Institutionalisierte Sicherheit im Agrarsektor: Die Entwicklung der Hagelversicherung in Deutschland seit der Frühen Neuzeit [1 ed.] 9783428539895, 9783428139897

Hagelschläge sind im Agrarbereich bis heute ein gravierendes Risiko, wogegen sich zur Absicherung der ökonomischen Folge

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Institutionalisierte Sicherheit im Agrarsektor: Die Entwicklung der Hagelversicherung in Deutschland seit der Frühen Neuzeit [1 ed.]
 9783428539895, 9783428139897

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Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 87

Institutionalisierte Sicherheit im Agrarsektor Die Entwicklung der Hagelversicherung in Deutschland seit der Frühen Neuzeit

Von Frank Oberholzner

Duncker & Humblot · Berlin

FRANK OBERHOLZNER

Institutionalisierte Sicherheit im Agrarsektor

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Herausgegeben von Margrit Grabas, Werner Plumpe, Reinhold Reith, Dieter Ziegler

Band 87

Institutionalisierte Sicherheit im Agrarsektor Die Entwicklung der Hagelversicherung in Deutschland seit der Frühen Neuzeit

Von Frank Oberholzner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Volkswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextForma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 978-3-428-13989-7 (Print) ISBN 978-3-428-53989-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83989-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2010/2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation eingereicht und für die Drucklegung überarbeitet. Das Entstehen und die Fertigstellung der Arbeit begleitete eine Reihe von Menschen: An erster Stelle möchte ich meinen beiden Gutachtern Prof. Dr. Reinhard Spree (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Prof. Dr. Reinhold Reith (Paris-Lodron-Universität Salzburg) danken. Ohne ihre fortwährende Betreuung und fachliche Hilfe sowie das damit verbundene Vertrauen in das Projekt und meine Forschung hätte ich die Studie so nicht vollenden können. Beiden möchte ich zudem meinen herzlichen Dank für die wertvollen Hinweise zur Drucklegung dieser Arbeit aussprechen. Während der Entstehungszeit der Arbeit hat mir Professor Spree ideale Arbeitsbedingungen am Seminar für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der LMU München geboten. Nach Schließen des Lehrstuhls aufgrund von Sparmaßnahmen bekam ich die Gelegenheit, eine Assistentenstelle an der Technischen Universität München anzutreten. Ich bin Prof. Dr. Martin Moog vom Lehrstuhl für Forstliche Wirtschaftslehre der TU München äußerst dankbar hierfür. Neben den frucht­ baren Diskussionen zu meiner Studie gilt ihm mein Dank zudem dafür, als Drittprüfer bei der Verteidigung der Arbeit mitgewirkt zu haben. Freundlicherweise hat es mir Prof. Dr. Margrit Grabas ermöglicht, meine Studie in den ‚Schriften für Wirtschafts- und Sozialgeschichte‘ zu veröffentlichen. Hierfür gilt ihr ebenso mein Dank wie für ihre wertvollen Kommentare zum Text. Für die gute und angenehme Zusammenarbeit und Kollegialität möchte ich meinen ehemaligen Kollegen an der LMU und TU München danken: Esther Arens, Dr. Matthias Bösch, Dr. Judith Baumgartner, Dr. Astrid Genet, Dr. Michael Mayer, Dr. Kilian Steiner, Dr. Andrea Wagner, Dr. Klaus Wallner und Dr. Kajetan Zwirglmaier. Meiner ehemaligen Hilfskraft Dieter Silakowski gilt mein Dank im Hinblick auf seinen unermüdlichen Einsatz beim Kopieren. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Alexandra und Georg Schmidbauer für ihre Unterstützung beim Korrekturlesen und für manches aufbauende Wort bedanken. Auch möchte ich es nicht versäumen, meinen zahlreichen Gesprächspartnern, die sich geduldig meine Fragen in Bezug auf verschiedene Aspekte der Arbeit angehört haben, hier ebenfalls meinen Dank auszusprechen: Prof. Dr. Stefan Brakensiek (Duisburg-Essen), Barbara Eggenkämper (München), Prof. Dr. Andreas Dix (Bamberg), Dr. Steven Engler (Essen), Dr. Terry Gourvish (London), Dr. KlausJoachim Lorenzen-Schmidt (Hamburg), Prof. Dr. Markus Krienke (Lugano), PD Dr. Uwe Lübken (München), Prof. Dr. Christof Mauch (München), Dr. Franz Mau-

6

Vorwort

elshagen (Essen), Dr. Mathias Mutz (Aachen), Prof. Dr. Christian Rohr (Bern), Prof. Dr. Werner Rösener (Gießen), Dr. Maximilian Schuh (Heidelberg), PD Dr. Frank Uekötter (München, jetzt Birmingham), Dominik Zier (Köln) und Prof. Dr. Cornel Zwierlein (Bochum/Harvard). Daneben habe ich von den Kommentaren profitiert, die ich von Teilnehmern diverser Oberseminare an den Universitäten München und Salzburg sowie der London School of Economics erhalten habe. Auch war es mir möglich, Teil­ergebnisse meiner Arbeit auf einer Reihe von Konferenzen zu präsentieren und von diesen Anregungen zu lernen: Der ‚VI Nordic Environmental History Conference‘ in Turku/Finnland (2005), der ‚Annual Conference of the Economic History Society‘, Exeter/Großbritannien, der ‚4th Conference of the European Society for Environmental History‘, Amsterdam/Niederlande, dem Workshop ‚Uncertain Environments: Natural Hazards, Risks, and Insurance in Historical Perspective‘ am Deutschen Historischen Institut in Washington/USA (alle 2007), der Jahres­tagung der Gesellschaft für Agrargeschichte ‚Klimawandel und Agrarentwicklung in Mitteleuropa – vom Mittelalter bis zur Moderne‘ in Frankfurt/Main (2009) sowie der ‚7th Conference of the European Society for Environmental History‘, München (2013). Alle Anregungen meiner Gesprächspartner habe ich gewinnbringend verwenden können. Selbstverständlich bin ich aber für den Inhalt der Arbeit allein verantwortlich. Die Dissertation wurde in verschiedenen Stadien von mehreren Seiten groß­ zügig unterstützt. Ich danke an erster Stelle der Vereinigten Hagelversicherung in Gießen, namentlich Dr. Rainer Langner und Dr. Dietrich Heine vom Vorstand der Gesellschaft, für ihre großzügige finanzielle und ideelle Unterstützung. KlausDieter Reimann hat mir bei meinen Archivbesuchen in Gießen mehr als einmal geduldig zugehört und mich in die Feinheiten des Hagelversicherungsgeschäftes eingeführt. Den Abschluss des Promotionsprojektes ermöglichte ein Begabtenstipendium der Hanns-Seidel-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Großzügig wurde die Drucklegung durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie die Münchner und Magdeburger Agrarversicherung AG unterstützt. Auch hier gilt den verantwortlichen Personen mein aufrichtiger Dank. Zudem möchte ich es nicht versäumen, mich bei Traudl und Jürgen Meyer für die Unterstützung und manche Ermutigung zu bedanken. Zum Schluss darf ich drei spezielle Personen erwähnen. Ohne die Unterstützung von Elisabeth wäre dieses Projekt nie erfolgreich abgeschlossen worden. Meine Eltern haben es mir erst ermöglicht, ein Studium und eine Promotion aufzunehmen. Ihre große Hilfe auch nur annähernd zu würdigen, würde den Rahmen dieses Vorwortes sprengen. In Liebe und Dankbarkeit ist ihnen die vorliegende Arbeit gewidmet. Laufen an der Salzach/München, im November 2013

Frank Oberholzner

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand der Umwelt-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I.

Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Forschungsstand der allgemeinen (Hagel)-Versicherungsgeschichtsschreibung 19 2. Stand der Naturkatastrophenforschung in umwelthistorischer Perspektive . 28

II. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Thesen und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Quellenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Methodologische und methodische Überlegungen: Die deutsche Hagelversicherung in umwelt-, kultur- und wirtschaftshistorischer Perspektive . . . . . . . . . . . . 42 1. Kultur- und Wirtschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Der Hagel als Naturkatastrophe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Strategie der Risikobewältigung: Das Versicherungsprinzip . . . . . . . . . . . . 53 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Exkurs: Risikomanagement vor der Assekuranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Hagel als Risiko im Agrarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Der Hagel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Kennzeichen der Hagelversicherungsbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5. Die Neue Institutionenökonomik als Kategorie der Wirtschaftsgeschichte . 65 a) Grundprinzipien der Neuen Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Theorie des institutionellen Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Der Transaktionskostenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 d) Der Property-Rights-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 e) Das Problem von Informationsasymmetrien: Der Prinzipal-Agenten-Ansatz 78 f) Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 g) Ein versicherungshistorisches Entwicklungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 85 h) Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

8

Inhaltsverzeichnis

C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der deutschen Hagelversicherung . . . 90 I.

Vormodernes Risikomanagement im Agrarbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

II. „Zorn Gottes“ versus naturwissenschaftliches Phänomen: Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung, Deutung und Bewältigung von Hagelunwettern . . . . . . . . . 95 1. Der Hagel als Gottesstrafe: Straftheologische Paradigmen und Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Beispiele für straftheologische Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Hinweise auf den Verbreitungsgrad der Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Physikotheologische Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Erste naturwissenschaftliche Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Die Entwicklung der Versicherung bis zur Etablierung der Hagelassekuranz . . 126 IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“ – die Assekuranz im Kameralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Merkantilismus und Kameralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Kameralismus und Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Die Vorschläge zu den landwirtschaftlichen Assekuranzen . . . . . . . . . . . . . 139 V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Die Situation im Agrarsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Agrarkonjunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Agrarverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Agrarmodernisierung und Agrarreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Agrarbewegung und Ökonomische Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Modernisierung der Agrarverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Ein Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 VI. Fazit: Zur Etablierung der Hagelversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 D. Eine innovative Institution im landwirtschaftlichen Bereich: Die Entwicklung der Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I.

Vorläufer und erste Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses: Die Dominanz der Gegenseitigkeitsvereine (bis ca. 1850) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Die Branchengeschichte bis 1853 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Die Entwicklung ausgewählter Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit 182

Inhaltsverzeichnis

9

b) Ein doppelter Anlauf zur Gründung: Die Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Die weitere Branchenentwicklung bis 1853 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Ein Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen: Das Übergewicht der Kapitalgesellschaften (bis circa 1870) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Produkt- und Prozessinnovationen sowie Koexistenz der Rechtsformen – die Hagelversicherung im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Ein abermaliger Umschwung – der Wiederaufstieg der Gegenseitigkeitsvereine 229 2. Intensivierung und Schutzzollpolitik  – Die Situation der deutschen Landwirtschaft nach Gründung des Kaiserreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Die Branche bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Die Hagelversicherung im Spannungsfeld der Politik . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Die Entwicklung der Branche bis 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 V. Das ‚lange 19. Jahrhundert‘ der deutschen Hagelversicherung – ein Fazit . . . . 259 E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   . . . . . . . . . . . . 263 I.

Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

II. Die Situation in Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Die Entwicklung bis 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Das Bayerische Landeshagelversicherungsgesetz von 1884 . . . . . . . . . . . . 272 a) Erste Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Die Ideen von Matthäus von Jodlbauer und die Entwicklung bis zur Ge­ setzesvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Das Hagelversicherungsgesetz von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg: Eine weitere innovative Institution zur Gewährung von Hagelversicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Die Situation bis ungefähr 1890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft: Die Staatsverträge in Baden und Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 F. Zwischen den beiden Weltkriegen: Inflation, Konsolidierung und Extremismus 291 I.

Die Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Die unmittelbare Nachkriegszeit: Verkleinertes Geschäftsgebiet und Währungsverfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Exkurs: Ein kostspieliges Experiment – Die Gründung der ‚Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Aktiengesellschaft‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 3. Die weitere Branchengeschichte bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

10

Inhaltsverzeichnis II. NS-Musterbetrieb, Kooperation mit dem Regime und erneute Verstaatlichungsgefahr: Die Hagelversicherung während des Dritten Reichs . . . . . . . . . . . . . . . 323 III. Ein Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

G. Tiefgreifender Strukturwandel im Agrarbereich: Die Branche nach 1945 . . . . . 339 I.

Die unmittelbare Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

II. Ausgewählte Merkmale der Branchenentwicklung bis zur Gegenwart . . . . . . . 350 H. Resümee  – Die deutsche Hagelversicherung als wirtschaftsgeschichtliches Forschungsthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 I.

Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Archiv Vereinigte Hagelversicherung (AVH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 a) Bestand Ceres (AVH/Bestand Ceres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 b) Bestand Leipziger Hagel (AVH/Bestand Leipziger Hagel) . . . . . . . . . . . 388 c) Einzelne Schriftstücke Kölnische Hagel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 d) Bestand Norddeutsche Hagelversicherung (AVH/Bestand Norddeutsche Hagel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2. Bestand Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Bestand Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Bestand Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel . . . . 389 5. Bestand Landeshauptarchiv Schwerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 6. Bestand Historisches Archiv Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 7. Bestand Stadtarchiv Wasserburg am Inn (StdA Wbg./Inn) . . . . . . . . . . . . . . 390 8. Bestand Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 9. Bestand Sal. Oppenheim jr. & Cie. Hausarchiv (HBO) . . . . . . . . . . . . . . . . 390 10. Bestand Firmenhistorisches Archiv Allianz Versicherungsgesellschaft (FHA) 390

II. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Einzelquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Vor 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 b) Nach 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 III. Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Geschäftszahlen 1797–1847 ausgewählter Hagelversicherer (in Mark) . . . 218

Tabelle 2:

Die Beschäftigten in den drei Hauptsektoren der Wirtschaft 1846–1871 . . 220

Tabelle 3:

Geschäftsergebnisse der ‚Kölnischen Hagel‘ 1854–1871 . . . . . . . . . . . . . . 225

Tabelle 4:

Versicherungssummen je Rechtsform zwischen 1870 und 1874 . . . . . . . . . 229

Tabelle 5:

Ergebnisse ausgewählter Aktiengesellschaften in den Jahren 1866 bis 1873 (in Mark) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Tabelle 6:

Ergebnisse ausgewählter Gegenseitigkeitsvereine 1866 bis 1873 (in Mark) 230

Tabelle 7:

Ermittlung der Hagelversicherungsquote für die Jahre 1881 bis 1905 . . . . 255

Tabelle 8:

Mitgliederentwicklung der ‚Württembergischen Hagel‘ von 1830 bis 1847 283

Tabelle 9:

Ausgewählte Merkmale des sektoralen Wandels im Agrarbereich 1900–2004 352

Tabelle 10: Geschäftszahlen der deutschen Hagelversicherungsbranche 1870–2000 . . 367 Tabelle 11: Geschäftszahlen der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt 1884– 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Tabelle 12: Geschäftszahlen der Norddeutschen Hagel bzw. Vereinigten Hagel 1869– 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Tabelle 13: Geschäftszahlen der Leipziger Hagel 1874–1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Tabelle 14: Geschäftszahlen der Schwedter Hagel 1826–1882 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Abkürzungsverzeichnis AG Aktiengesellschaft a.G. auf Gegenseitigkeit Aus Politik und Zeitgeschichte APuZ AVH Archiv Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Gießen Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München BayHStA BHR Business History Review BWL Betriebswirtschaftslehre ca. circa CBV Bayern Centralblatt des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern d. h. das heißt Deutsche Mark DM dz Doppelzentner Ebd. Ebenda EdN Enzyklopädie der Neuzeit Environment and History EH e. V. Eingetragener Verein FHA Firmenhistorisches Archiv der Allianz Versicherungsgesellschaft Fl. Gulden EHR The Economic History Review Enterprise & Society ES GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. GG Geschichte und Gesellschaft ha Hektar HSR Historical Social Research Historische Zeitschrift HZ i. d. R. in der Regel i. S. e. im Sinne einer JEH The Journal of Economic History JITE Journal of Institutional and Theoretical Economics (= Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft) KH Kölnische Hagelversicherungsgesellschaft LH Leipziger Hagelversicherungsgesellschaft von 1824 a.G. Ms. Manuskript n. Chr. nach Christus NIÖ Neue Institutionenökonomik Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP RM Reichsmark Sp. Spalte u. a. unter anderem v. a. vor allem VAG Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen

Abkürzungsverzeichnis v. Chr. VfZ VH VSWG VVaG ZAA ZBLG ZLV Bayern z. T. ZUG ZVersWiss

vor Christus Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vereinigte Hagelversicherung VVaG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern zum Teil Zeitschrift für Unternehmensgeschichte Zeitschrift für die gesamte Versicherungs-Wissenschaft

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A. Einleitung „Um 12 ¼ Uhr […] trat ein Zwischenfall ein, der […] den Hausherrn nötigte, seine ­Gäste für kurze Minuten zu verlassen. Die Haupttreppe herauf kam […] der jüngste Lehrling des Comptoirs [und trug] ein gefaltetes Papier vor sich her […], ein Telegramm. [An der Treppe] blieb der Senator stehen […] und erbrach die Depesche. Plötzlich erweiterten sich seine Augen so sehr, daß Jeder, der es gesehen hätte, entsetzt zurückgefahren wäre, und mit einem einzigen, kurzen, krampfartigen Ruck zog er die Luft so heftig ein, daß sie im Nu seine Kehle austrocknete und ihn husten machte. […] Senator Buddenbrook blieb an dem Tische stehen. Seine Hände, in denen er die entfaltete Depesche hielt, hingen schlaff vor ihm nieder, und während er, noch immer mit halb offenem Munde, kurz, mühsam und schnell atmete […] schüttelte er, verständnislos und wie vom Schlage gerührt, unaufhörlich seinen Kopf hin und her: ‚Das bißchen Hagel … Das bißchen Hagel.‘ wiederholte er sinnlos.“1

In Thomas Manns Roman „Die Buddenbrooks“ markiert die eben zitierte Stelle einen der Wendepunkte in der Geschichte einer alteingesessenen Lübecker Bürgers- und Kaufmannsfamilie. In einer Zeit schlecht laufender Geschäfte konnte Thomas Buddenbrook, das gegenwärtige Familienoberhaupt, der Gelegenheit nicht widerstehen, eine sich in der Nähe von Pöppenrade noch auf dem Feld befindliche Ernte zu erwerben.2 Jedoch erhält der Senator ausgerechnet am Tag des hundertjährigen Gründungsjubiläums des Familienunternehmens die Nachricht, dass die scheinbar lukrative und für die Zukunft der Gesellschaft wichtige Transaktion durch einen Hagelschlag vereitelt wurde. Angesichts dieser Episode wird sich mancher Leser die Frage stellen, ob der Hagel wirklich so verheerende Konsequenzen haben kann und Senator Buddenbrooks Verzweiflung nicht nur der Dramatik des Erzählflusses geschuldet ist. Jedenfalls fanden natürliche Extremereignisse wie Erdbeben, Überschwemmun­ gen oder Vulkanausbrüche, von denen die Menschen immer schon fasziniert waren bzw. diese gefürchtet haben, ihren Niederschlag in Kunst, Literatur und in jüngerer Zeit auch im Film, wie manche Produktionen aus Hollywood mit einschlägigen Titeln beweisen. Allerdings steht der Mensch trotz aller wissenschaftlichen Fortschritte – man denke nur an die immer exakteren Wetterprognosemodelle – natürlichen Extremereignissen immer noch relativ hilflos gegenüber. Technisch hochgerüstete Staaten und Gesellschaften erfahren durch Naturkatastrophen auf 1

Mann, Buddenbrooks (2002), S. 492 f. Hugh Ridley sieht in dem erwähnten Hagelsturm ein Stilmittel Manns zur Verteidigung der traditionellen Grundwerte des altständischen Bürgertums und eines anständigen und ehrenvollen Geschäftsgebarens gegenüber den Neuerungen des Kapitalismus. Vgl. ­R idley,­ Nature (1973). 2

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A. Einleitung

drastische Weise, dass noch so ausgefeilte Vorkehrungen keine letzte Sicherheit zu geben vermögen. Hiermit verbunden sind oftmals wirtschaftliche Schäden von großem Ausmaß. Eine Publikation zum Thema, welche von der ‚Geneva Association‘, einem internationalen ‚Think Tank‘ der Versicherungsindustrie herausgegeben wurde, spricht beispielsweise für das Jahr 2011 von einem „annus horribilis“ bezüglich des Ausmaßes der von der Assekuranz in Zusammenhang mit Naturkatastrophen zu vergütenden Schäden. In konkreten Zahlen ausgedrückt, mussten 2011 105 Milliarden US-Dollar vergütet werden, womit das Jahr 2005, welches bis dato diesen Spitzenplatz mit 101 Milliarden Dollar eingenommen hatte, übertroffen wurde.3 Viel tragischer sind in diesem Zusammenhang aber die zu beklagenden Todesopfer. Alleine 2011 wurden ungefähr 27.000 Menschen durch natürliche Extremereignisse getötet, seit 1980 haben sich die Opferzahlen auf insgesamt zwei Millionen weltweit summiert.4 Im negativen Sinn herausragende Einzelereignisse, welche auch einen großen Niederschlag in den Medien gefunden haben, waren beispielsweise der Tsunami, der am 26. Dezember 2004 Südostasien verwüstete und mehr als 170.000 Bewohnern der Anrainerstaaten und Touristen das Leben kostete oder der Hurrikan Katrina, der im August 2005 die Stadt New Orleans und die amerikanische Golfküste heimsuchte.5 Aber auch Mitteleuropa ist regelmäßig betroffen, wie die Verwüstungen des Orkans Kyrill im Januar 2007 gezeigt haben. Zudem sind verheerende Naturkatastrophen nicht nur ein Phänomen der Gegenwart.6 So forderte eine Sturmflut in Deutschland im Jahre 1362 ca. 100.000 Tote und ein Erdbeben im Jahre 1556 in China knapp 830.000 Opfer. Aufgrund der so genannten Weihnachtsflut 1717 starben alleine an der deutschen Nordseeküste 9.000 Menschen. 1908 waren mehr als 83.000 Tote aufgrund eines Erdbebens bei Messina zu beklagen.7 Naturkatastrophen waren und sind Teil  des Alltags und werden in Zukunft höchstwahrscheinlich an Zahl und Intensität noch zunehmen. Dass ihre Ent­ stehung bzw. die damit verbundenen Folgen immer stärker durch menschliches Handeln beeinflusst werden, wird von der Mehrheit der auf diesem Gebiet arbeitenden Wissenschaftler nicht mehr ernsthaft bestritten. Und selbst wenn man die 3

Inflationsbereinigt wäre jedoch weiterhin 2005 mit einer Schadenssumme von dann 117 Milliarden US-Dollar auf Platz 1 dieser Statistik. Vgl. International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies, Report (2010), S. 176 sowie o.V. Naturkatastrophen (2010). 4 Vgl. Höppe/Löw, Characteristics (2012), S. 8–11. 5 Vgl. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, topics (2005), S. 2. 6 Nussbaumer und Winkler haben eine quantitative Zunahme von Naturkatastrophen für die Zeit von 1896 bis 1995 festgestellt. Auffällig ist dabei, dass immer häufiger die ärmeren Regionen der Erde von natürlichen Extremereignissen getroffen werden. Vgl. Nussbaumer/ Winkler, Natur (1997). 7 Vgl. Jakubowski-Tiessen, Sturmflut (1992), S.  2; 62 sowie Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, topics (1999), S. 12 f. Allerdings sei bereits hier auf die Problematik von Zahlenangaben in den Berichten über Katastrophen hingewiesen, die im Hinblick auf deren Ausmaß oft übertrieben oder die unmittelbaren Verluste beispielsweise mit den Opfern von den in der Folge der aufgetretenen Epidemien vermischten.

A. Einleitung

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These eines anthropogenen Einflusses auf die Klimaveränderung zurückweist, so wird beispielsweise allein an der Tatsache, dass im japanischen Fukushima Atomkraftwerke in Erdbebengebieten gebaut wurden, deutlich, dass der Mensch durch sein Handeln den katastrophalen Charakter vieler natürlicher Extremereignisse noch verstärken kann.8 Ein mit Naturkatastrophen verbundenes Phänomen besteht darin, dass sich die Menschen seit langem mit der Entstehung und den Konsequenzen solcher normaler Ausnahmefälle9 beschäftigt haben. Sie taten dies vor dem Hintergrund unterschiedlicher Perspektiven, sei es beispielsweise Religion, Ökonomie oder Politik. Das Spektrum reichte dabei vom Anrufen des Allmächtigen um Hilfe über den Appell an die Obrigkeit, Steuern und Abgaben zu erlassen, bis hin zum Auftreten nationaler Solidaritätsbekundungen. Schon daraus wird deutlich, dass es sich bei einer Katastrophe immer auch um „[…] ein ganzheitliches Geschehen [handelt], das vielerlei Gesichter zeigt.“10 Was aber hat ein Hagelschlag mit all dem zu tun? Kann er wirklich in einem Atemzug mit Sturmfluten oder Erdbeben genannt werden? Sicherlich sind die Folgen eines schweren Hagelunwetters nicht mit denjenigen einer Flutwelle zu vergleichen. Entsprechend gilt der Hagel vielen Menschen nicht als Naturkatastrophe und rückt – wenn überhaupt – nur bei herausragenden Einzelereignissen in den Blickpunkt, wie dies beispielsweise bei einem schweren Unwetter im Juli 1984 der Fall war, als ein großer Hagelzug die Region um München heimsuchte und Schäden in Höhe von 1,5 Milliarden DM verursachte.11 Solcherlei wird jedoch als große Ausnahme eingestuft und man ärgert sich höchstens noch, wenn der Hagel das eigene Auto beschädigt. Dass Hagel aber innerhalb weniger Minuten die bäuerliche Arbeit eines ganzen Jahres vernichten konnte und es immer noch kann, ist heute nur wenigen bewusst.12 Konnte sich dies in vergangenen Jahrhunderten bis hin zu schweren regionalen 8 Vgl. Pfister, Naturkatastrophen (2002), S. 14 sowie Janku/Schenk/Mauelshagen, Introduction (2012), S. 1 f. 9 Vgl. Medick, Mikro-Historie (1994), S. 46. Hans Medick verwendet dieses scheinbare Paradoxon im Zusammenhang mit seinen Erklärungen zur methodischen Vorgehensweise der Mikro-Historie am Beispiel seiner Untersuchungen zum württembergischen Laichingen. Anders äußert sich Arno Borst: Er spricht davon, dass Naturkatastrophen von Menschen, die davon nicht betroffen waren, als „[…] Unfälle, das heißt als Ereignisse, die eigentlich gar nicht der Fall sind [,]“ aufgefasst werden. Borst, Erdbeben (1981), S. 530. 10 Pfister, Naturkatastrophen (2002), S. 13. 11 Dabei wurden landwirtschaftliche Kulturen im Wert von über 80 Millionen Mark vernichtet. Außerdem summierten sich die Schäden der mehr als 240.000 beschädigten Autos auf 800 Millionen DM. 70.000 Häuser wurden von den Eiskörnern getroffen, was zu Kosten in Höhe von 350 Millionen DM führte und 190 in Mitleidenschaft gezogene Flugzeuge schlugen mit 180 Millionen DM zu Buche. Vgl. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, Hagel (1984), S. 18 f. 12 Unwetter sind natürlich nicht die einzige Gefahr für einen bäuerlichen Betrieb, wie die Ausführungen noch zeigen werden.

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A. Einleitung

Versorgungsengpässen ausweiten, steht heute mitunter die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebs auf dem Spiel. Eine Variante, sich zumindest vor den ökonomischen Folgen eines Hagelschlags zu schützen, besteht im Abschluss eines Hagel­versicherungsvertrages. Wie die vorliegende Arbeit zeigen wird, zählt diese Schadensversicherung im landwirtschaftlichen Bereich zu den ältesten Versicherungssparten in Deutschland. Die vorliegende Studie will in langfristi­ger Perspektive die Genese, die Besonderheiten und damit die Bedeutung dieser speziellen Versicherung zeigen, die im landwirtschaftlichen Bereich ihren festen Platz gefunden hat und dort einen essentiellen Bestandteil der Risikovorsorge darstellt.13

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Im Verlauf des Textes wird mitunter auch von der landwirtschaftlichen Assekuranz gesprochen. Obwohl es auch andere Versicherungen im Agrarbereich gibt, ist im vorliegenden Kontext mit landwirtschaftlicher Versicherung bzw. Assekuranz immer die Hagelversicherung gemeint.

B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand der Umwelt-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte „Wenn sich diese Art der Versicherung trotzdem erst sehr spät ausgebildet hat, so beruht dies im wesentlichen in den Schwierigkeiten, mit welchen die Berechnung von Prämie und Schaden zu kämpfen hat, dann aber auch wohl in dem Glauben, daß der Hagelschade als eine göttliche Schickung geduldig ertragen werden müsse.“1 „Nur derjenige, der neue Wege und Mittel wählt, die besser als alle früheren sein müssen, wird sich durchsetzen.“2

I. Forschungsstand Da die Arbeit (überwiegend) einen wirtschafts- bzw. versicherungshistorischen Anspruch hat, wird im folgenden Kapitel zunächst ein Überblick über die aktuelle Forschungslage der Versicherungsgeschichte mit Fokus auf die Hagelassekuranz gegeben. Die Studie möchte zudem einen Beitrag hinsichtlich der Erforschung von Natur­katastrophen in historischer Perspektive leisten, weshalb im Anschluss eine Darstellung der Forschung auf diesem umwelthistorischen Teilgebiet folgt. 1. Forschungsstand der allgemeinen (Hagel)-Versicherungsgeschichtsschreibung Trotz mancher bemerkenswerter Einzelstudien fristet die Versicherungsgeschichte innerhalb der deutschsprachigen Wirtschaftsgeschichte ein Randdasein.3 Eine Reihe von Fragen sind entweder noch nicht untersucht oder nur unbefriedigend beantwortet worden, wobei besonders schwerwiegend ist, dass hierzu auch

1 Meyers Konversations-Lexikon, Band 7 (1885/1890), S.  1006. Auch Alfred Manes weist auf ähnliche, die Ausbreitung des Versicherungsgedankens hemmende Faktoren hin. Diese sind für ihn u. a. Traditionen, Religion oder Aberglaube. Vgl. Manes, Outlines (1942), S. 32. 2 Gras, Unternehmertum (1928), S. 553. 3 Ähnlich bei Zwierlein, Prometheus (2012), S.  24. Da im Rahmen der Arbeit auf die Entwicklung von versicherungsrechtlichen Aspekten nur am Rande eingegangen wird, wird die entsprechende Literatur im Rahmen dieses Überblicks nicht diskutiert. Vgl. hierzu speziell sowie generell zum aktuellen Stand der Versicherungsgeschichtsschreibung Ebd., S. 24–39.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

grundlegende Themen wie der Ursprung des Versicherungswesens bzw. die Entstehung der heute die Branche prägenden Rechtsformen4 zählen.5 Ein nicht unbedeutender Teil  der vorhandenen Literatur ist älteren Datums. Hierzu zählen beispielsweise die Studien von Ludwig Arps.6 Dessen Forschungen beeindrucken zwar durch Materialfülle, weisen aber mitunter einen teleologischen Charakter auf, indem sie die Entwicklung der Branche allzu stark als Erfolgsgeschichte präsentieren. Nichtsdestotrotz stellen die Arbeiten immer noch die umfangreichste Aufarbeitung der deutschen Versicherungsgeschichte dar. Was die Entwicklung der Hagelversicherung betrifft, finden sich bei Arps aber nur vereinzelte Hinweise.7 Andere Gesamtdarstellungen stammen noch aus dem 19.  Jahrhundert und wurden parallel zum rasanten Wachstum der Branche veröffentlicht. Vom methodischen Vorgehen zwar nicht mehr aktuellen Anforderungen genügend, sind diese Studien aber nicht vernachlässigbar, sondern aufgrund ihres an anderer Stelle nicht mehr verfügbaren quantitativen und qualitativen Materials eine wertvolle Quelle. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Versicherungsbranche lange Zeit nicht die Aufmerksamkeit der Wirtschaftshistoriker erlangen. Neben den er­ wähnten Arbeiten von Ludwig Arps stellt die jahrzehntelange Forschung von ­Peter Koch eine der wenigen Ausnahmen dar, der so verschiedene Themen wie die Bedeutung der ersten Versicherungsunternehmer für das Branchen­wachstum, die Besonderheiten der Entwicklung regionaler Gesellschaften oder die Geschichte des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft bearbeitet hat.8 Auch seine 2012 erschienene ‚Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland‘9 ist in seiner Fülle von Detailmaterial über zahlreiche Branchen – leider jedoch mit Ausnahme der Hagelassekuranz  – beeindruckend. Bedauerlicherweise finden sich jedoch keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf grundsätzliche Fragen wie den Ursprung der Branche. Peter Borscheid hat sich mit unterschiedlichen Fragestellungen wie der Entstehung der Lebensversicherung oder dem Auslandsgeschäft der Versicherungsbranche im Zeichen der Globalisierung beschäftigt. Auch die Anfänge der Hagelversicherung fanden Borscheids Aufmerksamkeit. 4

Dies sind die auf dem Genossenschaftsprinzip beruhenden Versicherungsvereine, die Versicherungs-Aktiengesellschaften sowie die öffentlich-rechtlichen Assekuranzen. 5 Eine ausführliche Diskussion zu den angesprochenen Themen findet sich im Verlauf der Arbeit. 6 Vgl. Arps, Pfeilern (1965) sowie Arps, Zeiten (1970). Weitere Überblicksdarstellungen finden sich bei Borscheid und Drees, die komprimiert die Entstehung der einzelnen Versicherungssparten aufzeigen. Vgl. Borscheid/Drees, Versicherungsstatistik (1988), S.  3–48. Eckhard Wandels Überblick über das Bank- und Versicherungswesen räumt der Assekuranz lediglich wenige Seiten ein. Vgl. Wandel, Banken (1998), S. 126–140. Eine ähnliche Gewichtung nimmt Hans Pohl vor, der das Assekuranzwesen auf zwei (!) Seiten abhandelt. Vgl. Pohl, Versicherungswesen (2005), S. 172 f. 7 Vgl. z. B. Masius, Lehre (1846) oder Brämer/Brämer, Versicherungswesen (1894). 8 Vgl. Koch, Pioniere (1968), Koch, Geschichte (1998) sowie Koch, Krisen (2003). 9 Vgl. Koch, Geschichte (2012).

I. Forschungsstand

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Speziell aber die Einbeziehung des Begriffs von ‚Vertrauen‘ stellt eine Neuerung dar, welche in dieser Form noch keine Anwendung in der versicherungshistorischen Forschung fand.10 Von einem methodischen Standpunkt aus gesehen thematisierte Hans Pohl Ende der 1970er Jahre die Einflüsse von Versicherungshistorie und allgemeiner Wirtschaftsgeschichte und plädierte für einen wechselseitigen Austausch, da dieser für beide Seiten gewinnbringend sei.11 Anscheinend fiel diese Forderung auf fruchtbaren Boden, da in jüngerer Zeit eine zunehmende Dynamik in der Forschung festzustellen ist, wie beispielsweise die versicherungsrelevanten Themen auf der 9. Arbeits­tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands zeigen.12 Die im folgenden diskutierte Auswahl lässt für die Zukunft hoffen, dass der Versicherungsgeschichte von (Wirtschafts-) Historikern ein breiterer Raum eingeräumt wird.13 Ein einführender Artikel zum Thema ‚Versicherungswirtschaft‘ findet sich in der ‚Enzyklopädie der Neuzeit‘ und wurde von Markus A. Denzel verfasst. Basierend auf einer überschaubaren Literaturauswahl liefert Denzel einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung des Assekuranzwesens, wobei v. a. die Vorbildfunktion der Seeversicherung betont wird.14 Speziell für die Frühe Neuzeit räumt Cornel Zwierlein wiederum diese Funktion im Sinne einer Diffusion eher der Feuerversicherung ein, wie noch zu diskutieren sein wird. Explizit die Wurzeln des Versicherungswesens werden ausführlich von Dieter Schewe bearbeitet. 10 Vgl. Borscheid, Entstehung (1983), Borscheid, Anfänge (1989), Borscheid, Vertrauensgewinn (2001), Borscheid, Systemwettbewerb (2006), sowie Borscheid/Umbach, Globalisierung (2008). Peter Borscheid verfasste zudem eine Reihe von Festschriften. Neben dem umfassenden Werk zum hundertjährigen Bestehen der Allianz Versicherungsgesellschaft legte er auch eine Studie zur Entwicklung der Provinzial-Lebensversicherungsanstalt von West­falen vor. Vgl. Borscheid, Sicherheit (1989), Borscheid, Allianz (1990) sowie Borscheid, Sicher­eit (1993). 11 Vgl. Pohl, Versicherungsgeschichte (1978). 12 Vgl. hierzu Sektion VII in Kampmann/Niggemann, Sicherheit (2013). 13 Zusätzlich zu den im Text diskutierten Arbeiten liegen weitere Studien vor, die mit­unter die Entwicklung einer bestimmten Branche bzw. übergreifende Entwicklungen ana­lysieren: Ein aktueller und kompakter Überblick zur Geschichte der Brandversicherung stammt von Thorsten Meyer. Vgl. Meyer, Brandversicherung (2005). Ebenfalls die Brandversicherung, wenngleich auf die Entstehung und Entwicklung in Norddeutschland beschränkt, untersucht Margarete Wagner-Braun in einem Konferenzbeitrag. Vgl. Wagner-Braun, Insurance (2007). Auch speziell zur Lebensversicherung wurden in jüngster Zeit einige neue Erkenntnisse gewonnen, wie die Arbeiten von Magnus Ressel, Geoffrey Clark und Eve Rosenhaft zeigen. Vgl. Ressel, Genese (2013), Clark, Slave (2013) sowie Rosenhaft, Geschlecht (2013). Dieter Krüger wiederum untersucht die Reorganisation der Branche in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Vgl. Krüger, Privatversicherung (1987). Schließlich sei in diesem Zusammenhang auf die Arbeiten von Jörg Krause hingewiesen, dessen Interesse weniger in der Erforschung der Entstehung einer konkreten Branche als vielmehr einer jeweiligen nationalen Versicherungskultur liegt. Hierfür entwickelt er ein Raster, welches neben kulturellen Dimensionen auch historische Aspekte berücksichtigt. Vgl. Krause, Kultur (1996) sowie Krause, Versicherungskultur (2004). 14 Vgl. Denzel, Versicherungswirtschaft (2011).

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Im Gegensatz zur oft propagierten Auffassung, dass genossenschaftlich und erwerbswirtschaftlich geprägte Gesellschaften unabhängig voneinander entstanden seien, will Schewe im so genannten Dekret von Exeter aus dem Jahre 950 den eigentlichen Beginn des Versicherungswesens entdeckt haben, aus dem sich dann die verschiedenen Spielarten der Assekuranzen ent­wickelt hätten.15 Schewes Quellenauswahl ist ohne Zweifel beachtlich, allerdings wird im Rahmen des Buches zu stark abstrahiert und die Argumentation ist zudem äußerst normativ.16 Cornel Zwierlein wiederum beschäftigt sich zum einen mit dem Versicherungsdiskurs in der Frühen Neuzeit.17 Methodisch fundiert liefern seine Studien wertvolle Ergebnisse über die Auffassung von Assekuranz im Werk von Gottfried Wilhelm Leibniz und im kameralistischen Diskurs. Zum anderen widmet sich Zwierlein in seiner Habilitationsschrift der Feuerversicherung. Weniger als Institutionengeschichte angelegt, behandelt er das Thema vielmehr im Sinne einer Untersuchung der Mechanismen für die „Produktion von Sicherheit“.18 Die Jahre 1680/1700 nehmen dabei für Zwierlein eine besondere Rolle ein, da in den beiden ‚historischen Laboratorien‘ Hamburg und London mit der ‚General-Feuer-Cassa‘ und dem ‚Fire Office‘ die ersten modernen Feuerassekuranzen gegründet wurden. Auch aufgrund dieser Tatsache will Cornel Zwierlein in diesen Jahren den Beginn einer ‚sicheren Normalgesellschaft‘ gesehen haben, in der das Versicherungs­wesen aufgrund der Pionierrolle der Feuerassekuranz auf fruchtbaren Boden gefallen sei.19 Ebenfalls von der Methode her den gegenwärtigen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechend und konkret einen unternehmensgeschichtichen Ansatz verfolgend, sind die Arbeiten von Reinhard Spree und Harold Kluge über die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft bzw. speziell über die Entwicklung des augenblicklich weltgrößten Rückversicherers in den ersten Jahrzehnten zu nennen. Aufbauend auf bisher noch nicht veröffentlichtem Material konnten Spree und Kluge u. a. aufzeigen, dass trotz der für die Gesellschaft tragbaren finanziellen Konsequenzen des Erdbebens von San Francisco im Jahre 1906 die Position vom Unternehmensgründer Carl Thiemes durch dessen allzu waghalsiges Vor­ gehen entscheidend geschwächt wurde.20 Zudem sind aufgrund eines größeren historischen und gesellschaftspolitischen Interesses bestimmte Abschnitte der Versicherungsgeschichte schon seit längerem detailliert untersucht worden. Dazu zählt beispielsweise der Entstehungsprozess der Bismarckschen Sozialversicherung, mit deren Einführung neben der Schwächung der Sozialdemokratie u. a. das Ziel einer Reform der bis dahin geltenden unterneh 15

Vgl. u. a. Schewe, „Erfindung“ (1991), S. 155–160 sowie Schewe, Geschichte (2000). Vgl. zur Kritik auch Zwierlein, Prometheus (2012), S. 25 f. 17 Vgl. Zwierlein, Macht (2008) sowie Zwierlein, Grenzen (2013), S. 430–437. 18 Vgl. für die aktuelle Diskussion bzw. die breite Rezeption des Sicherheitsbegriffs in der Frühneuzeitforschung Kampmann/Niggemann, Sicherheit (2013). 19 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), das wörtliche Zitat findet sich auf S. 7. 20 Vgl. Kluge, Einfluss (2006) sowie Spree, Chapters (2010). 16

I. Forschungsstand

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merischen Haftpflicht verbunden war.21 Ein weiteres, ausführlicher bearbeitetes Thema ist die Rolle der Versicherungsbranche während des Dritten Reichs. Eines der bekanntesten Werke ist die Studie von Gerald Feldman über die Geschichte der Allianz-Versicherungsgesellschaft in der NS-Zeit.22 Gestützt auf eine fundierte Auswahl sowohl unternehmensinterner als auch externer Quellen liefert Feldman neue Erkenntnisse über die Verstrickungen des Führungspersonals des Unternehmens mit dem Regime.23 Auch die Einbeziehung der Allianz bzw. der gesamten Versicherungsbranche in den organischen Aufbau der NS-Wirtschaft – wovon wenig überraschend auch die Hagelversicherung betroffen war – wird detailliert geschildert.24 Dennoch ist trotz der erfreulichen Entwicklung der jüngsten Vergangenheit Hans Pohl zuzustimmen, der zu Recht darauf hinweist, „[…] dass das Niveau der historischen Erforschung der Versicherungswirtschaft in deutlichem Widerspruch zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung steht“.25 Diesen Eindruck verstärkt ein Blick auf die Situation in anderen Ländern, wo die Versicherungsgeschichte – insbesondere im angloamerikanischen Raum – ein regelmäßig bearbeitetes Feld der Wirtschaftsgeschichte ist. Viele dieser Arbeiten wenden dabei explizit öko 21 Vgl. z. B. Ritter, Bismarck (1998a), Ritter, Bismarck (1998b) sowie Wehler, Gesellschafts­ geschichte (1995), S. 907–915. Allgemeiner dazu Tennstedt, Ausbau (1991), Stolleis, Revolution (1998) sowie als aktuelle Zusammenfassung des Forschungsstandes und der noch vorhandenen Defizite Tennstedt, Sozialwissenschaft (2005). 22 Den Hintergrund für Feldmans Studie, die von der Allianz selbst initiiert wurde, bildete im Übrigen der öffentliche Druck, der aufgrund zahlreicher Entschädigungsprozesse in Bezug auf Lebensversicherungsverträge jüdischer Kunden entstand, die v. a. in den Vereinigten Staaten angestrengt wurden. Vgl. allgemein zur Thematik Spoerer, Geste (2002) sowie für die konkrete Ausgestaltung der in diesem Zusammenhang gegründeten Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ Koch, Geschichte (2012), S. 299–301. 23 Sichtbarstes Zeichen dieser Nähe zum Regime war die Ernennung der beiden Vorstandsmitglieder Kurt Schmitt und Eduard Hilgard zum Reichswirtschaftsminister bzw. zum Leiter der Reichsgruppe Versicherung. 24 Vgl. Feldman, Allianz (2001). Zum Agieren der Versicherungsbranche während der NSZeit wurden in den letzten Jahren weitere Arbeiten veröffentlicht, wobei die folgende Aufstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Eine kompakte Gesamtdarstellung legte Arno Surminski vor, die als Ausgangspunkt für weitere Studien hilfreich ist. Vgl. S ­ urminski, Versicherung (1999). Stefan Laube untersuchte die Rolle der Lebensversicherer zur Zeit des Nationalsozialismus und kam dabei zum Ergebnis, dass es in dieser Teilbranche wohl keinen ausgeprägten und durchgängigen Antisemitismus gegeben habe. Laube zufolge könne aber eine moralische Verantwortung der Branche nicht bestritten werden. Vgl. Laube, Mitteilung (2003). Ingo Böhle widmet sich zunächst in seiner Magisterarbeit der Rolle der Volksfürsorge im Dritten Reich. Vgl. Böhle, Volksfürsorge (1996). Eine weitere Studie aus dem Jahr 2003 behandelt das Geschäftsgebaren der privaten Krankenversicherung am Beispiel der Deutschen Krankenversicherung-AG. Böhles Einschätzung ist dabei äußerst negativ: Anders als die eher gemäßigten Lebensversicherer waren die Verantwortlichen in der privaten Krankenversicherung willfähige Gefolgsleute des NS-Regimes und legten ein devotes und rassis­tisches Verhalten an den Tag. Unternehmerische Angelegenheiten wurden oftmals nicht unter wirtschaftlichen, sondern unter ideologischen Aspekten entschieden, wie die Einstufung von jüdischen Kunden als schlechte Risiken gezeigt habe. Vgl. Böhle, Krankenversicherung (2003). 25 Pohl, Versicherungswesen (2005), S. 173.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

nomische Theorien und Modelle an und zeichnen sich auch durch eine breit gefächerte Themenpalette aus. Beispiele hierfür sind ein langfristiger Vergleich der englischen und nordamerikanischen Seeversicherung,26 das Verhältnis der Branche zu den Kapitalmärkten in der Zeit zwischen 1918 und 194527 oder die Entwicklung der australischen Lebensversicherung28. In diesem Zusammenhang ist besonders das umfassende Werk von Robin Pearson zu erwähnen. Neben Studien zur Entwicklung der gesamten englischen Versicherungssparte29 liegt einer seiner Schwerpunkte auf der britischen Feuerversicherung bzw. deren Einfluss auf die Industrielle Revolution.30 V.a. sind Pearsons methodische Beiträge hervorzu­heben, sein Vorschlag für ein versicherungshistorisches Entwicklungsmodell31 findet  – soweit erkennbar  – erstmals im Rahmen dieser Studie Anwendung in der deutschen Versicherungsgeschichtsschreibung. Die Forschungslage im Hinblick auf die Entwicklung der deutschen Hagel­ versicherung stellt sich dürftiger als die allgemeine Versicherungsgeschichte dar. Nur wenige Studien liegen vor, die zudem überwiegend älteren Datums sind. Eine erste Gesamtdarstellung aller damals existierenden Hagelversicherer findet sich in Ernst Albrecht Masius’ statistischem Überblick über das deutsche Versicherungswesen aus dem Jahr 1846. Zwar behandelt Masius die einzelnen Unternehmen jeweils nur in knapper Form, aber die Ausführungen sind aufgrund des Zahlen- und Faktenmaterials eine wertvolle Quelle.32 Ähnlich informationsreich ist der wenige Jahre später veröffentlichte Artikel in Krünitz’ Ökonomischer Enzyklopädie, der Masius’ Angaben teilweise ergänzen kann.33 Mit einem Abstand von circa 30 Jahren wurden weitere Überblicksstudien  – oftmals von leitenden Mitarbeitern verschiedener Hagelversicherungsgesellschaften verfasst – veröffentlicht. August Müller, der damalige Direktor der Kölnischen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, legte wenige Jahre nach der Reichsgründung 26

Vgl. Kingston, Insurance (2007). Vgl. Scott, Cult (2002). 28 Vgl. Keneley, Adaptation (2004). Speziell unternehmenshistorische Arbeiten sind die Studien von Sharon Ann Murphy bzw. Robin Pearson und Mikael Lönnborg. Vgl. Murphy, Risks (2008) sowie Pearson/Lönnborg, Regimes (2008). 29 Vgl. Pearson, Risks (1993), Pearson, Model (1997) sowie Pearson, Hazard (2002). 30 Offenbar gab es dabei keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Ver­ sicherungsrate und dem Wirtschaftswachstum, vielmehr war der private Konsum für die Versicherungsnahme verantwortlich. Vgl. Pearson, Wachstumsrätsel (1999) sowie Pearson, Revolution (2004). Da Vergleichbares für den take-off der deutschen Wirtschaft im 19. Jahrhundert nicht vorliegt, könnte es interessante Erkenntnisse bringen, Pearsons Ansatz auf die Entwicklung in Deutschland zu übertragen. 31 Vgl. Pearson, Model (1997). 32 Vgl. Masius, Lehre (1846), S. 177–388. 33 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 540–558 sowie Krünitz, Band 217, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1854), S. 1–31. Allerdings ist Krünitz ein Fehler unterlaufen, da behauptet wird, dass es in Deutschland vor 1812 keine Hagelversicherungsanstalten gegeben habe. Wie die Ausführungen zeigen werden, wurden bereits Ende des 18. Jahrhunderts Hagelversicherungsanstalten in Deutschland gegründet. 27

I. Forschungsstand

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eine bis zu diesem Zeitpunkt fortgeschriebene Branchendarstellung vor, wobei diese weitgehend aus der Sicht der Kapitalgesellschaften geschrieben ist und die Bedeutung der Versicherungsvereine mitunter kritisch sieht.34 Im selben Jahr erschien ein Überblick von Richter-Tharand im Rahmen der ‚Mitteilungen des Deut­ schen Landwirthschaftsraths‘, welche ähnlich wie die Arbeit von Müller den damals aktuellen Stand der Branchenentwicklung zusammenfasst.35 Es folgten die Arbeiten von Emil Günther,36 Heinrich Suchsland37 und Nikolaus Freiherr von Thuemen.38 Diese Studien zeichnen die Geschichte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nach und gehen auf damals aktuelle Fragen wie die unterschiedliche Tarifierung in Nord- und Süddeutschland ein. Die den Studien beigefügten eigentlichen historischen Abrisse – beispielsweise was die Entstehung der Branche betrifft – unterscheiden sich inhaltlich jedoch nur geringfügig voneinander. Weitere Beiträge stammen von Hermann und Karl Brämer, welche die Hagelassekuranz in­ ihrer Gesamtdarstellung des Versicherungswesens behandeln.39 Bühren widmet der Hagelversicherung im Rahmen seiner Abhandlung über das gesamte Kreditund Assekuranzwesen im Agrarsektor nur wenige Seiten.40 Einige Bemerkungen zur Branchengeschichte finden sich zudem in den ersten Lehrbüchern zur landwirtschaftlichen Assekuranz.41 Will man die soeben diskutierte Literatur, welche die Zeit von der Mitte des 19.  Jahrhunderts bis ungefähr 1914 umfasst, würdigen, so ist folgendes zu sagen: Einerseits stellen die Schriften wertvolle Quellen dar und präsentieren Material, was an anderer Stelle nicht mehr verfügbar ist. Hierzu zählen insbesondere die Geschäftszahlen der Branche bzw. von einzelnen Unternehmen. Andererseits sind speziell die Abschnitte zur historischen Entwicklung zu kritisieren. Grundlegende Fragen wie die Entstehung der Branche werden auf wenigen Seiten abgehandelt und liefern in keiner der ausgewerteten Publikationen wesentlich neue­ Erkenntnisse.42 Parallel zu diesen Abhandlungen begannen etliche Hagelversicherer schon früh damit, in Festschriften ihren Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern die 34

Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876). Vgl. Richter-Tharand, Hagelversicherungswesen (1876). 36 Vgl. Günther, Beitrag (1889). 37 Vgl. Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890). 38 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896). 39 Vgl. Brämer/Brämer, Versicherungswesen (1894), S. 301–333. 40 Vgl. Bühren, Creditwesen (1866), S. 26–36. 41 Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914). Bemerkenswerterweise existiert kein aktuelles deutschsprachiges Lehrbuch zur Praxis der Hagelversicherung, sondern es werden immer noch ältere Werke wie das Buch von Hans Knoll herangezogen. Vgl. Knoll, Hagelversicherung (1964). Vor dem Hintergrund der zunehmenden klimatischen Schwankungen wurde aber in der jüngsten Vergangenheit die Entwicklung von umfassenden Elementarschadenversicherungen intensiv diskutiert. Vgl. z. B. Goodwin, Problems (2001) oder Glauber, Crop (2004). 42 Vgl. z. B. Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 1 f. sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 1 f. 35

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eigene Geschichte vor Augen zu führen.43 Mitunter reich illustriert, sind diese Unternehmenspublikationen nicht unproblematisch, da ihnen mitunter ein neutraler und damit kritischer Blick auf die eigene Vergangenheit fehlt. Die Schriften damit abzutun, wäre jedoch falsch, beinhalten sie doch abermals wertvolles Material, das aufgrund des dramatischen Verlustes an Archivgut im Zuge des Zweiten Weltkrieges und dem Übersiedeln zahlreicher Hagelversicherer von Berlin bzw. der späteren DDR in die Westzonen an anderer Stelle nicht mehr verfügbar ist. Zwei Personen nehmen im Hinblick auf die Erforschung der deutschen Hagelversicherung einen herausragenden Platz ein: Walter Rohrbeck und Hans SchmittLermann. War Schmitt-Lermann ein schreibender Praktiker, der an der Geschichte ‚seiner‘ Versicherungsbranche interessiert war, zeichnete sich Walter Rohrbeck auch durch eine akademische Laufbahn – zuletzt an der Universität Köln – aus. Doch auch Rohrbeck war längere Zeit in der Hagelversicherungs­praxis tätig und sein Name ist mit einigen turbulenten Ereignissen der Branchengeschichte44 verbunden.45 Beginnend mit seinen beiden Dissertationen aus den Jahren 1908 und 190946 beschäftigte er sich über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren mit zahlreichen historischen und fachspezifischen Fragestellungen.47 Zudem äußerte er sich zu aktuellen politischen Fragen wie der Diskussion um eine Verstaatlichung der Hagelversicherungsbranche nach dem Ersten Weltkrieg48 oder den landwirtschaftlichen Besitzwechsel und den damit verbundenen Konsequenzen für die Hagelassekuranz.49 Hans Schmitt-Lermann veröffentlichte seine ersten Werke um 1950 und damit zu dem Zeitpunkt, als Walter Rohrbeck seine letzten Schriften publiziert hatte. Obwohl Versicherungspraktiker, legte Schmitt-Lermann zuerst eine Untersuchung der Rolle der Versicherung im Zeitalter der Aufklärung vor, welche als Quellensammlung immer noch von Wert ist.50 Später konzentrierte er sich immer stärker auf die Geschichte der Versicherungskammer Bayern bzw. der Hagelassekuranz.51 Sein 1984 erschienenes Werk zum hundertjährigen Bestehen der Baye­ rischen Landeshagelversicherungsanstalt ist eine umfangreiche Darstellung der Hagelversicherung und berücksichtigt meteorologische, literarische, volkskundliche und historische Aspekte.52 43

Vgl. z. B. o.V., Gesellschaft (1873), Union, Festschrift (1903), Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1919), Schwedter Hagel- und Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Festschrift (1926) oder Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932). 44 Vgl. Kapitel F. I.2. 45 Walter Rohrbecks Tätigkeit in der Branche hatte innerhalb seiner Familie bereits eine gewisse Tradition, da schon sein Vater als Direktor bei der ‚Ceres‘ arbeitete. 46 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsvertrag (1908) sowie Rohrbeck, Organisation (1909). 47 Vgl. z. B. Rohrbeck, Hagelversicherungsvereine (1913), Rohrbeck, Krieg (1915), Rohrbeck, Hagelversicherung (1917) sowie Rohrbeck, Hagelversicherung (1937). 48 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919). 49 Vgl. Rohrbeck, Besitzwechsel (1913). 50 Vgl. Schmitt-Lermann, Versicherungsgedanke (1954). 51 Vgl. Schmitt-Lermann, Versicherungskammer (1975). 52 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984).

