet18. Die maßgebenden Vorschriften hinsichtlich der Ziele, Etappen und Instrumente der GUS-Zollunion sind daher allein im russischweißrussischen Vertrag vom 6. Januar 1995 zu finden. Der Vertrag vom 6. Januar 1995 sieht vor, daß die Errichtung der Zollunion in zwei Etappen erfolgt. In der ersten Etappe wird eine vollständige Verwirklichung der GUSFreihandelszone gemäß dem Abkommen über die GUS-Freihandelszone vom 15. April 1994 angestrebt, insbesondere die Aufhebung von tarifären und mengenmäßigen Beschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung. Dabei sind die Ausnahmen entgegen Artikel 3 Abs. 2 des Abkommens über die GUS-Freihandelszone nicht zulässig79 . Die Vertragsstaaten haben sich auf ein identisches System der Regulierung von Außenwirtschaftsbeziehungen geeinigt80. Ferner wurde die Einführung eines einheitlichen Zolltarifs und der gleichartigen Handelsregelungen gegenüber den Drittstaaten sowie eine weitreichende Vereinheitlichung der nationalen Gesetzgebung vereinbart81 . Nach der Verwirklichung der oben genannten Vertragsbestimmungen wird in der zweiten Etappe auf den Territorien der Vertragsstaaten ein einheitliches Zollgebiet geschaffen82 . Einen bestimmten Zeitplan für die Bildung der beschlossenen Zollunion enthält der Vertrag vom 6. Januar 1996 nicht. Die Vertragsstaaten haben des weiteren die Regeln der Verteilung von Zolleinnahmen (Artikel 4 des Vertrages vom 6. Januar 1995) und die Richtlinien der Zollkontrolle (Artikel 6 des Vertrages vom 6. Januar 1995) festgelegt. Hinsichtlich der institutionellen Struktur enthält das GUS-Abkommen über die Zollunion vom 20. Januar 1995 nur eine allgemeine Bestimmung, daß ein gemeinsames Exekutivorgan der Zollunion errichtet wird83 . Die Lösung von Streitigkeiten aus dem GUS-Abkommen über die Zollunion wurde im Gegensatz zu den Abkommen über die GUS-Wirtscbaftsunion und die GUSFreihandelszone dem GUS-Wirtschaftsgericht nicht übertragen. Die Streitig-
78
Art. 4 des GUS-Abkommens über die Zollunion.
79
Art. 2 Ziff. 1.1 Abs. 1 des Vertrages vom 6. Januar 1995.
80
Art. 2 Ziff. 1.1 Abs. 2 des Vertrages vom 6. Januar 1995.
81
Art. 2 Ziff. 1.2 Abs. I des Vertrages vom 6. Januar 1995.
82
Art. 2 Ziff. 4 des Vertrages vom 6. Januar 1995.
83
Art. 3 des GUS-Abkommens über die Zollunion.
60
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
keiten werden gemäß Artikel 6 des GUS-Abkommens über die Zollunion mittels Konsultationen beseitigt. Das Abkommen wird gemäß Artikel 9 seit dem 20. Januar 1995 vorläufig angewendet, bis die RatifIkationsverfahren in den einzelnen Vertragsstaaten abgeschlossen werden84 . Rußland und Weißrußland haben bereits erhebliche Erfolge bei der Errichtung der vereinbarten Zollunion erzielt8S .
11. Wirtschaftspolitische Ziele der GUS im Vergleich zur EG Hinsichtlich der allgemeinen Ziele der Integration entwickelt sich die GUS der EG erstaunlich ähnlich. Erst am 2. Juni 1955, vier Jahre nach der Unterzeichnung des EGKS-Vertrages, haben die Außenminister der EGKS auf der Konferenz von Messina beschlossen, Europa zunächst auf wirtschaftlichem Gebiet auszubauen und die Ideen der politischen Einigung vorerst zurückzustellen. Ähnlich haben die GUS-Staaten erst Ende 1993, fast zwei Jahre nach der Gründung der GUS, den Schwerpunkt ihrer Zusammenarbeit im Rahmen der GUS in die wirtschaftlichen Bereiche gesetzt. Die wirtschaftspolitischen Ziele der GUS sind im einzelnen in den GUSGründungsabkommen, der GUS-Satzung und dem Vertrag über die Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion festgelegt. Wie die vorherige Untersuchung der genannten Vertragswerke zeigte, soll primär das Ziel der Bildung und Entwicklung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums sowie eines europäischen und eurasischen Marktes verfolgt werden86 . Der gemeinsame Wirtschaftsraum soll dabei auf der Basis von marktwirtschaftlichen Beziehungen sowie dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften beruhen87. Die Errichtung des gemeinsamen Wirtschaftsraumes soll stufenweise verlaufen, während zu den einzelnen Stufen der Wirtschaftsintegration die Freihandelszone, die Zollunion, der Gemeinsame Markt sowie eine Währungs- und Wirtschaftsunion gehören88 .
84 Rußland hat das GUS-Abkommen über die Zollunion mit dem Föderalgesetz Nr. 21-FZ vom 29. Januar 1997 ratifIziert. 85 Vgl. Rossija - Belarus': torgovlja bes graniz, Ekonomika i zhisn', Nr. 30, 1995, S. 29 tI 86
Art. 4 Abs. 4 der GUS-Satzung.
81
Art. 19 Abs. 2 der GUS-Satzung.
88
Art. 2 Abs. 3 Wld Art. 4 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion.
B. Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS
61
Zu den weiteren wirtschaftspolitischen Zielen der GUS zählen u.a. die Entwicklung von Verkehrs-, Kommunikations- und Energieversorgungssystemen, Koordinierung der Kredit- und Finanzpolitik, Unterstützung der Handelsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, Stimulierung und gegenseitiger Schutz von Investitionen, Förderung der Standardisierung und Zertifizierung von Industriewaren und -erzeugnissen sowie Durchfiihrung gemeinsamer Umweltschutzmaßnahmen89 . Es werden ferner abgestimmte Steuer-, Preis-, Außenwirtschafts-, Zoll- und Devisenpolitiken angestrebt, die durch eine harmonisierte Gesetzgebung und eine gemeinsame Statistik ergänzt werden sollen9o . Die vertraglich festgelegten wirtschaftspolitischen Ziele der GUS weisen nur wenige Unterschiede zu den Zielen der Europäischen Union auf)}. In den beiden Gemeinschaften wird eine stufenweise Errichtung einer vollständigen Wirtschafts- und Währungsunion angestrebt, die auf freiem Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften basiert. Der Unterschied besteht dagegen in den Instrumenten, mit denen die vereinbarten Ziele verwirklicht werden sollen. Eine bedeutsame Rolle spielen dabei die institutionellen Strukturen und die Entscheidungsmechanismen der beiden Gemeinschaften. So werden in der Europäischen Union viele Maßnahmen, die die Wirtschaftsintegration der EU-Mitgliedstaaten betreffen, auf supranationaler Ebene getroffen. Die GUS-Staaten weisen demgegenüber wenig Bereitschaft auf, die Entscheidungsbefugnisse auf die Gemeinschaftsinstitutionen zu übertragen. Sie bevorzugen vielmehr eine bloße Koordinierung und Abstimmung ihrer Wirtschaftspolitiken auf Grundlage multilateraler und bilateraler völkerrechtlicher Vereinbarungen. Inwiefern sich die wirtschaftspolitischen Ziele der GUS durch das vorhandene Handlungsinstrumentarium verwirklichen lassen, wird aus der nachfolgenden Untersuchung der Organstruktur der GUS ersichtlich.
89
Art. 19 der GUS-Satzung.
90
Art. 3 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion.
Vgl. zu den wirtschaftspolitischen Zielen der EU BeutlerlBieberlPipkorniStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 52 ff., Thomas Oppennann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 802 ff. 91
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2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
C. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion Entscheidend für die vorliegende Untersuchung ist die Frage, welche Staaten und auf welche Weise sich diese an den wirtschaftlichen Integrationsprozessen innerhalb der GUS beteiligen. Es erscheint daher wichtig, die Rechtsstellung einzelner GUS-Staaten zu untersuchen sowie Beitritts- und Austrittsregeln zu analysieren, die in der GUS gelten. Der Rechtsstatus vieler GUS-Staaten in der GUS blieb lange Zeit unklar und umstritten. Lediglich in Bezug auf die baltischen Staaten - Estland, Lettland und Litauen - läßt sich zweifellos feststellen, daß sie weder Gründer noch Mitglieder der GUS sind. Hinsichtlich der zwölf anderen ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR konnte der Status innerhalb der GUS nicht eindeutig ennittelt werden; einerseits auf Grund der fehlenden oder nicht fristgemäßen Ratifizierung der GUS-Gründungsdokumente durch diese GUS-Staaten, andererseits wegen der widersprüchlichen Regelungen der GUS-Vereinbarungen selbst. Eine Aufklärung brachten die ersten Entscheidungen des jungen Wirtschaftsgerichts der GUS, das am 6. Juli 1992 gegründet wurden. In seiner Entscheidung Nr. 01/94 vom 31. März 199493 hatte das GUSWirtschaftsgericht auf Anfrage des Exekutivsekretariats der GUS die Frage zu beantworten, welche Staaten und ab welchem Zeitpunkt diese Mitglieder der GUS sind. Der Gegenstand der Entscheidung des GUS-Wirtschaftsgerichts Nr. 02/94 vom 31. März 199494 war die Auslegung der Bestimmungen der GUS92 Die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts haben nur einen Empfehlungscharakter filr diejenigen Staaten, die sich seiner Gerichtsbarkeit unterworfen haben. Aserbajdschan, Georgien, Turkmenistan und die Ukraine haben das Abkommen über den Status des Wirtschaftsgerichts vom 6. Juli 1992 nicht unterzeichnet. Aserbajdschan und Georgien haben jedoch mit ihrem Beitritt zur GUS jeweils am 24. September 1993 und am 3. Dezember 1993 die Verpflichtungen aus der GUS-Satzung in vollem Umfang angenommen einschließlich der Anerkennung der Zuständigkeit des GUSWirtschaftsgerichts. Turkmenistan und die Ukraine haben die Gerichtsbarkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts bisher nicht anerkannt. Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS. Stand: 1. November 1997.
93 Wortlaut der Entscheidung Nr. 01/94 vom 31. März 1994 in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 159 ff. 94 Wortlaut der Entscheidung Nr. 02/94 vom 31. März 1994 in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 161 ff.
c. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion
63
Gründungsdokumente und des Vertrages über die Errichtung der GUSWirtschaftsunion hinsichtlich der Mitgliedschaft in der GUS nach dem Inkrafttreten der GUS-Satzung. Dies erfolgte auf Anfrage des Koordinationsund Konsultativkomitees der GUS. Die Unterschiede im Rechtsstatus einzelner Staaten in der GUS ergeben sich anband der Bestimmungen der GUS-Abkommen und der Rechtsprechung des GUS-Wirtschaftsgerichts im einzelnen wie folgt:
I. Die GUS 1. Gründungsstaaten der GUS Das GUS-Gründungsabkommen vom 8. Dezember 1991 und das Protokoll zu diesem Abkommen vom 21. Dezember 1991 (im folgenden gemeinsam als "GUS-Gründungsdokumente" bezeichnet) sind nach deren Sinn und Wortlaut so auszulegen, daß die Unterzeichnerstaaten dieser beiden völkerrechtlichen Vereinbarungen die Gründungsstaaten der Gemeinschaft sind9S , nachdem sie diese Dokumente ratifiziert haben. Dies ist die Folge der außergewöhnlichen Gründung der GUS96. Die später verabschiedete Satzung der GUS hat die Möglichkeit der Erlangung des Rechtsstatus eines GUS-Gründungsstaates zeitlich beschränkt, indem sie eine Frist fiir die Ratifikation der GUS-Gründungsdokumente festgesetzt hat. Gemäß Artikel 7 Abs. 1 der GUS-Satzung gehören zu den GrUndungsstaaten der GUS diejenigen Staaten, die das Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 8. Dezember und das Protokoll zu diesem Abkommen vom 21. Dezember 1991 zum Zeitpunkt der Verabschiedung der GUS-Satzung unterzeichnet und ratifiziert haben.
95 Vgl. Art. 1 des GUS-Gtilndungsabkommens sowie Abs. 1 und 3 des Protokolls vom 21. Dezember 1991. Zu den Unterzeichnerstaaten der GUS-Gründungsdokumente gehören insgesamt 11 der 15 ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR. 96 Die Besonderheit der GUS-Gründung besteht darin, daß ursprünglich Rußland, die Ukraine und Weißrußland die Gtilndung der GUS im trilateralen Abkommen vom 8. Dezember 1991 vereinbart haben. Um mögliche politische Konflikte mit den anderen Gliedstaaten der UdSSR zu vermeiden, haben sie jedoch dreizehn Tage später in einem zusätzlichen Protokoll eine Neugründung, diesmal gemeinsam mit den anderen Gliedstaaten der UdSSR, vereinbart. Nach der im Völkerrecht üblichen Praxis hätten die anderen Gliedstaaten der UdSSR dem GUS-Gründungsabkommen nicht als Gründer, sondern als Vollmitglieder beitreten müssen.
64
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Die GUS-Satzung wurde am 22. Januar 1993 verabschiedet. Dementsprechend sind nur diejenigen Staaten als GUS-Griindungsstaaten einzustufen, die die Voraussetzungen des Artikel 7 Abs. 1 der GUS-Satzung bis 22. Januar 1993 erfüllt haben. Einige Unterzeichnerstaaten hatten jedoch nicht die beiden GUS-Griindungsdokumente, sondern nur das GUS-Gründungsabkommen ratifiziert. Zu Recht erklärte das GUS-Wirtschaftsgericht in seiner Entscheidung Nr. 02/94 vom 3l. März 1994, daß eine Ratifizierung des Protokolls zum GUS-Griindungsabkommen über die Ratifizierung des GUS-Griindungsabkommens hinaus nicht notwendig ist, weil das Protokoll ein Bestandteil des GUS-Griindungsabkommens bildet97. Anband der Angaben über den Stand des Ratifikationsverfahrens kommt das GUS-Wirtschaftsgericht zu dem Schluß, daß folgende Staaten als GUSGründungsstaaten anzusehen sind98 : - die Republik Annenien
(26. Dezember 1991)99,
- die Republik Kasachstan
(23. Dezember 1991),
- die Kyrgysische Republik (6. März 1992), - die Russische Föderation
(12. Dezember 1991),
- die Republik Tadschikistan (25. Dezember 1991), - Turkmenistan
(26. Dezember 1991),
- die Republik Usbekistan
(4. Januar 1992),
- die Ukraine
(10. Dezember 1991),
- die Republik Weiß rußland (10. Dezember 1991).
Mo/dova bekam als einziger GUS-Staat eine Verlängerung der Frist für die Ratifikation der GUS-Gründungsdokumente bis zum 22. April 1994 10 Die
°.
97
Abs. 5 des Protokolls vom 21. Dezember 1991.
98 In Klammem wird das Datum der RatifIkation der GUS-Grilndungsdokumente durch den jeweiligen Staat angegeben.
99 Nach Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS hat Almenien das GUS-Grilndungsabkommen am 18. Februar 1992 und das Protokoll zu diesem Abkommen am 21. Dezember 1991 ratifIziert. Warum das Datum "26. Dezember 1991" in der Entscheidung des GUS-Wirtschaftsgerichts vorkommt, läßt sich anband der Unterlagen, die der Verfasserin vorliegen, nicht feststellen. Dieser mögliche Fehler hat jedoch keine praktische Auswirkung auf den Rechtsstatus Almeniens im Rahmen der GUS, weil die Voraussetzungen ft1r die Mitgliedschaft in der GUS trotzdem erfilllt bleiben.
c. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion
65
GUS-Staaten haben somit der Republik Moldova die Möglichkeit eingeräumt, bis Ablauf der gesetzten Frist den Status der GUS-Gründungsstaat nach Artikel 7 Abs. 1 der GUS-Satzung zu erlangen. Die Republik Moldova hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht und am 8. April 1994 die beiden GUS-Gründungsdokmente ratifiziert. Sie ist somit als zehnter GUS-Gründungsstaat anzusehen. Aserbajdschan und Georgien hatten am Tag der Verabschiedung der GUSSatzung, am 22. Januar 1993, die GUS-Gründungsdokumente noch nicht unterzeichnet und zählen aus diesem Grund nicht zu den GUS-Gründungsstaaten.
Der Rechtsstatus eines GUS-Gründungsstaates ist vor allem für die Frage maßgebend, nach welchem Verfahren ein Staat Vollmitglied der GUS wird. Die Erlangung der Vollmitgliedschaft ist für die GUS-Gründungsstaaten erheblich vereinfacht. 2. Mitgliedstaaten der GUS a) GrUndungsstaaten als Mitglieder der GUS Mitgliedstaaten der GUS sind diejenigen GUS-Gründungsstaaten, die die Verpflichtungen aus der GUS-Satzung vom 22. Januar 1993 innerhalb eines Jahres nach der Verabschiedung der GUS-Satzung, d.h. bis 22. Januar 1994, übemehmen lOI . Die GUS-Satzung beinhaltet keine weiteren Regeln darüber, in welcher Form eine solche Verpflichtungsübemahrne zu erfolgen hat.
In seiner Entscheidung Nr. 02/94 vom 31. März 1994 hat das GUSWirtschaftsgericht festgestellt, daß die folgenden GUS-Gründungsstaaten die Voraussetzungen des Artikel 7 Abs. 2 der GUS-Satzung erfüllt und demnach den Status der GUS-Mitgliedstaaten erlangt haben 102 : - die Republik Armenien
(9. November 1993),
- die Republik Kasachstan
(31. März 1993),
- die Kyrgysische Republik (18. Dezember 1993), 100 Beschluß des Rats der Staatschefs der GUS vom 22. April 1994, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 110 tT. 101
Art. 7 Abs. 2 der GUS-Satzung.
102 In Klammem wird das Datum der Ratifizierung der GUS-Satzung durch den jeweiligen Staat angegeben. 5 BalayaD
66
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
- die Russische Föderation
(15. April 1993),
- die Republik Tadschikistan (26. Juni 1993), - die Republik Usbekistan
(6. Mai 1993),
- die Republik Weißrußland (18. Januar 1994). b) Allgemeine Beitrittsklausel der GUS-Satzung
Nach Artikel 7 Abs. 3 der GUS-Satzung kann jeder Staat, der die Ziele und Grundsätze der GUS teilt und die in der GUS-Satzung enthaltenen Verpflichtungen übernimmt, Mitgliedstaat der GUS werden. Der Beitritt zur GUS setzt eine Zustimmung aller GUS-Mitgliedstaaten voraus. Bisher haben zwei ehemalige Gliedstaaten der UdSSR., die keine GUSGründungsstaaten waren, Aserbajdschan und Georgien, die Voraussetzungen von Artikel 7 Abs. 3 der GUS-Satzung erfüllt. Aserbajdschan wurde am 24. September 1993 und Georgien am 3. Dezember 1993 als Mitgliedstaaten in die GUS aufgenommen 103 •
c) Sonderstellung Moldovas
Wie bereits oben erwähnt, ist es zwar Moldova gelungen, den Rechtsstatus des GUS-Gründungsstaates auf Grund der verlängerten Ratifikationsfrist zu erlangen. Die GUS-Satzung hat Moldova jedoch erst am 27. Juni 1994 104 ratifiziert, also nachdem die Frist für eine vereinfachte Erlangung der Mitgliedschaft durch die GUS-Gründungsstaaten abgelaufen war. Somit ist Moldova durch die Ratifikation der GUS-Satzung nicht automatisch zum GUSMitgliedstaat geworden. Moldova kann jedoch nach den Regeln des Artikels 7 Abs. 3 der GUSSatzung der GUS als Vollmitglied beitreten. Dafür ist allerdings eine Zustimmung aller GUS-Mitgliedstaaten erforderlich. Bis 1. November 1997 wurde dennoch kein entsprechender Beschluß des Rates der Staatschefs gefaßt. Moldova agiert gleichwohl als Mitglied der GUS. Aus rechtlicher Sicht dürfte
103 Vgl. Entscheidung des GUS-Wirtschaftsgerichts Nr. 02/94 vom 31. März 1994, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" Heft 14, 1994, S. 163. 104 Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS. Stand: I. November 1997.
C. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion
67
Moldova jedoch nicht als GUS-Mitgliedstaat angesehen werden, solange eine fönnliche Zustimmung der GUS-Mitgliedstaaten fehlt. d) Die Ukraine und Turkmenistan
Die Ukraine und Turkmenistan, die zu den GUS-Gründungsstaaten zählen, haben keinen Gebrauch von ihrem Status gemacht, um die Vollmitgliedschaft in der GUS nach einem vereinfachtem Verfahren zu erlangen. Diese zwei Staaten haben die GUS-Satzung bis 22. Januar 1994 nicht unterzeichnet 105 . Somit haben sie die Voraussetzungen des Artikels 7 Abs. 2 der GUS-Satzung nicht erfüllt. Die Ukraine und Turkmenistan haben ebenfalls wie Moldova die Möglichkeit, Mitglieder der GUS nach Artikel 7 Abs. 3 der GUS-Satzung zu werden. Bis 1. November 1997 wurde jedoch kein entsprechender Beschluß des Rates der Staatschefs gefaßt. Die Ukraine und Turkmenistan sind somit fonnell keine Mitglieder der GUS106. e) Austrittsk/ause/ der GUS-Satzung
Jeder GUS-Mitgliedstaat ist gemäß Artikel 9 Abs. 1 der GUS-Satzung zum Austritt aus der GUS berechtigt. Über eine solche Absicht muß der GUSMitgliedstaat den Depositärstaat der GUS-Satzung 107 zwölf Monate vor dem beabsichtigten Austritt in schriftlicher Form in Kenntnis setzen. 3. Beobachterstaaten der GUS Gemäß Artikel 8 Abs. 2 der GUS-Satzung können Vertreter derjenigen Staaten, die der GUS nicht angehören, auf Grundlage eines Beschlusses des Rates der Staatschefs an den Sitzungen der GUS-Organe als Beobachter teilnehmen.
\05 Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS. Stand: I. November 1997. 106 Die Ukraine und Turkmenistan beteiligen sich trotzdem an einzelnen GUSAbkommen, die im Rahmen der GUS vereinbart werden.
107 Nach Art. 41 Abs. 2 der GUS-Satzung ist der Depositärstaat der GUS-Satzung die Republik Weißrußland.
68
2. Kapitel: Gnmdlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
Diese Vertragsbestimmung wurde bereits von einigen GUS-Staaten in Anspruch genommen, um an den Sitzungen des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs teilzunehmen. Außer ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR hat noch kein Staat den Beobachterstatus in der GUS beantragt.
4. Assoziierte Mitglieder der GUS Gemäß Artikel 8 Abs. 1 der GUS-Satzung kann ein Staat, der sich an einzelnen Arten der Zusammenarbeit im Rahmen der GUS beteiligen möchte, auf Grundlage eines Beschlusses des Rates der Staatschefs der GUS als assoziiertes Mitglied beitreten. Die Bedingungen der Assoziierung sind in einern gesonderten Abkommen zwischen der GUS und dem assoziierten Mitglied festzulegen. Bis 1. November 1997 wurden keine entsprechende Abkommen über eine assoziierte Mitgliedschaft in der GUS abgeschlossen. In der Praxis üben jedoch die Ukraine und Turkmenistan die Rechte der assoziierten Mitgliedstaaten aus, ohne ihre Assoziierung mit der GUS rechtlich zu formalisieren.
5. Teilnehmerstaaten der GUS Aus der bisherigen Darstellung wird ersichtlich, daß einige Staaten die formellen Voraussetzungen fiir ihre Voll- oder assoziierte Mitgliedschaft in der GUS bisher nicht erfüllt haben. Um die Teilnahme solcher Staaten an der Zusammenarbeit im Rahmen der GUS trotzdem zu ermöglichen, hat das GUSWirtschaftsgericht den Begriff eines GUS-Teilnehmerstaates erarbeitet. Gemäß der Entscheidung des GUS-Wirtschaftsgerichts Nr. 01194 vorn 31. März 1994 gehören zu den GUS-Teilnehmerstaaten diejenigen Staaten, die das GUS-Gründungsabkommen vom 8. Dezember 1991 und das Protokoll zu diesem Abkommen vorn 21. Dezember 1991 gemäß den Vorschriften des innerstaatlichen Verfassungsrechts ratifiziert haben 108 ; der Zeitpunkt der Ratifizierung ist hierbei jedoch gleichgültig. Um den Status eines GUS-Teilnehmerstaates zu erlangen, ist es somit nicht erforderlich, die GUS-Gründungsdokumente bis 22. Januar 1994 ratifiziert zu haben, wie dies fiir die Erlangung des Status eines Mitgliedstaates nach Artikel 7 Abs. 2 der GUS-Satzung der Fall ist 109. Eine förmliche Zustimmung der 108
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" Heft 14, 1994, S. 159.
109
Vgl. oben 2. Kapitel, C, I, 2, a.
c. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion
69
übrigen GUS-Mitgliedstaaten, die für den Beitritt zur GUS nach Artikel 7 Abs. 3 der GUS-Satzung verlangt wird 110, ist auch nicht notwendig. Dementsprechend erlangen alle Staaten automatisch den Status eines GUSTeilnehmerstaates, nachdem sie die GUS-Gründungsdokumente ratifiziert haben, und zwar unabhängig davon, ob diese Staaten auch als Gründungsoder Mitgliedstaaten der GUS zu qualifizieren sind. Das GUS-Wirtschaftsgericht hat in seiner Entscheidung Nr. 01194 vom 3l. März 1994 festgestellt, ab welchem Datum die einzelnen Staaten als GUSTeilnehmerstaaten anzusehen sind, nämlich 111 : - die Republik Aserbajdschan
ab 24. September 1993,
- die Republik Annenien
ab 18. Februar 1991,
- die Republik Georgien
ab 3. Dezember 1993,
- die Republik Kasachstan
ab 23. Dezember 1991,
- die Kyrgysische Republik
ab 6. März 1992,
- die Russische Föderation
ab 12. Dezember 1991,
- die Republik Tadschikistan
ab 25. Dezember 1991,
- Turkmenistan
ab 26. Dezember 1991,
- die Republik Usbekistan
ab 4. Januar 1992,
- die Ukraine
ab 10. Dezember 1991 sowie
- die Republik Weiß rußland
ab 10. Dezember 1991.
Hinsichtlich der Republik Moldova konnte das GUS-Wirtschaftsgericht keine Aussage treffen, weil zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Entscheidung Nr. 02/94 die verlängerte Frist rur die Ratifizierung der GUSGründungsdokumente rur Moldova noch nicht abgelaufen war. Moldova hat am 8. April 1994 die GUS-Gründungsdokumente ratifiziert und ist somit als GUS-Teilnehmerstaat zu qualifizieren. Der Begriff "GUS-Teilnehmerstaat" hat eher eine politische als eine rechtliche Bedeutung und wird in den GUS-Dokumenten verwendet, um alle zwölf Staaten zu bezeichnen, die gegenwärtig an der Zusammenarbeit im Rahmen der GUS teilnehmen, u.a. die GUS-Gründungsstaaten, die GUS-Mitgliedstaaten und diejenigen Staaten, die die Voraussetzungen rur ihre Mitgliedschaft in
110
Vgl. oben 2. Kapitel, C, I, 2, b.
111
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" Heft 14, 1994, S. 160.
70
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
der GUS noch nicht erfüllt haben, aber zumindest die GUS-Griindungsdokumente ratifiziert haben 1l2 .
11. Die GUS- Wirtschaftsunion Die GUS-Staaten können Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion werden, unabhängig davon, ob sie Vollmitglieder der GUS sind oder nicht. 1. Reguläre Mitglieder der GUS-Wirtscbaftsunion Artikel 29 Abs. 1 des Vertrages über die Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion vom 24. September 1993 legt fest, daß die Mitgliedschaft in der GUSWirtschaftsunion zur Übernahme der Verpflichtungen aus dem Vertrag im vollen Umfang und zur Erlangung aller vertraglich vorgesehenen Rechte führt. Der Vertrag bestimmt jedoch keine Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der GUS-Wirtschaftsunion. Nach den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln sind diejenigen GUS-Staaten als Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion einzustufen, die den Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion unterzeichnet und ratifiziert haben. Diese Voraussetzungen haben alle GUS-Staaten mit Ausnahme der Ukraine erfiilItl13. Angemerkt sei, daß die Mitgliedschaft in der GUS nicht automatisch zu einer Mitgliedschaft in der GUS-Wirtschaftsunion führt. 2. Assoziierte Mitglieder der GUS-Wirtscbaftsunion Artikel 30 Satz 1 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion enthält die Möglichkeit, einem Staat, der seine Bereitschaft erklärt hat, nur einen Teil der Verpflichtungen aus diesem Vertrag zu übernehmen, den Status eines assoziierten Mitgliedes zu verleihen. Dafür ist die Zustimmung aller Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion erforderlich. Die Bedingungen der Assoziierung sind
112 In der vorliegenden Untersuchung wird statt der Bezeichnung "GUS-Teilnehmerstaat" der Terminus "GUS-Staat" verwendet. 113 Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS. Stand: 1. November 1997.
c. Mitgliedschaftsregeln in der GUS und in der GUS-Wirtschaftsunion
71
nach Artikel 30 Satz 2 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion von den regulären Mitgliedern gesondert festzulegen. Die Ukraine hat den Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion nicht unterzeichnet. Sie hat jedoch am 24. September 1993 in einer Stellungnahme zu diesem Vertrag ihre Absicht angekündigt, mit der Wirtschaftsgemeinschaft als assoziiertes Mitglied auf Grundlage eines gesonderten Abkommens zusammenzuarbeiten l14. Am 15. April 1994 wurde zwischen der Ukraine und den Mitgliedstaaten der GUS-Wirtschaftsunion ein solches Assoziierungsabkommen fiir die Dauer von fiinf Jahren unterzeichnet 11 s. Gemäß Artikel 9 des Assoziierungsabkommens tritt es jedoch erst dann in Kraft, wenn die Unterzeichnerstaaten alle erforderlichen innerstaatlichen Prozeduren erfüllt und die entsprechenden Urkunden bei der weißrussischen Regierung deponiert haben. Nach Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS haben bisher nicht alle Vertragsstaaten das Abkommen ratifiziert. Das Assoziierungsabkommen ist somit formell noch nicht in Kraft getreten. Die Ukraine kann daher nicht als assoziiertes Mitglied der Wirtschaftsunion qualifiziert werden.
3. Beitritt zur GUS-Wirtschaftsunion Nach Artikel 34 Abs. 2 ist der Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion jedem GUS-Teilnehmerstaat zum Beitritt offen, der die Vertragsbestimmungen akzeptiert. Für die Aufnahme in die GUS-Wirtschaftsunion ist die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich. Der Beitritt zur GUS-Wirtschaftsunion ist demgemäß mit dem Rechtsstatus eines GUS-Teilnehmerstaates verbunden. Wie jedoch oben festgestellt wurde, sind fiir die Erlangung dieses Rechtsstatus lediglich die Unterzeichnung und Ratifizierung der GUS-Gründungsdokuntente notwendig. Aus diesem Grund kann jeder Staat ohne weiteres der GUS als Teilnehmerstaat beitreten und die Mitgliedschaft an der GUS-Wirtschaftsunion beantragen. Mittelbar ist der Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion somit - genauso wie die GUS-Gründungsdokuntente und die GUS-Satzung - fiir den Beitritt
114 Abs. 3 der Stellungnahme der Ukraine zum Vertrag über die Gründung der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993. Wortlaut dieses Dokuments in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 31 fI 115 Wortlaut des Assoziierungsabkommens in russischer Sprache s. in: Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 111 ff.
72
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
nicht nur der ehemaligen Gliedstaaten der UdSSR, sondern aller Staaten der Welt offen.
4. Austritt aus der GUS-Wirtscbaftsunion
Gemäß Artikel 33 Abs. 2 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion kann jeder der Vertragsstaaten seinen Austritt aus der GUS-Wirtschaftsunion erklären, wenn er mindestens zwölf Monate im Voraus die anderen Vertragsstaaten darüber in Kenntnis setzt.
III. Bewertung der Beitritts- und Assoziierungsregeln in der GUS Die Feststellung, ob ein GUS-Staat als Vollmitglied, assoziiertes Mitglied oder Teilnehmer der GUS zu qualifizieren ist, besagt nur wenig über die tatsächliche Rechtsstellung dieses Staates in der GUS. Der Grund hierfiir liegt darin, daß die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der GUS im wesentlichen mittels völkerrechtlicher Abkommen geregelt wird. Durch die Einführung des Rechtsstatus "GUS-Teilnehmerstaat" können solche Abkommen von jedem GUS-Staat unterzeichnet werden, selbst wenn dieser die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der GUS nicht erfüllt hat. Aus diesem Grunde verlieren die vereinbarten Bei- und Austrittsklauseln an Bedeutung und werden daher nicht eingehalten, wie dies auch die oben dargestellte GUS-Praxis zeigt. Um den Rechtsstatus eines Staates innerhalb der GUS zu ermitteln, ist vielmehr die Überprüfung seiner Rechte und Pflichten aus einzelnen GUS-Vereinbarungen erforderlich. Solche Regelungen sind in mancher Hinsicht als integrationsffirdernd einzustufen, weil sie die Möglichkeit einräumen, eine Integration "verschiedener Geschwindigkeiten" innerhalb der GUS zu erzielen. Sie haben jedoch zugleich eine desintegrative Wirkung, weil einheitliche und für alle Teilnehmer verbindliche Regeln für den Verlauf der Integrationsprozesse nicht geschaffen werden können. Um solche negativen Folgen zu vermeiden, könnte die Mitgliedschaft in der GUS mit der Verpflichtung verbunden werden, allen multilateralen GUSVereinbarungen beizutreten. Eine solche Bestimmung ist derzeit in der GUSSatzung nicht vorhanden. Die Rechtsordnung der EU enthält hingegen verhältnismäßig restriktive Beitritts- und Assoziierungsregeln. Während die GUS nach ihren Mitgliedschaftsregeln als eine offene Staatenverbindung zu qualifizieren ist, hat die EU
D. Bewertung des gegenwärtigen Standes der Wirtschaftsintegration
73
den Charakter einer beschränkt offenen Organisation 11 6. Anders als in der GUS darf der Beitritt zur EU nur von einem europäischen Staat beantragt werden 1l7. Über die geographische Beschränkung auf Europa hinaus sind auch die politisch-wirtschaftlichen Beitrittsvomussetzungen ungeschriebener Art zu beachten l18, die den EU-Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Ermessensspielraum für eine Beitrittsentscheidung gewähren. Die Beitrittseinschränkungen in der EU sind im wesentlichen dadurch zu erklären, daß die Mitgliedschaft in der EU mit vielen wirtschaftlichen und finanziellen Vorteilen für ökonomisch schwache Staaten verbunden ist. Es ist daher davon auszugehen, daß die Beitrittsvoraussetzungen in der GUS sich verschärfen werden, sobald die Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft aus wirtschaftlicher Sicht lukrativ wird.
D. Bewertung des gegenwärtigen Standes der Wirtschaftsintegration in der GUS Anband der Analyse der bisherigen Entwicklung der GUS und der vorgestellten Theorie zur abgestuften Wirtschaftsintegration läßt sich der gegenwärtige Stand der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS nach Form und Grad wie folgt bewerten: Hinsichtlich der Form der Wirtschaftsintegration haben sich die zwölf GUS-Staaten nach dem Vorbild der EU das langfristiges Ziel gesetzt, stufenweise eine vollständige Wirtschaftsunion aufzubauen 1l9 . Als erste Stufe auf dem Weg zur GUS-Wirtschaftsunion wurde die Bildung einer Freihandelszone vereinbart. Diese befindet sich noch im Aufbau. Das Abkommen über die GUS-Freihandelszone vom 15. April 1994 ist zwar bereits in Kraft getreten, in der Praxis kommt jedoch seine Umsetzung in den einzelnen GUS-Staaten nur sehr schleppend voran. Es kann daher noch nicht
116
Vgl. hierzu Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 1838 tI.
117
Art. 49 Abs. I EUV.
118 Vgl. hierzu BeutlerlBieberlPipkom/Strei/, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 47 tI. und 557 tI.
119 In der EU haben die Integrationsprozesse bereits sehr hohe Stufen der Wirtschaftsintegration erreicht: Nach einer erfolgreichen Verwirklichung der Zollunion und des Gemeinsamen Marktes wurden die Bedingungen und der voraussichtliche Zeitplan der schrittweisen Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion im Rahmen der EU vertraglich vereinbart. Vgl. Art. 102a bis 109m EGV.