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Zwar sind sowohl Rohrbecks als auch Schmitt-Lermanns Studien aufgrund ihrer Materialfülle und der behandelten Themen beeindruckend, lassen aber manch bedenklichen Eindruck zurück: Abermals werden bezüglich der Branchenentstehung schon bekannte Argumente wiederholt und kritische Aspekte weitgehend ausgeblendet, was z. B. daran deutlich wird, dass die NS-Zeit im Rahmen von Schmitt-Lermanns Buch nur knapp gestreift wird.53 Daneben werden in einzelnen Publikationen Spezialfragen behandelt, wobei die regionale Entwicklung in Süddeutschland bzw. das Problem der stärkeren Hagel­gefährdung54 im Rahmen einiger Aufsätze,55 Denkschriften56 und Monographien57 einen Schwerpunkt bildet.58 Relativ umfangreich ist das Schrifttum über die Geschichte der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt, welches neben den Arbeiten von Hans Schmitt-Lermann einige Festschriften und mitunter wissenschaftlich fundierte Monographien und Artikel umfasst.59 Zudem hat die Geschichte kleinerer nord- und süddeutscher Gesellschaften die Aufmerksamkeit der heimatkundlichen Forschung geweckt.60 Am Schluss der Betrachtung bleibt festzuhalten, dass Hans Schmitt-Lermanns 1984 veröffentlichtes Buch aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums der Gründung der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt die immer noch aktuellste Darstellung der Branchengeschichte ist.61 An neueren Publikationen ist neben dem erwähnten Aufsatz von Peter Borscheid über die Anfänge der Hagelversicherung62 ein Beitrag von Franz Mauelshagen anzuführen. Dieser untersucht die historische Bedeutung der Rückversicherung bzw. konkret der Schweizer Rückver­siche­ 53

Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 276–280. Im Gegensatz dazu wird die Genese der Hagelversicherung in Norddeutschland nur in wenigen Studien thematisiert. Vgl. Müller, Untersuchungen (1932). 55 Vgl. z. B. Helferich, Versicherung (1847) sowie Hanssen, Vereine (1858). 56 Vgl. z. B. für das damalige Reichsland Elsaß-Lothringen o.V., Project (1884), wobei es sich bei dem Verfasser aufgrund der äußerst positiven Tendenz zugunsten der ‚Norddeutschen Hagel‘ wohl um einen Mitarbeiter, zumindest aber um eine der Gesellschaft nahe stehende Person gehandelt haben dürfte. 57 Vgl. Weis, Geschichte (1905) sowie Ammon, Geschichte (1937). 58 Nicht nur in den süddeutschen Staaten, sondern in der ebenfalls stark hagelbedrohten Schweiz wurde in diesen Jahren intensiv über die Bereitstellung eines staatlichen Hagelver­ sicherungsschutzes nachgedacht. Vgl. Kummer, Gutachten (1887). 59 Vgl. z. B. Königliche Versicherungskammer, Landesanstalten (1899), Königliche Versicherungskammer, Leitung (1906), Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt, Denkschrift (1934) bzw. Bayerische Versicherungskammer, Denkschrift (1984). Eine der ersten Dissertationen zum Thema stellt die Arbeit von Friedrich Audebert dar. Vgl. Audebert, Hagelversicherung (1955). Zum Entstehungsprozess der Anstalt und die darauf Einfluss nehmenden Faktoren vgl. Oberholzner, Novum (2006). 60 Vgl. z. B. Beyer, Fortschritt (1982). 61 2005 wurde eine rechtwissenschaftliche Arbeit von Detlef Huber veröffentlicht. Der darin enthaltene kurze historische Abriss beruht auf einer knappen Zusammenfassung der erwähnten älteren Titel. Vgl. Huber, Hagelversicherung (2005), S. 15–21. 62 Vgl. Borscheid, Anfänge (1989). 54

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

rung für die Gestaltung des Geschäftes der deutschen Hagelversicherungsbranche.63 Zudem liegen erste Forschungsergebnisse des Verfassers der vorliegenden Arbeit vor.64 In der Summe ist der Forschungsstand zur Geschichte der deutschen Hagel­ versicherung jedoch als rudimentär zu bezeichnen. Folgende kritische Punkte bleiben festzuhalten: Abgesehen von der mitunter fehlenden methodischen Basis zeichnen sich viele Studien – und hierbei nicht nur die unternehmenseigenen Publi­kationen – durch einen unkritischen Blick auf die Branchengeschichte aus. Zudem werden wichtige Fragen wie die Entstehung der Hagelassekuranz bzw. die hiermit verbundenen Prozesse nur am Rande erwähnt und oftmals ohne Reflexion der älteren Schriften übernommen. Auch kulturelle Phänomene werden nur vereinzelt in die Betrachtung miteinbezogen. Wie aber schon erwähnt, mindert dies insgesamt nicht den Wert dieser Pionierstudien, sind doch große Teile des dort aufgeführten Materials auf anderem Weg nicht mehr zugänglich. Insgesamt liegt jedoch keine aktuelle und auf fundierter methodischer Basis verfasste Darstellung der Geschichte der deutschen Hagelversicherung vor.65 2. Stand der Naturkatastrophenforschung in umwelthistorischer Perspektive Die Tatsache, dass es sich beim Hagel um ein natürliches Extremereignis handelt, dessen Wahrnehmung sich im Verlauf der Frühen Neuzeit ändert, erfordert zudem den Rückgriff auf die Disziplin ‚Umweltgeschichte‘. In deren Rahmen bildet die Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive ein florierendes Arbeitsgebiet. Dies war aber nicht immer der Fall, da die Geschichtswissenschaft lange Zeit die Natur und Naturkatastrophen nicht als selbständige Akteure anerkannt hat.66

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Vgl. Mauelshagen, Risk (2011). Vgl. Oberholzner, Novum (2006). 65 Aufgrund des Wesens der Hagelversicherung ist deren Entwicklung eng von den Geschehnissen im Agrarsektor abhängig, wobei Landwirtschaft im vorliegenden Kontext als „[…] Umwandlung und Veredelung von Rohstoffen für Haushalt und Fabrik […]“ verstanden wird. Das Zitat findet sich bei Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 1. Im Zuge der Arbeit wird deshalb auch auf eine fundierte Auswahl an agrarhistorischer Literatur zurückgegriffen, um beispielsweise in Kombination mit den Arbeiten von Reinhard Spree die Agrarkonjunktur des 18. und 19. Jahrhunderts nachzuzeichnen, die als eine der wesentlichen Faktoren in Bezug auf die Entstehung der Hagelversicherung identifiziert werden konnte. Vgl. als Auswahl für die im Rahmen der Arbeit herangezogenen Studien aus dem Bereich der Agrargeschichte Lütge, Agrarverfassung (1967), Abel, Landwirtschaft (1971), Abel, Agrarkrisen (1978), Dipper, Bauern­befreiung (1980), Abel, Massenarmut (1986), Achilles, Agrargeschichte (1993), Rösener, Einführung (1997) sowie Kluge, Agrarwirtschaft (2005). 66 Vgl. Jones, Miracle (1987), S. 22 f. 64

I. Forschungsstand

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Die Umweltgeschichtsschreibung, die in Deutschland aus der Technikgeschichte hervorging,67 trat als akademisches Fach im englischsprachigen Raum ab ungefähr 1970 in Erscheinung.68 Erste Publikationen auf Deutsch folgten ab circa 1985.69 Beflügelt wurde die Entwicklung durch die tiefgreifenden Veränderungen in den westlichen Zivilgesellschaften, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieser Jahre (z. B. der Ölpreisschock), sowie die Anzeichen von Umweltzerstörungen und das damit verbundene Aufkommen der Umweltschutzbewegung.70 Die Umweltgeschichtsschreibung war zwar nicht Auslöser des neuen ökologischen Bewusstseins, kann aber als eine Reaktion darauf verstanden werden.71 Allerdings ist es aufgrund der skizzierten Themenvielfalt schwierig, eine Definition des Faches vorzunehmen. Joachim Radkau gibt zu bedenken, dass „[d]ie innere Einheit der Umwelthistorie […] letztendlich dadurch garantiert [ist], daß zwischen der äußeren Natur und der Natur im Menschen intime Zusammenhänge bestehen und der Mensch dies stets gespürt hat“.72 Die Umweltgeschichte widmet sich daher zunächst einmal den wechselseitigen Beziehungen von Mensch und Umwelt. Dabei umfasst der Begriff Umwelt alle natürlichen Rahmenbedingungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen auf das menschliche Leben. Aus den einzelnen methodischen Ansätzen haben sich für die vorliegende Studie mehrere Aspekte ergeben: Umwelthistoriker untersuchen den Einfluss der Umwelt auf die menschliche Geschichte. Die Umweltgeschichte fragt nach der Wahrnehmung und Verarbeitung der natürlichen Umwelt durch den Menschen, wobei im Rahmen der vorliegenden Studie speziell Diskurse über natürliche Extremereignisse bzw. die damit verbundenen Konsequenzen von Interesse sind. Schließlich stehen auch die Auswirkungen der natürlichen Vorgänge auf Organisationen und Institutionen im Fokus.73 Ähnlich wie in Bezug auf die Definition wurde ausführlich über das methodische Vorgehen gerungen.74 Die Kontroversen entzündeten sich bereits an einem wesentlichen Punkt: Ist ein anthropozentrischer oder nichtanthropozentrischer Ansatz an-

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Vgl. zum Einfluss der Technikgeschichte Braun, Umweltgeschichte (2005). Vgl. Winiwarter/Knoll, Umweltgeschichte (2007), S. 15. Allerdings kann die in diesem Zusammenhang vertretene Meinung, dass sich die Umweltgeschichte als historische Teildisziplin nicht durchgesetzt hätte, so nicht geteilt werden. Regelmäßige internationale Konferenzen, eine wachsende Zahl an Einzelpublikationen, die Etablierung von Fachzeitschriften wie ‚Environment and History‘ und nicht zuletzt die institutionelle Verankerung – beispielsweise ausgedrückt durch das ‚Rachel Carson Center for Environment and Society‘ an der LudwigMaximilians-Universität München – lässt einen für die Zukunft des Faches hoffen. 69 Vgl. Freytag, Umweltgeschichte (2006), S. 383 f. 70 Vgl. Freytag, Umweltgeschichte (2006), S.  385 sowie Winiwarter/Knoll, Umweltgeschichte (2007), S. 30–42. 71 Vgl. Uekötter, Pitfalls (1998), S. 46. 72 Radkau, Natur (2002), S. 16. 73 Vgl. Worster, Appendix (1988) sowie Ditt/Gudermann/Rüße, Einleitung (2001), S.  9. Weiterentwickelt werden diese Überlegungen teilweise bei Hughes, Dimensions (2008). 74 Gerade in dieser Heterogenität liegt Frank Uekötter zufolge der Reiz des Faches. Vgl.­ Uekötter, Umweltgeschichte (2007), S. 3. 68

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

zuwenden? Besitzt also die Natur ein eigenes Recht oder ist die Umwelt allein für den Menschen da?75 In jüngster Vergangenheit zeichnet sich jedoch ab, dass letztendlich nur auf den Menschen hin ausgerichtete Fragestellungen zum Erfolg führen können. Gleichzeitig werden damit aber nicht die natürlichen Vorgänge bzw. die Wechselwirkungen im Mensch-Umwelt-Verhältnis ausgeklammert. Denn der Mensch kann einerseits zwar die Natur dominieren, andererseits ist er Teil seiner natürlichen Umwelt und wird von dieser beeinflusst.76 Daran angelehnt und konkret auf die Wirtschaftsgeschichte bezogen, plädiert Reinhold Reith für die Abkehr von der Ansicht, Umweltprobleme als externe Effekte anzusehen. Vielmehr sollten diese als integraler Bestandteil des Wirtschaftskreislaufs betrachtet werden.77 Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, dass innerhalb der Umweltgeschichte eine Vielzahl heterogener Themen bearbeitet wird. Insofern wäre es vermessen, im Rahmen dieses Überblicks einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.78 Einen wesentlichen Untersuchungsgegenstand bildet der grundsätzliche Einfluss der Natur auf die menschliche Geschichte79 oder das Werden und Vergehen von Zivilisationen.80 Daran schließen sich im Rahmen der historischen Klimatologie interdisziplinäre Forschungen hinsichtlich der langfristigen Entwicklung des Klimas an, das als eine wesentliche Triebkraft menschlicher Geschichte feststeht.81 75 Vgl. Radkau, Technik (2006), S. 135–138. Ein weiterer Konfliktpunkt besteht in der Diskussion über die Sinnhaftigkeit einer oftmals teleologischen Darstellung der Weltgeschichte i. S. e. kontinuierlichen Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, die dialektische Auffassung einer grundsätzlichen Aufrechnung von wirtschaftlichen Vorteilen mit Umweltzerstörungen zu überdenken, denn der historische Prozess ist in seiner Ganzheit wertfrei zu analysieren. Hierfür methodisch einwandfreie Kriterien zu entwickeln, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Umweltgeschichte. Neuere Arbeiten lassen darauf schließen, dass sich das Fach von diesem „Niedergangsparadigma“ allmählich verabschiedet. Vgl. Uekötter, Pitfalls (1998), S. 31–36 sowie Uekötter, Umweltgeschichte (2007), S. 5. 76 Vgl. Uekötter, Umweltgeschichte (2007), S. 3 f. Was nun das konkrete Arbeiten betrifft, bedient sich die Umweltgeschichte der Ansätze der übrigen historischen Disziplinen. Vgl. Reith, Internalisierung (1998), S. 16 f. 77 Vgl. Reith, Internalisierung (1998), S. 21–24. Ausdruck dieser Auffassung ist auch die Aufnahme des Artikels von Joachim Radkau in die aktuelle Auflage der „Modernen Wirtschaftsgeschichte“. Vgl. Radkau, Technik (2006). 78 Vgl. für einen Literatur- und Themenüberblick Freytag, Umweltgeschichte (2006),­ Uekötter, Umweltgeschichte (2007) sowie Reith, Umweltgeschichte (2011). 79 Bezüglich der historischen Forschung ist zu beachten, dass die Periodisierung der menschlichen Geschichte nicht ohne weiteres auf umwelthistorische Fragestellungen übertragen werden kann. Natürliche Vorgänge folgen eigenen, oft längerfristigen Gesetzen. Einschneidende Punkte wie beispielsweise in der klassischen Politikgeschichte lassen sich daher auch fast nicht feststellen. In Bezug auf Naturkatastrophen gilt dies allerdings nur bedingt. Vgl. Uekötter, Umweltgeschichte (2007), S. 4. Vgl. zum Periodisierungsproblem auch Reith, Internalisierung (1998), S. 18–20. 80 Umweltgeschichten in globaler Perspektive legten u. a. John McNeill, Joachim Radkau, Jared Diamond sowie Wolfgang Behringer vor. Vgl. McNeill, Planet (2003), Radkau, Natur (2002), Diamond, Collapse (2005) sowie Behringer, Kulturgeschichte (2007). 81 Vgl. Brázdil u. a., Climatology (2005) sowie Mauelshagen, Klimageschichte (2010).

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Methodisch wirken dabei Natur- und Geschichtswissenschaften produktiv zusammen, so dass durch Rückgriff auf Daten aus Archiven der Natur (z. B. Pollen oder Baumringen) und Archiven der Gesellschaft (z. B. Wettertagebücher) Proxydaten über Klimaverhältnisse der Vergangenheit rekonstruiert werden können.82 Ein Forschungsdesiderat bildet in diesem Zusammenhang jedoch der Hagelschlag, über den keine langfristigen rekonstruierten Datenreihen vorliegen. Die konkreten Auswirkungen klimatischer Veränderungen sind am Beispiel der so genannten Kleinen Eiszeit gut zu erkennen. Das 16. und 17. Jahrhundert waren durch eine Reihe von nachweisbaren Temperaturschwankungen gekennzeichnet, welche tiefgreifende Veränderungen auf den Alltag und die Mentalitäten der damals lebenden Menschen hatten.83 Ebenfalls thematisiert wird das Verhältnis des Menschen zur Natur, wobei sich hier ein Wandel sowohl auf der Diskurs- als auch der Handlungsebene vollzog: Sah sich das Individuum im Mittelalter auf Grundlage der aristotelischen Philosophie noch als immanenter Bestandteil der ­Natur, wurde im Zuge des Durchbruchs der modernen Naturwissenschaften die Natur zum reinen Objekt degradiert.84 Ein weiteres Beispiel für die Heterogenität der Forschungsfragen ist die frühneu­ zeitliche Energiekrise aufgrund von Holzmangel bzw. die Ansätze, diese beispielsweise mit Hilfe des Staates zu überwinden. Hierbei sticht insbesondere Margrit Grabas’ Analyse hervor, untersucht sie doch die Thematik aus einer institutionenökonomischen Perspektive, deren Anwendung im Bereich der Umweltgeschichte eine Seltenheit darstellt.85 Auch das Wachstumsdenken im 18.  Jahrhundert, das 82

Vgl. z. B. Pfister, Tag (2002) sowie Glaser, Klimageschichte (2008). Ein populär­ wissenschaftlicher Überblick über die Klimageschichte von Baden-Württemberg findet sich bei ­Düwel-Hösselbarth, Ernteglück (2002). 83 Vgl. Behringer/Lehmann/Pfister, Konsequenzen (2005) sowie Jakubowski-­Tiessen, Auswirkungen (2010). Vgl. speziell zu regionalen Konsequenzen der Klimaanomalien Pfister, Impacts (2007). 84 Vgl. Glacken, Traces (1967), Groh/Groh, Weltbild (1996), Coates, Nature (1998) sowie Groh/Groh, Außenwelt (1996). Ein Spezialproblem ist das Verhältnis von Naturvorstellungen, Aberglauben und Religion. Vgl. Thomas, Religion (1991). 85 Vgl. Grabas, Krisenbewältigung (1995). Vgl. ebenfalls zum Thema Radkau, Holzverknappung (1983) sowie Warde, Ecology (2006). Margrit Grabas widerspricht in diesem Zusammenhang Radkau und dessen Auffassung, dass es zu Beginn der Industrialisierung in Deutschland keine Verknappung der Ressource Holz gegeben habe. Radkau zufolge könne man keinen Einfluss von Holzmangel auf den Industrialisierungsprozess nachweisen. Vielmehr hätten politische Argumente den Ausschlag für die Propagierung der Steinkohleförderung gegeben. Grabas wiederum stimmt Radkau in dem Punkt zu, dass um 1800 tatsächlich kein absoluter Holzmangel festzustellen sei. Relativ gesehen sah dies vor dem Hintergrund der jeweiligen Gewerbedichte oder des regionalen Holzangebots jedoch anders aus. Zudem determinierten Standesunterschiede die individuell zur Verfügung stehende Holzmenge. Insofern war die Holzknappheit letztendlich ein Verteilungsproblem, welches auf die nur wenig entwickelte Infrastruktur und sonstige ökonomische Barrieren wie Binnenzölle zurückzuführen ist. Hinzu kam die gestiegene Nachfrage aufgrund des Bevölkerungswachstums sowie der Proto-Industrialisierung. Alle diese Faktoren bewirkten eine massive Verteuerung der Ressource Holz an der Wende zum 19. Jahrhundert, was wiederum die Rentabilität des energieabhängigen Gewerbes minderte.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

vor dem Hintergrund eines steigenden Ressourcenverbrauchs86 untersucht wird, oder die zunehmenden Umweltschäden aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft stellen wichtige Themen dar.87 Speziell für den vorliegenden Fall ist die Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive von Interesse, welche in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte.88 Ähnlich wie im Fall der anderen umwelthistorischen Teilgebiete wird auch hier ein fachübergreifender Ansatz verfolgt, da regelmäßig auf andere Disziplinen wie die Naturwissenschaften, die Ökonomie oder die Soziologie referenziert wird. Die aktuelle Popularität des Themas war aber nicht immer gegeben: Sieht man von Arno Borsts Pionierstudie aus dem Jahr 1981 über das Erdbeben von 1348 in Kärnten und Friaul ab,89 wurden natürliche Extremereignisse weitgehend vernachlässigt90 bzw. lediglich im Rahmen der lokalen und heimatgeschichtlichen Forschung behandelt. Die Studien jüngeren Datums, die Naturkatastrophen wie Überflutungen oder Erdbeben in ihren jeweiligen historischen Dimensionen untersuchen, haben dagegen einen Schwerpunkt in der Untersuchung der Wahrneh 86 Vgl. Reith, Umgang (1994), Bayerl/Meyer, Glückseligkeit (1996) sowie speziell Meyer, Natur (1999). Reinhold Reith weist auf den sparsamen Umgang mit Rohstoffen in der vor­ modernen Produktion hin. Dies war eine Folge des hohen Anteils von Rohstoff- an den Gesamtkosten, was eine systematische Wiederverwertung von Abfallprodukten zur Folge hatte. 87 Vgl. z. B. Ditt/Gudermann/Rüße, Agrarmodernisierung (2001) sowie Dix, Land (2002). 88 Einen Literaturüberblick findet sich u. a. bei Lübken, Alltag (2004), Rohr, Naturkatastro­ phen (2009), Sp. 26–28 sowie Zwierlein, Prometheus (2012), S. 16–24. Ein grundlegendes Werk bildet einmal der von Dieter Groh, Michael Kempe und Franz Mauelshagen 2003 herausgegebene Band, welcher sich dem Thema interdiziplinär und epochenübergreifend nähert. Der­ Katastrophenbegriff wird dabei nicht auf natürliche Extremereignisse beschränkt, sondern beispielsweise auch auf Krankheiten wie die Pest ausgedehnt. Vgl. Groh/Kempe/Mauels­hagen, Naturkatastrophen (2003). Manfred Jakubowski-Tiessen und Hartmut Lehmann vereinigen in einem anderen Sammelband eine Reihe von Untersuchungen über die Wechselwirkungen von Religion und Katastrophenwahrnehmung. Vgl. Jakubowski-Thiessen/Lehmann, Willen (2003). Weitere Sammelbände wurden 2009 von Christof Mauch und Christian Pfister sowie 2012 von Andrea Janku, Gerrit J. Schenk und Franz Mauelshagen herausgegeben. Auch in diesen beiden Bänden erfolgt die Untersuchung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive sowohl interdisziplinär als auch epochenübergreifend. Vgl. Mauch/Pfister, Disasters (2009) sowie Janku/Schenk/Mauelshagen, Disasters (2012). Die Perspektive speziell der französischen Forschung eröffnen die Beiträge in einem von Favier und Granet-Abisset herausgegebenen Band. Vgl. Favier und Granet-Abisset, Histoire (2000). Auch verschiedene Zeitschriften haben in Schwerpunktausgaben die historische Naturkatastrophenerforschung thematisiert. Stellvertretend sei zum einen auf den 2007 erschienenen Band der ‚Historical Social Research‘ hin­ gewiesen. Vgl. exemplarisch Schenk, Disaster (2007), der in seinem Beitrag Anmerkungen zum Naturkatastrophenbegriff zusammenfasst. Zudem widmete sich eine 2011 erschienene Ausgabe von ‚Environment and History‘ dem Thema ‚Un­certain Environments‘. Vgl. hierzu u. a. Mauelshagen, Risk (2011) sowie Oberholzner, Act (2011). 89 Vgl. Borst, Erdbeben (1981). Cornel Zwierlein kritisiert Borsts Studie im Übrigen als zu positivistisch. Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 16. 90 Eine Ausnahme stellt die Studie von Manfred Jakubowski-Tiessen dar. Vgl. JakubowskiTiessen, Sturmflut (1992).

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mung der Extremereignisse und den damit verbundenen Bewältigungsstrategien. Ähnlich wie in der vorliegenden Arbeit steht die Mehrheit der vorhandenen Literatur auf dem Standpunkt, Naturkatastrophen als historische Akteure zu begreifen, die das Handeln von Menschen in der Vergangenheit mitunter deutlich beeinflusst haben. Konsequenterweise müssen natürliche Extremereignisse dann in ihrem jeweiligen historischen Kontext betrachtet werden.91 Ein Wort noch zu den jeweils untersuchten Epochen: Neben einigen Studien von Althistorikern92 bilden das Spätmittelalter93 und die Frühe Neuzeit94 die Forschungsschwerpunkte. Hinsichtlich der Überschwemmungskatastrophen95 machte Manfred Jakubow­ ski-Tiessens Studie über die Weihnachtsflut von 1717 den Anfang. Er untersucht diese Flut, welche eine der schwersten war, die jemals die Region an der Nordseeküste getroffen hat, unter dem Aspekt der Katastrophenwahrnehmung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Jakubowski-Tiessen kommt zu dem Ergebnis, dass die Springflut für die Menschen der betroffenen Regionen eine Zäsur darstellte. Man deutete diese Katastrophe als Zeichen für die scheinbar krisen­ behafteten Zeiten, in denen man zu leben glaubte. Dies zeigt sich auch daran, dass trotz erster Erkenntnisse hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Mondstand und Flut und der zunehmenden Kritik am Zustand der Deiche weiterhin das straftheologische Erklärungsmuster präsent blieb.96 Überhaupt genießen Flutkatastrophen eine besondere Beachtung: Christian Rohr widmet sich v. a. den regionalen Auswirkungen von Überschwemmungen im Spätmittelalter und dem Beginn der Frühen Neuzeit.97 Auf fundierter Quellenbasis beruhend und unter Zuhilfenahme von kulturgeschichtlichen und klimahistorischen Ansätzen bildet die Analyse der Wahrnehmung, Deutung und Bewältigung dieser Naturkatastrophe einen Schwerpunkt seiner Forschung. Auch geht er der Frage nach, ob es eine Art von Katastrophenalltag gab und somit der Mensch lernte, sich mit den immer wiederkehrenden Extremereignissen zu arrangieren.98 Uwe Lübken untersucht Überschwemmungen im Hinblick auf die Verwundbarkeit moder 91

Vgl. Janku/Schenk/Mauelshagen, Introduction (2012), S. 2. Neben Olshausen/Sonnabend, Naturkatastrophen (1998), Sonnabend, Naturkatastrophen (1999) vgl. insbesondere die Arbeiten von Mischa Meier, exemplarisch Meier, Wahrnehmung (2003), Meier, Zeitalter (2003) sowie Meier, Emperors (2012). 93 Vgl. neben den noch zu diskutierenden Arbeiten von Christian Rohr Hanska, Strategies (2002) sowie Jankrift, Brände (2003). 94 Vgl. als weiteres Beispiel Johns, Visitations (1999). 95 Vgl. für weitere Literaturhinweise Reith, Umweltgeschichte (2011), S. 84–87. 96 Vgl. Jakubowski-Tiessen, Sturmflut (1992). 97 Ein weiterer, von Christian Rohr im Kontext der Katastrophenforschung bearbeiteter Aspekt beinhaltet astrologische Expertendiskurse. Er kommt hierbei zum Ergebnis, dass besonders in Krisenzeiten Phänomene wie Kometenerscheinungen oder Sonnenfinsternisse als Prodigien wahrgenommen wurden. Zudem hätten kosmische Zeichen und Naturkatastrophen eine Einheit im religiösen Denken gebildet. Rohr zufolge war es mit dieser Verortung in biblischen und antiken Vorbildern gleichzeitig möglich, eine Deutung der extremen Natur­ ereignisse vorzunehmen. Vgl. Rohr, Macht (2013). 98 Exemplarisch hierzu Rohr, Naturereignisse (2007). 92

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

ner Gesellschaften und deren Infrastrukturen. Unter anderem vergleicht er dabei die Situation in Deutschland und den USA, konkret die Hochwasser in der Rhein­ gegend bzw. in Ohio und der Mississippiregion. Eine der Reaktionen auf die entstandenen Schäden bestand in einer Reihe von Versicherungsprojekten, womit er als einer der wenigen auf den Aspekt Versicherungen als eine mögliche Konsequenz aus natürlichen Extremereignissen eingeht. Lübken zufolge scheiterten diese aber weitgehend, da die privaten Initiativen nicht in der Lage waren, potentiell große Schäden zu decken. Staatliche Unterstützung war und ist daher weiterhin nötig.99 Zudem beschäftigen sich einige Studien speziell mit der Metapher der biblischen Sintflut in der Frühen Neuzeit.100 Was die Erforschung von Erdbeben betrifft, so nimmt gerade im Hinblick auf die europäische Geistesgeschichte die Aufarbeitung der Lissaboner Katastrophe vom November 1755 und der damit verbundenen Auswirkungen auf den herrschenden Zeitgeist breiten Raum ein. Speziell die Frage, ob und in welchem Ausmaß es zu einer Erschütterung der optimistischen Grundstimmung des 18. Jahrhunderts gekommen war, wird immer noch kontrovers diskutiert.101 Auch das Thema Stadtbrände102 hat eine beachtliche Anzahl von Studien hervorgebracht  – wenngleich die Diskussion darüber, ob Brände wirklich zu den Natur­katastrophen zu zählen sind, weiterhin andauert.103 Neben der Erforschung der Lebenswelt von Küstenbewohnern im 17. und 18. Jahrhundert104 bilden Feuers­ brünste einen Forschungsschwerpunkt von Marie Luise Allemeyer. Auf Basis einer kulturgeschichtlichen Analyse einer aussagekräftigen Quellenbasis kommt sie zu dem Schluss, dass Stadtbrände von den Menschen in der Frühen Neuzeit ähnlich wie andere natürliche Extremereignisse auf verschiedene Art und Weise interpretiert wurden. Diese aus heutiger Lesart widersprüchlichen Deutungen hätten sich nicht ausgeschlossen, sondern seien vielmehr gleichzeitig verwendet worden. So finden sich in Quellen zu technischen Brandbekämpfungsmaßnahmen wie ‚Feuer-Spritzen‘ neben ‚rationalen‘ Ursachen für das Feuer auch metaphysische Erklärungen im Hinblick auf die Brandverursachung.105 Auch die Feuerasse­ kuranz wird in diesem Zusammenhang angesprochen. Die von Allemeyer analysierten Traktate beinhalten abermals metaphysische Interpretation und säkulare Handlungsempfehlungen. Gott sei in den Brandversicherungsordnungen als Ur­ 99 Vgl. Lübken, Überschwemmungen (2007) sowie Lübken, Natur (2008). Hingewiesen sei zudem auf Poliwoda, Katastrophen (2007). 100 Vgl. Kempe, Flood (2003) sowie Stuber, Punishment (2003). 101 Vgl. für einen Literaturüberblick Reith, Umweltgeschichte (2011), S. 81–84. 102 Angemerkt sei, dass aufgrund des begrenzten Rahmens dieses Überblicks auf stadt­ geschichtliche Themen innerhalb der Umwelt- bzw. Katastrophengeschichtsschreibung nicht eingegangen wird. 103 Vgl. Reith, Umweltgeschichte (2011), S. 89. Reinhold Reith führt hier insbesondere die Tatsache an, dass viele der Stadtbrände durch menschliches Fehlverhalten verursacht wurden. 104 Vgl. Allemeyer, Land (2006). 105 Dies schloß keineswegs die Propagierung von technischen Hilfsmitteln für die Brand­ bekämpfung aus.

I. Forschungsstand

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sache des Feuers gesehen worden. Gleichzeitig aber hätte man die Assekuranz als geeignetes Mittel erkannt, um die hierbei verursachten Folgen minimieren zu können.106 Für Allemeyer steht fest, dass die von Stadtbränden Betroffenen versucht haben dürften, unterschiedliche Auffassungen der Brandursachen miteinander zu verbinden, um sich mit Hilfe dieses Spektrums von Deutungen das Unglück erklären107 zu können.108 Auch Vieh- und Rinderseuchen bzw. deren Wahrnehmung, Bekämpfung und Bewältigung sind in diesem Kontext zu nennen. Mit diesen Themen beschäftigen sich Dominik Hünniger und Carsten Stühring. Am Beispiel der Viehseuche von 1744 bis 1752 analysiert Dominik Hünniger die Auswirkungen, welche die Krankheit im heutigen Schleswig-Holstein hatte. Carsten Stühring wiederum beschäftigt sich mit Rinderseuchen im Kurfürstentum Bayern im 18. Jahrhundert. Die Studien können für diese unterschiedlichen Territorien des Alten Reiches ähnliche Ergebnisse nachweisen. Was die Seuchenentstehung betrifft, beriefen sich die jeweiligen lokalen Mediziner weitgehend auf Elemente der ‚Contagion‘bzw. Miasmatheorien. Auch war die Seuchenbekämpfung im Norden und Süden Teil der ‚Guten Policey‘ des frühmodernen Staates. Vergleichbar mit der Erklärung von Stadtbränden zeigt sich auch im Fall der Seuchen, dass deren Wahrnehmung und Bewältigung nicht widerspruchsfrei war. Neben den veterinärmedizinischen Aspekten lehnten die Experten religiöse Erklärungs- und Deutungsmuster nicht vollkommen ab. Auch bezüglich der Bewältigungsstrategien überschnitten sich scheinbare Gegensätze: Pfarrer betonten beispielsweise die Bedeutung der landespoliceylichen Verordnungen zur Bekämpfung der Seuche, während man in behördlichen Anweisungen Aufforderungen zu religiösen Handlungen wie Prozessionen findet. Interessanterweise spielten bei beiden Fallbeispielen Konzepte hinsichtlich von Viehversicherungen bzw. deren Einführung keine Rolle,109 obwohl sie einen prominenten Stellenwert im kameralistischen Diskurs dieser Jahre innehatten.110 Ein weiterer Forschungsschwerpunkt umfasst die Frage nach der Verwund­ bar­keit der Gesellschaft, sei es auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene. Das Konzept der Vulnerabilität haben unter anderem Greg Bankoff,111 Christian­ 106 Vgl. Allemeyer, Fewersnoth (2007), S. 42–50. Ähnlich verhielt es sich im Übrigen in Bezug auf Feuer-Spritzen. Vgl. Ebd., S. 50–56. 107 Reinhold Reith kritisiert hier aber, dass mit dieser ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ eine Kontextualisierung schwer fallen würde. Vgl. Reith, Umweltgeschichte (2011), S. 90. 108 Vgl. generell Allemeyer, Feuer (2003) sowie Allemeyer, Fewersnoth (2007). Vgl. zur Wahrnehmung von Stadtbränden auch Zwierlein, Prometheus (2012), S. 120–152. 109 Vgl. explizit bei Stühring, Seuche (2011), S. 128 f., der angibt, dass geschädigte Tierhalter bei den Behörden um Steuererleichterungen anfragen konnten. Keine Hinweise auf das Ver­ sicherungswesen finden sich dagegen bei Dominik Hünniger. 110 Vgl. Hünniger, Viehseuche (2011) sowie Stühring, Seuche (2011). 111 Vgl. Bankoff, Vulnerabilities (2007). Bankoff demonstriert unter Zuhilfenahme von soziologischen und ethnologischen Ansätzen am Beispiel der Philippinen, dass Naturkatastrophen – in diesem Fall Überschwemmungen – in das alltägliche Leben integriert wurden.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Pfister112 und Rudolf Brázdil113 für die Philippinen, die Schweiz und die tschechi­ sche Republik auf die nationale Ebene übertragen.114 Ted Steinberg wiederum gibt einen Überblick über die Situation in den USA.115 Festzuhalten bleibt, dass alle diese Studien betonen, dass natürliche Extremereignisse stets tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Menschen haben und sich zu nationalen Herausforderungen entwickeln können. In jüngster Zeit gewinnt zudem immer mehr die Untersuchung des Aspektes ‚Sicherheit‘ vor Naturgefahren an­ Bedeutung.116 Schließlich sei auf die ersten Ergebnisse im Hinblick auf die Erforschung von Unwetter hingewiesen, die u. a. von Heinz-Dieter Kittsteiner und Andreas Schmidt vorgelegt wurden.117 Kittsteiners Arbeiten sind stark von kulturgeschichtlichen und theologischen Überlegungen geprägt.118 Zwar wird dabei auch auf Bewäl­ tigungsstrategien eingegangen, wobei dem Blitzableiter ein besonderes Gewicht zugeschrieben wird,119 der Aspekt Versicherung wird dagegen nicht thematisiert.120 Erfreulicherweise findet in jüngster Zeit auch der Hagel Aufmerksamkeit. 112

Christian Pfister untersucht die Auswirkungen von natürlichen Extremereignissen auf die Schweizer Gesellschaft. Er kommt dabei u. a. zu dem Schluss, dass Naturkatastrophen auch positive Folgen haben könnten. Diese würden von einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Solidarisierung über den Abbau regionaler Vorurteile bis hin zu einem bemerkenswerten Anstieg der Spendenbereitschaft bzw. dem Entstehen einer überregionalen Solida­r ität reichen. Vgl. z. B. Pfister, Klimageschichte (1988), Pfister Wetternachhersage (1999) sowie Pfister, Tag (2002). 113 Vgl. z. B. Pfister/Brázdil, Vulnerability (2006). 114 Vgl. zu diesem Themenkomplex auch Hoffman und Oliver-Smith, Catastrophe (2001). 115 Vgl. Steinberg, Acts (2000). 116 Ein wichtiger Beitrag hierzu ist die Darstellung von François Walter, dessen Gesamtüberblick über Katastrophen sich nicht nur auf natürliche Extremereignisse beschränkt, sondern – je weiter die Darstellung die Gegenwart erreicht – technische oder sicherheitspolitische Aspekte berücksichtigt. Vgl. Walter, Katastrophen (2010). Eine weitere, jüngst erschienene Arbeit zu diesem Thema stellt der Beitrag von Stefanie Rüther dar, der die Produktion von­ Sicherheit bei Stadtbränden und Hochwasser durch konkrete städtische Verordnungen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit am Beispiel der Stadt Nürnberg untersucht. Auch der Aufsatz von Dominik Collet liefert in diesem Zusammenhang neue Erkenntnisse. Hungerkrisen hätten immer auch die Legitimität von Regierungen beeinträchtigt, weshalb zahl­ reiche Anstrengungen unternommen worden seien, der eigenen Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit – beispielsweise durch das Anlegen von Getreidespeichern – zu geben. Vgl. Rüther, Fügung (2013) sowie Collet, Kultur (2013). 117 Daneben hat Susanne Kiermayr-Bühn eine Studie über die Klimageschichte in Süddeutschland seit der Frühen Neuzeit vorgelegt. Neben klimageschichtlichen Überlegungen bilden abermals die Perzeption und die Bewältigung von Wetterkapriolen einen der Schwerpunkte der Arbeit. An Beispielen aus der Region Mainfranken wird die Reaktion der Menschen auf die angeblichen Verursacher der Unwetter, die Wetterhexen, ebenso thematisiert wie auch der Trost, den die Pfarrer für ihre Gemeinden angesichts der Verwüstungen hatten. Vgl. Kiermayr-Bühn, Leben (2009), besonders S. 53–76. 118 Exemplarisch Kittsteiner, Gewissen (1987) sowie Kittsteiner, Entstehung (1995). 119 Vgl. hierzu Hochadel, Wissenschaft (2003) sowie die einzelnen Aufsätze bei Heering/ Hochadel/Rhees, Fire (2009). 120 Ebenso wenig bei Schmidt, Gewitter (1999) sowie Schmidt, Wolken (1999).

II. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

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Neben ersten Ergebnissen des Autors der vorliegenden Studie121 diskutiert Alan­ Baker den Wandel der Wahrnehmung von Hagelschlägen bei französischen Bauern im 19.  Jahrhundert. Anstelle des jahrhundertelang existierenden Fatalismus würden zunehmende Kenntnisse über die Vorgänge in der Natur und eine damit verbundene Entmythologisierung des Hagels dazu beitragen, dass die Landwirte sich nicht mehr auf die Religion, sondern auf die Hagelversicherungsgesellschaften – von Baker als „a new religion“ für die Landbevölkerung bezeichnet – verlassen hätten.122 Schlussendlich können nach Auswertung der vorhandenen Literatur zur Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive einige Punkte fest­ gehalten werden, welche nicht als Kritik an den bisherigen, sondern als Anregung für zukünftige Projekte zu verstehen sind. Überwiegend bestimmte Nationen wie die USA oder die Philippinen, die regelmäßig von natürlichen Extremereignissen betroffen sind, bilden einen der Schwerpunkte der Arbeit der Umwelthistoriker.123 Zudem wurde bislang den Versicherungen fast keine Beachtung geschenkt – was insofern bemerkenswert ist, da sich im kameralistischen Diskurs die Assekuranzen als erste Vertragstypen mit ‚Natur-Unglücken‘ beschäftigten.124 Auch wurde deutlich, dass der Hagel bis dato in der Naturkatastrophenerforschung nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Mit einer der größten Forschungsdesiderate – und damit auch in gewisser Weise den Kreis zur vernachlässigten Versicherungs­geschichte schließend – stellt die bis dato weitgehende Ausklammerung der Ver­sicherung bzw. dessen Entwicklung als Bewältigungsstrategie von Naturkatastrophen dar.125 Zu diesen Anregungen möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

II. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit 1. Thesen und Fragestellungen Aufgrund der Auswertung sowohl der vorhandenen versicherungshistorischen Literatur als auch der Arbeiten zu Naturkatastrophen in historischer Perspektive ergibt sich folgendes Bild: Augenblicklich liegt keine neuere Arbeit hinsichtlich der langfristigen Entwicklung der Hagelversicherungsbranche vor. Auch die Prozesse, welche für die Institutionalisierung der Hagelassekuranz verantwortlich waren, wurden noch nicht ausführlich untersucht. Zudem hat bislang das Phänomen des Hagels innerhalb der Umweltgeschichte nur wenig Beachtung gefunden. Insofern weist der gegenwärtige Forschungsstand bedeutende Lücken auf. Diese mit zu schließen ist Ziel der Arbeit. In Anlehnung an Cornel Zwierlein ist hier zu 121

Vgl. Oberholzner, Hagel (2007), Oberholzner, Strafe (2010) sowie Oberholzner, Act (2011). Vgl. Baker, Hail (2012), das wörtliche Zitat findet sich auf S. 35. 123 Janku/Schenk/Mauelshagen, Introduction (2012), S. 3 f. 124 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 17 f. 125 Ähnlich auch bei Zwierlein, Prometheus (2012), S. 8 f. 122

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

beachten, dass neben der Darstellung der langfristigen Strukturen und Prozesse auch eine Historisierung126 des jeweiligen Zeitbezugs und der Zeithorizonte er­ folgen muss.127 Vor Untersuchung der eigentlichen Branchengeschichte sollen in einem ersten großen Abschnitt die Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelassekuranz aufgezeigt werden. Das Naturphänomen Hagel brachte speziell in der Frühen Neuzeit immer auch Unsicherheitserfahrungen mit sich. Zu fragen ist daher, welche Sicherheits- bzw. Bewältigungsstrategien konzipiert wurden, um Sicherheit sowohl aus materieller als auch mentaler Perspektive zu schaffen. Was die eigentliche Verwandlung in Sicherheit betrifft, ist diese immer unter zwei Aspekten zu betrachten. Erstens steht das aktive Handeln im Mittelpunkt, was beispielsweise eine Analyse der politischen oder wirtschaftlichen Maßnahmen, aber auch die Herausbildung von Institutionen in den Mittelpunkt stellt. Zweitens ist speziell in der Frühen Neuzeit symbolisches Handeln von Interesse. Insofern gilt es zu klären, welche Bewältigungsstrategien angewendet wurden, um sowohl individuelle als auch kollektive Ängste vor Hagelschlägen abzubauen.128 Dabei ist aber vorab zu klären, welchen Einfluss eine sich ändernde Perzeption des Hagels selbst eine Rolle gespielt hat. Konkret sind daher für die Voraussetzungen der Institutionalisierung der Hagelversicherungsbranche folgende Fragen zu stellen: Sind Zäsuren in der Wahrnehmung129 des Hagels feststellbar? Gibt es Kontinuitäten und Diskontinuitäten? Welchen Einfluss hatten die ökonomischen, politischen und institutionellen Rahmenbedingungen auf die Entstehung der Hagelversicherung? Gab es Anleihen bei schon bestehenden Sicherheitsmechanismen wie anderen Versicherungen? Hatte der frühneuzeitliche Staat ein Interesse daran, die Einführung von Hagelassekuranzen zu unterstützen? Lag überhaupt ein Markt und im Anschluss ein wachsendes Bedürfnis nach Hagelversicherungsleistungen vor? Im zweiten großen Abschnitt, der die Geschichte ab Beginn des 19. Jahrhunderts umfasst, ändert sich die Perspektive hin zu einer langfristigen markthistorischen Betrachtung, da die konkrete Branchenentwicklung untersucht wird. Verständlicherweise stellt das Jahr 1800 keinen scharfen Einschnitt dar. Jedoch ist es aufgrund der Tatsache, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts einerseits die Prozesse im Hinblick auf die Rahmenbedingungen der Branchenentstehung ihren 126 Zum Nachweis der Historisierung von Versicherbarkeit zählt nicht zuletzt der kameralistische Diskurs. Vgl. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 431. 127 Vgl. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 423 f. 128 In Anlehnung an Jakubowski-Tiessen, Umgang (2013), S. 330 f. Vergessen werden darf aber nicht, dass der Sicherheitsbegriff in der Frühen Neuzeit nicht nur positiv besetzt sein konnte. Vgl. hierzu Ebd., S. 332 f. 129 Es erscheint einleuchtend, dass die vorliegende Arbeit nicht das Phänomen der Wahrnehmung an sich untersucht, sondern der Frage nachgeht, wie sich die Perzeption des Hagels im Laufe der Zeit verändert hat, d. h. es erfolgt eine Untersuchung des Objektes, nicht des Prozesses der Wahrnehmung. Für eine kompakte Einführung in die Thematik vgl. Braun, Wahrnehmung (2000), S. 15–20.

II. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

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Höhe­punkt bzw. Abschluss gefunden haben und andererseits die ersten, längerfristig bestehenden Hagelversicherungsgesellschaften entstanden, angebracht, hier eine Zäsur zu sehen. Insofern ist die gewählte Periodisierung, in diesem Jahr die eigentliche Branchengeschichte beginnen zu lassen, tragfähig.130 Darauf aufbauend können für den markthistorischen Teil der Studie folgende Fragen gestellt werden: Kann man in Bezug auf die Hagelversicherung generell von einer Innovation sprechen?131 Sind konkrete Prozess- und Produktinnovationen erkennbar? Welche Akteure ergriffen die Initiative zur Gründung der ersten Gesellschaften? Lagen mitunter besondere regionale und institutionelle Entwicklungsbedingungen vor? Können wesentliche Faktoren identifiziert werden, die zur Konkurrenzfähig­ keit und zum Überleben bestimmter Hagelversicherer beigetragen haben? Sind­ bestimmte Marktungleichgewichte oder sogar -imperfektionen nachweisbar? Gibt es Anzeichen dafür, dass die Versicherungsnehmer der neuen Institution Hagel­ versicherung Vertrauen entgegengebracht haben? Um Missverständnisse zu vermeiden, sollen zum Schluss auch die Grenzen der Arbeit aufgezeigt werden. Meteorologische und klimatische Aspekte werden nur vereinzelt herangezogen, da kein explizit klimageschichtlicher Ansatz gewählt wurde. Um den Fokus auf die großen, langfristigen Entwicklungslinien zu legen, wird zudem auf versicherungsrechtliche bzw. -praktische Details wie die Tarifierungsgrundsätze, die versicherungsmathematischen Grundlagen oder die Ver­ sicherungsbedingungen nur punktuell näher eingegangen. Zudem wäre es zweifellos lohnend, die hier nur aus einer deutschen Perspektive dargestellte Entwicklung mit denen in anderen europäischen Staaten zu vergleichen, worauf die vorliegende Arbeit aber ebenfalls verzichtet.132 2. Aufbau der Studie Der Untersuchungszeitraum der Arbeit liegt zwischen dem 16. und dem ausgehenden 20. Jahrhundert, wobei der erste große Abschnitt der Arbeit in etwa die Zeit zwischen 1550 und 1800 abdeckt (Kapitel C.). Im Anschluss an dieses ‚Epochenjahr‘ verfolgt der markthistorische zweite große Abschnitt der Arbeit die Entwicklung der deutschen Hagelversicherung bis in die Gegenwart (Kapitel D. bis G.). Der Untersuchungsraum umfasst Deutschland in den jeweiligen zeitlichen Ausprägungen, angefangen vom Alten Reich bis hin zum vereinigten Deutschland nach 1990. 130 Ähnlich bei Cornel Zwierlein, für den „[…] das Auftreten von Versicherungen als Institution [als] Epochenindikator dienen [kann].“ Zwierlein, Grenzen (2013), S. 425. 131 Die Entwicklung von Innovationen oder Lernprozessen im Zusammenhang mit Katastrophen war laut Eric Jones nichts Ungewöhnliches. Jones’ Katastrophenbegriff ist allerdings sehr weitgefasst, da er zur Verdeutlichung seiner Aussagen auch Kriege und Epidemien heranzieht. Vgl. Jones, Miracle (1987), S. 22–41. 132 Für ‚grenzüberschreitende‘ bzw. vergleichende Studien im Hinblick auf die ‚Disaster‘Forschung plädiert auch E. L. Quarantelli. Vgl. Quarantelli, Agenda (2005), S. 378–380.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Konkret erfolgt in Kapitel B.III. zunächst eine Diskussion der methodologischen und methodischen Überlegungen, die für die weiteren Untersuchungen herangezogen werden. Kapitel C. widmet sich der Diskussion hinsichtlich der Rahmen­ bedingungen für die Entstehung der deutschen Hagelversicherungsbranche. Nach der Erörterung von Methoden des vormodernen Risikomanagements (Kapitel C.I.) erfolgt eine Diskussion über die sich verändernde Perzeption von Hagelschlägen anhand von ‚Idealtypen‘ während der Frühen Neuzeit (Kapitel C.II.). Im Anschluss wird ein komprimierter Überblick über das Versicherungswesen an sich in der Frühen Neuzeit gegeben (Kapitel C.III.), bevor der kameralistische Diskurs (Kapitel C.IV.) und die Situation im Agrarsektor (Kapitel C.V.) die Diskussion über die Phänomene, welche die Branchenentstehung beeinflusst haben, abschließt. Im Anschluss daran wird ein Perspektivenwechsel vorgenommen, da die restliche Arbeit die Diffusion der deutschen Hagelversicherung aufzeigt. Da nicht alle Unternehmen der Branche in vollem Umfang berücksichtigt werden konnten, werden schwerpunktmäßig diejenigen Gesellschaften herangezogen, die heute unter dem Dach der ‚AgroRisk-Gruppe‘ versammelt sind. Dabei handelt es sich um die ‚Norddeutsche Hagelversicherungsgesellschaft‘, die ‚Leipziger Hagelversicherungsgesellschaft‘, die ‚Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft‘, die ‚­Ceres Hagelversicherungsgesellschaft‘ sowie die ‚Kölnische Hagelversicherungsgesellschaft‘. Daneben werden auch die ‚Schwedter Hagelversicherungsgesellschaft‘ und einige weitere Unternehmen berücksichtigt. Diese Auswahl erscheint aus mehreren Gründen sinnvoll. Zusammen deckten die Unternehmen bereits im 19. Jahrhundert einen großen Marktanteil ab. Zudem stellen sie einige der traditionsreichsten Gesellschaften dar, wodurch es möglich ist, die typischen Schwierigkeiten der ersten Jahrzehnte der Branchengeschichte zu untersuchen. Der besondere Reiz liegt zusätzlich in den beiden Rechtsformen, wodurch die unterschiedliche Geschäftspolitik von Versicherungsvereinen und Aktiengesellschaften untersucht werden kann.133 Die vorgenommene Periodisierung entspricht dem noch zu erörternden versicherungshistorischen Entwicklungsmodell:134 Kapitel D. behandelt in den Abschnitten D.I. bis D.IV. das ‚lange 19. Jahrhundert‘ der Geschichte der deutschen Hagelversicherung und damit die Zeit von circa 1800 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, wobei schwerpunktmäßig die regionale Entwicklung in Norddeutschland im Fokus steht. In Kapitel E. wird die räumliche Perspektive insofern gewechselt, da die Lösung der Hagelversicherungsfrage in Süddeutschland ana­lysiert wird. Die Kapitel F. und G. zeichnen die Entwicklung bis zur Gegenwart nach, wobei nun schwerpunktmäßig auf die Einflüsse verschiedener externer Rahmenbedingungen (Krieg, Inflation) auf das Branchengeschehen eingegangen wird. Das Kapitel H. fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen. 133 Zudem spielten hier Überlegungen hinsichtlich des Quellenbestandes eine Rolle, wie im folgenden Kapitel erörtert wird. 134 Vgl. Kapitel B.III.5.g).

II. Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

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3. Quellenbasis Abschließend soll die Quellenbasis vorgestellt werden, auf die sich die Arbeit stützt. Was die sich ändernde Wahrnehmung von Hagelschlägen betrifft, wurde eine Reihe von Traktakten herangezogen, die sich überwiegend auf ein singuläres Unwetter beziehen und die Ursachen von Hagelschlägen thematisieren. Speziell für die Frühe Neuzeit sind es theologische Schriften oder gedruckte Predigten, in denen der Hagel als göttliche Strafe interpretiert wird.135 Allerdings gab es auch schon Deutungen im Sinne eines weltlichen Unglücks, wie der Bericht über einen „grausame[n] und unbeschreibliche[n]“136 Hagelschlag zeigt. Des Weiteren wird auf eine Auswahl von wirtschaftlichen und frühen naturwissenschaftlichen Werken zurückgegriffen,137 um die sich wandelnde Perzeption des Hagels zu diskutieren. Zusätzlich untersucht die Arbeit, welche Bewältigungsstrategien gegen Unwetter konzipiert wurden, weshalb insbesondere die kameralistischen Schriften138 hinsichtlich der Organisation des (Hagel-) Versicherungswesen aus­gewertet werden.139 Für den branchen- und unternehmensgeschichtlichen Teil wurde auf das Mate­ rial einer Reihe von Archiven zurückgegriffen. An erster Stelle sind die Bestände der ‚Vereinigten Hagelversicherung‘ bzw. der unter ihrem Dach versammelten Gesellschaften zu nennen. Obwohl kriegsbedingt große Lücken vorhanden sind, konnte scheinbar verloren gegangenes und bis dato noch nicht aufgearbeitetes Material ausgewertet werden, die speziell für die Geschichte der ‚Norddeutschen Hagel‘, der ‚Leipziger Hagel‘ und der ‚Ceres‘ neue Erkenntnisse für die NS- und Nachkriegszeit liefern. Konkret umfasst dies die frühen Geschäftsberichte sowie die ersten Festschriften der jeweiligen Gesellschaften, Protokolle von Vorstandsund Aufsichtsratssitzungen, Niederschriften der Generalversammlungen und eine Reihe von persönlichen Erinnerungen, welche von ehemaligen Mitarbeitern und Führungskräften niedergeschrieben und dem Firmen­archiv übergeben wurden. Gerade die jeweiligen Aufzeichnungen der damaligen Unternehmensangehörigen liefern trotz der mitunter einseitigen und parteischen Darstellung wertvolle Erkenntnisse über wesentliche Vorgänge der Branchengeschichte. Zudem finden sich in den genannten Beständen auch manche Schriftstücke, welche in der bisherigen Literatur i. d. R. nur sekundär zitiert wurden und so erstmals überprüft werden konnten. An unternehmenshistorischen Quellen wurden weiterhin die Bestände des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs, des Firmenhistorischen Archivs der Allianz Versicherungsgesellschaft sowie des Bankhauses Sal. Oppenheimer & Cie. ausgewertet. Material beisteuern konnten zudem das Geheime Staatsarchiv 135 Exemplarisch Bramer, Donner (1577). Angemerkt sei, dass in einigen Fällen nicht zwischen Gewitter und Hagel unterschieden wird. 136 O. V., Wetter-Schaden (1674). 137 Vgl. exemplarisch Munke, Hagel (1829). 138 Vgl. für eine Einführung in die Entwicklung der Zeitschriften der Frühen Neuzeit Gierl, Korrespondenzen (2004) sowie Schulze, Geschichte (2004). 139 Vgl. z. B. Justi, Grundfeste (1760).

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Preußischer Kulturbesitz, das Bayerische Hauptstaatsarchiv, das Niedersächsische Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel, das Landeshauptarchiv Schwerin sowie die Stadtarchive von Köln und Wasserburg. An Periodika wurden die Allgemeine Deutsche Hagelversicherungs-Zeitschrift sowie die Zeitschrift des bayerischen landwirtschaftlichen Vereins ausgewertet. Insgesamt weisen die Quellen zur eigentlichen Branchengeschichte aber erhebliche Lücken auf. Dies ist zum einen auf die Verlagerung der meisten Hauptsitze der Hagelversicherer aus der sowjetischen Besatzungszone in die spätere Bundesrepublik nach 1945 zurückzuführen, wobei die Mehrheit des Archivguts ver­ lorenging. Ähnlich wie in anderen Branchen wuchs zudem erst seit kurzer Zeit das Verständnis für die Archivierung des eigenen Schriftgutes. Neben Lücken im Archivgut stellt sich speziell für die ersten Dekaden der Branchenentwicklung zudem das Problem von durchgängigen quantitativen Daten wie Umsatzzahlen der Branche oder einzelner Unternehmen.

III. Methodologische und methodische Überlegungen: Die deutsche Hagelversicherung in umwelt-, kultur- und wirtschaftshistorischer Perspektive 1. Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Obwohl sich die Arbeit primär als wirtschaftshistorische Studie versteht, will sie auch kulturgeschichtliche Aspekte diskutieren.140 Ob ein solcher Ansatz sinnvoll ist, ob Kultur- und Wirtschaftsgeschichte sich ergänzen können und was eigentlich im Kontext der Arbeit unter Kultur verstanden wird, soll im Folgenden diskutiert werden.141 140 Vgl. zur Einführung in die Kulturgeschichte Tschopp, Eklektizismus (2004), Burke, Kulturgeschichte (2005), Daniel, Kulturgeschichte (2005), sowie Daniel, Kompendium (2006). Die Heterogenität kulturgeschichtlicher Ansätze wird bei Silvia Serena Tschopp deutlich, die einen Vergleich zwischen der deutschen Kulturphilosophie, der französischen Mentalitäts­ geschichte sowie den britischen Cultural-Studies vornimmt. Demzufolge habe die deutsche Tradition zur Erweiterung des Kulturbegriffs beigetragen, die französischen Arbeiten wiederum den Mentalitätenbegriff in den Mittelpunkt der Forschung gestellt. Die englischen Vertreter seien Pioniere im Hinblick auf das Einbeziehen des Alltags in den kulturgeschichtlichen­ Kanon gewesen. 141 Dass hier nicht der Platz ist, um die Debatte bezüglich Definition und Positionierung des Faches Kulturgeschichte bzw. die damit verbundenen Methoden und Inhalte im Detail darzustellen, erscheint einleuchtend. Vgl. exemplarisch Berghoff/Vogel, Wirtschaftsgeschichte (2004), Wischermann, „Natur“ (2004), Grabas, Einführungsvortrag (2007), Berghoff, Nutzen (2007), Spoerer, Explanandum (2007) sowie Grabas, Wirtschaftskrisen (2012). Angemerkt sei, dass heute oft von der ‚Neuen Kulturgeschichte‘ gesprochen wird und mit dem Attribut ‚Neu‘ eine bewusste Unterscheidung von älteren Ansätzen wie diejenigen von Aby Warburg oder Ernst-Robert Curtius betont werden soll. Dass diese – ebenso wie die Historische Anthro­ pologie – die Neue Kulturgeschichte wesentlich beeinflusst haben, darf aber nicht ver­gessen

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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Dinge wie die bewusste Verneinung einer jenseits der menschlichen Wahrnehmung vorhandenen objektiven Realität mögen auf der einen Seite zur Skepsis mancher Historiker gegenüber kulturgeschichtlichen Überlegungen beigetragen haben. Dass auf der anderen Seite von der Kulturgeschichte zahlreiche fruchtbringende Anregungen für die Geschichtswissenschaft ausgehen, darf aber hier nicht vergessen werden: Beispielsweise hat die Historische Anthropologie den Blick dafür geschärft, dass Geschichte nicht nur ein stetig voranschreitender Modernisierungsprozess ist, sondern auch Rückschritte oder – um ein berühmtes Wort von Ernst Bloch aufzunehmen – Phänomene einer ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ existieren.142 Daneben ist positiv zu bewerten, dass die Kulturgeschichte insbesondere das in der neoklassischen Wirtschaftstheorie vertretene Weltbild des ‚homo oeconomicus‘ in Frage stellt und außer dem dort propagierten rationalen Maximieren des individuellen Nutzens auch andere Facetten heranzieht, um eine umfassendere und wirklichkeitsnähere Anthropologie zu schaffen.143 Speziell in der Ökonomie sind diese Diskussionen im Übrigen keine neuen Phänomene. Denn werden. Vgl. Burke, Kulturgeschichte (2005), S.  75–110 sowie generell Maurer, Kulturgeschichte (2005). Landwehr und Stockhorst verstehen unter der Neuen Kulturgeschichte die Synthese aller lebensweltlich orientierten Zugänge, welche innerhalb der Geschichtswissenschaft die Mentalitätsgeschichte, die Mikrohistorie, die Alltagsgeschichte sowie die Frauen- und Geschlechtergeschichte integriert. Vgl. Landwehr/Stockhorst, Einführung (2004), S. 91 mit einer grafischen Aufbereitung zur Weiterentwicklung der „Neuen“ Kulturgeschichte aus der klassischen Sozialgeschichte. Frühwald und seine Kollegen sehen die Entstehung der Mentalitätsgeschichte als Ergebnis einer Kooperation zwischen der strukturalistischen Methode und sozialwissenschaftlichen Ansätzen. Vgl. Frühwald u. a., Geisteswissenschaften (1991), S. 66. 142 Der Terminus einer ‚Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen‘ wurde erstmals von dem Kunsthistoriker Wilhelm Pinder im Jahr 1926 geprägt. Pinder verwendet den Begriff, um das gleichzeitige Vorhandensein verschiedener Kunststile zu erklären. Auch fließt diese Auffassung in sein allgemeines Geschichtsbild bzw. seine Überzeugung von sich überlappenden Lebensläufen bei ein und der selben Person ein: „Eine Wissenschaft aber, die vergangene Erlebnisformen, niedergeschlagen in Werken, dem Tode wieder abjagen will, eine als Kampf gegen den Tod und für das Leben zeugungskräftige Historie sollte doch eben jenen kalten Begriff der objektiven Strecke durch den lebenswarmen der subjektiv verschiedenen Zeiten, die sie enthält, differenzierend auflösen, um ihn dann synthetisch wieder als das sehen zu können, was er geschichtlich ist: mehr-, nicht eindimensional. Man könnte von der versteckten ‚Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen‘ reden.“ Vgl. Pinder, Problem (1926), S. 11–41, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 22. Später wurde die Idee u. a. von Ernst Bloch aufgegriffen, der es in einen philosophischen Kontext hinsichtlich der Zustände im nationalsozialistischen Deutschland stellte. Im Hinblick auf den Aufstieg des NS-Gedankenguts bemerkt Bloch u. a. folgendes: „Gleichzeitige Menschen könnten trotz aller Mittelstellung[,] trotz allen Scheins[,] sich nicht großenteils so archaisch verwildern und romantisieren lassen. […] Es wirken dann Antriebe und Reserven aus vorkapitalistischen Zeiten und Überbauten, echte Ungleichzeitigkeiten mithin, die eine sinkende Klasse in ihrem Bewußtsein rezent macht oder rezent machen lässt. […] Eben dies relative Chaos [als Folge der Wirtschaftskrise] wälzte dem Nationalsozialismus ‚Unzeitgemäßes‘, Ungleichzeitiges [aus] der Barbarei zu; und es hätte in Deutschland keines Nietzsche bedurft, um die Antithesen Blut gegen Geist, Wildheit gegen Moral, Rausch gegen Vernunft zu einer Verschwörung gegen die Zivilisation werden zu lassen.“ Vgl. Bloch, Erbschaft (1935), S. 76–102, die wörtlichen Zitate finden sich auf S. 78 und 80. 143 Vgl. Weber, Einleitung (2007).

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die „große Antinomie der Nationalökonomie“144 – also die Vereinbarkeit von universal gültigen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten mit den historisch-indivi­duellen Besonderheiten des wirtschaftlichen Geschehens  – war bereits nach der Ver­ öffentlichung von Adam Smiths ‚Wohlstand der Nationen‘ Gegenstand kontroverser Diskussionen.145 Auch manche Wirtschaftshistoriker stehen der Anwendung von kulturgeschichtlichen Theorien immer noch ablehnend gegenüber, da sie die Gefahr einer Ver­ wäs­serung der durch quantitative ökonomische Methoden erzielten Forschungs­ resultate sehen.146 Diese lange Zeit innerhalb der Zunft scheinbar gefestigte Position ist in jüngerer Zeit jedoch hinterfragt worden, so dass etliche Fachvertreter auch den Nutzen erkennen, der sich aus der Integration von Kulturgeschichte in das eigene Fach ergeben kann.147 Erst kürzlich hat Margrit Grabas explizit die Einbeziehung von kulturgeschichtlichen Überlegungen in die Konjunktur- und Wirtschaftskrisenforschung gefordert – was Felder sind, die bisher nicht unbedingt mit Kulturgeschichte in Verbindung gebracht wurden. Grabas zufolge könne beispielsweise die Rekonstruktion von historischen Stimmungsbarometern mit Hilfe von kulturgeschichtlichen Methoden die bisherigen Ergebnisse der Konjunkturforschung fruchtbringend ergänzen. Da (Wirtschafts-)Krisen letztendlich immer auch das Ergebnis von menschlichen Handlungen und Entscheidungen bzw. deren Interpretation sind, erscheint diese methodische Erweiterung sinnhaft. Stimmungen, Ängste oder Hoffnungen seien zwar nicht quantifizierbar, würden aber deutlich die konjunkturelle Entwicklung beeinflussen. Insofern sei für ein besseres Verständnis davon die Einbeziehung von kulturgeschichtlichen Methoden und Fragestellungen unabdingbar. Gleichzeitig würde dies zeigen, dass Kultur auch als Explanans und nicht nur als Explanandum fruchtbringend eingesetzt werden könne.148 Dass diese Forderung natürlich nicht mit einem Plädoyer für die völlige Abkehr von quantitativen Methoden missverstanden werden darf, erscheint einleuchtend. Will man jedoch die immer wieder eingeforderte Interdisziplinarität realisieren und mit den neuesten Entwicklungen in der Ökonomie149 Schritt halten, ist eine me 144

Eucken, Grundlagen (1990), S. 15 f. Vgl. Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 21–61. 146 Wie Margrit Grabas zu Recht kritisiert, findet sich innerhalb des von Ambrosius, Petzina und Plumpe herausgegebenen Einführungsbandes „Moderne Wirtschaftsgeschichte“ kein Artikel über kulturgeschichtliche Ansätze. Vgl. Grabas, Einführungsvortrag (2007), S. 175. 147 Vgl. z. B. Siegenthaler, Geschichte (1999) sowie Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 11–20. 148 Vgl. Grabas, Gründerkrise (2011), S. 84–86 und insbesondere Grabas, Wirtschaftskrisen (2012). 149 Hartmut Berghoff konstatiert, dass kulturelle Fragestellungen bereits ihren Weg in die Wirtschaftswissenschaften gefunden hätten und diese sich zu einer „[…] universellen Handlungswissenschaft erweitert, sich also mit so diversen Themen wie Kriminalität, Drogenkonsum […] sowie mit subjektiven, kulturell koordinierten Wahrnehmungsmustern [beschäftigt.]“ Das wörtliche Zitat findet sich bei Berghoff, Nutzen (2007), S. 178. Damit verbunden ist ebenfalls eine Erweiterung des Rationalitäts- und Nutzenbegriffs. Vgl. Ebd. Im Übrigen 145

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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thodische Öffnung der Wirtschaftsgeschichte erforderlich.150 Insofern fordert Margrit Grabas für die künftige wirtschaftshistorische Forschung eine „[bewusste] Verknüpfung von Prozess-, Struktur-, Ereignis- und Kulturdimensionen[.]“151 Auch in dieser Arbeit wird für die Einbeziehung von kulturellen Faktoren wie Vertrauen oder Mentalitäten in die Untersuchung von langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen plädiert,152 da diese als Chance und Bereicherung für die Wirtschaftsgeschichte gesehen werden.153 Insofern hofft die vorliegende Arbeit mit ihrer Integration von kulturgeschichtlichen Fragestellungen in die wirtschaftshistorische Forschung einen Beitrag zur angesprochenen Interdisziplinarität leisten zu können. Problematisch  – oder Ute Daniel zufolge nicht möglich154  – ist nun eine Definition des Kulturbegriffs, da dieser mit vielen Inhalten belegt sei. Für die Entscheidung, welche Auffassung von Kultur der vorliegenden Studie zugrundeliegt, wird auf die Erkenntnisse von Andreas Reckwitz zurückgegriffen, der eine Typologisierung der zahlreichen Definitionen des Terminus vornimmt. Er unterscheidet nach vier Begriffstypen: dem normativen,155 dem totalitätsorientierten, dem differenzierungstheoretischen156 sowie dem bedeutungs- bzw. wissensorien­ tierten Kulturbegriff. vollzogen sich diese wegweisenden Anregungen auch in umgekehrter Richtung: Bei einer Reihe kulturgeschichtlicher Forschungsrichtungen wie der Historischen Anthropologie oder der Alltagsgeschichte finden sich ökonomische Fragestellungen, beispielsweise im Hinblick auf die Untersuchung der Bedingungen der Industrialisierung. Auf der anderen Seite haben kulturelle Aspekte bereits ihren Einzug in die Wirtschaftswissenschaften gehalten, wie die Neue Institutionenökonomie oder die Evolutionsökonomie zeigen. Vgl. Berghoff/Vogel, Kulturgeschichte (2004), S. 14–24. 150 Vgl. Casson/Godley, Factors (2000), S. 2 f. sowie Grabas, Wirtschaftskrisen (2012), S. 262 f. Im Übrigen finden auch im Bereich der Agrargeschichte historisch-anthropologische Ansätze Verwendung. Vgl. Troßbach, Anthropologie (1997). 151 Grabas, Wirtschaftskrisen (2012), S. 261. Hervorhebung im Original. 152 Vgl. Berghoff/Vogel, Kulturgeschichte (2004), S. 15. 153 Vgl. auch Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 1. 154 Daniel, Kulturgeschichte (2005), S. 352. 155 Der normative Kulturbegriff wurde im Zuge der Aufklärung geprägt: Kultur sei demnach eine idealtypische, von jedem Menschen begehrte Lebensweise. Gleichzeitig verliert der Terminus damit aber auch seine Wertfreiheit, da ein Gegensatz zwischen ‚Kultur‘ und ‚Zivilisation‘ konstruiert wird. Zivilisation umfasst Kant zufolge gerade nicht Moralvorstellungen, denn diese seien der Kultur zuzuordnen. Kultur basiert also auf bestimmten Normen, deren Einhaltung suggeriert, dass man sich kulturell und eben nicht nur zivilisiert verhalte. Wenig überraschend hat sich hieraus Kritik entzündet. Einer der hierbei angeführten Punkte verweist darauf, dass die Verwendung des normativen Kulturbegriffs trotz seiner gesellschaftsbezogenen Perspektive es nur schwer ermöglichen würde, dem Begriff der Kultur mit einer heuristischen Konnotation für kultur- und sozialwissenschaftliche Analysen zu belegen. 156 Der differenzierungstheoretische Kulturbegriff verengt nun die Bedeutung von Kultur: Anders als bei der totalitätsorientierten Auffassung ist Kultur lediglich ein soziales Teilsystem des menschlichen Lebens, das sich mit Hilfe verschiedener Institutionen auf die Inter­pretation der unterschiedlichen Weltsichten spezialisiert. Von dieser Hochkultur streng getrennt sind die Massenkultur und der Alltag. Allerdings sind auch hier Tendenzen erkennbar, dass diese Auffassungen vom bedeutungs- bzw. wissensorientierten Kulturbegriff absorbiert werden.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Beispielsweise historisiert der totalitätsorientierte Kulturbegriff im Gegensatz zum normativ-universalistischen Ansatz den Kulturbegriff. Kultur ist damit keine Idealvorstellung mehr, sondern die konkrete Lebensweise von Kollektiven zu einer bestimmten Zeit. Die Historisierung bedeutet gleichzeitig, dass Kultur immer im Kontext gelesen werden muss.157 Hierbei umfasst Kultur all das, was nicht von der Natur hervorgebracht ist. Wissenschaftsgeschichtlich gesehen hatte diese Auffassung im 19.  Jahrhundert großen Einfluss. Im deutschsprachigen Raum war er Grundlage für die kulturgeschichtlichen Arbeiten von Burckhardt oder­ Lamprecht. Speziell aber die im anglo-amerikanischen Raum entstehende Kultur­ anthropologie berief sich hierauf. Letztendlich kann der hier zugrundeliegende Kulturbegriff mit folgender Unterteilung zusammengefasst werden: Kultur umfasst erstens Gewohnheiten im Sinne von beobachtbarer Lebensweise, zweitens die hierfür verantwortlichen ideellen und normativen Voraussetzungen  – also Glaube oder Werte – sowie drittens die hierbei erzeugten Dinge wie die Kunst und das Recht. Somit wird gerade kein Gegensatz zwischen Kultur und Zivi­lisation postuliert. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang aber insbesondere der propagierte Gegensatz zwischen Kultur und Natur. Auch aus diesem Grund ist in den modernen Kulturwissenschaften eine Eingliederung des totalitätsorientierten in den bedeutungs- bzw. wissensorientierten Kulturbegriff zu beobachten. Letztendlich ist es gerade die wissensorientierte Auffassung von Kultur, welche im Kontext der vorliegenden Arbeit Verwendung findet. Kultur umfasst demnach eine Reihe von Praktiken, um die Welt bzw. die Wirklichkeit zu deuten und zu interpretieren oder mit anderen Worten: „‚Kultur‘ sind [jene] Sinn­systeme, über die die Akteure im Sinne von ‚geteilten‘ Wissensordnungen verfügen, die ihre spezifische Form des Handelns ermöglichen und einschränken.“158 Dies knüpft u. a. auch an die Kulturphilosophie von Ernst Cassirer an,159 der es als entscheidendes Merkmal der menschlichen Lebenswirklichkeit ansieht,160 dass der Mensch eine Welt voller Symbole ständig interpretieren und eine Bedeutung verleihen würde.161

157 Es gibt also keine idealtypischen Vorstellungen mehr und es werden nicht mehr Zivilisationen mit ‚der‘ Kultur verglichen, sondern verschiedene Kulturen – beispielsweise von unterschiedlichen Völkern – zu ihren jeweiligen Zeiten gegenüber gestellt. 158 Reckwitz, Transformation (2000), S. 85. 159 Seine wichtigsten Anregungen erhält der bedeutungs- bzw. wissensorientierte Kultur­ begriff jedoch aus der Hermeneutik und der Phänomenologie, der Semiotik und dem Strukturalismus, dem Pragmatismus sowie der Philosophie nach Ludwig Wittgenstein. 160 Vgl. Cassirer, Logik (1980). 161 Vgl. Reckwitz, Transformation (2000), S. 64–90. Ähnlich auch Scribner, Religion (2006), S. 53 f.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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2. Der Hagel als Naturkatastrophe? Für den weiteren Fortgang der Arbeit ist ebenfalls zu klären, was eigentlich unter einer (Natur-)Katastrophe verstanden wird und wie diese im historischen Kontext zu erkennen ist. Zudem ist die berechtigte Frage zu stellen, inwieweit Hagelschläge tatsächlich in eine Reihe mit Vulkanausbrüchen oder Sturmfluten und den damit verbundenen Schäden einzuordnen sind. Allerdings konnte man sich bis heute noch nicht auf eine allgemein anerkannte Definition des Katastrophenbegriffs einigen.162 Olaf Briese drückt dieses Dilemma wie folgt aus: „Katastrophe als solche – der Nichtforschungsstand übertrifft alle Erwartungen – ist eine gravierende theorie- und begriffsgeschichtliche Leerstelle.“163 162

Vgl. z. B. Pfister, Tag (2002), S. 15 f. Auch was die Konnotationen des Begriffs im Zeit­ ablauf betrifft, herrscht in der Literatur kein einheitliches Bild. Beispielsweise geht Olaf Briese davon aus, dass ‚Katastrophe‘ bis in das 18. Jahrhundert hinein v. a. in Verbindung mit dem Theater gebraucht wurde und dabei zwei Aspekte bezeichnet hätte: „Erstens: Katastrophe ist ein innerdramaturgischer Vorgang; zweitens: sie bringt […] Komödien und explizit auch Tragödien zu einem der Tendenz nach erfreulichen Ende, sie führt zu Stille und Ruhe.“ Diese Bedeutungszuschreibungen hätten sich jedoch dann ins Gegenteil verkehrt, so dass Katastrophe nunmehr auch regelmäßig als Bezeichnung für plötzliche, nun mitunter auch negative Veränderungen im realen Leben – nicht zuletzt durch Naturereignisse – verwendet wurde. Briese zufolge sei dies aber vereinzelt bereits vorher geschehen, da der Katastrophenbegriff in Zusammenhang mit natürlichen Extremereignissen im Deutschen wohl erstmals 1597 im Rahmen einer Abhandlung über Kometeneinflüsse aufgetaucht sei. In dem Traktat ist er jedoch im Sinne einer „radikale[n], positive[n] apokalyptische[n] Transformation“ gebraucht. Vgl. Briese, Katastrophenbegriffe (2009), die wörtlichen Zitate (mit Hervorhebungen im Original) finden sich auf S. 29 und 32. Mit Brieses Hinweis auf das späte 16. Jahrhundert ist auch Guido Poliwodas Aussage zurückzuweisen, wonach ‚Katastrophe‘ als Bezeichnung von natürlichen Extremereignissen erstmals 1784 in Zürich zum Einsatz gekommen sei. Vgl. Poli­woda, Katastrophen (2007), S. 30. Gerrit Jasper Schenk vertritt jedoch eine andere Meinung hinsichtlich des Zeitpunkts der Verwendung des Katastrophenbegriffs im negativen Sinn. Während Briese wie gesehen die prägenden Jahrzehnte in der Sattelzeit zwischen 1750 bis 1850 sieht, verortet Schenk dies wesentlich früher. Zwar habe es in der Frühen Neuzeit verschiedene Diskussionen zur Schärfung des Begriffs gegeben. Übersehen würde aber, „[…] dass die Semantik von ‚Katastrophe/disastro/Krise‘ in ihrer pluralen Anwendbarkeit auf Beziehungen zwischen Himmel und Erde [,] zwischen Natur und Kultur in einer gleichsam vormodernen begriffsgeschichtlichen Sattelzeit angelegt wurde und so erst die späteren Differenzierungen [in] unterschiedlichen Kontexten ermöglichte.“ Wann dies aber genau erfolgt sei, ist Schenk zufolge einstweilen noch nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Die These der Formung des Katastrophenbegriffs in einer vormodernen Sattelzeit stellt jedoch einen interessanten Vorschlag dar und sollte weiter diskutiert werden. Vgl. Schenk, Sattelzeit (2013), S. 191–200, das wörtliche Zitat (mit Hervorhebung im Original) findet sich auf S. 192. Weitere Begriffdiskussionen finden sich u. a. bei Groh/Kempe/Mauelshagen, Einleitung (2003), S. 15–19 sowie Walter, Katastrophen (2010), S. 16–20. Zum Schluss sei angemerkt, dass gegen Mitte des 19. Jahrhunderts der Katastrophenbegriff nun endgültig mit natürlichen Extremereignissen verbunden wurde, wie ein Blick in das ‚Neueste Conversations-Lexikon‘ aus dem Jahr 1853 zeigt. Ein katastrophales Ereignis wird dort als „[…] jede entscheidende Wendung in der Entwickelung eines menschlichen Geschicks, eines geschichtlichen Verhältnisses, ja selbst eines Natur­ ereignisses“ definiert. Neuestes Conversations-Lexicon, Band 8 (1853), S. 698. 163 Briese, Katastrophenbegriffe (2009), S. 25. Ähnlich auch bei Boin, Crisis (2005), S. ­159–171.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

In einer ersten Annäherung an eine Definition sei auf einen bemerkenswerten Satz des Schweizer Schriftstellers Max Frisch hingewiesen: „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt. Die Natur kennt keine Katastrophen.“164 Auf diese grundsätzliche Unterscheidung wird noch zurückzukommen sein. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen haben dem (Natur-)Katastrophenbegriff in den letzten Jahren ihre Aufmerksamkeit geschenkt165 – wobei im Übrigen gerade innerhalb der Geschichtswissenschaft der lange aufrecht erhaltene Gegensatz zwischen Krise als längerfristigem Phänomen und Katastrophen als plötzlich hereinbrechendes Ereignis aufgeweicht wurde. Vielmehr wird auch die Katastrophe als längerfristige Transformationsphase interpretiert, weshalb der Krisen- und Katastrophenbegriff mitunter synonym verwendet werden.166 Einer dieser Diskurse findet innerhalb der Soziologie statt,167 wobei Charles E. Fritz ‚disaster‘ definiert als „[…] event, concentrated in time and space, in which a society, or a relatively self-­sufficient subdivision of a society, undergoes severe danger and incurs such losses to its members and physical appurtenances that the social structure is disrupted and the fulfillment of all or some of the essential functions of the society is disrupted.“168

Folgt man der Auffassung von Fritz, stellt eine Katastrophe also eine Be­ drohung für die Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft dar. Konkret wird durch ein katastrophales Ereignis neben dem ‚eigentlichen‘ Überleben der Menschen u. a. auch die herrschende gesellschaftliche Ordnung oder das bis dato geltende Wertesystem erschüttert.169 164

Frisch, Mensch (1986), S. 271. Treffend hierzu Susan L. Cutter: „How are we ever going to advance social science­ perspectives on risk, hazards, and disasters if we are unaware of the totality of social science perspectives that can be brought to bear?“ Cutter, Question (2005), S. 40. 166 Vgl. Schenk, Sattelzeit (2013), S. 178 f. 167 Die Sozialwissenschaften beschäftigen sich seit ungefähr 1920 mit Katastrophen und deren gesellschaftlichen Auswirkungen. Vgl. Prince, Catastrophe (1920) sowie Carr, ­Disaster (1932). Diese Hinweise verdanke ich Uwe Lübken sowie Christian Rohr. Ein aktueller fundierter Überblick sowie detaillierte Anregungen für die künftige Forschung finden sich bei E. L. Quarantelli, der in seinem Beitrag die Weiterentwicklung der ‚Disaster‘-Forschung vor dem Hintergrund theoretischer, methodologischer sowie empirischer Fragestellungen und deren praktischer Umsetzung diskutiert. Vgl. Quarantelli, Agenda (2005). Soweit erkennbar, wurden dessen Anregungen bislang im deutschen Sprachraum jedoch nur wenig auf­ge­nom­ men. Größeren Einfluss speziell auf die deutsche Umweltgeschichtsschreibung üben u. a. Anthony Oliver-Smith, Keith Smith, Susanna M. Hofman sowie Ulrich Beck aus. Vgl. Oliver-­ Smith, Research (1996), Hofman und Oliver-Smith, Earth (1999), Smith, Hazards (2001) sowie Beck, Weltrisikogesellschaft (2007). 168 Fritz, Disaster (1961), S. 655. 169 Vgl. Fritz, Disasters (1968), S. 202. Fritz zufolge könnten Katastrophen aber auch positive und therapeutische Effekte haben. Angesichts einer Bedrohung, der man sich gemeinsam gegenübersehe, würde gleichzeitig auch die Solidarität untereinander anwachsen bzw. wirtschaftliche und soziale Grenzen, die vorher zwischen den Betroffenen geherrscht hätten, zeitweilig verschwinden. Vgl. Ebd., S. 206. 165

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Unabhängig vom jeweiligen fachlichen Hintergrund wird zwischen ‚(natural) hazards‘ und ‚(natural) disasters‘ unterschieden. ‚Natural hazard‘ beschreibt die Gefahr bzw. Bedrohung durch natürliche Ereignisse, im vorliegenden Fall also durch Hagelschläge. Sollte die Gefahr eintreten, spricht man von ‚natural disas­ ter‘.170 Nicht zuletzt aus versicherungstechnischer Sicht liegt dann ein Risiko vor, also ein Ereignis, bei dem es möglich ist, eine Eintrittswahrscheinlichkeit zu bestimmen.171 Diesen Unterschied zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen – bzw. sich der Tatsachen bewusst zu sein, dass die (natürliche) Ursache eben nicht immer alle daraus resultierenden Konsequenzen erklären könne – sei Franz Mauels­hagen entscheidend für die weitere Untersuchung dieser Phänomene.172 Denn aufgrund der soeben vorgenommenen begrifflichen Differenzierung ist es möglich, zum einen die natürlichen Vorgänge, zum anderen deren mitunter katastrophale Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft unbhängig voneinander zu analysieren.173 Wie Max Frisch es implizit angedeutet hat, ist somit ‚Hazard‘ das auslösende Moment und ‚disaster‘ das darauf folgende Ereignis, das soziale, ökonomische und kulturelle Prozesse bzw. Konsequenzen nach sich ziehen kann.174 Die angesprochenen Konsequenzen können mit dem Konzept von ‚vulnerabi­ lity‘ bzw. Verwundbarkeit175 näher untersucht werden.176 Steven Engler schlägt im Zusammenhang mit der Erforschung von Hungersnöten ein Vier-Phasenmodell („Famine Vulnerability Analysis Model – FVAM“) vor, welches teilweise auch auf die Erforschung von Hagelkatastrophen angewendet werden kann:177 170 In Anlehnung an Schenk, Research (2007). Nach Anthony Oliver-Smith und Susanna M. Hoffman ist ‚Disaster‘ definiert als „process/event combining a potentially destructive agent/force from the natural, modified, or built environment and a population in a socially and economically produced condition of vulnerability, resulting in a perceived disruption of the customary relative satisfactions of individual and social needs for physical survival, social order, and meaning.“ ‚Hazards‘ wiederum sind „the forces, conditions, or technologies that carry  a potential for social, infrastructural, or environmental damage[.]“ Oliver-Smith und Hoffman, Introduction (2001), S. 4. Alternative Begriffsbestimmungen finden sich bei Susan L. Cutter: „[H]azards are the potential threats to people and the things they value as well as the impact of an event on society and the environment[;] disasters are sin­gular (or inter­active) events that have a profound impact on local people or places in terms of injuries, d ­ eaths, property damages or environmental impacts.“ Cutter, Pragmatism (2005), S. 105. 171 Vgl. ausführlich Kapitel B.II.3.a). 172 Vgl. Mauelshagen, Disaster (2009), S. 42 f. 173 Vgl. Smith, Hazards (2001), S. 6–11 sowie Walter, Katastrophen (2010), S. 15 f. 174 Vgl. García-Acosta, Research (2001), S. 57. E. L. Quarantelli spricht explizit im Zusammenhang mit ‚disaster‘ von einer ‚social occasion‘. Entsprechend lehnt er den Begriff eines ‚natural disasters‘ ab. Vgl. Quarantelli, Agenda (2005), S. 343, dort auch die wörtlichen Zitate. 175 Vgl. Oliver-Smith und Hoffman, Earth (1999), Hoffman und Oliver-Smith, Catastrophe (2001) sowie Bankoff, Vulnerabilities (2007). 176 Vgl. Cutter, Question (2005), S. 39 f. Susan L. Cutter weist darauf hin, dass gerade die Interdependenzen und Abhängigkeiten zwischen Technik, Natur und Gesellschaft das Ausmaß der Verwundbarkeit bestimmen würden. 177 Vgl. Engler, Famine (2012) sowie Engler u. a., Famine (2013).

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

– Phase Eins beinhaltet die so genannte Vor-Verwundbarkeit gegenüber der Kata­ strophe. Hier kann nochmals zwischen ‚Social Vulnerability‘ und ‚Environmental Vulnerability‘ unterschieden werden. Faktoren, welche die soziale Verwundbar­ keit beeinträchtigen, werden nochmals u. a. in bevölkerungsbezogene (z. B. Bevölkerungsgröße und deren Wachstum), politische (wie das herrschende politische System), marktbezogene (Grad der Marktintegration oder die Getreide­preise) sowie agrartechnische Faktoren (beispielsweise die Diversifikation hinsichtlich der Agrarproduktion) differenziert. Was die umweltbezogene Verwundbarkeit betrifft, sind hier u. a. klimatische Faktoren zu nennen. – Die zweite Phase umfasst die ‚Initiating Drivers‘ und damit bestimmte Faktoren der ‚social‘ und ‚environmental vulnerability‘, welche die Auswirkungen einer Katastrophe erst initiieren oder sogar verstärken können. Hierzu sind u. a. die politischen und klimatischen Rahmenbedingungen zu zählen. – Basierend auf den ‚Initiating Drivers‘ sind drittens oftmals Wechselwirkungen zwischen Einflüssen auf die vormoderne Gesellschaft (beispielsweise Miss­ ernten, die zu Versorgungsengpässen führen) und den so genannten kurzfristigen Bewältigungsstrategien (‚coping strategies‘) festzustellen. Darunter sind z. B. die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten, die Bettelei der von einer Katastrophe betroffenen Menschen, aber auch religiöse Handlungen wie Gebet oder Prozessionen zu subsumieren. – Schließlich umfasst die vierte Phase langfristige Anpassungsstrategien (‚adaptation‘) und damit die Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft (resilience), welche beispielsweise die Auswanderung der von der Katastrophe betroffenen Personen oder neue Anbaumethoden sein können. Insbesondere sind hier aber längerfristige Lernprozesse zu nennen – und damit nicht zuletzt auch die Gründung bestimmter Institutionen, welche sich auf Vorbeugemaßnahmen oder die Schadensvergütung spezialisieren. Im Übrigen berührt dies auch kulturelle Aspekte. Zudem sei es Franz Mauelshagen zufolge gerade in Bezug auf die Heraus­ bildung derartiger Strategien wichtig, nicht nur ein singuläres Ereignis zu betrachten, könne man doch aus einer einmaligen Erfahrung heraus nicht genügend Daten für die Etablierung speziell von langfristigen Strategien ableiten.178 Kulturelle Aspekte betreffen aber nicht nur Anpassungsstrategien, sondern auch die sich ändernde Wahrnehmung und Verarbeitung des natürlichen Extremereignisses selbst. Anknüpfend an die Überlegungen des vorherigen Kapitels zeigt es sich, dass sich für die Untersuchung dieser Phänomene kulturgeschichtliche Ansätze als zielführend erweisen.179 Auf der Basis des bereits diskutierten be­ 178

Vgl. neben Engler speziell zu diesem Punkt Mauelshagen, Disaster (2009), S. 44–58. Der Grundstein für die Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive wurde durch die französische Annales-Schule gelegt. Vgl. Sellin, Mentalität (1985), S. 561– 566 sowie Tschopp, Eklektizismus (2004), S. 46–52. Als Konsequenz der Perspektivenerweiterung durch Lucien Febvre hin zu einer ‚histoire totale‘ wurden auch natürliche Vorgänge als eigenständige historische Akteure anerkannt. Vgl. Febvre, Terre (1922). 179

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deutungs- bzw. wissensorientierten Kulturbegriffs besteht das grundlegende Forschungsparadigma in der Untersuchung des Menschen, seiner Mentalitäten und der damit verbundenen handlungsleitenden Vorstellungen.180 Katastrophen prägen sich den Menschen immer stärker ins Gedächtnis ein als der Alltag, weshalb aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive aus gesehen ein außergewöhnliches Naturschauspiel erst aufgrund der individuellen menschlichen Interpretation zu einem Extremereignis wird.181 Christian Rohr hat in diesem Zusammenhang fundierte Kriterien erarbeitet, mit deren Hilfe eine Identifizierung von katastrophalen Ereignissen in den Quellen möglich ist: Ratlosigkeit in Bezug auf die Ursachen des Naturereignisses, direkte oder indirekte Betroffenheit der Bevölkerung, ein plötzlicher bzw. unerwarteter Eintritt des Extremereignisses, eine Häufung der Vorfälle in relativ kurzen Abständen, metaphysische oder symbolhafte Interpretationen sowie ein allgemeines Gefühl, in krisenbehafteten Zeiten zu leben.182 In Bezug auf die Erforschung der Wahrnehmungsänderungen sind allerdings einige kritische Punkte zu bemerken, die im Laufe der Arbeit an geeigneter Stelle vertieft werden. Dies betrifft einmal die Quellenauswertung selbst. Verschiedene Ansätze sind hierzu vorgeschlagen worden, wobei beispielsweise Peter Burke für indirekte Zugänge plädiert. Demnach sei es möglich, die Kultur des ‚einfachen Volkes‘ anhand von ‚Mediatoren‘ wie Predigern zu erforschen. Diese Vermitt­ ler oder ‚Broker‘ zwischen der gelehrten Kultur und der Volkskultur seien mitunter ebenfalls Angehörige der Unterschicht gewesen, die den gesellschaftlichen Aufstieg in gebildete Kreise vollzogen hätten.183 Robert Scribner wendet hier jedoch kritisch ein, dass diese Vermittlung sich immer in beide Richtungen vollziehen würde. Deshalb sei eine Unterscheidung, was als populär bzw. gelehrt oder elitär gelten könne, nicht nachvollziehbar. Letztendlich würde man daher nicht die Einstellungen bzw. eine wie auch immer geartete Volkskultur184 selbst untersuchen, sondern nur einen nicht unproblematischen Vermittlungsprozess.185 Was die Quellen selbst betrifft, ist einmal anzuführen, dass diese größtenteils die Meinung der schreibfähigen Personen wiedergeben. Die Meinung derjenigen Zeitgenossen, die dies nicht konnten – wozu wohl in der Frühneuzeit der größte Teil der 180

Vgl. Tschopp, Eklektizismus (2004) sowie Tschopp, Rekonstruktion (2005). Vgl. Laube, Versicherung (2001), S. 502 bzw. generell Rohr, Mensch (2001) bzw. Rohr, Naturereignisse (2007). 182 Vgl. Rohr, Naturereignisse (2007), S.  55–62 sowie Rohr, Naturkatastrophen (2009), Sp. 18. Rohr spricht in diesem Zusammenhang explizit von einer „mentalitätsbezogenen Ka­ tastrophenforschung.“ Vgl. Rohr, Mensch (2001). 183 Vgl. Burke, Culture (1978), S. 65–87. 184 Nach Robert Scribner handelt es sich bei Volkskultur entweder „[…] um eine Massenkultur[,] die den Bildungs- und politischen Eliten gegenüberzustellen wäre, ob sie ein Kulturangebot war, nach dem in einer gegebenen Gesellschaft ein breites Bedürfnis bestand und das konsumiert wurde, oder ob sie die ‚niedere Tradition‘ im Gegensatz zur ‚hohen Tradition‘ bildete.“ Scribner, Religion (2006), S. 42. 185 Vgl. Scribner, Religion (2006), S. 48; 51 f. 181

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Landbevölkerung gehört haben dürfte186 – findet hier keine Berücksichtigung. Insofern bilden die uns vorliegenden Überlieferungen und literarischen Zeugnisse nicht unmittelbar und neutral die Empfindungen der Betroffenen ab, sondern vielmehr diejenigen der erwähnten Mediatoren.187 Zudem gab es wenig überraschend ‚den Bauern‘ nicht. Folglich ist eine Rekonstruktion der Wahrnehmung der Landbevölkerung als unmittelbar vom Hagel betroffene Gruppe im Gegensatz zur Abbildung möglicher Reaktionen darauf nur schwer durchführbar.188 Insofern zeigen die in der Arbeit verwendeten Quellen die Interpretationsmuster der zeitgenössischen Gelehrten – Kittsteiner nennt diese „normsetzende Schichten“189 – also von Theologen, frühen Naturwissenschaftlern und Ökonomen.190 Jedenfalls wird versucht, aus dem vorliegenden Material Ideal­t ypen hinsichtlich der Perzeption191 von Hagelschlägen zu konstruieren. Diese individuellen Reflexionen setzen je nach Charakter ihres Verfassers einen anderen Schwerpunkt.192 Wie noch zu zeigen sein wird, weisen die identifizierten Idealtypen mitunter Überlappungen bzw. sogar eine erstaunliche Langlebigkeit auf.193 Allerdings soll damit kein Gegensatz zwischen einer Volks- und Elitenkultur im Sinne eines „Zwei-StufenModells“ konstruiert werden, wobei dieser Punkt ebenfalls an geeigneter Stelle noch vertieft wird. Wie ist nun der Hagel in diesen Kontext einzuordnen? Handelt es sich hierbei um eine Katastrophe? Rekapituliert man die Ausführungen dieses Kapitels, liefern beispielsweise Christian Rohrs Kriterien erste Indikatoren. Ohne den Ausführungen vorzugreifen, sei schon jetzt auf Phänomene wie die Zerstörung der Ernte (Betroffenheit) oder die Interpretation des Hagels als biblische Plage (Symbol­ haftigkeit) hingewiesen. Hagelstürme lagen außerhalb der Kontrollmöglichkeiten

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Eines der wenigen Selbstzeugnisse stammt aus den Aufzeichnungen eines Grevenkoper Landwirtes, der von einem schweren Hagelschlag vom Juli 1755 berichtet, bei dem „[…] die Früchte auf Felde (wie Stroh) zerdroschen wurden, und hat die Fensterscheiben sehr häufig eingeschlagen.“ Lorenzen-Schmidt, „Verzeichniß“ (1987), S. 30. Vgl. zur Quellenanalyse von bäuerlichen Tage- und Anschreibbüchern Lorenzen-Schmidt und Poulsen, (An-)Schreibe­ bücher (1992), S. 11–14. 187 In Anlehnung an Scribner, Religion (2006), S.  42–48, Allemeyer, Fewersnoth (2007), S. 16 bzw. generell Wunder, Bauer (1985). Bei Scribner findet sich eine kritische Diskussion hinsichtlich der verschiedenen schriftlichen und mündlichen Überlieferungen. 188 Vgl. Burgdorf, Weltbild (2006), S. 175. 189 Kittsteiner, Gewissen (1990), S. 26. 190 Vgl. van Dülmen/Rauschenbach, Macht (2004). 191 Volker Sellin sieht diese als „deutende Interpretation kollektiven Verhaltens“ mit der Aufgabe, „dem Menschen für sein Verhalten Orientierung […]“ zu geben. Sellin, Mentalität (1985), S. 575; 584. Dass Mentalitäten natürlich auch einem Wandel unterliegen, braucht nicht extra betont zu werden. Allerdings wird ihnen eine größere Beständigkeit zugeschrieben, da sie gerade „[…] neue Erfahrungen in bestehende Sinnstrukturen [einordnen].“ Ebd., S. 587. 192 Ebenso erforderlich ist eine Historisierung der in den Quellen überlieferten Katastrophen­ berichte bzw. der damit verbundenen Bewältigungsstrategien. In Anlehnung an Allemeyer, Fewersnoth (2007), S. 11. 193 In Anlehnung an Allemeyer, Fewersnoth (2007), S. 15.

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der Menschen und wurden mit religiösen oder magischen Motiven in Verbindung gebracht.194 Damit ist einerseits ein deutlicher Einfluss auf das Leben der frühneuzeitlichen Landbevölkerung nicht zu bestreiten und schwere Stürme bzw. die damit verbundenen Konsequenzen wurden mit großer Wahrscheinlichkeit mitunter als katastrophal wahrgenommen. Andererseits waren und sind Hagelschläge immer Teil des bäuerlichen Alltags, weshalb mit ziemlicher Sicherheit – und damit ähnlich wie bei anderen Katastrophen195 – anzunehmen ist, dass die Betroffenen hier einen pragmatischen Zugang gefunden hatten, um mit den Unwägbarkeiten der Natur zu leben. Hagelschläge hatten also in Vergangenheit massiv das Leben der Bauern be­ ein­f lusst. Reicht dies aber, um ihn als Katastrophe zu klassifizieren? Abgesehen von den kulturgeschichtlichen Überlegungen – und um damit die Verbindung zu den versicherungstechnischen Ausführungen zu schaffen  – sei daran erinnert, dass Hagelschläge massive ökonomische Auswirkungen  – und zwar nicht nur im Agrarbereich  – haben können. Schwere Unwetter mit Hagelstürmen verursachten beispielsweise im Mai und Juni 2012 in den USA Schäden von 3,4 bzw. 1,9  Mil­liarden US-Dollar.196 Insofern wird vor dem Hintergrund der kulturgeschichtlichen wie ökonomischen Aspekte in Bezug auf den Hagel folgender Definitions­vorschlag hinsichtlich der weiteren Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive gegeben: Bei Hagelschlägen handelt es sich ge­ nerell um ein natürliches Extremereignis, welches bei Auftreten in der Lage ist, gravierende Schäden anzurichten, die ein – zumindest regional – katastrophales Ausmaß annehmen können. 3. Strategie der Risikobewältigung: Das Versicherungsprinzip Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind Versicherungsunternehmen bzw. deren Produkte und Dienstleistungen. Diese weisen eine Reihe von Besonderheiten auf, welche im Verlauf der Entwicklung der deutschen Hagel­ versicherung eine bedeutende Rolle gespielt haben und im Folgenden diskutiert werden sollen. a) Grundlagen Das Versicherungswesen bzw. der Risikobegriff an sich sind nicht nur für die Wirtschaftswissenschaften von Interesse, sondern auch andere Disziplinen beschäftigen sich damit. Beispielsweise sehen manche Soziologen in den Prinzipien der Ver-

194

In Anlehnung an Thomas, Religion (1991), S. 775 f. Vgl. beispielsweise für den Umgang mit Stadtbränden Allemeyer, Fewersnoth (2007). 196 Vgl. Munich RE, Topics Geo (2012), Anhang. 195

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

sicherung den Gesellschaftsvertrag realisiert,197 da erst mit Entstehung der Asse­ kuranz eine Übertragung des eigenen Schicksals auf eine größere Gemeinschaft möglich sei.198 In der vorliegenden Arbeit stehen jedoch eine versicherungsökonomische Auffassung und die damit verbundenen Charakteristika im Mittelpunkt. Jedes Nachdenken über Versicherungen beginnt mit den Begriffen der Un­ sicherheit und des Risikos, der Gefahr und der Chance. Unsicherheit bedeutet in einer ersten Annäherung, dass Kenntnisse über bereits geschehene Dinge – selbst wenn diese beobachtbar waren – unvollständig sind. Noch mehr trifft Unsicherheit auf zukünftige Dinge zu. Allerdings ist es möglich, auf Basis der Vergangenheit – selbst wenn die Informationen hierüber nicht vollständig sind – Prognosen für die Zukunft abzuleiten. Je nach Grad der Unsicherheit bzw. dem Umfang der vorliegenden Informationen199 kennt die Entscheidungstheorie drei Fälle: eine Risikosi­ tuation, die Ungewissheitssituation im engeren Sinne sowie die Spielsituation,200 wobei diese im vorliegenden Fall keine Rolle spielt. Grundsätzlich besitzt ein Wirtschaftssubjekt drei Aktiva:201 die eigene Gesundheit, sein finanzielles sowie 197

Vgl. für einen Überblick hinsichtlich der Diskussion zum Risikobegriff innerhalb der Soziologie Rohland, Risk (2011), S. 5–7. 198 Vgl. Ewald, Versicherungs-Gesellschaft (1989). 199 Peter Zweifel und Roland Eisen unterscheiden fünf Typen von Unsicherheit: Erstens die volle Sicherheit, wobei vollständige Informationen hinsichtlich Strukturen und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge vorliegen. Zweitens die sogenannte primäre Unsicherheit, bei der die Wahrscheinlichkeitsverteilungen bekannt sind. Das handelnde Wirtschaftssubjekt hat damit eine probabilistische Vorstellung von der Welt. Hierbei ist zu beachten, ob die Wahrscheinlichkeiten auf einer objektiven Grundlage oder auf subjektiver Wahrnehmung beruhen. Drittens gibt es eine Unsicherheitssituation, bei der man zwar über mögliche Ergebnisse Bescheid weiß, nicht aber die Wahrscheinlichkeiten über deren jeweiliges Eintreten kennt. Viertens unterscheidet man eine Spielsituation oder sekundäre Unsicherheit, bei der rational handelnde ökonomische Akteure gegeneinander spielen und jeder davon aus einer so genannten Strategiemenge auswählen kann. Fünftens schließlich kann es auch den Fall der vollständigen Unsicherheit geben. 200 Diese Unterscheidung geht letztendlich auf Frank Knight zurück, der Risiko als eine messbare und damit auch versicherbare Ungewissheit definiert. Im Gegensatz dazu ist Unsicherheit nicht messbar und damit auch nicht versicherbar. Vgl. Knight, Risk (1921), S.  19–20; 197–232; 256–261. Für eine weiterführende Diskussion vgl. u. a. Bonß, Risiko (1995) bzw. Beck, Weltrisikogesellschaft (2007), S. 13–54. Zweifel und Eisen geben hier zu bedenken, dass weder vollkommene Sicherheit oder Unsicherheit sehr wahrscheinlich sind. Vielmehr verfügt man in der Regel immer über ein gewisses Maß an Wissen über eine bestimmte Situation. Damit stellt sich aber gleichzeitig die Frage, inwieweit man Wahrscheinlichkeitsaussagen vertrauen kann. Zudem lassen sich mit Beobachtungen nur relative Häufigkeiten ermitteln, die dann wiederum die Basis für die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten bilden. Das bedeutet, dass es immer eine subjektive Entscheidung ist, inwieweit man eine solche Schätzung als valide Basis für die unbekannten Wahrscheinlichkeiten akzeptiert. Dies hat für die Entscheidungsfindung zur Folge, dass Wahrscheinlichkeiten eher subjektiv statt objektiv sind. Insofern kann die Differenzierung zwischen Risiko und Unsicherheit nicht mehr in einem strengen Sinn aufrechterhalten werden. 201 Neben den Aktiva können natürlich auch die Passiva eines Wirtschaftssubjekts betroffen sein, d. h. durch eigene Handlungen wird beispielsweise die Gesundheit oder das Vermögen von anderen Wirtschaftssubjekten beeinträchtigt.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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sein geistiges Vermögen. Diese können aber aufgrund von wie auch immer gearteten Störungen bzw. Gefahren einer Wertschwankung unterworfen sein. Diese negativen Abweichungen werden umgangssprachlich als Risiko bezeichnet. Chance hingegegen beschreibt das Phänomen, dass beispielsweise kein Schaden eintritt. Die ökonomische Theorie versteht nun unter Risiko zwei Aspekte: die eigentliche Eintrittswahrscheinlichkeit der Abweichung sowie die Ausprägung der damit verbundenen Folgewirkungen. Zu beachten ist hierbei, dass das Risiko zwar immer objektiv in Statistiken erfasst werden kann. Genauso bedeutend ist aber die subjektive Risikowahrnehmung, welche von sozialen und kulturellen Faktoren abhängt.202 Menschen sind zudem überwiegend risikoavers eingestellt bzw. weisen ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis auf. Ökonomisch handelnde Subjekte können nun gezielt Handlungen ergreifen, um sich gegen den Eintritt von Risiken zu schützen. Die Formen des Risikomanage­ ments umfassen ursachen- und schadensbezogene Aktionen. Ursachenbezogene Maßnahmen sind einmal der Versuch einer Risikomeidung, beispielsweise durch den Einsatz von sicheren Techniken. Auch ist hier die Risikoprävention zu nennen. Eine Variante des schadensbezogenen Risikomanagements ist die Übernahme des Risikos unter Einsatz des eigenen Vermögens. Auch die Teilung von Risiken, beispielsweise durch Hedging, fällt hier darunter. Große Bedeutung hat der Risikotransfer. Hier wird das Risiko auf einen Markt übertragen, wobei wenig überraschend als wichtigste Instrumente die Versicherungsunternehmen zu nennen sind. Die Risikoermittlung basiert auf dem Einsatz von mathematisch-statistischen Methoden, wodurch ein Versicherungsvertrag203 den Umgang mit der Komplexität einer nicht vorhersagbaren Zukunft ermöglicht. Versicherung wird somit im vorliegenden Kontext als „[…] Deckung eines im einzelnen ungewissen, ins­gesamt geschätzten Mittelbedarfs auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit“204 bzw. als „[…] Risikotransfer vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer gegen Prämienzahlung […]“205 definiert.206 Versicherungsunter 202

Dies zeigt sich u. a. daran, dass es bemerkenswerte Unterschiede hinsichtlich der realen und der angenommenen Häufigkeit des Risikoeintritts gibt. Persönliche Wahrnehmung oder das eigene Weltbild lassen bestimmte Risiken häufiger erscheinen, als diese statistisch nachgewiesen werden können. Selten eintretende Ereignisse werden meist überschätzt, alltägliche Vorkommnisse dagegen unterschätzt. Ähnlich verhält es sich mit der Wahrnehmung der Risiko­folgen. 203 Der Ausdruck Police leitet sich vom italienischen Wort ‚polizza‘ ab, was u. a. ‚Versprechen‘ bedeutet. Vgl. Bernstein, Gods (1996), S. 95. Riege unterscheidet zudem den Versicherungsvertrag im engeren Sinne, wozu die eigentliche Risikodienstleistung und die ordnungsgemäße Vertragsabwicklung zählt. Zum Versicherungsprodukt im weiteren Sinn zählen neben den­ genannten Komponenten weitere Serviceleistungen wie Kundenzeitschriften. Vgl. Riege, Versicherungsprodukt (1990). 204 Farny, Versicherungsbetriebslehre (2000), S. 8. 205 Farny, Versicherungsbetriebslehre (2000), S. 8. [Hervorhebung im Original]. 206 Vgl. zu den verschiedenen Versicherungskonzepten Riege, Versicherungsprodukt (1990), S. 412–428.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

nehmen207 bündeln also Risiken und für diese Risikoübernahme ist der Kunde bereit, eine Prämie zu zahlen, die geringer ausfällt als der mögliche Verlust bei Risikoeintritt. Sehen sich die Kunden dem gleichen Risiko gegenüber, bewirkt der Abschluss einer Versicherungspolice, dass ein potentiell hoher Verlust in zahlreiche kleinere Beträge – eben die Prämie – verwandelt wurde.208 Das Kollektiv der Versicherten hat u. a. die Aufgabe, wahrheitsgemäße Angaben über die Risikomerkmale des zu versichernden Objektes zu machen. Auch die regelmäßige Prämienzahlung ist hierbei zu nennen.209 Je größer die Kundengruppe ist,210 desto besser die Diversifikation bzw. Risikostreuung. Tritt der Schadensfall ein, erhält der Kunde eine finanzielle Kompensation, die sein geldwertes Interesse an der versicherten Sache darstellt.211 Versicherungsverträge sind längerfristig angelegt und erscheinen lediglich als Kontraktgut.212 Zudem weisen sie eine Reihe von Phänomenen wie Informationsasymmetrien, aber auch den Vertrauensaspekt auf. Auch können Innovationen im Versicherungsbereich leicht von den Konkurrenten imitiert werden.213 Auf diese Aspekte, welche in der konkreten Branchengeschichte eine bedeutende Rolle spielten, wird im Verlauf der Arbeit noch eingegangen.214

207 Für das ordnungsgemäße Betreiben des Geschäftes hat ein Versicherungsunternehmen mehrere Aufgaben zu erfüllen: Der Versicherungsbestand muss erstens eine kritische Größe überschritten haben, damit ein funktionierender Risikoausgleich sichergestellt ist. Die in Deckung genommenen Risiken müssen zweitens möglichst voneinander unabhängig sein, um so genannte Kumulrisiken – die Bedrohung einer zu großen Zahl von versicherten Einheiten durch den Eintritt eines alle gleich betreffenden Schadensereignisses – vermeiden zu können. Die übernommenen Risiken sollten drittens im Hinblick auf bestimmte Merkmale homogen sein, also beispielsweise einen etwa gleich hohen Schadenserwartungswert aufweisen. 208 Vgl. Kunreuther und Pauly und McMorrow, Insurance (2013), S. 19 f. 209 Vgl. Riege, Versicherungsprodukt (1990), S. 440–449. 210 Die Vorteile dieses Arrangements ergeben sich aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen. Demnach passt sich bei einer steigenden Anzahl von gleichartigen Ereignissen der tatsächliche Ausgang dem erwarteten Ausgang (und damit dem Durchschnitt) an. Aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes nimmt die Variabilität bzw. Streuung um den Durchschnittswert gesetzmäßig ab. Je größer das Kollektiv ist, umso mehr vermindert sich auch das Schwankungsrisiko und damit der Kapitalbedarf. Als Folge sinken auch die Finanzierungskosten für das benötigte Kapital, so dass proportional gesehen die Risiken für den individuellen Ver­ sicherungsnehmer immer günstiger werden, je umfangreicher der Pool ist. Vgl. für die Entwicklung dieses Prinzips durch Jacob Bernoulli Bernstein, Gods (1996), S. 116–134. 211 Vgl. Laube, Versicherung (2001), S. 503. 212 Vgl. Schäfer, Vertrauen (1999), S. 1. 213 Vgl. Hoschka, Bancassurance (1994), S. 56 f. 214 Falls nicht anders zitiert vgl. für die versicherungsökonomischen Ausführungen Farny, Versicherungsbetriebslehre (2000), S. 1–95 sowie Zweifel und Eisen, Versicherungsökonomie (2003), S. 1–57.

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b) Rechtsformen In der Versicherungspraxis dürfen in Deutschland laut Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) nur Anstalten des öffentlichen Rechts,215 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) und die Versicherungsaktiengesellschaft das Versicherungsgeschäft betreiben.216 Die Prinzipien des modernen VVaG gehen auf die Gründungen von Ernst Wilhelm Arnoldi im 19. Jahrhundert zurück, wobei umstritten ist, ob darin eine Fortführung der Arbeit der mittelalterlichen Gilden gesehen werden kann.217 Die Begründung eines Mitgliedsverhältnisses stellt die vom Gesetzgeber geforderte Bedingung dar,218 um den Versicherungsvertrag überhaupt abschließen zu können. Aus diesem Tatbestand kann auch das in der Theorie wichtigste Ziel eines Versicherungsvereines abgeleitet werden: Nicht die Gewinnerzielung steht im Mittelpunkt des Geschäftsbetriebes, sondern die Absicht, den Beteiligten möglichst günstige Versicherungsleistungen anzubieten. In der Praxis wird dies aber dahingehend ausgelegt, dass eine angemessene Gewinnspanne zur ­Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig sei und damit auch dem Kunden zugute komme. Das oberste Organ eines Versicherungsvereins ist die Mitgliederversammlung, die laufenden Geschäfte werden vom Vorstand geführt.219 Die Prämienerhebung erfolgt speziell bei den meisten Hagelversicherungs­ vereinen durch das Vorbeitrags-Nachschuss-Verfahren. Konkret bedeutet dies eine Zweiteilung der Zahlungen: Im Frühjahr hat der Landwirt einen festen Vorausbeitrag zu entrichten. Sollten diese Gelder nicht ausreichen, um die anfallenden Kosten des Versicherungsbetriebes zu decken, wird im Herbst ein Nachschuss gefordert. Der zu zahlende Betrag ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Hagelhäufigkeit und der Ausgabendeckung des VVaG im jeweiligen Jahr. Ein gewisses Restrisiko verbleibt also beim Landwirt, da er vorab keine endgültige Kalkulation seiner jährlichen Prämienzahlungen vornehmen kann. In schadensarmen Jahren wird der Kunde nur mit geringen Summen (oder gar nicht) belastet, wobei sogar eine Beitragsrückerstattung möglich ist. In Jahren mit hohen Schäden tritt da­gegen der gegenteilige Fall ein. Neben dieser Variante können die Beiträge auch noch im reinen Umlageverfahren erhoben werden.220 Hierbei werden die Kosten je nach 215 Da diese im Verlauf der Branchenentwicklung bis auf die Entwicklung in Bayern keine allzu dominante Rolle gespielt haben, wird auf eine Vorstellung verzichtet. 216 Vgl. § 7, Abs. 1 VAG. 217 Vgl. Kapitel C.II. 218 Dies basiert auf dem für Versicherungsvereine charakteristischen Solidaritätsgedanken. Konkret zeigt sich dies im so genannten Personalitätsprinzip. Es besagt, dass das Ver­ sicherungsgeschäft von Mitgliedern für Mitglieder betrieben wird. Der Versicherungsnehmer agiert also zugleich als Versicherer. Der Gegenseitigkeitsverein verkörpert aber eine eigenständige juristische Person. 219 Vgl. Breuer, Versicherungsverein (1999) sowie Benkel, Versicherungsverein (2002), S. 20–39; 113–187. 220 Dieses System, was insbesondere zu Beginn der Branchengeschichte eine Rolle gespielt hat, wird heute nur noch von kleineren Hagelversicherungsvereinen praktiziert.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Ausmaß des jährlichen Schadens am Ende der Saison per Umlage erhoben und daraus die Vergütungen erstattet.221 Unabhängig von der Art des Beitragseinzugs kann ein Selbstbehalt vereinbart sein. Dies bedeutet, dass der Kunde für eine geringere Prämie einen Teil des Schadens aus den eigenen Mitteln trägt.222 Die Rechtsgrundlagen der Versicherungs-Aktiengesellschaft ergeben sich aus den Bestimmungen des allgemeinen Aktiengesetzes (AktG), welche teilweise durch Vorschriften des VAG ergänzt werden. Die Geschäftstätigkeit ist primär auf die Erzielung eines möglichst hohen Gewinns und damit einer angemessenen Dividendenausschüttung zugunsten der Aktionäre ausgerichtet. Die hier erkennbare Gewinnorientierung unterscheidet sich somit vom theoretischen Grund­ prinzip des VVaG.223 Weitere Unterschiede zeigen sich auch hinsichtlich der Begründung eines Versicherungsverhältnisses. Der Versicherungsnehmer erwirbt bei Abschluss eines Vertrages keine Mitgliedschaft bei der Aktiengesellschaft. Vielmehr ist die Unterzeichnung des Versicherungsvertrages der konstitutive Akt für die Begründung der Rechtsbeziehung. Die Hagelversicherungsaktiengesellschaften erheben ihre Prämien gewöhnlich durch den Einzug eines festen Beitrages, wodurch der Ver­sicherungsnehmer seine jährlichen Ausgaben im Gegensatz zum VorbeitragsNachschuss-System besser kalkulieren kann. Allerdings werden in hagelarmen Jahren keine Beiträge rückerstattet.224 Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung bilden die Organe der Hagelversicherungs-AG.225 c) Exkurs: Risikomanagement vor der Assekuranz Neben dem Abschluss eines Versicherungsvertrages existieren andere Möglichkeiten für die Gefahrenabsicherung, die speziell vor dem Auftreten eines organisierten Versicherungswesens eine große Rolle gespielt haben. Eine Option besteht wie gesehen in der gänzlichen Vermeidung von Gefahren. Dies war (und ist) im Fall von Hagelschlag (noch) nicht möglich. Insofern mussten sich die Betroffenen nach Alternativen umsehen. Diese Formen des vormodernen Risikomanage­ments – worauf im Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen wird – können nach verschiedenen Dimensionen gegliedert werden. Einmal ist das Verhältnis zwischen dem Geber und dem Empfänger der Hilfe entscheidend: Hierbei kann eine per 221

Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914), S. 22–26 sowie Knoll, Hagelversicherung (1964), S. 35 f. Unabhängig von der jeweiligen Methode hat der Gesetzgeber festgelegt, dass Überschüsse als Beitragsrückerstattung wieder an die Mitglieder zurückfließen müssen. Vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 VAG. 222 In Anlehnung an Richter-Tharand, Hagelversicherungswesen (1876), S. 4. 223 Vgl. Farny, Versicherungsbetriebslehre (2000), S. 143–146. 224 Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914), S.  17 f. sowie Knoll, Hagelversicherung (1964), S. 35. 225 Vgl. Wöhe/Döring, Einführung (2008), S. 236.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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sönliche Beziehung zwischen dem Geschädigten und seinem Wohltäter bestehen. Alternativ erfolgt die Unterstützung durch eine Institution. Zum anderen sind die Konditionen von Bedeutung, unter denen die Unterstützung gewährt wird: Wird beispielsweise vom Geschädigten eine Gegenleistung erwartet oder nicht? Aus diesen beiden Dimensionen ergeben sich vier Varianten, die oftmals kombiniert werden und konkrete Hilfen in Form von Arbeit, Naturalien oder Geld beinhalten. Die Hilfe, die einem Betroffenen unmittelbar persönlich zukommt, umfasst beispielsweise den Abgabenerlass oder das Ausstellen eines Bettelbriefs. I. d. R. ist mit diesen Hilfen keine Gegenleistung verbunden. Oft gewährt der Geber die Unterstützung zum Zweck einer Verbesserung der eigenen Außenwirkung. Auch Institutionen stellen aufgrund solcher Motive – aber natürlich auch aus altruistischen Beweggründen – Hilfeleistungen zur Verfügung. Diese Leistungen wie z. B. Kirchenkollekten sind meist nicht an einen bestimmten Empfänger gebunden. Allerdings gibt es auch Hilfestellungen, bei denen eine Gegenleistung erwartet wird. Auf der persönlichen Ebene werden diese zwar oft vorab nicht explizit vereinbart, aber sie ergeben sich implizit aus moralischen Erwägungen. Als Beispiel ist die Nachbarschaftshilfe zu nennen. Das Prinzip gab es auch auf der institutionellen Ebene, wozu speziell die versicherungsähnlichen Leistungen aus dem Genossenschaftsbereich zählen. Hier hatte der Geschädigte auf der Grundlage konkreter Vereinbarungen mehr oder weniger einen sicheren Anspruch auf eine Gegenleistung.226 4. Hagel als Risiko im Agrarbereich a) Der Hagel Dass Hagelschläge eine Gefahr für den Agrarbereich darstellen, ist im Verlauf des Textes bereits angeklungen. Da die Charakteristika der Naturgefahr Hagel aber auch wesentlich die Entstehung und Entwicklung der Institution Hagelversicherung beeinflusst haben, wird im folgenden Abschnitt ein knapper Überblick über den Stand der meteorologischen Forschung zum Hagelschlag gegeben. Wie Stürme oder Frost stellt dieser ein weltweit auftretendes227 Elementarereignis dar, welches den Menschen228 bzw. sein Hab und Gut gefährden kann.229 Aus diesem Grund wurde der Hagel seit Jahrhunderten mit etwas Bedrohlichem in Verbindung gebracht, wie ein Blick auf die etymologischen Wurzeln des Wortes zeigt. In den 226

Vgl. Pfister, Naturkatastrophen (2002), S. 18–20. Berichte über das weltweite Auftreten des Hagels finden sich regelmäßig in meteorolo­ gischen Zeitschriften. Schon beinahe exotischen Charakter hat die Notiz über den Hagelschlag in Port-au-Prince aus dem Jahre 1895, wobei besonders die Seltenheit eines solchen Ereignisses in der Karibik betont wurde. Vgl. Scherer, Gewitter (1895). 228 Beim Münchener Hagelunwetter im Juli 1984 wurden circa 300 Personen durch Hagelkörner verletzt. Vgl. Swiss Re, Hagelstürme (2005), S. 2. 229 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 5. 227

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

germanischen Sprachen gebrauchte man den Terminus als Synonym für Kiesel, was auf die äußere Form des Eiskorns schließen lässt. Wichtiger im vorliegenden Kontext ist aber die Assoziation mit einem plötzlich eintretenden und unvorhergesehenen Ereignis, das die einem Hagelunwetter innewohnenden Ängste verkörpert.230 Auch in anderen Kulturkreisen finden sich zum einen die unterschiedlichsten Interpretationsmuster, zum anderen eine Reihe von Ideen, um die Entstehung eines Hagelschlags zu verhindern. Bereits in der Bibel wurde die Zerstörungsgewalt des Hagels als Symbol der Allmacht Gottes bzw. der Ohnmacht des Menschen verwendet. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Darstellung im Buch Exodus, in dem ein Hagelsturm eine der sieben Plagen ist, die über Ägypten niedergehen.231 In der modernen Meteorologie versteht man unter Hagel eine durch Vorgänge in der Atmosphäre verursachte Niederschlagsform,232 genauer gesagt, eine Variante des so genannten festen Niederschlags.233 Hagelschloßen bestehen aus meist körnigen Eisbrocken, wobei der eigentliche Hagel dann vorliegt,234 wenn das Korn mindestens einen Durchmesser von fünf Millimetern hat.235 Erst ab dieser Größe treten nennenswerte Beschädigungen an den Feldfrüchten auf, weshalb die Versicherungswirtschaft Hagelschläge wie folgt definiert: „Hagel ist ein atmosphärisch bedingter, fester Witterungsniederschlag in Form von Eiskörnern mit einem Durchmesser von mindestens 5 [Millimetern]“.236 Im Allgemeinen besitzen die Hagelkörner einen Durchmesser von 10 bis 15 Millimeter, wobei noch größere Körner237 selten sind.238 230

Vgl. Kluge, Wörterbuch (2002), S. 383. Vgl. Ex 9,18, Ex 9,25. Hagelschläge waren also auch in Afrika bzw. dem Mittleren Osten nicht unbekannt. 232 Hans Häckel definiert Niederschlag als „[…] jede flüssige oder feste, aus kondensiertem Wasser gebildete und herabfallende Ausscheidung aus Wolken und Nebel.“ Häckel, Meteorologie (1999), S. 112. 233 Vgl. Liljequist/Cehak, Meteorologie (1984), S. 160. Diese teilen den Niederschlag folgendermaßen ein: Einmal zählt der Tau oder Reif dazu, wobei es sich um An- und Ablagerungen von Wasser oder Eis am Erdboden oder an verschiedenen Objekten handelt. Interessanter für den vorliegenden Fall ist die andere Gruppe, nämlich der in der Atmosphäre entstehende Niederschlag, der nochmals in flüssige und feste Formen unterschieden wird. Flüssige Arten sind der Nieselregen und der eigentliche Regen. Festniederschlag wiederum wird differenziert in so genannte einzelne Eiskristalle, Schnee, Graupel, den Varianten des Hagels sowie Eis­ körner. Daneben kennt die Meteorologie auch Mischformen, beispielsweise ein Gemenge aus Regen und Schnee. Vgl. Ebd., S. 160 f. 234 Je nach Form und Größe unterscheidet man in der Meteorologie zwischen Schneehagel, Frostgraupel und dem Eishagel, welcher landläufig als Hagel bekannt ist. 235 Vgl. Liljequist/Cehak, Meteorologie (1984), S. 164. Der Schneehagel und der aufgrund seiner transparenteren, glasähnlichen Struktur zu unterscheidende Frostgraupel weisen einen Durchmesser von zwei bis fünf Millimetern auf. 236 Vgl. Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Internetpräsenz (2010). 237 Das bisher größte gefundene Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 14 cm und ein Gewicht von 770 Gramm, es schlug im September 1970 mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h in Kansas/USA auf. 238 Vgl. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, Hagel (1984), S. 7, Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Schätzerhandbuch (2002), S. 2. 231

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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Voraussetzung für die Bildung des Hagels ist immer das Auftreten eines Gewitters, denn zu Beginn unterscheidet sich die Regentropfenbildung nicht vom Entstehen der Hagelschloßen. Zusätzlich erforderlich sind aber zum einen Ver­ eisungsprozesse und zum anderen starke Aufwinde in einer Wolke. Die typische Gewitterwolke ist die so genannte Cumulonimbuswolke,239 wobei nur in diesen mächtigen Wolkenformationen Hagel entstehen kann. Wenn die durch kalte Luftmassen unterkühlten Wolkenmassen unversehens auf wärmere Luft stoßen, dann steigen aufgrund des natürlichen Auftriebs die überhitzten und zugleich mit einem hohen Anteil an Wasserdampf versehenen unteren Luftschichten nach oben. In höheren Regionen treffen sie auf kältere Luftschichten und kühlen ab, so dass theoretisch der Vereisungsprozess beginnen könnte. Die Bildung der Eisstücke ist aber nur dann möglich, wenn es eine ausreichende Anzahl von so genannten Keimen bzw. Kondensations- oder Gefrierkernen gibt. Dies können beispielsweise Staubteilchen aus der Atmosphäre sein. Schließlich treten innerhalb der Wolken vertikale Windgeschwindigkeiten von über 20 m/s auf, wodurch die Regentropfen und die Gefrierkerne in der Schwebe gehalten werden. Herrschen zudem Temperaturen von deutlich unter 0°C, frieren die Tröpfchen an die Staubteilchen an und es bilden sich kleinere Eisgebilde, der so genannte Graupel. Damit daraus letztendlich Hagel entstehen kann, muss es zu weiteren Wachstumsprozessen kommen.240 Zu Beginn werden die Körner durch die in der Wolke herrschenden Aufwinde in der Schwebe gehalten. Setzt sich der Vereisungsprozess fort und erreichen die Hagelkörner ein bestimmtes Gewicht, stürzen sie mit Geschwindigkeiten von bis zu 170 km/h zu Boden. Kleinere Körner schmelzen und fallen als große Regentropfen auf die Erde, größere Eispartikel dagegen gelangen in noch gefrorenem Zustand auf die Oberfläche, und es hagelt. Die typische Hagelzeit in Deutschland umfasst die Monate April bis September, wobei im Juli und August die meisten Niederschläge auftreten. Die Schadensfolge selbst ist gewöhnlich durch eine hohe Frequenz von kleineren Hagelunwettern geprägt, was lokal oft schwere Schäden anrichten kann.241 Regional gesehen weist der Süden 239

Die Cumulonimbuswolke zählt zu den so genannten haufenförmigen Wolken mit einer überwiegend vertikalen Ausbreitung und kann eine Höhe von bis zu 13 km erreichen. Daher ist ihr oberer Teil  bereits vereist und dieser weist oft das charakteristische Aussehen eines Ambosses auf. Die Wolkenuntergrenze befindet sich meist in einer Höhe von 2 km. „Cumulus“ bedeutet Haufenwolke, „Nimbus“ Regenwolke. Vgl. Liljequist/Cehak, Meteorologie (1984), S. 143–158, Deutscher Wetterdienst, Wolkenatlas (1990), S. 3–31 sowie Häckel, Meteorologie (1999), S. 50–52; 98–112. 240 Hierbei wird zwischen dem nassen und dem trockenen Wachstum unterschieden. Nasses Wachstum liegt vor, wenn Temperaturen von bis zu -14°C in der Wolke vorherrschen. Dann ist eine große Menge an unterkühlten, relativ großen Wassertröpfchen vorhanden, so dass aus den kleinen Eisgebilden schnell größere Hagelkörner entstehen. Bei Temperaturen von unter -14°C kann sich nur noch eine geringe Anzahl von Tröpfchen an das Eisgebilde anlagern, was trockenes Wachstum genannt wird. Die beiden Spielarten sind leicht am schichtförmigen Aufbau des Eiskorns erkennbar: Klare Schichten zeigen das nasse Wachstum an, weißliche bzw. poröse Erscheinungsformen sind ein Zeichen für trockenes Wachstum. 241 Vgl. Swiss Re, Hagelstürme (2005), S. 6.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

des Landes im Vergleich zu den norddeutschen Bundesländern aufgrund orographischer Bedingungen eine größere Hagelwahrscheinlichkeit auf. Dies bedeutet, dass sich die Gewitterwolken an den vielen Hügeln und Gebirgsrücken rascher entladen können.242 Süddeutschland zählt somit wie die Schweiz, Österreich, Norditalien und dem französischen Elsass zu den mit am stärksten vom Hagel betroffenen Regionen Europas.243 Um die ökonomischen Folgen eines Hagelschlags tragen zu können, bietet sich der Abschluss eines Versicherungsvertrages an. Dennoch gibt es auch andere Strategien der Risikobewältigung, konkret die aktive und passive Hagel­abwehr. Die aktiven Hagelabwehrmethoden bauen auf den traditionellen Versuchen auf, den Entstehungsprozess des Hagels ganz zu verhindern. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Silberjodid. Dabei werden die Wolken entweder von Flugzeugen aus oder mit Hilfe von Bodengeneratoren mit Chemikalien besprüht. Die Silberjodidkörner244 sollen als künstliche Bindungskerne dienen und verhindern, dass eine große Menge an Wassertröpfchen nur an einem einzigen Korn anwächst. Sind dagegen viele Kerne vorhanden, erreicht das einzelne Hagelkorn nur einen geringeren Umfang und schmilzt während des Fallens auf die Oberfläche soweit ab, dass es als Regentropfen aufschlägt. Allerdings weist dieses Verfahren eine Reihe von Nachteilen auf, wobei am gravierendsten die Gefahr einer Pflanzenund Boden­kontamination mit dem Silberjodid ist. Aus diesem Grund ist ein Einsatz hinsichtlich der damit verbundenen Kosten und des Nutzens abzuwägen.245 Bei den passiven Hagelschutzmaßnahmen steht nicht eine Verhinderung des Hagels im Mittelpunkt, sondern Schutzmaßnahmen vor dem Niederschlag. Am bedeutendsten ist dabei das Aufziehen von Hagelschutznetzen über die gefährdeten Feldfrüchte, um so ein Aufprallen von Eiskörnern auf die Kultur zu verhindern. Allerdings sind mit diesem Verfahren hohe Kosten verbunden, so dass es nur bei be­sonders wertvollen und empfindlichen Feldfrüchten wie Kernobst (z. B. Äpfel) zu empfehlen ist.246

242

Vgl. Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Hagelwetter (2010). Vgl. Schweizer Hagel, Jahre (2005), S. 5. 244 Das Silberjodid weist einige bemerkenswerte Eigenschaften auf. Beispielsweise tritt die eiskeimbindende Fähigkeit bereits bei einer relativ hohen Temperatur von etwa -4° C ein. Außerdem ist die Chemikalie fast völlig wasserunlöslich. Vgl. Vonnegut, Nucleation (1947). 245 Vgl. Szith, Hagelabwehr (1976), S. 15–30, Höller/Meischner, Untersuchung (1990) sowie Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Schätzerhandbuch (2002), S. 17–19. Allerdings haben Großversuche wie in der Zentralschweiz in den Jahren 1976 bis 1983 gezeigt, dass eine vollständige Beeinflussung des Wachstumsprozesses nicht möglich ist. Vgl. Schiesser, Fernerkundung (1988), S. 85–125. 246 Vgl. Szith, Hagelabwehr (1976), S. 31–69 sowie Weidner, Hagelschutznetz-Anlagen (1977), S. 108–116. 243

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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b) Kennzeichen der Hagelversicherungsbranche Die Tätigkeit eines Landwirtes ist mit einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren verbunden. Der wirtschaftliche Erfolg wird nicht nur aufgrund der Entscheidungen über den Faktorinput bestimmt, er hängt auch von vielen anderen Aspekten ab. Hierzu zählen u. a. Marktrisiken (z. B. eine Veränderung der Nachfrage- und Angebotsstruktur), gesundheitliche Risiken (z. B. Tierseuchen) oder auch klimatische bzw. witterungsbedingte Gefahren.247 Aufgrund des zunehmenden ökonomischen Risikos wird der Abschluss von Versicherungsverträgen weiter an Bedeutung gewinnen. Im Laufe der Zeit hat sich ein Portfolio an Versicherungsleistungen herausgebildet, welches den speziellen Bedürfnissen des Agrarsektors gerecht wird. Zu diesen landwirtschaftlichen Spezialassekuranzen zählt neben der Vieh- auch die Hagelversicherung. Allerdings deckt die Hagelassekuranz noch nicht alle witterungsbedingten Schäden, da gegenwärtig eine Versicherung nur für eindeutig nachweisbare Witterungsschäden abgeschlossen werden kann.248 Ein ausbleibender Ernteertrag beispielsweise aufgrund von Dürre stellt für den Landwirt immer noch ein bedeutendes Risiko dar.249 Aktuell werden zwei Gruppen von innovativen Versicherungsmodellen diskutiert. Die schadensbezogenen Assekuranzen, zu denen neben der Hagelversicherung die so genannte Hofversicherung250 zählt, sowie die indexbezogenen Versicherungsprodukte, zu denen neben Regionsversicherungen251 die Wetterderivate252 gehören. In der Breitenwirkung spielt bisher aber nur die Hagel­versicherung eine nennenswerte Rolle.253 Dar 247

Vgl. Hazell, Role (1992), S. 568 sowie Stead, Risk (2004), S. 334–339. Mehrgefahrenversicherungen sind zwar auch schon auf dem deutschen Markt erhältlich, konnten aber bisher kein breiteres Publikum ansprechen. Insofern ist der Hagel die einzige Naturgefahr, gegen die im Agrarbereich ein funktionierender Versicherungsschutz angeboten wird. 249 Forderungen nach subventionierten Ernteversicherungen bzw. ein Engagement des Staates als Rückversicherer kamen bis jetzt noch nicht zur Umsetzung. Darüber hinaus würden diese Gelder wohl von den schon vorhandenen Beihilfen abgezogen werden. 250 Die so genannte Hofertrags- oder Hoferlösversicherung kommt dann zum Einsatz, wenn ein vertraglich festgelegter Durchschnittsertrag einer Kultur unter einem ebenfalls vorher vereinbarten Normertrag bleibt. Im Gegensatz zur Hagelversicherung ist die Schadensursache aber nicht vorab explizit festgelegt. 251 Diese funktioniert ähnlich wie die Hofertragsversicherung, wobei hier regionale Kennzahlen wie die Erntelage als Berechnungsgrundlage dienen. 252 Eine mögliche Konzeption eines solchen Papiers beinhaltet ein bestimmtes Wetterausmaß, welches die Ertragslage des Hofes beeinflusst. Das Ausmaß wird an einer vorher vereinbarten Wetterstation gemessen. Überschreitet der Niederschlag den Grenzwert, erhält der Landwirt eine Kompensationszahlung. Anders als bei der Hagelversicherung werden hier aber nicht bestimmte Kulturen in die Deckung mit aufgenommen. Es könnte sich aber das Problem ergeben, dass das lokale Wetter nicht mit der Messung der Station übereinstimmt. 253 Vgl. zu den Ausführungen Berg, Risikomanagement (2005), GDV-Arbeitsgruppe Hagelversicherung, Ernte-Mehrgefahrenversicherung (2007) sowie Hirschauer/Mußhoff, Risikomanagementinstrumente (2008). 248

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

unter254 versteht man eine landwirtschaftliche Extrem-255 oder Spezialversicherung256, die es den Landwirten ermöglicht, den künftigen Vermögensverlust auszugleichen,257 der durch das Witterungsrisiko Hagel entstehen kann.258 Konkret wird der Rohertrag der bevorstehenden Ernte gegen Ertragsausfälle versichert. Problematisch ist aber die Ungewissheit des zeitlichen und räumlichen Schadenseintritts.259 Aufgrund dessen ist die Prämienkalkulation bzw. eine Vorhersage der benötigten Mittel schwieriger als bei anderen Versicherungssparten und beruht auf langfristigen statistischen Aufzeichnungen.260 Der Versicherungsnehmer wiederum kann im Gegensatz zu vielen anderen Risiken den Eintritt des Hagel­ schadens nicht herbeiführen oder beschleunigen. Mit Zahlung der Prämie werden zwei Komponenten abgedeckt: Die örtliche und die gegenständliche Gefahr. Mit der örtlichen Gefahr wird die unterschiedliche Hagelneigung verschiedener Regionen berücksichtigt. Aus diesem Grund ist es zu Diversifikationszwecken für die Unternehmen wichtig, in einem möglichst großen Geschäftsgebiet tätig zu sein, um regionale Schäden im Kollektiv ausgleichen zu können. Ähnlich verhält es sich mit den versicherten Pflanzen, welche die gegenständliche Gefahr verkörpern.261 Feldfrüchte reagieren individuell unterschiedlich auf Hagelschlag. Daher wird die Vielzahl an versicherbaren Früchten wie die verschiedenen Getreidearten (Weizen, Roggen oder Gerste), Mais, Leguminosen (Erbsen, Bohnen), Zuckerrüben, Kartoffeln, Obst, Wein und Tabak in unterschiedliche Gefahrenklassen eingeteilt. Beispielsweise ist Tabak besonders empfindlich, weniger dagegen der Weizen. In das so genannte Anbauverzeichnis, das einen wesentlichen Bestandteil jedes Kontraktes bildet, hat der Landwirt für alle seine Feldstücke die jeweils darauf angebaute Kultur einzutragen.262 Zur Berechnung der Prämie werden nun vor allem263 die sich aus langfristig geführten Statistiken ergebende regionale Hagelgefahr sowie die aus dem Anbau­ verzeichnis ermittelten angebauten Kulturen herangezogen.264 Die Versicherungs 254 Manche Autoren wollen in der Hagelversicherung sogar eine sozialpolitische Komponente erkannt haben, da diese das wirtschaftliche Überleben eines landwirtschaftlichen Betriebes mit relativ geringen Mitteln sichergestellt hätte. Vgl. Heck, Beiträge (1895), S. 6–9. 255 Vgl. Hirschauer/Mußhoff, Risikomanagementinstrumente (2008), S. 3. 256 Der Schutz vor Hagelschlag kann beispielsweise auch Bestandteil der Kfz- oder der Hausratsversicherung sein. 257 Natürlich gibt es hier auch andere Möglichkeiten wie die Aufnahme eines Kredites. 258 Vgl. zur Hagelversicherung Knoll, Hagelversicherung (1964), Büchner/Winter, Grundriß (1986), S. 135–137, Huber, Hagelversicherung (2005) sowie Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Internetpräsenz (2009). 259 Vgl. Heck, Beiträge (1895), S. 6. 260 Allerdings tritt dieses Problem bei anderen Elementarschadenversicherungen noch massiver auf. Vgl. Lübken, Natur (2008). 261 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 29. 262 Vgl. ausführlich Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Schätzerhandbuch (2002). 263 Hinzu kommt noch ein Aufschlag für die Verwaltungskosten. 264 Vgl. für die Versicherungspraxis Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Schätzerhandbuch (2002).

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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summe je Kultur ermittelt sich aus dem zu erwartenden mengenmäßigen Ernte­ ertrag je Hektar und dem dafür voraussichtlich zu erzielenden Marktpreis.265 Im Schadensfall zeigt sich eine weitere Besonderheit der Hagelversicherung. Zur Festlegung des prozentualen Verlustes wird das verwüstete Feld vor Ort begutachtet. Dies nimmt aber nicht ein Vertreter der Gesellschaft vor, sondern von den Hagelversicherern gewählte oder bestellte Hagelschätzer, welche das endgültige Schadensausmaß festlegen.266 Das Hagelversicherungsgeschäft unterliegt saisonalen Schwankungen, da die Werbung und der Prämieneinzug im Frühjahr, die Schadensabrechnung je nach Hagelunwetter bis in den Herbst hinein erfolgen kann. Das bedeutet, dass die Verwaltungskosten in den Monaten ohne Prämieneinnahmen von den bis dahin erwirtschafteten Mitteln gedeckt werden müssen. Die jährliche Risikoverteilung unterscheidet sich also vom jährlichen Mittelzufluss.267 Für die Diversifikation des Risikos ist weiterhin von Nachteil, dass viele Hagelversicherer nicht die Möglichkeit haben, Synergieeffekte zu realisieren, da keine anderen Versicherungssparten von ihnen angeboten werden dürfen.268 5. Die Neue Institutionenökonomik als Kategorie der Wirtschaftsgeschichte Sowohl die gesamte Hagelversicherungsbranche als auch einzelne Unternehmen bilden einen wichtigen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.269 Mit dem Fokus auf den beiden Untersuchungsebenen Gesellschaft und Branche ist 265 Dieser so genannte Hektarwert ergibt sich aus dem mengenmäßigen Ertrag in Dezitonne/Hektar (der Wert für einen Hektar in Euro). Da der mengenmäßige hagelbedingte Ernte­ertragsverlust versichert ist, bewirkt der Hagel eine Verminderung des Ertrags in Dezitonne/Hektar. Der Marktwert, mit dem man hier rechnet, stellt einen Erfahrungswert der vergan­genen Jahre dar. Die Hinweise in Bezug auf die genaue Berechung der Versicherungssumme verdanke ich Klaus-Dieter Reimann von der Vereinigten Hagelversicherung VVaG in Gießen. 266 Um Befangenheit vorzubeugen, verrichten die Schätzer  – die selbst Landwirte sind  – ihre Tätigkeit nicht in der Gegend, in der sie selbst ihren Hof bewirtschaften. Vgl. Vereinigte Hagel­versicherung VVaG, Schätzerhandbuch (2002). Auch in diesem Fall bin ich Klaus-­ Dieter Reimann dankbar, der mich geduldig über die Praxis der Schadensabschätzung auf­ geklärt hat. 267 Formell ist dies daran abzulesen, dass nach der technischen und der materiellen Vertragsdauer differenziert wird. Formal wird ein Hagelversicherungsvertrag über ein Geschäftsjahr geschlossen, was z. B. bedeutet, dass der prämienbelastete Zeitraum ganzjährig ist. Die materielle Haftung – also der nach dem Versicherungsvertrag zugesagte Versicherungsschutz – bezieht sich aber lediglich auf die Hagelsaison und endet nach der Ernte. 268 Vgl. Binswager, Risk (1986), S. 77 sowie Hazell, Role (1992), S. 571 f. Auch in diesem Punkt bin ich Klaus-Dieter Reimann von der Vereinigten Hagelversicherung VVaG für seine wertvollen Kommentare dankbar. 269 Vgl. Pierenkemper, Unternehmensgeschichte (2000), Erker, History (2002), Berghoff, Unternehmensgeschichte (2004), Plumpe, Perspektiven (2005), Erker, Externalisierungsma-

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

es möglich, die Geschichte der deutschen Hagelversicherung ganzheitlich erzählen zu können, ohne dabei auf die Analyse der strategischen und organisatorischen Entscheidungen einzelner Unternehmen verzichten zu müssen.270 Um ein derartiges Programm sinnvoll umzusetzen, wird neben den erwähnten Anleihen aus der Kulturgeschichte insbesondere die Neue Institutionenökonomik (NIÖ)271 herangezogen, die sich in den vergangenen 30 Jahren als fundiertes Forschungsprogramm innerhalb der Wirtschaftswissenschaften etabliert hat.272 a) Grundprinzipien der Neuen Institutionenökonomik „[We] are still very ignorant about Institutions“.273

Die Bedeutung institutioneller Arrangements wurde von Seiten der Wirtschaftswissenschaften nicht immer anerkannt. Beginnend mit Alfred Marshall am Ende des 19. Jahrhunderts dominierte bis ungefähr 1950 innerhalb der Ökonomik die so genannte neoklassische Theorie.274 Deren grundlegender Analyserahmen275 ist das Konzept eines Wettbewerbsmarktes, der wiederum mehrere Teilmärkte umfasst.276 Der Markt ist durch eine große Anzahl von Marktteilnehmern gekennzeichnet, was im Hinblick auf die Preisbildung zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage führt: Der endgültige, markträumende Gleichgewichtspreis wird nicht von einzelnen Marktteilnehmern bestimmt, sondern ergibt sich durch das Marktgeschehen als Ganzes. Der neoklassischen Theorie liegen einige Verhaltensan­ nahmen zugrunde. Jedes Individuum hat stabile Präferenzen, verfügt über die gleichen Informationen und wählt auf dieser Grundlage uneingeschränkt rational die beste aller möglichen Alternativen aus, um seinen Nutzen zu maximieren. Der

schine (2006) sowie Stokes, Zukunft (2008). Ray Stokes kritisiert im Übrigen Unternehmensgeschichte Chandlerscher Prägung v. a. im Hinblick auf deren Vernachlässigung des Dienstleistungssektors. Zudem würden kaum kleinere und mittelständische Betriebe Beachtung finden. Vgl. Stokes, Zukunft (2008), S. 314–316. 270 Vgl. Reitmayer, Ansatz (2005), S.  49–51, Spoerer, Eklektizismus (2005), S.  61 sowie­ Stokes, Zukunft (2008), S. 322–326. 271 Die Frage, inwieweit der Ansatz „neu“ ist, wird in diesem Zusammenhang nicht dis­ kutiert. Reinhard Spree weist aber zu Recht auf die Vertreter der Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie hin, die sich bereits Jahrzehnte vor der angloamerikanischen Forschung mit ähnlichen Überlegungen beschäftigt haben. Vgl. Spree, Wachstum (2006), S. 166. 272 Vgl. Volckart, Erklärungen (2005), S. 619. 273 Williamson, Economics (2000), S. 595. 274 Vgl. Kolb, Geschichte (1997), S.  131 sowie Immergut/Jäger, Institution(en) (2005), S. 550 f. Auf die einzelnen Ansätze der Neoklassik wird jedoch nicht eingegangen. 275 Im Folgenden werden nur die Grundzüge der Theorie vorgestellt, wesentliche Bestandteile wie z. B. das Monopol jedoch ausgespart. 276 Auf den Faktormärkten treffen die Unternehmen als Nachfrager der Produktionsfaktoren auf deren Anbieter. Die Gütermärkte wiederum stellen den Begegnungsort zwischen den Konsumenten bzw. Haushalten und den Unternehmen als Anbieter des Outputs dar.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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dieses Konzept verkörpernde Homo Oeconomicus277 versucht also, ein Knappheitsproblem in einer Konkurrenzsituation zu lösen.278 Auch werden bestimmte Annahmen in Bezug auf das Marktumfeld getroffen, da beispielsweise keine Kosten für die Informationsbeschaffung oder die eigentliche Geschäftsabwicklung anfallen. Unternehmen werden ausschließlich über ihre Produktionsfunktion definiert. Außer im Fall einer Monopolstellung gehen Gewinne aufgrund der Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation langfristig gesehen gegen Null.279 Wie würde nun ein derartiger Versicherungsmarkt in der neoklassischen Theorie aussehen? Im Fall der Angebotsseite gibt es zahlreiche Versicherungsunternehmen. Die von diesen Gesellschaften erhobenen Prämien reichen gerade dafür aus, dass die Kosten gedeckt sind und ein Wettbewerbsgewinn erzielt wird. Kunden als auch Unternehmen haben die gleichen Informationen über Verlustwahrscheinlichkeiten und den damit verbundenenen Konsequenzen. In dieser idealen Welt würde dann fast280 jedes ungewisse Ereignis zu einem gewissen Maß ver­sichert werden können, solange die Verwaltungskosten nicht zu hoch und die Kunden risikoavers sind und ihren Erwartungsnutzen maximieren. Die Nachfrageseite bestimmt sich weitgehend aus der Tatsache, dass die Versicherungsnehmer ihren erwarteten Nutzen maximieren wollen. Aufgrund der Risikoaversion sind Kunden bereit, Versicherungsverträge auch zu solchen Prämien zu erwerben, die ihren erwarteten Verlust übersteigen. Der Betrag, der über den erwarteten Verlust hinausgeht, stellt die Risikoprämie dar,281 die der Kunde für den Versicherungsschutz zu zahlen bereit ist.282 277 Nach dem Modell des Homo Oeconomicus ist ein Individuum vor dem Hintergrund seiner Präferenzen und bei gegebenen Rahmenbedingungen bestrebt, durch rationales Handeln seinen Nutzen zu maximieren. Verändern sich die Umwelt und das Anreizsystem, wird möglicherweise anstatt dieser scheinbar optimalen Wahl eine Alternative gewählt. Zwar wird von den Befürwortern anerkannt, dass menschliches Handeln nicht immer von Rationalität geprägt sei. Der Homo Oeconomicus wird damit aber nicht in Frage gestellt, da das Modell nur den Durchschnittsmenschen abbilden würde. Abweichungen von Modellvorstellungen seien zudem nichts Ungewöhnliches und würden das Konstrukt an sich nicht widerlegen. Vgl. Kirchgässner, Modell (2008), sowie Eurich/Brink, Rolle (2006), S. 97–105. Allerdings werden dem Homo Oeconomicus eine Reihe normativer und empirischer Kritikpunkte entgegengebracht. Von einem philosophischen bzw. ethischen Standpunkt aus gesehen ist beispielsweise die Annahme eines Individuums mit eigenen Wertvorstellungen ohne Rückkoppelung zur Gesellschaft unrealistisch. Vgl. Homann, Dilemmastrukturen (1994), S. 387–392. 278 Die Idee dieses vollständig rational handelnden Individuums beruht wiederum auf dem methodologischen Individualismus, der in diesem Zusammenhang als Verfolgung eigener Interessen durch jeden wirtschaftlich Handelnden verstanden wird, was dann zwangsläufig rationales Handeln nach sich zieht. Vgl. Blum, Zukunft (1991), S. 115 f. 279 Vgl. zur neoklassischen Theorie North, Institutions (1990), S. 18–20, Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 1–39 sowie Picot/Dietl/Franck, Organisation (2005), S. ­35–45. 280 Ausnahmen bilden beispielsweise solche Ereignisse, die wie der Sonnenaufgang mit Sicher­heit eintreffen. 281 Die Prämienhöhe hängt davon ab, wie risikoavers das wirtschaftlich handelnde Individuum eingestellt ist. Zudem kann hier zusätzlich ein Selbstbehalt vereinbart werden. 282 Vgl. Kunreuther und Pauly und McMorrow, Insurance (2013), S. 18–31.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Die Neoklassik geriet aber in die Kritik, beispielsweise, was bestimmte Annahmen bezüglich des Marktumfeldes betrifft. Die Vorstellung, dass keine Kosten für die Informationsbeschaffung anfallen würden ist ebenso unrealistisch wie diejenige, dass die eigentliche Geschäftsabwicklung kostenfrei sei. Zudem werden Unternehmen ausschließlich über ihre Produktionsfunktion definiert. Die Neoklassik erkennt zwar die Existenz von Institutionen an, analysiert diese aber nicht weiter.283 Diesem Versäumnis will die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) auf den Grund gehen.284 Die NIÖ hat sich zum Ziel gesetzt, die Funktionsweisen und Konflikte, die sich im Rahmen von arbeitsteiligen Tätigkeiten ergeben, zu untersuchen. Damit verbunden sind auch Lösungsvorschläge für übergeordnete Fragestellungen, beispielsweise was die Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung betrifft.285 Insofern gelten andere methodische Voraussetzungen als bei der Neoklassik. Weiterhin geht man vom Knappheitsproblem und der Rolle der Anreize als treibende Kräfte aus.286 Bei manchen der institutionenökonomischen Ansätze ist das Menschenbild von einem stark opportunistischen287 oder einem nur begrenzt ratio­ nalem Handeln der Marktteilnehmer geprägt.288 Zudem sind Transaktionen nicht mehr unentgeltlich durchführbar.289 Wenn Transaktionen bzw. die damit verbundenen Informationen nicht mehr kostenlos verfügbar und unterschiedlich verteilt sind, ergeben sich Anreiz- und Motivationsprobleme. Zudem erscheint dem wirtschaftlich handelnden Individuum die Welt als zu komplex, um sie vollständig erfassen zu können.290 Es gilt das Problem zu lösen, wie menschliche Kooperation unter den Bedingungen von objektiver bzw. subjektiver Unsicherheit und unvollständigen Informationen organisiert werden kann.291 Erreicht werden soll dies mit der Schaffung und Weiterentwicklung eines institutionellen Rahmens. 283

Vgl. Alchian/Demsetz, Production (1972), S. 778 sowie North, Institutions (1990), S. 107. Die Neoklassik ist daher für die Analyse des Innenlebens von Organisationen nicht geeignet. Vgl. Wischermann, Theorien (1998), S. 82 sowie Richter, Economics (2008), S. 2. 284 Der Begriff wurde von erstmals 1975 von Oliver Williamson verwendet. Vgl. Wiliamson, Markets (1975), S. 1. Der entscheidende Denkanstoß stammt aber von Ronald Coase. 285 Vgl. Pierenkemper, Unternehmensgeschichte (2000), S. 68, Erker, History (2002) sowie Berghoff, Unternehmensgeschichte (2004), S. 44–62. 286 Vgl. North, Institutions (1990), S. 112 sowie Gorißen, Preis (2003), S. 104. 287 Der Begriff Opportunismus bezieht sich auf das Streben nach individueller Nutzen­ maximierung, was sich negativ auf die Zielerreichung anderer Individuen oder Organisationen auswirken kann. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Individuen opportunistisch handeln. Dennoch stellt die Gefahr, dass es manche tun, ein nicht zu unterschätzendes Problem dar und muss deshalb in den Überlegungen der Transaktionspartner berücksichtigt werden. Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 23. 288 Vgl. Berghoff, Nutzen (2007), S. 178 f. 289 Vgl. Bea/Göbel, Organisation (2002), S. 121, Picot/Dietl/Franck, Organisation (2005), S. 45 sowie Eurich/Brink, Rolle (2006), S. 109 f. 290 Vgl. Binswanger, Risk (1986), S. 69 sowie Ripperger, Vertrauen (1998), S. 22. 291 North, Role (2008), S. 4–6. Die Verwendung des Terminus ‚Unsicherheit‘ ist nicht unproblematisch. Der Begriff kann zum einen nach der Art der Ursache unterschieden werden: Dabei wird die Frage diskutiert, ob sich Unsicherheit objektiv aus der Situation selbst heraus

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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Was aber sind Institutionen? Douglass North definiert diese in einer ersten Annäherung als „[…] the rules of the game in a society, or more formally [,] the humanly devised constraints that shape human interaction“.292 North fasst Institutionen also grundsätzlich als Gebilde von Regeln auf. Detaillierter unterscheidet North erstens nach informellen Regeln, was z. B. Traditionen, Sitten, Gebräuche oder Religion sein können. Oliver Williamson zufolge ist für diese Phänomene charakteristisch, dass sie sich nur auf lange Sicht gesehen verändern.293 Zweitens gibt es gemäß North formelle Regeln wie Verfassungen, Gesetze, Organisationen wie Unternehmen, Verträge oder auch Verfügungsrechte (‚Property Rights‘). Veränderungen sind hier kurzfristiger möglich als bei Werten oder Traditionen.294 Formelle und informelle Institutionen295 bilden die Anreizstruktur einer Gesell­ schaft – nicht zuletzt für das wirtschaftliche Geschehen.296 Eine konkretere Definition gibt North zusammen mit Robert Paul Thomas: „We shall be particularly interested in those institutional arrangements which enable units to realize economies of scale (joint stock companies, corporations), encourage innovation (prizes, patent, law), to improve the efficiency of factor markets (enclosures, bills of exchange, the abolition of serfdom), or to reduce market imperfections (insurance companies).“297

Folgende Merkmale sind charakteristisch für Institutionen: Erstens ermöglichen oder unterbinden sie menschliches Handeln und reduzieren dabei Un­ sicherheit. Institutionen können zweitens entweder unbeabsichtigt entstehen oder auf davor festgelegten Regelungen basieren. Drittens werden sie aufgrund von Gewohnheiten oder Überzeugungen befolgt oder mit Hilfe von Autoritäten durch­ ergibt oder individuell erfahren wird. Ein Informationsmangel ist also nicht immer für eine unsichere Situation verantwortlich. Dies gilt nur dann, falls individuell Unsicherheit empfunden wird. Das Fehlen an Informationen oder die Unfähigkeit, diese zu verarbeiten, führen dazu, dass sich das Individuum irren kann. Der Zufall dagegen ist ein objektiver Grund dafür, dass es unsichere Situationen gibt, denn dem Zufall stehen alle gleichermaßen gegenüber. Zum anderen wird nach der Art der Ereignisse unterschieden: Exogene Unsicherheit liegt dann vor, wenn sie außerhalb der persönlichen Einflussnahme liegt. Dies ist z. B. bei Naturkatastrophen der Fall. Aus den Interaktionen der beteiligten Personen wiederum erfolgt die endogene Unsicherheit. Diese ist nun beeinflussbar, beispielweise durch eine entsprechende Vertragsgestaltung, und tritt v. a. im Rahmen der Leistungserstellung auf. Hier wiederum können sich Probleme aufgrund der Motivation und der Fähigkeiten der Beteiligten ergeben. Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 14–18. 292 North, Institutions (1990) S. 3. Ähnlich North, Institutions (1991). S. 97. 293 Vgl. Williamson, Economics (2000). S. 596. 294 Vgl. North, Institutions (1991). S. 97. 295 Vgl. North, Process (2005), S. 50 f. 296 Vgl. North, Performance (1994), S.  360. Analog dazu kann man auch nach institutionellen Rahmenbedingungen (‚institutional environment‘) und institutionellen Vereinbarungen (‚institutional arrangement‘) unterscheiden. Während erstere die fundamentalen Regeln in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft darstellen, koordinieren zweitere die Transaktionen zwischen wirtschaftlich handelnden Individuen. Vgl. Davis/North, Change (1971), S. 6 f. 297 North und Thomas, World (2009), S. 5 f.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

gesetzt. Schließlich determiniert viertens der institutionelle Rahmen  – was sowohl ökonomische als auch politische Institutionen einschließt298 – die Leistung einer Volkswirtschaft.299 Mit Hilfe von Institutionen schaffen sich Menschen also eine Ordnung, mit der Probleme, die innerhalb von Austauschbeziehungen entstehen, gelöst werden können. Zusammen mit der verwendeten Technologie bestimmt der institutionelle Rahmen die Transaktions- und Transformationskosten, die Rentabilität sowie die Ausführbarkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten.300 Darüber hinaus verändern Institutionen Anreizstrukturen im wirtschaftlichen Geschehen.301 Die hier zugrundeliegenden Verträge können sowohl implizit vereinbart als auch explizit formuliert sein.302 Allerdings wird kein institutionelles Arrangement so vollständig konzipiert sein, dass sich daraus stets eindeutige Handlungsrichtlinien ableiten lassen. In der Folge treten Probleme auf, die sich z. B. aus den angesprochenen Informationsasymmetrien ergeben können.303 Zum Abschluss soll der These nachgegangen werden, inwieweit kulturelle Aspekte etwas mit der Erforschung von Institutionen zu tun haben. Studien haben ergeben, dass nicht nur Effizienzkriterien zur Entstehung von Institutionen beigetragen haben, sondern ebenso kulturell-ideelle Phänomene. Denn es darf nicht vergessen werden, dass keine Institution quasi im luftleeren Raum agieren kann, sondern wesentlich von den herrschenden Weltbildern oder Traditionen be­ einflusst wird.304 Zunächst soll diskutiert werden, wie es langfristig gesehen überhaupt zu institutionellem Wandel kommen kann, bevor im Anschluss wesentliche unter dem Dach der NIÖ versammelte Ansätze – der Transaktionskostenansatz, die Theo­ rie der Verfügungsrechte oder der Property-Rights-Ansatz sowie die PrinzipalAgent-Theorie – diskutiert werden.