74
2. Kapitel: Grundlagen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
einmal von der Verwirklichung der niedrigsten Stufe der Wirtschaftsintegration - einer Freihandelszone - GUS-weit gesprochen werden. Hinsichtlich der Integrationsgrade gehen die GUS-Abkommen über einen bloßen Infonnationsaustausch, eine Abstimmung und die Koordinierung einzelner Wirtschaftspolitiken nicht hinaus. Ein höherer Grad der Wirtschaftsintegration - die Vereinheitlichung der Politiken - wird angesichts der erforderlichen Einschränkung der nationalen Souveränität von den GUS-Staaten derzeit abgelehnt. Dies wird aus der nachfolgenden Untersuchung der GUSOrgane deutlich. Eine Übertragung der staatlichen Aufgaben auf die gemeinschaftlichen Organe, wie dies in der EG teilweise der Fall ist, ist in den GUSAbkommen nicht vorgesehen und wird ebenfalls auf Grund der Souveränitätsbestrebungen der GUS-Staaten nicht beabsichtigt. Eine vertiefte Integration ist jedoch in einem kleineren Kreis der GUSStaaten festzustellen. So findet bereits zwischen Rußland, Kasachstan, Kyrgystan und Weißrußland ein Freihandel statt, eine Zollunion wird auf Grund des Abkommens über die Zollunion vom 20. Januar 1995 zügig ausgebaut. Wie bereits bei der Darstellung der vertraglichen Grundlagen der GUSWirtschaftsintegration erläutert, beabsichtigen diese GUS-Staaten einen sehr hohen Integrationsgrad, der eine Vereinheitlichung der einzelnen Wirtschaftspolitiken und der Gesetzgebung auf den betreffenden Gebieten voraussetzt. Welche praktischen Innovationen der Vertrag über die Gründung der Gemeinschaft Integrierter Staaten (GIS) vom 29. März 1996 bringen wird, der ebenfalls von diesen vier GUS-Staaten unterzeichnet wurde, bleibt abzuwarten. In den ersten eineinhalb Jahren der GIS-Existenz wurden über die Einrichtung der GIS-Zollunion hinaus nur wenige vertraglich vereinbarten Maßnahmen verwirklicht 120 .
120 Vgl. hierzu ausfilhrlich Hermann element, Integrationspolitik und -entwicklung im ehemaligen RGW-Raum, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut München, Nr. 194, 1996, S. 64 ff.
Drittes Kapitel
Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS Die gemeinsamen Organe einer Integrationsgemeinschaft und ihre produktive Arbeitsweise sind für den Bestand und die Weiterentwicklung der Integration von überragender Bedeutung. So haben in der Geschichte der Europäischen Union bei aller Zerrissenheit der Mitgliedstaaten über die Politikinhalte und deren Implementierung gerade die vergleichsweise stabilen institutionellen Strukturen den Zusammenhalt und die Kontinuität der Gemeinschaft gesichert l . Die institutionelle Gestaltung der GUS erfolgte schrittweise. Das Fehlen eines Gründungsdokumentes nach dem Vorbild der Römischen Verträge fiihrte dazu, daß viele GUS-Organe in der Anfangsphase auf Grundlage gesonderter völkerrechtlichen Abkommen gebildet wurden. Die GUS-Satzung vom 22. Januar 1993 brachte zwar eine gewisse Ordnung in den Organaufbau und legte eine Grundstruktur der GUS-Organe fest. Die bereits abgeschlossenen GUS-Abkommen über die einzelnen GUS-Organe blieben jedoch in Kraft. Darüber hinaus wurde das institutionelle System in den darauf folgenden Jahren ausgebaut un~ restrukturiert; dies erfolgte ebenfalls auf Grundlage völkerrechtlicher GUS-Abkommen. Die GUS-Satzung wurde aber an die tatsächlich errichtete Organstruktur nicht angepaßt. Aus diesem Grunde stützt sich die nachfolgende Untersuchung nicht auf ein bestimmtes Vertragswerk, sondern auf eine Reihe von GUS-Dokumenten. Der Untersuchung der institutionellen Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen wird ein Überblick über die Gesamtstruktur der GUS-Organe vorangestellt.
I Bemd Langeheine, Rechtliche Wld institutionelle Probleme einer abgestuften Integration in der Europäischen Gemeinschaft, in: Eberhard Grabitz (Hrsg.), Abgestufte Integration, Kehl am Rhein-Straßburg, 1984, S. 107.
76
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS Artikel 4 der GUS-Satzung legt fest, daß die Zusammenarbeit der GUSStaaten durch die gemeinsamen koordinierenden Institutionen verwirklicht wird2• Die GUS-Organe werden in der vorliegenden Untersuchung zum besseren Verständnis der Grundstruktur in vier Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe bilden die allgemeinen GUS-Organe, die ausdrücklich in der GUS-Satzung (Abschnitt VI und VII) bzw. in den später abgeschlossenen völkerrechtlichen GUS-Abkommen vorgesehen sind, um die allgemeine Zielsetzung der GUS zu verwirklichen. Eine weitere Gruppe bilden die Organe der interministerialen Zusammenarbeit der GUS-Staaten. Sie werden aus den zuständigen Ministern in einzelnen Sachbereichen gebildet und agieren als Hilfsorgane des Rates der Staatschefs oder des Rates der Regierungschefs. Diese Organe sind entweder in der GUS-Satzung vorgesehen oder werden durch die entsprechenden Beschlüsse der beiden Räte gebildet. Eine besondere Gruppe bilden die Organe der GUS-Wirtschaftsunion und die Organe der GUS-Zahlungsunion, die nur fiir die Zusammenarbeit der GUS-Staaten im Rahmen der jeweiligen Union zuständig sind und nicht den Organen der GUS im engeren Sinne zugeordnet werden können. Die letzte Gruppe umfaßt die sog. Organe for branchenspezijische Zusammenarbeit (Räte und Komitees). Diese werden je nach Bedarf rur die Kooperation in einem spezifischen Bereich errichtet. Im Gegensatz zu den allgemeinen GUS-Organen sind diese Sonderorgane in der GUS-Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen. Artikel 34 der GUS-Satzung enthält lediglich eine Ermächtigung fiir die Errichtung der Sonderorgane durch die GUS-Staaten auf Grundlage zusätzlicher völkerrechtlicher Vereinbarungen.
I. Allgemeine Organe der GUS Die institutionelle Struktur der GUS umfaßt derzeit folgende allgemeine Organe:
2 Der Begriff "Organe" wurde in den GUS-Dokwnenten in der Anfangsphase vermieden.
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
77
1. Rat der Staatschefs Der Rat der Staatschefs ist das oberste Organ der GUS, in dem die GUSStaaten auf höchster Ebene vertreten sind3 . Dieses Organ wurde unmittelbar nach der Gründung der GUS, am 21. Dezember 1991, errichtet4 . Der Rat der Staatschefs berät und entscheidet über die grundlegenden Fragen der Zusammenarbeit der GUS-Staaten in den Bereichen ihrer gemeinsamen Interessen5 . Der Rat der Staatschefs tritt zweimal jährlich zu seinen ordentlichen Sitzungen zusammen6 . 2. Rat der Regierungschefs Dem Rat der Staatschefs steht der Rat der Reg;erungschefs zur Seite. Dieses Organ wurde gleichzeitig mit dem Rat der Staatschefs am 21. Dezember 1991 gegründet1. Der Rat der Regierungschefs koordiniert die Zusammenarbeit der Organe vollziehender Gewalt der GUS-Staaten in den Bereichen ihrer gemeinsamen Interessen8 . In diesem Organ sind die Regierungen aller GUSStaaten auf höchster Ebene vertreten. Die Sitzungen des Rates der Regierungschefs finden viennal jährlich statt9 und werden in der Regel gemeinsam mit dem Rat der Staatschefs abgehalten 10. Hinsichtlich der Beschlußfassung und der Handlungsformen dieses Organes gelten dieselben Regeln wie im Rat der Staatschefs. Auf Grund der beschränk3
Art. 21 Abs. I der GUS-Satzung.
Vgl. Ziff. I des GUS-Abkommens über die Koordinationsinstitutionen vom 21. Dezember 1991. Wortlaut des Abkommens in deutscher Sprache in: Ulrich-Joachim Schulz-Torge (Hrsg.), Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Bd. I, Swisttal, 1993, S. 010. 4
5
Art. 21 Abs. 2 der GUS-Satzung.
Vgl. zur detaillierten Darstellung des Rates der Staatschefs der GUS unten 3. Kapitel, B, I. 6
7 Vgl. Ziff. I des GUS-Abkommens über die Koordinationsinstitutionen vom 21. Dezember 1991. 8
Art. 22 Abs. I der GUS-Satzung.
9
Art. 22 Abs. 2 der GUS-Satzung.
Seit der Gründung der GUS haben insgesamt 26 Sitzungen des Rates der Regierungschefs stattgefunden, wobei 12 gemeinsam mit dem Rat der Staatschefs abgehalten wurden. Der Rat der Regierungschefs hat insgesamt über 450 Dokumente verabschiedet. Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS (Stand: I. November 1997). \0
78
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
ten Zuständigkeit des Rates der Regierungschefs wird auf eine gesonderte Untersuchung dieses Organes verzichtet 11.
3. Exekutivsekretariat der GUS Das Exekutivsekretariat ist ein ständiges Verwaltungsorgan der GUS, das am 14. Mai 1993 gegründet wurde l2 . Die Hauptaufgabe dieses Organes besteht in der organisationstechnischen Unterstützung der Tätigkeit des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs 13 . Das Exekutivsekretariat urnfaßt 175 Personen und besteht aus einem Exekutivsekretär und je einem Vertreter der GUS-Staaten, die vom erforderlichen Personal unterstützt werden. Das Exekutivsekretariat hat seinen ständigen Sitz in Minsk (Weißrußland) 14. Die Rechtsstellung und die Kompetenzen des Exekutivsekretariats sind in der GUS-Satzung nicht festgelegt und beruhen allein auf den entsprechenden Beschlüssen des Rates der Staatschefs. In der Praxis hat das Exekutivsekretariat im wesentlichen die Aufgaben des Koordinations- und Konsultativkomitees übernommen, das als ständiges exekutives und koordinierendes Organ der GUS in der GUS-Satzung vorgesehen war l5 . Das Koordinations- und Konsultativkomitee hat seine Tätigkeit Ende 1993 eingestellt und ist daher trotz seiner "Präsenz" in der G{]S-Satzung nicht als GUS-Organ anzusehen.
4. Wirtschaftsgericht der GUS Das Wirtschaftsgericht der GUS wurde auf der Moskauer Sitzung des Rates der Staatschefs am 6. Juli 1992 konstituiert l6 . Zu seinen Aufgaben gehören die
II Es wird daher auf die Darstellung des Rates der Staatschefs verwiesen. Vgl. unten 3. Kapitel, B, I.
12 Beschluß des Rates der Staatschefs vom 14. Mai 1993 über das Exelcutivsekretariat der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 11, 1993, S. 92 ff. 13 P. I Abs. I der Verordnung über das Exelcutivsekretariat der GUS vom 14. Mai 1993, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 11, 1993, S. 94 ff.
14 Vgl. zur detaillierten Darstellung des Exelcutivsekretariats der GUS unten 3. Kapitel, B, II.
15
Art. 28 Abs. I der GUS-Satzung.
16 Vgl. GUS-Abkomme.n über den Status des Wirtschaftsgerichts der GUS vom 6. Juli 1992, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 6, 1992, S. 53 ff.
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
79
Beilegung der Streitigkeiten, die bei der Erfiillung der wirtschaftlichen Verpflichtungen durch die GUS-Staaten entstehen, sowie die Auslegung der Bestimmungen der GUS-Abkommen hinsichtlich wirtschaftlicher Fragen 17. Das Wirtschaftsgericht besteht aus je zwei Vertretern der GUS-Staaten und hat seinen ständigen Sitz in Minsk (Weißrußland)18.
5. Menscbenrecbtskommission Die Menschenrechtskommission ist ein beratendes Organ der GUS, das die Erfiillung derjenigen Verpflicbtungen überwacbt, die von den GUS-Staaten bezüglich der Menschenrechte im Rahmen der GUS übernommenen wurden l9 . Die Kompetenzen und Handlungsformen der Menschenrechtskommission wurden vom Rat der Staatschefs in der Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24. September 1993 festgelegt20. Die GUS-Staaten haben überdies am 26. Mai 1995 eine GUS-Konvention über die Menschenrechte und Grundfreiheiten unterzeichnet21 , deren Überwachung ausdrücklich der GUS-Menschenrechtskommission zugewiesen wurde22 . Die Menschenrechtskommission erörtert die Anfragen der GUS-Staaten, der Individuen und nicht-staatlichen Organisationen hinsichtlich der Verletzung der Menschenrechte durch die GUS-Staaten23 . Sie kann ihre Beschlüsse in Form von Vereinbarungen, Gutachten und Empfehlungen fassen 24 .
17
Art. 32 Abs. 2 und 3 der GUS-Satzung.
18
Vgl. zur detaillierten Darstellung des GUS-Wirtschaftsgerichts unten 3. Kapitel,
B,IV. 19
Art. 33 Abs. I der GUS-Satzung.
20
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 35 ff.
21 Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19, 1995, S. 30 tT. Moldova, Turkmenistan, die Ukraine und Usbekistan haben die Konvention über die Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht unterzeichnet.
22
Art. 34 der Konvention über die Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Teil TI und September 1993. 23
m der
Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24.
24 Teil I Ziff. 10 der Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24. September 1993.
80
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Jeder GUS-Staat bestellt in die Menschenrechtskommission einen Vertreter und seinen Stellvertreter25 . Die Menschenrechtskommission tagt mindestens einmal alle sechs Monate26 und hat ihren Sitz in Minsk (Weißrußland)27. Da die Tätigkeit der Menschenrechtskommission keine unmittelbare Auswirkung auf die wirtschaftlichen Integrationsprozesse innerhalb der GUS hat, wird dieses Organ im Rahmen der detaillierten Untersuchung der Organstruktur der Wirtschaftsintegration nicht dargestellt. 6. Interparlamentarische Versammlung In der Interparlamentarischen Versammlung wird die Tätigkeit der nationalen Parlamente der GUS-Staaten koordiniert28 . Dieses Organ entstand beim Treffen der parlamentarischen Vertreter der GUS-Staaten am 27. März 1992 in Alma-Ata und wurde später in der GUSSatzung verankert. Die Interparlamentarische Versammlung besteht aus den parlamentarischen Delegationen der GUS-Staaten und hat ihren Sitz in St. Petersburg (Rußland)29.
7. Sonstige GUS-Organe und Ständige Vertreter der GUS-Staaten Unter sonstigen allgemeinen GUS-Organen ist insbesondere das Zwischenstaatliche Statistische Komitee der GUS zu nennen, das rur die einheitliche Statistik im Rahmen der GUS sorgt und dem die GUS-Staaten am 10. Februar 1995 den Status eines zwischenstaatlichen Organs der GUS verliehen haben3o . 25 Teil I Ziff 2 der Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24. September 1993. 26 Teil I Ziff. 4 der Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24. September 1993. 27 Teil ISchlußbestimmungen" Ziff 2 der Verordnung über die Menschenrechtskommission vom 24. September 1993. 28
Art. 36 ff. der GUS-Satzung.
Vgl. zur detaillierten Darstellung der Interparlamentarischen Versammlung der GUS-Staaten unten 3. Kapitel, B, V. 29
30 Vgl. Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 10. Februar 1995 über das Statistische Komitee der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 18, 1995, S. 216, Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 26. Mai 1995 über die
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
81
Es ist schließlich anzumerken, daß jeder GUS-Staat einen Ständigen Vertreter zur GUS entsendet, der auf ständiger Basis die Interessen des jeweiligen GUS-Staates bei den Organen der GUS vertritt. Das Institut der Ständigen Vertreter wurde am 24. September 1993 vom Rat der Staatschefs nach dem Vorbild des Ausschusses der Ständigen Vertretern in der EU eingeführt31 . Im Gegensatz zu dem Ausschuß der Ständigen Vertreter, der einen Teil des Rates der EU bildet, sind die Ständigen Vertreter in der GUS keinem konkreten GUS-Organ zugeordnet und tagen nur selten gemeinsam. Die Ständigen Vertreter nehmen vielmehr an den Sitzungen aller GUS-Organe teil, um dort die offizielle Haltung der GUS-Staaten zum Ausdruck zu bringen und sie zu vertreten32 . Trotz der institutionellen Unterschiede haben die Ständigen Vertreter in der GUS und der EU jedoch eine ähnliche Funktion und sind als Schaltstelle zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten besonders wichtig. Die Ständigen Vertreter genießen auf dem Territorium der GUS-Staaten dieselben Vorrechte und Immunitäten, die den diplomatischen Vertretern gewährt werden33 . Sie haben ihren Sitz in Minsk (Weißrußland)34. Dies ist auch dadurch zu erklären, daß sich in Minsk das Exekutivsekretariat der GUS befindet, das die Tätigkeit aller GUS-Organe koordiniert und die Ständigen Vertreter in seine Aktivitäten einbezieht.
Umbenennung des Statistischen Komitees der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19,1995, S. 146 sowie Verordnung über das Zwischenstaatliche Statistische Komitee der GUS vom 12. April 1996, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 22, 1996, S. 109 ff. und Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 12. April 1996 über den Vorsitzenden des Zwischenstaatlichen Statistischen Komitees der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 22, 1996, S. 116. 31 Vgl. Beschluß des Rates de Staatschefs über die Ständigen Vertreter der GUSStaaten vom 24. September 1993, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 86. Der Rat der Regierungschefs hat am 24. Dezember 1993 auf Grundlage dieses Beschlusses eine Verordnung über die Ständigen Vertreter der GUS-Staaten bei den allgemeinen und sonstigen Organen der GUS verabschiedet. Vgl. Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 13, 1993, S. 112 ff.
32
Vgl. P. 4 der Verordnung über die Ständigen Vertreter vom 24. Dezember 1993.
33
P. 5 der Verordnung über die Ständigen Vertreter vom 24. Dezember 1993.
34
P. 7 der Verordnung über die Ständigen Vertreter vom 24. Dezember 1993.
6 Balayan
82
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
11. Organe der interministerialen Zusammenarbeit Zu den Organen der GUS gehören außerdem die Organe der interministerialen Zusammenarbeit. Sie werden aus den Ministern oder Leitern der Staatsorgane der GUS-Staaten gebildet, um über die Fragen der Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen zu beraten und Empfehlungen fiir den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs zu erarbeiten3S . Diese Einrichtungen sind in der Regel einem der beiden Räte zugeordnet und agieren nicht als selbständige Organe der GUS. Ihre Tätigkeit wird ausschließlich durch die Beschlüsse des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs geregelt36. Bisher wurden in der GUS folgende Organe der interministerialen Zusammenarbeit gebildet:
1. Rat der Außenminister Der Rat der Außenminister ist rur die Koordination der außenpolitischen Tätigkeit der GUS-Staaten und rur die Durchfiihrung der Beratungen in weltpolitischen Fragen von gemeinsamem Interesse zuständig37. Dieses Organ besteht aus den Außenministern aller GUS-Staaten und tagt mindestens einmal alle drei Monate in Minsk (Weißrußland). Die Kompetenzen und Handlungsformen des Rates der Außenminister wurden vom Rat der Staatschefs am 24. September 1993 in der Verordnung über den Rat der Außenminister der GUS-Staaten festgelegt38.
2. Rat der Innenminister Der Rat der Innenminister wurde am 19. Januar 1996 auf Grundlage eines Beschlusses des Rates der Staatschefs errichtet, um die Zusammenarbeit der
35
Art. 26 der GUS-Satzung.
Die Organe der intenninisterialen Zusammenarbeit werden bei der nachfolgenden Untersuchung der institutionellen Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen nicht berücksichtigt. 36
31
Art. 27 der GUS-Satzung.
38
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 81 ff.
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
83
GUS-Staaten bei der Bekämpfung der Kriminalität zu koordinieren39 . Dieses Organ besteht aus den Innenministem der GUS-Staaten40 und tagt mindestens zweimal im Jabf41. Die einzelnen Kompetenzen und Handlungsformen des Rates der Innenminister sind in der Verordnung über den Rat der Innenminister der GUSStaaten geregelt, die am 17. Mai 1996 vom Rat der Staatschefs verabschiedet wurde42 . Dieses Organ wurde bisher nicht in die GUS-Satzung aufgenommen.
3. Rat der Verteidigungsminister Die Zuständigkeit des Rates der Verteidigungsminister umfaßt die Fragen der Militärpolitik und des militärischen Aufbaus der GUS-Staaten43 . Der Rat der Verteidigungsminister wurde am 14. Februar 1992 auf Grundlage eines Beschlusses des Rates der Staatschefs gegründet«. Dieser Rat erlebte zwei Restrukturierungen: die erste am 22. Januar 1993 45 und die zweite am 15. April 199446 . Der Stab zur Koordinierung der mi!ittJrischen Zusammenar-
39 Vgl. Beschluß des Rates der Staatschefs vom 19. Januar 1996 über den Rat der Inneruninister, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 21, 1996, S. 89 tT. lUld VerordnlUlg über den Rat der Inneruninister vom 17. Mai 1996, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 23,1996, S. 42 tT. 40
P. 4 der VerordnlUlg über den Rat der Innenminister vom 17. Mai 1996.
41
P. 9 der VerordnlUlg über den Rat der Inneruninister vom 17. Mai 1996.
42 Beschluß des Rates der Staatschefs vom 17. Mai 1996, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 23, 1996, S. 41 ff. 43
Art. 30 Abs. 1 der GUS-Satzung.
44 Vgl. Beschluß des Rates der Staatschefs vom 14. Februar 1992 über den Rat der VerteidigWlgsminister, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 2, 1992, S. 45 tT. 45 Vgl. GUS-Abkommen über die VerordnlUlg über den Rat der VerteidiglUlgsminister vom 22. Januar 1993 sowie die VerordnlUlg selbst, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 68 ff. 46 Vgl. Beschluß des Rates der Staatschefs vom 15. April 1994 über die VerordnlUlg über den Rat der VerteidigWlgsminister sowie die VerordnlUlg selbst, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 132 ff.
84
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
beil steht als ständiges Arbeitsorgan dem Rat der Verteidigungsminister zur Seite47 .
Der Rat der Verteidigungsminister besteht aus den Verteidigungsministern der GUS-Staaten und dem Chef des Stabes zur Koordinierung der militärischen Zusammenarbeit48 . Dieses Organ tagt in der Regel einmal alle drei Monate in Moskau (Rußland)49.
4. Rat der Leiter der Sicberbeitsdienste Der Rat der Leiter der Sicherheitsdienste wurde am 28. März 1997 durch den Rat der Staatschefs errichtetSO, um die Zusammenarbeit der GUS-Staaten bei der Bekämpfung der Kriminalität auf internationaler Ebene sowie in anderen Bereichen der staatlichen Sicherheit zu koordinierenSl . Dieses Organ besteht aus den Leitern der Sicherheitsdienste einzelner GUS-StaatenS2 und tagt mindestens zweimal jährlichs3 . Dieses Organ wurde ebenfalls wie der Rat der Innenminister noch nicht in die GUS-Satzung aufgenommen. Die einzelnen Kompetenzen und Handlungsformen des Rates sind in der Verordnung über den Rat der Leiter der Sicherheitsdienste vom 28. März 1997 festgelegt.
47 P. 4 Abs. 2 der Verordnung über den Rat der Verteidigungsminister vom 15. April 1994. Der Stab zur Koordinierung der militärischen Zusammenarbeit entstand in Folge einer Umwandlung des Oberkommandos der Vereinten Streitkräfte, nachdem die Versuche gescheitert sind, die nationalen Armeen der GUS-Staaten in den Vereinten Streitkräften der GUS zu verbinden. Vgl. hierzu Boris Meissner, Das politische Palctsystem innerhalb der GUS, Osteuropa-Recht, 40. Jg., Heft 3,1994, S. 239 ff. 48 P. 4 Abs. I der Verordnung über den Rat der Verteidigungsminister vom 15. April 1994. 49 P. 13 und 14 der Verordnung über den Rat der Verteidigungsminister vom 15. April 1994. 50 Vgl. Beschluß des Rates der Staatschefs vom 28. März 1997 über die Verordnung über den Rat der Leiter der Sicherheitsdienste sowie die Verordnung selbst, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 26, 1997, S. 253 ff.
51
P. l.l der Verordnung über den Rat der Leiter der Sicherheitsdienste vom 28.
März 1997.
52 P. 1.4 der Verordnung über den Rat der Leiter der Sicherheitsdienste vom 28. März 1997.
53
P. 3.1 der Verordnung über den Rat der Leiter der Sicherheitsdienste vom 28.
März 1997.
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
85
5. Rat der Befehlshaber der Grenztruppen Der Rat der Befehlshaber der Grenztruppen ist fiir Fragen des Schutzes der Außengrenzen der GUS-Staaten und fiir die Gewährleistung einer stabilen Lage an diesen Grenzen zuständigS4. Mitglieder dieses Organes sind die Befehlshaber der nationalen Grenztruppen der GUS-Staatenss . Die Sitzungen des Rates der Befehlshaber finden mindestens einmal im Quartal abwechselnd in den Hauptstädten der GUS-Staaten stattS6 . Die Einzelheiten über die Tätigkeit dieses Organs sind in dem Beschluß des Rates der Staatschefs und der ihm beiliegenden Verordnung über den Rat der Befehlshaber vom 24. September 1993 geregeltS7.
6. Rat der Leiter der Zollbehörden Der Rat der Leiter der Zollbehörden koordiniert die Zusammenarbeit der nationalen Zollämter der GUS-Staaten insbesondere in Fragen der Ausrüstung der Zollgrenzen, Vorbereitung der Zollspezialisten, Zollabwicklung und Zollstatistik. Er erarbeitet Empfehlungen hinsichtlich der Koordinierung der Zollpolitik fiir den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs S8 . Dieses Organ wurde am 23. Dezember 1993 durch den entsprechenden Beschluß des Rates der Regierungschefs gegründetS9 , ist aber bisher in die GUSSatzung nicht aufgenommen worden. Der Rat der Leiter der Zollbehörde wird bei Bedarf mindestens einmal im Quartal einberufen60 .
54
Art. 31 Abs. 1 der GUS-Satzung.
55
P. l.5 der Verordnung über den Rat der Befehlshaber vom 24. September 1993.
56
P. 1.4 der Verordnung über den Rat der Befehlshaber vom 24. September 1993.
57 Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 88 1T. Vg1. auch Beschlüsse des Rates der Staatschefs über die Änderungen zur Verordnung vom 2l. Oktober 1994 (Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 64 fT.) und vom 28. März 1997 (Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 26, 1997, S. 213 fT.).
58
P. 3 der Verordnung über den Rat der Leiter der Zollbehörden vom 23. Dezem-
59
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 13, 1993, S. 41 fT.
ber 1993, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 13, 1993, S. 42 fT.
P. 8 der Verordnung über den Rat der Leiter der Zollbehörden vom 23. Dezember 1993. 60
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
7. Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden Der Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden ist ebenfalls wie die Räte der Innenminister, der Leiter der Sicherheitsdienste und der Leiter der Zollbehörden in der GUS-Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen. Er wurde am 28. April 1993 vom Rat der Regierungschefs gegründet61 . Dieses Organ besteht aus den Außenwirtschaftsministern bzw. Leitern der nationalen Außenwirtschaftsbehörden62 und ist für die Fragen der Handelspolitik der GUS-Staaten sowohl innerhalb der GUS als auch gegenüber Drittstaaten zuständig63. Der Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden erarbeitet Empfehlungen hinsichtlich der Koordinierung der Außenwirtschaftspolitik innerhalb der GUS und legt diese dem Rat der Regierungschefs vor64 . Der Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden tritt mindestens einmal alle sechs Monate zusammen65 .
111. Organe der Wirtschafts- und Zahlungsunion Beim Aufbau der Wirtschaftsunion und der Zahlungsunion im Rahmen der GUS bedienen sich die GUS-Staaten nicht nur der allgemeinen GUS-Organe. Sie haben spezielle Institutionen errichtet, die sich ausschließlich mit den Fragen des Funktionierens der jeweiligen Union beschäftigen. Im Rahmen der GUS-Wirtschaftsunion wurde am 21. Oktober 1994 das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee der GUS-Wirtschaftsunion mit Sitz in
6\ Vgl. Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 28. April 1993 über den Rat der Leiter der AuBenwirtschaftsbehörden sowie die ihm beigelegten Verordmmg und Geschäftsordnung, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 11, 1993, S. 45 ff.
62 P. 1 Abs. 2 der Verordnung über den Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden vom 28. April 1993.
63 Vgl. P. 2 der Verordnung über den Rat der Leiter der AuBenwirtschaftsbehörden vom 28. April 1993. 64 Vgl. P. 3 der Verordnung über den Rat der Leiter der AuBenwirtschaftsbehörden vom 28. April 1993. 65 P. I der Geschäftsordnung des Rates der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden vom 28. April 1993.
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Moskau gebildet, das eine effektive Zusammenarbeit der GUS-Staaten bei der Errichtung der Wirtschaftsunion sicherstellen so1l66. Für die Verwirklichung der GUS-Zahlungsunion wurde am 22. Januar 1993 eine Zwischenstaatliche Bank gegründet67 . Am 26. Mai 1995 erfolgte die Konstituierung des Zwischenstaatlichen Wahrungskomitees der GUSZahlungsunion68 . Da die Errichtung der GUS-Zahlungsunion im Gegensatz zur GUS-Wirtschaftsunion jedoch sehr zögernd vorankommt, haben diese Organe ihre Tätigkeit in der Praxis noch nicht aufgenommen.
IV. Organe für branchenspezifische Zusammenarbeit Artikel 34 Abs. 1 der GUS-Satzung sieht vor, daß die GUS-Staaten in den zusätzlichen Abkommen über die Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Bereichen die Errichtung von Organen fiir eine branchenspezifische Zusammenarbeit vereinbaren können. Auf Grundlage dieser Einrichtungsermächtigung werden in der GUS Räte und Komitees fiir spezielle Fachbereiche gebildet, die aus den Vertretern der nationalen Exekutivorgane bestehen. Solche Einrichtungen erarbeiten allgemeine Grundsätze und Regeln der Zusammenarbeit auf bestimmten Gebieten und sorgen fiir ihre praktische Umsetzung69. Im Rahmen ihrer Kompetenz verabschieden die branchenspezifischen Organe Empfehlungen und legen bei Bedarf ihre Vorschläge dem Rat der Regierungschefs vor70 . Während der ersten fünf Jahre der Existenz der GUS wurden mehr als dreißig solcher Sonderorgane gegründet. Als wichtigste branchenspezifische Organe sind folgende zu nennen: - Branchenübergreifender Rat zum Schutz des gewerblichen Eigentums; - Konsultatives Komitee fiir Rechtsfragen; 66 Vgl. zur detaillierten Darstellung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der GUS-Wirtschaftsunion unten 3. Kapitel, B, rn.
67
fufonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 29 ff.
Vgl. Abkommen über die Errichtung des Zwischenstaatlichen Wähnmgskomitees der GUS-Zahlungsunion vom 26. Mai 1995, fufonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19, 1995, S. 24 ff. Da die Fragen der Wähnmgs- und Zahlungsunion in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt werden, wird auf eine detaillierte Untersuchung dieses Organs verzichtet. 68
69
Art. 34 Abs. 1 der GUS-Satzung.
70
Art. 34 Abs. 3 der GUS-Satzung.
88
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
- Zwischenstaatlicher Industrierat der Regierungen; - Zwischenstaatlicher Rat für Antimonopolpolitik; - Zwischenstaatlicher Rat für Erdöl und Erdgas; - Zwischenstaatlicher Rat für Maschinenbau; - Zwischenstaatlicher Rat für Standardisierung, Meßwesen und Zulassung; - Zwischenstaatliche Rundfunk- und Fernsehgesellschaft "Mir"; - Zwischenstaatlicher Rat für Umweltschutz; - Zwischenstaatlicher Weltraumrat. Die Zahl der tatsächlich funktionierenden branchenspezifischen Organe ist äußerst niedrig. Viele Sonderorgane nehmen ihre Tätigkeit entweder überhaupt nicht auf oder stellen sie bereits nach der ersten Sitzung ein. Da die Kompetenzen solcher Einrichtungen sehr spezifisch sind und ihre praktische Auswirkung auf die Integrationsprozesse in der GUS sehr gering ausfällt, sind diese Organe für die vorliegende Untersuchung unbedeutend71 .
V. Vorsitz in den GUS-Organen Wichtig für die Charakteristik der institutionelle Struktur der GUS erscheinen die Regeln über den Vorsitz in den GUS-Organen. Die GUS-Satzung legt fest, daß bei den Sitzungen des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs der Vorsitz nach dem Rotationsprinzip erfolgt; die Reihenfolge wird gemäß der Benennung der GUS-Staaten nach dem russischen Alphabet bestimmt72 • Ähnliche Bestimmungen wurden in die Abkommen und Verordnungen über die sonstigen Organe aufgenommen. Die Staats- und Regierungschefs der GUS-Staaten haben am 24. Dezember 1993 auf ihrem gemeinsamen Treffen in Aschgabad (Turkmenistan) die Regeln über den Vorsitz in allen GUS-Organen aufeinander angepaßt73 . 71 Vgl. zum Überblick über die branchenspezifischen Organe der GUS Andrei Zagorski, Die Entwickhmgstendenzen der GUS: Von der Differenzierung zur Konsolidierung?, Bericht des Bundesinstituts ftlr ostwissenschaftliche und internationale Studien, KöIn, Nr. 24, 1994, S. 30 ff. 72
Art. 24 Abs. I der GUS-Satzung.
Vgl. Beschluß des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993 über den Vorsitz in den Organen der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 110 ff. 73
A. Überblick über die institutionelle Struktur der GUS
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Die GUS-Staaten haben vereinbart, daß der Vorsitz in allen Organen, die in der GUS-Satzung vorgesehen sind, gleichzeitig von den Vertretern eines einzigen Staates zu fUhren ist. Die Dauer des Vorsitzes wurde auf sechs Monate festgelegt74. Die GUS-Staaten haben sich darauf geeinigt, daß im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 die Vertreter der Russischen Föderation den Vorsitz in den folgenden GUS-Organen übernehmen 7S : Rat der Staatschefs76, Rat der Regierungschefs77, Rat der Außenminister, Koordinations- und Konsultativkomitee sowie Rat der Befehlshaber der Grenztruppen78. Auf Vorschlag der Interparlamentarischen Versammlung hat der Rat der Staatschefs am 15. April 1994 beschlossen, daß die Dauer des Vorsitzes jedes GUS-Staates von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wird79 . In derselben Entscheidung wurde die Frist des Vorsitzes der Russischen Föderation in den GUS-Organen auf ein Jahr bis 31. Dezember 1994 verlängert. Diese Praxis der Abweichung von dem ursprünglich vereinbarten Rotationsprinzip hat sich fortgesetzt und zum Normalfall entwickelt. Am 10. Februar 1995 hat der Rat der Staatschefs den Vorsitz der Russischen Föderation in den GUS-Organen - nach dem Wortlaut des Beschlusses "ausnahmsweise" bis 31. Dezember 1995 erneut verlängert8o . Es folgte jedoch noch eine weitere Verlängerung des Vorsitzes der Vertreter der Russischen Föderation bis 31.
14 P. 1 des Beschlusses des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993. 15 P. 2 des Beschlusses des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993.
16 Als Vorsitzender des Rates des Staatschefs wurde der Präsident der Russischen Föderation Boris Jelzin gewählt (P. 3 des Beschlusses des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993).
n Zwn Vorsitzenden des Rates der Regierungschefs wurde der russische Ministerpräsident Viktor Tschemomyrdin ernannt (p. 4 des Beschlusses des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993). 18 P. 5 des Beschlusses des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 24. Dezember 1993. 19 Vgl. P. I des Beschlusses des Rats der Staatschefs vom 15. April 1994 über den Vorsitz in den Organen der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 149 ff. 80
Vgl. Beschluß des Rats der Staatschefs vom 10. Februar 1995 über den Vorsitz
in den Organen der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 18, 1995, S. 173 ff.
90
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Dezember 199681 . Nach Ablauf dieser Frist wurde jedoch der Vorsitz der Russischen Föderation erneut bis 31. Dezember 1997 verlängert82 . Insgesamt führt also die Russische Föderation vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1997, vier Jahre lang, den Vorsitz in den GUS-Organen. Es ist durchaus möglich, daß diese Frist weiter verlängert wird. Diese Entwicklung führt dazu, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung der GUS-Staaten, der in der GUS-Satzung verankert ist und durch das Rotationsprinzip gesichert werden soll, in der Praxis nicht eingehalten wird. Zu Recht sieht A1exandrova in dieser Praxis ein Instrument der russischen Herrschaft in der GUS83.
VI. Amts- und Arbeitssprachen der GUS Die Sprachenregelung in einer Staatenverbindung, die aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Staatssprachen besteht, ist von beträchtlicher integrationspolitischer Bedeutung. Die GUS-Satzung enthält keine grundsätzliche Bestimmung, die alle Sprachen der GUS-Staaten als gleichberechtigte Amtssprachen der GUS anerkennt. Die Regelungen über die Amts- und Arbeitssprachen einzelner GUSOrgane befinden sich in den GUS-Dokumenten, die die Tätigkeit des jeweiligen Organes regeln. So wurden z. B. alle Sprachen der GUS-Staaten zu den Amtssprachen des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs erklärt84. Die Anerkennung aller GUS-Sprachen als Amtssprachen sollte zur Folge haben, daß die gemeinschaftlichen Dokumente gleichzeitig in allen diesen Sprachen gefaßt werden. Die GUS-Dokumente werden jedoch überwiegend in russischer Sprache verabschiedet und veröffentlicht. Der Grund dafür liegt 81 Vgl. Beschluß des Rats der Staatschefs vom 19. Januar 1996 über den Vorsitz in den Organen der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 21, 1996, S. 89. 82 Vgl. Beschluß des Rats der Staatschefs vom 28. März 1997 über den Vorsitz in den Organen der GUS, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 26, 1997, S. 90.