298

Deutlich wird dies z. B. daran, dass bestimmte Institutionen wie Verträge nur dann wirksam sind, wenn sie auf einem arbeitsfähigen Rechtssystem beruhen. Um dies durchzusetzen, sind wiederum politische Institutionen notwendig. 299 Vgl. North, Institutions (1990), S.  69, North, Institutions (1991). S.  97 f.; 104, Rásony, Promotoren (2000), S. 17 f. sowie Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 63. 300 Transformationskosten entstehen bei der Umwandlung von Produktionsfaktoren. Transaktionskosten wiederum sind die Kosten, die infolge eines Engagements am Markt anfallen. 301 Vgl. North, Institutions (1990), S. 118 sowie North, Institutions (1991), S. 97. 302 Vgl. North, Costs (1984), S. 8. 303 Vgl. Williamson, Economics (2000), S. 601 sowie Reichardt, Kapital (2003), S. 10 f. Institutionen können auch als Kultur einer Gesellschaft bezeichnet werden. Vgl. North, Change (1989), S. 239. 304 Vgl. Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 279.

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b) Theorie des institutionellen Wandels Douglass North gebührt das Verdienst, in der wirtschaftshistorischen Forschung entscheidende Beiträge hinsichtlich des langfristigen institutionellen Wandels geleistet zu haben. North bettet auf der Basis der Kritik der NIÖ an der Neoklassik seine Überlegungen zu institutionellen Veränderungen in seine Ideen zum ökonomischen Wandel305 an sich ein. Denn eine der wesentlichen Voraussetzungen neben einer Veränderung der Bevölkerungszahl und einem Wandel im Hinblick auf das Wissen um die Beherrschung der Natur seien Modifikationen des Institutionengefüges, in dem sich das ökonomische Geschehen abspielt.306 Wie schon erörtert, stellen Institutionen nichts anders als den fortlaufenden Versuch des Menschen dar, die Unsicherheiten,307 mit denen er sich in seiner Umwelt konfrontiert sieht, zu reduzieren. North definiert fünf Spielarten von Unsicher­ heiten. Erstens diejenige, die verringert werden kann, indem neue Informationen auf Grundlage des vorhandenen Wissenstandes generiert werden. Die Entwicklung der Seeversicherung im Mittelalter, welche den internationalen Handel stimu­lierte, ist hier ein gutes Beispiel. Zweitens die Unsicherheit, welche durch eine Erhöhung des vorhandenen Wissensstandes innerhalb des bestehenden institutio­nellen Rahmens reduziert werden kann. Beispielsweise liegen im Verlauf der Geschichte zahlreiche Beispiele für menschliche Kreativität vor, ohne dass bestimmte institutionelle Anreize vorhanden waren. Drittens solche, deren Reduktion nur durch eine Änderung der bestehenden Institutionen  – und damit neuer institutioneller Anreize – möglich ist. Viertens die Verringerung der Unsicherheiten angesichts neuartiger Situationen, welche eine Anpassung bestimmter Über­zeugungen erfordert. Wie hier reagiert wird, hängt vom Ausmaß dieser neuen Situation sowie vom eigenen kulturellen Hintergrund bzw. Erbe des jeweils handelnden Akteurs ab. Fünf­ tens bleiben schließlich manche Unsicherheiten bestehen, welche die Grundlage für „nicht-rationale“ Vorstellungen bilden. So spielt beispielsweise die Religion für viele Menschen immer noch eine bedeutende Rolle. Welche dieser Situationen im Verlauf der Entwicklung der deutschen Hagel­ versicherung auftraten, wird im Verlauf der Arbeit diskutiert werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die Reduzierung der genannten Varianten immer auch vor 305

Auf diese Überlegungen wird nicht näher eingegangen. North räumt im Übrigen ein, dass es noch keine stringente Theorie gebe, welche alle der genannten Punkte berücksichten würde. Fortschritte seien aber zu erkennen. 307 North versteht die Begriffe der Unsicherheit und des Risikos grundsätzlich im Sinne von Frank Knight, geht aber gleichzeitig über die Knightsche Vorstellung hinaus, dass es sich bei Unsicherheit ‚nur‘ um ein Wahrscheinlichkeitskriterium handelt. Vielmehr müsse der Unsicherheitsbegriff vor dem Hintergrund des menschlichen Verhaltens gesehen werden. Der Mensch habe ein einzigartiges Bestreben, seine Umwelt berechenbar zu machen. Diese menschliche Triebkraft sei im Übrigen so stark, dass nicht alle Handlungen auf sämtliche möglichen Konsequenzen abgeschätzt würden. Hieran knüpft auch Norths fundamentale Kritik an der neoklassischen Theorie an, die – wie gezeigt wurde – den Zustand vollkommener Information und damit Sicherheit propagiert. 306

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

her nicht abschätzbare Konsequenzen oder neue Unsicherheiten nach sich ziehen kann  – und damit die Komplexität der menschlichen Gesellschaft abermals erhöht.308 Neue Technologien verringern zwar manche Probleme, können aber nicht geahnte Auswirkungen zur Folgen haben – was letztlich nichts anderes als die so genannte Pfadabhängigkeit309 darstellt.310 Zudem sei angemerkt, dass Douglass North im Verlauf seiner Forschung kulturellen Faktoren einen immer größeren Stellenwert einräumt: In seinen frühen Werken vertritt North zusammen mit Robert Paul Thomas die These, dass die Gründung und Veränderung von Institutionen allein durch die Minimierung der Transaktionskosten bestimmt würde. Alle Institutionen hätten sich immer an die jeweiligen Rahmenbedingungen, also Güterrelationen bzw. damit verbunden an das Preis- und Kostenverhältnis angepasst.311 Allerdings wurde diese Interpre­ tation der Wirtschaftsgeschichte schon bald kritisiert: U. a. wandte man ein, dass das Argument, die Transaktionskosten seien das wesentliche Kriterium, nur bei bereits bestehenden Institutionen angewendet werden könnte, da nur in diesen Fällen die jeweiligen Opportunitätskosten bekannt seien. Wäre zudem die ökonomische Entwicklung nur nach rationalen Gesichtspunkten verlaufen, hätte es zumindest zu einer gewissen Angleichung aller wirtschaftlichen Prozesse bzw. der Institutionen kommen müssen.312 Entsprechend kommt North auch von seiner ursprünglichen These ab und betont den Einfluss von kulturellen Faktoren: „Modification of the rationality assumption means that ideas, dogmas, prejudices and ideologies matters. […] And specifically it means that we must incorporate into our analysis the belief systems that the actors hold that determine the choices they make. And that brings us to time and human learning.“313

308

Waren beispielsweise in Agrargesellschaften noch die persönlichen Beziehungen und Vereinbarungen entscheidend, wurden diese im Rahmen von modernen Austauschbeziehungen durch formale Strukturen und Regeln ersetzt, die eine höhere Komplexität als die bisherigen Regeln aufweisen. Vgl. North, Process (2005), S. 87–102. 309 North zufolge kann dieses Phänomen mehrere Aspekte beschreiben. Allerdings genüge es nicht, Pfadabhängigkeit nur derart aufzufassen, dass Entscheidungen, die in der Gegenwart getroffen werden, alleine von den in der Vergangenheit geformten institutionellen Rahmenbedingungen abhängen würden. Sei dies der Fall, dann könnten radikale Veränderungen ohne große Probleme vorgenommen werden. Wie die Diskussion über das Wesen von Institutionen gezeigt hat, schaffen diese bestimmte Organisationen – und deren Überleben hängt wiederum oftmals vom Fortbestehen der bisherigen Rahmenbedingungen ab. Entsprechend würden sich diese Organisationen auch dagegen wehren, dass es zu einem Eingriff in den institutionellen Rahmen komme. 310 Vgl. ausführlich zu diesem Abschnitt North, Process (2005), S. 1–52. 311 Vgl. North/Thomas, World (2009). 312 Vgl. hierzu die Diskussion bei Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 54 f. bzw. Leipold, Institutionenreformen (2006), S.  24 f. Die neueren Diskussionen bei Sauerland und Schröder zeigen zudem den unverminderten Reiz, den Norths Werk für die Wirtschafts­ geschichtsschreibung ausübt. Vgl. Sauerland, Transaktionskosten (2009) sowie Schröder, Bedeutung (2009). 313 North, Adress (1995), S. 8.

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Somit bleibt festzuhalten, dass Institutionen im Rahmen der Gestaltung von effizienten Märkten eine wesentliche Rolle spielen.314 Für North war daher nicht die industrielle Revolution, sondern der institutionelle Wandel der entscheidende Faktor für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung speziell in Europa in der Frühen Neuzeit.315 Immer noch nicht geklärt ist aber, welche Phänomene gegeben sein müssen, dass es zum institutionellen Wandel kommt. Douglas North führt hier fünf Aspekte an:316 Erstens sind die ständigen Interaktionen zwischen Institutionen und Organisationen vor dem Hintergrund der Knappheit bzw. Wettbewerbsbedingungen wesentlich für institutionellen Wandel.317 Um deren Überleben sicherzustellen, zwingt zweitens die Wettbewerbssituation Organisationen ständig dazu, in Wissen und Fähigkeiten zu investieren. Damit soll sichergestellt werden, dass die eigene Effizienz größer ist als diejenige der Konkurrenten.318 Der institutionelle Rahmen stellt drittens bestimmte Anreize zur Verfügung, welche wiederum die Auswahl der Fähigkeiten bzw. des Wissen determinieren, um dadurch den höchstmöglichen Erfolg – z. B. den maximalen Gewinn – zu erzielen.319 Viertens sind die Entscheidungen, die getroffen werden, immer von den individuellen Wahrnehmungen des Akteurs abhängig.320 Fünftens ist schließlich festzuhalten, dass das Überleben von Organisationen immer vom bestehenden institutionellen Rahmen abhängt.321 Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, betreffen drei Punkte: Erstens ist die Rolle des Staates im Hinblick auf die Entwicklung von Institutionen stärker zu würdigen. Dem Staat kommt die Rolle als Zentralgewalt bzw. als Garant der Rechtssicherheit und insbesondere der Eigentumsrechte zu. Allerdings muss die Bereitstellung von effizienten Rahmenbedingungen im Zeitablauf angepasst 314

Vgl. North, Institutions (1990), S. 118–140. Diesem Ansatz folgend, ist Wirtschaftsgeschichte „[…] a largely incremental story of institutional evolution in which the historical performance of economies can only be understood as a part of a sequential story.“ North, Institutions (1990), S. 118. 316 Vgl. North, Process (2005), S. 59–64. 317 Dies bedeutet aber gleichzeitig eine konzeptionelle Trennung der beiden Phänomene: Während Institutionen die Spielregeln darstellen, sind Organisationen die Spieler. Beide bedingen sich gegenseitig, was zum Wandel führt. 318 Der Wettbewerb zwingt Organisationen dazu, fortlaufend Wissen zu generieren, mit dem wiederum neue Möglichkeiten wahrgenommen werden können. Das aber kann wiederum die institutionellen Rahmenbedingungen selbst verändern. 319 Sollten also die größten Chancen auf dem Markt darin liegen, mit Produktivitätssteigerungen erfolgreich zu sein, dann wird ein Unternehmen genau in diese Kenntnisse investieren. 320 Die Art und Weise, wie sich ein Individuum die Welt erklärt, ist von seinen jeweiligen Denkmustern bzw. der Konditionierung bestimmmt – im Übrigen ein Punkt, den die Neoklassik wie gesehen vollkommen ausblendet. 321 Erst auf Basis der vorhandenen Institutionen kann eine Organisation geschaffen werden und ist dann während ihrer Existenz darin eingebunden. Daraus folgt, dass sich institutioneller Wandel größtenteils schrittweise vollzieht, da wie gesehen fundamentale Umwälzungen Widerstände hervorrufen würden. Zudem geschieht der Wandel wie erläutert immer auch pfadabhängig. 315

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

werden.322 Zweitens sind Organisationen intensiver zu untersuchen, in denen sich Akteure mit gleichen Interessen zusammenschließen und nach der Realisierung von gemeinsamen ökonomischen Zielen streben. Als Folge davon wird der Wettbewerb und damit auch der Anpassungs- und Leistungswille der Menschen stimuliert. Drittens müssen ideelle und kulturelle Faktoren berücksichtigt werden.323 Somit legen die institutionellen Rahmenbedingungen den jeweiligen Pfad der wirtschaftlichen Entwicklung fest.324 Wie sich nun alle diese Punkte im Rahmen der konkreten Branchengeschichte äußern, wird der Verlauf der Arbeit zeigen. In den folgenden Kapiteln sollen nun diejenigen Bestandteile der NIÖ, welche für die konkrete Analyse erfoderlich sind, diskutiert werden.325 c) Der Transaktionskostenansatz Der Transaktionskostenansatz geht davon aus, dass Produkte oder Dienst­ leistungen arbeitsteilig und damit auf der Grundlage von vertraglich fixierten Austauschbeziehungen erstellt werden.326 Die dabei anfallenden einzelnen Teilleistungen können sowohl unternehmensintern erstellt als auch am Markt ein­gekauft werden. Wie dies im konkreten Fall gehandhabt wird, hängt von einer Reihe verschiedener Faktoren ab: Dem menschlichen Verhalten, der Transaktion selbst sowie den jeweiligen Umweltbedingungen.327 Hierzu zählen Opportunismus, die

322

Vgl. North, Structure (1981), S. 20–32 sowie North, Process (2005), S. 116–126. Kulturelle Rahmenbedingungen stellen eines der wesentlichen Kriterien dar, welche die Gegenwart und Zukunft beeinflussen – was abermals nichts anderes als das Element der Pfadabhängigkeit ist. 324 Vgl. North, Structure (1981), S. 20–32, North, Institutions (1990), S. 61–104, North, Performance (1994) sowie North, Process (2005), S. 116–126. 325 Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass bei der Anwendung der NIÖ im Rahmen der wirtschaftshistorischen Forschung genau darauf zu achten ist, welche Fragen beantwortet werden sollen. Will man beispielsweise einen Vergleich der ökonomischen Entwicklung einer bestimmten Region mit einer anderen treffen, dann leisten die Theorieangebote der NIÖ wertvolle Hilfe. Schwieriger wird es zu untersuchen, warum es zu einer bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort zur Entstehung einer Institution gekommen ist – was ein völlig anderes Problem darstellt. Eine sorgfältige Auswahl der anzuwendenden Bestandteile der institutionenökonomischen Theorie ist ebenso wichtig wie das Einbeziehen von weiteren Faktoren – wozu nicht zuletzt auch kulturgeschichtliche Überlegungen zählen. In Anlehnung an Rásony, Promotoren (2000), S. 24–27. 326 Grundlegend für die Transaktionskostentheorie war der Aufsatz ‚The Nature of the Firm‘ von Ronald Coase. Er stellt dabei die Frage, warum es überhaupt Unternehmen gibt und weshalb wirtschaftliche Aktivitäten nicht vollständig dem Markt überlassen werden. In diesem Zusammenhang diskutiert Coase erstmals den Gedanken der Koordinations- bzw. Trans­ aktionskosten. Vgl. Coase, Nature (1937). Oliver Williamson erweiterte den Ansatz und sorgte damit für eine vielfältige Rezeption der ursprünglichen Ideen von Coase. Vgl. Williamson, Markets (1975). 327 Vgl. Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 47 f. 323

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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jeweilige Faktorspezifität328 und Häufigkeit sowie die Unsicherheit der Rahmenbedingungen der jeweiligen Transaktion.329 Insbesondere wird die Entscheidung, ob intern produziert oder extern zugekauft wird, von den damit verbundenen Aufwendungen, den Transaktionskosten, determiniert.330 Transaktionskosten umfassen diejenigen Aufwendungen, die für die Schaffung, den Fortbestand, den Gebrauch oder auch die Veränderung von Institutionen anfallen.331 Konkret geht die Theorie davon aus, dass die Transaktionskosten bei zunehmender Spezifität und Unsicherheit steigen, da dann den Vertragspartnern opportunistisches Handeln unterstellt wird. Im Fall von Versicherungsverträgen bestehen diese Kosten beispielsweise darin, dass sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer Informationen über Risiken oder das Verhalten des Vertragspartners einholen.332 Diese Punkte werden in den folgenden Kapiteln noch diskutiert werden. Hier sei nur angedeutet, dass einer der Partner den anderen benachteiligen könnte, indem er Vertragslücken oder einen Informationsvorsprung ausnutzt. Als Faustregel für die Lösung dieser Probleme gilt daher die Tendenz, hochspezifische Leistungen hierarchisch, d. h. unternehmensintern, zu erstellen. Routinetätigkeiten dagegen werden auf dem Markt nachgefragt.333 Somit werden mit Hilfe der Transaktionskosten die Struktur und Grenzen eines Unternehmens überhaupt erst festgelegt.334 Für die wirtschaftshistorische Forschung müssen in diesem Zusammenhang aber einige Punkte kritisch diskutiert werden. Transaktionskosten sind zwar „[…] theoretisch überzeugend begründbar[,] empirisch aber bis heute nur schwer 328 Darunter wird das Ausmaß bzw. der Grad der Einmaligkeit eines Gutes oder einer Dienstleistung verstanden. Je spezifischer ein Gut ist, umso mehr ist ein längerfristiges Arrangement erstrebenswert. Negativ zeigt sich die Spezifität aber in bestimmten Abhängigkeiten, den „lock-ins“. 329 Vgl. Williamson, Institutionen (1990), S. 60–69. 330 Vgl. Williamson, Institutionen (1990), S. 21–26. North definiert den Begriff wie folgt: „Transaction costs are the costs of specifying and enforcing the contracts that underlie exchange and therefore comprise all the costs of political and economic organization that permit economies to capture the gains from trade.“ North, Costs (1984), S. 7. 331 Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 54. 332 Vgl. Kunreuther und Pauly und McMorrow, Insurance (2013), S. 70–73. 333 Angemerkt sei, dass es neben dieser Markt-Unternehmen-Dichotomie eine Reihe von Zwischenformen wie bilaterale Verträge oder den Einsatz von professionellen Beratern gibt. Welche Form schließlich gewählt wird, hängt u. a. von der Spezifität und der Regelmäßigkeit der Transaktion ab. Vgl. Leipold, Institutionenökonomik (2006), S. 51 f. 334 Vgl. falls nicht anderes zitiert zu den Ausführungen zum Transaktionskostenansatz­ Picot, Ansatz (1991), Bea/Göbel, Organisation (2002), S. 129–134 sowie Picot/Dietl/Franck, Organisation‚ (2005), S. 56–71. Angemerkt sei, dass auch nach Markt-, unternehmensinternen und politischen Transaktionskosten differenziert werden kann: Markttransaktionskosten ergeben sich aus der Teilnahme am Marktgeschehen und umfassen Such- bzw. Informations-, Verhandlungs- und Überwachungskosten. Unternehmensinterne Transaktionskosten sind die für die Gründung und den Erhalt des Unternehmens notwendigen Aufwendungen. Politische Transaktionskosten wiederum beinhalten die Kosten, die sich aus der Schaffung oder Veränderung des Gemeinwesens und damit eines Teils des institutionellen Rahmens ergeben. Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 57–65.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

dingfest zu [machen]“.335 Während manche Wirtschaftshistoriker die gänzliche Vernachlässigung des Phänomens als großen Fehler betrachten, beklagen andere Fachvertreter das Problem der mangelnden Operationalisierbarkeit des Ansatzes.336 Ohne Zweifel ist dieser Punkt im Rahmen von historischen Analysen eine der Schwachstellen des Konzeptes. Dies bedeutet aber nicht, dass Transaktionskosten komplett zu ignorieren sind. Denn selbst ohne genaue quantitative Angaben kann plausibel begründet werden, ob das Aufkommen neuer Institutionen die Kosten der Marktnutzung verringert hat oder ob hier kein Effekt zu beobachten ist.337 d) Der Property-Rights-Ansatz Im Hinblick auf die individuelle Wirtschaftsleistung ist es aus ökonomischer Perspektive von wesentlicher Bedeutung, ein rechtlich einwandfrei definiertes Eigentum338 an Produktionsmitteln zu besitzen. Die Theorie der Verfügungsrechte untersucht, wie Eigentum in einer Gesellschaft339 bzw. die Nutzungsrechte an einer bestimmten Ressource definiert sind. Vereinfacht gesagt wird eine Antwort auf die Frage „Wem gehört was?“340 gesucht.341 Hintergrund dieser Diskussion ist abermals das Weltbild der NIÖ, also unvollständige Informationen sowie das Streben nach einer möglichst umfassenden individuellen Nutzenmaximierung. Dem Property-Rights-Ansatz liegt die Prämisse zugrunde, dass die Individuen mit denjenigen Ressourcen effizienter und sorgfältiger umgehen, über die sie uneingeschränkt und rechtlich verbindlich verfügen können.342 Als Konsequenz daraus begünstigen vollständig und eindeutig definierte Property Rights beispielsweise das Zustandekommen von langfristigen Austauschbeziehungen.343 Zudem bestim-

335

Nieberding und Wischermann, Unternehmensgeschichte (1998), S. 37. Vgl. z. B. Wischermann, Property-Rights-Ansatz (1993), S.  249 bzw. Volckart, Trans­ formation (2001), S. 287. Aufgrund der Diskussionen wurde daher versucht, im Rahmen der Arbeit einen Mittelweg einzuschlagen. 337 Vgl. Volckart, Transformation (2001), S. 287. 338 Grundsätzlich umfasst das Eigentum vier Einzelrechte: Das Recht auf den Gebrauch (usus), das Recht, über die Erträge zu verfügen (usus fructus), das Recht, das Eigentum auch zu verändern (abusus) sowie das Recht auf eine Eigentumsübertragung. 339 Der Theorie liegt die Auffassung zugrunde, dass sich das Wirtschaftsgeschehen in einer liberalen Gesellschaftsordnung abspielt. Privateigentum und dessen Übertragung sind damit gewährleistet. 340 Richter und Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 79. 341 Das Dilemma von nicht klar zugeordneten Verfügungsrechten und dem Versuch, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern, wurde intensiv am Beispiel der Allmende diskutiert. Das „Trauerspiel der Allmende“ stellt nichts anderes als eine Fehlallokation der Ressourcen dar. Das Prinzip Gemeingut kann nur dann funktionieren, wenn der Zugang geregelt wird und nur bestimmten Personen offensteht. Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 119–122, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 119. 342 Vgl. North, Institutions (1990), S. 63; 67. 343 Vgl. North, Institutions (1990), S. 65. 336

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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men sie die Höhe der dabei anfallenden Transaktionskosten.344 Sollte ein funktionierendes Rechtssystem vorhanden sein, steigen damit u. a. die Anreize zur Entwicklung von Innovationen, da deren Erträge eindeutig in Anspruch genommen werden können. In der Literatur werden drei Arten von Verfügungsrechten unterschieden:345 Erstens gibt es die so genannten absoluten Verfügungsrechte. Diese einzuhalten ist für jedes Individuum verpflichtend. Hierzu zählt beispielsweise das Privat­ eigentum. Die Motivation, die sich daraus ergibt, kann mit Hilfe eines einfachen Beispiels demonstriert werden: Hat ein Bauer das von ihm bearbeitete Land nur zur Pacht übernommen, dann wird er auch nicht über den vollen Ertrag seiner Arbeit verfügen können und entsprechend seine Arbeitsanstrengung nicht maximieren. Der Grundbesitzer wiederum müsste kostspielige Überwachungsmaßnahmen initiieren. Daher könnte zur Vermeidung dieses Problems vereinbart werden, dass der Bauer einen höheren Anteil am Ertrag erhält oder gegen entsprechende Kompensation an den Grundherrn sogar das Eigentum übertragen bekommt.346 Zweitens sind die ‚anderen Verfügungsrechte‘ zu nennen. Diese sind nun aber nicht durch ein bestimmtes Gesetz garantiert. Beispiele wären Konventionen und Institutionen wie Glaube oder Freundschaften, in deren Rahmen implizite Verträge entstehen. Drittens gibt es die ‚relativen Verfügungsrechte. Diese umfassen u. a. Schuldverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner. Im Rahmen eines solchen Verhältnisses – wozu auch der Abschluss einer Versicherung zählt – erfolgen Geschäft und Gegengeschäft einer Transaktion nicht immer zeitgleich. Sollte es zu Allokationsschwierigkeiten kommen, sind oftmals Informationsasymmetrien hierfür verantwortlich. Der besser informierte Partner könnte dies für opportunistisches Verhalten ausnutzen.347 Dies zu untersuchen, ist aber nicht Gegenstand der Property-Rights-Theorie, sondern wird im Rahmen der Prinzipal-Agent-­Theorie diskutiert, die daher eine Weiterentwicklung der Theorie der Verfügungsrechte darstellt.

344

Vgl. Wischermann/Nieberding, Revolution (2004), S. 12. Vgl. Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S. 96–118. 346 Dies bedeutet aber nicht, dass das Konstrukt der Pacht grundsätzlich falsch ist. Ein Bauer könnte bewusst auf das höhere Marktrisiko, das sich aus der Eigentumsübertragung ergibt, verzichten und den Status Quo vorziehen. 347 Vgl. falls nicht anders zitiert Bea/Göbel, Organisation (2002), S. 125–127, Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S.  87–144 sowie Picot/Dietl/Franck, Organisation‚ (2005), S.  46–56. Für den historischen Kontext vgl. Borchardt, Property-Rights-Ansatz (1977). 345

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

e) Das Problem von Informationsasymmetrien: Der Prinzipal-Agenten-Ansatz Probleme in Vertragsbeziehungen, die sich aus unterschiedlich verteilten Informationen ergeben, werden mit der Prinzipal-Agenten-Theorie348 untersucht. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis des Auftraggebers einer Transaktion (Prin­zipal) zum Auftragnehmer (Agenten), wobei die zugrundeliegende Vertrags­beziehung erneut sowohl expliziter wie impliziter Natur sein kann.349 Typische Beispiele für Prinzipale sind Eigentümer eines Unternehmens, die Rolle des Agenten nehmen dann die Manager ein.350 Konflikte ergeben sich durch Informations­asymmetrien sowie durch die Tatsache, dass beide Parteien unterschiedliche Interessen haben. Die dabei auftretenden Phänomene werden Moralisches Risiko (Moral Hazard) und Adverse Selektion genannt. Aufgrund der asymmetrischen Informationen und des opportunistischen Verhaltens ergeben sich Wohlfahrtsverluste, die sich konkret in den Überwachungskosten des Prinzipals zeigen.351 Entsprechend versucht man durch Anreizverträge, eine möglichst weitreichende Zielkongruenz her­zustellen.352 Der Fall der Adversen Selektion liegt dann vor,353 wenn einer der Partner  – i. d. R. der Agent – vor bzw. bei Vertragsabschluss einen Informationsvorsprung hat (‚hidden information‘) oder der Prinzipal keine Informationen über den Cha­ rakter des Agenten bzw. über die von ihm angebotenen Leistungen besitzt (‚hidden characteristics‘).354 Für den Versicherer besteht grundsätzlich das Problem, das Ri 348 Diese geht u. a. auf die Arbeiten von Michael C. Jensen und William H. Meckling zurück. Vgl. Jensen/Meckling, Theory (1976). Diese beschreiben das Problem folgendermaßen: „If both parties to the relationship are utility maximizers there is good reason to believe that the agent will not always act in the best interests of the principal. The principal can limit divergences from his interest by establishing appropriate incentives for the agent and by incurring monitoring costs designed to limit the aberrant activities of the agent.“ Ebd, S. 308. Vgl. daneben falls nicht anders zitiert für die Prinzipal-Agenten-Theorie Richter/Furubotn, Institutionenökonomik (2003), S.  218–312 sowie Picot/Dietl/Franck, Organisation‚ (2005), S. 72–141. Vgl. für eine Betrachtung der Prinzipal-Agenten-Problematik auf Versicherungsmärkten Schlesinger/Doherty, Markets (1992) sowie Shavell, Hazard (1992). 349 Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 64. 350 Wer welche Position innehat, ist situationsabhängig. Ein ökonomischer Akteur kann gleichzeitig Prinzipal und Agent sein: Ein Manager auf einer mittleren Hierarchieebene hat sowohl Beziehungen mit über- als auch untergeordneten Instanzen. 351 Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 64. 352 Vgl. Wenger/Terberger, Beziehung (1988), S. 507 sowie Bea/Göbel, Organisation (2002), S. 134–136. 353 Ein berühmtes Beispiel stellt die Analyse des Gebrauchtwagenmarktes durch Akerlof dar. Vgl. Akerlof, Market (1970). 354 Zusätzlich zum Vorhandensein von Informationsasymmetrien werden zwei weitere Annahmen getroffen: Erstens wird davon ausgegangen, dass die Risikoaversion unabhängig vom zugrundeliegenden Risiko besteht: Höheren Risiken würde man genauso avers gegenüber­ stehen wie geringeren. Zweitens beruhen die Überlegungen darauf, dass auf höhere Risiken mit einer größeren Nachfrage nach Versicherungsleistungen reagiert wird.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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siko eines Versicherten zu bewerten bzw. zwischen guten und schlechten Risiken zu unterscheiden. Zudem ist der Versicherungsnehmer meist besser über mögliche Gefahren für das versicherte Gut informiert. Ist dies im vorliegenden Fall gegeben? Ein Bauer dürfte beispielsweise zu Beginn der Branchengeschichte mehr Kenntnisse über die Hagelhäufigkeit oder die Hagelempfindlichkeit seiner Feldfrüchte besessen haben als die Versicherungsgesellschaft. Dieses individuelle Risiko konnte das Unternehmen nicht exakt genug einschätzen bzw. eine solche Informationsermittlung wäre mit unverhältnis­mäßig hohen Kosten verbunden. Allerdings ist anzunehmen, dass der Informationsvor­ sprung der Kunden in Bezug auf die Hagelhäufigkeit mit der Zeit geschrumpft ist – wenngleich der Aufbau von aussagekräftigen Statistiken einige Jahrzehnte in Anspruch nahm.355 Ein Problem betrifft aber die jeweilige Hagelempfindlich­ keit der einzelnen Pflanzen. Wenn nämlich trotz unterschiedlicher Hagelanfälligkeit der Pflanzen der Versicherer von allen Versicherungsnehmern die gleiche Prämie erhebt, dann können Probleme der Adversen Selektion auftreten. Wie noch zu zeigen sein wird, war dies speziell in den ersten Jahrzehnten der Branchenentwicklung auch der Fall. Die Kalkulationsmöglichkeiten und statistischen Grundlagen waren noch zu ungenau, um das individuelle Risiko genau zu quantifizieren, um dadurch die aktuarisch richtige Prämie zu ermitteln, weshalb es zu einem Pooling von überdurchschnittlich hohen Risiken gekommen ist. Dies zu verhindern ist auch heute noch wesentliche Aufgabe jeder Versicherungsgesellschaft. Grundsätzlich stellt der Versicherungsnehmer bei der Adversen Selektion – und auch im Fall des Moralischen Risikos – eine Kalkulation hinsichtlich seiner Prä­ mienzahlungen und der erwarteten Vergütung auf. Sollte die Entschädigungssumme die eigenen Zahlungen übersteigen, ist es wahrscheinlicher, dass ein Versicherungsvertrag abgeschlossen wird. Ein solches Verhalten kann aber im Extremfall die finanzielle Basis der Versicherungsgesellschaft gefährden.356 Zudem sind Versicherte mit einem niedrigen Risiko nicht bereit,357 einen Durchschnittspreis zu bezahlen und steigen nach und nach aus dem Markt aus.358 Damit erhöht sich aber die Durchschnittsprämie weiter, so dass diese Entwicklung im Extremfall sogar zum kompletten Marktzusammenbruch führen kann.359 Zudem kann sich das Problem der Adversen Selektion auch für den Kunden stellen, da er vor Vertragsabschluss keine Informationen über die Kapitaldeckung des Versicherers hat und somit nicht weiß, ob das Unternehmen im Schadensfall zahlungsfähig ist. 355

Dies wird im Verlauf des Textes noch diskutiert werden. Vgl. Miranda/Glauber, Risk (1997), S. 207. 357 Eine Ausnahme würde der Fall sein, wenn die „guten“ Kunden sehr risikoavers sein würden bzw. der neue Preis nicht allzuhoch wäre. 358 In Anlehung an Arrow, Limits (1974), S. 36. 359 Das Grundproblem wurde erstmals von Rothschild und Stiglitz untersucht. Vgl. Rothschild/Stiglitz, Equilibrium (1992). 356

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Um Probleme der Adversen Selektion in den Griff zu bekommen, bieten sich das so genannte Signaling (beim Agent) und das Screening (beim Prinzipal) an. Ein Signal wäre beispielsweise der Aufbau von Reputation. Für den potentiellen Kunden zeigt sich dies u. a. in der reibungslosen Abwicklung von Schadensfällen oder durch positive Aussagen anderer Versicherungsnehmer. Der Prinzipal wiederum versucht anhand bestimmter Mechanismen eine Vorauswahl potentieller Agenten zu treffen. Die Versicherungsgesellschaft will beispielsweise mit einem differenzierten Vertragsangebot erreichen, dass nur bestimmte Kunden jeweils darauf eingehen. So werden auch durch die Hagelversicherer gestaffelte Prämien angeboten, wodurch der Landwirt selbst entscheiden kann, welchen Selbstbehalt bzw. Mitversicherung er wählt.360 Eine Lösung für das Problem der Finanzierung von schlechten Risiken durch gute Kunden ist die Einführung von Pflichtversicherungen bzw. deren staatliche Subventionierung.361 Im Fall des Moralischen Risikos oder Moral Hazard nimmt einer der Partner – und dabei ebenfalls meist der Agent – vor Schadenseintritt unerlaubte Handlun­ gen (‚hidden action‘362) vor, welchen den Schadenseintritt begünstigt (ex-ante) oder dessen Ausmaß vergrößert (ex-post). Beide Fälle wirken sich erneut negativ auf die Wohlfahrt des Transaktionspartners aus.363 Zwar ist eine Versicherungsgesellschaft beispielsweise dem Risiko von Aktionen des Versicherungsnehmers ausgesetzt, die den Schadenseintritt herbeiführen, aber es kann ein solches vertragswidriges Handeln meist nicht erkennen, da dies mit hohen Überwachungskosten verbunden wäre. Sollte es dennoch gelingen, wird das Unternehmen die Prämien erhöhen, um das gestiegene Risiko abzubilden. Dies könnte aber zur Folge haben, dass die Versicherungsnachfrage insgesamt zurückgeht. Ex-ante moralisches Risiko scheidet im Fall der Hagelversicherung weitgehend aus, da der Landwirt auf das Auftreten von Hagelschlägen keinen Einfluss hat. Eventuell könnte man ihm unterstellen, dass er weniger robuste Sorten als die­ jenigen anbaut, die er bei seinem Versicherer hinterlegt hat. Diese dürfte aber relativ schnell erkannt worden sein, zumal eine Aufstellung über die Feldfrüchte schon bald wesentlicher Bestandteil von jedem Vertrag wurde. Berichten aus dem 19.  Jahrhundert zufolge wurde zudem versucht, durch Abholzen großer Wald­ flächen, welche anscheinend das Abregnen des Unwetters teilweise verhindern 360

Vgl. Arrow, Economics (1985), S. 45 sowie Ripperger, Vertrauen (1998), S. 65 f. Zudem gibt es weitere versicherungstechnische Punkte, die im Laufe der Entwicklung der deutschen Hagelversicherung eine Rolle gespielt haben: Die mangelnde Diversifizier­ barkeit, d. h. die Tatsache, dass die Gesellschaften nur in Deutschland bzw. nur regional tätig waren. Auch wurde das Instrument der Rückversicherung erst relativ spät eingesetzt. Zudem fand kein Pooling mit anderen Risiken statt. 362 Zu beachten ist aber, dass exogene Umwelteinflüsse die Handlungen des Agenten auch beeinflussen können. Möglicherweise hatte dieser gar nicht die Absicht, opportunistisch zu handeln. Dies kann aber vom Prinzipal nicht differenziert werden. Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 66. 363 Vgl. Arrow, Economics (1985), S. 38 f. 361

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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konnten, den Eintritt des Hagelschlags zu beschleunigen.364 Ex-post moralisches Risiko ist dann ge­geben, wenn nach Eintreten des Versicherungsfalls Handlungen unternommen werden, die das Schadensausmaß noch vergrößern bzw. ein Ver­ sicherungsbetrug vorliegt. Ein Beispiel wäre eine nachträgliche Beschädigung der Feldfrüchte durch den Landwirt selbst, wenn die Gegend durch Hagelschlag getroffen wurde.365 Schlussendlich ergeben sich durch das Problem des Moralischen Risikos Markt­ anomalien. Diese sind jedoch keine Folge davon, dass sich die Versicherungsnehmer vom Prinzip der Nutzenmaximierung verabschieden. Vielmehr liegen Informationsasymmetrien vor, die zu vertragswidrigen Handlungen führen.366 Das Problem des Moral Hazard ist durch verschiedene Monitoring-Maßnahmen in den Griff zu bekommen, was eine kontinuierliche Überwachung hinsichtlich der Einhaltung der Vertragsbedingungen beinhaltet. Auch die Schaffung von An­ reizen, die den Agenten von opportunistischen Handlungen abhalten sollen, zählen hierzu.367 f) Innovation Das Phänomen Innovation wird nicht nur innerhalb der Wirtschaftswissenschaf­ ten, sondern auch von Soziologen, Politikwissenschaftlern und v. a. von Histo­ rikern368 intensiv diskutiert. Abermals existiert aufgrund dieser Interdisziplinarität 364

Vgl. Referat des Generaldirektors von Hülsen-Hemsendorf (1869), S. 141. Allerdings ist nicht unumstritten, ob im Rahmen von landwirtschaftlichen Versicherungs­ märkten – speziell Elementarschadenversicherungen – überhaupt Probleme einer PrinzipalAgenten-Beziehung auftreten können. Voraussetzung für das Funktionieren solcher Märkte ist zum einen die weitgehende stochastische Unabhängigkeit der zu versichernden Risiken sowie zum anderen ein einigermaßen gleicher Informationsstand der Beteiligten. Etliche Fachvertreter gehen davon aus, dass Probleme des Moral Hazard und der Adversen Selektion zum Marktversagen bei landwirtschaftlichen Versicherungen beitragen. Die Argumentation bezieht sich dabei u. a. auf die hohen Kosten, die bei der Überwachung des Landwirts oder bei der Erhebung von Informationen über das Verlustrisiko anfallen. Vgl. Skees/Reed, Rate (1986), Binswanger, Risk (1986), Chambers, Insurability (1989) sowie Hazell, Role (1992). Kritisch hierzu Miranda/Glauber, Risk (1997). Diese bemängeln, dass nicht nachgewiesen werden könne, ob die Adverse Selektion und das Moralische Risiko ein marktimmanentes, intrinsisches Phänomen darstellen oder sich beispielsweise aufgrund der Gewährung von Subventionen ergeben würden. Letztendlich ist hierzu keine eindeutige Aussage möglich. Verschiedene Hinweise lassen aber darauf schließen, dass es im Verlauf der Geschichte der deutschen Hagelversicherung zu Marktanomalien aufgrund von Informationsasymmetrien gekommen war, weshalb die Konzepte des Moralischen Risikos und der Adversen Selektion Anwendung finden. 366 Vgl. neben der zitierten Literatur zudem Kunreuther und Pauly und McMorrow, Insurance (2013), S. 80–83. 367 Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 66 f. 368 Vgl. z. B. Pearson, Model (1997), Reith, Innovationen (2000) sowie Reith/Mahlerwein, Innovation (2007). 365

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

keine einheitliche Definition des Begriffs.369 North unterscheidet nach Innovationen, die erstens zur Erhöhung der Kapitalmobilität beitragen (z. B. Wertpapiere für den Kapitaltransfer), zweitens eine Absenkung der Informationskosten ermöglichen (Preislisten, Maß- und Gewichteinheiten) und drittens zur Transformation von Unsicherheit in Risiko beitragen (Versicherungen).370 Methodisch ausführlicher können innovative Leistungen mit dem Konzept von Joseph A. Schumpeter371 untersucht werden, der eine erste konzeptionelle Darstellung sowie die Unterscheidung zwischen Innovation, Erfindung und Diffusion der Innovation vorlegte.372

369

Vgl. Pfetsch, Stand (1975), S. 9–11. Vgl. für die Ausführungen North, Institutions (1990), S. 118–140. 371 Vgl. für eine Einführung zu Schumpeters Leben und Werk Herrtje, Schumpeter (1987), Recktenwald/Scherer/Stopler, Werk (1988) sowie Swedberg, Schumpeter (1994). Allerdings standen Schumpeters Arbeiten zu dessen Lebzeiten im Schatten der Keynesianischen Theorie. Aufgrund der vermehrt auftretenden konjunkturellen Schwankungen im Zuge der Ölkrise wurden ab ungefähr 1975 die Schumpeterischen Ansichten von der Wirtschaftswissenschaft wiederentdeckt. In der Folge verlief die Diskussion über Schumpeters Gedanken durchaus kontrovers. Kritisch äußerte sich z. B. Albach, Wiederentdeckung (1979). Swedberg dagegen gewann den Ideen des österreichischen Ökonomen Positives ab. Vgl. Swedberg, Schumpeter (1989). Vgl. allgemein zur Rezeption von Schumpeter im 20. Jahrhundert Grabas, Nationalökonomen (2002), S. 214–228. 372 Schumpeter diskutiert diese Phänomene im Rahmen seiner konjunktur- und wachstumspolitischen Überlegungen. Vgl. Schumpeter, Theorie (1964) bzw. Schumpeter, Konjunktur­ zyklen (1961), S. 94–110, wobei dieses Kapitel explizit mit ‚Theorie der Innovation‘ betitelt ist. Ziel seiner Untersuchung ist u. a. die Klärung der Frage nach wirtschaftlichem Wandel, womit Schumpeter als einer der ersten dynamische Überlegungen in die von statischen Vorstellungen geprägte neoklassische Gleichgewichtstheorie einführt. Vgl. Metz, Expansion (2001), S. 84. Interessanterweise relativiert Schumpeter die Bedeutung exogener Faktoren wie z. B. des Bevölkerungswachstums. Diese würden nämlich ständig auftreten und somit in das Kalkül der Wirtschaftssubjekte einfließen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Wirtschaftswachstum an sich nicht automatisch eine Entwicklung qualitativ neuer Faktorkombinationen nach sich zieht. Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen, (1961), S.  79–94. Zur Verdeutlichung seien folgende Definitionen von Reinhard Spree herangezogen, der diese Sachverhalte nochmals genauer differenziert: Wachstum stellt für Spree eine mengenmäßige Veränderung einer bestimmten Basisgröße wie des Sozialprodukts bzw. jede Zu- oder Abnahme des wirtschaftlichen Potentials in langfristiger Perspektive dar. Wachstum beschreibt also das Gesamt­ ergebnis einer Volkswirtschaft, das unter Einbeziehung aller Produktionsfaktoren poten­tiell erzielt werden kann. Vgl. Spree, Wellen (1991), S.  41–59. Konjunktur dagegen bezeichnet den Unterschied zwischen den in der Realität erzielten und den theoretisch möglichen Produktionsergebnissen. Es hat sich eingebürgert, als Konjuktur Schwankungen zu bezeichnen, die eine Untergrenze von 3–4 Jahren und eine Obergrenze von 12 Jahren haben. Länger andauernde Bewegungen werden als Lange Wellen bezeichnet, darunter spricht man von saisonalen Zyklen. Der Begriff Konjunkturzyklus verweist auf die Wiederholungen der Auf- und Abwärtsbewegungen, die sich um einen hypothetischen Durchschnitt, den Trend, bewegen. Alternativ kann man auch von einem Wachstumszyklus sprechen. Vgl. Spree, Konjunktur (2006). Allerdings ist eine saubere methodische Trennung nicht immer möglich, so dass ebenfalls zwischen Wachstum und Entwicklung unterschieden werden muss. Im Gegensatz zum mengenmäßigen Wachstumskonzept beinhaltet der Begriff Entwicklung umfassende vor al 370

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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Schumpeter spricht konkret vom Wandel in einer Volkswirtschaft als Folge von Innovationen, die eine neue Kombination von Produktionsfaktoren bzw. das Modifizieren einer Produktionsfunktion sein können.373 Entsprechend definiert er innovative Leistungen wie folgt: „Wir lassen hierunter auch die Einführung neuer Güter fallen, was sogar als Standardfall angesehen werden kann. Technologische Veränderungen in der Produktion von Gütern, die schon auf dem Markt sind, die Erschließung neuer Märkte oder neuer Hilfsquellen, Taylorisierung der Arbeit, verbesserte Materialbehandlung, die Errichtung neuer Geschäftsorganisationen […] – kurz, jedes ‚Andersmachen‘ im Gesamtbereich des Wirtschaftslebens – das alles sind Beispiele dessen, was wir Innovation nennen wollen.“374

Zudem haben innovative Erscheinungen die Eigenschaft, nicht von der all­ gemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt zu sein, sondern sie treten vielmehr innerhalb kurzer Zeit und in bestimmten Sektoren relativ häufig auf. Die Konkurrenten müssen nämlich die Innovation imitieren, um weiterhin am Marktgeschehen teilnehmen zu können.375 Schumpeter betrachtet innovative Leistungen als die fundamentale Antriebskraft für die Entwicklung seit dem späten 18.  Jahrhundert. Hierfür waren Basisinnovationen wie der Eisenbahnbau oder die Elektroindustrie verantwortlich, welche jeweils einen neuen konjunkturellen

lem qualitative Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft, für die auf lange Sicht gesehen eine optimale Ressourcennutzung verantwortlich ist. Konkret handelt es sich dabei beispielsweise um eine umfassende Arbeitsteilung und Spezialisierung oder die Ein­führung organisatorischer Neuerungen. In der Folge kann es zwar zu Wirtschaftswachstum kommen, ein eindeutiger Zusammenhang ist aber nicht nachweisbar. Größeren Einfluss haben hier die verschiedenen Führungssektoren einzelner Perioden, welche mit Rückwärtskoppelungsoder Vorwärtskoppelungseffekten stimulierend auf vor- und nachgelagerte Sektoren einwirken können. Diese Vorreiterrolle kann aber nicht langfristig aufrechterhalten werden, so dass regelmäßig ein Wechsel bzgl. der Leitsektorenrolle stattfindet. Auch unterscheiden sich manche Regionen in ihrer Entwicklung von anderen, weshalb die oftmals verwendeten gesamtökonomischen Konjunkturkurven nach den zugrundeliegenden Details zu hinterfragen sind. Ähnlich wie im Fall der stimulierenden Sektoren wechseln regelmäßig auch die Führungs­ regionen. Vgl. Spree, Wachstum (1994), S. 109–111, Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 597–614 sowie Spree, Wachstum (2006). Gerade im Zuge der Erforschung der so genannten Langen Wellen werden Schumpeters Ansätze wiederentdeckt. Vgl. Spree, Wellen (1991), S. 128 sowie Spree, Wachstum (2006), S. 164. 373 Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 95. 374 Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 91. Der Zusammenhang zu den anderen Teilen von Schumpeters Werk wird deutlich, wenn er die „[…] Innovation [als] die über­ragende Tatsache in der Wirtschaftsgeschichte der kapitalistischen Gesellschaft […] bezeichnet. Das wörtliche Zitat findet sich bei Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 93. Allerdings spricht Schumpeter zu einem späteren Zeitpunkt davon, dass der Kapitalismus gerade aufgrund seiner Erfolge zugrunde gehen werde. Vgl. Schumpeter, Kapitalismus (1987), passim und explizit S. 105. Einer der Gründe ist der zunehmende Bedeutungsverlust des Unternehmers, der durch den Manager ersetzt wird, um die immer größeren Unternehmen verwalten zu können. Aufgrund der Schwerfälligkeit großer Organisationen verschwindet aber auch immer mehr die Innovationskraft der Wirtschaft. Vgl. Ebd., S. 213–235. 375 Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 99–101; 108.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Zyklus376 initiierten.377 Zunächst aber ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass Innovationen nicht immer etwas revolutionär Neuartiges sein müssen.378 Schumpeter differenziert zwischen der Erfindung im eigentlichen Sinn, der Inno­ vation und der Diffusion einer Innovation, was kurz diskutiert werden soll. Demnach ist es möglich, dass am Markt eine Innovation auftritt, ohne dass dahinter eine erfinderische Leistung steht. Andererseits bewirkt eine Erfindung nicht automatisch eine Innovation, da nicht zwangsläufig eine Markteinführung vorgesehen ist. Erfinder und Innovator müssen somit auch nicht ein und dieselbe Person sein.379 Verantwortlich für die Durchsetzung von solchen neuartigen Faktorkombinationen ist der Unternehmer.380 Neben der individuellen Selbstverwirklichung treibt den Unternehmer die Aussicht auf die Abschöpfung des Unternehmergewinns an. Allerdings werden die Konkurrenten nun beginnen, den erfolgreichen Pionierunternehmer nachzuahmen, so dass die Gefahr besteht, dass der Gewinn wieder gegen Null geht. Zur Sicherung des Wissensvorsprungs empfiehlt Schumpeter die Anwendung von Patenten oder von langfristigen Verträgen.381

376

Schumpeter stützt sich bei seiner Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung auf die Ergebnisse von Kitchin (40-Monats-Zyklus), Juglar (7–11 Jahre, i. d. R. als 5-Jahres-Zyklus verwendet) sowie von Kondratieff (40–60-Jahres-Zyklus). Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961). Reinhard Spree kritisiert aber, dass Schumpeters Auswahl keinem logischen Muster folge und daher willkürlich erscheine. Beispielweise würde Schumpeter die von Kuznet geprägten Long Swings nicht beachten. Vgl. Spree, Wellen (1991), S. 8. 377 Vgl. Herrtje, Schumpeter (1987), S. 264 sowie Berghoff, Unternehmensgeschichte (2004), S. 36–38. 378 Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 99. 379 Schumpeter spricht von unterschiedlichen „Sphären“, in denen sich der Unternehmer und der Erfinder normalerweise bewegen. Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 91–93. 380 Dieser muss mitunter gesellschaftliche Widerstände überwinden oder Überzeugungsarbeit leisten, beispielsweise, um die Finanzierung seines Vorhabens sicherzustellen. Vgl. Schumpeter, Unternehmer (1928) bzw. Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 107–110. 381 Vgl. Schumpeter, Konjunkturzyklen, (1961), S. 110–117. Letztendlich sieht Schumpeter die ökonomische Entwicklung im Kapitalismus durch ständige Innovationen geprägt. Er fasst diesen Prozess mit einer seiner bekanntesten Formulierungen nochmals zusammen. Demnach ist die ökonomische Entwicklung ein „[…] Prozeß einer industriellen Mutation […], der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozeß der ‚schöpferischen Zerstörung‘ ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum.“ Das wörtliche Zitat findet sich bei Schumpeter, Kapitalismus (1987), S. 138. Dies bedeutet aber auch, dass nicht ein Unternehmer alleine ständig die Rolle des Innovators einnimmt, sondern dass ein früherer Innovator sogar vom Markt verdrängt werden kann. Allerdings erörtert Schumpeter nicht, unter welchen Bedingungen die einstmals innovativen Unternehmen ihren Vorsprung einbüßen. Jörg Lichter vermutet, dass möglicherweise das Motiv der gesellschaftlichen Anerkennung erreicht wurde oder das Innovationstempo die Unternehmen überfordere. Vgl. Lichter, Familie (1999), S. 104.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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g) Ein versicherungshistorisches Entwicklungsmodell Nach Klärung des Begriffs ist das Innovationskonzept auf den Dienstleistungssektor anzuwenden, um für die Analyse der Entwicklung der deutschen Hagelversicherung herangezogen werden zu können. Eine Möglichkeit der Typologisierung382 besteht in der Einteilung nach Produkt- und Prozessinnovationen.383 Die Profitabilität einer Produktinnovation ist ausschließlich von der Reaktion der Kunden abhängig. Dies ist im Fall von Prozessinnovationen viel weniger der Fall, da die Charakteristika des Gutes selbst nicht geändert, dafür aber beispielsweise dessen Herstellungskosten gesenkt werden.384 Im Rahmen des Versicherungswesens werden Prozessinnovationen als Veränderungen in Bezug auf die Erstellung von bereits vorhandenen Versicherungsprodukten aufgefasst. Darunter fällt beispielsweise die Änderung der Risikoklassifikation oder des Prämienschemas. Produkt­ innovationen wiederum können als primär und sekundär klassifiziert werden: Primäre Produktinnovationen sind neue Versicherungsleistungen für neu entstehende Risiken, die zusammen mit gänzlich neuen Versicherungssparten auftreten. Dafür verantwortlich sind beispielsweise technische Innovationen innerhalb der Gesamtwirtschaft oder veränderte Wahrnehmungen, die es dem Versicherer nahelegen, neue Risiken in die Deckung zu nehmen. Sekundäre Produktinnovationen stellen neue Produkte für bereits existierende und versicherbare Risiken dar. Deren Einführung beruht ausschließlich auf Prozessinnovationen innerhalb der Versicherungsbranche und nicht auf gesamtwirtschaftlichen Veränderungen. Ein Beispiel hierfür ist die Anwendung der Rückversicherung.385 Aufbauend auf derartigen Überlegungen schlägt Robin Pearson ein vierstufiges versicherungshistorisches Entwickungsmodell vor. In der ersten Phase der Branchengeschichte bietet der Markt Produkte zur Befriedigung der dringendsten Sicherheitsbedürfnisse an. Die Unternehmen stehen nur in geringem Wettbewerb zueinander. Es folgt als zweiter Abschnitt eine Zeit der zunehmenden Prozess­ innovation, in der es zu einer Verbesserung bereits bestehender Versicherungsprodukte kommt. Der Wettbewerb verschärft sich und die Gesellschaften streben nach 382 Eine andere Möglichkeit ist die Differenzierung nach Basis- und Verbesserungsinnovation. Eine Basisinnovation ist für die Etablierung einer neuen Branche verantwortlich und hat somit tiefgreifende gesamtwirtschaftliche Konsequenzen. Verbesserungsinnovationen entstehen während der Diffusion der ursprünglichen Neuerung und ergänzen das originale Konstrukt. Vgl. Spree, Wachstum (2006), S. 164 f. Dort findet sich auch eine Zusammenfassung der aktuellen Forschungsdiskussion bzw. der Schwarmbildung oder den Bandwagon-Effekts. 383 Vgl. Pfetsch, Stand (1975), S. 16 f. sowie Reith/Mahlerwein, Innovation (2007), Sp. 1004 f. 384 Vgl. Nelson/Winter, Search (1977), S. 64 f. 385 Vgl. Pearson, Model (1997), S. 238. Richard Barras liefert in diesem Zusammenhang eine Neukonzeption des Produktlebenszyklus. Diese wird von ihm speziell für die Bedürfnisse des Dienstleistungssektors abgewandelt: Zunächst kommt es zu Prozessverbesserungen und damit zu einer Effizienzsteigerung schon existierender Dienstleistungen. Im Anschluss werden Prozessinnovationen erdacht, in deren Rahmen die Servicequalität gesteigert wird. Schließlich folgen in einer dritten Stufe Produktinnovationen, in der nun neuartige Dienstleistungen entwickelt werden. Vgl. Barras, Theory (1986), S. 165–168 sowie Barras, Innovation (1990).