83 Olga Alexandrova, Rußland und sein "nahes Ausland": Integrationsvorstellungen und Ansätze der russischen Integrationspolitik, Berichte des Bundesinstituts filr ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, Nr. 20, 1995, S. 13 ff. 84 Art. 2 Abs. 3 des Interimsabkommens über den Rat der Staatschefs und Rat der Regierungschefs vom 30. Dezember 1991, Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft I, 1992.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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nicht zuletzt darin, daß die russische Sprache zu den Zeiten der So\\jetunion in allen Unionsrepubliken als offizielle Sprache galt und daher noch von den Staatsangehörigen dieser Staaten beherrscht wird. Aus denselben Gründen wird Russisch als Arbeitssprache vieler GUS-Organe verwendet85 . Die Anwendung einer einzigen Sprache als Amts- und Arbeitssprache, die in der GUS-Praxis stattfindet, scheint auf der derzeitigen Entwicklungsstufe der GUS gerechtfertigt zu sein. Die Anwendung aller zwölf Sprachen der GUS-Staaten würde zu einem enormen Übersetzungs-, Verwaltungs- und Zeitaufwand führen, der zu Verzögerungen in den Integrationsprozessen beitragen könnte. Die integrationsfordemden politischen Vorteile einer gleichrangigen Verbindlichkeit der nationalen Sprachen, die z. B. in der EU zum Ausdruck kommen, wären dabei gering gegenüber den technischen Hindernissen rur die Integration. Aus diesen Gründen sind die in der EU geltenden Sprachenregelungen86 auf die GUS derzeit nicht übertragbar.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen· Im folgenden werden der Rat der Staatschefs, das Exekutivsekretariat der GUS, das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee der GUS-Wirtschaftsunion, das GUS-Wirtschaftsgericht und die Interparlamentarische Versammlung der GUS detailliert untersucht, da diese Organe die Gestaltung der wirtschaftlichen Integrationsprozesse innerhalb der GUS am stärksten beeinflussen können. Die Untersuchung der oben genannten Organe erfolgt nach einem einheitlichen Schema und umfaßt im einzelnen die Rechtsgrundlagen, die Zusammensetzung und Rechtsstellung, die Struktur, die Kompetenzen und Aufgaben sowie die Bescblußverfahren und Handlungsformen des jeweiligen Organs. Überdies werden die GUS-Organe mit den entsprechenden Organen der EU verglichen und nach ihrer Bedeutung fiir die Integrationsprozesse bewertet. 85 Vgl. P. 35 der Verordnung über das Exelrutivsekretariat der GUS vom 14. Mai 1993, P. 19 der Verordnung über den Rat der Außenminister der GUS-Staaten vom 24. September 1993, P. 10 der Verordnung über die Menschenrechtskommission der GUS vom 24. September 1993 sowie P. 16 der Verordnung über das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee vom 2l. Oktober 1994. 86 Vgl. ausfilhrlich zur Sprachenregelung in der EU Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 160 tT.
92
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei wiederum bei dem Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitee der GUS-Wirtschaftsunion und dem GUS-Wirtschaftsgericht, weil diese Organe sich ausschließlich mit Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der GUS-Staaten befassen, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bilden.
I. Rat der Staatschefs 1. Rechtsgrundlage Die vertragliche Grundlage fiir die Errichtung und Tätigkeit des Rates der Staatschefs bilden folgende zwischenstaatliche GUS-Abkommen87 : - Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 8. Dezember 1991 88 (im folgenden "GUS-Gründungsabkommen") und das Protokoll zu diesem Abkommen vom 21. Dezember 1991 89 ; - Abkommen über die Koordinationsinstitutionen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 21. Dezember 1991;90 - Interimsabkommen über den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs der GUS vom 30. Dezember 1991 (im folgenden "Interimsabkommen");91 - Abkommen über die Interimsverfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs der GUS-Staaten vom 15. Mai 1992 (im folgenden "Abkommen über die Interimsverfahrensregeln");92 - Interimsverfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs der GUS-Staaten, die als Bestandteil des GUS-Abkommens über die Interimsverfahrensregeln ebenfalls am 15. Mai 1992 verabschiedet wurden (im folgenden "Interimsverfahrensregeln,,);93
87
Die GUS-Rechtsakte sind in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
88
Infonnationsblatt,der GUS "Sodruzhestwo", Heft I, 1992, S. 6 ff
89
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft I, 1992, S. 11 ff
90
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 1, 1992, S. 12 ff.
91
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft I, 1992, S. 22 ff.
92
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 5, 1992, S. 40 ff
93
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 5, 1992, S. 41 ff.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
93
- Satzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 22. Januar 1993 (im folgenden "GUS-Satzung")94; - Beschluß des Rates der Staatschefs über die Bestätigung der Verfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs der GUS vom 17. Mai 1996 (im folgenden "Beschluß vom 17. Mai 1996")95; - Verfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs der GUS vom 17. Mai 1996 (im folgenden "Verfahrensregeln")96.
2. Zusammensetzung und RechtssteIlung Der Rat der Staatschefs ist das höchste Organ der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten97 . Er setzt sich aus den Vertretern einzelner GUS-Staaten auf höchster Ebene zusammen98 . Diese sind in allen GUS-Staaten die Präsidenten. Der Rat der Staatschefs tagt mindestens zweimal jährlich. Der Beschluß über den Termin und die vorläufige Tagesordnung jeder folgenden Sitzung wird in der Regel auf der ordentlichen Sitzung des Rates gefaßt99 . Auf Initiative eines der GUS-Staaten können außerordentliche Sitzungen des Rates der Staatschefs einberufen werden 100. Diese Regelung des Artikels 21 der GUS-Satzung ersetzte die Bestimmung des Artikels 4 des Interimsabkommens vom 30. Dezember 1991, gemäß der für die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung die Initiative der Mehrheit der Staatschefs der GUS erforderlich war lOI . Der Rat der Staatschefs kann gemeinsame Sitzungen mit dem Rat der Regierungschefs abhalten l02 . Die beiden Räte haben Gebrauch von dieser Regelung gemacht und insgesamt zwölf gemeinsame Sitzungen durchgefiihrt. 94
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 17 fI.
95
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 23, 1996, S. 55.
96
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 23, 1996, S. 56 ff.
97
Art. 21 Abs. 1 der GUS-Satzung.
98
Art. 21 Abs. 2 der GUS-Satzung.
Art. 4 Abs. I Satz 2 des Interimsabkommens, Regel Nr. I ZifT. 3 der Verfahrensregeln. 99
100
Art. 21 Abs. 3 der GUS-Satzung.
101
Art. 4 Abs. I Satz 3 des Interimsabkommens.
102 Art. 23 Abs. 2 der GUS-Satzung, Art. 6 des Interimsabkommens. Vgl. zum Rat der Regierungschefs oben 3. Kapitel, A, I, 2.
94
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die Sitzungen des Rates der Staatschefs finden in der Regel in Minsk statt103. Nach Absprache der Teilnehmer kann eine Sitzung des Rates jedoch auch in einem anderen Staat der GUS stattfinden 104. Bisher haben sich die Präsidenten der GUS-Staaten nur sechsmal in Minsk (Weißrußland) getroffen. Weitere Sitzungen fanden in Moskau (Rußland), Alma-Ata (Kasachstan), Kiew (Ukraine), Taschkent (Usbekistan) und Bischkek (Kyrgystan) statt. Die Sitzungen des Rates sollen durch einen der Präsidenten nach dem Rotationsverfahren geleitet werden, wobei die Reihenfolge durch die Bezeichnung der GUS-Staaten nach dem russischen Alphabet bestimmt wirdtos. Diese Regelung über den wechselnden Vorsitz im Rat der Staatschefs wurde jedoch in der Praxis nicht eingehalten und durch zusätzliche Sonderabkommen geändert. Die Russische Föderation fiihrt seit l. Januar 1994 und voraussichtlich bis 3l. Dezember 1997 den Vorsitz im Rat der Staatschefs sowie in den sonstigen GUS-Organen 106. Die offiziellen Sprachen des Rates des Staatschefs sind die Staatssprachen der GUS-Staaten. Arbeitssprache ist jedoch allein die russische Sprache 107. Bis l. November 1997 haben insgesamt zweiundzwanzig Treffen des Rates der Staatschefs der GUS stattgefunden, darunter neunzehn nach der Unterzeichnung des Interimsabkommens vom 30. Dezember 1991, das den Rat der Staatschefs als Organ der GUS konstituiert hat. Auf den bisher abgehaltenen Sitzungen des Rates der Staatschefs wurden über 400 Dokumente verabschiedet 108 . 3. Aufgaben und Kompetenzen Der Rat der Staatschefs berät und entscheidet über die grundlegenden Fragen, die mit der Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich ihrer gemeinsamen Interessen verbunden sind I09 .
V.
103
Art. 24 Abs. 2 der GUS-Satzung.
104
Art. 4 Abs. 3 des Interimsabkommens, Regel Nr. I Ziff 2 der Verfahrensregeln.
105
Art. 24 Abs. I der GUS-Satzung, Regel Nr. 10 der Verfahrensregeln.
106
Zu den Regeln über den Vorsitz in den GUS-Organen vgl. oben 3. Kapitel, A,
107 Regel Nr. 26 der Verfahrensregeln. Zur Sprachregelung in der GUS vgl. oben 3. Kapitel, A, VI. 108 Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS (Stand: I. November 1997).
109
Art. 21 der GUS-Satzung.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
95
Zur Erfiillung dieser Aufgaben ist der Rat bevollmächtigt, über alle Fragen zu beraten, die im Abkommen über die Gründung der GUS und in anderen GUS-Dokumenten geregelt sind. Der in der GUS-Satzung nur allgemein formulierte Aufgabenbereich des Rates der Staatschefs ist jedoch in den GUSRechtsakten nicht weiter konkretisiert. Der Rat der Staatschefs ist auf Grund der GUS-Satzung darüber hinaus ermächtigt, Arbeits- und Hilfsorgane sowohl auf ständiger als auch auf provisorischer Basis zu bilden 110 •
4. Handlungsformen
a) Klassifizierung der Handlungs/ormen in den GUS-Vertrdgen Die GUS-Satzung enthält keine förmliche Klassifizierung der möglichen Handlungsformen des Rates der Staatschefs, wie sie beispielsweise in Artikel 189 EGV fiir die verschiedenen Rechtsakte der EG-Organe zu finden ist. Die Formen,' in denen der Rat der Staatschefs die zur Erfiillung seiner Aufgaben notwendigen Maßnahmen zu treffen hat, wurden bis 17. Mai 1996 in keinem der weiteren GUS-Abkommen ausdrücklich festgelegt. Die Interimsverfahrensregeln sprachen lediglich von den "Beschlüssen" des Rates, die fiir alle GUS-Staaten verbindlich sind 111. Erst mit der Verabschiedung der neuen Verfahrensregeln am 17. Mai 1996 wurde eine Klassifizierung der Dokumente, die vom Rat der Staatschefs verabschiedet werden können, eingefiihrt. Gemäß der Regel Nr. 19 Ziff. 1 der Verfahrensregeln werden auf den Sitzungen des Rates der Staatschefs die Verträge abgeschlossen und die Beschlüsse, Erklärungen, Appelle sowie Protokollbeschlüsse verabschiedet. Hierbei hat der Abschluß und das Inkrafttreten der Verträge in Übereinstimmung mit dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 zu erfolgen 1l2 . Die Treffen des Rates der Staatschefs werden von den GUS-Staaten vor allem dafiir genutzt, um die zwischenstaatlichen Vereinbarungen in den fiir das Völkerrecht üblichen Formen zu treffen. Die Untersuchung der Dokumente, die von dem Rat der Staatschefs bis 1. November 1997 verabschiedet wurden,
110
Art. 25 der GUS-Satzung.
111
Regel Nr. 12 Satz 3 der Interimsverfahrensregeln.
112
Regel Nr. 19 Ziff. 2 der Verfahrensregeln.
96
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
zeigt, daß mehr als ein Drittel dieser Dokumente in Form internationaler Verträge gefaßt wurde I 13 .
b) In der Praxis verwendete Handlungs/ormen In der Praxis sind folgende Formen der Rechtshandlung des Rates der Staatschefs festzustellen: rechtsunverbindliche Akte (Memoranden, Protokolle, Erklärungen, Deklarationen), rechtlich bindende multilaterale volkerrechtliche Übereinkommen (ratifikationsbedürftige Abkommen, Verträge, Konventionen), Beschlusse zur Annahme multilateraler völkerrechtlicher Übereinkommen und sonstige rechtlich bindende BeschlUsse, die in der Regel bereits zum Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung in Kraft treten. Der Abschluß zwischenstaatlicher Vereinbarungen stellt eine ungewöhnliche Handlungsform eines Organes dar. Bekannt sind dagegen die Fälle, in denen eine Internationale Organisation Staatenkon/erenzen zur Ausarbeitung völkerrechtlicher Verträge einberuft und dafiir in ihrem Rahmen erarbeitete Vertragsentwürfe sowie ihr technisches Personal zur Verfügung stellt. In der völkerrechtlichen Literatur wird die These vertreten, daß die derart zustandekommenden Verträge rechtlich von der Organisation völlig unabhängig sind l14. Nach dieser Auffassung würde die GUS ihren Mitgliedstaaten lediglich eine Hilfestellung beim Vertragsabschluß leisten. Die Verträge zwischen den GUSStaaten, die auf den Treffen der Staatschefs geschlossen werden, dürften dementsprechend nicht als eine Handlungsform des Rates der Staatschefs qualifiziert werden. Da die Ausarbeitung und der Abschluß solcher zwischenstaatlicher Vereinbarungen jedoch einen wesentlichen Gegenstand der Tätigkeit der GUS als Staatenverbindung darstellt, ist der Abschluß multilateraler Vereinbarungen auf den Sitzungen des Rates der Staatschefs als Form der Rechtshandlung dieses Organs anzusehen. Auf den Abschluß, das Inkrafttreten, die Geltung und die Anwendbarkeit zwischenstaatlicher Vereinbarungen im Rahmen der GUS sind das Recht der völkerrechtlichen Verträge, die Bestimmungen des jeweiligen Vertrages sowie entsprechende Vorschriften des innerstaatlichen Rechtes der GUS-Staaten anzuwenden. .
113 Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS (Stand: I. November 1997). 114 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie Wld Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 461 ff.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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Einige GUS-Abkommen werden gemäß Artikel 102 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 registriert, der vorsieht, daß alle Verträge und sonstigen internationalen Übereinkünfte, die ein Mitglied der UNO schließt, so bald wie möglich beim Sekretariat der UNO zu registrieren und von diesem zu veröffentlichen sind llS . c) Rechtsakte des Rates im innerstaatlichen Recht der GUS-Staaten
Als Beispiel zur Frage der Geltung und Anwendbarkeit der GUS-Verträge im innerstaatlichen Recht sei an dieser Stelle Rußland heranzuziehen. In der Verfassung der Russischen Föderation vom 12. Dezember 1993 wird die monistische Auffassung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und nationalem Recht festgelegt1l6, wonach das Völkerrecht Bestandteil des Rechtssystems Rußlands ist1l7. Trotzdem bedürfen die völkerrechtlichen Verträge vor ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Parlaments der Russischen Föderation118. Hinsichtlich der innerstaatlichen Geltung der völkerrechtlichen Verträge in der Russischen Föderation läßt sich feststellen, daß wirksam abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen Vorrang vor den nationalen Gesetzen der Russischen Föderation, nicht jedoch vor der Verfassung selbst, haben. So sieht Artikel 15 Abs. 4 der Verfassung der Russischen Föderation vor, daß im Falle einer Abweichung die Regeln des völkerrechtlichen Vertrages den Vorschriften des Gesetzes der Russischen Föderation vorgehen l19 .
115
Vgl. Art. 44 der GUS-Satzlmg.
116 Vgl. ausftlhrlich zwn Verhältnis zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht Otto Kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 261 ff.
117 Art. 15 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung der Russischen Föderation vom 12. Dezember 1993. Wortlaut der Verfassung der RF in russischer Sprache s. in: L.A. Okun'kov (Hrsg.), Kommentarij k Konstituzii Rossijskoj Federatii, Moskau, 1994, s. 47 ff. Wortlaut der Verfassung der RF in englischer Sprache s. in: BlausteinIFlanz, Constitutions ofthe Countries ofthe World, Bd. 16, 1993.
1\8 Art. 71 Punkt j in Verbindung mit Art. 86 Punkte b und c, Art. 106 Punkt d der Verfassung der RF. 119 Ausftlhrlich über die Stellung des Völkerrechts in der Rechtsordnung der Russischen Föderation vgl. Gennady M Danilenko, The New Russian Constitution and International Law, The American Journal ofInternational Law, Vol. 88, 1994, S. 451 ff. 7 BaJayan
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die Rechtsakte, die durch den Rat der Staatschefs der GUS erlassen werden, sowie alle anderen Rechtsakte der GUS-Organe bilden im Gegensatz zum europäischen Gemeinschaftsrecht keine autonome Rechtsordnung. Daher ist die Frage der unmittelbaren Wirksamkeit und Anwendbarkeit der GUSRechtsakte in den GUS-Staaten anders als in der EU allein nach Regeln des Völkerrechts und des innerstaatlichen Rechts einzelner GUS-Staaten zu beurteilen.
5. Bescblußfassung Nach Artikel 2 Abs. 2 des Interimsabkommens über die Koordinationsinstitutionen hat jeder GUS-Staat im Rat eine Stimme. Die GUS geht somit von der formellen Gleichheit120 ihrer Mitgliedstaaten aus. Den Grundsatz der materiellen Gleichheit 121 , wonach die Stimmen der Mitgliedstaaten bei der Beschlußfassung in einem Organ gewogen werden, wie dies z. B. im Rat der Europäischen Union gemäß Artikel 148 Abs. 2 EGV vorgesehen ist, kennen die allgemeinen Organe der GUS nicht. Eine solche Stimmenwägung wurde jedoch für ein Organ der GUS-Wirtschaftsunion, das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee, im Jahre 1994 eingeführt.
a) Konsens-Regelung der GUS-Satzung
Die Beschlüsse des Rates der Staatschefs sind gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 der GUS-Satzung mit allgemeiner Zustimmung - im Konsens - zu fassen. Diese Einstimmigkeitsregelung wurde bereits im Interimsabkommen über den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs der GUS vom 30. Dezember 1991 verankert 122 . b) "Konsens minus eins"-Formel der Interimsverfahrensregeln
. Im Abkommen über die Interimsverfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 15. Mai 1992 wurden die Regeln der 120
Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994,
Rdnr.867.
121 Vgl. IgnaZ Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr.868. 122 Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Interimsabkommens.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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Beschlußfassung im Vergleich zum Interimsabkommen vom 30. Dezember 1991 nicht nur konkretisiert, sondern wesentlich verändert. So sah die Regel Nr. 12 Abs. I Satz 2 vor, daß die Beschlüsse des Rates der Staatschefs nach der Formel ''Konsens minus eins" gefaßt werden. Somit wurde das Einstimmigkeitsprinzip gebrochen, weil die Formel "Konsens minus eins" zuließ, daß ein Beschluß des Rates der Staatschefs selbst dann als verabschiedet galt, wenn einer der GUS-Staaten gegen diesen Beschluß stimmte. Die nach dieser Formel verabschiedeten Beschlüsse waren gemäß der Regel Nr. 12 Abs. 1 Satz 3 der Interimsverfahrensregeln für alle verbindlich 123 . Es wurde aber aus dem Wortlaut dieser Regel nicht klar, ob unter dem Wort "alle" alle GUS-Staaten oder nur diejenige GUS-Staaten, die an der Abstimmung teilgenommen haben, zu verstehen waren 124. Darüber hinaus legten die Interimsverfahrensregeln fest, daß Beschlüsse über Verfahrensfragen nicht einstimmig, sondern mit einfacher Mehrheit zu fassen waren 12S . Das in den Interimsverfahrensregeln vorgesehene Beschlußfassungssystem ermöglichte die Bindung eines oder mehreren (z.B. bei Verfahrensfragen) überstimmten GUS-Staates/Staaten an die Beschlüsse des Rates der Staatschefs. Somit hätte sie zur Schaffung eines Organes im Rahmen der GUS fUhren können, das einen Willen zum Ausdruck bringen würde, der nicht notwendigerweise mit dem Willen jedes einzelnen Mitgliedstaates identisch wäre, obwohl die Mitglieder des Rates an die Weisungen der Mitgliedstaaten gebunden wären. Dieses Merkmal findet sich häufig bei Internationalen Organisationen, nicht jedoch bei solch losen Staatenverbindungen wie die GUS, und war zum 123 Die Ukraine ist dem GUS-Abkommen über die Interimsverfahrensregeln vom 15. Mai 1992 lUlter dem Vorbehalt beigetreten, daß "der Beschluß des Rates, der ohne Teilnahme einzelner Staaten gefaßt wurde, ein EmpfehllUlgscharakter fiIr diese Staaten" hat. 124 Nicht zuletzt wegen solcher Unklarheiten hat die Republik Moldova das GUSAbkommen über die Interimsverfahrensregeln vom 15. Mai 1992, dessen Bestandteil die Interimsverfahrensregeln bilden, lUlter dem Vorbehalt lUlterzeichnet, daß Regel Nr. 12 die BeschlußfasslUlg im Konsens vorsehen wird. Es ist jedoch fraglich, ob ein solcher Vorbehalt nach den geltenden völkerrechtlichen Regeln wirksam vereinbart werden kann. Die praktischen AuswirkWlgen des Vorbehaltes Moldovas auf die BeschlußfasslUlg im Rat der Staatschefs lassen sich anband der Unterlagen, die der Verfasserin vorliegen, nicht feststellen. 125
Regel 12 Abs. 2 der Interimsverfahrensregeln.
100
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
damaligen Zeitpunkt insgesamt als integrationsfOrdemd zu bewerten. Die "Konsens minus eins"-Regelung wurde jedoch trotz ihres integrationsfördernden Charakters in der Praxis kaum eingehalten und mit der Verabschiedung der neuen Verfahrensregeln am 17. Mai 1996 endgültig abgeschaffi. c) L6sung der Konkurrenz der Konsens-Regelung und der "Konsens minus eins"-Formel
Bis zur Verabschiedung der neuen Verfahrensregeln stellte sich dennoch die Frage, ob auf die Beschlußfassung im Rat der Staatschefs die Bestimmungen der Interimsverfahrensregeln (und somit die "Konsens minus eins"Formel) oder diejenigen des Interimsabkommens über die Koordinationsinstitutionen und der GUS-Satzung (und somit die "Konsens"-Regelung) anzuwenden waren. Alle drei Rechtsakte wurden von den GUS-Staaten in Form völkerrechtlicher Abkommen verabschiedet, für die der Grundsatz der Gleichrangigkeit der völkerrechtlichen Verträge gilt 126 . Die GUS-Satzung legt zwar in ihrem Artikel 5 Abs. 2 fest, daß die im Rahmen der GUS geschlossenen Abkommen den Zielen und Prinzipien der GUS sowie den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der GUS-Satzung entsprechen sollen. Die GUS-Satzung bestimmt jedoch nicht, welche Rechtsfolgen im Falle der Kollision eintreten. Ein ausdrücklicher Vorrang der GUSSatzung vor anderen GUS-Abkommen ist jedenfalls nicht vorgesehen. Aus diesem Grunde war die Kollision der oben ausgeführten Vertragsnormen allein nach den völkerrechtlichen Regeln hinsichtlich der Vertragskonkurrenz zu beurteilen. Auf die Kollision vertraglicher Verpflichtungen aus den völkerrechtlichen Verträgen mit demselben persönlichen Geltungsbereich finden grundsätzlich die Regeln lex posterior derogat legi priori und lex specialis derogat legi generali Anwendung 127. Da die Interimsverfahrensregeln mit einem höheren Grad der Konkretheit als alle anderen GUS-Abkommen die Tätigkeit des Rates der Staatschefs regelten, waren sie im Falle der Kollision nach lex specialis-Regel anzuwenden. Somit müßte die "Konsens minus eins"-Formel Anwendung finden. Nach Auskunft des Exekutivsekretariats der GUS erfolgte jedoch die Beschlußfas-
126 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 412 ff.
127 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 412 f., 501 ff.; 19naz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-BerlinBonn, 1994, Rdnr. 436 ff.
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101
sung im Rat der Staatschefs in der Praxis ausschließlich nach der KonsensRegelung. Der Widerspruch zwischen der GUS-Satzung und den Interimsverfahrensregeln wurde mit der Verabschiedung der neuen Verfahrensregeln für den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs am 17. Mai 1996 zugunsten der Konsens-Regelung beseitigt. Regel Nr. 20 Ziff. 1 Abs. 1 der Verfahrensregeln legt fest, daß die Beschlüsse des Rates der Staatschefs in allen Angelegenheiten außer Verfahrensfragen im Konsens gefaßt werden. Der Konsens ist hierbei als "Fehlen eines offiziellen Einspruchs mindestens eines der GUS-Mitgliedstaaten, der von diesem Staat als Hindernis für die Verabschiedung des Beschlusses vorgebracht wird", definiert 128 . Die Verfahrensregeln brachten auch Klarheit in die Frage, für welche GUSStaaten der im Konsens gefaßte Beschluß verbindlich ist: Gemäß der Regel Nr. 20 Ziff. 1 Abs. 2 der Verfahrensregeln ist ein solcher Beschluß des Rates der Staatschefs für diejenigen Staaten bindend, die an seiner Verabschiedung teilgenommen haben. d) Desinteresse-Klausel
In der heutigen Praxis greifen jedoch diejenigen GUS-Staaten, die mit einem zu verabschiedenden Beschluß des Rates der Staatschefs nicht einverstanden sind, ihn jedoch nicht verhindern wollen, auf die sog. "Desinteresse"Klausel zurück. Gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 2 der GUS-Satzung kann jeder Staat in einer zu beschließenden Frage sein Desinteresse erklären, "was nicht als Hindernis für die Fassung eines Beschlusses anzusehen ist" 129. Die Frage, ob die Beschlüsse des Rates in diesem Fall für den "desinteressierten" Staat bindend sind, ließen die GUS-Satzung und die Interimsverfahrensregeln offen. Die Tätigkeitspraxis des Rates der Staatschefs zeigt, daß bei dieser Art von Stimmenthaltung die verabschiedeten Beschlüsse des Rates für denjenigen GUS-Staat, der sein Desinteresse erklärt hat, für nicht verbindlich gehalten wurden. 128
Regel Nr. 20 Ziff. 1 Abs. 1 der Verfahrensregeln.
Die "Desinteresse"-Klausel ist mit demselben Wortlaut im GUSInterimsabkommen über den Rat der Staats- und den Rat der Regierungschefs vom 30. Dezember 1991 (Art. 3 Abs. 2) sowie in den Interimsverfahrensregeln vom 15. Mai 1992 (Regel Nr. 12, Abs. 3) enthalten. 129
102
3. Kapitel: mstitutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die "Desinteresse"-Klausel wird in den neuen Verfahrensregeln beibehalten 13 o. Allerdings läßt die neue Formulierung der Konsens-Regelung keine Zweifel daran, daß die im Konsens gefaßten Beschlüsse nur für diejenigen Staaten bindend sein werden, die an ihrer Fassung teilnehmen werden l3l . Für diejenigen Staaten, die ihr Desinteresse in einer zu entscheidenden Frage erklären und somit an der Beschlußfassung nicht teilnehmen, werden die Beschlüsse des Rates dementsprechend nicht verbindlich sein. Die "Desinteresse"-Klausel ist vor dem Hintergrund der "Konsens"Regelung als positiv zu bewerten, weil dadurch trotz Stimmenthaltung der desinteressierten Staaten die Beschlußfassung im Rat nicht verhindert und somit die Härte der Einstimmigkeitsregelung gemindert wird.
6. Vergleich mit dem Europäischen Rat Im Rahmen der EU ist kein Organ vorhanden, das eindeutig dem Rat der Staatschefs der GUS entsprechen würde. Jedoch weist der Rat der Staatschefs große Ähnlichkeiten mit dem Europäischen Rat auf, der 1974 errichtet WUfde 132 . Dieses Organ der EU, das sich aus den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten herausgebildet hat, faßt jedoch nur sehr selten formelle Beschlüsse. Vielmehr triffi: der Europäische Rat politische Grundsatzentscheidungen, wie z. B. über die Durchfiihrung der Direktwahlen zum Europäischen Parlament 1974/1975, über die Einrichtung eines Europäischen Währungssystems 1978 oder über die Reform der Finanzordnung 1984. Die Haupttätigkeit des Rates der Staatschefs der GUS besteht dagegen hauptsächlich aus dem Abschluß der Abkommen und der Fassung der· Beschlüsse, die sowohl die grundlegenden als auch die weniger bedeutenden Fragen der Integration der GUS-Staaten zum Gegenstand haben. Mangels eines rechtsetzenden GUS-Organes nach Vorbild des Rates der EU scheint es derzeit nicht angemessen zu sein, die Kompetenzen des Rates der Staatschefs der GUS an diejenigen des Europäischen Rates anzugleichen.
130
Regel Nr. 20 ZifT. 2 der Verfahrensregeln.
131
Regel Nr. 20 ZifT. 1 Abs. 2 der Verfahrensregeln.
Vgl. ausftlhrlich zum Europäischen Rat BeutlerlBieberlPipkornlStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 132 ff.; Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 266 fT. 132
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7. Bedeutung des Organs für die Wirtschaftsintegration
Dem Rat der Staatschefs ist die ausschlaggebende Rolle bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Integration der GUS-Staaten zugewiesen. Als höchstes Organ der GUS hat der Rat der Staatschefs in erheblichem Umfang die Möglichkeit, die Integrationsprozesse im Rahmen der GUS insbesondere durch den Abschluß notwendiger GUS-Abkommen zu steuern. Zu den wichtigsten Dokumenten des Rates der Staatschefs, in denen die GUS-Staaten Ziele und Mittel der Wirtschaftsintegration vereinbart haben, zählen in chronologischer Reihenfolge: Abkommen über den Status des Wirtschaftsgerichts der GUS vom 6. Juli 1992, Satzung der GUS vom 22. Januar 1993, Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993, Abkommen über die Errichtung der Freihandelszone vom 15. April 1994, Abkommen über die Kooperation und gegenseitige Hilfe in Zollangelegenheiten vom 15. April 1994, Abkommen über die Gründung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der Wirtschaftsunion vom 21. Oktober 1994, Abkommen über die Gründung der Zahlungsunion vom 21. Oktober 1994 sowie Abkommen über die Gründung des Zwischenstaatlichen Währungskomitees vom 26. Mai 1995. Die entscheidende Rolle des Rates der Staatschefs, auch im Rahmen der angestrebten GUS-Wirtschaftsunion, wurde im GUS-Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993 verankert. So sieht Artikel 27 Abs. 1 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion vor, daß die Vertragsstaaten sich der gemeinsamen Exekutiv- und Koordinationsinstitutionen bedienen sowie neue Organe errichten, um das Funktionieren der GUSWirtschaftsunion zu ermöglichen. Darüber hinaus haben die GUS-Staaten im Vertrag über die GUSWirtschaftsunion festgelegt, daß fUrjede Stufe der Integration, die zur Errichtung der Wirtschaftsunion fUhren soll (Freihandelszone, Zollunion, Gemeinsamer Markt, Währungsunion)l33, die erforderlichen Maßnahmen in den einzelnen Abkommen vereinbart werden 134. Es ist nicht zu übersehen, daß diese Aufgabe ausschließlich vom Rat der Staatschefs der GUS erfiillt werden kann, solange es im Rahmen der GUS kein sonstiges rechtsetzendes Organ gibt.
\33 Vgl. zu den Stufen der Wirtschaftsintegration oben 1. Kapitel, B, Kapitel, B, I, 2.
134
union.
m und
2.
Art. 4 Abs. 1 und 2 des Vertrages über die Errichtung der GUS-Wirtschafts-
104
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die "Konsens"-Regelung und die "Desinteresse"-Klausel führen zwar dazu, daß der persönliche Geltungsbereich wichtiger GUS-Abkommen unterschiedlich ist und dadurch der gleichmäßige Gang der Integrationsprozesse verhindert wird. Dennoch ist der bereits erreichte Grad der Wirtschaftsintegration hauptsächlich dem Rat der Staatschefs zu verdanken, der den Vertretern der GUS-Staaten auf der höchsten Ebene die Möglichkeit gibt, die Maßnahmen zur Intensivierung der Wirtschaftsintegration zu besprechen und zu beschließen.
11. Exekutivsekretariat der GUS Während der Rat der Staatschefs und der Rat der Regierungschefs 13S als intergouvernementale Organe der Wahrung des Partikulärinteresses der GUSStaaten dienen, repräsentiert das Exekulivsekrelariat der GUS als technisches Organ das Gemeinschaftsinteresse. Interessant ist, daß das Exekutivsekretariat als selbständiges Organ der GUS in der GUS-Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen wurde. Artikel 29 der GUS-Satzung sah jedoch vor, daß beim Koordinations- und Konsultativkomitee der GUS ein Sekretariat eingerichtet wird, das die Tätigkeit des Rates der Staatschefs, des Rates der Regierungschefs und der anderen GUS-Organe organisatorisch und technisch unterstützen sollte. Das Koordinations- und Konsultativkomitee der GUS hat jedoch infolge der Errichtung des Exekutivsekretariats der GUS am 14. Mai 1993 und des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der GUS-Wirtschaftsunion am 21. Oktober 1994 seine Tätigkeit eingestellt, da diese Organe die Erfüllung seiner Aufgaben übernommen haben. Ein formeller Beschluß über die Auflösung des Koordinations- und Konsultativkomitees wurde nicht getroffen; es wurden ebenso keine entsprechenden Änderungen in der GUS-Satzung vorgenommen.
1. Rechtsgrundlage Die Gründung des Exekutivsekretariats der GUS als Rechtsnachfolger der sog. Arbeitsgruppe fllr die organisationstechnische Vorbereitung und DurchflJhrung der Sitzungen des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs (im folgenden "GUS-Arbeitsgruppe" genannt) wurde am 14. Mai
135
Vgl. zu diesen Organen oben 3. Kapitel, B, I und 3. Kapitel, A, I, 2.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
105
1993 in Moskau vereinbart 136. Der rechtliche Status, die Kompetenzen und Handlungsformen des Exekutivsekretariats der GUS sind in den folgenden GUS-Rechtsakten 137 geregelt: - Interimsverordnung über die GUS-Arbeitsgruppe, die durch das Protokoll des Arbeitstreffens der Staatschefs vom 16. Januar 1992 verabschiedet wurde (im folgenden "Interimsverordnung"); 138 - Protokoll des Rates der Regierungschefs vom 8. Februar 1992 über die Finanzierung der Unterhaltungskosten der GUS-Arbeitsgruppe (im folgenden "Protokoll über die Finanzierung der Arbeitsgruppe"); 139 - Satzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 22. Januar 1993 (im folgenden "GUS-Satzung"); 140 - Verordnung über das Exekutivsekretariat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die durch den Beschluß des Rates der Staatschefs vom 14. Mai 1993 verabschiedet wurde (im folgenden "Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS,,);141 - Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 24. September 1993 über die Struktur, den Stellenplan und den Kostenplan des Exekutivsekretariats der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (im folgenden "Beschluß über das Exekutivsekretariat der GUS")142 sowie - Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 27. März 1997 über den ersten Stellvertreter des Exekutivsekretärs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (im folgenden "Beschluß vom 27. März 1997)143.
136 P. 2 des Beschlusses des Rates der Staatschefs vom 14. Mai 1993 "Über das Exekutivsekretariat der GUS", Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 11, 1993, S. 93. Der Beschluß wurde von Turkmenistan Wld Usbekistan nicht Wlterzeichnet. 137
Die GUS-Rechtsakte sind in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
138 Dieses Dokument wurde im Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" nicht verötTentlicht. In der vorliegenden UntersuchWlg wird der Text der InterimsverordnWlg aus der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS verwendet. 139
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 2, 1992, S. 25 tT.
140
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9,1993, S. 17 tT.
141
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 11, 1993, S. 92 fI
142
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 175 tT.
143 Der Text dieses Dokumentes ist in der russischen juristischen Datenbank GARANT vorhanden.
106
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
2. Zusammensetzung und RechtssteIlung Das Exekutivsekretariat der GUS setzt sich aus einem Exekutivsekretär, je einem Vertreter der GUS-Staaten, die zugleich Stellvertreter des Exekutivsekretärs sind, sowie dem Personal, das für die effektive Erfiillung der dem Sekretariat obliegenden Aufgaben erforderlich ist, zusammen 144. Die Gesamtzahl der Beschäftigten im Exekutivsekretariat der GUS beträgt 175 Personen 14S . Am 27. März 1997 wurde darüber hinaus mit dem Beschluß des Rates der Regierungschefs der Posten eines ersten Stellvertreters des Exekutivsekretärs eingeführt. Der erste Stellvertreter übt in Abwesenheit des Exekutivsekretärs die Funktionen des Exekutivsekretärs aus l46 . In die Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS wurden die Bestimmungen über den ersten Stellvertreter des Exekutivsekretärs jedoch bisher nicht aufgenommen. Seine Ermächtigung basiert daher allein auf dem entsprechenden Beschluß des Rates der Regierungschefs. Der Exekutivsekretär wird von dem Rat der Staatschefs, seine Stellvertreter werden von dem Rat der Regierungschefs emannt 147. Die StellvertreterKandidaten werden vom Exekutivsekretär vorgeschlagen 148. Die Amtszeit des Exekutivsekretärs und seiner Stellvertreter wurde in den GUS-Abkommen nicht festgelegt. Der Exekutivsekretär ernennt die sonstigen Mitarbeiter des Exekutivsekretariats aus der Zahl der Staatsangehörigen der GUS-Staaten gemäß den vereinbarten Quoten 149. Wichtig ist, daß die Frage der Unabhängigkeit der Mitglieder des Exekutivsekretariats von den Weisungen der nationalen Regierungen in der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS ausdrücklich geregelt ist. Sowohl 144 P. 24 der VerordnWlg über das Exekutivsekretariat der GUS; P. 2 des Beschlusses über das Exekutivsekretariat der GUS vom 24. September 1993. 145 Abs. 5 der Erldänmgsnotiz zur Struktur Wld zwn Stellenplan des Exekutivsekretariats der GUS, die ein Bestandteil des Beschlusses über das Exekutivsekretariat der GUS vom 24. September 1993 bildet.
146
P. 2 des Beschlusses vom 27. Män 1997.
P. 25 der VerordnWlg über das Exekutivsekretariat der GUS. Am 14. Mai 1993 hat der Rat der Staatschefs durch seinen Beschluß den Staatsangehörigen der Russischen Föderation lvan Korotschenja zwn Exekutivsekretär der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ernannt, der bis heute (Stand: 1. November 1997) diesen Posten besetzt. 141
148
P. 27 Abs. 6 der VerordnWlg über das Exekutivsekretariat der GUS.
149
P. 28 der VerordnWlg über das Exekutivsekretariat der GUS.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
107
der Exekutivsekretär als auch die sonstigen Beamten des Exekutivsekretariats dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten von keiner Regierung oder sonstigen Behörde Weisungen erbitten oder annehmen 1so. Darüber hinaus dürfen der Exekutivsekretär und die Mitarbeiter des Exekutivsekretariats gemäß Punkt 31 Abs. 1 der Verordnung keine Tätigkeiten ausüben, die ihre Stellung als internationale Beamte beeinträchtigen könnten. Umgekehrt verpflichtet Punkt 31 Abs. 2 der Verordnung die GUS-Staaten, diese Rechtsstellung der Mitarbeiter des Exekutivsekretariats zu respektieren. Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Mitarbeiter des Exekutivsekretariats gewähren die GUS-Staaten ihnen persönliche Unantastbarkeit, Immunität vor der nationalen Gerichtsbarkeit sowie Befreiung von Zollabgaben und ZollkontrolleniSI. Die unabhängige Rechtsstellung der internationalen Beamten der GUS sowie die auf Quoten basierende Rekrutierung des Personals des Exekutivsekretariats sollen sicherstellen, daß die Beeinflussung dieses Organs durch einen einzelnen GUS-Staat ausgeschlossen bleibt. Somit kann das Exekutivsekretariat als Organ bezeichnet werden, das den Gemeinschaftswillen . in der GUS verkörpert. Das Exekutivsekretariat ist ein ständiges Organ der GUS. Es besitzt den Rechtsstatus einer juristischen Person lS2 . Das Exekutivsekretariat der GUS hat seinen Sitz in Minsk (Weißrußland)153. Die Finanzierung des Exekutivsekretariats der GUS erfolgt gemäß Artikel 38 der GUS-Satzung IS4, die eine anteilige Kostenaufteilung zwischen den GUS-Staaten vorsiehtiSS. Die Arbeitssprache des Exekutivsekretariats ist Russisch I 56.
150
P. 31 Abs. 1 der Verordmmg über das Exekutivsekretariat der GUS.
151
P. 32 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
152
P. 4 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
153
P. 36 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
154
P. 2 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
Die Beitragshöhe des jeweiligen GUS-Staates ist im Beschluß des Rates der Regierungschefs über die Aufteilung der Unterhaltskosten der GUS-Organe vom 9. September 1994 festgelegt. 155
156
P. 35 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
108
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
3. Struktur Das Exekutivsekretariat der GUS ist hierarchisch aufgebaut. Dem ExekutivsekreUir, der das Exekutivsekretariat gemeinsam mit seinen Stellvertretern leitet, sind die Referats- und Abteilungsleiter unterstellt. Die ursprüngliche Struktur des Exekutivsekretariats umfaßte sechs Referate: Referat fiir soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Referat rur die zwischenstaatliche rechtspolitische und militärische Zusammenarbeit, Organisationsreferat, Informationsreferat, Referat fiir Geschäftsverkehr und Wirtschaftsverwaltungsreferat. Der Pressedienst sowie die Abteilung fiir Hausordnung und Sonderaufgaben haben die gleiche RangsteIlung wie ein Referat. Jedes Referat ist in zwei bis fiinf Abteilungen untergliedert 1S7. Die GUS-Staaten haben den Exekutivsekretär am 24. September 1993 bevollmächtigt, Änderungen in der Struktur und in dem Stellenplan vorzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß die Gesamtzahl der beschäftigten Personen sowie Gesamtkosten unverändert bleiben 1S8. Da die internen Organisationsakte des Exekutivsekretariats nicht veröffentlicht werden, ist es nicht möglich, die gegenwärtige Struktur des Exekutivsekretariats zu ermitteln.
4. Kompetenzen und Aufgaben Das Exekutivsekretariat der GUS ist das ständige administrative Organ der GUS, dessen Hauptaufgabe "die organisationstechnische Unterstützung der Tätigkeit des Rates der Staatschefs, des Rates der Regierungschefs sowie anderer Organe der Gemeinschaft" bildet 1S9 . In seiner Tätigkeit ist das Exekutivsekretariat der GUS dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs untergeordnet 160. Die einzelnen Befugnisse des Exekutivsekretariats sind im Abschnitt 11 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS spezifiziert und können nach Zuständigkeitsbereichen wie folgt zusammengefaßt werden. 157 Abs. 5 fI der Erklärungsnotiz zur Struktur und zum Stellenplan des Exekutivsekretariats der GUS, die ein Bestandteil des Beschlusses über das Exekutivsekretariat der GUS vom 24. September 1993 bildet. 158
P. 5 des Beschlusses über das Exekutivsekretariat der GUS vom 24. September
159
P. 1 Abs. 1 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
160
P. 1 Abs. 2 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
1993.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
109
a) Untersttltzung der Tdtigkeit des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs
Den wesentlichen Teil der Tätigkeit des Exekutivsekretariats der GUS bildet die Ausübung der Befugnisse, die ihm zur Unterstützung der Tätigkeit des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs zugewiesen sind. Das Exekutivsekretariat: - prüft die Unterlagen zur Tagesordnung der Sitzungen der Räte, die von den GUS-Staaten und den Organen der GUS vorgelegt werden, und bereitet seine Vorschläge vor 161 ; - bearl>eitet die ordnungsgemäß eingebrachten Entwtlrfe der Abkommen und Beschltlsse und legt diese dem Rat der Staatschefs, dem Rat der Regierungschefs und, wenn erforderlich, anderen Organen der GUS vor 162 . Solche Entwürfe werden vom Exekutivsekretariat auch rechtlich überprüft und begutachtet163 . Bei Bedarf koordiniert das Exekutivsekretariat die Tätigkeit der Sachverständigen, die diese Dokumente erarl>eiten 164. Darüber hinaus leitet das Exekutivsekretariat die vorbereiteten Entwürfe zur Begutachtung an die wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der GUS-Staaten oder an die zuständigen internationalen Organisationen weiter, wenn dies von einem der Räte angeordnet wird 16S ; , - führt die organisationstechnische Untersttltzung der Sitzungen der beiden Räte sowie anderer GUS-Organe durch 166 ;
- erstellt die Protokolle der Sitzungen der beiden Räte und bei Bedarf anderer GUS-Organe 167; - verschickt die vorltiufige Tagesordnung der Sitzungen der beiden Räte sowie Entwürfe der zu verabschiedenden Dokumente an die GUS-Staaten nicht später als zwanzig Tage vor der entsprechenden Sitzung168 ;
161
P. 5 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
162
P. 6 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
163
P. 10 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
164
P. 14 der Verordnung über das Exekutivselcretariat der GUS.
165
P. 15 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
166
P. 9, 12, 13 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
167
P. 21 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
168
P. 11 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
110
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
- bereitet die Entwürfe der Dokumente zur Vollziehung der Beschlüsse der beiden Räte vor und analysiert deren Erfüllung durch die Organe der GUSI69.
b) Archivierung und Registrierung der GUS-Rechtsakte
Dem Exekutivsekretariat sind wichtige Aufgaben hinsichtlich der Archivierung und Registrierung der im Rahmen der GUS verabschiedeten Abkommen und Beschlüsse erteilt worden. Das Exekutivsekretariat: - organisiert die Registrierung der Beschlüsse der beiden Räte sowie anderer GUS-Organe und führt das Archiv der GUSI70; - unterstützt die Regierung Weiß rußlands bei der Erfüllung der Aufgaben des Depositärs der GUS-Abkomrnen I71 .
c) Informationsaustausch und Statistik
Die GUS-Staaten haben dem Exekutivsekretariat zahlreiche Koordinationsaufgaben verliehen, um einen umfangreichen Informationsaustausch einerseits zwischen den GUS-Staaten, andererseits zwischen den nationalen und gemeinschaftlichen Organen zu gewährleisten sowie eine ausfiihrliche Erfassung aller Daten sicherzustellen, die für die Lebensflihigkeit der GUS von Bedeutung sind. Das Exekutivsekretariat: - bereitet die analytischen, Auskunfts- und sonstige Unterlagen vor, die für die Untersuchung verschiedener Fragen im Rat der Staatschefs, im Rat der Regierungschefs und in den anderen GUS-Organen erforderlich sind l72 ; - ffirdert den Informationsaustausch zwischen den GUS-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fragen, die im Bereich ihrer gemeinsamen Interessen liegen l73 ; - entwickelt eine Datenbank der nationalen Gesetzgebungen und anderer Informationen, die für die GUS-Staaten von Interesse sind l74 ;
169
P. 7 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
170
P. 16 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
171
P. 18 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
172
P. 8 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
173
P. 19 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
111
- veröffentlicht das offizielle Infonnationsblatt der GUSI75. Zusätzlich zu den oben dargestellten Tätigkeitsbereichen vertritt der Exekutivsekretär im Auftrag des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten in ihren Beziehungen mit internationalen Organisationen176. Wie die Untersuchung der vertraglichen Bestimmungen zeigte, hat das Exekutivsekretariat der GUS nur sehr wenige originäre Entscheidungsbefugnisse. Im Rahmen der ihm zugewiesenen Kompetenzen ist der Exekutivsekretär lediglich berechtigt, die organinternen Anordnungen zu erlassen l77 . Mit Beschlußbefugnissen, die fiir alle GUS-Staaten verbindlich sind, ist das Exekutivsekretariat nicht ausgestattet. Die Kompetenzen des Exekutivsekretariats gehen somit über bloße Koordinationsaufgaben nicht hinaus. 5. Vergleich mit dem Generalsekretariat des Rates der EU Das Exekutivsekretariat der GUS weist sowohl funktionelle als auch strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union auf. Die beiden Organe unterstützen die Gemeinschaftsorgane im verwaltungsmäßigen Sinne: In ihre Kompetenz fallen die Vorbereitung der Sitzungen, die Protokollfiihrung, die Veröffentlichung der Organbeschlüsse, eine beschränkte Rechtsberatung der Organe usw. Während dasGeneralsekretariat jedoch nur dem Rat der EU zugeordnet ist, steht das Exekutivsekretariat allen GUSOrganen zur Verfiigung. Das Generalsekretariat des Rates der EU und das Exekutivsekretariat der GUS sind überdies ähnlich aufgebaut. Sie sind in mehrere Generaldirektionen bzw. Referate gegliedert und werden von einem Generalsekretär bzw. Exekutivsekretär geleitet, bei denen viele Vollmachten konzentriert sind. Die Existenz des Generalsekretariates des Rates der EU wird als ausschlaggebend fiir eine effektive Willensbildung in der EU betrachtet, da sich dieses Organ neben der Europäischen Kommission bemüht, die sich im Rat der Europäischen Union begegnenden nationalen Interessen zu integrieren 178. Das 114
P. 20 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
175
P. 22 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
176
P. 27 Abs. 8 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
177
P. 27 Abs. 7 der Verordnung über das Exekutivsekretariat der GUS.
178
Vgl. hierzu Thomas Oppennann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 263 ff.
112
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Exekutivsekretariat der GUS ist auch als Organ anzusehen, das die Gemeinschaftsinteressen verkörpert, da seine Mitglieder an die Weisungen ihrer Regierungen nicht gebunden sind. Um ein reales Gegengewicht zu den Organen zur Wahrung der nationalen Interessen - dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs - darzustellen, fehlt es dem Exekutivsekretariat jedoch an Gewicht. Es ist zwar festzustellen, daß der Umfang der Entscheidungsbefugnisse beim Generalsekretariat des Rates der EU nicht größer als beim Exekutivsekretariat der GUS ist. Die Befugnisse des Exekutivsekretariats gehen teilweise sogar weiter: So ist der Exekutivsekretär bevollmächtigt, die GUS in ihren Beziehungen mit internationalen Organisationen zu vertreten. Das Exekutivsekretariat als einziges funktionsfiihiges GUS-Organ, das den Gemeinschaftswillen zum Ausdruck bringt, ist jedoch alleine nicht in der Lage, mit dem vorhandenen Handlungsinstrumentarium das Gemeinschaftsinteresse ausreichend zu vertreten, wie dies die Europäische Kommission gemeinsam mit dem Generalsekretariat des Rates der EU tut. Insoweit macht es sich auch bemerkbar, daß in der GUS derzeit kein Organ vorhanden ist, das mit der Europäischen Kommission vergleichbar wäre.
6. Bedeutung des Organs für die Wirtscbaftsintegration Auch in seiner beschriebenen Rolle als ständiges Hilfsorgan der übrigen GUS-Organe verfUgt das Exekutivsekretariat über die Möglichkeiten, die wirtschaftlichen Integrationsprozesse im Rahmen der GUS zu beeinflussen. In den Stellungnahmen und Vorschlägen, die das Exekutivsekretariat zu den Entwürfen der GUS-Rechtsakte und der Tagesordnungen der beiden Räte abgibt, kann das Exekutivsekretariat Anregungen geben und Kritik üben. Durch die von ihm erstatteten Rechtsgutachten kann das Exekutivsekretariat die Tätigkeit der genannten Hauptorgane der GUS beeinflussen und so auf eine ordnungsgemäße Anwendung der GUS-Satzung und sonstiger zwischenstaatlicher Vereinbarungen hinwirken. Den Stellungnahmen und Gutachten des Exekutivsekretariats wird bei den Beratungen der Vertreter der GUS-Staaten ein großes Gewicht beigemessen. Hierdurch erlangt das Exekutivsekretariat mittelbar die Möglichkeit, die Richtung des wirtschaftlichen Integrationsprozesses zu steuern und das Tempo seines Verlaufes mitzubestimmen. Die Errichtung eines internen Referats, das ausschließlich für die Bearbeitung der Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der GUS-Staaten zuständig ist, weist darauf hin, daß dieser Bereich als eine wesentliche Aufgabe
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
113
des Exekutivsekretariats angesehen wird. Es ist nicht zu übersehen, daß das Exekutivsekretariat bereits eine weitaus bedeutendere Rolle bei der Entwicklung der wirtschaftlichen Integration der GUS-Staaten spielt, als dies in den einschlägigen GUS-Vereinbarungen formell vorgesehen ist. Bisher wollten die GUS-Staaten vermeiden. daß das Exekutivsekretariat über die verwaltungstechnische Koordinierung hinaus auch noch die erforderliche sachliche Koordinierung übernimmt. Begründet wurde dies einerseits damit, daß weitgehende Befugnisse eine Zentralisierung der GUS nach Vorbild der UdSSR hervorrufen würden. Andererseits haben die GUS-Staaten befürchtet, daß auf diese Weise supranationale Elemente in die GUS eindringen könnten. Jedoch verfUgt das Exekutivsekretariat auf Grund seiner VermittlersteIlung zwischen den Institutionen der Gemeinschaft und den GUS-Staaten über umfassende Kenntnisse der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage der GUS-Staaten sowie ihrer Einstellungen und Erwartungen gegenüber der GUS selbst. Darüber hinaus ermöglichen dem Exekutivsekretariat seine Registrierungs- und Archivierungsbefugnisse, den Überblick über die verabschiedeten GUS-Abkommen und den aktuellen Stand ihrer Ratifizierung durch die GUSStaaten zu behalten. Es erscheint angesichts dieses Informationsvorsprungs sinnvoll, das Exekutivsekretariat mindestens mit einem Initiativrecht auszustatten, eigene Vorschläge zur Fortentwicklung der GUS in materieller und institutioneller Hinsicht dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs vorzulegen.
111. Zwischenstaatliches Wirtschaftskomitee der Wirtschaftsunion Ein Wendepunkt in der Entwicklung der institutionellen Struktur der wirtschaftlichen Integration im Rahmen der GUS wurde mit der Gründung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees erreicht. Ursprünglich wurde in den politischen Kreisen der GUS-Mitgliedstaaten die Idee der Errichtung eines Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees (im folgenden "Wirtschaftskomitee") diskutiert, das supranationale Aufgaben im Rahmen der Wirtschaftsunion der GUS übernehmen sollte 179. Dieses Organ
119 Vgl. V/adimir Pankov, Die GUS als Wirtschaftsraum: Weiterer Zerfall oder Reintegration?, Berichte des BWldesinstituts filr ostwissenschaftliche Wld internationale Studien, Köln, Nr. 2, 1995, S. 12; Interview mit Oleg Rybakov, Referatsleiter im 8 Balayan
114
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
wurde am 21. Oktober 1994 geschaffen. Über die Ausstattung des Wirtschaftskomitees mit supranationalen Vollmachten haben sich die GUS-Staaten allerdings nicht einigen können. Jedoch sind beim Wirtschaftskomitee wesentliche institutionelle Fortschritte festzustellen. Die derzeitigen Rechtsstellung und Kompetenzen dieses Organs werden im folgenden näher untersucht.
1. Rechtsgrundlage Die Tätigkeit des Wirtschaftskomitees basiert auf folgenden Rechtsakten der GUSI80: - Vertrag über die Errichtung der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993 (im folgenden "Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion"); 181 - Abkommen über die Errichtung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der Wirtschaftsunion vom 21. Oktober 1994 (im folgenden "Abkommen über das Wirtschaftskomitee,,);182 - Verordnung über das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee der Wirtschaftsunion, die als Anlage Nr. 1 zum Abkommen über das Wirtschaftskomitee am 21. Oktober 1994 verabschiedet wurde (im folgenden "Verordnung über Wirtschaftskomitee"); 183 - Regeln der Verteilung der Stimmen im Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitee, die als Anlage Nr. 2 zum Abkommen über das Wirtschaftskomitee am 21. Oktober 1994 verabschiedet wurden (im folgenden "Regeln der Stimmenverteilung im Wirtschaftskomitee"); 184
Ministerium der Russischen Föderation ftI.r Zusammenarbeit mit den GUS-Staaten, zwn Thema "GUS: Noch eine Etappe auf dem Weg zur Integration" (SNG: etscho odin etap na puti integrat;;), in: Ekonomitscheskaja Gazeta "Ekonomika i zhizn"', Nr. 45, 1994, S. 18. \80
Die GUS-Rechtsakte sind in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
\8\
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12,1993, S. 20 tr.
\82
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 41
tr.
\83 Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 43 ff. Vgl. A. Lejserow, Zwischenstaatliche Verordnung über das Wirtschaftskomitee der GUSWirtschaftsunion, WiRO, Heft 2, 1995, S. 74 tr.
\84
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 16, 1994, S. 49.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
115
- Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 9. Dezember 1994 über den Beginn der Bildung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der Wirtschaftsunion (im folgenden "Beschluß vom 9. Dezember 1994");185 - Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 10. Februar 1995 über die Struktur, Stellen- und Kostenplan des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der Wirtschaftsunion (im folgenden "Beschluß vom 10. Februar 1995");186 - Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 26. Mai 1995 über das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee der Wirtschaftsunion (im folgenden "Beschluß vom 26. Mai 1995");187 - Abkommen über den Rechtsstatus der Vertreter der GUS-Staaten und der Beamten des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der Wirtschaftsunion vom 28. März 1997 (im folgenden "Abkommen über den Rechtsstatus")188.
2. Kompetenzen und Aufgaben Das Wirtschaftskomitee ist ein ständiges koordinierendes und vollziehendes Organ der GUS-Wirtschaftsunion 189 . Punkt 1 Abs. 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee nennt als Ziel der Gründung dieses Organs die Gestaltung der Wirtschaftsunion und die SichersteIlung ihres effektiven Funktionierens sowie die Gewährung der rationellen Entwicklung der Integrationsprozesse im Rahmen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Um diese Ziele zu erreichen, erfüllt das Wirtschaftskomitee nach Punkt 1 Abs. 2 der Verordnung Kontroll- und Verwaltungsfunktionen im Rahmen der Befugnisse, die ihm von den GUS-Staaten freiwillig übertragen wurden. Die Verordnung über das Wirtschaftskomitee unterscheidet zwischen den Hauptaufgaben, Funktionen und Befugnissen des Wirtschaftskomitees.
185
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 17, 1994, S. 21 tT.
186
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 18, 1994, S. 221 fT.
187
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19, 1994, S. 149 fT.
188
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 26, 1997, S. 223 fT.
189 Art. I des Abkonunens über das Wirtschaftskomitee und P. lAbs. 2 S. 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee. Die Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion wurde von den GUS-Staaten am 24. September 1993 vertraglich vereinbart. Vgl. hierzu oben 2. Kapitel, B, I, 2.
116
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
a) Hauptaufgaben Zu den Hauptaufgaben des Wirtschaftskomitees gehören: (1) Gestaltung der Wirtschaftsunion durch Bildung der Zahlungsunion, der Freihandelszone, der Zollunion, des Gemeinsamen Marktes und der Währungsunion; (2) Erzielung der harmonischen Regulierung der Wirtschaftsbeziehungen; (3) Unterstützung der gewerblichen Tätigkeit, Entwicklung der Infrastruktur des Gemeinsamen Marktes; (4) Erarbeitung der abgestimmten Beschlüsse über die Sozialfragen, die von gemeinsamem Interesse sind l90 . Wie bereits in Artikel 4 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion festgelegt, wird bei der Bestimmung der Tätigkeitsrichtungen des Wirtschaftskomitees die Absicht der GUS-Staaten verdeutlicht, die Formen der Wirtschaftsintegration, die vom amerikanischen Ökonom Bela Balassa entwickelt und im Rahmen der EG teilweise bereits verwirklicht wurden, als Stufen auf dem Wege zur Errichtung der GUS-Wirtschaftsunion zu verfolgen.
b) Funktionen Innerhalb der allgemeinen Ziele und Hauptaufgaben obliegen dem Wirtschaftskomitee einzelne Funktionen, die im Punkt 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee formuliert sind. Diese Funktionen sind sehr weitgehend formuliert und umfassen u.a. folgende Tätigkeitsbereiche, die von Bedeutung für die Entwicklung der wirtschaftlichen Integration im Rahmen der GUS sind:
- Vorbereitung der Vorschläge für die Durchfiihrung der harmonisierten Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Annäherung der Wirtschaftsgesetzgebung der GUS-Staaten und die Verbesserung der Rechtsgrundlagen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration; 191 - Vorbereitung der Empfehlungen über die Verbesserung der Beziehungen in Bereichen Produktion und Technologie sowie über die gemeinsamen Investitionsprojekte; 192 - Erarbeitung der gemeinsamen Entwicklungsprogramme rur Industrie, Agrarwirtschaft und andere Wirtschaftszweige im Rahmen der multilateralen Vereinbarungen; 193 190
P. 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
191
P. 3 Abs. 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
192
P. 3 Abs. 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
193
P. 3 Abs. 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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- Organisation der Kontrolle über die Erfüllung der Verpflichtungen aus den Beschlüssen des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs; 194 - DurchfiJhrung der koordinierten Maßnahmen in Fragen der Antimonopolregulierung 19S sowie in Bereichen Standardisierung, Statistik, Zertifikation der Waren, Umweltschutz und anderen Bereichen, die von dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs bestimmt werden; 196 - Mitwirkung bei der Formulierung der abgestimmten Kredit-, Haushalts-, Steuer-, Preis-, Außenwirtschafts- und Währungspolitiken;197 - Vorbereitung der Vorschlage über die effektive Anwendung des wissenschaftlichen Potentials und den Schutz des geistigen Eigentums l98 . Die dem Wirtschaftskomitee zugeteilten Funktionen lassen auch die für die vorliegende Untersuchung wichtige Frage beantworten, welcher Grad der Wirtschaftsintegration199 von den GUS-Staaten derzeit angestrebt wird. Die Erwähnung der Durchführung der abgestimmten Politiken und der koordinierten Maßnahmen in den Bereichen, die im Punkt 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee aufgeftihrt sind, weist darauf hin, daß die Zusammenarbeit der GUS-Staaten über die niedrigsten Integrationsgrade (Informationsaustausch und Konsultationen) hinaus zur Koordinierung ihrer Tätigkeiten im wirtschaftlichen Bereich gehen soll. Wie bereits bei der Definition der Integrationsgrade festgestellt, bleibt zwar die staatliche Souveränität dabei formell unberührt; die Staaten verlieren aber die Möglichkeit, eigenständig über die Ziele und Instrumente ihrer Politiken zu entscheiden. Die Koordinierungsmaßnahmen werden jedoch im Rahmen der GUS überwiegend in Form völkerrechtlicher Vereinbarungen getroffen. Dies führt dazu, daß die GUS-Staaten zu dem vereinbarten Verhalten nicht gezwungen werden können, weil die entsprechenden völkerrechtlichen Mittel sowie erforderlichen Instrumente im Rahmen der GUS dafür fehlen.
194
P. 3 Abs. 5 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
195
P. 3 Abs. 9 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
196
P. 3 Abs. 8 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
197
P. 3 Abs. 10 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
198
P. 3 Abs. 11 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
199
Über die Formen und Grade der Wirtschaftsintegration vgl. 1. Kapitel, B,
und IV oben.
m
118
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
c) Befugnisse des Wirtschaflskomitees
Zur Erfilliung seiner Funktionen ist das Wirtschaftskomitee mit einzelnen Befugnissen ausgestattet, die im Punkt 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee festgelegt sind.
aa) Vorschlagsbefugnisse Punkt 4 Abs. 2 der Verordnung gibt dem Wirtschaftskomitee ein Initiativrecht, die Entwürfe der GUS-Dokumente hinsichtlich der wirtschaftlichen Fragen, die der Beschlußfassung durch den Rat der Staatschefs und den Rat der Regierungschefs bedürfen, vorzubereiten und diesen Organen vorzulegen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Vorschlagsrecht im Rechtsetzungsverfahren, das in seinem Umfang mit dem "Initiativrnonopol" der Europäischen Kommission verglichen werden könnte2°o. Die Mitglieder des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs sind nicht auf die Initiative des Wirtschaftskomitees in formeller und materieller Gestalt von Vorschlägen angewiesen. Anders als in der EU können diese gemäß den Verfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs auch von den Regierungen der GUS-Staaten selbst sowie von übrigen Organen der GUS stammen. Die Befugnis zur förmlichen Einbringung der Dokumentenentwürfe, die von den GUS-Staaten oder GUS-Organen einschließlich des Wirtschaftskomitees vorbereitet wurden, obliegt grundsätzlich dem Exekutivsekretariat der GUS201.
200 In aller Regel erläßt der Rat der Europäischen Union die Rechtsakte der EG "auf Vorschlag der Kommission" gemäß Art. 189a, 189b oder 189c EGV. Zwn Initiativrecht der Europäischen Kommission vgl. BeutlerlBieberlPipkornlStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 140 (1; Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 313 ff.; Martin Nettesheim, Art. 4 EGV, Rdnr. 23 und 41, in: Grabitz/Hilf(Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, München, Stand: 8. Ergänzungslieferung, Mai 1995.
201 Regel Nr. 2 Ziff. I und Regel Nr. 5 der Verfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
119
Aus diesem Grunde werden auch die Vorschläge des Wirtschaftskomitees nicht unmittelbar, sondern über das Exekutivsekretariat dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs vorgelegt202.
bb) Beratungsbefugnisse Das Wirtschaftskomitee ist gemäß Punkt 4 Abs. 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee bevollmächtigt, die Entwürfe der Abkommen, Programme und sonstigen Dokumente zu begutachten. Es wird in der Verordnung allerdings nicht näher definiert, welche Dokumentenentwürfe der Begutachtung durch das Wirtschaftskomitee unterliegen und ob diese Entwürfe aus rechtlicher, wirtschaftspolitischer oder sonstiger Sicht überprüft werden sollen. Wie bereits bei der Untersuchung des Exekutivsekretariats der GUS festgestellt, umfassen seine Befugnisse gemäß Punkt 10 der Verordnung über das Exekutivsekretariat die rechtliche Bearbeitung und Begutachtung aller Entwürfe der Rechtsakte, die dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs vorgelegt werden203 . Die Begutachtungsbefugnisse des Wirtschaftskomitees aus Punkt 4 Abs. 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee stehen somit in einer gewissen Konkurrenz zu den Kompetenzen des Exekutivsekretariats der GUS. Es ist jedoch davon auszugehen, daß angesichts der besonderen Stellung des Wirtschaftskomitees bei der Gestaltung der Wirtschaftsintegration zwischen den GUS-Staaten die Begutachtung derjenigen Dokumentenentwürfe, die die Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der GUS-Staaten behandeln, in der Praxis überwiegend in das Wirtschaftskomitee der GUS verlagert wird. 202 Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des P. 4 Abs. 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee. Diese Bestimmung sieht vor, daß die Entwürfe des Wirtschaftskomitees "im festgelegten Verfahren" eingebracht werden müssen. In seinem Beschluß vom 9. Dezember 1994 hat der Rat der Regierungschefs bestätigt, daß alle Dokumente, die vom Wirtschaftskomitee filr die Überprüfung bei den beiden Räten der GUS vorbereitet werden, über das Exekutivsekretariat vorzulegen sind (P. 3 des Beschlusses vom 9. Dezember 1994). 203 Die Verfahrensregeln des Rates der Staatschefs und des Rates der Regierungschefs vom 17. Mai 1996 sehen ebenfalls vor, daß das Exekutivsekretariat der GUS die rechtliche Bearbeitung und Überprüfung der Dokumentenentwürfe durchzufilhren und bei Bedarf dem Rat der Staatschefs bzw. dem Rat der Regierungschefs Gutachten vorzulegen hat. Das Exekutivsekretariat der GUS soll dabei im einzelnen die Übereinstimmung der Entwürfe mit den allgemeinen Grundsätzen und Rechtsnormen des Völkerrechts sowie mit den grundlegenden GUS-Abkommen prüfen (Regel Nr. 3 ZifT. 3 der Verfahrensregeln).
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
ce) Kontrollbefugnisse Die Kontrollbefugnisse des Wirtschaftskomitees umfassen nach Punkt 4 Abs. 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee das Recht, bei den GUSStaaten die Informationen über die Erfiillung bestimmter Verpflichtungen abzufragen sowie die erforderlichen Untersuchungen unmittelbar vor Ort vorzunehmen, die allerdings der Zustimmung der betroffenen Regierungen bedürfen. Überdies steht dem Wirtschaftskomitee das Recht zu, gemeinsam mit den Organen der GUS-Staaten die Maßnahmen zu treffen, die fiir die Beseitigung der Verwicklungen und Schlichtung der Streitigkeiten erforderlich sind. Gemäß Punkt 3 der Verordnung über das Wirtschaftsgericht der GUS vom 6. Juli 1992204 und Punkt 1.18 der Geschäftsordnung des Wirtschaftsgerichts vom 5. Juli 1994 steht dem Wirtschaftskomitee als einem Organ der GUS ein aktives Klagerecht vor dem Wirtschaftsgericht der GUS zu, falls es bei der Erfiillung der wirtschaftlichen Verpflichtungen durch die GUS-Staaten zu Konfliktsituationen kommt. Diese Befugnis weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem Recht der Europäischen Kommission auf, das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 EGV gegen diejenigen EU-Mitgliedstaaten einzuleiten, die gegen die Verpflichtungen aus dem EGV verstoßen20.5. Im Gegensatz zu der Regelung im EGV reicht allerdings ein Vertragsverstoß allein, ohne daß dieser zu einer Konfliktsituation zwischen den GUS-Staaten fUhrt, fiir die Ausübung der Klagebefugnisse durch das Wirtschaftskomitee nicht aus. Insgesamt sind die Kontroll-, Unterrichtungs- und Untersuchungsbefugnisse des Wirtschaftskomitees der GUS im Vergleich zu denjenigen der Europäischen Kommission, die als "Hüterin der Verträge" im Rahmen der EU gilt, nur in Ansätzen vorhanden.
dd) Koordinationsbefugnisse Schließlich verfügt das Wirtschaftskomitee über die Koordinationsbefugnisse, die die Benachrichtigung der GUS-Staaten in Fragen der wirtschaftlichen
204 Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 6, 1992, S. 54 ff. Die Verordnung bildet ein Bestandteil des GUS-Abkornrnens "Über den Status des Wirtschaftsgerichts der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" vom 6. Juli 1992. 205
Vgl. Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 627 ff.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
121
Zusanunenarbeit206 und die Kooperation mit den anderen GUS-Organen, internationalen Organisationen und Vereinigungen sowie die Teilnahme an internationalen Veranstaltungen im Rahmen seiner Kompetenz urnfassen207.