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

immer höheren Gewinnen. In einer dritten Phase werden bedeutende Prozessin­ novationen und primäre Produktinnovationen durchgeführt, die zu einer Diversifizierung von Versicherungssparten führen. Der vierte Abschnitt ist durch das Ent­ stehen eines Massenmarktes im Assekuranzbereich gekennzeichnet.386 h) Vertrauen Schließlich soll mit Vertrauen ein letztes Phänomen diskutiert werden, das gemeinhin mit Versicherungen387 assoziiert wird und im Laufe der Branchengeschichte zu beobachten ist. Speziell im Handel und im Finanzdienstleistungsbereich ist die vermehrte Verwendung des Vertrauensbegriffs  – beispielsweise für Marketingzwecke – deutlich erkennbar. Basierten solche Geschäftsbeziehungen in der Frühen Neuzeit388 überwiegend auf persönlichen Kontakten, Erfahrungen oder Familienbanden,389 änderte sich dies im Zuge der ökonomischen Entwicklung bzw. der Entstehung von Massenmärkten. Vertrauen – aber manchmal auch Misstrauen – wird heute390 auch bestimmten Marken oder Unternehmen entgegengebracht.391 Aufgrund dieser Entwicklung diskutieren Ökonomen,392 (Wirtschafts-)Historiker393 und Soziologen394 intensiv die Merkmale von Vertrauen bzw. deren Ausprägungen. 386

Vgl. Pearson, Model (1997). Allerdings gibt es bezüglich der Faktoren, die Innovationen im Versicherungsbereich auslösen, noch keine endgültige Meinung. Höchstwahrscheinlich besteht ein entscheidender Punkt darin, dass Menschen in einer bestimmten Situation Un­ zufriedenheit verspüren und nach einer Handlungsalternative suchen. Auch kann nach Stand der heutigen Forschung festgehalten werden, dass Innovationen im Versicherungsbereich vielfach in eher kleinen Schritten wie der Verfeinerung der Versicherungstechnik bestehen und nicht eine Folge von umwälzenden neuen Entdeckungen sind. Vgl. Pfetsch, Stand (1975), S. 19 sowie Pearson, Growth (2002), S. 492. 387 Allerdings hat dieses Vertrauen in jüngster Zeit durch manche Skandale wie beim Ver­ sicherer ERGO empfindlich gelitten. 388 Nach Muldrew war die frühneuzeitliche Wirtschaft „[…] a system of cultural, as well as material, exchanges in which the central mediating factor was credit or trust“. Muldrew, Economy (1998), S. 4. 389 Vgl. z. B. Pearson, Hazard (2002), S. 2 f., Reichardt, Kapital (2003), S. 16–20 sowie Gorißen, Preis (2003). Bekannt ist in diesem Zusammenhang das Bild des ehrbaren Kaufmanns. 390 Ute Frevert zufolge ist das Phänomen des Vertrauens geradezu eine „Obsession der Moderne“, wie der Untertitel ihres letzten Buches zum Thema lautet. Vgl. Frevert, Vertrauensfragen (2013). 391 Vgl. zur Begriffsentwicklung Frevert, Spurensuche (2003), S. 13–20 sowie Frevert, Vertrauensfragen (2013), S. 28–43. 392 Vgl. Dasgupta, Trust (1988), Williamson, Calculativeness (1993) oder Ripperger, Vertrauen (1998). 393 Vgl. u. a. Muldrew, Anthropologie (1998), Hesse, „Postanarchie“ (2000), Fiedler, Vertrauen (2001), Frevert, Vertrauen (2003), Gorißen, Preis (2003), Berghoff, Vertrauen (2004), Ogilvie, Use (2004), Hillen, Gott (2007), Lutz, Siemens (2007), Lutz, Krasin (2008) sowie neuerdings Frevert, Vertrauensfragen (2013). 394 Vgl. z. B. Luhmann, Vertrauen (2000), Cook, Trust (2001), Hardin, Trust (2002) sowie Hardin, Trust (2006).

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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Die NIÖ sieht Vertrauen395 unter zwei Gesichtspunkten: Als Organisations­ prinzip für ökonomische Transaktionen sowie als Gestaltungsprinzip für den institutionellen Rahmen.396 Würde die Welt den Vorstellungen der neoklassischen Theorie entsprechen, wäre Vertrauen in Transaktionen überflüssig.397 Handelt man aber in einer von Opportunismus, Unsicherheit und damit in einer von hoher Komplexität geprägten Umwelt, können Risiken niemals ausgeschlossen werden. Die Formulierung von expliziten Verträgen ermöglicht eine Minimierung dieses Problems, weshalb formalanalytisch die Beziehung zwischen Vertrauensgeber und Vertrauensnehmer auch als Prinzipal-Agenten-Beziehung modelliert werden kann. Allerdings ist gerade bei hoher Komplexität eine Ausformulierung aller Vertragsdetails bzw. der Anreizstruktur i. d. R. nicht möglich, so dass ein Rest­ risiko verbleibt. Die dabei auftretenden Wohlfahrtsverluste aufgrund von unvollständigen Verträgen und den daraus resultierenden Kosten können durch den Einsatz von Vertrauen reduziert werden, da beispielsweise die Vertragseinhaltung nicht mehr überwacht werden muss. Die hier zugrundeliegende implizite Vertrags­ beziehung entsteht durch die Annahme der riskanten Vorleistung durch den Vertrauensnehmer, den Agenten. Der Vertrauensgeber wiederum ist der Prinzipal, der mit seiner Vertrauensgewährung in Vorleistung geht, da er über die Absichten seines Gegenübers wie gesehen keine Informationen hat.398 Der Prinzipal nimmt sein Screening nun nicht nach handfesten Kriterien vor, sondern bewertet potentielle Agenten nach dem Grad der ihm bekannten Vertrauenswürdigkeit. Ist ein Agent wiederum am Gelingen der Beziehung interessiert, wird er dies auch signalisieren.399 Insofern kann Vertrauen als geeignete Strategie dienen, in bestimmten Situationen Unsicherheiten400 aufgrund mangelnder Informationen bzw. die eigene 395 Allerdings herrscht kein Konsens darüber, aus welchen Motiven jemandem überhaupt vertrauenswürdiges Verhalten entgegengebracht wird. Beispielsweise betont Carol A. Heimer die Bedeutung von moralischen bzw. altruistischen Motiven. Vgl. Heimer, Problem (2001). Russell Hardin führt dagegen andere Gründe für das Entgegenbringen von Vertrauen an. Derartiges Handeln sei im Interesse der beiden beteiligten Parteien, was nichts anderes bedeute, dass rationale und nicht überwiegend moralische oder altruistische Motive verantwortlich seien. Demzufolge spricht Hardin im Zusammenhang mit Vertrauen von den „encapsulated interests“. Vgl. z. B. Hardin, Conceptions (2001). Hardin, Trust (2002), S. 1–27 sowie Hardin, Trust (2006), S. 16–41. 396 Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 8. 397 Vgl. Albach, Vertrauen (1980), S. 3. Vertrauen wird im Übrigen oft durch Umfragen gemessen. Vgl. Frevert, Spurensuche (2003), S. 142–145. 398 Allerdings geht der Vertrauensgeber ein neues Risiko ein: Die einzige Möglichkeit, Fehlverhalten zu ahnden, besteht in der Aufgabe der Transaktionsbeziehung, da es keinerlei formale Klagemöglichkeit gibt. Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 27–62. 399 Im Übrigen wird der Agent genau dann vertrauensvoll handeln, sobald der daraus resultierende Nutzen seine Kosten übersteigt. 400 Auch Niklas Luhmann definiert Vertrauen als Mittel zur Reduktion von Komplexität. Diese beschreibt die Menge an Möglichkeiten, die sich durch die Systembildung ergeben. Dabei steht der Mensch zu vielen Alternativen gegenüber und ist daher überfordert bzw. un­sicher. Vertraut er bestimmten Alternativen, sinkt diese Komplexität, gleichzeitig nehmen die Kontrolle der Handlungsoptionen und damit die Handlungsfähigkeit zu. Vgl. Luhmann, Vertrauen (2000), S. 5–8; 17–20; 33; 55–58.

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B. Die Hagelversicherung als Forschungsgegenstand

Angreifbarkeit durch eine andere Partei zu verringern. Wäre dies nicht gegeben, könnten wohl viele Transaktionen nicht oder nur mit hohen Kosten durchgeführt werden.401 Resultierend aus diesen Überlegungen definiert Tanja Ripperger Vertrauen im institutionenökonomischen Sinn als „[…] freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten in der Erwartung, daß sich der andere, trotz Fehlen solcher Schutzmaßnahmen, nicht opportunistisch verhalten wird.“402

Im Zuge von ökonomischen Austauschbeziehungen zwischen Individuen und Unternehmen spielt Vertrauen insbesondere im Sinne von Reputation eine entscheidende Rolle.403 Diese ist aber nicht nur die Summe der Handlungen aus der Vergangenheit, sondern dient vielmehr als Anreiz, sich auch künftig derart zu verhalten, dass die bisher erworbene Reputation auch aufrechterhalten werden kann. Firmen ist dies oft hohe Beträge wert. Hat man nämlich ein hohes Maß an Reputation erreicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer weiteren Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen kommt.404 Nach Lynne G. Zucker besteht sogar die Möglichkeit, Vertrauen im Rahmen von Prozessen und Institutionen gleichsam zu produzieren.405 In der Praxis zeigt sich dies z. B. folgendermaßen: Je renommierter eine Ver­ sicherung ist, umso leichter wird sie es haben, neue Kunden anzusprechen. Sollte das Vertrauen missbraucht werden, wirkt sich dies nicht nur auf eine spezielle Prinzipal-Agenten-Beziehung aus, sondern auf den gesamten sozialen Kontext.406 Werden nämlich nur wenige Kunden von einer Assekuranz enttäuscht, kann dies trotzdem eine wahre Flut an Kündigungen zur Folge haben. Vertrauen fördert 401

Vgl. Miller, Trust (2001). Doch auch diese Ansicht ist nicht unumstritten. Beispielsweise verneint Oliver Williamson den positiven Beitrag von Vertrauen in Austauschbeziehungen und plädiert dafür, den Begriff rein auf einer persönlichen Ebene in Bezug auf Familie oder Freunde anzuwenden. Vergleichbar mit Russell Hardin argumentiert er, dass vertrauens­ erweckende Handlungen immer mit Kalkül eingesetzt würden. Ein kalkuliertes Vertrauen sei damit aber ein Widerspruch in sich. Vgl. Williamson, Calculativeness (1993), besonders S.  482–486. Dagegen wendet sich u. a. Tanja Ripperger. Folge man Williamson in diesem Punkt, würde dies „[…] ein in gewisser Hinsicht schizophrenes Menschenbild erfordern[.]“ Ripperger, Vertrauen (1998), S. 240. 402 Ripperger, Vertrauen (1998), S. 45. Mark Casson führt eine ähnliche Definition an, indem er zu bedenken gibt, dass es für die an einer Transaktion Beteiligten günstiger sei, „[…] to seek out trustworthy trading partners than to negotiate an elaborate contract with a potentially untrustworthy one.“ Casson, Information (1997), S. 123. 403 Vorausgesetzt wird hier, dass die Unternehmen auch über die entsprechende Kompetenz verfügen, die jeweilige Transaktion durchzuführen. 404 Vgl. Hardin, Trust (2002), S. 7–9 sowie Hardin, Trust (2006), S. 23–25. 405 Anders dagegen bei Russell Hardin, der nicht Vertrauen an sich als Ware bzw. Gut ansieht, sondern vielmehr die Vertrauenswürdigkeit. Allerdings kann Hardin zufolge Vertrauens­ würdigkeit im Gegensatz zur Reputation ebenfalls nicht produziert werden. Vgl. Hardin, Conceptions (2001), S. 21–24. 406 Vgl. Ripperger, Vertrauen (1998), S. 164–222.

III. Methodologische und methodische Überlegungen

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also gesamtwirtschaftlich die Entstehung, das Funktionieren und die Effizienz von Märkten407 und dient als soziales Druckmittel.408 Ein weiteres positives Signal, welches zur Steigerung von Vertrauen bzw. der Reputation der Versicherungsbranche beitragen kann, besteht Carol A. Heimer zufolge darin, dass regulatorische Anforderungen von staatlicher Seite her implementiert und durchgesetzt würden.409 Auch Hinweise auf mögliche Unterstützung des Staates bei der Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Versicherten fielen hier darunter.410 Da Banken und Versicherungen mit immateriellen Produkten handeln, stellen für diese Unternehmen insofern Reputation oder ein Markenname bedeutende Wettbewerbsfaktoren dar.411 Hartmut Berghoff wiederum hat Vertrauensgenerierung im historischen Kon­ text untersucht und dabei eine Reihe von Faktoren identifiziert: Dazu zählt u. a. das Vorhandensein eines Rechtssystems – also ausformulierter Property Rights –, das religiöse Bekenntnis, Werte oder Normen sowie das Entstehen von Finanzdienstleistern.412 Konkret ist aber für die historische Arbeit zu bedenken, dass Vertrauen nicht als klassisches Kategorisierungsmerkmal dienen kann. Zeiten, in denen ein hohes Maß an Vertrauen herrschte, können nur schwer von solchen unterschieden werden, in denen dies nicht der Fall war.413 Möglich ist aber beispielsweise ein Aufzeigen der Entwicklung von Institutionen, welche zur Vertrauensgenerierung beigetragen haben.414

407

Vgl. Pearson, Hazard (2002), S. 3 sowie Berghoff, Zähmung (2004), S. 143–145. Vgl. Fiedler, Vertrauen (2001), S.  584. Kenneth Arrow spricht in diesem Zusammenhang von „[t]rust [as] an important lubricant of a social system.“ Arrow, Limits (1974), S. 23. Francis Fukuyama wiederum vertrat die – inzwischen weitgehend widerlegte – Ansicht, dass die Prosperität und Wettbewerbsfähigkeit einer Nation alleine auf Vertrauen als grundlegendes Merkmal einer Kultur zurückgeführt werden könne. Vgl. Fukuyama, Trust (1996), S. 7. 409 Natürlich muss man sich hierbei im Klaren sein, dass der vorliegende Sachverhalt komplexer ist, als er hier vereinfacht dargestellt ist. Eine Versicherungsgesellschaft verfügt i. d. R. über mehr Verhandlungsmacht als der individuelle Kunde. Daher wird es z. B. auch nicht dazu kommen, dass Verträge auf Massenmärkten individuell ausgehandelt werden. Obwohl formalrechtlich zwar gleichgestellt, muss der Versicherungsnehmer in diesem Fall der Gesellschaft vertrauen, dass die Verträge nicht zu stark zu seinen Ungunsten formuliert sind. Vgl. Heimer, Problem (2001), S. 73 f. 410 Vgl. Heimer, Problem (2001), besonders S. 65–73. 411 Vgl. Zucker, Production (1986). 412 Vgl. Berghoff, Zähmung (2004), S.  147–161. Ähnlich auch Frevert, Vertrauensfragen (2013), S. 107–111. 413 Ute Frevert gibt zu bedenken, dass sich die „[…] Verhältnisse, unter denen Vertrauen gewährt und angenommen wurde […]“ im Zeitablauf einem kontinuierlichen Wandel unterliegen. Frevert, Vertrauensfragen (2013), S. 24. 414 Vgl. Gorißen, Preis (2003), S. 117 f. 408

C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der deutschen Hagelversicherung Im folgenden Kapitel ist nach den soziokulturellen und ökonomischen Faktoren zu fragen, welche für die Entstehung der deutschen Hagelversicherungs­branche verantwortlich waren. In der älteren Literatur finden sich hierfür drei Gründe:­ Innovationen im Agrarbereich, den Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft sowie die Reform der herrschenden Agrarverfassung.1 Dem schließt sich die ­vorliegende Studie nur teilweise an und plädiert stattdessen für eine Erweiterung dieser Argumentation. Konkret wird im Folgenden diskutiert, inwieweit die Etablierung der Hagel­ assekuranz auf vier Phänomene zurückgeführt werden kann: – Erstens eine sich ändernde Wahrnehmung und Deutung von Hagelschlägen (Kapi­tel C.II.) – Zweitens die Verbreitung des Versicherungsgedankens in der Frühen Neuzeit bzw. dessen grundsätzliche Funktionsfähigkeit (Kapitel C.III.) – Drittens die Rolle, welche die Hagelversicherung im Rahmen des frühen staats­ wirtschaftlichen Diskurses im Kameralismus gespielt hat – Und viertens die Chancen für die Etablierung dieser neuen Versicherungssparte, die sich aus der Entwicklung des Agrarsektors selbst bzw. der Agrarkonjunktur ergeben haben Zu Beginn werden aber einige Aspekte des Risikomanagements im vormoder­ nen Agrarbereich aufgezeigt.

I. Vormodernes Risikomanagement im Agrarbereich Wie gesehen, stellt der Hagel schon immer eine Bedrohung für die bäuerliche Existenz dar. Wie ging man damit aber vor der Gründung von landwirtschaftlichen Versicherungen um? Das heißt konkret gefragt: Welche Bewältigungs- und Anpassungsstrategien gab es in der Zeit vor der Hagelversicherung? Hiervon soll im Folgenden ein Eindruck vermittelt werden, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

1

Vgl. z. B. Thuemen, Geschichte (1896), S. 3 f.

I. Vormodernes Risikomanagement im Agrarbereich

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Im Zuge der bisherigen Erörterungen wurde bereits eine Reihe von Varianten des vormodernen Risikomanagements identifiziert. Als kurzfristige Bewältigungs­ strategie kann beispielsweise die persönliche Hilfe angeführt werden. In der Frühen Neuzeit kam diese den vom Hagelschlag betroffenen Bauern direkt zu, ohne dass eine unmittelbare Gegenleistung damit verbunden war. Ein anschauliches Beispiel ist das Ausstellen eines regional begrenzten Bettelbriefes durch die Obrigkeit, der es den Geschädigten ermöglichte, bei seinen Mitmenschen um Hilfe zu bitten. Betteln war ein gängiges Phänomen der frühneuzeitlichen Gesellschaft und eine der wenigen funktionierenden Versorgungsstrategien im Fall eines Unglücks. Allerdings wurde es mitunter ambivalent aufgefasst, denn man warf der Landbevölkerung vor, sich im Falle eines Unglücks allzu sehr auf die Mildtätigkeit der Mitmenschen zu verlassen.2 Beispielsweise argumentierte Johann Heinrich Gottlob von Justi, dass ein Bettelbrief lediglich die Faulheit der Bauern unterstützen würde. Denn wenn die Arbeitskraft weiterhin vorhanden sei, könne jeder nach Verwüstung seiner Ernte trotzdem für seinen Lebensunterhalt sorgen.3 Interessant sind nun die Maßnahmen, welche von den Bauern selbst ent­wickelt wurden. Wirksame Bewältigungs- und Anpassungstrategien für den Umgang mit Witterungsanomalien in der Schweiz diskutiert Christian Pfister, wobei er nach risiko­mindernden und krisenüberbrückenden Vorgehensweisen unterscheidet. Deren Ausprägung wiederum wird u. a. durch die Beschaffenheit des jewei­ ligen Grundbesitzes determiniert. Pfister unterscheidet zudem nach Strategien der Produzenten, der Obrigkeit und der Konsumenten. Schließlich differenziert Pfister nach Korn-, Wein- und Hirtenland, womit er auf den Schwerpunkt der in der jeweiligen Region praktizierten Landwirtschaft hinweist.

2 Dieses gespaltene Verhältnis zeigt sich auch an folgendem Beispiel: Zwar pries speziell der Katholizismus die Armut als einen Weg in das Himmelreich. Der barmherzige Wohl­täter wiederum konnte durch seine guten Werke ebenfalls Erlösung vor Gott erlangen. Allerdings kam es außerhalb dieser katholischen Interpretation – die Protestanten forderten schon früh Maßnahmen zur Bekämpfung der Bettlerei  – in der Frühen Neuzeit immer mehr zur Ver­ urteilung der Armut, was in der Diskriminierung der Betroffenen endete. Immer schärfer wurde auch zwischen den verschiedenen Arten von Armut unterschieden: Im Gegensatz zur würdigen Armut, die beispielsweise als Folge von Krankheit eintrat, warf man denjenigen, die scheinbar nicht willens waren, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, Faulheit, Betrug und das Ausnutzen der Gutgläubigkeit ihrer Mitmenschen vor. Vgl. Endres, Armenwesen (1996) sowie für ein konkretes Beispiel aus dem oberbayerischen Freising Beck, Mäuselmacher (2012), S. 35–46. 3 Vgl. Justi, Macht (1761), S. 384–433. Ohne Vorbehalt plädiert Justi dagegen für die staatliche Unterstützung der Alten und Kranken. Angemerkt sei, dass in die Gruppe dieser ‚unwürdigen Armen‘ mitunter auch solche Personen subsumiert wurden, die nicht den herrschenden gesellschaftlichen Konventionen entsprachen. Mitunter als ‚Arme des Teufels‘ bezeichnet, zählten hierzu neben den Juden, Ketzern und Aussätzigen auch die Hexen. Vgl. Hunecke, Überlegungen (1983), S. 490–496.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Die wichtigste risikomindernde bzw. langfristige Anpassungsmaßnahme im Fall der Getreideproduzenten stellte die Strategie der Verzettelung dar.4 Bewusst hatten sich die Bauern zum einen dafür entschieden, verschiedene Feldfrüchte anzubauen, um die Wahrscheinlichkeit von Missernten oder Unwetterschäden zu reduzieren. Die Aussaat von Wintergetreide verringerte beispielsweise das Risiko eines vollständigen Ernteverlustes, da die Wachstumsphase dieser Pflanzen die Monate September bis April umfasste. Kam es im Frühling zu Unwetterschäden, blieb noch genug Zeit, Sommerfrüchte auszusäen, um dadurch einem Versorgungsengpass entgegenzutreten.5 Neben dieser ‚Frucht-Diversifikation‘ sollte die Risikominimierung zum anderen durch eine bewusste Zersplitterung der Anbaufläche sichergestellt werden. Die jeweiligen Flächen wiesen damit unterschiedliche Bodenbeschaffenheit und Höhenlagen auf, so dass das Risiko einer Verwüstung der gesamten bearbeiteten Fläche verringert wurde. Die Anpassungsstrategien der Obrigkeit zur Risikominimierung – hier am Beispiel des Kornlands demonstriert – gingen in eine ähnliche Richtung wie der zuletzt genannte Punkt. Es liegen Hinweise vor, dass beispielsweise Klöster bewusst darauf geachtet hätten, ihren Grundbesitz möglichst breit zu streuen, um dadurch Ernteausfälle in einer Gegend mit möglichen Überschüssen in einer anderen kompensieren zu können.6 Ebenfalls zu den langfristigen Anpassungs­strategien zählte das Anlegen von Vorratsspeichern, um Versorgungsengpässe in den Griff zu ­bekommen. Den Konsumenten schließlich blieb im Fall einer Verknappung eines bestimmten Nahrungsmittels als kurzfristige Bewältigungsstra­tegie beispielsweise nichts anderes übrig, als dieses durch ein anderes, oftmals billigeres Produkt zu substituieren.7 Führt man sich die aufgezeigten Beispiele nochmals vor Augen, bleibt fest­ zuhalten, dass die Anwendung der genannten Strategien durchaus Züge von ratio­ nalem Handeln beinhaltet. Christian Pfister gibt aber zu bedenken, dass letztendlich keine Aussage zur Effizienz der Maßnahmen gemacht werden könne. Dennoch sind die Beispiele wichtige Argumente, um den Vorwurf, der Bauer der Frühen Neuzeit sei träge oder rückständig gewesen, zu entkräften.8

4 Ähnlich argumentiert Donald McCloskey, der explizit davon spricht, dass ein zersplit­ terter Besitz eine Form von Versicherung gegen Naturkatastrophen sei, da im Fall von Un­ wettern die Wahrscheinlichkeit eines Totalschadens reduziert würde. Auch aufgrund dieser Diversifikationsmöglichkeiten hätten viele Bauern gar keinen geschlossenen Besitz angestrebt, sondern die kleinräumige Flur bevorzugt. Vgl. McCloskey, Fields (1976). 5 Natürlich darf hier nicht vergessen werden, dass im Sommer ebenfalls Unwetter auftreten konnten, wodurch die Strategie ihre Wirkung mitunter einbüßte. 6 Jedoch konnten Katastrophenjahre mit vielen Unwettern diese Strategie neutralisieren, wenn als Folge der zahlreichen Bedürftigen die Vorräte nicht für alle Notleidenden aus­ reichten. 7 Vgl. Pfister, Klimageschichte (1988), S. 21–64. 8 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel C.V.3.

I. Vormodernes Risikomanagement im Agrarbereich

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Von großer Bedeutung für das vormoderne Risikomanagement war auch die Praxis der Remission, also die Reduzierung von Pacht und sonstigen Abgaben im Schadensfall. Der Abgabenerlass im Fall von Hagelschäden war u. a. bereits Gegenstand einer Vereinbarung aus dem 14. Jahrhundert. Eine auf den 21. Juli 1316 datierte Urkunde legt die Rechte und Pflichten zwischen dem Kölner Kloster St. Gereon und dessen Pächtern bzw. Abhängigen beim Eintritt bestimmter Schäden fest. Grundsätzlich sollen die durch Brand, Misswuchs und Hagel­unwetter entstandenen Nachteile durch eine Remission abgemildert werden.9 Allerdings konnte nicht mehr ermittelt werden, wie die Bestimmung in der Praxis umgesetzt wurde bzw. welchen Stellenwert diese genoss. Einen ähnlichen Fall beinhaltet der Tiroler Freiheitsbrief von 1406. Dort ist unter Artikel Drei geregelt, dass im Fall von Lawinen oder Überschwemmungen nach Begutachtung der Schäden eine Kompensation vom Grundherren zu bezahlen sei. Der Hagel selbst ist zwar nicht direkt erwähnt, aber es ist anzunehmen, dass hier ähnlich verfahren wurde, um die künftigen Ernteerträge sicherzustellen.10 Detaillierter wurde diese Frage im 18. Jahrhundert diskutiert. Vor dem Hintergrund aufklärerischer und kameralistischer Gedanken erkannte man die Notwendigkeit, den Pächtern in einer wirtschaftlich und finanziell angespannten Situation zu helfen, was in einem zeitgenössischen Aufsatz folgendermaßen begründet wurde: „An sich ist es nichts mehr als billig, den Unterthanen und Pächtern bey Verheerung ihrer Saaten durch Hagelschlag […] einen verhältnißmäßigen Theil ihrer Steuern und Pächte zu erlassen; denn wenn bey den Unterthanen der Gewinn wegfällt auf welchen die Contribution gegründet ist; so ist es offenbar, daß sie schwerlich Statt finden kann, wenn nicht die Unterthanen die Substanz ihres Vermögens selbst angreifen sollten, welches doch guten Cameralgrundsätzen gerade zuwider ist.“11

Viele der Territorialstaaten hatten ihre eigenen Verordnungen, wobei ein Erlass aus Schlesien aus dem Jahre 1743 Vorbildcharakter besaß. Grundsätzlich war ein Antrag auf Remission im Fall von Misswuchs, Bränden,12 Überschwemmungen, Vieh-13 bzw. Pferdesterben sowie im Falle des Hagelschlags möglich. Im zuletzt genannten Fall mussten die Felder von den Landesbeamten bzw. den Beauftragten der Grundherren in Augenschein genommen werden, um das Schadensausmaß festzulegen. Dieses orientierte sich daran, 9 Vgl. Stadt Köln, Historisches Archiv, 215 Gereon U2/110. Für Hilfestellungen bei der Transkription der Urkunde danke ich Christian Rohr. 10 Vgl. Franz, Quellen (1967), S. 506. 11 Krünitz, Band 122, Remission (1813), S. 551. 12 Im Brandfall wurde bereits auf die Feuerversicherungen verwiesen, um die Schäden an den Immobilien zu ersetzen. Für die Mobilien wie die Ernte konnte man den Abgabenerlass beantragen. 13 Auch in diesem Fall wird auf die bestehenden Viehversicherungen abgestellt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass in Zukunft keine Abgabenerleichterung mehr notwendig sein müsse.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung „[…] wie viel Scheffel auf den angewiesenen Ort ausgesäet worden, wie viel davon hätten eingeschnitten und erdroschen werden können, wenn die Beschädigung nicht geschehen, und wie viel Scheffel hingegen nach der Beschädigung nur ausgedroschen werden können [.]“14

Die immediaten Pächter hatten nach entsprechender Prüfung einen Anspruch auf Erlass eines Teiles ihrer Verpflichtungen. Im Falle der mediaten Bauern lag dies im Ermessen des Grundherrn. Der ermittelte Wert wurde an die Steuerkasse zwecks Abrechnung gemeldet.15 Danach bekamen die Geschädigten ein Drittel der geschätzten Summe vergütet, wobei nicht eindeutig klar ist, ob damit eine Barauszahlung oder die Anrechnung auf die Steuer- oder Abgabenschuld gemeint war.16 Auch in der Mark Brandenburg war es möglich, eine Remission bei Hagel­ schäden zu beantragen. Anders als in Schlesien äußert sich die Verordnung aber nicht eindeutig darüber, welche Pächter einen Antrag stellen durften. Bei einem positiven Bescheid konnten die brandenburgischen Geschädigten ihre Gelder­ sogar in barer Münze erhalten. Im Königreich Sachsen wiederum wurden den Bauern nach einer positiven Beurteilung im ersten Jahr die gesamte und im darauf folgenden Jahr die halbe Pachtschuld erlassen. Diese Regelung galt sowohl für die Pächter von Domänen als auch für diejenigen aller anderen Grundstücke. In den preußischen Provinzen hatten grundsätzlich alle Landwirte das Recht, einen Remissionsantrag bei Unglücksfällen einzureichen.17 Anhand der Ausführungen erkennt man, dass zwei Merkmale eine Rolle gespielt haben: Zum einen die Fürsorge für die Bauern, zum anderen das Bestreben, ganz im kameralistischen Sinn die Wirtschaftskraft des jeweiligen Betriebs zu erhalten. Allerdings bestand bei den Domänenbauern eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Remission ihrer Abgaben zu erhalten, da der frühmoderne Staat hier unmittelbar eingreifen konnte. Im Fall der adeligen Grund- und Gutsbetriebe war dies nicht ohne weiteres der Fall, so dass die dort tätigen Bauern im Hinblick auf Hilfe nach Hagelschlägen auf das Wohlwollen ihrer jeweiligen Herren angewiesen waren. Waren Remissionen nun eine Art von Versicherung? Einmal lag in solchen­ Fällen, in denen eine Remission gewährt wurde, eine Schadensminderung vor, so dass zumindest von versicherungsähnlichen Leistungen gesprochen werden kann. Gab es aber keinerlei schriftliche Fixierung bzw. zählte alleine das Entgegenkommen des Grund- oder Gutsherren, verblieb das gesamte ökonomische Risiko auf Seiten des Pächters. Ein belastbares Risikomanagement war somit nicht möglich, welches aber angesichts der zunehmenden Dynamik im Agrarbereich immer notwendiger wurde. 14 Krünitz, Band 122, Remission (1813), S. 558. Der Wert des zerstörten Getreides richtete sich nicht nach dem Marktpreis, sondern nach den zu leistenden Abgaben. 15 Beispielsweise durften die Gutachter keine Schäden in ihrem eigenen Dorf schätzen. 16 Vgl. Krünitz, Band 122, Remission (1813), S. 550–587. 17 Krünitz, Band 122, Remission (1813), S. 578–601.

II. „Zorn Gottes“ versus naturwissenschaftliches Phänomen

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II. „Zorn Gottes“ versus naturwissenschaftliches Phänomen: Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung, Deutung und Bewältigung von Hagelunwettern Im Rahmen dieses Kapitels soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich ähnlich wie bei anderen (Natur-)Katastrophen die Wahrnehmung und Deutung von Hagelschlägen in der Frühen Neuzeit geändert haben.18 Grundsätzlich können vom 16. bis zum 18. Jahrhundert drei Idealtypen bezüglich der Perzeption von natürlichen Extremereignissen unterschieden werden. Einer magisch-religiösen Interpretation19 folgt nach dem Versuch, metaphysische und rationale Ansichten zu verbinden, eine von naturwissenschaftlichen Anschauungen geprägte Sichtweise.20 Nicht vergessen werden darf hierbei, dass die Verhaltens- und Denkmuster keiner stufenförmigen Entwicklung folgten. Wie in vergleichbaren Fällen,21 traten diese nur aus heutiger Sicht scheinbar widersprüchlichen Deutungen des Hagels mitunter neben- oder sogar miteinander auf. Auf diese Ambivalenz soll ebenso nochmals hingewiesen werden wie auf die Tatsache, dass in den folgenden Teilkapiteln Idealtypen bezüglich der Wahrnehmung des Hagels bzw. den damit verbundenen Bewältigungsstrategien diskutiert werden. Im Gegensatz zur scharfen Trennung zwischen Rationalität und Mystik, welche insbesonders für das 16. Jahrhundert prägend war, wies das Mittelalter hier einen ganzheitlichen Ansatz auf. Christian Rohr konnte nachweisen, dass Versuche, die Naturvorgänge22 ohne Rückgriff auf die Lehren der Kirche erklären zu wollen, keinen Widerspruch zu den religiösen Einstellungen der Menschen darstellten.23 18

Vgl. exemplarisch Allemeyer, Fewersnoth (2007). Vgl. zur Begriffsverwendung von Magie und Aberglauben Freytag, Aberglauben (2003), S. 18–21. 20 Heinz-Dieter Kittsteiner untersucht anhand eines begriffsgeschichtlichen Ansatzes ähnliche Quellen, um Gewissensfragen des Menschen im Gewitter zu erforschen. Dabei unterscheidet er ebenfalls einen Expertendiskurs innerhalb der gebildeten Schichten und die Reaktionen des Volkes darauf. Kittsteiner führt dabei drei Stufen an: die Dominanz der Aristotelischen Vorstellungen, die Idee eines mechanischen Weltbildes sowie die Entdeckung der Elektrizität und des Blitzableiters. Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), Kittsteiner, Gewissen (1990) sowie Kittsteiner, Entstehung (1995), S. 31–100. Wie schon mehrfach angedeutet, soll es im Rahmen der Analyse nicht um eine „Infantilisierung vergangener Gesellschaften“ gehen, die scheinbar keine anderen Erklärungsmuster als das Transzendente hatten, bis diese schließlich von ‚modernen‘ Vorstellungen abgelöst wurden. Vgl. Walter, Katastrophen (2010), S. 12, dort auch das wörtliche Zitat. 21 Vgl. z. B. für die Deutungen von Seuchen Hünniger, Viehseuche (2011), S. 34–118. 22 Den Naturbegriff auch nur einigermaßen fassen zu wollen, würde den Rahmen des vorliegenden Kapitels sprengen. Vgl. als Einführung Rosenau, Natur (1994) sowie Sieglerschmidt/Biehler, Natur (2008). Rosenau spricht z. B. davon, dass „[…] Natur als Komplemen­ tär-, als Universal-, als Wesens- oder Normbegriff mit jeweils weitreichenden anthropologischen, kosmologischen, metaphysischen […] und ästhetischen Implikationen verstanden werden [kann]“. Ebd., S. 98 f. 23 Vgl. Rohr, Naturereignisse (2007). Zur Perzeption von Hagelschlägen im Mittelalter vgl. speziell S. 423–430. 19

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Zur Erläuterung der natürlichen Umwelt zog die Theologie die von Augustinus entwickelte Vorstellung eines Buches der Natur heran, aus dem die Schöpfung Gottes gelesen werden kann, da alles in der Natur Geschaffene vom Willen des Allmächtigen abhängig sei.24 Somit könne auch die Naturbetrachtung zum Verständnis des Glaubens beitragen.25 Im 12. Jahrhundert kam es zudem zu einer Wiederentdeckung der Vorstellungen des Aristoteles über natürliche Vorgänge. Man war der Auffassung, dass es möglich sei, aus beiden Büchern, also Bibel und Natur, die Worte und das Wirken Gottes abzulesen.26 Dabei nahm aber die Bibel den ersten Platz ein,27 genauso wie der Mensch im Rahmen der Schöpfungslehre.28 Zudem war die seit der Frühen Neuzeit bekannte Dichotomie zwischen Natur und (menschlicher) Kultur im Mittelalter noch unbekannt. Vielmehr sahen sich die Menschen als fundamentalen Bestandteil der Natur.29 1. Der Hagel als Gottesstrafe: Straftheologische Paradigmen und Interpretationen a) Beispiele für straftheologische Interpretationen Im Zuge des Auseinanderbrechens der Einheit der christlichen Kirche im Abendland und der damit verbundenen Herausbildung einer katholischen, evangelischen und reformierten Konfession30 änderten sich jedoch die soeben disku 24 Die Idee der natürlichen Gotteserkenntnis basiert u. a. auf vorchristlichen Ideen wie der Stoa. Diese geht davon aus, dass der Mensch ein immanenter Teil der beseelten Natur, der Physis, sei. Physis umfasst die echte Wirklichkeit, alles was existiert, mit den jeweiligen individuellen Eigenschaften. Insofern ist auch der Mensch in den teleologischen Kontext des ewigen Kreislaufs von Wachsen und Vergehen eingebunden. Vgl. Rosenau, Natur (1994), S. 102, Coates, Nature (1998), S. 60 sowie Beuttler, Naturverständnis (2002), S. 13. 25 Vgl. Groh/Groh, Weltbild (1996), S. 22 f. Das mittelalterliche Christentum erkannte der Natur aber nicht einen sakralen Status zu, wie dies noch in der antiken Philosophie der Fall war. Vgl. Coates, Nature (1998), S. 49. 26 Auch Galilei berief sich noch auf die beiden Metaphern, wodurch er die Einheit von Glauben und Wissen nicht angetastet sah. Aufgrund seiner Erkenntnisse über die Naturgesetze war Galilei – wie übrigens auch Newton – von der Existenz eines „Mechaniker-Gottes“ überzeugt. Vgl. Beuttler, Naturverständnis (2002), S. 13 f., Landwehr/Stockhorst, Einführung (2004), S. 101 f. sowie Groh, Buch (2005), Sp. 478–482. 27 Vgl. Coates, Nature (1998), S. 50. 28 Vgl. Fischer, Ordnung (2004), S. 155–157. 29 Vgl. Oliver-Smith, Disasters (2001), S. 30. 30 Johannes Burkhardt betont in diesem Zusammenhang, dass es falsch sei, von ‚alter Kirche‘ und ‚neuer Lehre‘ zu sprechen. Vielmehr sei beispielsweise Luther daran interessiert gewesen, die ursprünglichen christlichen Ideale wiederherzustellen, die er in der katholischen Kirche seiner Zeit nicht mehr verwirklicht sah. Dieses Konfessionsbildungsparadigma könne Burkhardt zufolge dann auch den „konfessionspolitischen Mißbrauch von Geschichte“ beenden. Allerdings wurde das Bild der alten – und damit die eigentliche Wahrheit verkörpernden – Kirche von katholischen Theologen im 16. Jahrhundert verstärkt verwendet, um sich gegen die protestantische Lehre abgrenzen zu können. Burkhardt zufolge würden sich letzt-

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tierten Auffassungen. Zwar galt die Natur immer noch als Gottes Werk, aber sie wurde verstärkt als etwas Bedrohliches gesehen.31 Grundlage für diesen Wandel war die Meinung, dass sich die Welt seit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies in einem ständigen Zustand der Verschlechterung befinden würde. Speziell evangelische32 Theologen vertraten diese Anschauung. Sie beriefen sich dabei auf die Auslegung des Schöpfungsberichtes durch Martin Luther, der in der ­Natur etwas Korruptes und Verdorbenes sah.33 Luthers Exegese zufolge fände dieser Niedergang ihren sichtbarsten Ausdruck in der Sintflut. Gott habe die Menschheit für ihre Sünden gestraft und tue dies auch weiterhin, da das Handeln der Menschen immer noch den göttlichen Geboten widerspreche. Ein Überleben einer Katastrophe stelle lediglich eine weitere Fristverlängerung für Gnade und Umkehr dar.34 Insbesondere die Interpretation von Naturkatastrophen folgte den bekannten Bildern aus der Bibel. Trat ein Extremereignis auf, wurde darin ein Vorzeichen auf göttliches Handeln bzw. ein Eingreifen in das Leben der Menschen gesehen.35 Dies traf auch für den Hagel zu, der an verschiedenen Stellen in der Bibel als Strafe des Allmächtigen genannt wird. Hagelschläge galten somit als über­natürliches Zeichen, ja als Katastrophe. Anhand einer Auswahl von Texten aus dem 16. und 17. Jahrhundert wird dieser Diskurs innerhalb der Theologie36 im Folgenden nachgezeichnet, was die vorhandene Lücke in der Literatur in Bezug auf die sich ändernde Wahrnehmung von Hagelschlägen schließt. Den unmittelbaren Hintergrund für die Entstehung manendlich jedoch alle drei genannten Konfessionen auf verschiedene theologische Traditionen der mittelalterlichen Kirche berufen. Diese Institutionalisierung habe zudem bewirkt, dass die drei Gruppen im Vergleich zur mittelalterlichen Kirche inhaltlich und organisatorisch ge­ festigter gewesen seien. Dass diese inhaltliche Festigung nicht ohne Probleme vor sich ging, zeigen beispielsweise die vielfältigen Diskussionen, die lutherische Theologen über zahl­ reiche Fragen geführt haben, weshalb der Prozess der Herausbildung der evangelischen Konfession auch das ganze 16. Jahrhundert hindurch anhielt. Alle drei Gruppen sahen sich jedoch als alleiniger Vertreter der Wahrheit an und sprachen den jeweiligen anderen die Daseinsberechtigung ab. Vgl. Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), S. 77–135, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 115. Dem Autor der vorliegenden Studie ist bewusst, dass die theologischen Unterschiede ebenfalls im Detail diskutiert werden müssten, um zu überprüfen, inwiefern diese einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Naturkatastrophen hatten. Dies würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die im Text präsentierten Beispiele vermitteln aber einen guten Eindruck hinsichtlich der protestantischen Auffassung von schweren Unwettern und den damit verbundenen theologischen Konsequenzen. 31 Vgl. Sieglerschmidt/Biehler, Natur (2008), Sp. 1145. 32 Vgl. generell zur Reformation Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), der die Ereignisse insbesondere als Medienrevolution interpretiert, sowie Gutschera/Maier/Thierfelder, Geschichte (2006), S. 163–185. 33 Anders sahen das Calvin und Zwingli. Der Mensch sei von der Erbsünde betroffen, nicht aber die Natur. Vgl. Groh/Groh, Weltbild (1996), S. 29 f. 34 Vgl. Kempe, Flammen (2000), S. 164 f., Poliwoda, Katastrophen (2007), S. 63 f. sowie Rohr, Naturereignisse (2007), S. 64. 35 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1990), S. 28 sowie Rohr, Naturkatastrophen (2009), Sp. 21. 36 Vgl. bezüglich der Auffassung der breiten Masse des Volkes zu Unwettern von Krusen­ stjern, Gottesbild (2005).

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cher Traktate bildete ein schweres Hagelunwetter, andere hatten das Ziel, die Thematik grundlegender zu behandeln.37 Ähnlich wie im Zusammenhang mit anderen Extremereignissen38 liefern die theologischen Werke neben Erklärungen in Bezug auf die Entstehung von Hagelschlägen sowohl tröstende Worte als auch konkrete Handlungsweisen. Auch vom Umfang her unterscheiden sich die Werke. Einige umfassen nur wenige Seiten, andere stellen dagegen ausführliche Monographien dar. Die Schriften stammen ausschließlich von evangelischen und reformierten Theologen,39 von katholischer Seite scheint hierzu nur vereinzelt publiziert worden zu sein.40 1562 predigten Matthäus Alber und Wilhelm Bidenbach über Unwetter, wobei die Ausführungen bald in gedruckter Form erschienen.41 Auch der bekannte reformierte Theologe und Zwingli-Nachfolger Heinrich Bullin­ger42 sprach über Wetterextreme und die Hexenproblematik und veröffentlichte seine Gedanken.43 Johannes Brenz, der in Schwaben und Württemberg wirkte und einen weit verbreiteten lutherischen Katechismus verfasste,44 veröffentlichte 1565 seine Schrift über Hagelschläge und deren vermeintliche Ursache im Hexenwesen.45 1577 ließ David Bramer seine Wetterpredigt drucken,46 Michael Freud wandte sich 1685 an seine „herztlich geliebten [Kinder] zum Christlichen Unterricht und Trost“.47 Ein schon monumentales Werk, das eine Zusammenfassung der bis dahin bekannten Gebete zu Unwettern darstellt, ist Bonifazius Stöltzlins Wetter-Büchlein aus dem Jahre 1692. Es hatte bereits die 8. Auflage erreicht und war teilweise von Johann Michael Dilherrn ergänzt worden.48 37 Zusätzlich zu den aufgeführten Texten findet sich ein zeitgenössischer Überblick über schwere Hagelunwetter bei Kobolt, Welt (1738), S. 65–67. 38 Vgl. z. B. für Feuersbrünste Allemeyer, Fewersnoth (2007). 39 Vgl. hierzu auch Kittsteiner, Stabilisierungsmoderne (2010), S. 158–160. 40 Vgl. Hellmann, Beiträge (1914), S. 129 f. Warum von katholischer Seite hierzu nur wenig publiziert wurde, kann nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht nachvollzogen werden. 41 Vgl. Alber/Bidenbach, Summa (1589). Die hier zitierte Ausgabe stammt aus dem Jahr 1589, die Predigten selbst wurden laut dem Titelblatt bereits 1562 gehalten. 42 Vgl. Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), S. 120. 43 Vgl. Bullinger, Kuenst (1586) bzw. Bullinger, Hülfe (1858). Vgl. zur Thematik von Wetterextremen im Werk von Bullinger Ulbricht, Wetterlagen (2005). 44 Vgl. Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), S. 89. 45 Vgl. Brenz, Donner (1565). 46 Vgl. Bramer, Donner (1577). Bramer spricht bewusst davon, dass er seinen Bericht zum Trost der „einfeltigen Leuten/die es nicht besser wissen“ verfasst habe. Ebd, o. S. (Vorrede). Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt, die dem Aufbau den anderen Schriften ähneln: die Entstehung des Hagels, warum Gott diesen schicke, wie man ihn abwenden könne und wie sich ein Christ während eines Unwetters zu verhalten habe. 47 Freud, Hagel-Schlag (1685). Titelblatt. 48 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692). Stöltzlins Buch umfasst in dieser Ausgabe neben einem Widmungskapitel eine Vorrede und zehn Abschnitte. Stöltzlin war zu diesem Zeitpunkt bereits tot, so dass Dilherrn die Widmung und die Vorrede verfasste. Am eigentlichen Text scheint er keine Änderungen vorgenommen zu haben. Der Hagel wird im 7. Kapitel behandelt.

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Die meisten der Bücher erschienen um das Jahr 1570,49 das in der historischen Klimaforschung als erster klimatischer Niederpunkt der so genannten Kleinen Eiszeit gilt. Daher besteht wohl ein direkter Zusammenhang zwischen den zahlreichen, in den Texten reflektierten Wetterkapriolen und den Temperaturschwankungen dieser Jahre.50 Zudem wurde – wie schon erörtert – die Natur bis weit in das 17. Jahrhundert hinein als etwas Bedrohliches und Ungezähmtes empfunden.51 Parallel zu den Temperaturschwankungen traten europaweit Epidemien sowie soziale und politische Spannungen auf,52 und speziell für das Jahr 1570 sind schwere Versorgungsengpässe53 infolge des starken Anstiegs der Agrarpreise54 überlie 49 Vgl. Behringer, Krise (2003). Das Jahr 1570 war durch große Hochwasser im Februar, starke Hagelschläge sowie einem kalten Frühling geprägt, der das Wachstum der Saat massiv beeinträchtigte. Auch der Sommer war nur durchwachsen, so dass die Weinernte schlecht ausfiel bzw. die Feuchtigkeit das Getreide angriff. Vgl. Glaser, Klimageschichte (2008), S. 120. 50 Es ist überwiegender Konsens in der Forschung, die Kleine Eiszeit auf die Jahre zwischen 1300 und 1850/1900 zu datieren. Klimageschichtlich ist diese Periodisierung sinnvoll, da für diesen Zeitraum das Gletscheranwachsen überall auf der Welt nachgewiesen werden konnte. Vorangegangen bzw. der Kleinen Eiszeit nachgelagert waren zwei Wärmeperioden, nämlich die so genannte Mittelalterliche Wärmeperiode (circa 900–1200) und das 20. Jahrhundert. Speziell in dem hier interessierenden 16. Jahrhundert häuften sich vereinfacht gesagt in der zweiten Jahrhunderthälfte die Temperaturanomalien. Speziell das Jahr 1573 ist hier zu erwähnen, als beispielweise die Wintertemperaturen um -3,93°C niedriger waren als im Durchschnitt der Jahre 1971–2000. Insgesamt lag 1571 der drittkälteste Winter der vergangenen 500 Jahre vor. Die Dekade zwischen 1592 und 1601 war mit -0,87°C im Vergleich zu den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts das kälteste der vergangenen fünf Jahrhunderte. Das 17. Jahrhundert wies zwar weniger Extremwerte hinsichtlich der Temperaturabweichungen auf, war aber durchgehend kühl und erlebte am Ende einen Temperatureinbruch. Die Jahre zwischen 1701 und 1800 wiederum waren nur geringfügig kälter als beispielsweise das 20. Jahrhundert. Charakteristisch für die Kleine Eiszeit insgesamt bzw. die Jahre seit 1500 waren die zu kalten Winter- und Frühlingsmonate, wohingegen die Sommertemperaturen mit denjenigen vergleichbar sind, die zwischen 1901 und 2000 vorherrschten. Die Herbstmonate waren nur geringfügig kälter. Verantwortlich für den Temperaturrückgang dürften nach weitgehendem Konsens in der Forschung die verringerte Sonnenaktivität – die besonders in den Jahren 1645 bis 1715, dem so genannten Maunder-Minimum deutlich zurückging – sowie eine Reihe von starken Vulkanausbrüchen gewesen sein, welche ebenfalls die Sonneneinstrahlung beeinflussten. Hier eine Gewichtung der Faktoren vorzunehmen oder welche Wechselwirkungen innerhalb des klimatischen Systems hiermit verbunden waren, ist aktuell nicht mit letzter Gewissheit möglich. Vgl. Mauelshagen, Klimageschichte (2010), S. 60–84. Vgl. hierzu auch Glaser, Eiszeit (2007). 51 Vgl. z. B. Münch, Lebensformen (1996), S. 105–109, dort auch ein Hinweis auf die apokalytische Wahrnehmung des Hagels. 52 Vgl. Behringer, Krise (2003), S. 52–57. 53 Qualitativ bessere Getreidesorten wie der Weizen waren gegenüber der Kälte weitaus empfindlicher als Roggen oder Hafer. Zudem änderten sich als Folge der gesunkenen Temperaturen in vielen Gegenden Europas die Anbaugewohnheiten. In Island konnte beispielsweise überhaupt kein Getreide mehr geerntet werden und die englischen Landwirte mussten den Weinanbau, den sie seit dem Mittelalter betrieben hatten, aufgeben. Vgl. Behringer, Kultur­ geschichte (2007), S. 130 f. 54 Die Konsumenten wurden hierbei größtenteils empfindlich getroffen, da keine wesentlichen Substitutionsmöglichkeiten vorhanden waren. Auf der Produzentenseite muss jedoch differenziert werden. Insbesondere Besitzer von mittelgroßen und kleinen Höfen waren von

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fert.55 Als Folge der unzureichenden Nahrungsmittelversorgung herrschte bei vielen Menschen ein Mangelzustand, der wiederum eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeit zur Folge hatte. Zudem verschärften sich die konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken, Protestanten und Reformierten, die einige Jahrzehnte später in den Dreißigjährigen Krieg mündeten.56 Somit hat das Gefühl, in krisenbehafteten Zeiten zu leben, die Wahrnehmung des Hagelschlags als katastrophales und apokalyptisches Ereignis wohl verstärkt. Unterstützt wird diese Argumentation durch die Tatsache, dass mit den zunehmenden Temperaturschwankungen die Witterungsanomalien als die schwersten Strafen interpretiert wurden, mit denen Gott die Menschen züchtige. Galt um 1540 die Pest als schlimmste Geißel des Allmächtigen, waren dies zwei Jahrzehnte später die Unwetter.57 Gleichzeitig erreichten in diesen Jahren auch die Hexen­ verfolgungen – von Wolfgang Bonß als „Externalisierung von Unsicherheit“58 bezeichnet – einen neuen Höhepunkt.59 Speziell in den Zeiten der Klimaverschlechterung hatte offensichtlich das spirituelle Angebot der alten und neuen Kirche nicht dazu beitragen können,60 die mit den Temperaturschwankungen verbundenen Ängste zu besänftigen, weshalb der aus dieser Desorientierung resultierende

den Klimaschwankungen besonders beeinträchtigt. Das wenige Getreide, welches nach Abzug des Eigenverbrauchs für den Verkauf zur Verfügung stand, wurde durch Mißernten dezimiert, so dass diese Verluste kaum mehr durch die am Markt realisierbaren Preise ausgeglichen werden konnten. Mitunter waren die Ernteeinbußen so groß, dass sogar Getreide hinzugekauft werden musste. Anders sah es bei den Besitzern größerer Höfe aus, welche teilweise sogar von der Subsistenzkrise profitierten. Trotz witterungsbedingter Ausfälle besaßen diese ‚Krisengewinner‘ nämlich immer noch genügend Feldfrüchte für den Verkauf. Auch hatten sie die Möglichkeit, auf den für sie günstigsten Augenblick – d. h. einem Zeitpunkt mit möglichst hohem Preisniveau – zu warten, um dann ihre Waren anzubieten. Vgl. JakubowskiTiessen, Auswirkungen (2010). Dort finden sich auch Hinweise auf ein bis dato in Zusammenhang mit der Krise von 1570 wenig erforschtem Phänomen, nämlich dem Versuch einer Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden. 55 Vgl. Abel, Massenarmut (1986), S. 37–45 bzw. Jütte, Teuerungen (2005). 1570 protestierte beispielsweise der Kreistag des Bayerischen Reichskreises gegen den Beschluss des Fränkischen Reichskreises, ein Ausfuhrverbot für Getreide zu verhängen. Vgl. Dotzauer, Reichskreise (1989), S. 188 f. 56 Vgl. Behringer, Kulturgeschichte (2007), S. 151–154 sowie Rohr, Leben (2007), S. 68. 57 Vgl. Ulbricht, Wetterlagen (2005), S. 160–162. 58 Bonß, Risiko (1995), S. 47. Vgl. zur Tatsache der Hexenverfolgung als europäisches Phänomen Muchembled, Kultur (1982), S. 234–236. 59 Manchen Historikern gilt die Kleine Eiszeit als stark melancholische Zeit, wofür der Hexen­wahn als anschauliches Beispiel angeführt wird. Vgl. z. B. Lederer, Verzweiflung (2005) sowie Midelfort, Eiszeit (2005). Vergessen werden darf nicht, dass die Hexenprozesse bis weit in das scheinbar aufgeklärte 18. Jahrhundert weitergingen. Vgl. Wunder, Gemeinde (1986), S. 104 f. 60 Der Hexenglaube beruhte auf der Vorstellung, dass bestimmte Frauen über geheimes und überliefertes Wissen verfügen würden. Dies stand in deutlichem Gegensatz zu ihrer offiziellen Stellung in der Gesellschaft des späten Mittelalters bzw. der Frühen Neuzeit, welche die Frau als schwach und aufgrund ihrer Rolle als Lebensspenderin als unrein ansah.