3. Struktur und Zusammensetzung Das Wirtschaftskomitee hat eine drei stufige hierarchische Struktur, die aus dem Präsidium, dem Kollegium und dem VelWaltungsapparat besteht. Diese Struktur ergibt sich aus den Punkten 5 bis 9 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
a) Prdsidium
Das Prdsidium ist nach Punkt 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung das höchste Gremium des Wirtschaftskomitees. Es setzt sich zusammen aus je einern Stellvertreter der Regierungschefs derjenigen GUS-Staaten, die Teilnehmer des Vertrages über die Errichtung der Wirtschaftsunion vorn 24. September 1993 sind208 . Wie bereits bei der Untersuchung der Mitgliedschaftsregelungen in der GUS-Wirtschaftsunion festgestellt, unterscheidet der Vertrag über die GUSWirtschaftsunion zwischen den regulären und assoziierten Mitgliedern der Wirtschaftsunion209 . Da die Verordnung über das Wirtschaftskomitee lediglich von den Teilnehmerstaaten des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion spricht, ist davon auszugehen, daß die regulären und assoziierten Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion gleichberechtigt an der Bildung der Gremien des Wirtschaftskomitees teilnehmen. Das Präsidium besteht somit derzeit aus zwölf Mitgliedern. Die Verordnung setzt fiir die Mitgliedschaft im Präsidium die Stellung eines stellvertretenden
206
P. 4. Abs. 6 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
207
P. 4. Abs. 7 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
208
P. 6 Abs. 1 Satz 2 Teil 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
Die Ukraine ist dem Vertrag als assoziiertes Mitglied gemäß Assoziierungsabkommen vom 15. April 1994 beigetreten. Alle sonstigen 11 GUS-Staaten sind die regulären Mitglieder der GUS-Wirtschaftsunion, wobei Georgien und Turkmenistan diesem Vertrag erst am 14. Januar 1994 und 23. Januar 1994 beigetreten sind. Ausfilhrlich zur Mitgliedschaft in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und in der GUS-Wirtschaftsunion vgl. oben 2. Kapitel, C, I und 11. 209
122
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Chefs einer der Regierungen der GUS-Staaten voraus. Es ist somit davon auszugehen, daß das Mitglied des Präsidiums sein Amt automatisch verliert, sobald er in der nationalen Regierung die Stellung des Stellvertreters des Regierungschefs nicht mehr innehat. Die persönliche Zusammensetzung des Präsidiums ist dementsprechend variabel und kann sich jederzeit ändern, zumal die Ernennung der Mitglieder des Präsidiums weder im gemeinsamen Einvernehmen der GUS-Staaten erfolgt noch einer Zustimmung irgendwelcher GUS-Organe bedarf. Das Präsidium wird von seinem Vorsitzenden geleitet, der aus dem Kreis der Mitglieder des Präsidiums fur die Dauer von einem Jahr gewählt wird. Die Verordnung läßt aber die Frage offen, welche GUS-Organe an der Wahl des Vorsitzenden teilnehmen bzw. ob die Mitglieder des Präsidiums über die Kandidatur des Vorsitzenden selbständig und endgültig entscheiden können. Die relativ kurze Amtszeit des Vorsitzenden könnte von den GUS-Staaten dafur benutzt werden, die Vertreter verschiedener Regierungen abwechselnd an der Spitze des Wirtschaftskomitees agieren zu lassen und somit die Beeinflussung dieses Gremiums durch einen GUS-Staat auszuschließen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Die Verordnung enthält keine Vorschrift über den wechselnden Vorsitz der GUS-Staaten im Präsidium des Wirtschaftskomitees. Die Sitzungen des Präsidiums werden je nach Bedarf, mindestens jedoch einmal im Quartal, abgehalten21O .
b) Kollegium Zwischen den Sitzungen des Präsidiums wird nach Punkt 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee das Kollegium als ein ständig arbeitendes Gremium tätig. Die Kompetenzen zwischen dem Präsidium und dem Kollegium werden wie folgt verteilt: Gemäß Punkt 6 Abs. 2 der Verordnung überprüft das Präsidium die wichtigsten Fragen der zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und bestimmt die Richtungen und Bereiche, in denen dem Kollegium das Recht zur operativen Beschlußfassung erteilt wird. Das Kollegium als ständiges Gremium des Wirtschaftskomitees trifft die operativen Beschlüsse und erforderlichen Maßnahmen im Rahmen seiner Kompetenz. Darüber hinaus leitet das Kollegium die Tätigkeit des Verwaltungsapparates des Wirtschaftskomitees211 . 210
P. 6 Abs. 1 Satz 2 Teil 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
211
P. 7 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
123
Das Kollegium setzt sich aus den bevollmächtigten Vertretern der Teilnehmerstaaten des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion vom 24. September 1993 sowie einem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern zusammen212 . Der Vorsitzende des Kollegiums wird vom Rat der Staatschefs auf Vorschlag des Rates der Regierungschefs für die Dauer von drei Jahren ernannt213 . Der Vorsitzende des Kollegiums ist von Amts wegen der Stellvertreter des Präsidiumsvorsitzenden214 . Die Stellvertreter des Kollegiumsvorsitzenden sollen gemäß der Verordnung über das Wirtschaftskomitee vom Rat der Regierungschefs auf Vorschlag des Präsidiumsvorsitzenden ernannt werden215 . Der Rat der Regierungschefs hat jedoch in seinem Beschluß vom 10. Februar 1995 das Recht, die Stellvertreter des Kollegiumsvorsitzenden zu ernennen, dem Präsidium des Wirtschaftskomitees übertragen216 . Die Zahl der Stellvertreter wird weder in der Verordnung noch in den weiteren Beschlüssen der GUS-Organe genannt. Um ein Zusammenwirken des Wirtschaftskomitees und des Exekutivsekretariats der GUS sicherzustellen, hat der Rat der Regierungschefs in seiner Sitzung am 9. Dezember 1994 Ergänzungen der Vorschriften über die Zusammensetzung des Kollegiums vorgenommen: nach Punkt 5 des Beschlusses vom 9. Dezember 1994 tritt der erste Stellvertreter des Exekutivsekretärs in das Kollegium mit beratender Stimme ein. Er ist somit berechtigt, an den Sitzungen des Kollegiums teilzunehmen und dort Erklärungen abzugeben. Über eine Stimme bei der Beschlußfassung verfügt der Stellvertreter des Exekutivsekretärs jedoch nicht. An der Tätigkeit des Kollegiums nehmen auch die Leiter der zwischenstaatlichen koordinierenden und beratenden Organe teil, die beim Wirtschaftskomitee errichtet werden. Diese Personen sind ebenfalls wie der Stellvertreter des Exekutivsekretärs mit einer beratenden Stimme ausgestattet217 .
212
P. 7 Abs. 1 Satz 2 der VerordnWlg über das Wirtschaftskomitee.
213
P. 7 Abs. 1 Satz 3 der VerordnWlg über das Wirtschaftskomitee.
214
P. 7 Abs. 1 Satz 6 der VerordnWlg über das Wirtschaftskomitee.
215
P. 7 Abs. 1 Satz 4 der VerordnWlg über das Wirtschaftskomitee.
216
P. 5 des Beschlusses des Rates der RegieTWlgschefs vom 10. Februar 1995.
Die voraussichtliche Zahl, ZusammensetzWlg Wld Kompetenzen solcher zwischenstaatlichen Organe lassen sich anband der Unterlagen, die der Verfasserin vorliegen, nicht feststellen. 217
124
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschafts integration in der GUS
c) Verwaltungsapparat Gemäß Punkt 11 Abs. 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee steht dem Präsidium und dem Kollegium ein Verwaltungsapparat zur Seite, der in Departements und besondere Dienststellen gegliedert ist. Der Verwaltungsapparat wird von dem Vorsitzenden des Kollegiums geleitet218 . Die Leiter der Departements werden vom Kollegium ernannt und durch das Präsidium in ihren Ämtern bestätigt219. Die Ernennung der Leiter und die Einstellung ihrer Stellvertreter erfolgt auf Basis der von den GUS-Staaten vereinbarten Quoten220 . Alle weiteren Mitarbeiter des Verwaltungsapparates werden allein von dem Vorsitzenden des Kollegiums emannt221 . Es gibt dabei keine festgesetzten Quoten für die Angehörigen einzelner GUS-Staaten. Die Befugnisse des Kollegiumsvorsitzenden hinsichtlich der personellen Fragen sind als positiv zu bewerten. Da er unabhängig von den Weisungen der nationalen Regierungen handelt, können seine Personalentscheidungen darauf hinwirken, daß die verschiedenen Posten einerseits nach fachlichen Kriterien besetzt werden und andererseits es zu keinem Übergewicht von Staatsangehörigen eines GUS-Staates kommt. Die Gesamtzahl der Beschäftigten im Verwaltungsapparat beträgt derzeit ca. 400 Personen222 .
4. RechtssteIlung Wie bereits dargestellt, hat das Wirtschaftskomitee im Rahmen der GUSWirtschaftsunion die Stellung eines ständigen Organs mit koordinierenden und vollziehenden Befugnissen223 . Das Wirtschaftskomitee ist nach Punkt 1 Abs. 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee, ebenfalls wie das Exekutivsekretariat der GUS, dem Rat der Staatschefs und dem Rat der Regierungschefs rechenschaftspflichtig. Das Wirtschaftskomitee ist mit dem Rechtsstatus 218
P. 11 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
219
P. 11 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
220
P. 11 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Über das Wirtschaftskomitee.
221
P. 11 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
222 P. 1 des Beschlusses des Rates der Staatschefs vom 9. Dezember 1994. 223 Art. 1 des Abkommens über das Wirtschaftskomitee und P. 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
125
einer juristischen Person ausgestattet224 und hat seinen ständigen Sitz in Moskau22S . Das höchste Gremium des Wirtschaftskomitees, das Präsidium, setzt sich aus den stellvertretenden Regierungschefs der GUS-Staaten zusammen. Die Mitglieder des Präsidiums sind an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden. Dies ergibt sich aus ihrer Stellung in den nationalen Regierungen und entspricht auch dem allgemeinen Organisationsprinzip der internationalen Organisationen226 . Um ein gewisses Gleichgewicht zwischen der Wahrung des Partikulärinteresses der Staaten einerseits und der Bildung des Gemeinwillens andererseits sicherzustellen, haben die GUS-Staaten in Punkt 7 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee vereinbart, daß der Vorsitzende des Kollegiums und seine Stellvertreter die Interessen ihrer Staaten nicht vertreten dürfen, soweit sie als Mitglieder des Kollegiums handeln. Die genannten Mitglieder des Kollegiums genießen nach Artikel 4 Abs. 1 des Abkommens über den Rechtsstatus der Vertreter der GUS-Staaten und der Beamten des Wirtschaftskomitees vom 28. Män 1997 die Rechtsstellung der internationalen Beamten. Da die weiteren Mitglieder des Kollegiums weder im genannten Punkt 7 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung noch in Artikel 4 Abs. des Abkommens über den Rechtsstatus erwähnt sind und angesichts der Tatsache, daß diese Mitglieder von den GUS-Staaten selbst ernannt werden, ist davon auszugehen, daß sie weisungsgebunden sind. Der Vorsitzende und seine Stellvertreter dürfen bei der Beschlußfassung im Kollegium nur über die Verfahrens- und organisationsinternen Fragen abstimmen. Sie bleiben von den Teilnahme an der Abstimmung hinsichtlich aller sonstigen Angelegenheiten ausgeschlossen. Damit ist das Kollegium - wie das Präsidium und dementsprechend das Wirtschaftskomitee insgesamt - als ein Gremium zur Wahrung der nationalen Interessen der GUS-Staaten zu bewerten. Die Frage der Unabhängigkeit des Personals des Verwaltungsapparates des Wirtschaftskomitees von den Weisungen der nationalen Regierungen ist in der Verordnung über das Wirtschaftskomitee und dem Abkommen über den Rechtsstatus ausdrücklich geregelt. Die Mitarbeiter des Verwaltungsapparates genießen nach Punkt 11 Abs. 3 der Verordnung die Rechtsstellung der inter-
224
P. 18 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
225 Art. 3 Abs. 1 des Abkommens über das Wirtschaftskomitee, P. 17 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee. 226 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 857 t1
126
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
nationalen Beamten227 . Sie sind bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten von den nationalen Regierungen, Organisationen und Amtspersonen unabhängig. Darüber hinaus dürfen die Mitarbeiter des Verwaltungsapparates gemäß Punkt 11 Abs. 3 der Verordnung in keinem weiteren Arbeitsverhältnis stehen oder sonstige Tätigkeiten ausüben, die mit ihren Amtspflichten unvereinbar sind. Die unabhängige Rechtsstellung des Kollegiumsvorsitzenden und seiner Stellvertreter, die Ausstattung der Mitarbeiter des Verwaltungsapparates des Wirtschaftskomitees mit dem Rechtsstatus der internationalen Beamten sowie die auf Quoten basierende Rekrutierung des leitenden Personals des Wirtschaftskomitees dienen dazu, daß die Beeinflussung dieses Organs durch einen einzelnen GUS-Staat ausgeschlossen bleibt. Die Finanzierung des Wirtschaftskomitees erfolgt durch anteilige Beiträge der GUS-Staaten228 . Die Arbeitssprache des Wirtschaftskomitees ist Russisch229 .
5. Handlungsformen Die Verordnung über das Wirtschaftskomitee enthält eine förmliche Klassifizierung der möglichen Handlungsformen, die dem Wirtschaftskomitee zur Erfiillung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen. Danach handelt das Wirtschaftskomitee grundsätzlich durch Beschlüsse. Punkt 4 Abs. 8 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee unterscheidet zwischen folgenden Beschlußarten:
- Beschlüsse mit anordnendem Charakter hinsichtlich der Fragen, die freiwillig durch die GUS-Staaten übertragen wurden; - Beschlüsse, deren Verbindlichkeit durch die nationalen Regierungen besttitigt werden muß230; inhaltlich betreffen diese u.a. Fragen der Aufrechter-
227
Vgl. auch Art. 1 Abs. 5 und Art. 4 Abs. 1 des Abkommens über den Rechtssta-
228
P. 15 der Verordnung über das Wirtschaftskornitee.
229
P. 16 der Verordnung über das Wirtschaftskornitee.
tus.
Der genaue Rechtscharakter dieser Beschlüsse läßt sich derzeit noch nicht einordnen. Es muß abgewartet werden, weIche Wirkungen diese Beschlüsse in der Praxis haben werden; es erscheint jedoch möglich, daß sie sich zu einer Art Richtlinie nach Vorbild des EG-Rechts entwickeln werden. 230
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
127
haltung der effektiven Kooperationsverbindungen, der strukturellen Änderungen und des Umweltschutzes;
- Beschlusse mit empfehlendem Charakter, die hinsichtlich aller sonstigen Fragen gefaßt werden. 6. Beschlußfassung Nach Punkt 10 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee können die oben genannten Beschlüsse sowohl von dem Präsidium als auch von dem Kollegium im Konsens, mit qualifizierter Mehrheit unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Potentials der einzelnen GUS-Staaten231 , mit qualifizierter Mehrheit von 3/4 der Stimmen und mit einfacher Mehrheit gefaßt werden.
a) Einstimmige Beschlüsse Im Konsens werden nach Punkt 10 Abs. 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee die strategischen Fragen der Entwicklung der Wirtschaftsunion entschieden wie z.B. der Übergang zu der Zollunion, dem Gemeinsamen Markt und der Währungsunion. Vor einer Beschlußfassung erklären die Staaten ihr Interesse an einer Entscheidung hinsichtlich der Frage, die erörtert wird. Für diejenigen Staaten, die ihre Nicht-Teilnahme an der Diskussion und Abstimmung der Frage erklärt haben, sind die gefaßten Beschlüsse nicht bindend232 . Somit verhindert die Stimmenthaltung der "desinteressierten Staaten" die Wirksamkeit der im Konsens zu fassenden Beschlüsse nicht, macht jedoch solche Beschlüsse fiir den betreffenden Staat nicht verbindlich. Diese Regelung entspricht auch der völkerrechtlichen Praxis der einstimmigen Beschlußfassung bei den internationalen Organisationen233 . Falls die Frage so bedeutend ist, daß fiir die Beschlußfassung die Zustimmung aller GUS-Staaten erforderlich ist und die Meinungsverschiedenheiten im Rahmen des Wirtschaftskomitees nicht behoben werden können, wird der Entwurf des Beschlusses dem Rat der Regierungschefs fiir die Beschlußfas231 Die Stinunenverteilung fiIr dieses Verfahren wird in der Anlage 2 zum GUSAbkommen über das Wirtschaftskomitee vom 21. Oktober 1994 gesondert festgelegt. 232
P. 10 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
233 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 865 ff.
128
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
sung vorgelegt. Dem Entwurf sind auch die Widersprüche in schriftlicher Form beizulegen234 • Diese Regelung mindert die Nachteile der Beschlußfassung im Wege des Konsenses, weil es den GUS-Staaten die Möglichkeit gibt, ihre Meinungsverschiedenheiten auf der höheren Ebene zu beseitigen. b) Beschlüsse mit gewogener qualifizierter Mehrheit
Die einzelnen wirtschaftlichen Fragen, deren Lösung mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist oder schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben könnte, werden mit qualifizierter Mehrheit unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Potentials der GUS-Staaten beschlossen23s . Die Stimmen der GUS-Staaten im Präsidium und Kollegium des Wirtschaftskomitees besitzen bei diesem Verfahren unterschiedliches Gewicht, das nach deren wirtschaftlichen Potentialen gemessen wird. Die GUS-Staaten haben im Abkommen über das Wirtschaftskomitee vereinbart. daß bis 1. Januar 1998 bei der Fassung der Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit nach Punkt 10 Abs. 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee die Stimmen der GUSStaaten wie folgt gewogen werden: die Russische Föderation besitzt 50, die Ukraine 14, die Republiken Weißrußland, Kasachstan und Usbekistan jeweils 5 und alle sonstige GUS-Staaten236 jeweils drei Stimmen237 . Die Gesamtstimmenzahl beträgt 100 Stimmen. Die Beschlüsse kommen zustande, wenn eine Mindeststimmenzahl von 80 Stimmen erreicht wird238 . Im Rat der Europäischen Union wird durch eine Mindeststimmenzahl bzw. eine Mindestzahl der Staaten, die für eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit gemäß Artikel 148 Abs. 2 EGV erforderlich sind, der Einfluß der "kleinen" Staaten auf die Beschlußfassung sichergestellt. Die Mindeststimmenzahl wird im Rahmen der GUS dagegen für die Sicherung der hegemo-
234
P. 10 Abs. 2 Satz 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
235
P. 10 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
236 Zu diesen GUS-Staaten zählen die Republiken Aserbajdschan, Annenien, Ge-
orgien, Kyrgystan, Moldova, Tadschikistan sowie Turkmenistan.
237 Art. 2 Abs. 2 des Abkommens über das Wirtschaftskomitee und Abs. 1 der Regeln der Stimmenverteilung im Wirtschaftskomitee. 238
Abs. 2 S. I der Regeln der Stimmenverteilung im Wirtschaftskomitee.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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nistischen Stellung Rußlands genutzt, ohne deren Teilnahme keine Beschlüsse im Wirtschaftskomitee gefaßt werden können239 . Es ist nicht zu übersehen, daß für die Festlegung des Abstimmungsverfahrens im Wirtschaftskomitee die im Rat der EU geltenden Regeln als Vorbild gedient haben. Die in Artikel 148 EGV festgelegten Prinzipien des unterschiedlichen Stimmengewichts der Mitgliedstaaten und der Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit gelten als wichtige Kriterien, die die EG von den anderen internationalen Gebilden unterscheiden240 und der EG supranationale Elemente verleihen. In jedem Fall weichen die GUS-Staaten durch diese Regelung von dem völkerrechtlichen Grundsatz formeller Gleichheit der Mitgliedstaaten ab, der im Rat der Staatschefs und im Rat der Regierungschefs der GUS eingehalten wird.
c) Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit
Mit qualifizierter Mehrheit von mindestens 3/4 der Stimmen werden nach Punkt 10 Abs. 3 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee Beschlüsse über solche Fragen gefaßt, wie z. B. die Einfiihrung von Quoten und Reservewährung, Anlegung der Geldfonds sowie über sonstige konkrete Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, die nicht im Verfahren mit der gewogenen qualifizierten Mehrheit nach Punkt 10 Abs. 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee beschlossen werden müssen. Da die Gewichtung der Stimmen rur dieses Verfahren nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ist davon auszugehen, daß bei der Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit von 3/4 der Stimmen jeder Staat bzw. jedes Mitglied des Präsidiums oder des Kollegiums des Wirtschaftskomitees eine Stimme besitzt. Die beherrschende Stellung Rußlands, die bei der Beschlußfassung mit der gewogenen qualifizierten Mehrheit nach Punkt 10 Abs. 4 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee festzustellen ist, wird in dem gegebenen Verfahren
239 Die GUS-Staaten haben jedoch in Abs. 2 S. 2 der Regeln der Stimmenverteilung im Wirtschaftskomitee vereinbart, daß die Vorschrift über die Mindeststimmenzahl von 80 Stimmen vorerst bis 1. Januar 1996 geiten soll. Das Abstimmungsverfahren sollte nach diesem Datwn durch einen zusätzlichen Beschluß gelindert werden. Es ist bisher nicht klar, zu weIchem Zeitpunkt die entsprechenden Änderungen vorgenommen werden. 240 Vgl. BeutlerlBieberlPipkorniStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 134 ff. 9 Balayan
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
beseitigt. Die Beschlüsse können in diesem Fall selbst dann zustandekommen, wenn die Regierungsvertreter Rußlands dagegen stimmen. d) Beschlusse mit einfacher Mehrheit
Die Beschlüsse über Verfahrensfragen werden im Präsidium und im Kollegium gemäß Punkt 10 Abs. 5 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee mit einfacher Mehrheit erfaßt. Nur an diesem Beschlußverfahren dürfen nach Punkt 10 Abs. 6 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee der "unabhängige" Vorsitzende des Kollegiums und seine Stellvertreter teilnehmen; diese sind an die Weisungen der nationalen Regierungen nicht gebunden. Eine Beschlußfassung durch schriftliches Verfahren, die beispielsweise im Rat der Europäischen Union für dringende Beschlüsse angewendet wird241 , ist in den GUS-Rechtsakten nicht vorgesehen. Es wäre jedoch denkbar, daß diese Methode sich in der Praxis beim Beschlußverfahren im Präsidium des Wirtschaftskomitees durchsetzen wird, weil die Mitglieder dieses Gremiums grundsätzlich nur einmal alle drei Monate zusammenkommen242 und selbst für die dringenden Beschlüsse dem Wirtschaftskomitee auf Grund ihrer Verpflichtungen als stellvertretende Regierungschefs in den nationalen Regierungen nicht immer zur Verfiigung stehen. Ebenso ist in den GUS-Rechtsakten nicht geregelt, wann das Präsidium und das Kollegium des Wirtschaftskomitees beschlußftihig sind. Punkt 10 Abs. 7 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee sieht vor, daß diejenigen GUSStaaten, die an der Beschlußfassung nicht teilgenommen haben, sich diesen Beschlüssen auf schriftlichen Antrag beim Wirtschaftskomitee anschließen können. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß die Beschlußfassung im Präsidium und im Kollegium ohne Teilnahme einzelner GUS-Staaten erfolgen könnte und diese Gremien somit auch dann beschlußflihig sind, wenn nicht alle GUS-Staaten anwesend sind. Die Frage, welche Beschlüsse des Wirtschaftskomitees nach welchem Verfahren zu erfassen sind, ist in den GUS-Rechtsakten nicht ausdrücklich geregelt. Es wäre denkbar, daß das Präsidium und das Kollegium vor der Behandlung einer Frage unter Berücksichtigung des Punktes 10 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee beschließen, in welchem Verfahren die Beschlußfas241 Vgl. BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl, Baden-Baden, 1993, S. 137. 242
P. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
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sung erfolgen wird. Da dies als eine "Verfahrensfrage" gesehen werden könnte, ist für solche Beschlüsse gemäß Punkt 10 Abs. 5 der Verordpung über das Wirtschaftskomitee lediglich eine einfache Mehrheit erforderlich . Insgesamt ist festzustellen, daß sich die vertraglich vorgesehenen und sehr allgemein formulierten Abstimmungsmechanismen im wesentlichen durch deren praktische Anwendung im Rahmen der GUS-Wirtschaftsunion konkretisieren und entwickeln werden. Die Tatsache, daß die Rechtsakte des Wirtschaftskomitees nicht veröffentlicht werden, dürfte aber die zukünftige Auswertung seiner vor kunem aufgenommenen Tätigkeit erheblich erschweren.
7. Vergleich mit den entsprechenden Organen der EU Wie bereits bei der Untersuchung der Aufgaben, Kompetenzen, Handlungsformen und Beschlußverfahren ausgefiihrt, weist das Wirtschaftskomitee gewisse Ähnlichkeiten sowohl mit dem Rat der Europäischen Union als auch mit der Europäischen Kommission auf. Ein wichtiger Unterschied liegt jedoch in der Rechtsnatur dieser Organe. Der Rat und die Kommission sind nach der in der Literatur herrschenden Ansicht Organe einer supranationalen Organisation243 . In der Völkerrechtslehre besteht noch keine Übereinstimmung über den Inhalt des Begriffes "supranational" und seine Unterscheidung vom Begriff "international", der für die herkömmlichen völkerrechtlichen Organisationen verwendet wird244 . Die hier vertretene Auffassung folgt denjenigen Autoren, die bei der Begriffsbestimmung die Eigenschaften der Organe als Maßstab nehmen24S . Zu den Eigenschaften, die einem Organ einen "supranationalen" Charakter verleihen, zählen insbesondere: - die Unabhängigkeit der Organmitglieder von Weisungen der Mitgliedstaaten, - die Sicherung der persönlichen Unabhängigkeit der Organmitglieder,
243 Vgl. Otto Kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 196 ff.; Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 390 ff.; Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 802
fT.
244 Vgl. Otto Kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 196. 245 Vgl. Ganther Jaenicke, Supranationale Organisationen, in: Strupp-Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, Berlin, 1962, S. 425.
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
- die Vertretung eines eigenen Gemeinschaftsinteresses, - die Befugnis, für Staaten sowie für Individuen unmittelbar verbindliche Beschlüsse zu fassen 246 . Diese Eigenschaften sind allein betrachtet im völkerrechtlichen Organisationsrecht nicht neuartig. Daher kann sich der supranationale Charakter nur aus dem Intensitätsgrad dieser Eigenschaften ergeben247 . Nach der hier vertretenden Ansicht läßt sich das Wirtschaftskomitee der GUS-Wirtschaftsunion anband der ausgeführten Merkmale der Supranationalität nicht als "supranationales Organ" einstufen. Das Wirtschaftskomitee folgt zwar bei seiner Willensbildung teilweise dem Mehrheitsprinzip und ist zur Fassung von Beschlüssen befugt, die für die GUS-Staaten bindend sind. Ihm fehlen jedoch die übrigen Wesensmerkmale, die ebenfalls als Voraussetzung für die Qualifikation als "supranationales Organ" gelten, nämlich die Weisungsungebundenheit und persönliche Unabhängigkeit seiner Mitglieder sowie die Verfolgung des Gemeinschaftsinteresses ohne Rücksicht auf Sonderinteressen eines Mitgliedstaates. Wie bereits in diesem Kapitel festgestellt, sind die Mitglieder sowohl des Präsidiums als auch des Kollegiums an die Weisungen der nationalen Regierungen gebunden248 . Ihre persönliche Unabhängigkeit ist nicht gesichert; dies gilt insbesondere bei den Mitgliedern des Präsidiums, die gleichzeitig die stellvertretenden Regierungschefs der GUS-Staaten sind. Die Verfolgung des Gemeinschaftsinteresses ist daher problematisch. Aus diesen Gründen kann das Wirtschaftskomitee der GUS in seiner derzeitigen Gestalt nicht als "supranationales Organ" bezeichnet werden. Die Weiterentwicklung des Wirtschaftskomitees könnte dahin gehen, daß sein Präsidium, das aus den Regierungsvertretern besteht, die Stellung eines rechtsetzenden Organs der GUS nach Vorbild des Rates der Europäischen Union erlangt. Das Kollegium in seiner derzeitigen Stellung als ständiges Gremium des Wirtschaftskomitees mit einem umfangreichen Verwaltungsapparat könnte die Initiativ-, Kontroll- und Exekutivaufgaben übernehmen, die etwa denjenigen der Europäischen Kommission entsprechen sollten. Dabei sollte die sachliche und persönliche Unabhängigkeit aller Mitglieder des Kol246 Vgl. Hugo J. Hahn, Internationale Organisationen, in: Roman Herzog (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl., Stuttgart, 1987, Bd. I, S. 1369; GuntherJaenikke, Supranationale Organisationen, in: Stropp-Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, Berlin, 1962, S. 424. 247 Otto kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 196. 248
Vgl. oben 3. Kapitel, B, rn, 4.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
133
legiums und nicht nur seines Vorsitzenden und dessen Stellvertreter sichergestellt werden. Der Schwerpunkt der Kollegiumstätigkeit sollte in der Planung und Ausarbeitung von Vorschlägen für Rechtsakte des Präsidiums und im Erlaß der Durchfiihrungsmaßnahmen liegen. Eine weitere Aufsplitterung des Wirtschaftskomitees in zwei selbständige Organe - z. B. das Präsidium als Wirtschaftskomitee und das Kollegium als Wirtschaftskommission - wäre als nächste Stufe der institutionellen Entwicklung der GUS auf dem Wege zur Wirtschaftsunion denkbar. Der Rat der Staatschefs könnte dabei seine Rechtsetzungsbefugnisse in Fragen der Wirtschaftsintegration im wesentlichen dem Wirtschaftskomitee übertragen und als Organ zur Wahrung der nationalen Interessen der GUSStaaten die politischen Grundsatzentscheidungen treffen sowie als Forum für die Beseitigung der Meinungsunterschiede zwischen den einzelnen Staaten wirken. 8. Bedeutung für die Wirtscbaftsintegration Die Errichtung des Wirtschaftskomitees ist als ein institutioneller Fortschritt bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Integration der GUS-Staaten zu bewerten. Die oben dargelegten Vertragsbestimmungen enthalten die ersten Ansätze einer Supranationalität, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen, die die überstimmten GUS-Staaten binden. Die allgemeine Vorschrift, daß das Wirtschaftskomitee bindende Beschlüsse hinsichtlich der Fragen fassen kann, die ihm von den GUS-Staaten freiwillig übertragen wurden, könnte in der Praxis zur einer Ausstattung des Wirtschaftskomitees mit sehr weitgehenden Kompetenzen fUhren. Es wäre denkbar, daß dieses Organ die konkreten Entscheidungen über die Formen, Grade und Instrumente der Wirtschaftsintegration eigenständig treffen wird, falls der politische Wille der GUS-Staaten dafiir ausreicht. Das Abkommen über das Wirtschaftskomitee enthält bereits in seiner derzeitigen Form die potentielle Möglichkeit, dieses Organ durch die Übertragung weiterer Kompetenzen durch die GUS-Staaten zum "Motor der Integration" fortzuentwickeln. Institutionell gesehen könnten die Weisungsgebundenheit aller Organmitglieder, die über die Fragen der Wirtschaftsintegration zu entscheiden haben, sowie die Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips bei den wichtigsten Fragen Hindernisse rur eine effiziente Arbeit dieses Organs bedeuten. Die "Politik des leeren Stuhles", die im Rahmen der EG Mitte 1965 von Frankreich betrieben
134
3. Kapitel: Institutionelle Struktur derWirtschaftsintegration in der GUS
wurde, um jegliche Beschlüsse des damaligen Ministerrats zu verhindern, bereitet dagegen keine Gefahr fiir die Beschlußfassung im Wirtschaftskomitee der GUS, weil seine Beschlüsse im Gegensatz zu denjenigen des Rates der Europäischen Union auch bei einer Stimmenthaltung zustande kommen können249 . Die Erfahrungen der Europäischen Union bieten eine Grundlage fiir die Bewertung der Auswirkungen, die die Beschlußfassung im Konsens und nach Mehrheitsprinzip auf die Wirtschaftsintegration im Rahmen eines zwischenstaatlichen Gebildes hervorrufen könnte. Im Rahmen der EG haben die Mitgliedstaaten in dem sog. "Luxemburger Kompromiß" vom 28. Januar 1966 vereinbart, daß bei den Beschlüssen, die vitale Interessen eines Mitgliedstaates berühren, einvernehmliche Lösungen gesucht werden sollen. Dies fiihrte zwar nicht zu einer formellen Einführung des Einstimmigkeitsprinzips; in der Praxis sind die Mehrheitsbeschlüsse aber bis in die 80er Jahre die Ausnahme geblieben2SO . Charakteristisch fiir den Rat der Europäischen Union ist daher das Bemühen, durch Verhandlungen und Kompromisse Entscheidungen zu finden, die auf der Zustimmung aller Beteiligten beruhen2SI . Es mag einerseits die Ansicht stimmen, daß die Luxemburger Beschlüsse von 1966 "das Ende der erfolgreichen Integrationsphase in der Frühzeit der Europäischen Gemeinschaft und den Übergang zu schwierigeren und langwierigeren Prozeduren der Fortentwicklung"252 markieren. Andererseits darf nicht vergessen werden, daß dem Verlust an Effizienz und Qualität der Be249
P. 10 Abs. 2 der Verordnung über das Wirtschaftskomitee.
Vgl. Thomas Oppennann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 253; BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 135. 250
251 Spätestens seit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (1987) mit der Einfilhrung des Verfahrens der Zusammenarbeit und besonders seit dem Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union (Maastricht I, 1993) mit der Einfilhrung des Verfahrens der Mitentscheidung hat sich hier ein grundlegender Wandel vollzogen, da beiden - filr bedeutsame Bereiche geltenden - Verfahren im wesentlichen die Abstimmung mit qualiftzierter Mehrheit zugrunde liegt. Die EU-Regierungskonferenz zur Vertragsreform, die im Juni 1997 abgeschlossen wurde, brachte zwar nur begrenzte Fortschritte in die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Rat der EU. Das Verfahren der Mitentscheidung wurde jedoch erheblich ausgebaut und auf 23 zusätzliche Materien erweitert.. Vgl. hierzu Michael Borchmann, Amsterdam - Weder kleine Taten noch Reförmchen!, EuZW, Heft 17, 1997, S. 1; Rainer Amold, Maastricht n und die institutionelle Reform der Europäischen Gemeinschaften: Zum Zwischenbericht der Reflexionsgruppe filr die Regierungskonferenz 1996, in: MajoroslSteinkammi Krack (Hrsg.), FS filr Gerhard Ritter, WÜIZburg, 1995, S. 67 f1 252
Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 30.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
135
schlüsse der Vorteil ihrer gesteigerten Akzeptanz in den Mitgliedstaaten gegenübersteht. Dies ist insbesondere fiir die GUS von Bedeutung, weil diesem Integrationsgebilde derzeit nur völkerrechtliche Mittel zur Verfügung stehen. Daher ist die Einstimmigkeitsregelung bei der Beschlußfassung im Wirtschaftskomitee der GUS als integrationsfbrdemd zu bewerten. Dies wird insbesondere im Vergleich zum Beschlußverfahren mit gewogener qualifizierter Mehrheit beim Wirtschaftskomitee der GUS deutlich, der eine Beschlußfassung ohne Zustimmung Rußlands gar nicht zuläßt2S3 •
IV. Wirtschafts gericht der GUS Die GUS-Staaten haben bereits in der ersten Entwicklungsphase der Gemeinschaft2S4 die Errichtung eines zwischenstaatlichen Wirtschaftsgerichts auf der gemeinsamen Sitzung der Räte der Staats- und Regierungschefs am 15. Mai 1992 in Taschkent vereinbart2SS . Das GUS-Abkommen "Über den Status des Wirtschaftsgerichts der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" wurde am 6. Juli 1992 in Moskau von acht GUS-Staaten unterzeichnet2S6 . Da der Integrationsgrad der GUS-Staaten im Jahre 1992 noch nicht die entsprechende Intensität aufwies, um eine funktionsfähige Gerichtsinstanz zu schaffen, hat das Wirtschaftsgericht erst 1994 mit der Stabilisierung der Integrationstendenzen und Intensivierung der multilateralen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen der GUS seine aktive Tätigkeit aufgenommen. Die Rechtsfragen der Tätigkeit des Wirtschaftsgerichts sind sowohl in der russischen als auch in der fremdsprachigen Literatur noch kaum behandelt worden. In diesem Kapitel werden anband der GUS-Vereinbarungen, Entscheidungen des 253 Vgl. Regeln der Stimmenverteilung im Wirtschaftskomitee, Anlage Nr. 2 zum GUS-Abkommen über das Wirtschaftskomitee vom 21. Oktober 1994. 254
Zu den Entwicklungsphasen der GUS vgl. 2. Kapitel, A, m oben.
Vgl. Hermann element, Die Entwicklung der wirtschaftlichen B~ehungen zwischen den GUS-Staaten, Arbeiten aus dem Osteuropa-Institut München, Nr. 157, 1992, S. 11. 255
256 Zu den ursprünglichen Unterzeichnerstaaten gehörten die Russische Föderation, die Republiken Armenien, Kasachstan, Kyrgystan, Moldova, Tadschikistan, Usbekistan und Weißrußland. Aserbajdschan, Turkmenistan und die Ukraine haben den Vertrag nicht unterzeichnet. Georgien gehörte damals noch nicht zu der GUS und ~at daher dieses GUS-Abkommen auch nicht unterzeichnet. Nach Angaben der elektronischen Datenbank des Exekutivsekretariats der GUS ist das Abkommen nach seiner Ratifizierung durch die Vertrags staaten nur für die 8 ursprünglichen Unterzeichnerstaaten in Kraft getreten (Stand: I. November 1997).
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Gerichts und europäischer Erfahrungen die Zuständigkeitsbereiche, Handlungsfonnen und Arbeitsweisen dieses GUS-Organes untersucht.
1. Rechtsgrundlage Die Tätigkeit des Wirtschaftsgerichts der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ist durch folgende GUS-Rechtsakte2 S7 geregelt: - Abkommen "Über die Maßnahmen zur Verbesserung der Zahlungen zwischen den wirtschaftlichen Organisationen der GUS-Staaten" vom 15. Mai 1992;258 - Abkommen "Über den Status des Wirtschaftsgerichts der GUS" vom 6. Juli 1992 (im folgenden "Abkommen über das GUS-Wirtschaftsgericht,,);2S9 - Verordnung "Über das Wirtschaftsgericht der GUS", die als Bestandteil des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht ebenfalls am 6. Juli 1992 verabschiedet wurde (im folgenden "Verordnung über das GUSWirtschaftsgericht"); 260 - Satzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 22. Januar 1993 (im folgenden "GUS-Satzung");261 - Beschluß des Rates der Staatschefs vom 24. September 1993 "Über die Unterhaltskosten und die Gesamtzahl der Mitarbeiter des Verwaltungsapparates des Wirtschaftsgerichts der GUS" (im folgenden "Beschluß vom 24. September 1993");262 - Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 23. Dezember 1993 "Über die organisatorischen und technischen Fragen der Tätigkeit des Wirtschaftsgerichts der GUS" (im folgenden "Beschluß vom 23. Dezember 1993");263 - Geschäftsordnung des Wirtschaftsgerichts der GUS vom 5. Juli 1994;264
257
Die GUS-Rechtsakte sind in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
258
In Art. 5 dieses GUS-Abkomrnens wurde die Errichtung einer Gerichtsinstanz
259
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 6, 1992, S. 53 fT.
260
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 6, 1992, S. 54 tT.
261
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 17 fT.
im Rahmen der GUS verankert.
262
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 79 fT.
263
Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 13, 1993, S. 52 fT.
B. fustitutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
137
- Beschluß des Rates der Regierungschefs vom 19. Januar 1996 "Über den Kostenplan fiir die Unterhaltung des Wirtschaftsgerichts der GUS fiir das Jahr 1996" (im folgenden "Beschluß vom 19. Januar 1996")265. Die GUS-Staaten haben sich bereits auf eine Reform des GUS-Wirtschaftsgerichts geeinigt. Der Rat des Staatschefs hat das GUS-Wirtschaftsgericht in seinem Beschluß vom 26. Mai 1995 266 beauftragt, das "Konzept über den Status und die Tätigkeit des Gerichts der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" zu erarbeiten267. Dieses Konzept wurde im wesentlichen vorbereitet und wird voraussichtlich 1998 vom Rat der Staatschefs angenommen und in GUSRechtsakte umgesetzt. Die wichtigsten Änderungen umfassen u.a. die Erweiterung der Zuständigkeiten des GUS-Wirtschaftsgerichts268 , die sich derzeit auf wirtschaftliche Fragen beschränken, und den Übergang von empfehlenden zu bindenden Entscheidungen. Die angestrebten Änderungen, die sich aus dem vorbereiteten Konzept ergeben, sind zum größten Teil in diesem Kapitel berücksichtigt269.
2. Aufgaben und Zuständigkeiten Als Ziel der Errichtung des GUS-Wirtschaftsgerichts nennt Punkt 1 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgerichts die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der GUS-Abkommen und der Erfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen, die auf solchen GUS-Abkommen beruhen. Das Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels sieht Punkt 1 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht in der "Beilegung der Streitigkeiten, die aus den wirtschaftlichen Beziehungen hervorgehen".
264 Die Geschäftsordnung des Wirtschaftsgerichts der GUS wurde im offiZiellen fuformationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" nicht veröffentlicht. Der Text dieses Dokumentes ist in der russischen juristischen Datenbank GARANf in Russisch und Englisch vorhanden. 265
fuformationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 21, 1996, S. 95 ff.
266
fuformationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19, 1995, S. 85 ff.
267
P. 2 des Beschlusses des Rates der Staatschefs vom 26. Mai 1995.
Um die Aufhebung der Zuständigkeitsbeschränkungen zu verdeutlichen, soll das GUS-Wirtschaftsgericht die Bezeichnung "Gericht der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" tragen. 268
269 Das geplante Konzept des Gerichts der GUS wurde im offiziellen fuformationsblatt der GUS "Sodruzhestwo" nicht veröffentlicht. Der Text dieses Dokumentes ist in der russischen juristischen Datenbank GARANf in Russisch vorhanden.
138
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die GUS-Staaten haben absichtlich die Kompetenzen des GUS-Wirtschaftsgerichts auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt, um jegliche Art der umfassenden und zentralisierten Gerichtsbarkeit auszuschließen, die zur politischen Einigung und Wiederherstellung der UdSSR fiihren könnte .. Die GUS-Satzung, die nach der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht - am 22. Januar 1993 - verabschiedet wurde, sieht als Hauptaufgabe dieses Organs nur noch "die Gewährleistung der Erfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen im Rahmen der Gemeinschaft"270, ohne die einheitliche Anwendung der GUS-Rechtsakte zu erwähnen. Eine allgemeine Aufgabe der Wahrung des Rechts bei Auslegung und Anwendung der Gemeinschaftsverträge, mit der der Europäische Gerichtshof gemäß Artikel 164 EGV betraut ist, hat das GUS-Wirtschaftsgericht daher nicht. Die Konkretisierung der allgemein formulierten Aufgaben erfolgt bei der Bestimmung der Zuständigkeitsbereiche und sonstigen Befugnisse des GUSWirtschaftsgerichts in den einschlägigen GUS-Rechtsakten.
a) Beilegung der Streitigkeiten Das GUS-Wirtschaftsgericht ist in erster Linie fiir zwei Gruppen der "zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Streitigkeiten" zuständig. Zu der ersten Gruppe gehören die Streitigkeiten, die bei der Erfüllung solcher wirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, die in den Abkommen sowie Beschlüssen des Rates der Staatschefs, des Rates der Regierungschefs und anderer Institutionen der GUS271 vorgesehen sind272 . Die zweite Gruppe umfaßt gemäß Punkt 3 Abs. 3 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht "die Streitigkeiten hinsichtlich der Übereinstimmung der normativen und sonstigen Akte der GUS-Staaten in wirtschaftlichen Fra-
270
Art. 32 Abs. I der GUS-Satzung.
271 Mit dem Begriff "Organe und Institutionen der Gemeinschaft" werden in den GUS-Vereinbarungen über das GUS-Wirtschaftsgericht "ständige und vorläufige organisatorische Strukturen der Gemeinschaft" bezeichnet, "die in Übereinstimmung mit der GUS-Satzung, den Verträgen und Abkommen der Staats- und Regierungschefs der GUS errichtet wurden" (P. 1.2 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts). 272 Art. 32 Abs. 2 Satz I der GUS-Satzung, P. 3 Abs. 2 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
139
gen mit den Abkommen und sonstigen Akten273 der Gemeinschaft". In der GUS-Satzung wird dieser Zuständigkeitsbereich des GUS-Wirtschaftsgerichts nicht elWähnt. Da die beiden Rechtsakte,· die Verordnung über das GUSWirtschaftsgericht als Bestandteil des gleichnamigen GUS-Abkommens und die GUs-Satzung, die gleiche völkerrechtliche RangsteIlung haben, ist die Kollision ihrer Vorschriften nach den völkerrechtlichen Regeln über die Vertragskonkurrenz zu beurteilen274 . Dem völkerrechtlichen Prinzip lex spec;alis derogat leg; general; folgend, ist diese Zuständigkeit dem GUSWirtschaftsgericht anzuerkennen. Es ist davon auszugehen, daß im Zuge der bevorstehenden Reform des GUS-Wirtschaftsgerichts die Rechtsvorschriften der GUS-Satzung in Übereinstimmung mit den sonstigen Abkommen über das GUS-Wirtschaftsgericht gebracht werden275 .
b) Auslegungszuständ;gkeiten Das GUS-Wirtschaftsgericht ist gemäß Artikel 32 Abs. 3 der GUS-Satzung und Punkt 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht berechtigt, die Auslegung der Bestimmungen der Abkommen sowie anderer Akte der GUS und ihrer Institutionen vorzunehmen. Das GUS-Wirtschaftsgericht ist weiterhin gemäß Punkt 5 Abs. 3 der Verordnung für eine gewisse Übergangszeit fiir die Auslegung der Rechtsakte der ehemaligen UdSSR und die Überprüfung deren Übereinstimmung mit den Rechtsakten der GUS zuständig. Diese Besonderheit ergibt sich daraus, daß viele ehemalige Republiken der UdSSR nach dem Zerfall der Sowjetunion die Rechtsakte aus sowjetischen Zeiten übernehmen mußten, um Lücken in der Gesetzgebung zu vermeiden. So galten z. B. in Rußland wie auch in einigen 273 Der Begriff "Akte der Gemeinschaft" wird in den GUS-Vereinbarungen über das GUS-Wirtschaftsgericht verwendet, um folgende Dokumente zu bezeichnen: "Verträge, Abkommen, Beschlüsse, Erklärungen, Memoranden und sonstige Willenserklärungen der Staatschefs, der Regierungschefs, die (wenn erforderlich) von den Staaten ratiftziert wurden, sowie sonstige von den Staatschefs und Regierungschefs unterzeichnete Akte, die bindenden Charakter haben" (P. 1.4 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts). Mit dem Begriff "Akte der Organe und Institutionen der Gemeinschaft" werden bindende Akte bezeichnet, die von den Organen und Institutionen der GUS im Rahmen ihrer Kompetenz verabschiedet werden (P. 1.5 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts). 274
Vgl. oben 3. Kapitel, B, I, 5, c.
Die Änderung der Vorschriften der GUS-Satzung wird ausdrücklich vom GUSWirtschaftsgericht in dem vom ihm erarbeiteten Konzept über den Status des Gerichts der GUS, Abschnitt "Schlußbestimmungen", gefordert. 275
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
anderen GUS-Staaten die meisten Vorschriften der "Grundzüge der Zivilgesetzgebung der UdSSR" (Osnovy grazhdanskogo zakonodatel'stva Sojuza SSR) bis zum Inkrafttreten des I. Teils des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation am l. Januar 1995. Es ist jedoch davon auszugehen, daß diese Aufgabe sich mit der Zeit erübrigen wird, sobald die ehemaligen Rechtsakte der UdSSR durch nationale Gesetzgebung ersetzt werden. Die Befugnis des GUS-Wirtschaftsgerichts ist in seiner Bedeutung, die diese für die einheitliche Auslegung der Gemeinschaftsrechtsakte hat, mit der Zuständigkeit des EuGH für Vorabentscheidungen bei Streitigkeiten, die vor innerstaatlichen Gerichten anhängig sind und von diesen Gerichten dem EuGH gemäß Artikel 177 EGV vorgelegt werden, zu vergleichen. Das Auslegungsverfahren vor dem GUS-Wirtschaftsgericht ist jedoch - mangels seiner rechtlichen Bindungswirkung für die GUS-Staaten, die GUS-Organe und die nationalen Institutionen einschließlich der nationalen Gerichte - bei weitem nicht so effizient wie das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH. Deswegen bleibt sein Beitrag zur Durchsetzung und einheitlichen Anwendung der GUS-Rechtsakte eher gering. c) Sonstige ZusUindigkeiten und Befugnisse
Die GUS-Staaten können weitere Streitigkeiten, die die Erfüllung der Abkommen und auf deren Grundlage verabschiedeter Verträge betreffen, der Gerichtsbarkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts unterwerfen276 . Diese Vorschrift räumt den GUS-Staaten die Möglichkeit ein, die Gerichtsbarkeit des GUSWirtschaftsgerichts auch auf Fragen zu erweitern, die nicht nur wirtschaftlicher Natur sind. Erwähnenswert ist auch die Befugnis des Plenums (des höchsten Gremiums des GUS-Wirtschaftsgerichts), die Vorschltige zur Beseitigung von Kollisionen in der Gesetzgebung der GUS-Staaten vorzubereiten und den GUS-Staaten sowie den GUS-Organen vorzulegen277 . Allerdings hat das GUS-Wirtschaftsgericht bisher kaum Gebrauch von dieser Befugnis gemacht.
276 Abs. 2 Satz 2 der GUS-Satzung, P. 3 Abs. 4 der Verordnung über das GUSWirtschaftsgericht. 271 P. 10 Abs. 5 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht; P. 9.5 (c) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
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3. Zusammensetzung und Rechtsstellung a) Richter Das GUS-Wirtschaftsgericht besteht derzeit aus sechzehn Richtern, je zwei aus jedem der acht Vertragsstaaten des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht278 . Während die Richter des Europäischen Gerichtshofes gemäß Artikel 167 Abs. 1 EGV im gegenseitigen Einvernehmen von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf sechs Jahre ernannt werden, werden die Richter des GUSWirtschaftsgerichts von dem jeweiligen GUS-Staat ohne Absprache mit den anderen GUS-Staaten auf zehn Jahre ernannt. Die Ernennung erfolgt im Verfahren, das im innerstaatlichen Recht der jeweiligen GUS-Staaten für die Ernennung der Richter der höchsten Handelsgerichte vorgesehen ist279 . Wiederernennungen sind nicht ausdrücklich verboten. Die Richter wählen aus ihrer Mitte den Präsidenten des GUS-Wirtschaftsgerichts und seine Stellvertreter für jeweils fünf Jahre, die vom Rat der Staatschefs in ihren Ämtern zu bestätigen sind280 . Die unabhängige Rechtsstellung der Richter wird - trotz ihrer Ernennung von den nationalen Organen - durch die ihnen gewährte Immunität, das grundsätzliche Verbot ihrer vorzeitigen Abberufung sowie das Verbot der Ausübung anderer Berufstätigkeiten gesichert281 . Darüber hinaus legt die Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht ausdrücklich fest, daß die Richter bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten Interessen "keiner staatlichen und zwischenstaatlichen Organe und Organisationen, kommerziellen Strukturen, politischen Parteien und Bewegungen sowie territorialen Gebiete, Nationen, Völker, sozialen und religiösen Gruppen und Personen" vertreten dürfen282 . Somit sind die Richter des GUS-Wirtschaftsgerichts an Weisungen nationaler Regierungen und Parlamente nicht gebunden.
278 Die Quote von 2 Richtern je GUS-Staat wurde in Art. 2 des Abkommens über das Wirtschaftsgericht der GUS festgelegt. 279 P. 7 Abs. 1 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht. 280 P. 7 Abs. 2 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht. 281 P. 7 Abs. 3, P. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über das GUSWirtschaftsgericht. 282 P. 8 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
b) Genera/berater Die Richter werden in ihrer Tätigkeit von den sog. Generalberatern (general'nyje sovetniki) unterstützt. Die Generalberater haben die Aufgabe, am Ende der mündlichen Verhandlung einen Schlußantrag, der in schriftlicher Form vorzubereiten ist, vorzutragen und dem Gericht den Entwurf des Urteils vorzulegen283 . Darüber hinaus können die Generalberater jederzeit vom GUSWirtschaftsgericht mit der Ermittlung der anhängigen Sache beauftragt werden284 . Weitere Einzelheiten ihrer Tätigkeit sind in der Verordnung über den Dienst der Generalberater geregeIt28S, die allerdings noch nicht veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu den Generalanwälten am EuGH, die ebenfalls wie Richter gemäß Artikel 167 Abs. 1 EGV einvernehmlich von den Regierungen der Mitgliedstaaten für den Zeitraum von sechs Jahren ernannt werden, werden die Generalberater direkt vom GUS-Wirtschaftsgericht für den Zeitraum von drei Jahren emannt286 . Als Voraussetzungen für die Ernennung zum Generalberater nennt die Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts lediglich einen juristischen Hochschulabschluß und eine fiinfjährige Berufserfahrung. Da keine Anforderungen an die Staatsangehörigkeit und den Ort des Hochschulabschlusses bestehen, wäre es nicht auszuschließen, daß zu den Generalberatern des GUS-Wirtschaftsgerichts ausländische Juristen mit internationaler Ausbildung ernannt werden, die an anderen internationalen Gerichten ihre Tätigkeit ausgeübt haben. Eine Einsetzung ehemaliger Richter und Generalanwälte des EuGH, die über wertvolle Erfahrungen in der Streiterledigung im Rahmen einer integrierten Staatengemeinschaft verfUgen, wäre durch die Unterstützung seitens der Hilfsprogramme der Europäischen Kommission für die GUS denkbar287 . Mangels Literatur zu diesem Thema und näherer Anhaltspunkte in der bisherigen Praxis des GUS-Wirtschaftsgerichts kann keine genauere Aussage über die tatsächliche Funktion des Generalberaters und seine Vergleichbarkeit mit dem Generalanwalt am EuGH getroffen werden. Interessanterweise wurden die Generalberater im Beschluß des Rates der Staatschefs vom 24. Sep283
P. 8.31 Abs. 2 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
284
P. 8.15 (b) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
285
P. 2.14 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
286
P. 2.5 (c) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgericht.
287 Zu solchen Programmen zählt vor allem "Technical Assistance to the Common-
wealth ofIndependent States" (TACIS-Programm), die eine Dienststelle wunittelbar in dem Gebäude des Exekutivsekretariats der GUS unterhält.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
143
tember 1993 weder im Rahmen der Organstruktur noch im Stellenplan des GUS-Wirtschaftsgerichts vorgesehen288 . Daraus läßt sich schließen, daß die Generalberater, mindestens zum damaligen Zeitpunkt, nur auf dem Papier existierten.
c) Sonstige organisatorische Fragen
In seiner Verwaltung, zum Teil aber auch im gerichtlichen Verfahren, wird das GUS-Wirtschaftsgericht durch einen Generalsekretär unterstützt289 , der eine ähnliche Stellung wie der Kanzler des EuGH hat290 . Das GUS-Wirtschaftsgericht besitzt den Status einer juristischen Person291 und hat seinen Sitz in Minsk (Weißrußland)292. Die Finanzierung des GUS-Wirtschaftsgerichts erfolgt durch jeweils gleiche Beiträge der GUS-Staaten293 , während z. B. die Kostenaufteilung für das Wirtschaftskomitee der GUS gemäß der Gewichtung der Stimmen bei der Beschlußfassung erfolgt. Die Gesamthöhe der Kosten wird vom Rat der Staatschefs auf Vorschlag des Rates der Regierungschefs bestimmt294 . Das wirtschaftliche und politische Gewicht der GUS-Staaten dürfte somit bei der Ermittlung der Beiträge für das GUS-Wirtschaftsgericht keine Rolle spielen. Dennoch haben die Regierungschefs der GUS-Staaten auf ihrer Sitzung am 18. Oktober 1996 in Abweichung von Artikel 3 Abs. 1 des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht anteilige Beiträge vereinbart29S . So tragen im Jahre 1997 Rußland 50%, die Republiken Weißrußland, Kasachstan und Usbekistan je 9%und die Republiken Armenien, Kyrgystan, Moldova und
288 Vgl. Erklärungsnotiz zur Struktur Wld zum Stellenplan des GUS-Wirtschaftsgerichts, die ein Bestandteil des Beschlusses vom 24. September 1993 bildet. Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 79 ff. 289
P. 2.12 der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts.
290
Vgl. Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 337.
291
P. 15 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht.
Art. 32 Abs. 5 der GUS-Satzung, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht. 292
293
Art. 3 Abs. I Satz I des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht.
294
Art. 3 Abs. 2 des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht.
Beschluß des Rates der RegierWlgschefs vom 18. Oktober 1996 "Über den Kostenplan der UnterhaltWlg des Wirtschaftsgerichts der GUS fl.l.r das Jahr 1997", Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 24, 1996, S. 111. 295
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3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Tadschikistan je 5,75% der Gesamtkosten der Unterhaltung des GUSWirtschaftsgerichts.
4. Struktur Das GUS-Wirtschaftsgericht übt seine Tätigkeit in Plenarsitzungen, Vollsitzungen und Kammersitzungen aus296 . a) Plenum des GUS-Wirtschaftsgerichts
Das Plenum ist das höchste Entscheidungsgremium in der jetzigen Struktur des GUS-Wirtschaftsgerichts297 . Es besteht aus den Richtern des GUSWirtschaftsgerichts einschließlich des Gerichtsvorsitzenden und seiner Vertreter sowie aus den Vorsitzenden der höchsten Gerichtsinstanzen, die in den GUS-Staaten für wirtschaftIiche Streitigkeiten zuständig sind298 . Das Plenum ist vor allem für Beschwerden gegen Entscheidungen des GUSWirtschaftsgerichts zuständig299 und ist somit als eine zweite Gerichtsinstanz in der Gerichtsbarkeit der GUS anzusehen. Weiterhin ist das Plenum befugt, Empfehlungen zu geben, die eine einheitliche Praxis der Anwendung der GUS-Rechtsakte bei der Beilegung von Streitigkeiten sicherstellen sollen300 . Es handelt sich offensichtlich vor allem um Empfehlungen, die an die nationalen Gerichtsinstanzen gerichtet sind. Schließlich ist die bereits erwähnte Befugnis des Plenums zu nennen, die Vorschlage zur Beseitigung der Kollisionen in der Gesetzgebung der GUSStaaten vorzubereiten und den GUS-Staaten sowie den GUS-Organen vorzulegen301 . Zu den weiteren Befugnissen zählt der Erlaß der gerichtsinternen Akte sowie der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts302 . 296 P. 10 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht, P. 2.1 ff. Wld 2.17 fI. der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts.
297
P. 10 Abs. 1 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht.
298
P. 10 Abs. 2 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht.
299 P. 10 Abs. 3 S. 1 der VerordnWlg über das GUS-Wir.schaftsgericht, P. 9.5 (a) der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts. 300 P. 10 Abs. 4 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht, P. 9.5 (b) der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts.
301 P. 10 Abs. 5 der VerordnWlg über das GUS-Wirtschaftsgericht; P. 9.5 (c) der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
145
Das Plenum tagt mindestens einmal im Quarta1303. Es ist beschlußfähig, wenn 2/3 seiner Mitglieder anwesend sind304. Die Entscheidungen werden mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder getroffen30S . Gegen die Entscheidungen des Plenums bezüglich der Beschwerden besteht keine Berufungsmöglichkeit. Das Bestehen eines derartigen Plenums und insbesondere seine Zusammensetzung sind filr internationale Gerichte unüblich. Diese sind jedoch auf die sowjetische Rechtstradition zurückzuführen, nach der die obersten Gerichte der UdSSR als höchstes Gremium ein sog. Plenum hatten, dem ebenfalls die Vorsitzenden der obersten Gerichte aller fiinfzehn Gliedstaaten der Sowjetunion angehörten. Im aktuellen "Konzept über den Status des Gerichts der GUS", das vom GUS-Wirtschaftsgericht erarbeitet wurde, wird dieser Atavismus jedoch beseitigt306: Das Plenum als zweite Instanz im Rahmen der GUSGerichtsbarkeit soll weiterhin bestehen. Es wird jedoch von der Teilnahme der nationalen Richter an den Sitzungen des Plenums abgesehen.
b) Vollsitzungen des GUS-Wirtschaftsgerichts An den Vollsitzungen 307 des GUS-Wirtschaftsgerichts nehmen alle Richter des GUS-Wirtschaftsgerichts teil, nicht jedoch - wie beim Plenum - die Vorsitzenden der höchsten nationalen Wirtschaftsgerichte. In den Vollsitzungen des GUS-Wirtschaftsgerichts, werden Organisations-, Personal- und Verfahrensfragen entschieden, die nicht unter die Kompetenz des Plenums oder des Vorsitzenden des Gerichts fallen 308 . Weiterhin ist die Auslegung der Rechtsakte der GUS grundsätzlich in den Vollsitzungen vorzunehmen309 .
Das GUS-Wirtschaftsgericht ist in seiner Vollsitzung beschlußfähig, wenn 2/3 der Richter, mindestens aber sechs Richter anwesend sind und an der 302
P. 9.5 (d) und (e) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
303
P. 10 Abs. 3 S. 2 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
304
P. 9.3 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
305
P. 10 Abs. 3 S. 3 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
Vgl. Abschnitt "Organisationsstruktur des Gerichts der Gemeinschaft" des Konzeptes über den Status des Gerichts der GUS. 306
307 Etwas verwirrend werden in der Verordnung und der Geschäftsordnung mit dem Begriff "Wirtschaftsgericht" sowohl das Organ der GUS als auch die Vollsitzungen bezeichnet. 308
P. 2.4 Satz I der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
309
P. 13.4 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
10 Balayan
146
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Abstimmung teilnehmen. Die Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen31 o. Ähnlich wie am EuGH gemäß Artikel 165 Abs. 2 EGV werden im GUSWirtschaftsgerichts Kammern gebildet311 , an welche Rechtssachen verwiesen werden.
c) Kammern des GUS-Wirtschaftsgerichts Die Kammern (kolleg;;) werden grundsätzlich gemäß Punkt 2.6 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Wirtschaftskomitees aus fünf Richtern fiir die Dauer von einern Jahr gebildet. Die Verordnung läßt auch die Möglichkeit zu, die Kammern aus drei Richtern sowie Kammern fiir eine konkrete Rechtssache zu bilden312 . Die Aufteilung in mehrere Kammern ermöglicht eine gleichzeitige Untersuchung mehrerer Streitfälle und steigert die Arbeitseffizienz des Gerichts, wie es auch die Erfahrungen des EuGH zeigen.
d) Verwaltungsapparat des GUS-Wirtschaftsgerichts Dem GUS-Wirtschaftsgericht steht gemäß den Punkten 13 und 14 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht ein Verwaltungsapparat zur Verfügung. Die Gesamtzahl der Beschäftigten und die Höhe des zur Verfügung stehenden Budgets werden vorn Rat der Staatschefs bestimmt313 . Der Vorsitzende des GUS-Wirtschaftsgerichts entscheidet über die Struktur des Verwaltungsapparates, ernennt und entläßt seine Mitarbeiter und legt ihre Vergütung fest. Die Besetzung der Posten mit den Staatsangehörigen der GUS-Staaten nach Quoten, wie beispielsweise beim Wirtschaftskomitee der GUS, ist hier nicht vorgesehen. Die derzeitige Struktur des Verwaltungsapparates umfaßt drei Referate (völkerrechtliches Referat, Referat für die Vorbereitung der Rechtssachen, Referat fiir Systernatisierung und Kodifizierung der Gesetzgebung) sowie ein Pressezentrum und die Kanzlei des GUS-Wirtschaftsgerichts. Die Gesamtzahl
3\0
P. 2.18 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
311
P. 2.5 (b) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
312
P. 2.6 Abs. 2 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
313
P. 13 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
147
der Beschäftigten am GUS-Wirtschaftsgericht einschließlich des Generalsekretärs beträgt 81 Personen314 . 5. Handlungsformen Eine Klassifizierung der möglichen Handlungsformen des GUS-Wirtschaftsgerichts ist in den verschiedenen Vorschriften der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht und der Geschäftsordnung zu finden. a) Klassifizierung
Gemäß Punkt 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht trifft das GUS-Wirtschaftsgericht zur Lösung der Streitigkeiten Entscheidungen (reschenije). Die Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit getroffen31S und von allen Richtern unterzeichnet316 . Falls einer der Richter mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, kann er seine Auffassung in schriftlicher Form dem Gerichtsvorsitzenden vorlegen317 . Punkt 9.22 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts legt fest, daß das Plenum seine Entscheidungen über die Beschwerden auf die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts, die gemäß Punkt 10 Abs. 3 der Verordnung beim Plenum eingebracht werden, in Form eines Gerichtsbeschlusses (postanovlenije) trifft. Diese Beschlüsse werden von dem Vorsitzenden und dem Sekretär des Plenums318 unterzeichnet. Sie sind endgültig. Gegen die Entscheidungen des Plenums über Beschwerden gibt es keine Rechtsmittel. 314 Vgl. Erklärungsnotiz zur Struktur und zum Stellenplan des GUS-Wirtschaftsgerichts, die ein Bestandteil des Beschlusses vom 24. September 1993 bildet. Informationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 12, 1993, S. 79 ff. 315 Vgl. zur Beschlußllihigkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts oben 3. Kapitel, B, IV, 4, a und b. 316
P. 8.34 Abs. 1 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
311
P. 8.37 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
Der Vorsitzende des GUS-Wirtschaftsgerichts ist von Amts wegen der Vorsitzende des Plenums (P. 9.7 Satz I der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts). Der Sekretär des Plenums wird von den Mitgliedern des Plenums aus ihrer Mitte auf 5 Jahre gewählt (P. 9.7 Satz 2 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts). Zum Sekretär können somit sowohl ein Richter des GUS-Wirtschaftsgerichts als auch einer der Vorsitzenden der nationalen obersten Gerichte für Wirtschaftsfragen, die ebenfalls Mitglieder des Präsidiums sind, gewählt werden. 318
148
3. Kapitel: fustitutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die Auslegung der GUS-Rechtsakte, die auf Anfragen berechtigter Personen erfolgt, ist gemäß Punkt 15 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts in Form einer Entscheidung (reschenije) oder eines Gerichtsbeschlusses (postanovlenije)319 vorzunehmen. Das Plenum des GUS-Wirtschaftsgerichts erläßt darüber hinaus Empfehlungen, die eine einheitliche Praxis der Anwendung der Rechtsakte der Gemeinschaft sicherstellen sollen320, sowie VorschltJge zur Beseitigung der Kollisionen in der Gesetzgebung der GUS-Staaten321 . Im aktuellen "Konzept über den Status des Gerichts der GUS ", das vom GUS-Wirtschaftsgericht im Jahre 1995 vorbereitet wurde, ist weiterhin geplant, daß das Gericht zwei Gruppen von Gutachten (zaklutschenije) erstellen wird. Die erste Gruppe urnfaßt die Begutachtung der Entwürfe der GUSVerträge und der Akte der GUS-Organe hinsichtlich der dort vorgesehenen Mechanismen zur Konfliktlösung. Zu der zweiten Gruppe gehört die Überprüfung der nationalen Rechtsakte auf ihre Übereinstimmung mit den Verpflichtungen, die die GUS-Staaten auf Grund der GUS-Verträge oder der Akte der GUS-Organe übernommen haben.
b) Rechtsprechung des GUS-Wirtschaftsgerichts
Seit der Aufnahme seiner Tätigkeit im Jahre 1994 und bis Mitte 1997 hat das GUS-Wirtschaftsgericht die folgenden Entscheidungen erlassen: - Entscheidung Nr. 01194 vom 31. März 1994322 "Über die Auslegung hinsichtlich der Frage der Anwendung von Bestimmungen der Abkommen und anderer Akte der Gemeinschaft"323. Das GUS-Wirtschaftsgericht hatte auf Anfrage des Exekutivsekretariats der GUS die Frage zu beantworten, welche Staaten und ab welchem Zeitpunkt Mitglieder der GUS sind; - Entscheidung Nr. 02/94 vom 31. März 1994 "Über die Auslegung bezüglich der Anfrage über die Anwendung von Bestimmungen der Abkommen und
319 fu der Praxis werden in den Voll- und Kanunersitzungen Entscheidungen getroffen und bei den Sitzungen des Plenums Gerichtsbeschlüsse gefaßt. 320 P. 10 Abs. 4 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht, P. 9.5 (b) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts. 32\ P. 10 Abs. 5 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht; P. 9.5 (c) der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts. 322
fufonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 159 tT.
323
Vgl. hierzu 2. Kapitel, C, I und II oben.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
149
anderer Akte der Gemeinschaft"324. Gegenstand dieser Entscheidung war die Auslegung der Bestimmungen über die Mitgliedschaft gemäß den GUSGfÜDdungsdokumenten und dem Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion. Dies erfolgte auf Anfrage des Koordinations- und Konsultativkomitees der GUS32S; - Entscheidung Nr. 03/94 vom 14. Dezember 1994 "Über die mangelhafte Erfiillung des Abkommens vom 9. Februar 1992 durch die Regierung der Republik Kasachstan"326. In seiner Entscheidung hat das GUSWirtschaftsgericht auf Klage der Regierung Weißrußlands im Verhalten Kasachstans die Verletzung von Pflichten aus dem Abkommen zwischen der Regierung Kasachstans und der Regierung Weißrußlands "Über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit im Jahre 1992"327 festgestellt; - Entscheidung Nr. 05/95 vom 30. Mai 1995 "Über die Auslegung des Punktes 16 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht"328. Auf Anfrage des Exekutivsekretariats der GUS hat das Gericht erklärt, daß alle Vertragsstaaten des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht verpflichtet sind, alle Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts und Beschlüsse des Plenums zu veröffentlichen;329 - Entscheidung Nr. 07/95 vom 21. Dezember 1995 "Über die Anfrage der zwischenstaatlichen Fernseh- und Funkgesellschaft "Mir";330 - Entscheidung Nr. C-1I2-96 vom 26. Januar 1996 "Über die Anfrage der Allgemeinen Konföderation der Gewerkschaften";331 - Entscheidung Nr. 10/95/C-1I3-96 vom 7. Februar 1996 "Über die Anfrage des Höchsten Handelsgerichts der Republik Kasachstan";332 - Entscheidung Nr. 14/95/C-l/7-96 vom 14. März 1996 "Über die Anfrage der Regierung der Republik Tadschikistan hinsichtlich der Auslegung der
325
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 14, 1994, S. 161 ff. Vgl. hierzu 2. Kapitel, C, I und 11 oben.
326
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 18, 1995, S. 258 ff.
324
327 Aus diesem Abkommen ergaben sich gegenseitige Warenlieferungen, die von Kasachstan nicht eingehalten wurden. 328 Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 20, 1995, S. 110 ff. 329
Vgl. hierzu unten 3. Kapitel, B, IV, 5, d.
330
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 21, 1996, S. 100 ff.
331
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 23, 1996, S. 72 ff.
332
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 23, 1996, S. 77 ff.
150
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Artikel 1 und 2 des Abkommens über die Anerkennung der Eigentumsrechte und Regelung der Eigentumsverhältnisse vom 9. Oktober 1992";333 - Entscheidung Nr. 1l/95/C-1I4-96 vom 25. März 1996 "Über die Anfrage des Handelsgerichts der Republik Moldova";334 - Entscheidung Nr. C-l/9-96 vom 15. Mai 1996 "Über die Anfrage hinsichtlich der Verordnung der Koordinationskonferenz fiir Transportfragen";33S - Entscheidung Nr. C-l/13-96 vom 10. September 1996 "Über die Auslegung der Artikel 83 und 86 des Übereinkommens über die Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in zivilrechtlichen, familienrechtlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten vom 22. Januar 1993";336 - Entscheidung Nr. C-1115-96 vom 3. Oktober 1996 "Über die Verletzung des Abkommens über die wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Regionen der Republik Kasachstan und der Nizhegorodsker Region der Russischen Föderation vom 11. November 1992 durch die Republik Kasachstan"337.
c) Bindungskraft der Entscheidungen
Die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts sind grundsätzlich nicht bindend und haben gemäß Punkt 4 Abs. 1 der Verordnung über das GUSWirtschaftsgericht nur empfehlenden Charakter, was unvermeidlich zur Schwächung ihrer Wirkungskraft führt. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch bei Entscheidungen, die Fragen der GUS-Wirtschaftsunion betreffen; hier haben die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts bindende Wirkung338 . Gegen die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts, die in Voll- oder Kammersitzungen getroffen werden, können die Parteien des Rechtsstreites eine Beschwerde beim Plenum des GUS-Wirtschaftsgerichts einbringen, das in diesem Fall die Funktion einer Revisionsinstanz innehat.
333
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 23, 1996, S. 82 ff.
334
InforIllationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 23, 1996, S. 88 ff.
335 Diese Entscheidung ist in der russischen juristischen Datenbank GARANT vorhanden. 336
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 24, 1996, S. 128 ff.
331
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 24, 1996, S. 131 ff.
338
Vgl. unten 3. Kapitel, B, IV, 8.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
151
Die Durchsetzung der Entscheidungen liegt in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Kriterien bei den GUS-Staaten selbst339 . Wenn ein Staat die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts und des Plenums nicht erfiillt, haben die betroffenen GUS-Staaten grundsätzlich die Möglichkeit, sich gemäß Artikel 10 und 17 der GUS-Satzung an den Rat der Staatschefs zu wenden. Während Artikel 17 der GUS-Satzung nur allgemeine Vorschriften über die einvernehmliche Beilegung der Streitigkeiten zwischen den GUS-Staaten vorsieht, legt Artikel 10 Abs. 1 der GUS-Satzung fest, daß die systematische Nichterfiillung der Verpflichtungen aus den im Rahmen der GUS geschlossenen Abkommen und der Beschlüsse der GUS-Organe durch einen GUS-Staat vom Rat der Staatschefs überprüft wird. Da das GUS-Wirtschaftsgericht ein Organ der GUS ist, fällt die Nichterfiillung seiner Entscheidungen grundsätzlich unter den Artikel 10 der GUSSatzung. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß eine solche Nichterfiillung einen systematischen Charakter haben muß, der oft schwer nachzuweisen ist. Selbst wenn es jedoch zur Überprüfung im Rat der Staatschefs nach dem in der Satzung vorgesehenen Verfahren kommt, kann der Rat nach Artikel 10 Abs. 2 der GUS-Satzung gegen den verstoßenden Staat nur die völkerrechtlich zulässigen Maßnahmen ergreifen. Die mangelnde Wirkung dieser Maßnahmen ist allgemein bekannt, da das Völkerrecht auch heute über keine ernsthafte Zwangsgewalt zu seiner Respektierung, also zur Durcbsetzung von Rechtsansprüchen, verfügt340. Insgesamt kann somit das Verfahren nach Artikel 10 der GUS-Satzung nicht als ein wirksames Rechtsmittel gegen die Nichterfiillung der Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts durch die GUS-Staaten bezeichnet werden. d) Veröffentlichung der Entscheidungen
Die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts und die Beschlüsse des Plenums sind nach Punkt 16 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht in den offiziellen Veröffentlichungen der GUS und über die Massenmedien der GUS-Staaten zu veröffentlichen. Diese Vorschrift wurde von einigen GUSStaaten so verstanden, daß die Verpflichtung zur Veröffentlichung nur fiir 339
P. 10.1 ff. der GeschäftsordnWlg des GUS-Wirtschaftsgerichts.
Vgl. Otto Kimminich, Einfilhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 475 tf.; Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994,Rdnr.15,17. 340
152
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
diejenigen Staaten besteht, die Parteien des Rechtsstreits sind, in dem die Entscheidung des GUS-Wirtschaftsgerichts bzw. ein Beschluß des Plenums getroffen wurde. Um Klarheit in dieser Frage zu schaffen, hat das Exekutivsekretariat der GUS eine Anfrage hinsichtlich der Auslegung des Punktes 16 der Verordnung beim GUS-Wirtschaftsgericht eingebracht. Das GUS-Wirtschaftsgericht hat in seiner Entscheidung Nr. 05/95 vom 30. Mai 1995341 erklärt, daß der Begriff "GUS-Staaten" im Punkt 16 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht all diejenigen GUS-Staaten umfaßt, die Vertragsstaaten des Abkommens über den Status des GUS-Wirtschaftsgerichts sind342 , und nicht nur diejenigen, die vom Rechtsstreit betroffen sind. Das GUS-Wirtschaftsgericht hat weiterhin bekräftigt, daß die Pflicht zur Veröffentlichung der Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts und der Beschlüsse des Plenums für alle oben genannten GUS-Staaten besteht. In seiner Begründung hat das GUS-Wirtschaftsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß durch die Veröffentlichung aller Entscheidungen des GUSWirtschaftsgerichts und der Beschlüsse des Plenums in allen GUS-Staaten das Ziel verfolgt wird, die einheitliche Anwendung der GUS-Abkommen sowie auf deren Grundlage entstandener wirtschaftlicher Verpflichtungen und Verträge zu gewähren.