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Wahn in einer neuen Hexenverfolgungswelle mündete.61 Im Volksglauben wurden den scheinbaren Hexen jedoch besondere Kenntnisse von den Vorgängen in der Natur und anderer Geheimnisse zugeschrieben und es war weitgehend akzeptiert, dass die vermeintlichen Hexen ein Gewitter entstehen lassen könnten. Diese Auffassung stand aber in deutlichem Gegensatz zum herrschenden Weltbild, dass Gott allein für alle natürlichen Vorgänge verantwortlich sei, und wurde von der Amtskirche aufs schärfste verfolgt. Außerdem sahen die kirchlichen Behörden die Hexen als Konkurrentinnen im Kampf um das Vertrauen der Menschen.62 Eine der Grundlagen für die systematische Verfolgung war der gegen Ende des 15. Jahrhunderts veröffentlichte ‚Malleus maleficarum‘ oder ‚Hexenhammer‘, der die Erschaffung von Hagelschlägen als einen der wesentlichen Anklagepunkte auflistet,63 die in den Hexenprozessen vorgetragen wurden.64 Obwohl ein Werk der Papstkirche, verwendeten im Übrigen auch die Protestanten weiterhin den ‚Hexenhammer‘.65 Jedoch waren neueren Forschungen zufolge die Ausschreitungen gegenüber vermeintlichen Hexen nicht nur religiös motiviert. Vielmehr spielten die ungünstigen Witterungsverhältnisse bzw. Temperaturschwankungen ebenfalls eine wichtige Rolle dabei,66 dass Menschen, die außerhalb der herrschenden gesellschaftlichen Konventionen standen, als Sündenböcke für Witterungsanomalien und damit Missernten herhalten mussten.67 Die Anklagen basierten auf Verleumdungen oder Denunzierungen, wobei die Anschuldigung, die Versorgung des Dorfes durch Zauberei gefährden zu können, von den Zeitgenossen als äußerst schwerwiegend empfunden wurde.68 61

Vgl. Münch, Lebensformen (1996), S. 107 f. Eine ganz andere Interpretation sah in der Hexenverbrennung den Versuch der dörflichen Eliten, sich der Gefahr einer Revolte durch die Mittellosen zu erwehren. Die vermeintlichen Hexen waren oft Angehörige der einfacheren Schichten, und durch deren Tötung wollte man ein abschreckendes Beispiel für die Übrigen geben. Vgl. Muchembled, Kultur (1982), S. 255. 63 Die Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit geht auf die Bulle ‚Summis desiderantes affec­ tibus‘ von Papst Innozenz VIII. zurück, deren Veröffentlichung im Jahre 1484 von Heinrich Kramer, genannt Institoris, bewirkt wurde. Vgl. Behringer/Jerouschek/Tschacher, Hexenham­ mer (2007), S. 31–69; S. 489–496. 64 Vgl. z. B. für Esslingen in einen strafrechtlichen Kontext Jerouschek, Hexen (1992) sowie allgemein Behringer, Weather (1995) und Behringer, Hexen (2005). Im Erzbistum Salzburg kam es zur Verurteilung des Pfarrers Ruprecht Ramsauer, was zeigt, dass nicht nur Frauen der Hexerei verdächtigt wurden. Ihm wurde u. a. vorgeworfen, seinen Gästen in der Stube ein Hagelwetter gezaubert zu haben. Zusammen mit seiner Köchin wurde er im März 1575 verbrannt. Vgl. Klein, Hexenprozesse (1957). In Freising wurden 1717 nach einem Hexerprozess drei Jungen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren zum Tod verurteilt, was beweist, dass auch bei Kindern keine Ausnahme gemacht wurde. Vgl. Beck, Mäuselmacher (2012). 65 Vgl. Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 12. 66 Vgl. Behringer, Hexen (2005), S. 47 f. 67 Keith Thomas interpretiert den Vorwurf der Hexerei als Ausdruck einer Veränderung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen bzw. als Symbol für die Übergangsphase vom Feudalismus zum Kapitalismus. Vgl. Thomas, Religion (1991), S. 669–680. 68 Vgl. Bauernfeind/Woitek, Cycles (1996) sowie Bauernfeind/Woitek, Influence (1999). 62

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Diese Hintergründe sind bei der folgenden Analyse zu berücksichtigen. Da sich die einzelnen Traktate in wesentlichen Punkten ähneln, bietet sich bei deren Begutachtung eine systematische Vorgehensweise an, bei der folgende Fragen be­ antwortet werden sollen: Welche Auffassungen herrschten über das Wesen des Ha­ gels vor? Wer oder was war die Ursache, dass die Menschen hiervon heim­gesucht wurden? Welche kurzfristigen Bewältigungsstrategien wurden emp­fohlen? Sind Unterschiede in den Auffassungen von Katholiken und Protestanten erkennbar? Wenig verwunderlich, führen alle Autoren das Wesen des Hagels bzw. des­ sen Entstehen auf das Wirken Gottes zurück, der damit seine Allmacht beweisen würde. Begründet wird dies immer mit einer Auswahl von biblischen Texten wie den Psalmen69 oder dem Bericht des Buchs Exodus über die Plagen Ägyptens,70 womit ein anschauliches Beispiel für die symbolhafte Interpretation von Hagelschlägen vorliegt. Alber und Bidenbach sprechen von einer „scharpffen/doch Vätterlichen Ruten“.71 Johannes Brenz fasst dies wie folgt zusammen: „Denn Gott der Herr hat uns bißher etlich mal mit schedlichem Frost […] auch mit Hagel und anderen Ungewitter von Himel herab heimgesucht/un uns darmit zuerkennen gebe/das er noch herrsche und regiere […]“.72

Brenz spricht hier also davon, dass Gott unmittelbar den Hagelschlag einsetzen würde, um die Menschen von seiner Macht zu überzeugen. Manchmal bediene er sich hierzu aber auch des Teufels und dessen Anhänger, nämlich der Hexen und Unholde. Vehement verneinen alle Prediger, dass diese Geschöpfe die Macht hätten, Unwetter entstehen zu lassen, denn das könne nur Gott alleine. Der Allmächtige gewähre dem Teufel nur einen gewissen Spielraum bzw. erlaube ihm ausdrücklich,73 mit dem Hagelschlag die Menschen für ihre Sünden zu bestrafen.74 69

Ein solches Beispiel stellt Psalm 18, Vers 13–14 dar: „Aus dem Glanze vor ihm brachten hervor/Hagelschauer und Feuerkohlen/Vom Himmel redete im Donner Jahwe/der Höchste ließ seine Stimme erschallen“. Zitiert wurde nach der Einheitsübersetzung. 70 Vgl. Ex 9,18, Ex 9,25. 71 Alber und Bidenbach, Summa (1589), o. S. Fast wortwörtlich findet sich diese Formu­ lierung ein Jahrhundert später bei Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 4 wieder. Dort heißt es: „Der allmächtig Gott/aus sonderm Rath und Bedencken/[hat] auch mit einer scharffen/jedoch väterlichen Ruthen eines grossen/schädlichen und schrecklichen Hagels [uns] gezüchtiget und heimgesuchtet[.]“ 72 Brenz, Donner (1565), o. S. 73 Die Menschen glaubten, dass böse Geister in einer bestimmten Schicht des Himmels leben würden und daher sich der Elemente bedienen könnten. Auch diese Idee ist aus einem biblischen Text abgeleitet, nämlich dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser. Dort heißt es im 12. Vers des 6. Kapitels: „Denn unser Kampf geht nicht gegen Blut und Fleisch, sondern gegen die Mächte, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den Himmelshöhen.“ Zitiert wurde nach der Einheitsübersetzung. 74 Ähnlich bei Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 8 f. sowie Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o.S (Zueignung). Freud unterstellt dem Teufel aber eine gute Kenntnis der Natur. Dieser würde nämlich die natürlichen (!) Vorzeichen erkennen, dass ein Unwetter drohe und seine Anhänger anweisen, bestimmte Prozeduren auszuführen. Damit würde er sie glauben lassen, dass sie selbst für das Unwetter verantwortlich seien. Vgl. Ebd., S. 9 f.

II. „Zorn Gottes“ versus naturwissenschaftliches Phänomen

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Um nochmals Johannes Brenz zu zitieren: „Wen den nu der Hagel kompt/so kompt er nicht darumb/das in die Unholden gekocht haben/sonder das in Gott der Herr dem Satan verhenget hat.“75 Die Herrschaft über den Hagel würde also bei Gott allein verbleiben. Was die Behandlung der Hexen betrifft, finden sich in den Texten ebenfalls Hinweise: Johannes Brenz fordert unter Berufung auf die Bibel sowie auf das römische Recht die Bestrafung der Zauberinnen und Unholde, die durch male­ ficien den Menschen schaden würden.76 Er spricht den Hexen zwar die Fähigkeit ab, die Elemente beeinflussen zu können, aber alleine schon ihre Treue dem Leibhaftigen gegenüber reiche als Grund für ihren Tod aus.77 Ähnlich formuliert dies Heinrich Bullinger: Zum einen sei der Kontakt zu Hexen „wider alle göttlichen und billigen Gesetze“78, zum anderen könnten die Zauberinnen „[…] durch sein [d. h. des Teufels] hülff die Früchten auff dem Felde, darzu Leut unnd Vieh schädigen“79. Angesichts der Versorgungsengpässe in diesen krisengeschüttelten Jahren dürfte dies in den Augen von Bullinger ein sehr schweres Vergehen gewesen sein. Bei Alber und Bidenbach klingt dies etwas anders. Die Gläubigen wurden ermahnt, nicht nur die Bestrafung der vermeintlichen Hexen zu fordern, sondern vielmehr ihre eigenen Verfehlungen und Sünden zu bereuen.80 Interessanterweise beinhalten die Schriften teilweise auch eine Auseinandersetzung mit anderen Theorien hinsichtlich des Wesens des Hagels. Wie schon die spätmittelalterlichen scholastischen Theologen waren manche der Prediger mit den Werken des Aristoteles vertraut81 und kannten dessen Erklärung für die Entstehung des Hagels. Beispielsweise reflektiert Brenz die Ideen der „Natur­ 75 Brenz, Donner (1565), o. S. Das angesprochene Kochen ist eine Anspielung auf vermeintliche Hexenpraktiken und findet sich ebenso ein Jahrhundert später bei Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 4. Vgl. für einen Überblick über die erwähnten Rituale Stegemann, Hagel (2000), Sp. 1307 f. 76 Brenz und andere beziehen sich in ihren Texten auf das römisch-kaiserliche Recht, was eine der wesentlichen Grundlagen der Hexenprozesse war. Der Codex Justinianus, der vom byzantinischen Kaiser Justinian veröffentlicht wurde, beinhaltet die angesprochenen Edikte. Im 9. Kapitel findet sich die Bestimmung, dass Zauberei, welche Leib und Leben bzw. dem Hab und Gut schade (maleficium), bestraft werden müsse. Straffrei blieb dagegen gute Magie wie ein Fruchtbarkeitszauber. Weiterhin basierten die Hexenprozesse auf der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. von 1532 sowie der Kursächsischen Konstitutionen von 1572. Vgl. zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung Jerouschek, Hexen (1992), S. 27–40. Allerdings wurden die Hexenverfolgungen weder von allen Katholiken noch Protestanten kritiklos hingenommen, wie z. B. die entsetzten Reaktionen des Jesuiten Friedrich von Spee zeigen. Vgl. Behringer, Wissenschaft (2004), S. 367. 77 Vgl. Brenz, Donner (1565), o. S. 78 Bullinger, Hülfe (1858), S. 561. 79 Bullinger, Kuenst (1586), S. 303. 80 Vgl. Alber/Bidenbach, Summa (1589), o. S. 81 Aufgrund ihrer ‚heidnischen‘ Herkunft stand die lutherische Theologie den Aristote­ lischen Lehren in den frühen Jahren kritisch gegenüber. Schon bald kam es aber vor dem Hintergrund einer zunehmenden Dogmatisierung der protestantischen Theologie und dem damit verbundenen Bedarf an einer – ihre Grenzen und damit ihre Unterordnung respektierenden –

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

kündige[n]“: die Dämpfe würden aus dem Erdreich durch die Kraft der Sonne bis in die Wolkenebenen steigen und dort gefrieren. „[S]o reden (sage ich) die Naturkündiger von dem Hagel/un ist recht davon geredt.“82 Diese scheinbare Zustimmung wird aber gleich wieder relativiert, da Brenz zufolge nicht vergessen werden dürfe, dass die Natur nur ein Teil von Gottes Plan sei: „[Der] Hagel/er hat sein urprung un herkomen durch sein natürliche mittel und ordnung wie angezeiget/Aber Gott ists/der solche Ordnung erschaffen[.]“83 Ähnlich argumentiert Bonifatius Stöltzlin. Er gesteht Unwettern schon ganz im physikotheologischen Sinn84 auch positive Eigenschaften wie die Reinigung der Luft von giftigen Dämpfen zu.85 Zwar beruft er sich ebenfalls auf Aristoteles, letzte Ursache bleibe aber Gott alleine: „Natürlicher weiß kommt der Hagel daher/wann die Dünste und Dämpf deß Erdreichs aufsteigen/und durch der Sonnen Hitz biß hinauf in das Mitteltheil des Luffts (in dem die Wolcken seyn) gezogen werden: Alsdann werden solche Dämpf durch die Kälte zusammen getrieben/daß ein Wolck daraus wird. Wann nun dieselbe Wolck durch der Sonnen hitz erweichet/so kommet entweder ein Regen/oder ein Hagel darauß[.]“86

Auch David Bramer kannte die Ansichten des griechischen Philosophen: „Hagel aber, schreiben sie [= die Naturkundigen]/das es auch sein die feuchten dünsten/ welche durch die hitze der Sonnen/werden auffgezoget/biß in die mitte der Lufft/da sie durch die kelte der Lufft/in wolcken verwandelt werden/Welche/wenn sie durch die hitz der Sonnen erweichen/dröpffelen sie[/]wo sie aber erfrieren/das sie hart werden/wirds ein Hagel.“87

Das bedeutet aber nicht, dass Bramer vom theologischen Dogma abweicht, Gott sei der Urheber aller Dinge. Vielmehr vertritt er eine orthodoxe Meinung. Die Aussagen seien alle falsch, denn „wir/die wir Christen sein“, müssten die Gewitter als „ein hohes unbegreifliches/treffliches/freywilliges werck/der hohen Majestät Gottes ansehen“.88 Philosophie zur Wiederentdeckung dieses griechischen Klassikers. Vgl. Seifert, Schulwesen (1996), S. 335–337. 82 Brenz, Donner (1565), o. S. 83 Brenz, Donner (1565), o. S. 84 Vgl. Kapitel C.II.2. 85 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), S. 16 f. 86 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), S.  238. Zum Vergleich sei Aristoteles’ Meteo­ rologie herangezogen: „Die Erde ruht, aber das Feuchte auf ihr verdunstet unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen und der sonstigen von oben kommenden Wärme und steigt nach oben. Aber wenn die Wärme, die es emporsteigen ließ, es verlässt[,] dann kühlt der Wasser­ dampf ab[.] Die Ausdünstung aus Wasser ist Wasserdampf, Luft, die sich zu Wasser verdichtet, ist Wolke[.] Hagel entsteht dort oben, in der Wolkenregion[.] Wenn aber die Kälte innerhalb (der Wolken) sich wegen der Wärme außen reaktiv noch stärker konzentriert, dann verfestigt sich das Wasser, das sie (die Kälte) gemacht hat, und wird zu Hagel.“ Aristoteles, Meteorologie (1970), S. 25; 28; 29.  87 Bramer, Donner (1577), o. S. 88 Bramer, Donner (1577), o. S.

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Auch auf die Frage hinsichtlich der Ursachen, warum die Menschen vom Hagel­schlag heimgesucht wurden, hatten die Theologen eine Antwort. Johann Michael Dilherrn sieht in Unwettern „Real-Predigten“,89 mit denen der Allmächtige die Menschen für ihre Sünden strafen und zu einem frommen und bußfertigen Leben ermahnen möchte. Hier klingt deutlich die lutherische Vorstellung durch, dass Gebet und Reue die einzigen Mittel seien, den Allmächtigen zu versöhnen.90 Eine vollständige Begründung des Phänomens Hagel ist aber nach Dillherrn nicht möglich, da Gottes Absichten nicht fassbar seien. Denn wie sei es sonst möglich, dass beispielsweise ein Blitz einen Menschen treffe, dieser aber unverletzt bleibe?91 Die Sünden, um die es in erster Linie ging, waren Verschwendung, Völlerei und Betrug. Dass die Weinstöcke und das Korn zerstört würden, sei – so Johannes Brenz – nicht verwunderlich: „Wir sündigen mit Wein und Korn / darumb müssen wir auch an Wein un Korn gestrafft werden.“92 Noch drastischer formulieren dies Alber und Bidenbach: „Wir versündigen uns an Wein und Früchten/so strafft uns Gott eben auch an Wein und Früchten. Etlich versündigen sich daran mit Geitz/Fürkauff/Steygerung/untrewer unnd vortheylischer vorhaltung. Ettliche/und der größte hauff mit fressen/sauffen […] un andern prächlichem/schädlichem überfluß/Vil auch mit betrug und vortheil/da sie die Zehenden/ Gülten/Landtgarben/e. nicht redlich unnd auffrichtig/wie sie Gottes Gebots/und ihres Eyds halben schuldig/reichen.“93

Im Übrigen wurde die Auffassung eines strafenden Gottes nicht nur im ‚ein­ fachen‘ Volk vertreten, wie ein Briefwechsel zwischen Landgraf Philipp I. von Hessen und Herzog Christoph von Württemberg zeigt  – womit gleichzeitig ein Beleg geliefert wird, dass eine scheinbare Trennung zwischen Volks- und Eliten­ kultur so nicht aufrecht zu halten ist94: „Dann Gott der Herr um solches Mißbrauchs der Gabe Gottes [gemeint sind die eigenen Talente und Fähigkeiten] ohne Zweifel sie uns entzeucht, dieweil das Laster des Saufens unter Fürsten, Grafen, Edelleuten, Bürgern und Bauren so gar gemein, daß man es nicht mehr für Sünde achtet [.]“95

Entsprechend sieht Brenz diese Vergehen bei den Wohlhabenden und Armen unterschiedlich ausgeprägt. Die Reichen würden der Völlerei frönen, die ein­ fachen Menschen dagegen ihren Verpflichtungen wie der Zehntabgabe an ihre 89

Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o. S. (Zueignung). Zur Illustration sei nochmals auf Stöltzlin hingewiesen. Auf S.  259 des Buches findet sich ein „kurtze[s] Seuffzerlein/wann es sich allbreit zu einem schädlichen Hagel­wetter an­sehen läßt. Ach HERR! Ach Vatter! Ach starker HErr! Ach milder Vatter! Seye mitten in deinem gerechten Zorn uns gnädig und barmherzig/und sihe uns in Gnaden an/Amen!“ Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), S. 259. 91 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o. S. (Zueignung). 92 Brenz, Donner (1565), o. S. 93 Alber und Bidenbach, Summa (1589), o. S. 94 Vgl. die Überlegungen hierzu am Ende des Kapitels. 95 Philipp I. Landgraf v. Hessen, Ursache (1788), S. 741. 90

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Herren (und damit auch an die Kirche) nicht nachkommen.96 Etwas uneigennütziger argumentieren Alber und Bidenbach. Wenn die Menschen ihre Abgaben nicht ordnungsgemäß leisten würden, dann könnten keine Kirchen mehr erhalten oder die Armen unterstützt werden.97 Man dürfe aber auch nicht die positiven Folgen eines Hagelschlags vergessen. Die Gottlosen würden bestraft und wieder zu einem christlichen Leben ermahnt. Für die Frommen sei der Hagel dagegen eine Prüfung ihrer Glaubensfestigkeit.98 Bonifazius Stöltzlin beruhigt seine Leser: „[Gott] meine es nicht böß/sondern wolle hiermit [einem Hagelschlag] unsern Glauben/ Hofnung/und Gedult probieren und prüfen[.]“99 Daran knüpft Michael Freud an, der zu erkennen glaubt, warum niemand vom Hagelschlag verschont bleiben würde. Keiner sei nämlich frei von Sünde.100 Was nun die von den Theologen empfohlenen kurzfristigen Bewältigungs­ strategien betrifft, so empfahlen diese wie schon angeklungen Gebet und Reue. Vereinzelt wird auch deren Wirksamkeit durch Beispiele illustriert: „Im Jahr 1586. verderbte der Hagel alles Getreide in einem Schlesischen Dorfe; Aber im Mittel wohnte eine arme fromme Wittwe[/]der versehrets nicht ein Hähnlein.“101 Buße, als zweiter Schritt der Glaube und anschließend gute Werke sind also die Strategien, wie man sich gegen einen Hagelschlag schützen könne.102 Allerdings finden sich in den Quellen nur wenige Hinweise darauf, dass nach einem Unglücksfall von Seiten der Kirchenmänner Trost gespendet wurde.103 Viele der protestantischen Theologen diskutieren alternative Strategien zum Gebet, welche aber als reiner Götzendienst abgetan wurden.104 Dabei kamen Ressentiments gegenüber den Katholiken zum Ausdruck, die weiterhin auf die kollektive Frömmigkeitsausübung vertrauten:105 Bereits im Zueignungskapitel zu Stöltz 96

Vgl. Brenz, Donner (1565), o. S. Vgl. Alber/Bidenbach, Summa (1589), o. S. 98 Vgl. Brenz, Donner (1565), o. S. 99 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), S. 292. 100 Vgl. Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 18 f. 101 Freud, Hagel-Schlag (1685), S. 6. 102 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 11. 103 In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die Vorstellung eines alttestamentarischen Strafgottes nicht die einzige Annahme der Theologie war. Niemals wurde nämlich die Grundannahme, dass Gott die Menschen liebe, aufgegeben. Die Theologen sprachen dabei von dem ‚opus proprium‘, dem eigentlichen Werk von Gottes Gnade und Barmherzigkeit, und dem ‚opus alienum‘, ein Handeln, das dem Wesen des Allmächtigen widerspreche, ihm aber durch die Sünden der Menschen aufgenötigt würde. Doch fiel es den frühneuzeitlichen Menschen schwer, im destruktiven Wirken der Naturkräfte einen liebenden Schöpfergott zu erkennen und damit der offiziellen theologischen Anschauung zuzustimmen. Deshalb beschäftigten sich wohl auch ‚einfache‘ Menschen implizit mit dem Problem der Theodizee, also dem Phänomen, wie es trotz der Existenz Gottes Leid in der Welt geben könne. Vgl. JakubowskiTiessen, Sturmflut (1992), S. 92, von Krusenstjern, Gottesbild (2005), S. 182–185 sowie Walter, Katastrophen (2010), S. 65 f. 104 Vgl. Bramer, Donner (1577), o. S. 105 Vgl. List, Funktionswandel (1997), S. 24 f. 97

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lins Buch weist Johann Michael Dilherrn die Auffassungen der ‚Papisten‘ zurück, die glauben, mit Sakramentalien106 wie Bittprozessionen oder Glockengeläut den Allmächtigen besänftigen zu können. Dies sei reiner Aberglaube, und helfe ohnehin nicht weiter.107 Abermals wird aus diesen Sätzen eine wesentliche Auffassung vieler108 protestantischer Theologen deutlich, nämlich die Ablehnung von Äußerlichkeiten und dem Ansprechen der Sinne, wie sie die alte Kirche jahrhundertelang praktizierte.109 Gleichzeitig wurden innere Dinge wie die Gewissens­ erforschung und das Gebet betont,110 um damit zu bewirken, dass Gott der realen Bedrohung etwas entgegensetzen würde.111 Die Protestanten versuchten das Problem der Symbolhaftigkeit zu lösen, welches ein wesentliches Merkmal der Rituale112 der katholischen Kirche war und 106

Vgl. Scribner, Religion (2006), S.  108 f. Im Mittelalter wurde den kirchlichen Sakramenten neben dem Heiligen auch eine heilende Wirkung zugeschrieben. Robert W. Scribner zufolge ist dies Ausdruck für die fließenden Übergänge zwischen theologischen und volkstümlichen Auffassungen bezüglich dem Heiligen, was sich konkret in den so genannten Sakramentalien gezeigt habe. Scriber zufolge sind Sakramentalien „[…] aus der Praxis der kirchlichen Benediktionen entstanden, und ihr Verhältnis zu den Sakramenten im strengen Sinn blieb bislang ungeklärt. In der volksfrommen Praxis wurde ihre Wirkungsweise indes als sakramental verstanden; sie wurden also als aktiver Träger des Heils, der Heiligung und der Heilung betrachtet[.]“ Ebd. S. 108. 107 Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o. S. (Zueignung). Die Polemiken gegen die Katho­ liken erreichen bei Dilherrn ein scharfes Ausmaß: „Auch der Hagel an denen Orthen/da die Meßpriester ihr gaucklerisches aberglaubisches Beschweren gebraucht/alles Erdgewächs in den Boden hinein geschlagen habe [.]“ Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o. S. (Zueignung). 108 Allerdings gab es Bilderfeinde nicht nur bei den Protestanten, sondern auch manche katholische Theologen standen der inflationären Verwendung von Bildern im Rahmen von Liturgie und anderen Formen der Frömmigkeit kritisch gegenüber. Gleichzeitig lehnten nicht alle Reformatoren den Einsatz von Bildern grundsätzlich ab. Robert W. Scribner hat hierzu treffend festgestellt: „Die wirkliche Scheidelinie war erkenntnistheoretischer Natur und trennte diejenigen, die den Menschen das Vermögen zusprachen, durch körperhafte Mittel wie Bilder Kenntnis von der göttlichen Wirklichkeit zu erlangen, von denen, die das für unmöglich erachteten.“ Vgl. Scribner, Religion (2006), S. 135 f., das wörtliche Zitat findet sich auf S. 136. 109 Vgl. hierzu auch Scribner, Religion (2006), S.  112–114. Scribner zufolge sei die Kritik vieler protestantischer Theologen an der Bilderverehrung gleichzusetzen mit deren Ab­ lehnung jedweder Sinnlichkeit im Rahmen von Andachtsübungen. Zahlreiche protestantische Theologen wie z. B. Zwingli (nicht aber Luther) lehnten den Einsatz von Bildern für religiöse Zwecke ab, da das Bildhafte die Menschen von einer Gott angemessenen geistigen Haltung ablenken würde. Mit der Zeit erkannten aber auch viele reformierte Theologen, dass eine Andacht ohne Bilder den Gläubigen nur schwer zu vermitteln sei. 110 Auch in diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass hier nur Tendenzen nachgezeichnet werden können und auf eine detaillierte Darstellung der jeweiligen theologischen Positionen verzichtet wird. 111 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1990), S.  36. Wolfgang Behringer, Hartmut Lehmann und Christian Pfister sprechen in diesem Zusammenhang von „patriarchalische[n] Anweisun­ g[en].“ Behringer/Lehmann/Pfister, Annäherung (2005), S. 15. 112 Treffend hierzu Johannes Burkhardt: „So waren die katholischen Riten und Zeremonien nicht nur andere als die evangelischen, sondern hier hatten Riten und Zeremonien auch eine andere Stellung und Bedeutung für die Konfession: sie rückten ins Zentrum des ganzen Reli-

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ist.113 Dem populären Wettergeläut – was ebenfalls als kurzfristige Bewältigungsstrategie interpretiert werden kann – können sie nur das Wort entgegensetzen.114 Allerdings wird versucht, die Texte symbolhaft zu unterlegen: „Das Gebet/ist die rechte geweihete Wetterglocke/wenn man die mit starckem glauben fest anzihet/ solcher klang dringet durch alle Himmel [.]“115 Bramer verdammt zudem die katholischen Bräuche wie das laute Vorlesen des Johannesevangeliums oder das Verbrennen von am Johannistag116 gesammelten Kräutern als „Zauberische[n] Aberglauben“, der Gott im Gegenteil noch viel mehr erzürnen würde.117 Auch die Ansichten der wenigen Naturkundigen, die neben der Aufbewahrung von Edelsteinen empfahlen, Katzen und Hunde während eines Gewitters aus dem Haus zu jagen, seien den reformierten Theologen zufolge nutzlos.118 Allerdings mochten sich die Gläubigen mit der reinen protestantischen Lehre wohl nicht recht zufrieden geben. Es sind Fälle bekannt, in denen die Menschen gedruckte Wetterpredigten und -traktate quasi magisch nutzten, sie als Amulette trugen und als Schutz vor Unwettern auf den Hausaltar legten.119 Auch genossen beispielsweise bestimmte Luther-Bilder, die Brände unversehrt überstanden hatten, die Verehrung der protestantischen Gläubigen und um Dinge aus dem persönlichen Besitz des Wittenberger Reformators wurde geradezu ein Reliquienkult betrieben  – was Robert Scribner zufolge zeigt, dass mit der Reformation eben nicht alle Traditionen der alten Kirche verschwunden waren.120 Jedenfalls passte die Symbolhaftigkeit der aufgezeigten Bewältigungsstrategien insgesamt zur herrschenden Mentalität, die noch stark von Bildern und kollektiven Erfahrungen geprägt war. Somit wäre die Bekämpfung der Furcht durch Einsatz rationaler Methoden wie den Versicherungen wohl gar nicht möglich gewesen.121 Doch behandelten nicht nur theologische Schriften schwere Hagelschläge, sondern ebenso die damaligen Zeitungen. Diese nehmen zwar zusätzliche ‚säkulare‘ Aspekte wie politische Geschehnisse mit auf, argumentieren aber immer noch stark mit Symbolen. Ein interessanter Fall ist ein 1674 anonym veröffentlichter Traktat, der Berichte aus verschiedenen europäischen Ländern über schwere Stürme und Hagelschläge im Juli und August dieses Jahres vereinigt.122 Die Ungionssystems. Die katholische Konfessionsbildung wurde eine im institutionellen Ansatz Elitenreligion und Volksfrömmigkeit kongenial verklammernde und für die Menschen attraktive Religion des Kultes.“ Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), S. 107. 113 Anders als der katholische Glaube ist das protestantische Bekenntnis durch die individuelle Beziehung zu Gott geprägt, die durch Äußerlichkeiten nur gestört würde. Vgl. List, Funktionswandel (1997), S. 25 f. 114 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 13. 115 Vgl. Bramer, Donner (1577), o. S. 116 Das ist der 24. Juni. 117 Bramer, Donner (1577), o. S. 118 Vgl. Stöltzlin, Wetter-Büchlein (1692), o. S. (Zueignung). 119 Vgl. Thomas, Religion (1991), S. 33 f. sowie Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 9; 14. 120 Vgl. Scribner, Culture (1987), S. 323–353. 121 Vgl. Cashdan, Introduction (1990), S. 1–6. 122 Vgl. o.V., Wetter-Schaden (1674), S. 2.

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wetter, die sich in relativ kurzer Zeit häuften, müssen einen großen Eindruck hinterlassen haben, da die Schrift schon wenige Wochen darauf veröffentlicht wurde. Interessant ist der Versuch, das Handeln des Allmächtigen zu begründen: „Was der Liebe Gott darunder verborgen/ob Er hierüber ein gnädiges vergnügen habe/oder/ ob Er dergleichen Jammer/als Vorboten noch mehr künfftiger Plagen […] wollen vorgeben lassen/ist Ihm allein bewußt.“123

Immer noch herrscht also Ratlosigkeit, warum Gott die Menschen mit dem­ Unheil heimsuchen würde. Interessanterweise finden sich hier auch Hinweise bezüglich von Prodigien, da der Hagel als düsteres Vorzeichen künftiger Unglücke interpretiert wird. Im Verlauf des Textes erfährt man, welche Städte und Regionen von den Unwettern betroffen waren. Vom 19. Juli 1674 wurde aus Bordeaux ein Hagelschlag gemeldet, der weitreichende Schäden angerichtet haben muss. Das Unwetter wird mit einem typischen Stilmittel aus Katastrophenberichten umschrieben, da man „dergleichen in Franckreich zuvor niemand erlebet [habe.]“124 Es ist möglich, dass dieser Hagelzug weiter über Südfrankreich Richtung Norden wanderte, denn am 20. Juli ging ein schweres Hagelunwetter über dem Elsaß nieder. Landwirtschaftliche Schäden werden zwar nicht vermerkt, dafür aber viele kaputte Fenster und Ziegel.125 Die Unwetter häuften sich dann im August in den Niederlanden, wie ein Bericht aus Amsterdam zeigt. Obwohl es nur 15 Minuten dauerte, muss es ein Sommergewitter von bemerkenswertem Ausmaß gewesen sein, da die Erinnerung an vergangene Unglücksfälle als Ausdruck der Katastrophenstimmung herangezogen wird:126 „Es ist Anno 1648. wegen grosser Sturmwinde viel aufgezeichnet worden/aber/ist jemals in der Welt ein grosses Wetter/mit Sturmwinden/Donner/Blitzen/Regen/und Hagel ge­wesen! hat jemals ein Mensch die Beschaffenheit deß Jüngsten Tages Ihme zu Gemüth gezogen/so that er solches vor dißmal/und wir alle allhier in dem unbeschreiblichen Wetter.“127

Verstärkt wird das Empfinden als Katastrophe durch das Beschwören der Apokalypse bzw. des Jüngsten Gerichts.128 Zudem wird berichtet, dass sich Menschen zu Boden warfen, dort verharrten und Gott um die Abwendung seines Zornes baten. Anders als in den theologischen Schriften enthält dieser Bericht zudem Angaben zu den erlittenen Schäden. Insofern unterscheidet sich die Schrift von den zu Beginn des Kapitels diskutierten Traktaten, da der Hagel hier auch mit profanen und säkularen Aspekten verbunden wird. Eine gewisse Ambivalenz bezüglich der herrschenden Meinung kann aber ebenfalls erkannt werden, da die aus der Straftheologie bekannten Muster und Bilder erneut bemüht werden. Die Schadenszahlen sollten nicht nur informieren, sondern auch den Eindruck einer Katastrophe 123

O. V., Wetter-Schaden (1674), S. 2. O. V., Wetter-Schaden (1674), S. 5. 125 Vgl. o.V., Wetter-Schaden (1674), S. 6. 126 Vgl. z. B. Rohr, Leben (2007), S. 83 f. 127 O. V., Wetter-Schaden (1674), S. 6 f. 128 In Anlehnung an Rohr, Leben (2007), S. 67 f. 124

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unterstreichen. In Amsterdam seien Schäden in Millionenhöhe zu verzeichnen gewesen und zahlreiche Schiffe und Häuser zerstört worden. Aus Utrecht, welches am Abend wohl von dem gleichen Unwetter heimgesucht wurde, wurden viele beschädigte Kirchen gemeldet.129 Gerade diese Symbolik, dass Gott nicht einmal sein eigenes Haus verschone, verstärkt das Bild der Zerstörung. Diese Katastrophenstimmung wird durch folgende Aussagen aus Den Haag nochmals unterstrichen: „[Wir] haben mehr bey Gottes Wetter verlohren/als bey wehrendem gantzen Krieg[.]“130 Abermals aus Amsterdam wird berichtet, dass über 1.000 Menschen in den Sturmfluten ertrunken seien.131 Ob diese Zahl stimmt, mag bezweifelt werden, da Katastrophenberichte zu Übertreibungen neigen, um den dahinter stehenden Schrecken übertrieben darzustellen.132 Dass aber überhaupt Angaben gemacht werden, lässt tatsächlich auf den Verlust von Menschenleben schließen. b) Hinweise auf den Verbreitungsgrad der Schriften Als Zwischenergebnis kann nach Analyse der Traktate festgehalten werden, dass das straftheologische Motiv die Diskussion beherrschte. Der Inhalt der Schriften ist mit dem Zweiklang ‚Deuten‘ und ‚Ermahnen‘ gut auf einen Nenner zu bringen.133 Zu fragen ist aber in diesem Zusammenhang, wer diese Schriften gelesen hat und welchen Verbreitungsgrad sie hatten. Eine Annäherung an das Problem erlaubt ein Blick auf den Buchmarkt dieser Zeit, der während der Reformation einen großen Aufschwung erfuhr, wobei gleichzeitig der Klerus sein Monopol auf die Schriftkultur verloren hatte.134 Man schätzt, dass allein zwischen 1501 und 1530 etwa 10.000 Flugschriften mit religiösem und politischem Inhalt erschienen sind. Im gesamten 16. Jahrhundert dürften im deutschsprachigen Raum zwischen 130.000 und 150.000 bibliographische Einheiten auf den Markt gekommen sein. Von wem wurden diese aber gelesen bzw. wer konnte dies überhaupt? Trotz der immer noch vorhandenen Forschungslücken in Bezug auf die Lesefähig­ keit und das Leseverhalten in der Frühen Neuzeit – und speziell dem hier interessierenden 16. Jahrhundert – soll der Versuch unternommen werden, hierzu ebenfalls einige Aussagen zu treffen. Man schätzt, dass um 1600 im Gebiet des Deutschen 129

Vgl. o.V., Wetter-Schaden (1674), S. 6–9. O. V., Wetter-Schaden (1674), S. 10. Bei dem angesprochenen Krieg dürfte es sich um den holländischen Krieg von 1672 bis 1679 gehandelt haben. Vgl. Burkhardt, Vollendung (2006), S. 100 f. 131 Vgl. o.V., Wetter-Schaden (1674), S. 6–9. 132 Vgl. Behringer, Kulturgeschichte (2007), S. 144. 133 In Anlehnung an Allemeyer, Fewersnoth (2007), S. 19, die für die Brandpredigten den Dreiklang „Trösten“, „Deuten“ und „Ermahnen“ anführt. 134 Vgl. Ginzburg, Käse (1990), S. 21. 130

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Reichs von 1914 ca. 16,2 Millionen Menschen gelebt haben.135 Auch geht man davon aus, dass die Anzahl derjenigen Menschen, die lesen und schreiben konnten, zwischen 400.000 und 800.000 Personen betragen hat.136 Angehörige der ländlichen und städtischen Unterschichten dürften hierzu aber nur vereinzelt gezählt haben. Dies bedeutet aber nicht, dass das eigentliche intensive Lesen die einzige Möglichkeit der Verbreitung von bestimmten Inhalten war. Vielmehr gab es andere Mittel und Wege, wie folgendes Zitat von Eberlin von Günzburg aus dem Jahr 1521 zeigt: „Kanstu nit selbs lesen, bestel einen armen schüler, der lißt dir umb ein stück brot als vyl du ein tag bedarfft[.]“137 Entsprechend darf das Vorlesen bzw. das mündliche Weitergeben von Wissen nicht unterschätzt werden.138 Zudem sind bei Benutzung eines Textes mit großer Wahrscheinlichkeit auch kulturelle Vorstellungen des jeweiligen Nutzers eingeflossen.139 Obwohl eine Schätzung schwierig ist, dürfte in jedem Fall die Verbreitung von Wissen aus Büchern über den Anteil der lesekundigen Bevölkerung hinausgegangen sein. In welchem Umfang wurden nun die besprochenen Wetterpredigten rezipiert? Zunächst bleibt festzuhalten, dass sich manche der Traktate wohl einer gewissen Beliebtheit erfreuten, was beispielsweise daran deutlich wird, dass Stöltzlins Wetter-Büchlein im Jahr 1692 immerhin die 8.  Auflage erlebte. Über die Jahrzehnte haben wohl etliche Leser das Buch erworben und somit vielleicht mehrere Generationen über dessen Inhalt nachgedacht. Insofern kann behauptet werden, dass das Buch – und wahrscheinlich etliche der anderen gedruckten Predigten – eine gute Aufnahme beim Publikum gefunden hatten. Jedoch dürften die unmittelbaren Leser der ausgewerteten Traktate – bei denen es sich mitunter um Bücher mit einem Umfang von mehreren hundert Seiten handelt – wohl größtenteils der gleichen ‚gebildeten‘ Schicht wie die Autoren angehören. Diese bildeten einen relativ engen Kreis mit ähnlichem Hintergrund, der direkt mit den Werken in Berührung kam. Allerdings ist zu vermuten, dass die Schriften im kleineren oder größeren Kreis auch vorgelesen wurden.140 Hilfreich für die Rezeption und mündliche Weiterverbreitung der hier analysierten Schriften war zudem wohl auch, dass sie nicht in Latein, sondern in Deutsch geschrieben waren.141 Zudem dürften den 135

Vgl. Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007), S. 10. Vgl. Engelsing, Analphabetentum (1973), S. 32. 137 Zitiert bei Wittmann, Geschichte (2011), S. 57. Das Original konnte nicht mehr ermittelt werden. 138 Vgl. Scribner, Religion (2006), S. 270 f.; 274. 139 Vgl. Ginzburg, Käse (1990), S. 19. 140 Der Vortrag bzw. der Medieneinsatz an sich waren im Übrigen wesentliche Merkmale bei der Verbreitung der reformatorischen Lehre, was manche Autoren sogar von einer ‚Medien­revo­ lution‘ sprechen lassen. Vgl. Burkhardt, Reformationsjahrhundert (2002), S. 16f; 58 bzw. passim. 141 Untersuchungen haben ergeben, dass der Anteil der lateinischsprachigen Flugschriften allein zwischen 1519 und 1522 drastisch gesunken war. Wurden 1519 noch 72 Prozent aller Flugschriften auf Latein veröffentlicht und nur 28 Prozent in Deutsch, so war drei Jahre später der Anteil der lateinischen Schriften auf 9,5 Prozent gesunken. Köhler, der diese Angaben macht, gibt aber keinen Hinweis auf die Grundgesamtheit der Schriften. 136

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Autoren der Schriften beim Schreiben wohl klar gewesen sein, dass sie verschiedene Adressatenkreise ansprechen werden, nämlich zum einen den unmittelbaren Leser und zum anderen den Zuhörer. Allerdings kann letztendlich nicht gesagt werden, wie viele Menschen direkt und indirekt mit den einzelnen Schriften erreicht wurden. Aufgrund der durch die frühneuzeitliche Forschung gelieferten und oben diskutierten Ergebnisse sprechen aber einige Punkte dafür, dass auch bei den hier im Fokus stehenden Traktaten der Empfängerkreis wohl weit das rein lesekundige Publikum überstiegen hat.142 Abschließend ist jedoch noch ein weiterer Fragenkomplex zu diskutieren. Inwieweit stimmten die in den Predigten und theologischen Werken dargelegten Anschauungen vom Hagelschlag mit denjenigen der Zuhörer oder Leser überein? Eine Dichotomie zwischen Volks- und Elitenkultur war lange Zeit eine akzeptierte Tatsache. Auf der einen Seite hätte es eine kleine gebildete Minderheit gegeben, auf der anderen Seite die große Masse des Volkes, die dumpf in ihren althergebrachten Vorstellungen verharrte. Der neueren kulturgeschichtlichen Forschung ist es zu verdanken, dass dieser Gegensatz nicht mehr vertreten wird. Beispielsweise konnte Carlo Ginzburg in seinem vielbeachteten Buch ‚Der Käse und die Würmer‘ eine vielfältige Verflechtung bzw. Überlappung zwischen den Wahrnehmungen des ‚Volkes‘ und der ‚Eliten‘ bzw. der Kultur der Unterschichten und derjenigen der herrschenden Klassen feststellen.143 Dass dies auch für den vorliegenden Fall zutrifft, ist durch den oben zitierten Briefwechsel zwischen Landgraf Philipp I. von Hessen und Herzog Christoph von Württemberg belegt. Hinzu kommt, dass scheinbare Traditionen der schreibunkundigen Mehrheit des Volkes mitunter von denjenigen, welche dies festgehalten haben, erfunden wurden bzw. möglicherweise sogar in der überlieferten Form nicht vorhanden waren.144 Welcher Anteil der Bauern die Meinungen der Theologen teilte und welche dies nicht taten, ist nicht mehr feststellbar. Sicherlich wird dies nicht gering zu ver­ anschlagen sein – liegen doch selbst aus der Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise noch Physikatsberichte bayerischer Ärzte vor, die besagen, dass Katho­liken wie Protestanten immer noch magisch-religiöse Praktiken wie in den Jahrhun­ derten davor praktizieren würden und das Gebet um Schutz vor Hagelschlag noch eine Selbstverständlichkeit sei.145 Denn anders als lange vermutet, waren aber­ 142 Vgl. falls nicht anders zitiert Rössing-Hager, Rezipient (1981), Köhler, Flugschriften (1987), S. 329–345, Koppitz, Medien (1996) sowie Wittmann, Geschichte (2011), S. 48–81. 143 Vgl. Ginzburg, Käse (1990), besonders S. 9–22. Ginzburg konnte nachweisen, dass manche der Überzeugungen des Müllers Domenico Scandella, genannt Menocchio, des – wenn man so will – Protagonisten seiner mikrogeschichtlichen Studie, den Anschauungen der gelehrtesten Intellektuellen der Zeit ähnelten. Menocchio kann jedoch nicht als der ‚typische‘ Vertreter des Volkes angesehen werden, da er sich u. a. mit Spezialfragen der Theologie beschäftigte und hierüber sogar öffentlich disputierte. Aufgrund dessen wurde er von der Inquisition der Ketzerei angeklagt, verurteilt und verbrannt. 144 Vgl. Hobsbawn, Introduction (1983). 145 Vgl. Probst, Frömmigkeit (1994) bzw. allgemein Brückner, Wandel (1982).

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gläubische Vorstellungen nicht im Zuge der Aufklärung verschwunden, sondern im ‚modernen‘ 19.  Jahrhundert weiterhin vorhanden. Staatliche und kirchliche Stellen unternahmen daher auch nach 1800 große Anstrengungen, um den althergebrachten Glauben an Magie und Zauberei zu bekämpfen.146 Vollständig gelang dies allerdings nie, so dass moderne Autoren schon von einer „Wiederverzauberung der Welt“147 sprechen. Andererseits haben die bereits diskutierten Maßnahmen des vormodernen Risikomanagements gezeigt, dass die Bauern einen gewissen Pragmatismus in Bezug auf den Umgang mit Unwettern an den Tag gelegt und sich daher wohl nicht nur auf die von ihren religiösen Autoritäten propagierten Bewältigungsstrategien verlassen haben dürften. 2. Physikotheologische Ansichten Gegen Ende des 17.  Jahrhunderts verloren die straftheologischen Interpretationen allmählich an Überzeugungskraft und es entstanden neue Vorstellungen über die Natur, die unter dem Schlagwort „Mechanisierung des Weltbildes“148 zusammengefasst werden können. Allerdings kann nur darüber spekuliert werden, aus welchen Motiven ein solcher Prozess einsetzte, der schließlich wesentlich das ‚Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution‘ prägte.149 Einige der in der Literatur diskutierten Gründe können wie folgt zusammengefasst werden: Erstens dürften die bisherigen magisch-religiösen Vorstellungen von Vertretern der intellektuellen Elite zunehmend als unbefriedigend empfunden worden sein.150 Zweitens ist hierfür wohl die Tatsache verantwortlich, dass es dem Menschen mit der zunehmenden Entwicklung der Naturwissenschaften möglich war, natürliche Vorgänge immer mehr seiner Kontrolle zu unterwerfen. Den Hintergrund für das wachsende Vertrauen in die Schaffenskraft des Menschen bildete ein neues Paradigma innerhalb der Philosophie, nämlich die strikte Trennung zwischen materieller und immaterieller Welt. Am prägnantesten liegt dies bei Descartes vor, der 1644 mit seinen ‚principia philosophae‘ erstmals eine überzeugende Alternative zur Aristotelischen Naturlehre veröffentlichte. Descartes argumentiert dabei mit den Begriffen Wesen (also Geist bzw. die res cogitatae) und Gegenstand (Materie oder die res extensae). Zugleich wird der bis dahin geltende Grundsatz der mittelalterlichen Scholastik durchbrochen, die auf der Basis des biblischen Schöpfungsberichtes zwischen Gott als dem ewigen und erforderlichen Sein einerseits und der Welt als dem durch Zufall erschaffenen Seienden andererseits unterscheidet. Descartes, der die Existenz Gottes noch anerkennt, gleichzeitig aber ein früher Vertreter der Aufklärung ist, führt eine Differenzierung zwischen dem denkenden Subjekt und dem 146

Vgl. Freytag, Aberglauben (2003), S. 14–17. Berman, Wiederverzauberung (1985). 148 Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 14. 149 Vgl. Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 14. 150 Dies bedeutete aber nicht, dass ein neues Bewusstsein für Rationalität auftrat, denn ein solches gab es bereits im Mittelalter. 147

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dadurch geschaffenen Objekt ein. Damit ist nicht mehr Gott der Ursprung jeder Wahrheit, sondern der Mensch bzw. dessen Bewusstsein. Parallel dazu werden die Welt und die Natur zu einem Objekt gemacht, das keine Seele besitzt.151 Diese beginnende „Dichotomie von Gesellschaft und Natur“152 stellt ein wesentliches Charakteristikum im Hinblick auf die Bestrebungen des Menschen dar, sich die natürlichen Ressourcen möglichst umfassend anzueignen bzw. zu gebrauchen.153 Im Rahmen der neu aufkommenden Naturphilosophie wird Natur mit etwas Positivem154 im Sinne einer Ästhetisierung besetzt.155 Ein sichtbarer Ausdruck hierfür war die Betrachtung der erhabenen Wildnis. Das cartesianische Forschungsprogramm umfasste neben seiner Konzentration auf die Materie, die den Siegeszug der Mathematik beinhaltete, auch erste Ansätze experimentellen Forschens. Man erkannte schon bald, dass das Universum auf immanenten natürlichen Gesetzen beruht, was die Vorstellung einer Wirksamkeit des Gebets und speziell die eines möglichen direkten göttlichen Eingreifens massiv unter Druck setzte.156 Daher sahen manche Theologen die Gefahr eines um sich greifenden Atheis­ mus und reagierten mit einer Neuinterpretation des Gottesbildes. Revolutionär war dabei die Ablösung der Vorstellung einer zornigen und rachsüchtigen Gottheit durch das Bild eines seine Schöpfung liebenden Gottes. Entsprechend trat an die Stelle einer direkt in die Welt eingreifenden göttlichen Entität die Idee, dass der Allmächtige seine Schöpfung nach seinen Gesetzen und Vorstellungen geordnet habe und danach hinter diese zurückgetreten sei.157 Gott kam dabei die Rolle

151 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 14 f., Groh/Groh, Weltbild (1996), S. 13 f., Seifert, Schulwesen (1996), S. 338 f., Beuttler, Naturverständnis (2002), S. 15 f. sowie Sieglerschmidt/ Biehler, Natur (2008), Sp. 1143. 152 Jakubowski-Tiessen, Umgang (2013), S. 334. 153 Vgl. Kapitel C.V.3. 154 Diese Entwicklung begann bereits im 16.  Jahrhundert mit der der Renaissance. Vgl. Coates, Nature (1998), S. 69. 155 Sichtbarster Ausdruck für diesen neuen Optimismus bildet das einige Jahrzehnte später von Gottfried Wilhelm Leibniz formulierte Diktum der „besten aller Welten“. Leibniz prägte auch den Theodizee-Begriff und damit die Frage, wie es trotz der Existenz Gottes Leid in der Welt geben kann. Die optimistische Antwort darauf ist, dass das Vorhandensein von Leid und Übel das Gute in der Welt nur noch vollkommener erscheinen lasse. Gott habe ja definitionsgemäß die beste aller Welten erschaffen, weshalb das Verschwinden von Leid eine Abkehr von diesem Idealzustand sei. Vgl. Rutherford, Leibniz (1995), S. 177–211 bzw. generell Hirsch, Leibniz (2007). Für ungefähr 50 Jahre bildete diese Ansicht das herrschende philosophische Paradigma. Erst die Kontroverse im Zusammenhang mit dem Erdbeben von Lissabon am Allerheiligentag 1755 ließ diese Vorstellung unter Druck kommen. Das TheodizeeProblem ist aber eine bis heute in der Theologie und Philosophie kontrovers diskutierte Frage, auf die (wenig überraschend) noch keine Antwort gefunden wurde. 156 Vgl. Thomas, Religion (1991), S. 769 f., Fischer, Ordnung (2004), S. 170; 179 sowie Sieglerschmidt/Biehler, Natur (2008), Sp. 1142; 1153. 157 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1990), S. 40 f. sowie Kittsteiner, Entstehung (1995), S. ­151–156.