Die Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts und die Beschlüsse des Plenums werden im Informationsblatt der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten "Sodruzhestwo" in russischer Sprache veröffentlicht. Eine amtliche Übersetzung in alle anderen Sprachen der GUS-Staaten, wie beispielsweise in der Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, findet mangels der notwendigen finanziellen Mittel nicht statt. 6. Verfahrensarten
Ein ausdifferenziertes Verfahrensrecht, das mit demjenigen des EuGH vergleichbar wäre, hat sich im Rahmen der Gerichtsbarkeit der GUS noch nicht herausgebildet. Es wird grundsätzlich zwischen zwei Verfahrensarten unterschieden: dem Streitbeilegungsverfahren und dem Auslegungsverfahren. Im ersten Fall wird die Klage entweder von einem GUS-Mitgliedstaat oder einem Organ bzw.
341
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft Nr. 20, 1995, S. 110 ff.
342
Derzeit sind 8 GUS-Staaten Vertragsparteien dieses Abkommens.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
153
einer Institution der GUS erhoben343 . Im Rahmen der GUS kann somit das Verfahren im Falle der Vertragsverletzungen nicht nur von den Staaten selbst, wie es bei den internationalen Gerichten üblich ist, und nicht nur von einem bestimmten Organ, wie es z. B. in der EU die Regel ist, eingeleitet werden. Die Zahl der zur Klageerhebung berechtigen Organe ist nach der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht nicht begrenzt. Nach Artikel 169 und 170 EGV sind dagegen nur die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten berechtigt, den EuGH anzurufen, wenn sie der Meinung sind, daß ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem Vertrag verstoßen hat. Die Auslegung der gemeinsamen Vorschriften erfolgt sowohl in den Entscheidungen über die konkreten Streitigkeiten als auch in einem gesonderten Verfahren auf Antrag der höchsten Staats- und Verwaltungsorgane der GUSStaaten, der GUS-Institutionen, der höchsten Wirtschafts- und Handelsgerichte und anderer nationaler Organe, die in den GUS-Staaten für die Beilegung wirtschaftlicher Streitigkeiten zuständig sind344 . Wie es sich aus den oben genannten Vorschriften ergibt, dürfen Individuen einschließlich der GUS-Beamten keine Klagen vor dem GUS-Wirtschaftsgericht erheben345 . Das Verfahren ist öffentlich346 und gliedert sich in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil347 . Das Verfahren vor dem GUS-Wirtschaftsgericht wird in der Sprache des zwischenstaatlichen Verkehrs geführt, die in der Gemeinschaft üblich ist348 . Trotz Fehlens eines förmlichen Beschlusses hierzu ist die Verfahrenssprache derzeit Russisch. Die Entscheidungen treten grundsätzlich mit sofortiger Wirkung in Kraft, wenn nichts anderes bestimmt wird349 . Gegen die Entscheidungen des Gerichts kann innerhalb von drei Monaten nach Zustellung Rechtsmittel beim Plenum eingelegt werden35o . Weitere Einzelheiten über die Beschlüsse des GUS-Wirtschaftsgerichts sind in der Geschäftsordnung enthalten. Sie wurden im wesentlichen im vorliegenden Kapitel bereits dargestellt (z. B. Voraussetzungen der Beschlußfassung, Formen und Bindungswirkung der Entscheidun343
P. 3 Abs. 5 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
344
P. 5 Abs. 4 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
345
Vgl. auch P. 1.18 und 1.19 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
346
P. 4.1 Satz I der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
341
P. 8.9 Satz I der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
348
P. 11 der Verordnung über das GUS-Wirtschaftsgericht.
349
P. 8.48 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
350
P. 8.49 und 8.55 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
154
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
gen usw.) und werden daher in diesem Abschnitt nicht ausführlicher behandelt. 7. Vergleich mit dem Europäischen Gerichtshof Beim Vergleich des GUS-Wirtschaftsgerichts mit dem EuGH wird deutlich, daß die Befugnisse des EuGH wesentlich vielfältiger als die des GUSWirtschaftsgerichts sind. Das GUS-Wirtschaftsgericht ist im wesentlichen für die Beilegung der Streitigkeiten zwischen den Staaten wegen der Nichteinhaltung der wirtschaftlichen Verpflichtungen aus den zwischenstaatlichen Abkommen im Rahmen der GUS sowie für die Auslegung der gemeinsamen Vorschriften zuständig. Der EuGH ist dagegen außer für die Vertragsverletzungsfragen gegen die Mitgliedstaaten (Artikel 169 und 170 EGV) und für die Auslegung von Rechtsvorschriften im Vorlageverfahren (Artikel 177 EGV) insbesondere auch für Nichtigkeitsklagen der Mitgliedstaaten, des Rates, der Kommission, des Europäischen Parlaments, künftig auch der Europäischen Zentralbank und betroffener natürlicher oder juristischer Personen gegen die Rechtsakte der Gemeinschaft (Artikel 173 und 174. EGV), für Untätigkeitsklagen gegen das Europäische Parlament, den Rat, die Kommission und die Europäische Zentralbank von seiten der Mitgliedstaaten und Organe der EU (Artikel 175 EGV), für Schadenersatzklagen wegen außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft351 (Artikel 178 i. V. mit Artikel 215 Abs. 2 EGV) und für die Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und deren Bediensteten (Artikel 179 EGV) zuständig352 . Solche Klagearten, die Ausfluß des supranationalen Charakters der EG sind, haben jedoch keine Entsprechung in der GUS. So fehlen insbesondere Klagemöglichkeiten natürlicher oder juristischer Personen der Mitgliedstaaten gegen Akte der Gemeinschaftsorgane.
351 Die Rechtsgrundlage der Haftung ergibt sich aus Art. 215 Abs. 2 EGV. Gemäß dieser Vorschrift ersetzt die Gemeinschaft im Bereich der außervertraglichen Haftung "den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Grundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind". 352 Ausfuhrlich zu den Zuständigkeiten und zu den Klagearten vor dem EuGH vgl. Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 612 ff.; BeutLerlBieberlPipkorn/Streil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., BadenBaden, 1993, S. 248 ff.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
155
Der personelle Geltungsbereich der Gerichtsbarkeit ist zwar in beiden Gemeinschaften beschränkt: in der EU grundsätzlich auf die EU-Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörige und die EU-Organe; in der GUS hauptsächlich auf acht GUS-Staaten, die das Abkommen über den Status des GUS-Wirtschaftsgerichts vom 6. Juli 1992 unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, und die GUS-Organe. Obwohl die Einleitung des Verfahrens gegen einen GUS-Staat keiner Zustimmung des verklagten Staates bedarfJ53 , sind die Beschlüsse des GUSWirtschaftsgerichts nicht bindend und beinhalten ausschließlich Empfehlungen, die mangels wirksamer völkerrechtlicher Zwangsmittel schwer durchsetzbar sind. In der EU wird dagegen die Bindungswirkung der Urteile des EuGH für die Mitgliedstaaten durch deren Haftung bei Verletzung von Gemeinschaftsrecht, also auch bei Nichtbeachtung eines Urteils, gestärkt. So sieht Artikel 171 Abs. 2 EGV die Befugnis des EuGH vor, auf Antrag der Kommission gegen einen Mitgliedstaat, der ein Urteil nicht umgesetzt hat, einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld zu verhängen. Nach dem Urteil Francovich 3S4 besteht eine Verpflichtung zum Schadenersatz eines Mitgliedstaates bei nicht fristgemäßer Umsetzung einer Richtlinie, soweit es sich um unmittelbar anwendbare Bestimmungen handelt und durch die mangelnde Umsetzung einem Einzelnen ein Schaden entstanden ist3ss . Ein weiteres Urteil Brasserie du Pecheuy356 hat diesen Grundsatz auf das gesamte Gemeinschaftsrecht ausgedehnt und bei Schäden auf Grund seiner Verletzung unabhängig von der unmittelbaren Wirksamkeit der verletzten Vorschrift für den Geschädigten einen Ersatzanspruch anerkannt. Bei Handlungen und Unterlassungen seitens des nationalen Gesetzgebers greift dieser Anspruch nur bei offenkundigen und schweren Verletzungen ein. Nicht zuletzt ist die Frage des Respekts der EU-Mitgliedstaaten vor dem Gemeinschaftsrecht insgesamt und.vor den Entscheidungen der gemeinsamen Gerichtsinstanz zu erwähnen, der sich im Rahmen der EU hat entwickeln können357 und in der GUS angesichts des noch nicht allzu hohen Ansehens dieses Organs unter den Mitgliedstaaten noch nicht in gleicher Weise besteht.
353
P. 8.1 Satz 2 der Geschäftsordnung des GUS-Wirtschaftsgerichts.
354
EuGH Slg. 1991,1-5357.
355 Vgl. BeutlerlBieberlPipkomiStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl, Baden-Baden, 1993, S. 266 ff. 356
EuGH Urteil vom 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93.
357
Vgl. Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 622 tT.
156
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
8. Bedeutung des Organs für die Wirtschaftsintegration Gemäß Artikel 31 Abs. 1 des Vertrages über die Errichtung der Wirtschaftsunion vom 24. September 1993 haben sich zwölf Vertragsstaaten freiwillig der Gerichtsbarkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts hinsichtlich der Streitigkeiten aus dem Vertrag über die GUS-Wirtschaftsunion unterworfen3S8 • . Darüber hinaus haben die GUS-Staaten vereinbart, daß die Urteile des GUS-Wirtschaftsgerichts im Rahmen der GUS-Wirtschaftsunion eine bindende Wirkung haben werden. So ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, die Maßnahmen zu treffen, die fiir die Erfüllung der Entscheidungen des GUSWirtschaftsgerichts erforderlich sind, falls das GUS-Wirtschaftsgericht die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag über die GUSWirtschaftsunion feststellt3S9 . Diese Regelung stellt trotz seiner sachlichen Einschränkung einen Fortschritt im Vergleich zu den Bestimmungen des Abkommens über das GUS-Wirtschaftsgericht dar, die lediglich von den empfehlenden Entscheidungen des GUS-Wirtschaftsgerichts ausgehen. Diese Bindungswirkung der Gerichtsentscheidungen im Rahmen der GUSWirtschaftsunion ändert zwar nichts an der Tatsache, daß das GUSWirtschaftsgericht nach geltendem Völkerrecht weiterhin über keine praktischen Zwangsmittel verfügt, um die Durchsetzung seiner Entscheidungen sicherzustellen360 ; es bleibt also der Loyalität der GUS-Staaten vorbehalten, die Entscheidungen zu erfüllen. Dennoch ist es ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Errichtung eines funktionsfähigen Organs, das sich nach Vorbild des EuGH zu einem "Integrationsfaktor erster Ordnung" entwickeln kann. Schließlich ist auf die Auswirkungen hinzuweisen, die die Tätigkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts auf die Qualität der gemeinsamen Rechtsvorschriften hat. Die Tatsache, daß eine Reihe von hochrangigen Juristen sich mit dem Gemeinschaftsrecht auseinandersetzt sowie fiir seine Auslegung und Beseitigung der Widersprüche in den Rechtsakten der GUS sorgt, führt zweifellos zur
358 Da zu den Vertragsparteien dieses Vertrages alle 12 GUS-Staaten gehören, wurde somit die Zuständigkeit des GUS-Wirtschaftsgerichts im Vergleich zum Abkommen über das GUS-Wirtschaftsgericht erheblich erweitert. Die Ukraine ist allerdings assoziiertes Mitglied des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion. Vgl. hierzu 2. Kapitel, C, n, 1 und 2 oben. 359
Art. 31 Abs. 2 des Vertrages über die GUS-Wirtschaftsunion.
Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 14, 17,22; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 117 ff. und 139. 360
B. Institutionelle Struktur der Wirtschafts integration im einzelnen
157
Qualitätsverbesserung der GUS-Rechtsakte, die den erfolgreichen Verlauf der wirtschaftlichen Integration sichern sollen.
V. Interparlamentarische Versammlung Teil der institutionellen Struktur der GUS ist die sog. Interparlamentarische Versammlung der GUS-Staaten, die am 27. März 1992 in Alma-Ata (Kasachstan) von den Parlamenten der GUS-Staaten errichtet wurde3 61 . Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten ist sie kein oberstes Rechtsetzungsorgan. Die Interparlamentarische Versammlung koordiniert lediglich die Tätigkeit und die Zusammenarbeit der nationalen Parlamente. Die Parlamente als höchste Gesetzgebungsorgane der einzelnen GUS-Staaten sind jedoch die wichtigsten Entscheidungsträger bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Integration in der GUS. Es erscheint daher wichtig, die Aufgaben, Befugnisse und Handlungsformen des Organs zu untersuchen, in dem die nationalen Parlamente auf Gemeinschaftsebene zusammenarbeiten.
1. Rechtsgrundlage Die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Interparlamentarischen Versammlung (IPV) bilden folgende GUS-Rechtsakte362 : - Abkommen über die Interparlamentarische Versammlung der GUSTeilnehmerstaaten vom 27. März 1992 (im folgenden "IPV-Abkommen"); - Geschäftsordnung der Interparlamentarischen Versammlung der GUS vom 15. September 1992 (im folgenden "IPV-Geschäftsordnung"); - Abkommen über das Sekretariat des Rates der Interparlamentarischen Versammlung vom 29. Dezember 1992 (im folgenden "Abkommen über das IPV-Sekretariat"); - Satzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten vom 22. Januar 1993 (im folgenden GUS-Satzung");363
361 Vgl. Theodor Schweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift ftlr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 658 ff.; Sergej Saizew, Vom Zerfall der UdSSR zur Auflösung der GUS?, Politische Studien, Heft 327,1993, S. 74 ff. 362
Die GUS-Rechtsalcte sind in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
158
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
- Verordnung über die ständigen Kommissionen der Interparlamentarischen Versammlung der GUS-Teilnehmerstaaten vom 23. Mai 1993 (im folgenden "Verordnung über die IPV-Kommissionen"); - Konvention über die Interparlamentarische Versammlung der GUSTeilnehmerstaaten vom 26. Mai 1995 (im folgenden IIPV-Konvention")364. Die IPV-Konvention ist ein kodifizierender Rechtsakt, in dem die bisherigen Rechtsvorschriften über die IPV sowie die aus der IPV-Praxis entstandenen Regeln festgelegt sind. Die GUS-Staaten haben in der IPV-Konvention eine Vorrangsklausel vereinbart: "Falls die Vorschriften der IPV-Konvention mit den Vorschriften sonstiger Akte, die die Tätigkeit und den Status der IPV regeln, nicht übereinstimmen, sind die Vorschriften der IPV-Konvention anzuwenden" 365 . Somit hat die IPV-Konvention Priorität vor entgegenstehenden Vertragsnormen der oben aufgelisteten GUS-Rechtsakte366 . 2. Zusammensetzung Die IPV setzt sich aus den parlamentarischen Delegationen der GUSStaaten zusammen367. Die Mitglieder der einzelnen Delegationen werden von den nationalen Parlamenten aus dem Kreise ihrer Mitglieder ernannt bzw. gewählt. Die Ernennung bzw. Wahl erfolgt gemäß der internen Verfahrensregeln des jeweiligen nationalen Parlaments368 . Es besteht somit kein einheitliches Ernennungs- bzw. Wahlverfahren für die Mitglieder der Parlamentsdelegationen, wie dies auch bei der Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament bis zur Einführung der Direktwahl im Jahre 1979 der Fall war. Jede parlamentarische Delegation hat einen Leiter3 69 . Der Umfang der Befugnisse der Delegationsmitglieder und der Zeitraum ihrer Amtsausübung
363
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 9, 1993, S. 17 ff.
364
Infonnationsblatt der GUS "Sodruzhestwo", Heft 19, 1995, S. 43 ff.
365
Art. 20 der IPV-Konvention.
Die nachfolgende UntersuchWlg erfolgt hauptsächlich anband der GUS-SatzWlg Wld der IPV-Konvention, da die anderen GUS-Dokumente der Verfasserin nicht vorlagen. 366
367
Art. 37 Abs. 1 der GUS-SatzWlg, Art. 3 Ziff. 1 der IPV-Konvention.
368
Art. 3 Ziff. 2 Sätze I Wld 2 der IPV-Konvention.
369
Art. 3 Ziff. 2 Satz 3 der IPV-Konvention.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
159
werden von jedem GUS-Staat selbständig und unabhängig bestimmt370 . Die Zahl der Mitglieder der Delegationen ist vertraglich nicht festgelegt. Ähnlich wie beim GUS-Wirtschaftsgericht, das aus den Vertretern der acht GUS-Staaten besteht, sind nicht alle GUS-Staaten in der IPV vertreten, sondern nur diejenigen, die die IPV-Konvention unterzeichnet und ratifiziert haben37l . Als Beobachter können an den IPV-Sitzungen jedoch Vertreter der GUSOrgane, Vertreter der nationalen Parlamente derjenigen GUS-Staaten, die nicht zu den Vertragsstaaten der IPV-Konvention gehören, Vertreter der internationalen Organisationen sowie Vertreter der nichtstaatlichen Verbände aller GUS-Staaten teilnehmen372 . Die ordentlichen Plenarsitzungen der IPV finden mindestens zweimal jährlich statt373 . Außerordentliche Sitzungen können vom IPV-Rat einberufen werden374. Die Sitzungen der IPV, ihres Rates und sonstiger IPV-Gremien sind grundsätzlich öffentlich37S . Zum ersten Mal tagte die IPV am 15. September 1992 in Bischkek (Kyrgystan)376. Die IPV hat ihren Sitz in St. Petersburg377. Die Finanzierung der IPV erfolgt durch anteilige Beiträge der GUS-Staaten378 .
3. RechtssteIlung Die Frage, ob die IPV den Rechtsstatus eines Organs der GUS besitzt, blieb lange Zeit umstritten. Die GUS-Satzung enthielt in ihrem Abschnitt VII die allgemeinen Vorschriften über die Aufgaben, die Zusammensetzung und den Sitz der IPV, ohne sie als Organ der GUS zu bezeichnen.
Art. 3 ZifT. 3 der IPV-Konvention. Zu den Unterzeichnerstaaten der IPV-Konvention gehören alle GUS-Staaten mit der Ausnahme von Moldova, Turkmenistan, Usbekistan und der Ukraine. 372 Art. 3 ZifT. 4 der IPV-Konvention. 373 Art. 5 ZifT. I Satz ~ der IPV-Konvention. 374 Art. 5 ZifT. 3 der IPV-Konvention. 370 371
375
Art. 5 ZifT. 5 der IPV-Konvention.
376
Serge} Saizew, Vom Zerfall der UdSSR zur Auflösung der GUS?, Politische
Studien, Heft 327, 1993, S. 74.
m Art. 37 Abs. 4 der GUS-Satzung, Art. 18 der IPV-Konvention. 378
Art. 19 der IPV-Konvention.
160
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die Stellung der IPV in der institutionellen Struktur der GUS wurde mit der Unterzeichnung der IPV-Konvention im Jahre 1995 endgültig geklärt. So legte Artikel 1 der IPV-Konvention fest, daß die IPV ein zwischenstaatliches Organ der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten ist. Die IPV besitzt den Rechtsstatus einer juristischen Person auf dem Hoheitsgebiet jedes GUS-Staates. Im Rahmen dieser Privatrechtssubjektivität hat die IPV die Fähigkeit, Verträge zu schließen, bewegliches und unbewegliches Vennögen zu erweIben und darüber zu verfUgen sowie ein gerichtliches Verfahren einzuleiten379 . Gemäß Artikel 14 der IPV-Konvention genießt die IPV als Organ im Hoheitsgebiet jedes GUS-Staates dieselben Vorrechte und Immunitäten, die der UNO auf Grundlage des Abkommens über die Privilegien und Immunitäten der UNO vom 13. Februar 1946 eingeräumt wurden380 . Die Mitglieder der nationalen IPV-Parlamentsdelegationen, die Beamten der IPV und die Experten, die sich auf Reisen in Angelegenheiten der IPV befinden, genießen ebenfalls diejenigen Privilegien, Immunitäten und Vorrechte, die den Delegierten der UNO-Mitgliedstaaten und der UNO-Beamten gemäß des Privilegienabkommens vom 13. Februar 1946 zustehen381 . Durch die Gewährung der Immunitäten und Privilegien wird die unabhdngige Stellung der IPV-Delegationsmitglieder, der IPV-Beamten und der IPVExperten bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten sichergestellt382 .
4. Kompetenzen und Aufgaben Gemäß Artikel 36 der GUS-Satzung führt die IPV die interparlamentarischen Konsultationen durch, erörtert Fragen der ZusammenaIbeit im Rahmen der GUS und eraIbeitet gemeinsame Vorschläge im Bereich der Tätigkeit der nationalen Parlamente3 83 .
379
Art. I3 Ziff. I der IPV-Konvention.
380
Art. 14 der IPV-Konvention.
381 Art. 15 der IPV-Konvention. Über die Privilegien und Immunitäten der UNO, der Delegierten der UNO-Mitgliedstaaten und derUNO-Beamten vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 170 ff. . 382
Art. 15 Ziff. 3 Satz I der IPV-Konvention.
383
Art. 36 der GUS-Satzung.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
161
Diese allgemein fonnulierten Aufgabenbereiche sind in der IPVKonvention konkretisiert worden. Gemäß Artikel 4 (a) der IPV-Konvention ist die IPV bevollmächtigt, Fragen der Zusammenarbeit der aUS-Staaten in verschiedenen Bereichen zu erörtern und ihre Empfehlungen hinsichtlich solcher Fragen an den Rat der Staatschefs, den Rat der Regierungschefs, die anderen GUS-Organe oder die nationalen Parlamente zu richten. Diese Befugnis der IPV entspricht etwa der Beratungsbefugnis des Europäischen Parlaments. Dieses Organ der EU ist befugt, "über jede Frage zu beraten, die die Gemeinschaften betriffi", sowie "Entschließungen über derartige Fragen anzunehmen"384. Die IPV kann nach Artikel 4 (b) der IPV-Konvention urunittelbar vom Rat der Staatschefs bzw. Rat der Regierungschefs beauftragt werden, konkrete Fragen zu überprüfen und ihre Empfehlungen vorzulegen. Im Unterschied zu den Vorschriften des Artikels 4 (a) bestimmt einer der GUS-Räte darüber, in welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt die IPV ihre Beratungsbefugnis auszuüben hat. Die bedeutsamste Kompetenz der IPV besteht in der Verabschiedung der sog. ''Muster- bzw. Modellrechtsakte ". Diese Modellrechtsakte werden in den Kommissionen der IPV erarbeitet und den nationalen Parlamenten vorgelegt38S. Sie können dann von den nationalen Parlamenten in ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit als Gesetzentwürfe verwendet werden. Die Parlamente der GUS-Staaten sind jedoch nicht verpflichtet, die vorgelegten Modellrechtsakte unverändert als nationales Gesetz zu verabschieden. Darüber hinaus verfügt die IPV über das Recht, Empfehlungen hinsichtlich folgender Fragen zu verabschieden: - über die Annäherung der Gesetzgebung der GUS-Staaten;386 - über die Synchronisierung der Ratifikationsverfahren in den nationalen Parlamenten. Es handelt sich dabei grundsätzlich um die Ratifizierung der GUS-Abkommen. Der Rat der Staats- bzw. der Regierungschefs kann durch seinen Beschluß die IPV beauftragen, die Empfehlungen hinsichtlich der Ratifikationsverfahren sonstiger völkerrechtlicher Abkommen zu erarbei-
384 EuGH Sig. 1983, S. 255, ZifT. 39. Ausfilhrlich über Beratungsbefugnisse des Europäischen Parlaments vgl. BeutlerlBieberlPipkorniStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl., Baden-Baden, 1993, S. 116. 385
Art. 4 (d) der IPV-Konvention.
386
Art. 4 (c) der IPV-Konvention.
11 BaI.yan
162
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
ten, falls die Teilnahme aller GUS-Staaten an solchen Abkommen für die Erfiillung der Ziele aus der GUS-Satzung wünschenswert ist;387 - über die Einbringung der nationalen Gesetzgebung der GUS-Staaten in Übereinstimmung mit den GUS-Abkommen388 . Außerdem ist die IPV befugt, den Informationsaustausch hinsichtlich der Rechtsfragen zwischen den GUS-Staaten zu unterstützen389 sowie sonstige, in der IPV-Konvention nicht ausdrücklich genannte Fragen der interparlamentarischen Zusammenarbeit zu untersuchen390 .
5. Struktur Die gegenwärtige Struktur der lPV umfaßt den Rat, die ständigen Kommissionen (Ausschüsse) und das Sekretariat des IPV-Rates. Im Gegensatz zum Europäischen Parlament existieren bei der IPV keine Fraktionen.
a) Rat Der Rat der Interparlamentarischen Versammlung (IPV-Rat) besteht aus den Leitern der nationalen Parlamentsdelegationen391 . Die Mitglieder des IPV-Rates wählen aus ihrem Kreise für ein Jahr den Vorsitzenden des Rates. Die Wiederwahl für die Dauer von insgesamt drei aufeinander folgenden Amtszeiten ist zulässig392 . Der IPV-Rat hat die Aufgabe, die Tätigkeit der IPV zu organisieren393 . So ist der IPV-Rat bevollmächtigt, über den Ort, das Datum und die vorläufige Tagesordnung der ordentlichen IPV-Plenarsitzungen zu entscheiden394 . Darüber hinaus kann der IPV-Rat die außerordentlichen IPV-Plenarsitzungen
387
Art. 4 (e) der IPV-Konvention.
388
Art. 4 (f) der IPV-Konvention.
389
Art. 4 (g) der IPV-Konvention.
390
Art. 4 (h) der IPV-Konvention.
391
Art. 9 Ziff. I Satz 1 der IPV-Konvention.
392
Art. 9 Ziff. 2 Abs. I Sätze I und 2 der IPV-Konvention.
393
Art. 9 Ziff. I Satz I der IPV-Konvention.
394
Art. 5 ZifI I Satz 3 und ZifI 2 der IPV-Konvention.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
163
einberufen39S . Außerdem entscheidet der IPV-Rat darüber, in welcher Reihenfolge die Leiter der nationalen Parlamentsdelegationen an den IPVPlenarsitzungen die Funktion des Vorsitzenden auszuüben haben396 .
b) Kommissionen
Die IPV ist gemäß Artikel 10 der IPV-Konvention berechtigt, ständige und vorläufige Kommissionen sowie sonstige Hilfsorgane zu bilden. Bisher wurden acht ständige IPV-Kommissionen gebildet: die Kommission für Rechtsfragen, für Wirtschaft und Finanzen, für Sozialpolitik und Menschenrechte, für Umweltfragen, für Verteidigungs- und Sicherheitsfragen, für Fragen der Kultur, Forschung und Bildung, für außenpolitische Fragen sowie die Kontroll- und Haushaltskommission397 .
c) Sekretariat des Rates
Die IPV besitzt ihr eigenes Sekretariat. Das Sekretariat ist ein sUindiges Verwa/tungsorgan des IPV-Rates, das die Tätigkeit der IPV, des IPV-Rates, der ständigen und vorläufigen Kommissionen und sonstiger Hilfsorgane der IPV zu unterstützen hat398 . Das Sekretariat besteht aus dem Generalsekretär, seinen Stellvertretern und dem Personal, das für die effiziente· Ausübung seiner Aufgaben erforderlich ist399 . Das Sekretariat wird vom Genera/sekretar geleitet, der auf drei Jahren vom IPV-Rat ernannt wird. Der Generalsekretär ist in seiner Tätigkeit dem IPV-Rat und seinem Vorsitzenden rechenschaftspflichtig"°o. Als Stellvertreter des Generalsekretärs werden von den nationalen Parlamenten aller Vertragsstaaten der IPV-Konvention ständige Vertreter entsandt.
395
Art. 5 Ziff 3 der IPV-Konvention.
396
Art. 7 Ziff 1 der IPV-Konvention.
391 Vgl. Sergej Saizew, Vom Zerfall der UdSSR zur Auflösung der GUS?, Politische Studien, Heft 327, 1993, S. 74 ff 398
Art. 11 Ziff 1 Sätze 1 und 2 der IPV-Konvention.
399
Art. 11 Ziff 2 der IPV-Konvention.
400
Art. 11 Ziff 3 der IPV-Konvention.
164
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Die Existenz eines eigenen Sekretariats stärkt die Position der IPV gegenüber den nationalen Regierungen und verleiht der IPV zumindest eine logistische Unabhängigkeit.
6. Beschlußfassuog und Bandlungsformen Die IPV-Konvention enthält keine förmliche Klassifizierung der Handlungsformen der IPV. Aus den sonstigen GUS-Rechtsakten geht hervor, daß die Beschlüsse der IPV in Form von Erklärungen, Appellen, Empfehlungen, Vorschlägen, Verordnungen und Memoranden verfaßt werden können401 . Wie bereits bei der Darstellung der Aufgaben der IPV erwähnt, verabschiedet die IPV Modellrechtsakte. Diese können ebenfalls verschiedene Formen annehmen. So werden im Katalog der Modellrechtsakte402 folgende Arten genannt: allgemeine Grundsätze, Hauptgrundlagen, Mustergesetz, Modellkodex, Grundbedingungen und Grundbestimmungen403 • Die Beschlüsse werden ausschließlich auf den Plenarsitzungen der IPV404 im Konsensverfahren gefaßt. Unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder verfUgt jede nationale Parlamentsdelegation über eine Stimme40S . Zu den bisher wichtigsten IPV-Beschlüssen hinsichtlich der Wirtschaftsintegration der GUS-Staaten zählt die Verordnung der IPV vom 18. März 1994 "Über die Liste der Modellrechtsakte, die Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der GUS-Wirtschaftsunion regeln". Die IPV hat in dieser Verordnung auf Vorschlag der ständigen IPV-Kommission fiir Wirtschaft und Finanzen eine Liste der Modellgesetze verabschiedet, die vorrangig erarbeitet und den nationalen Parlamenten empfohlen werden sollen, um die Errichtung der GUS-
401 Vgl. hierzu Theodor Schweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift filr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S.659. 402 Dieser Katalog wurde als Anlage zum Protokoll der beratenden Tagung zur Vorbereitung der ersten IPV-Plenarsitzung am 27. MäIZ 1992 verabschiedet. 403 Terminologie nach Theodor Schweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift filr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 659. 404
Art. 6 Ziff. 2 Satz 2 der IPV-Konvention.
405
Art. 6 Ziff. 1 der IPV-Konvention.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration im einzelnen
165
Wirtschaftsunion gemäß Vertrag vom 24. September 1993 zu verwirklichen. Diese Liste umfaßt die zwölf folgenden Modellrechtsakte: - über die Verrechnungsgrundsätze zwischen den Wirtschaftssubjekten der GUS-Staaten; - über das System der statistischen Erfassung und der statistischen Angaben; - über Wertpapiere; - über Aktiengesellschaften; - über Gesellschaften·mit beschränkter Haftung; - über die Tilgung der innerstaatlichen Schulden; - über Antimonopolpolitik; - über abgestimmte einheitliche Industrienormen in den GUS-Staaten; - über das minimale Verbraucherbudget; - über die Grundsätze der Besteuerung; - über Hypotheken, - über die gegenseitige Anerkennung der juristischen Personen und Gesellschaften in den GUS-Staaten. 7. Vergleich mit dem Europäischen Parlament Bei einem Vergleich zwischen der IPV und dem Europäischen Parlament zeigt sich eine Reihe \>edeutsamer Unterschiede. Die beiden Organe können zwar als Ausgangspunkte fiir die zukünftigen Gemeinscbaftsparlamente angesehen werden. Die Befugnisse des Europäischen Parlaments sind jedoch auf derzeitiger Entwicklungsstufe bei weitem ausgeprägter als diejenigen der IPV. Das Recht zur fOrmlichen Gesetzesinitiative, wie es nationalen Parlamenten zusteht, fehlt sowohl der IPV als auch dem Europäischen Parlament406 . Allerdings kann das Europäische Parlament gemäß Artikel 138b Abs. 2 EGV 406 Die Ausnahme bilden die Ausarbeitung der Entwürfe filr allgemeine unmittelbare Wahlen in den EU-Mitgliedstaaten gemäß Art. 138 Abs. 4 EGV und der Erlaß ergänzender Bestimmungen zum Wahlverfahren nach Art. 13 des Aktes über die Direktwahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Vgl. hierzu Thomas Oppermann, Europarecht, München, 1991, Rdnr. 233.
166
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
nunmehr formell von der Europäischen Kommission die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens verlangen. Die Beratungsbejugnisse der beiden Organe sind ähnlich ausgestattet. Eine allgemeine Pflicht, das Parlament zu konsultieren, besteht weder in der EU noch in der GUS. Jedoch hat die langjährige Entwicklung in der EG dahin gefiihrt, daß das Ausmaß des parlamentarischen Einflusses sich bis hin zu einem Zustimmungsrecht fiir einzelne Rechtsakte verstärkte und der Bereich der parlamentarischen Mitwirkung sich auf nahezu alle wesentlichen Rechtsetzungsakte verbreitete407 . Die Mitwirkung des Europäischen Parlaments am Rechtsetzungsverfahren kennt folgende Formen: fakultative und obligatorische Anhörung des Europäischen Parlaments, Verfahren der Zusammenarbeit nach Artikel 189c EGV, Verfahren der Mitentscheidung nach Artikel 189b EGV, Mitentscheidungsrechte im Haushaltsverfahren nach Artikel 203 EGV sowie Zustimmungsrechte bei einzelnen Gesetzgebungsakten (z. B. Artikel 130d EGV) und bei Beitritts-, Assoziierungs- und sonstigen wichtigen Verträgen (Artikel 0 EUV, Artikel 228 Abs. 3 EGV)408. Im Unterschied zum Europäischen Parlament ist die Einbindung der IPV in die Entscheidungsstruktur der GUS derzeit sehr gering. Die Kontrollrechte des Europäischen Parlaments sind ebenfalls viel ausgebildeter als die der IPV. Die Instrumente der parlamentarischen Kontrolle in der EU umfassen unter anderem Frage-, Petitions-, Untersuchungs- und Klagerechte des Europäischen Parlaments sowie das Recht zur Erklärung des Mißtrauensvotums gegenüber der Europäischen Kommission409 . Der IPV steht dagegen nur das Klagerecht vor dem GUS-Wirtschaftsgericht zu410. Somit verfUgt das Europäische Parlament im Vergleich zur IPV insgesamt über größere Einflußmöglichkeiten auf die Integratio~rozesse in der Gemeinschaft. Abschließend läßt sich feststellen, daß weder die IPV noch das Europäische Parlament ausreichende Kompetenzen besitzt, um die Schwächung der nationalen Parlamente durch die Verlagerung der wirtschaftlichen und politischen 401 Martin Nenesheim, Art. 4 EGV, Rdnr. 19 in: GrabitzlHilf(Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, MÜIlchen, Stand: 8. Ergänzungslieferung, Mai 1995. 408 Vgl. ausllihrlich hierzu Martin Nenesheim, Art. 4 EGV, Rdnr. 17 fI in: GrabitzlHilf(Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, MÜIlchen, Stand: 8. Ergänzungslieferung, Mai 1995. 409 Vgl. BeutlerlBieberlPipkorniStreil, Die Europäische Union: Rechtsordnung und Politik, 4. AutI., Baden-Baden, 1993, S. 117 fI, 212 fI 410
Vgl. oben 3. Kapitel, B, IV, 6.
B. Institutionelle Struktur der Wirtschafts integration im einzelnen
167
Tätigkeit von der nationalen auf die gemeinschaftliche Ebene auszugleichen. Dieser Mangel flillt jedoch im Rahmen der EU sehr viel stärker ins Gewicht als im Rahmen der GUS. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Art der Rechtsetzung in beiden Gemeinschaften. Die Organe der EU können Verordnungen und Richtlinien erlassen, ohne daß eine Mitwirkung der nationalen Parlamente erforderlich ist. In der GUS werden die Rechtsakte in Fonn völkerrechtlicher Abkommen zwischen den GUS-Staaten verabschiedet. Diese Abkommen müssen von den nationalen Parlamenten erst gebilligt werden, die unter Umständen eine Ratifizierung verweigern oder den GUS-Rechtsakten unter Vorbehalten zustimmen können.
8. Bedeutung für die Wirtschaftsintegration Die Rolle der IPV ist ftir die Entwicklung der Wirtschaftsintegration in der GUS von entscheidender Bedeutung. Die wesentlichen GUS-Rechtsakte, die die Wirtschaftsintegration in der GUS regeln, werden bekanntlich in Fonn völkerrechtlicher Verträge gefaßt. Solche Verträge bedürfen in der Regel einer Ratifikation durch die nationalen Parlamente. Somit erlangen die nationalen Gesetzgebungsorgane eine wichtige Rolle im GUS-Rechtsetzungsverfahren. Die IPV dient ftir die Vertreter der nationalen Parlamente dabei als Forum, an dem sie die Möglichkeit erhalten, die Informationen über den Stand der Gesetzgebungsprozesse auszutauschen sowie ihre gesetzgeberische Tätigkeit und den Ratifikationsverlauf aufeinander abzustimmen. Dies führt zur angeglichenen Entwicklung der rechtlichen Rahmen rur Wirtschaftsintegrationsprozesse der GUS-Staaten sowohl auf nationaler als auch auf gemeinschaftlicherEbene. Die wohl wichtigste integrationsfördernde Befugnis der IPV ist es, die Modellrechtsakte zu verabschieden und diese den nationalen Parlamenten der GUS-Staaten zu empfehlen. Dies ist potentiell als bedeutsamste Kompetenz der IPV ftir die Herstellung eines einheitlichen Rechts- und Wirtschaftsraumes im Rahmen der GUS anzusehen. Diese Einschätzung setzt allerdings voraus, daß die einzelnen GUS-Staaten die empfohlenen Modellrechtsakte freiwillig in ihr Rechtssystem übernehmen, da derzeit eine solche Übernahme von den GUS-Organen nicht erzwungen werden kann. Von der Möglichkeit, die von der IPV verabschiedeten Modellrechtsakte in die nationalen Rechtsordnungen zu übernehmen, haben die GUS-Parlamente in der Gemeinschaftspraxis bereits Gebrauch gemacht. So hat die IPV das neue Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation als Modellgesetz den GUS-
168
3. Kapitel: Institutionelle Struktur der Wirtschaftsintegration in der GUS
Staaten empfohlen411 , das anschließend von einigen GUS-Staaten mit kleinen Änderungen übernommen wurde412 • Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Praxis durchsetzen wird. Insgesamt läßt sich festhalten, daß die IPV trotz fehlender Entscheidungskompetenzen über wirksame Mittel verfUgt, die bei entsprechender Einsetzung zur Fortentwicklung der wirtschaftlichen Integration beitragen können.
411 Verordnung der IPV vom 29. Oktober 1994 "Über das Modell-Zivilgesetzbuch der GUS-Staaten (Teil I)" und Verordnung der IPV vom 13. Mai 1995 "Über das Modell-Zivilgesetzbuch der GUS-Staaten (Abschnitt IV "Einzelne Vertragsarten")". 412 Vgl. Oxana Balayan, DurchgritTshaftung im neuen russischen Zivilgesetzbuch, WiRO, Heft 8,1995, S. 314.
Viertes Kapitel
Rechtsnatur der GUS Bei der GUS handelt es sich um eine v61kerrechtliche Staatenverbindung im Sinne eines paritätischen, institutionell verfestigten und auf Dauer angelegten Zusammenschlusses souveräner Staaten l . Im Gegensatz zu einer staatsrechtlichen Staatenverbindung beruht die GUS nicht auf einer Verfassung, die die Beziehungen zwischen den Gliedstaaten erschöpfend regelt, sondern auf einem völkerrechtlichen Vertrag2 . Die Völkerrechtssubjektivität der GUSStaaten bleibt unberührt; die Verhältnisse zwischen den GUS-Staaten werden vom Völkerrecht beherrscht. Insgesamt ist die Eigenschaft der GUS als (Bundes-)Staat daher eindeutig zu verneinen. Die GUS-Satzung legt selbst in Artikel lAbs. 3 ausdrücklich fest, daß die GUS kein Staat ist. Trotz der allgemeinen Überzeugung, daß die GUS als Staatenverbindung und nicht als Staat einzustufen ist, besteht in der Fachliteratur jedoch Uneinigkeit darüber, welche Art Staatenverbindung die GUS darstellt. Was die GUS jedenfalls nicht ist, wird in Artikel lAbs. 3 der GUS-Satzung explizit festgestellt: Gemäß dieser Vorschrift besitzt die GUS keine supranationalen Vollmachten. Diese Vertragsbestimmung wurde bei der Bildung der GUS-Institutionen streng eingehalten, indem die Organe mit keinen supranationalen Kompetenzen ausgestattet wurden. Daher kann die GUS im Gegensatz zur EG eindeutig nicht als supranationale Staatengemeinschaft bzw. supranationale Organisation qualifiziert werden3 .
Vgl. OUo Kimminich, Einftlhrung in das Völkerrecht, 5. Aufl., Tübingen-Basel, 1993, S. 179. 2 Vgl. zwn Unterschied zwischen einer staatsrechtlichen und einer völkerrechtlichen Staatenverbindung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 594 fT.; Roman Herzog, Staatenverbindung, in: Roman Herzog (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. 1, Stuttgart, 1987, S. 3377 fT. 3 Vgl. zur EG als Supranationale Organisation Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 802.
170
4. Kapitel: Rechtsnatur der GUS
In Rußland hat Rzhevskij als erster die Rechtsnatur der GUS untersucht. Er vertritt die Meinung, daß die GUS eine Konföderation ist4. Es wird allerdings nicht klar, warum Rzhevskij die GUS als eine staatsrechtliche Staatenverbindung bezeichnet. Eine sich entwickelnde Konföderation sieht in der GUS Zlatopolskijs. Ebenfalls als Staatenbund qualifiziert Meissner die GUS6. Ähnlichkeiten mit dem britischen Commonwealth ofNations stellen bei der GUS Seidl-Hohenveldem7 , Voitovich8 und Luchterhandt9 fest. Sie kommen jedoch zu dem Ergebnis, daß die GUS die Kriterien einer Internationalen Organisation erfüllt. Voitovich spricht dabei von einer traditionellen Internationalen Organisation, während Seidl-Hohenveldem den Begriff einer "Internationalen Organisation ohne straffe Bindung" verwendet und Luchterhandt in der GUS eine Internationale Organisation mit der Besonderheit einer militärischen Integration sieht. Pustogarov lO und Schweisfurth 11 sind ebenso der Ansicht,· daß die GUS als eine Internationale Organisation einzustufen ist. Pustogarov lehnt die Charakterisierung der GUS als Staatenbund jedoch ab, während Schweisfurth bezüglich der GUS die Begriffe "organisierter Staatenbund" und "Internationale Organisation" synonym verwendet.
4 Vgl. V.A. Rzhevskij, 0 juriditscheskoj prirode fonn novogo sodrozhestva nesavisimych gosudarstv, Gosudarstvo i pravo, Nr. 6, 1992, S. 34. 5 Vgl. D.L. Zlatopolskij, Fenomen novogo gosudarstvennogo edinstva vrnesto SSSR: perspektivy razvitija (razmyschlenija 0 probleme), Vestnik Moskovskogo Universiteta. Serija Pravo, Nr. 2, 1993, S. 13. 6 Vgl. Boris Meissner, Das politische Paktsystem innerhalb der GUS, OsteuropaRecht, 40. Jg., Heft 3,1994, S. 227.
7 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln~Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 146c, 734a und 909a.
Vgl. Sergei A. Voitovich, The Commonwealth ofIndependent States: An Emerging Institutional Model, EJIL, 1993, S. 408. 9 Vgl. OUo Luchterhandt, Das institutionelle und rechtliche Profil der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", B 52-53,1992, S. 31.
IOVgl. V. V. Pustogarov, Mezhdunarodno-pravovoj status sodruzhestva nesavisimych gosudarstv, Gosudarstvo i pravo, Nr. 2, 1993, S. 28 ff. 11 Vgl. Theodor Schweisfurth, Vom Einheitsstaat (UdSSR) zum Staatenbund (GUS): Juristische Stationen eines Staatszerfalls und einer Staatenbundsentstehung, Zeitschrift ftlr ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. 52, 1993, S. 661.
4. Kapitel: Rechtsnatur der GUS
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Im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten wird der GUS eine eigene Rechtspersönlichkeit nicht gewährt; die GUS-Abkommen enthalten ebenfalls keine Vorschrift, die auf eine Rechtspersönlichkeit dieser Staatenverbindung hinweisen würde und mit Artikel 211 EGV vergleichbar wäre. Hingegen ist jedes einzelne GUS-Organ mit dem Status einer juristischen Person ausgestattet. Die GUS-Organe besitzen somit eine privatrechtliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit auf dem Territorium der GUS-Staaten. Sie handeln jedoch nicht im Namen der GUS, sondern in eigenem Namen. Die Völkerrechtspersönlichkeit ist bei der GUS im Gegensatz zur EG ebenfalls nicht vorhanden. Die GUS-Abkommen enthalten keine dem EGV ähnlichen Bestimmungen l2 , die fiir eine mindestens partielle Völkerrechtspersönlichkeit der GUS sprechen würden. Die GUS-Abkommen räumen der GUS keine Kompetenzen gegenüber Drittstaaten ein, wie z.B. Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen im eigenen Namen. Es sind daher die GUS-Staaten selbst, die am völkerrechtlichen Verkehr teilnehmen. Es fehlt der GUS nicht nur an Kompetenzen gegenüber Drittstaaten, auch gegenüber ihren Mitgliedstaaten kann die GUS keine Aufgaben selbständig im eigenen Namen wahrnehmen. Die Entscheidungsbefugnisse sind zwar beim Rat der Staatschefs konzentriert, seine Beschlüsse sind jedoch in der Praxis nur fiir diejenigen GUS-Staaten bindend, die an der Beschlußfassung teilgenommen haben. Die Beschlüsse decken sich überdies mit dem Willen jedes einzelnen Staates, da sie grundsätzlich nur einstimmig gefaßt werden können. Eine Eigenständigkeit der GUS läßt sich somit nicht feststellen l3 . Insgesamt ist die GUS als eine lose Staatenverbindung zu qualifizieren, die über keine Völkerrechtssubjektivität und keine supranationalen Eigenschaften wie die EG verfUgt. Die GUS kann zwar als ein Staatenbund oder eine Internationale Organisation "ohne wesensnotwendige Rechtspersönlichkeit"14 eingestuft werden. Eine solche Charakterisierung erweckt jedoch den Anschein einer festeren Bindung, als die GUS derzeit aufweist. Es kann vielmehr von der GUS als einem Bündel selbständiger staatengemeinschaftlicher Organe lS gesprochen werden, deren Willen wegen des grundsätzlich geltenden
12
Vgl. Art. 210,228, IB, 238 EGV.
13 Vgl. auch Barbara Lippert, Mittel- und osteuropäische Staaten, Jahrbuch der eurOpäischenfutegration199111992, S. 381. 14 Vgl. hierzu Ignaz Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, 8. Aufl., Köln-Berlin-Bonn, 1994, Rdnr. 903. IS Vgl. zum Begriff des Staatengemeinschaftsorganes Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin, 1984, S. 594.
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4. Kapitel: Rechtsnatur der GUS
Einstimmigkeitsprinzips und der Weisungsgebundenheit der Organmitglieder zumeist mit dem Willen jedes einzelnen GUS-Staates identisch ist 16. Die Geschichte der Wirtschaftsintegration kennt jedoch Beispiele, bei denen ein sehr hoher Integrationsgrad trotz fehlender Völkerrechtspersönlichkeit und Supranationalität in einer Staatenverbindung erreicht wurde. Dies ist am Beispiel der BENELUX-Wirtschaftsunion zu beobachten 17. Daher erscheint die Form der Staatenverbindung für die wirtschaftliche Integration in der GUS zwar wichtig aber nicht entscheidend, wenn die vertraglich festgelegten materiellen Ziele trotzdem erfiillt werden. Gerade die materielle Zielerreichung verlangt aber ein Mindestmaß an institutioneller Strukturierung. Insoweit besteht die Gefahr, daß die institutionellen Mängel, die bei der Untersuchung des Organaufbaus der GUS festgestellt wurden, zum Hindernis für eine erfolgreiche Wirtschaftsintegration zwischen den GUS-Staaten werden.
16 Dies ist angesichts der fehlenden Mehrheitsbeschlüsse, die filr alle GUSStaaten bindend sind, und der Gebundenheit der Organmitglieder an die Weisungen ihrer Regierungen festzustellen. Die genauen Merkmale sind bei der Untersuchung einzelner GUS-Organe ausftlhrlich dargestellt.
17 Vgl. Dieter Obereseh, Wirtschaftliche Integration der BENELUX-Staaten. Studien zum Internationalen Wirtschaftsrecht und Atomenergierecht, Bd. 68, Köln-BerlinBonn-München, 1983, S. 111 ff. und 198 ff.
Zusammenfassung Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten wurde in zwei Schritten gegründet. Zunächst haben Rußland, die Ukraine und Weißrußland am 8. Dezember 1991 das Abkommen über die Gründung der GUS geschlossen. Die acht weiteren Gliedstaaten der UdSSR haben sich am 21. Dezember 1991 diesem Abkommen angeschlossen und zusammen mit den drei slawischen Unionsrepubliken die nunmehr gemeinsame Gründung der GUS erklärt. Folge war das Erlöschen der UdSSR als Völkerrechtssubjekt. Derzeit umfaßt die GUS folgende Staaten: die Aserbajdschanische Republik (Aserbajdschan), die Republiken Armenien, Georgien und Kasachstan, die Kyrgysische Republik (Kyrgystan), die Russische Föderation (Rußland) sowie die Republiken Tadschikistan, Usbekistan und Weißrußland. Die Republik Moldova, Turkmenistan und die Ukraine sind formell keine Mitglieder der GUS, werden jedoch in der Praxis als solche behandelt. Die drei baltischen Staaten gehören nicht zur GUS. Wesentliche Grundlage der GUS ist nicht - wie etwa die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften - das Abkommen über die Gründung der GUS, sondern die Satzung der GUS vom 22. Januar 1993. Hinzukommen zahlreiche bilaterale und multilaterale Vereinbarungen, die die Zusammenarbeit für einzelne Bereiche regeln. Nach ersten erfolglosen Versuchen, die GUS auf breiter politischer Basis auszubauen, hat sich allein der Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit als entwicklungsfähig herausgestellt. Als Ziel der Wirtschaftsintegration haben sich die GUS-Staaten im Vertrag über die Errichtung der GUSWirtschaftsunion vom 24. September 1993 eine Wirtschafts- und Währungsunion nach Vorbild der EG gesetzt. Der Weg dorthin soll stufenweise über eine Freihandelszone, eine Zollunion und einen Gemeinsamen Markt mit dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften erfolgen. Zur Zeit befinden sich die GUS-Staaten im Stadium des Aufbaus einer Freihandelszone auf Grundlage des Abkommens über die GUS-Freihandelszone vom 15. April 1994. Zur Erfüllung der gesetzten Ziele haben die GUS-Staaten schrittweise eine ausgedehnte Organstruktur aufgebaut. An der Gestaltung der Wirtschaftsintegration innerhalb der GUS beteiligen sich derzeit im wesentlichen folgende
174
Zusammenfassung
allgemeine GUS-Organe: die Räte der Staats- und der Regierungschefs, das Exekutivsekretariat, das Wirtschaftsgericht sowie die Interparlamentarische Versammlung der GUS. Im Rahmen der GUS-Wirtschaftsunion wurde überdies das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee gebildet, das sich ausschließlich mit Fragen der Wirtschaftsintegration beschäftigt. Die meisten Kompetenzen sind beim Rat der Staatschefs konzentriert. Der Rat der Staatschefs faßt seine Beschlüsse überwiegend in Form völkerrechtlicher Vereinbarungen nach dem Einstimmigkeitsprinzip. Eine Stimmenthaltung ist gemäß der "Desinteresse"-Klausel zulässig und hindert die Beschlußfassung nicht; fiir die "desinteressierten" Staaten sind solche Beschlüsse jedoch nicht bindend. Die GUS-Staaten haben somit die Möglichkeit, den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der GUS-Abkommen mittels Stimmenthaltung oder Erklärung von Vorbehalten zu den völkerrechtlichen Verträgen einzuschränken. Die einheitliche Geltung der GUS-Rechtsakte bleibt daher nicht gesichert. Das Exekutivsekretariat der GUS ist zwar als Organ zur Wahrung des Gemeinschaftsinteresses einzustufen, da seine Mitglieder an die Weisungen der nationalen Regierungen nicht gebunden sind. Seine Kompetenzen gehen jedoch über eine verwaltungstechnische Unterstützung der GUS-Organe im wesentlichen nicht hinaus. Daher bleiben die Einflußmöglichkeiten dieses Organes auf die Integrationsprozesse innerhalb der GUS begrenzt. Ein institutioneller Fortschritt wurde mit der Gründung des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees der GUS-Wirtschaftsunion erreicht. Dieses Organ wurde mit dem Recht ausgestattet, verbindliche Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip und mit der Stimmengewichtung zu fassen. Dennoch ist das Zwischenstaatliche Wirtschaftskomitee kein supranationales Organ: Die GUSStaaten haben ihm bisher keine konkreten Vollmachten übertragen, so daß die tatsächliche Ausübung des Mehrheitsprinzips noch ausbleibt. Überdies sind die Mitglieder des Präsidiums des Zwischenstaatlichen Wirtschaftskomitees, bei dem die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse liegen, weisungsgebunden. Die Verfolgung des Gemeinschaftsinteresses, das die Integrationsprozesse vorantreiben soll, ist daher auch bei diesem Organ problematisch. Die Einflußmöglichkeiten des GUS-Wirtschaftsgerichts und der Interparlamentarischen Versammlung auf die GUS-Integration sind derzeit ebenfalls gering, da diese Organe trotz breiter Zuständigkeitsbereiche nur Empfehlungen abgeben dürfen und in den Rechtsetzungsprozeß innerhalb der GUS nicht eingebunden sind. Es läßt sich feststellen,daß im Rahmen der GUS bisher noch keine autonorne Rechtsordnung geschaffen wurde, die die Merkmale der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit der GUS-Rechtsakte sowie ihren Vorrang vor
Zusammenfassung
175
dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten aufweisen würde. Bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen stehen den GUS-Staaten lediglich die traditionellen völker- und staatsrechtlichen Mittel zur Verfügung, die allerdings nur sehr wenig Möglichkeiten bieten, einheitlich bindende Regeln zu erarbeiten und diese dann GUS-weit effektiv durchsetzen zu können. Die gegenwärtige institutionelle Struktur enthält zwar Ansätze einer handlungsfähigen Organisation, die institutionellen Defizite erschweren jedoch die Verwirklichung der wirtschaftspolitischen Ziele der GUS und sind daher als integrationshindernd zu bewerten. Die GUS ist insgesamt als eine lose Staatenverbindung zu qualifizieren, die über keine Völkerrechtssubjektivität verfügt und keine - etwa EG-ähnlichen supranationalen Eigenschaften aufweist. Die gegenwärtigen Integrationsprozesse fUhren jedoch zur Bildung engerer Staatengemeinschaften innerhalb der GUS. So schlossen sich Kasachstan, Kyrgystan, Rußland und Weißrußland am 29. März 1996 in einer Gemeinschaft Integrierter Staaten zusammen, um ihre Zusammenarbeit im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich zu vertiefen. Rußland und Weißrußland beabsichtigen überdies, auf Grundlage des bilateralen Vertrages über die Gründung einer zwischenstaatlichen Union vom 2. April 1997 eine politische Integration einzugehen. Es ist davon auszugehen, daß sich die Tendenzen der Integration in kleineren Blöcken innerhalb der GUS fortsetzen werden und die GUS sich zu einer Gemeinschaft "mit mehreren Geschwindigkeiten" entwickeln wird, in der allmählich supranationale Gemeinschaftsinstitutionen nach Vorbild der EU errichtet werden.
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Sachwortregister
Archiv der GUS, UO
Außenzoll,25,27
iUInenien,38,44,49,64,65,69,143, 173
~assa,22,24,25,55,
ASEAN,20,27
116
Baltische Staaten, 15, 38, 39,40,43, 62, 173
Aserbajdschan, 39,40,41,44,45,46, 50, 56, 62, 65, 66, 69, 128, 135, 173
Befehlshaber s. Rat der Befehlshaber der Grenztruppen
Assoziienmgsabkommen, 48,71,166
Beitritt
Assoziienmgsregeln, 72 - in der EU, 72 - in der GUS, 68 - in der GUS-Wirtschaftsunion, 70 Ausländer, 142 Auslegung - derEG-Verträge, 138, 154 - der GUS-Rechtsakte, 62, 79,139, 145, 148, 152, 156 - der UdSSR-Rechtsakte, 139 Auslegungsverfahren, 152 Austritt - aus der GUS, 67 - aus der GUS-Wirtschaftsunion, 72 Autonome Rechtsordnung, 98, 174 Außengrenzen der GUS, 85 Außenminister s. Rat der Außenminister - der EGKS, 60 Außenwirtschaftsminister s. Rat der Leiter der Außenwirtschaftsbeh6rden Außenwirtschaftspolitik, 61, 86, 117
- zwn GUS-GtiIndungsabkommen, 43
- zur EU, 19,72,166 - zur GUS, 66, 72 - zur GUS-Wirtschaftsunion, 71 BE~Lln(,29,
172
Binnenhandel, 25 Binnenzölle, 27 Bundesstaat, 33, 39, 169 CEFTA, 19,26 Charta der Vereinten Nationen, 97 Commonwealth ofNations, 170 Deklaration von Alma-Ata, 41 Depositär, 67, UO Desintegration, 23, 44, 46 Desinteresse-Klausel, 101, 104, 174 Deutscher Zollverein, 19,27 Devisenpolitik, 61 Dismembration, 41
184
Sachwortregister
Dissidentenstaaten der GUS, 50
Exportsubvention, 57
Drittlandsware, 27 Drittstaat, 57, 59, 86,171
Föderation, 23 Föderationstheorie, 33
Einstimmigkeitsprinzip, 51, 98, 99, 133, 134, 172, 174
Freihandelszone, 22, 24, 55, 173 - Begriff, 25-27 - innerhalb der GUS s. GUS-
Einstimmigkeitsregelung s. Einstim-
migkeitsprinzip
Entscheidungsmechanism, 61 EuGH s. Europllischer Gerichtshof Eurasische Union, 50 Europa-Abkommen, 19,48 Europäische Kommission, 111, 112, 118,120,131,132, 142, 153, 166 Europäische Union, 23, 24, 29, 30, 34, 47, 53, 75, 134 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 28 Europäische Zentralbank, 154 Europäischen Gemeinschaft(en) s.
Europllische Union
Europäischer Gerichtshof, 53, 138, 141,152, 153, 154 EurOpäisches Wahrungssystem, 102
Abkommen aber die GUSFreihandelszone
Funktionalisten, 33, 34 GATI,25 Gemeinsamer Markt, 22,24,34, 116, 173 - Begriff, 28 - innerhalb der EU, 28 - innerhalb der GUS, 55 Gemeinschaft - Integrierter Staaten, 15,47, 74, 175 - mit mehreren Geschwindigkeiten, 49 - Souveräner Republiken, 16 - supranationale, 22, 169 - Unabhängiger Staaten s. GUS Gemeinschaftsinstitutionen, 49,61, 175
Exekutivsekretär, 78, 106, 107, 108, 111, 112, 123
Generalanwa1t, 142
Exekutivsekretariat der GUS, 46, 78, 104-113,174 - Arbeitssprache, 107 - Bedeutung ftIr die Wirtschaftsintegration, 112 - Finanzierung, 107 - Kompetenzen, 78, 108 - Rechtsgrundlage, 104 - Rechtsstellung, 78, 107 - Sitz, 78, 107 - Struktur, 108 - Zusammensetzung, 106
Genera1konferenz, 27
Exportpolitik, 45
Generalberater, 142 Generalsekretär - der Interparlamentarischen Versammlung der GUS, 163 - des GUS-Wirtschaftsgerichts, 143 - des Rates der EU, 111 Generalsekretariat des Rates der EU, 111 Georgien, 38, 39,40,41,43,46,48, 56,58,62,65,66,69,121, 128, 135,173 Gerichtsbarkeit, 56, 57, 107, 138, 140, 144, 145, 152, 155, 156
Sachwortregister Gesetzesinitiative, 165
Immunitäten, 81, 160
Gleichheit - fonnelle, 98, 129 - materielle, 98
Infonnationsaustausch, 29, 31, 74, 110,117, 162
Gnmdfreiheiten, 53, 55, 79 GUS - Beobachterstaaten, 67 - Entwicldungsphasen, 44-48 - Gnmdlagen,37-74 - Grründung,41-44 - Grründungsstaaten, 63-65 - Hauptstadt, 42 - institutionelle Struktur s. Organe derGUS - Mitgliedstaaten, 65-67 - ~eugrUndung,44 - Rechtsnatur, 169-172 - Rechtspersönlichkeit im nationalen Recht, 171 - Rechtsstatus, 40 - Teilnehmerstaaten, 68-70 - Völkerrechtspersönlichkeit, 171 - Völkerrechtssubjektivität, 175 - wirtschaftspolitische Ziele, 60-61 GUS-Abkommen, 52-60, 75 - innerstaatliche Geltung, 97 - innerstaatliche Wirksamkeit, 97 - über die Errichtung der GUSWirtschaftsunion,55-56 - über die Errichtung des ZWK, 47, 55 - über die Grründung der GUS, 39, 42-43,53,63 - über die GUS-Freihandelszone, 47, 55 - Vorrang, 174 Hande1shemmnisse, 24, 27 - nicht-tarifllre, 25 - tarifllre,25 Handelsliberalisierung, 22 Hannonisierung, 31
185
hnport,25
Initiativrnonopo1, 118 Institutionelle Struktur, 172 s. auch Organe der GUS - Begriff, 16 - der Eurasischen Union, 50 - der GUS-Wirtschaftsunion, 55 - der GUS-Zollunion, 59 - der Wirtschaftsintegration in der GUS, 75, 91 Integration, 46 - Begriff, 20, 21 - politische, 32 - vollständige, 29 - wirtschaftliche, 22, 32 Integrationsautomatismus, 33 Integrationstheorie - föderalistische, 33 - funktionalistische, 34 - politologische, 21 - völkerrechtliche, 20-21 - wirtschaftswissenschaftliche, 21 Integrationsvorgang, 21, 24 Interesse - Gemeinschaftsinteresse, 104, 112, 132,174 - nationales, 111, 112, 125, 133 - Partikulärinteresse, 104, 125 Interparlamentarische Versammlung der GUS, 54, 80, 157-168, 174 - Aufgaben, 160 - Bedeutung ft1r die Wirtschaftsintegration, 167 - Beschlußfassung, 164 - Finanzierung, 159 . - Handlungsfonnen,l64 - Kommissionen, 163 - Kompetenzen, 160 - Konvention über die, 158
186 -
Sachwortregister
Rat, 162 Rechtsgrundlage, 157 Rechtsstellung, 159 Sekretariat des Rates, 163 Sitz, 159 Struktur, 162 Zusammensetzung, 158
Investitionsförderung, 56 Kasachstan, 15,39,41,43,44,45,47, 48,50,54,56,58,64,65,69,74, 94, 128, 135, 143, 149, 150, 157, 173,175 Kommission filr Menschenrechte, 46 Konferenz von Messina, 60 Konföderation, 149, 170 Konjunkturpolitik, 29 Konsens, 98, 127, 134, 164 - Konsens minus eins-Formel, 98 - Konsens-Regelung, 98, 104 Kooperation, 33 - Begriff, 22 - wirtschaftliche, 22 Koordination s. Koordinierung Koordinations- und Konsultativkomitee, 46, 53, 78, 89, 104 Koordinationsinstitution, 42, 43, 92, 98, 100, 103 Koordinierung, 31 - der außenpolitischen Tätigkeit, 42, 82 - der Handelspolitiken, 57 - der Kredit- und Finanzpolitik, 61 - der militärischen Zusammenarbeit, 83 - der nationalen Politiken, 31,49 - der Wirtschaftspolitiken, 29, 57, 61,74 Kyrgystan, 15,39,41,44,45,47,48, 49,54,58, 74, 94, 128, 135, 143, 159, 173, 175
Luxemburger Kompromiß, 134 Maastrichter Vertrag, 30, 51 Marktintegration, 30 Mehrheitsprinzip, 51,132,134,174 Menschenrechtskommission der GUS, 54, 79 MERCOSUR, 19,28 Migrationspolitik, 43 Mitgliedschaft - in der GUS, 62-70 - in der GUS-Wirtschaftsunion, 7073 Modelrrechtsakte, 161, 164, 167 Moldova, 39,41,44,48,50,56,58, 64,66,67,69,79,99,128,135, 143, 150, 159, 173 NAFTA, 19,26 Nationalstaat, 23, 32 Neuintegration, 24 Nichtigkeitsklage, 154 OECD,22 Organ - gemeinschaftliches, 27, 74, 171 - koordinierendes, 55 - supranationales, 30,47,50, 131, 132,174 - zwischenstaatliches, 160 Organautbau s. Organe der
aus
Organe der GUS, 17,35,43,46,47, 49, 53, 55, 173 - allgemeine, 76-81 - der Wirtschafts- und Zahlungsunion, 76,86 - filr branchenspezifische Zusammenarbeit, 76, 87-88 - filr interrninisteriale Zusammenarbeit, 76, 82-86
Sachwortregister - Gnmdstruktur, 53 - institutionelle Mängel, 172, 175 - Vorsitz, 88-90 Organisation - internationale, 22, 96, 131, 170, 171 - supranationale, 131, 169 Organstruktur s. Organe der GUS Parlament - Europäisches, 51, 102, 154, 158, 161, 162, 165, 166 - KontroUrechte, 166 - Mitwirkung, 166 - nationales, 157, 158, 161, 163, 164, 165, 167 Politikintegration, 30, 31 Priorität, 158 Privilegien, 160 Produktionsfaletor,28 Protokoll zum GUScrrttndungsabkonunen,43,53 Rat - der Außenminister, 46, 53, 82 - der Befehlshaber der Grenztruppen, 54,85 - der Europäischen Union, 98, 102, 111,128,130,131,132,134 - der Innenminister, 82 - der Interparlamentarischen Versanunlung s. Interparlamentarische Versammlung der GUS - der Leiter der Außenwirtschaftsbehörden, 86 - der Leiter der Sicherheitsdienste, 84 - der Leiter der Zollbehörden, 85 - der Regierungschefs, 53, 77 - der Staatschefs s. Rat der Staatschefs - der Verteidigungsminister, 53, 83 - Europäischer, 102
187
Rat der Staatschefs, 53, 77, 92-104, 133,174 - Arbeitssprache, 94 - Aufgaben, 94 - Bedeutung filr die Wirtschaftsintegration, 103 - Beschlußfassung, 98 - Handlungsforrnen, 95 - Kompetenzen, 94 - Rechtsgrundlage, 92 - Sitzungen, 93 - Vorsitz, 94 - Zusanunensetzung, 93 Rechtsetzungsverfahren, 118, 166, 167 Rechtspersönlichkeit s. GUS Reintegration, 23, 24, 37,49 Römische Verträge, 42, 75, 173 Russische Föderation s. Rußland Rußland, 15,39,40,41,42,47,48, 49,54,56,58,59,60,63,74,80, 84,94,97,139,143,170,173,175 Satzung der GUS, 52-54 - Unterzeichnerstaaten, 54 - Vorrang, 54, 100 Souveränität, 22,31,33,74,117 Souveränitätserklärung, 38 . So\\jetrepublik, 37,40,41,43 So\\jetunions. UdSSR Sozialpolitik, 56, 116, 163 Sprachenregelung, 90, 91 Staatenbund, 39, 170, 171 Staatengemeinschaft, 16,51,142, 169 Staatenverbindung, 15, 16,41,42,48, 72,90,96,169,170,171,172,175 - staatsrechtliche, 169 - völkerrechtliche, 169 Stab zur Koordinierung der militärischen Zusanunenarbeit, 46, 84
188
Sachwortregister
Ständiger Vertreter, 81 Stimmengewicht, 98, 129, 174 Stimmenthaltung, 101, 102, 127, 134,
174
Stimmenwägung s. Stimmengewicht Supranationalität, 22,132,133, 172 Tadschikistan, 39,41,44,45,49,54,
56, 58, 64, 66, 69, 128, 135, 144, 149,173
Turkmenistan, 39,41,43,44,45,50,
54,56,62,64,67,68,69,79,88, 105,121,128,135,159,173
UdSSR, 15, 16, 19,22,23,38,39,41, -
42,43,45,62,66,68,72,113, 138, 139, 145, 173 Auflösung, 38, 39,40,42 Gründungsstaaten, 39,40 Mitgliedstaaten, 40 Unionsgr1lndungsvertrag, 40
Ukraine, 39,40,41,42,44,48,49,
54,56,62,63,64,67,68,69,70, 71,79,94,99, 121, 128, 135, 156, 159,173
Umweltschutz, 43, 127 Unabhängigkeitserklärung, 38, 39 Union - der Völker Zentralasiens, 45 - Eurasische s. Eurasische Union - Sowjetischer Sozialistischer Republiken s. UdSSR - von Rußland und Weißrußland, 16,
47
UnionsbÜfgerschaft, 51
56,58,64,66,69,79,94,105,128, 135, 143, 159, 173 Vereinheitlichung, 31 - der nationalen Gesetzgebung, 59 - der nationalen Politiken, 31, 74 - der Wirtschaftspolitiken, 74 - der Zollformalitäten, 57 Vereinigten Staaten von Amerika, 26,
30
Völkerrecht, 40 Völkerrechtspersönlichkeit s.
aus
Völkerrechtssubjekt, 38, 39,41,42,
173
Volkswirtschaft, 23, 46 Vorbehalt, 49, 54 Vorrechte, 81, 160 Währungspolitik, 29, 50 Weisung s. Weisungsgebundenheit Weisungsgebundenheit, 99,106,107,
112,124, 125, 130, 131, 132, 133, 141,172, 174
Weisungsungebundenheit, 132 Weißrußland, 15,39,40,41,42,44,
47,48,49, 54, 56, 58, 59, 60, 63, 64,66,67,69, 74, 128, 135, 143, 173,175
Wirtschafts- und Währungsunion, 22,
24,61,173
Wirtschaftsblock, 19 Wirtschaftsgebiet, 21, 24 Wirtschaftsgemeinschaft, 18, 20
Unionsrepublik s. Sowjetrepublik
Wirtschaftsgericht der GUS, 54, 78,
UNO, 97, 160
- Aufgaben, 137 - Bedeutung für die Wirtschaftsintegration, 156 - Finanzierung, 143 - Handlungsformen, 147
Ursprungslandsrege1ung, 26, 27 Ursprungslandzeugnis, 26 Usbekistan, 39,41,44,45,48,50,54,
135-157,174
Sachwortregister -
Rechtsgnmdlage, 136 Rechtsprechung, 62, 148 Rechtsstellung, 143 Sitz, 79 Struktur, 144 Verfahrensarten, 152 Zusammensetzung, 141 Zuständigkeiten, 137
Wirtschaftsintegration s. Integration - Begriff, 21 - Fonnen,22,24-30,55,60, 73 - Chade, 30-32, 34, 74,104,117, 133,172 - Chundgedanken,19-35 - innerhalb der GUS, 52-61 - Stufen s. Formen - Theorie, 20 Wirtschaftsrawn, 15,23,24,42,53, 55,60,167 Wirtschaftsrecht, 25, 29 Wirtschaftsunion, 22, 24 - Begriff, 29 - Belgisch-Luxemburgische, 29 - der GUS, 25 WTO,22 ~ungsunion,29,
116
76,86,87,103,
189
Zolleinnahmen, 26, 27, 59 Zollpolitik, 42, 85 Zollunion, 22,24,47, 173 - Abkommen über die GUS-, 58-60 - Begriff, 27 - innerhalb der GUS, 55 Zwischenstaatliche Bank, 87 Zwischenstaatliches Währungskomitee, 87 Zwischenstaatliches Wirtschaftskomitee,86, 113-135, 174 - Arbeitssprache, 126 - Bedeutung ftlr die Wirtschaftsintegration, 133 - Befugnisse, 118 - Beschlußfassung, 127 - Finanzierung, 126 - Funktionen, 116 - Handlungsfonnen, 126 - Hauptaufgaben, 116 - Kollegiwn, 122 - Kompetenzen, 115 - Präsidiwn, 121 - Rechtsgnmdlage, 114 - Rechtsstellung, 124 - Sitz, 125 - Struktur, 121 - Verwaltungsapparat, 124 - Weiterentwicklung, 132