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eines „vollkommensten Werkmeisters“158 zu, der die Welt wie nach einem Bauplan konstruiert hatte.159 Eine neue theologische Spielart, die Physiko-Theologie, versuchte, dem drohenden Bedeutungsverlust durch eine Kombination der bisherigen religiösen Grund­ sätze mit den neu aufkommenden naturwissenschaftlichen Methoden entgegenzutreten. Gleichzeitig wollte man damit zeigen, dass Offenbarung und Vernunft nicht zwangsweise einander widersprechen müssten. Indem Naturvorgänge intensiv beobachtet oder Proben gesammelt wurden, sollte der Nachweis einer wohl­ geordneten Natur erbracht werden, in der sich Gottes Werk zeigen würde. Entsprechend untersuchte man mit geradezu enzyklopädischer Besessenheit jedes noch so kleine Phänomen und widmete ihm eine eigene Theologie, wie beispielsweise die Rana- und Pyro-Theologie, die sich mit Fröschen bzw. dem Feuer beschäftigen.160 Zwar gab es keine spezielle Abhandlung über den Hagel, aber der Paradigmenwechsel ist anhand von Peter Ahlwardts 1745 veröffentlichter Bronto- oder Don­ ner-Theologie161 erkennbar.162 Er schrieb das Buch als Folge eines konkreten Unwetters, bei dem ein Blitz in den Nikolaiturm von Greifswald einschlug und zwei Menschen tötete. Wie Ahlwardt im Buch anführt, seien die veralteten Anschau­ ungen der Greifswalder über Gott und Gewitter im Sinne eines strafenden Gottes ein Grund gewesen, welche ihn zum Verfassen der Schrift angeregt hätten.163 Bemerkenswerterweise hatte sich Ahlwardt aber noch nicht in allen Aspekten von straftheologischen Ansichten gelöst. Denn 1747  – und damit nur ein Jahr nach seiner ‚Bronto-Theologie‘ – äußerte er sich in einer Predigt zu Viehseuchen, die er überwiegend als Strafe Gottes interpretierte, welche die Menschen aufgrund ihres sündhaften Verhaltens getroffen hätte.164

158

Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 34. Vgl. Groh/Groh, Weltbild (1996), S.  30–34. Speziell die biblische Flut sah man unter einem neuen Gesichtspunkt und deutete sie als den Ausgangspunkt der eigentlichen Welt­ geschichte. Dem lateinischen Wort für Flut folgend, sprachen die Gelehrten vom Paradigma des so genannten Diluvialismus. Mit der Erklärung dieser Katastrophe wollte man den göttlichen Plan aufspüren, der hinter der Menschheitsgeschichte steht. Die Sintflut wurde unter zwei Gesichtspunkten gedeutet. Zwar stelle sie eine singuläre Katastrophe dar, mit der Gott die Menschen für ihre Sünden bestraft habe, aber gleichzeitig sei die Welt damit gereinigt und erneuert worden. Vgl. Kempe, Flood (2003). 160 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S.  16, Groh, Buch (2005), Sp.  482 sowie Schneiders, Zeitalter (2005), S. 87. Vgl. zu den Hintergründen der Physikotheologie Glacken, Traces (1967), S. 504–550 sowie Dirlinger, Buch (1997), zur Entwicklung der wissenschaftlichen Methode in der Frühen Neuzeit Fischer, Ordnung (2004). 161 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746). Das Buch enthält neben einer Vorrede zwei Hauptkapitel. Im ersten Abschnitt werden die Beschaffenheit des Blitzes und Donners untersucht. Im zweiten großen Teil behandelt Ahlwardt die Pflichten der Menschen im Falle eines Gewitters. 162 Vgl. generell zur Rolle der Elektrizität in der Aufklärung Hochadel, Wissenschaft (2003). 163 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), Vorrede, S. 3–8. 164 Vgl. Hünniger, Viehseuche (2011), S. 48 f.; 54–57. 159

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Was nun die ‚Bronto-Theologie‘ betrifft, wird das Wesen der Unwetter gleich zu Beginn des Buches thematisiert, da Donner und Blitz als „natürliche Begebenheit[en]“165 bezeichnet werden. Ganz im physikotheologischen Sinn wird dann klargestellt, dass deren Ursache aber Gott alleine sei,166 der „[…] nach seiner unendlichen Weisheit die Gesetze einmal bestimmtet und festgesetzet hat, wonach alle natürliche Begebenheiten in der Welt und also auch der Donner und Blitz entstehen und erfolgen“.167 Diese Vorstellung eines einmaligen Eingreifens stellt aber einen fundamentalen Unterschied zu den vorangegangen Jahrhunderten dar. Gott ist nun nicht mehr unmittelbare, sondern nur noch mittelbare Ursache des Ge­ witters.168 Nun konnte mit Hilfe des Gebetes hierauf aber nicht mehr Einfluss genommen werden. Problematische Aspekte der bisherigen Theologie behandelt Ahlwardt unterschiedlich. Bibelstellen, welche die straftheologische Argumentation untermauern, werden fast nicht erwähnt. Auch spart er nicht mit Kritik an abergläubischen Vorstellungen über Unwetter, die von der protestantischen Theologie vertreten wurde: „Wir müssen gestehen: daß unser seeliger Lutherus selbst dieser Meinung beypflichtet und selbige zum Theil angenommen hat.“169 Nach einer ausführlichen Darlegung der Eigenschaften von Blitz und Donner170 kommt Ahlwardt schließlich auf den Punkt zu sprechen, warum es überhaupt Ge­ witter gebe. In fundamentalem Unterschied zur Straftheologie werden Unwetter auch mit positiven Eigenschaften assoziiert, da insbesondere die Luft abgekühlt und gereinigt werde,171 so dass die Vorteile eines Regens für jeden erkennbar seien: „Der müßte sowol aller seiner Vernunft als auch aller seiner Sinne schon beraubet seyn, der diesen herrlichen Nutzen des Blitzes und Donners nicht erkennen, und diesen so wichtigen Vortheil für Menschen und Vieh nicht einsehen wollte.“172

165

Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), Vorrede, S. 22. An anderer Stelle spricht Ahlwardt davon, dass man aus einem Gewitter auch auf die Vollkommenheit und Majestät Gottes schließen könne. Beispielsweise sei jeder Blitz ein schwacher Abglanz vom Licht des Allmächtigen. Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 184–190. 167 Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 30. Eine ähnliche Argumentation findet sich auf S. 161–163. 168 Wörtlich heißt es bei Ahlwardt: „Wenn aber die heilige Schrift auf solche Art redet; so will sie dadurch nur zu verstehen geben: daß GOtt die entfernete Ursache des Blitzes und Donners sey, eben so, wie wir solches von allen natürlichen Begebenheiten sagen müssen. Wir können jedoch keinesweges behaupten, und die Worte der Schrift sind auch im geringsten nicht dahin zu deuten: daß GOtt den Donner und Blitz unmittelbar hervorbringe, und also eine nächste und unmittelbare Ursach desselben sey.“ Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 31. 169 Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 41. 170 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 39–154. Auch Ahlwardt steht in der Tradition des Aristoteles und sieht Blitz und Donner als Ergebnisse von Schwefelausdünstungen, welche in die Höhe steigen. Beim Blitz würde sich der Schwefel aufgrund der Hitze in der Luft entzünden und daraus eine Flamme entstehen. Donner sei einfach der Schall, der aufgrund der Ausdehnung der Luft als Folge der Entzündung auftrete. 171 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 155–158. 172 Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 156. 166

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Im Gegensatz dazu wurde in den Jahrzehnten davor dem Gewitter und dem Hagel als einzige positive Eigenschaft die Ermahnung zum gottesfürchtigen Leben zugeschrieben. Mehr Raum in Ahlwardts Werk nehmen seine Ausführungen zur Verantwor­ tung des Christen im Gewitter ein – was gleichzeitig nichts anders als die Einführung neuer Bewältigungsstrategien darstellt. Diese umfassen die Pflichten gegenüber Gott und den Mitmenschen, aber auch sich selbst gegenüber. Der Mensch habe dem Allmächtigen weiterhin seine ständige Verehrung und Liebe zu beweisen und ihn in seinen Werken zu ehren.173 Wenig überraschend gibt Alhwardt also die alten Vorstellungen nicht auf und betont, dass trotz aller positiven Eigenschaften Gewitter immer noch eine eindrucksvolle Demonstration der Macht Gottes seien, Furcht in den Herzen der Menschen weckten, das Vertrauen in den Allmächtigen stärkten und zum Gebet ermunterten. Das Beten dient nun v. a. der eigenen Gewissensberuhigung.174 Somit bleibt festzuhalten, dass Peter Ahlwardt Unwetter noch mit Symbolen interpretiert, aber gleichzeitig die Bedeutung der bisherigen Bewältigungsstrategien relativiert. Eine neue Komponente umfasst die Pflicht zum Selbsterhalt, was für Ahlwardt ebenfalls eine Form von Gottesdienst ist. Liest man diese Gedanken, kann man sich im Übrigen fragen, ob die theologische Verpflichtung auf die Eigenverant­ wortung mit dem allmählich aufkommenden Gedanken zur Eigenvorsorge im kameralistischen Assekuranzbereich einherging.175 Für Ahlwardt jedenfalls bedeutet der Erhalt der eigenen Person die Unversehrtheit von Leib und Seele. Daher solle man sich z. B. nicht in der Nähe von Wäldern aufhalten oder wohnen, da hier Blitze öfters einschlügen.176 Zudem finden sich erste Hygiene­vorschriften. Stark schwitzende Menschen könnten aufgrund ihrer Ausdünstungen ebenfalls leicht ­getroffen werden, da der Blitz aus Feuer bestehe und dieses von den Dünsten angezogen werde. Reinlichkeit sei deshalb oberstes Gebot.177 In der Summe kommt Ahlwardt zu dem Schluss, dass die Unterlassung, sein eigenes Leben nicht mit ­allen Mitteln zu schützen, eine Versuchung des Allmächtigen darstelle, denn Gott habe dem Menschen ja die Fähigkeit gegeben, sich selbst zu schützen.178 Ebenso wichtig sind die Pflichten den Mitmenschen gegenüber – auch dies ein Thema, das in den Traktaten der vergangenen Jahrhunderte nicht vorkam. Der Grund erscheint einleuchtend. Alle Menschen seien Gottes Geschöpfe und ohne deren Hilfe erlange niemand die vollkommene Glückseligkeit179 – ein Gedanke, 173

Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 225–232. Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 255 f.; 260–274. 175 Vgl. Kapitel C.IV. 176 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 290–305. 177 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 313–317. 178 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 346 f. 179 Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 350. 174

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der erneut Hinweise auf den kameralistischen Diskurs gibt. Seine Mitmenschen könne man in vielfacher Art und Weise unterstützen, indem man ihnen z. B. das Phänomen des Gewitters erkläre. Nicht alle hätten nämlich die Muße oder Verstandeskraft, sich damit zu beschäftigen. Auch altruistische Taten wie die Unterstützung Geschädigter oder die Pflege Verwundeter würden hier dazu­gehören, was eine bisher noch nicht thematisierte Form der Risikobewältigung darstellt. Ahlwardt nimmt in diesem Kontext zudem die Obrigkeit – wohl im Sinne einer ‚Guten Policey‘ – in die Pflicht. Diese habe dafür zu sorgen, dass die Höhe der Kirchtürme begrenzt wird, Gerbereien der Stadtmauern verwiesen oder Feuerwehren eingerichtet werden.180 Was ist nun von Ahlwardts ausführlicher Schilderung zu halten? Unwetter werden nicht mehr als göttliche Strafe für den einzelnen Menschen bzw. als Kata­ strophe wahrgenommen, sondern teilweise sogar mit positiven Eigenschaften assoziiert. Das Wesen der Naturgefahr wird mit Hilfe eines Konglomerats aus Religion und Wissenschaft erklärt. Ähnlich verhält es sich mit den Bewältigungs­ strategien. Die alte Furcht scheint darin noch auf, wird nun aber mit neuen Methoden bekämpft. Das Gebet wird nicht völlig vergessen, aber relativiert, denn als wichtiger gilt die Pflicht zum Selbsterhalt und zur Unterstützung der Mitmenschen. Dass dies im Übrigen keine einzelnen Meinung war, zeigt ein Artikel aus dem zeitgenössischen ‚Zedlerschen Lexikon‘181: „Ein weiser Mann […] weiß, daß das Gewitter natürlich ist, doch weiß er auch, daß die natürlichen Dinge schaden können[.]  Beten und Singen ist bey vielen Menschen das beste Mittel, das Gemüthe in Ruhe zu setzen. [N]ur muss man nicht meynen, daß ein leeres Geschrey die Wege GOttes verändern könnte.“182

Manche bei Ahlwardt angeführten Maßnahmen lassen zudem den kameralis­ tischen Diskurs erahnen. Interessanterweise thematisiert Ahlwardt aber nicht den Aspekt einer Kompensation der eingetretenen Schäden, weshalb festgehalten werden kann, dass letztendlich den physikotheologischen Schriften noch keine rationale Strategie zum Umgang mit Unwettern zu entnehmen ist.183

180

Vgl. Ahlwardt, Bronto-Theologie (1746), S. 351–375. Das Werk mit dem Titel ‚Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal­ lexicon aller Wissenschaften und Künste‘ war mit einem Umfang von 288.000 Artikeln bzw. 68.000 Seiten die umfangreichste Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts. Damit übertraf sie sogar das Werk von Denis Diderot und Jean d’Alembert. Vgl. Schneider/Zedelmaier, Wissensapparate (2004), S. 360–362. 182 Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Band 4, Artikel Blitz (1733), Sp. 172. 183 Keith Thomas spricht davon, dass die Menschen wohl schon zu ahnen begannen, dass es in Zukunft mehr technische Möglichkeiten geben werde. Vgl. Thomas, Religion (1991), S. 791 f. Ob daraus aber eine Teleologie hin zum Blitzableiter konstruiert werden kann, wie Heinz-Dieter Kittsteiner dies vornimmt, mag bezweifelt werden. Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S. 18. 181

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Im Übrigen war die weitere Entwicklung der Physiko-Theologie nicht frei von einer gewissen Tragik. Obwohl der Ansatz einer Versöhnung zwischen Religion und Wissenschaft selbst heute attraktiv erscheint, beinhaltete die leidenschaftliche Naturbeobachtung auch den Kern des Scheiterns. Die Naturerforschung nahm immer größeren Raum innerhalb der physikotheologischen Schriften ein, die eigentlichen theologischen Kommentare dagegen fanden sich zunehmend an nichtprominenter Stelle wieder. Insofern haben wohl die Physiko-Theologen unbeabsichtigt mit zum Bedeutungsverlust der theologischen Aussagen beigetragen, den sie eigentlich verhindern wollten.184 3. Erste naturwissenschaftliche Vorstellungen Die Zurückdrängung185 des religiösen Weltbildes, die sich bereits im Rahmen der Physiko-Theologie angedeutet hatte, sollte sich im 18.  Jahrhundert fortsetzen, als die Gedanken der Aufklärung zum herrschenden Paradigma wurden. Man verstand darunter die Überwindung von scheinbar überholten Vorstellungen wie Aberglauben bzw. der Bevormundung durch die Religion sowie eine kritische Überprüfung aller traditionellen Autoritäten unter Zuhilfenahme der eigenen Vernunft. Diese sollte das Individuum befähigen, ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Damit wurde gleichzeitig das bis dato geltende grundsätzliche Gottesvertrauen durch eine neue Heilsbotschaft, nämlich der Betonung des Individuums, abgelöst. Letztendlich sollte der Mensch bestmöglichst sein Leben in dieser Welt gestalten und nicht mehr auf eine Belohnung im Jenseits hoffen.186 Aus diesen wenigen Zeilen wird schon deutlich, dass mit ‚Aufklärung‘ eine Vielzahl von Inhalten verbunden ist.187 Was genau darunter zu verstehen ist, 184

Vgl. Küenzlen, Religion (1997), S. 97 f. sowie Groh, Buch (2005), Sp. 483. Peter Coates interpretiert die intellektuelle Entwicklung von der Renaissance bis zur Industriellen (oder, um mit Douglass North zu sprechen, Institutionellen) Revolution als eine Säkularisierung der bis dato geltenden religiösen Überzeugungen. Vgl. Coates, Nature (1998), S. 70 f. Ähnlich äußern sich Casson und Godley, die in Bezug auf das Infragestellen von religiösen Dogmen und moralischen Grundsätzen durch wissenschaftlichen Fortschritt von einem „value shock“ sprechen. Casson/Godley, Factors (2000), S. 37. 186 Vgl. Stollberg-Rilinger, Europa (2000), S. 11. Auch hier erkennt man den Zusammenhang zum bereits diskutierten Diktum des Lebens in der ‚besten aller Welten‘. 187 Ähnlich vielschichtig wie die Inhalte sind auch die Ursachen für das Aufkommen des aufgeklärten Gedankenguts. Teilweise sind sie aus den genannten inhaltlichen Aspekten wie dem schleichenden Autoritätsverlust der beiden großen christlichen Kirchen oder der Kritik am absolutistischen System ableitbar. Aber auch die zunehmende Dynamik in allen Lebensbereichen in Europa wie das Bevölkerungswachstum, der wirtschaftliche Aufschwung und der sich in vielen Bereichen intensivierende Austausch mit außereuropäischen Kulturen sind hier zu nennen. All dies führte dazu, viele der bisher als absolut angesehenen Werte und Vorstellungen zu hinterfragen. Bemerkenswerterweise war die Aufklärung in den deutschen Territorialstaaten im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern weniger radikal. Dies zeigt sich u. a. daran, dass viele der Aufklärer den Konsens mit der jeweiligen Obrig­keit ­suchten. 185

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

hat bereits die Zeitgenossen stark beschäftigt. Eine der bekanntesten Antworten stammt von Immanuel Kant, der Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“188 bezeichnet hat, was aber den Mut voraussetze, sich des „eigenen Verstandes zu bedienen[.]“189 Trotz der Popularität, die Kants Aussage erreichen sollte, darf jedoch nicht vergessen werden, dass dessen Anschauungen nur eine der vielen Facetten der Aufklärung war. Daher ist es auch falsch anzunehmen, bei der Aufklärung handle es sich um eine fest definierte Weltanschauung.190 Für die veränderte Wahrnehmung des Hagels war entscheidend, dass im Zuge dieses Reflexions- und Reformprozesses191 die Naturwissenschaften die vorma­ ligen Leitdisziplinen Theologie und Philosophie endgültig abgelöst haben. Ein wesentliches Charakteristikum der wissenschaftlichen Betätigung im Zeitalter der Aufklärung bestand im „[…] Prozeß einer Verflechtung von Naturwissenschaft und Öffentlichkeit [bzw. der] interessierte[n] Anteilnahme des ‚Publikums‘“.192 Naturwissenschaftliche Kenntnisse zu haben und hierüber zu disputieren galt als fortschrittlich und diese Tätigkeit beschränkte sich im Gegensatz zu den Jahrhunderten davor nicht mehr auf wenige Menschen. Gleichzeitig distanzierte man sich damit vom einsamen und mitunter skurillen Gelehrtendasein, welches die wissenschaftliche Tätigkeit in der Vergangenheit geprägt hatte. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten weitergegeben und somit im wahrsten Sinne des Wortes populär gemacht werden. Damals wie heute waren die Vorlieben des Publikums aber Schwankungen unterworfen. Waren es zu einem bestimmten Zeitpunkt neue Kenntnisse über Kometen, die im Kurs standen, konnte dies wenig später vom Interesse an der Ballonfahrt abgelöst werden. Langlebiger war allerdings das Interesse an der Elektrizität, für welche sich die interessierten Zeitgenossen ab ungefähr der Mitte des 18. Jahrhunderts begeisterten und deren Erkenntnisse sich mit Hilfe von verschiedenen ‚Öffentlichkeiten‘ wie den Fürstenhöfen, den Akademien oder auch den naturwissenschaftlichen Periodika verbreiteten.193 Insbeson-

188 Vgl. zur Diskussion, ob Kant ein Aufklärer im klassischen Sinn war oder diese bereits hinter sich gelassen hatte, Schneiders, Zeitalter (2005), S. 99–101. 189 Kant, Aufklärung (1784), S. 481. Die Stoßrichtung der Aufklärung zielte auf zwei Ebenen ab, nämlich zum einen auf die Erforschung von Wahrheit, zum anderen auf Freiheit und Selbstbestimmung. Daher spricht Dieter Schneiders sowohl vom rationalistischen als auch vom emanzipatorischen Aufklärungsbegriff. Vgl. Schneiders, Zeitalter (2005), S. 7. 190 Es würde den Rahmen der Arbeit sprengen, die Aufklärung in allen Ausprägungen und die dahinter stehenden Prozesse darzustellen. Auch die Periodisierung, welche das 18. Jahrhundert als das eigentliche Jahrhundert der Aufklärung festlegt, ist nicht unumstritten, da einflussreiche Geister wie Descartes schon im 17. Jahrhundert gewirkt haben. Vgl. für die Ausführungen zur Aufklärung neben der genannten Literatur Schneiders, Zeitalter (2005) sowie Walther u. a., Aufklärung (2005). 191 Vgl. Schneiders, Zeitalter (2005), S. 11. 192 Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 14. 193 Vgl. Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 42–85.

II. „Zorn Gottes“ versus naturwissenschaftliches Phänomen

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ders galt der Blitzableiter,194 der 1751 von Benjamin Franklin konstruiert wurde,195 als Symbol für die Aufklärung bzw. die praktische Anwendbarkeit der Naturlehre, aus welcher die Menschen Nutzen ziehen könnten. Nach Meinung der zeitgenössischen Befürworter könne die neue Technik wesentlich dabei helfen, den alther­ gebrachten Aberglauben hinsichtlich des Schreckens vom Himmel zu überwinden. Gleichzeitig wurden damit auch die bisherigen Bewältigungsstrategien wie das Wetterläuten oder das Gebet massiv in Frage gestellt.196 Inwieweit aber die große Mehrheit der an den Wissenschaften interessierten Menschen die neuen Entdeckungen verstand, sei dahingestellt. Auch aus diesem Grund ging man dazu über, wichtige Erkenntnisse mit Hilfe von Experimenten vorzuführen – womit gleichzeitig den Menschen sinnlich vor Augen geführt wurde, dass die Natur nun kontrollierbar sei.197 Oliver Hochadel fasst diese Entwicklung wie folgt zusammen: „Die Sinnlichkeit und der Geselligkeitsaspekt der Wissenschaften liefern eine phänomenologische und eine kulturökonomische, der behauptete Nutzen derselben eine diskursive Erklärung für deren Erfolg im 18. Jahrhundert.“198 Mit die wichtigste Methode zur Verifizierung von Wissen war das Experiment, das sich vom Sammeln und Katalogisieren der traditionellen Naturforscher fundamental unterschied.199 Obwohl religiöse Deutungsmuster der Natur nicht völlig verschwanden, wurde vor dem Hintergrund des Diktums der ‚besten aller Welten‘ damit begonnen, Natur und Naturgefahren zu untersuchen bzw. dem Willen des Menschen unterzuordnen. In diesem Zusammenhang setzte sich auch die Auffassung durch, dass es sich bei der natürlichen Umgebung des Menschen um eine zweckdienliche Ressource handle, die zum Wohle der allgemeinen Glückseligkeit – und damit auch für den ökonomischen Erfolg – ausgebeutet werden könne.200 Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass sich gerade in der Unter­ suchung von Naturkatastrophen eine gewisse Ambivalenz der Aufklärung zeigt.201 Insbesondere führte das Erdbeben von Lissabon vom 1. November 1755 zu inten­ siven Diskussionen, ob der bis dato nicht in Frage gestellte uneingeschränkte 194

Ikonographisch interessant ist die Tatsache, dass die letzten Bilder eines zürnenden und Blitze schleudernden Gottes aus der Zeit um 1785 und damit den Jahren stammen, in denen sich der Blitzableiter flächendeckend in Deutschland durchgesetzt hat. Vgl. Hochadel/­ Heering, Introduction (2009), S. 8. 195 Vgl. generell zum Thema Schmidt, Wolken (1999), Hochadel, Wissenschaft (2003), Hochadel, Blitzableiter (2005) sowie die Aufsätze bei Heering/Hochadel/Rhees, Fire (2009). 196 Vgl. für eine Fallstudie hinsichtlich der Einführung des Blitzableiters in Augsburg, Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 140–171. 197 Vgl. Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 15–27; 53. 198 Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 27. 199 Vgl. Fischer, Ordnung (2004), S. 176–179. 200 Vgl. Kapitel C.V.3. Oliver Hochadel und Peter Heering nennen diese Tat „one of the classic, emblematic stories of Enlightenment.“ Hochadel/Heering, Introduction (2009), S. 1. 201 Vgl. Johns, Introduction (1999), S. XV–XVIII bzw. Johns, Visitations (1999).

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Optimismus noch angemessen sei.202 Zudem war bei vielen Menschen mit dem Infragestellen von bisher akzeptierten religiösen und gesellschaftspolitischen Überzeugungen auch ein zunehmendes Gefühl der Unsicherheit verbunden.203 Unabhängig davon verbreiteten in diesen Jahrzehnten zahlreiche Artikel in Enzyklopädien oder Zeitschriften auch die neuen Erkenntnisse über das Wesen bzw. die Entstehung des Hagels. War wie gesehen im ‚Zedlerschen Lexikon‘ noch ein gewisser Gottesbezug vorhanden, informiert der ‚Krünitz‘ in neutralem Ton über die zum Zeitpunkt des Erscheinens bekannten Fakten. Demnach ist der Hagel „[…] eine wässerige Lufterscheinung; ins besondere besteht er aus wässerigen, von der Kälte dicht gemachten Dünsten, die mehrentheils in runder Gestalt aus einer Wolke durch die Luft herab fallen, und oft einen mit Eise umzogenen Schnee in sich enthalten, oft aber auch nur bloße, mehr oder weniger durchsichtige, Eiskugeln vorstellen.“204

Auch die bereits beobachteten Details der Vereisungsprozesse werden aus­ führlich geschildert und erste Hinweise bezüglich der unterschiedlichen Empfindlichkeit der einzelnen Pflanzen gegeben: „Je früher [der Hagel] kommt, desto eher verwindet ihn der Rocken [gemeint ist Roggen], weil ihm sein Nachwuchs noch wohl entgeht; desto eher der Weizen, welcher vielleicht noch nicht geschossen ist[.]“205 Solche Kenntnisse basierten zu einem Teil  auf Laborversuchen wie dem­ jenigen, den Louis Cotte vor dem Hintergrund eines schweren Hagelunwetters im Sommer 1788 in Frankreich vorgenommen hat. Der Aufsatz selbst wurde im ‚Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte‘ veröffentlicht.206 202 Vgl. Hesse, Afterword (1999). Die ältere Literatur sieht im Erdbeben von Lissabon einen Wendepunkt, nämlich eine grundlegende Erschütterung des optimistischen Weltbildes. Vgl. z. B. Borst, Erdbeben (1981), S. 559–562. V.a. Voltaire nahm die Katastrophe als Beweis dafür, dass der Optimismus ungerechtfertigt sei und kritisierte die Vorstellung von der ‚besten aller Welten‘ in seinem Roman Candid. Als sich der Titelheld und sein Lehrer Pangloß in Lissabon aufhalten, wird als Schutzmaßnahme vor dem Erdbeben ein Autodafé veranstaltet, das Candid mit folgenden Worten kommentiert: „Wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, wie müssen dann erst die andern sein?“ Voltaire, Candid (2007), S. 18. Vgl. zu den Kontro­ versen, die sich in dieser Frage zwischen Voltaire und Rousseau ergeben haben Steiner, Denken (1996), Günther, Erdbeben (2005) sowie Jacobs, Auswirkungen (2007). 203 Vgl. Bauer/Matis, Geburt (1988), S. 189. 204 Krünitz, Band 21, Hagel (1788), S. 159. 205 Vgl. Krünitz, Band 21, Hagel (1788), S.  159–168, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 168. Auch das Wetter selbst wurde – zumindest teilweise – vorhersagbar. Vgl. Hochadel/ Heering, Introduction (2009), S. 15. 206 Auch Thomas Carlyle berichtet in seinem klassischen Werk zur französischen Revolu­ tion über einen ähnlich schweren Niederschlag, der dann mit zum Ausbruch der Revolution ein Jahr später beigetragen habe: „On the 13th of July, of this 1788, there fell, on the very edge of harvest, the most frightful hailstorm; scattering into wild waste the Fruits of the Year; which had otherwise suffered grievously by drought. […] To so many other evils, then, there is to be added, that of dearth, perhaps of famine.“ Carlyle, Revolution (1857), S. 84. Für die Geschädigten wurde eine Lotterie organisiert, aus den Überschüssen sollte die Staatskasse entlastet werden. Vgl. Ebd., S. 85 f.

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Generell glaubte man, dass die Bildung von Hagelwolken etwas mit elektrischen Ladungen in verschiedenen Regionen der Atmosphäre zu tun habe.207 Auch Cotte wusste, dass sich Hagel nur bei großer Hitze bilden würde. Für seine Labor­ versuche vergleicht er die Atmosphäre mit einer „Distilliergeräthschaft“. In dieser Perspektive ist die Erde ein Feuerherd, aus welchem die Dünste aufsteigen. Da die größere Hitze im Sommer für deren Verdünnung verantwortlich sei, gelangten die Ausdünstungen in viel höhere und damit kältere Regionen. Diese at­ mosphärischen Schichten bezeichnet Cotte in Analogie zum Destillationsversuch als „Kühlgefäß“. In den kalten Regionen der Atmosphäre gefrieren die Dünste und werden durch den Wind für eine bestimmte, jedoch nicht genau festgelegte Zeit in der Höhe gehalten, bevor sie als Hagelkörner auf den Boden fallen.208 Der Hagel schien endgültig erklärbar geworden zu sein. Entstanden damit aber auch neue Anpassungsstrategien, um den Hagelschlag wie den Blitz mit Hilfe des Blitzableiters unter Kontrolle zu bringen? Darüber schweigen sich die Enzy­ klopädien des späten 18. Jahrhunderts weitgehend aus. Der ‚Krünitz‘ gibt lediglich folgenden gutgemeinten Rat: „Der Landmann muß sorgen, daß er einen Hagelschlag überwinden kann, ohne dadurch in Schulden zu gerathen[.] Wo aber der Haus- und Landwirth von der jedesmaligen Aernde leben, oder hungern muß, da scheint mir sein Schicksal zu hart, und der Hagel ein Wink zu seyn, es zu bemitleiden und zu erleichtern.“209

Wie dies aber in der Praxis geschehen sollte, wird zunächst nicht weiter thematisiert. Um dazu nochmals den Krünitz zu zitieren: „Alles, was der Landmann bey Stürmen von Hagel thun kann, ist, Acht zu haben, ob [die Eiskörner] klein und gewöhnlich seyn werden, oder ob sie sehr heftig werden könnten.“ Bei einer dunklen Wolke sei mit schweren Unwettern zu rechnen und der Bauer habe alles Vieh in die Scheune zu treiben. Das könne er aber mit dem Getreide nicht machen, „daher muß es seine Gefahr stehen“.210 Ideen für langfristige Strategien für den Umgang mit dem Hagel bzw. dessen Abwehr werden an anderer Stelle geliefert. Neben der Propagierung des Ha­ gelschießens entwickelte man die Vorstellung, die Hagelbildung mit Hilfe eines Blitzableiters zu unterbinden. Dies zeigt das Buch von Johann Nepomuck Fischer aus dem Jahre 1784, welches im Folgenden erstmals detailliert ausgewertet wird. Fischer, ein Vertreter der katholischen Aufklärung,211 schrieb das Buch als Hilfe 207

Vgl. Hackmann, Rod (2009), S. 210. Vgl. Cotte, Gedanken (1789). Vgl. hierzu auch Buch, Hagel (1818) sowie Maternus, Abhandlung (1756). Georg Christian Maternus beispielsweise beschäftigte sich mit der seltenen Entstehung von Hagelschlag während der Nachtstunden. 209 Krünitz, Band 21, Hagel (1788), S. 168. 210 Krünitz, Band 21, Hagel (1788), S. 169 für die beiden wörtlichen Zitate. 211 Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1987), S.  22. Bei den aufgeklärten Protestanten wiederum versuchte man, gegen das ausufernde Beten vorzugehen, da dieses von vielen immer noch als magisches Mittel zum Schutz vor Unwettern angesehen wurde. Vgl. Kittsteiner, Gewissen (1990), S. 51. 208

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

stellung für die bayerischen Beamten und Pfarrer, die mit der Umsetzung eines kurfürstlichen Ediktes beauftragt waren, welches traditionelle Bräuche bei Unwettern verbot. Jedoch zeigt sich an diesem Edikt, dass der Volksglaube an die Kraft des Glockenläutens bzw. dessen Hilfe während Unwettern immer noch ungebrochen war. Ursprünglich erließ Kurfürst Karl Theodor mit Wirkung zum 1. August 1783 das Glockenläutverbot,212 musste dieses aber im Abstand von wenigen Jahren immer wieder erneuern.213 Ähnliche Dekrete gab es 1783 in vielen der deutschen Territorialstaaten.214 Hierfür mit verantwortlich war die mediale Diskussion über die in den Sommer­ monaten diesen Jahres auftretenden Wetterphänomene und klimatischen Extrem­ ereignisse. Über ganz Europa gingen schwere Unwetter nieder, und nebelartige Schleier, die den Himmel bedeckten, fanden ihren Niederschlag in zahlreichen Publikationen und beunruhigten die Menschen. Als Abhilfe dagegen wurde der Einsatz des Blitzableiters empfohlen, was aber in der täglichen Praxis nicht un­ umstritten war.215 Obwohl oftmals unmittelbar betroffen, wandten sich zudem viele Bauern gegen den Einsatz des Blitzableiters, da dies ein Eingriff in das Handeln Gottes sei und ihn erzürnen würde. Auf der anderen Seite wurde gerade das Aufstellen eines Blitzableiters auf einem Bauernhof als Sieg über den Aberglauben gefeiert. Dies zeigt einige der bekannten Stereotypen – hier der einfältige Bauer, dort der aufgeklärte Reformer.216 Johann Nepomuck Fischer wollte seinen Lesern ebenfalls eine Alternative zur bisherigen Praxis des Glockenläutens anbieten.217 Das Läuten habe mehr Schaden als Nutzen gebracht, denn etliche Menschen seien vom Blitz erschlagen worden, während sie gerade versuchten, das vermeintliche Rettungsmittel einzusetzen.218 212

Vgl. Kurpfalzbaierisches Intelligenzblatt vom 20. August 1784, welches das ursprüngliche Edikt bereits nach einem Jahr erneuert. Verstieß man gegen die Bestimmung, hatte man 20 Taler zu bezahlen bzw. wurde mit Zuchthaus bestraft. 213 Vgl. Karl Theodor, Edikt vom 8. April 1791, der erneut eine Verordnung wider das Glockenläuten bei Gewittern erlässt. 214 So u. a. auch im Erzbistum Salzburg, als Erzbischof Colloredo in diesem Jahr Maßnahmen gegen das Glockenläuten und Wetterschießen ergriff. Bei Nichtbeachtung waren 12 Taler zu bezahlen, im Wiederholungsfall drohte der doppelte Betrag oder das Gefängnis. Vgl. Mack, Aufklärungsbestrebungen (1912), S. 57. 215 Oliver Hochadel konnte beispielsweise für Augsburg nachweisen, dass die scheinbar private Entscheidung, einen Blitzableiter auf dem eigenen Haus zu installieren, mitunter eine öffentliche Diskussion nach sich zog. Mitunter protestierten Nachbarn und Anwohner gegen die Anbringung dieser neuen technischen Errungenschaft, da man hierin eine Gefahr für das eigene Leben bzw. Hab und Gut sah. Vgl. Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 149 f. 216 Vgl. Hochadel, Wissenschaft (2003), S. 148 f. sowie Hochadel, Fog (2009). 217 Fischers Buch wurde im Übrigen vom Salzburger Erzbischof Colloredo an seine Beamten als Hilfsmittel zur Volksaufklärung verteilt. Vgl. Mack, Aufklärungsbestrebungen (1912), S. 57. 218 Fischer zitiert einen Zeitungsartikel, der davon spricht, dass „binnen 33 Jahren“ – womit vielleicht die Zeit von 1751–1784 gemeint sein könnte – 103 Personen, welche die Glocken läuten wollten, getötet wurden. Gleichzeitig habe der Blitz in 386 Kirchtürme eingeschlagen. Vgl. Fischer, Beweis (1784), S. 12.

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Hinzu würde kommen, dass trotz des Glockeneinsatzes nachweislich keine Felder vom Hagel verschont geblieben seien.219 Auch weist Fischer darauf hin, dass mit dem geringen Schall der Glocke keine weit entfernte Wolke auseinandergetrieben werden könne: „Man schließe nun, wenn ein starkes Geläut einen Nebel, welcher um den Glockenthurm herum ist, nicht vertreiben kann, wie lächerlich es sey, eine Gewitterwolke [, die] einige tausend Fuß weit entfernet ist, mit einer millionen- und millionenmal schwächeren Kraft vertreiben zu wollen.“220

Die aufgeklärten und an die Physiko-Theologie erinnernden Ansichten Fischers zeigen sich u. a. in seiner vehementen Ablehnung der Idee, der Teufel würde in den Wolken wohnen. Dieser Gedanke entwerte geradezu das Naturschauspiel. Gott sei außerdem kein Rachegott, sondern ein gütiger Vater.221 Fischer weist dann den Aberglauben an Sakramentalien wie Wetteramulette oder das Verbrennen von Palmzweigen zurück,222 was zeigt, dass diese trotz aller aufklärerischen Bemühungen immer noch Verwendung fanden. Im Gegensatz dazu empfiehlt er den flächendeckenden Einsatz des Blitzableiters beim Hagelschlag. Einen end­gültigen Beweis der Wirksamkeit dieses Vorschlags liefert die Schrift aber nicht. Johann Nepomuck Fischer verweist seine Leser lediglich darauf, dass solche Versuche bereits in Baden unternommen würden.223 Ob dies auch in Bayern geschah, ist nicht bekannt. Falls doch, dürfte es ein kostspieliger Fehlschlag gewesen sein.224 An ersten wissenschaftlichen Erklärungsversuchen zum Entstehen des Hagels bzw. seiner Abwehr herrschte in den letzten Jahrzehnten des 18.  Jahrhunderts also kein Mangel. Inwieweit die Mehrheit der Bevölkerung mit dem aufgezeigten Paradigmen­wechsel Schritt halten konnte, ist anhand der vorliegenden Quellen aber nicht zu verifizieren. Da noch nach 1800 das Weltbild vieler Menschen neben christlichen auch magisch-animistische Vorstellungen aufwies,225 ist wohl davon auszugehen, dass die metaphysischen Vorstellungen über den Hagel erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts allmählich zurückgingen. Ganz verschwanden sie wohl nicht, wie Hinweise in verschiedenen Quellen gezeigt haben. Allerdings dürfte

219

Vgl. Fischer, Beweis (1784), S. 13 f. Fischer, Beweis (1784), S. 23. 221 Vgl. Fischer, Beweis (1784), S. 28 f. 222 Vgl. Fischer, Beweis (1784), S. 41 f. 223 Vgl. Fischer, Beweis (1784), S. 84–86. Wie Fischer dazu bemerkt: „Ich konnte, als ich es las, kaum meinen Augen trauen: sogar die Art, solche Ableitungsstangen auf den Feldern zu errichten, schien mir aus meinen Privatpapieren, die noch niemand gesehen hatte, herausgeschrieben worden zu seyn.“ Ebd., S. 86. 224 Neben Fischer widmete sich auch Maximus Imhof dem Thema. Er untersuchte das Hagelschießen und bediente sich sogar des bayerischen Militärs, um seine Versuche durchzuführen. Vgl. Imhof, Schiessen (1811), S. 10 f. Zwar verwirft Imhof das Hagelschießen, empfiehlt aber den flächendeckenden Einsatz von Blitzableitern. Vgl. Ebd., S. 20–23. 225 Vgl. Sieferle, Natur/Umwelt – Neuzeit (2008), Vocelka, Ängste und Hoffnungen – Neuzeit (2008) sowie Walter, Katastrophen (2010), S. 101–109. 220

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

diese allmähliche Profanisierung des Hagels eine der Voraussetzungen dafür gewesen sein, dass Bewältigungsstrategien in Form von Hagelversicherungsanstalten entstanden und sich durchsetzen konnten.

III. Die Entwicklung der Versicherung bis zur Etablierung der Hagelassekuranz Die Entwicklung der deutschen226 Hagelversicherung konnte sich nicht unabhängig von der Geschichte des allgemeinen Versicherungswesens vollziehen.227 Im Folgenden werden daher die wichtigsten Schritte aufgezeigt. Die unterschiedlichen Wurzeln der Versicherung228 – gildenförmig-genossenschaftliche229 Vereinigungen seit dem Mittelalter230 bzw. die im italienischen Mittelmeerhandel entstandene Prämienversicherung231 – mündeten im deutschen Sprachraum zunächst 226 Jörg Krauses Untersuchung der nationalen Versicherungskulturen spricht von drei Voraussetzungen, die aus kulturwissenschaftlicher Perspektive für das Entstehen von Versicherungen verantwortlich seien. Erstens dem Vorhandensein eines versicherungsfähigen Risikos bzw. Objektes, was wiederum mit dem Eigentum daran zusammenhängen würde. Zweitens die Ausprägung einer allgemein anerkannten Bereitschaft, das versicherungsfähige Objekt absichern zu lassen. Diese sei aber v. a. in Gesellschaften mit einem religiös fundierten Weltbild nicht vorhanden, da man sich dadurch gegen Gottes Willen auflehne. Drittens schließlich müsse ein gewisser technischer Entwicklungsstand existieren. Vgl. Krause, Versicherungs­ kultur (2004), S. 4–46. 227 Dieser Überblick fasst nur die wichtigsten Stationen zusammen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auf die großen Entwicklungslinien der deutschen Versicherungsbranche im 19. und 20. Jahrhundert wird ab Kapitel D jeweils eingegangen. 228 Markus Denzel geht in seinem knappen Übersichtsartikel zum Versicherungswesen nicht auf die genossenschaftlichen Wurzeln ein, sondern sieht die Seeversicherung als Wurzel der Assekuranz, aus der sich die übrigen Sparten entwickelt hätten. Vgl. Denzel, Versicherungswirtschaft (2011). 229 Vgl. allgemein zu den Gilden bzw. Zünften Farr, Artisans (2000), Kluge, Zünfte (2007) sowie zu deren sozialpolitischen Charakter Lusiardi, Caritas (2002). Dieser erkennt bereits Anzeichen für Assekuranzen wie die kollektive Selbsthilfe. Insgesamt aber könne man die Vorsorgeeinrichtungen nicht als Versicherungen bezeichnen, da u. a. die Mitglieder trotz Beitragszahlung keinen expliziten Anspruch auf eine Gegenleistung gehabt hätten. Angemerkt sei, dass das Phänomen Gilde in jüngerer Zeit intensiv innerhalb der Wirtschaftsgeschichte diskutiert wurde. Vgl. hierzu u. a. Ogilvie, Guilds (2004), Ogilvie, Use (2004), Epstein, Guilds (2008) sowie Ogilvie, Guilds (2008). 230 Auch in der Antike gab es versicherungsähnliche Einrichtungen. Im Römischen Reich war eine Art von Seedarlehen bekannt, das so genannte foenus nauticum. Auch Begräbniskassen wie die ‚collegia tenuiorum‘ können nachgewiesen werden. Vgl. Ehrenberg, Entwickelungsgeschichte (1901), Ehrenberg, Versicherung (1902), Moldenhauer, Versicherungswesen (1917), S. 20 f. sowie Albrecht, Entwicklung (1935), S. 10–12. 231 Geklärt ist aber immer noch nicht die Frage, ob und inwieweit die modernen Versicherer in der Tradition dieser mittelalterlichen Institutionen stehen bzw. welche Interdependenzen es dabei gegeben hat. Überwiegend wird die These vertreten, dass es zwei verschiedene Wurzeln gegeben habe. Ein Versicherungsverein sei in gewisser Weise eine Fortsetzung der nordeuropäischen Gilden und Zünfte. Den Ursprung der Versicherungsaktiengesellschaft wiederum könne man auf die Aktivitäten der Kaufleute im oberitalienischen maritimen Handelsraum

III. Die Entwicklung bis zur Etablierung der Hagelassekuranz

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in obrigkeitlich initiierte, kameralistische Assekuranzen. Zwar blieb bis in das 17. Jahrhundert hinein die maritime Transportversicherung der wichtigste Assekuranztyp.232 Für die Entwicklung der Hagelversicherung war aber die Brandversicherung233 von größerer Bedeutung, da deren institutionelle Ausprägungen oftmals von den ersten Hagelassekuranzen übernommen wurden.234 Die ersten lokalen Brandgilden entstanden in Deutschland im 15. Jahrhundert in Schleswig-Holstein und gingen wohl auf skandinavische Vorbilder zurück.235 Größere Bedeutung erlangte die Brandassekuranz im Rahmen der Herausbildung des kommunalen bzw. öffentlich-rechtlichen Versicherungswesens mit der Etablierung der Hamburger ‚General-Feuer-Cassa‘ als der ersten staatlich gegründeten Versicherung. Anders als in der bisherigen Literatur geschehen,236 ist deren Entstehung Cornel Zwierlein zufolge wohl nicht direkt auf die seit 1591 auch in Hamburg nachgewiesenen Feuerversicherungskontrakte zurückzuführen, die noch in etlichen Bestimmungen an die genossenschaftlichen Institutionen aus dem Mittelalter erinnerten. Denn viele der organisatorischen Bestimmungen der ‚General-Feuer-Cassa‘ wie z. B. die Einführung der Buchführung über Ein- und Ausgaben oder die Schaffung eines Systems zur Taxierung des Wertes der versicherten Immobilien hätten keinerlei Vorläufer237 in den erwähnten Einrichtungen der Gilden gehabt.238 Der eigentliche Anstoß zur Gründung der neuen Gesellschaft bestand darin, dass die bisherigen Vereinbarungen zum Schutz vor Brandfolgen an ihre Grenzen stießen, was besonders beim Hamburger Brand vom September 1676 deutlich

zurückführen. Wie bei der Diskussion des Forschungsstandes gezeigt, vertritt Dieter Schewe in diesem Zusammenhang eine andere These und sieht im so genannten Dekret von Exeter aus dem Jahre 950 den alleinigen Ursprung des Versicherungswesens. Ob dies aber wirklich der Fall ist, erscheint wie erörtert fraglich. 232 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 32. 233 Vgl. Meyer, Brandversicherung (2005) sowie insbesondere Zwierlein, Prometheus (2012). 234 Auch die Lebensversicherung bzw. deren Vorformen sind bereits seit dem Mittelalter bekannt. Aufgrund ihres moralisch anstößigen Charakters als Wette auf das Leben eines Menschen wurde sie bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fast in ganz Europa – mit Ausnahme von Großbritannien – verboten. Vgl. Daston, Probability (1988), S. 122 f.; 163–182 sowie Clark, Betting (1999), S. 13–32. 235 Vgl. Moldenhauer, Versicherungswesen, (1917), S. 22. 236 Vgl. z. B. Hamburger Feuerkasse, 1676 (2001), S. 12–62. 237 Eine weitere Voraussetzung seien die 1622/24 etablierten Lösegeldversicherungen – die sogenannten Sklavenkassen für Seeleute und Schiffskapitäne – gewesen. Anders als im Fall der 1681 (und damit fast zeitgleich) gegründeten Londoner Feuerversicherung ‚Fire Office‘ habe es im Hamburger Fall auch keine dominierende Persönlichkeit wie Nicholas Barbon gegeben, der sowohl die theoretischen Grundlagen geliefert als auch für deren Implementierung gesorgt hat. Lediglich Gottfried Wilhelm Leibniz könne als Lieferant der theoretischen Grundlagen für das Hamburger Unternehmen genannt werden. Zwierlein kommt zu dem Schluss, dass man im Fall der ‚General-Feuer-Cassa‘ von einer „Innovation ohne Er­finder“ sprechen müsse. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 226. 238 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 200–244.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

wurde, als die in der Stadt vorhandenen genossenschaftlichen Feuerversicherer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten. Der Senat der Hansestadt beschloss daraufhin am 21. September 1676, eine eigene Feuerkasse ins Leben zu rufen und alle Feuerkontrakte in Hamburg zu einem neuen öffentlichen Unternehmen zusammenzufassen, welches auch das Vermögen und die Verbindlichkeiten der zahlungsunfähigen privaten Versicherer übernahm.239 Dem Hamburger Vorbild folgend, wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts weitere öffentlich-rechtliche Feuerversicherungen gegründet, so u. a. 1714 in Altona, 1718 in Berlin und 1729 im Kurfürstentum Sachsen, die trotz mancher Anfangsschwierigkeiten wie der fehlerhaften Beitragsberechnung allmählich Annahme von Seiten der Bevölkerung fanden. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts breitete sich die Feuerassekuranz vom Norden des Reiches in den Süden aus, so dass um 1800 mindestens 100 dieser Institutionen nachgewiesen werden können.240 Man könnte hier Beispiele für die Entwicklung weiterer Branchen anführen.241 Anhand der Feuerversicherung zeigt sich jedenfalls, dass die Idee der Versicherung ihre Praxistauglichkeit bewiesen hatte bzw. dass sich im 17. Jahrhundert die wesentlichen Prozesse hinsichtlich der Überleitung des Prinzips der Prämien­ versicherung in einen festen institutionellen Rahmen vollzogen hatten.242 Aufgrund der 1676 erfolgten Einrichtung der ‚General-Feuer-Cassa‘243 propagiert Cornel Zwierlein daher für die Jahre 1680/1700 eine Epochenschwelle, da nach diesem Zeitpunkt die Diffusion des (Feuer-) Versicherungsgedankens in Regionen im Alten Reich erfolgte, in denen bis dahin keine Prämienversicherung bekannt ge­wesen seien. Für Zwierlein steht fest, dass nach 1700 die Eliten in Ökonomie, Verwaltung und Politik Sicherheit als gesellschaftlichen Normalzustand betrachtet hätten. Deshalb sei es seit diesen Jahren auch nicht mehr ungewöhnlich gewesen, alles dafür zu tun, um jedweden Unglücksfall zu minimieren bzw. möglichst ganz zu vermeiden. Stellten diese vorher – wie es beim Hagel der Fall war  – Gottesstrafen dar, war nun die neue Institution Versicherung ein Ausdruck für die ‚sichere Normalgesellschaft‘.244 Theoretisch fundiert wurde dies dann durch den kameralistischen Diskurs, der im folgenden Kapitel nachgezeichnet wird. Für die Gründung der Hagelversicherungsbranche, die zeitlich ungefähr 100 Jahre nach den diskutierten Ereignissen erfolgen und sich daran orientieren sollte, bedeutete die Epochenwende 1680/1700, dass der Boden durch die Diffusion der 239

Vgl. hierzu die Auszüge aus der ‚Puncta Der General Feuer-Ordnungs-Cassa‘, ab­gedruckt in Hamburger Feuerkasse, 1676 (2001), S. 48–51. 240 Vgl. Meyer, Brandversicherung (2005) sowie Zwierlein, Prometheus (2012), S. 370–372. 241 Vgl. für einen komprimierten Überblick Borscheid/Drees, Versicherungsstatistik (1988), S. 3–48. 242 Vgl. Zwierlein, Formen (2013), S. 441. 243 Zwierlein führt hier ebenfalls das 1681 gegründete Londoner ‚Fire Office‘ als Beleg für den Epochenwandel an. 244 Vgl. Zwierlein, Formen (2013), S. 453–458.

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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Feuerversicherung bereitet war. Versicherungen an sich stellten keine unbekannte Institution mehr dar und hatten ihre Nützlichkeit und Funktionsfähigkeit als individuelle bzw. kollektive Anpassungsstrategie bewiesen.

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“ – die Assekuranz im Kameralismus 1. Merkantilismus und Kameralismus In Deutschland herrschte bekanntlich im 17. und 18. Jahrhundert die wirtschaftspolitische Vorstellung des Kameralismus vor, wobei dessen Grund­konzeption wiederum vom merkantilistischen Gedankengut geprägt war.245 Die Dogmen­ geschichte hatte jedoch lange Zeit darüber diskutiert, ob es sich beim Merkantilismus um ein geschlossenes theoretisches System handelt. Hans-Joachim Stadermann unterbreitet in diesem Zusammenhang den Vorschlag, zwei wesentliche Richtungen des Merkantilismus zu unterscheiden, je nachdem, ob Landes­ herr oder Handelsherr im Mittelpunkt der jeweiligen Betrachtung stehen. Beide stünden in Konkurrenz zueinander und versuchten gleichzeitig, rational zu handeln. Ansätze einer monetären Theorie könne man aber lediglich im Merkanti­ lismus des Handelsherren finden, da nur hier die Beschränkung der Wohlfahrts­ produktion durch Geld erörtert würde. Stadermann spricht daher in Bezug auf den Merkantilismus von der „Politischen Ökonomik des Handelsherren“. Außerdem gibt er zu bedenken, dass die merkantilistischen Maßnahmen der Fürsten­ gerade nicht eigennützige Entscheidungen seien. Vielmehr hätten die Regenten bestimmte Maßnahmen zur Stärkung der Interessen ihrer jeweiligen Kredit­ geber initiiert. Diese Aufgabe wiederum würde aber den Handelsherren zukommen, womit sie gegenüber ihrem Souverän im Vorteil seien und Einfluss auf dessen Entschei­dungen ausüben könnten. Dass der Merkantilismus weniger dem Landes- als vielmehr dem Handelsherren gedient habe, begründet Stadermann u. a. mit der p­ rovokanten Frage, welches Interesse die Territorialfürsten daran gehabt haben könnten, den Zünften beispielsweise detaillierte Qualitätsvorgaben aufzuerlegen. Auch die einzelnen Gesetze zur Vergrößerung der Handels­ bilanz könne man dahingehend interpretieren, dass diese weniger eine Restriktion für die eigenen Kaufleute seien. Sie hätten vielmehr dazu gedient, die ausländische Kon­kurrenz zu benachteiligen. Damit schließt sich der Kreis, denn die Obrigkeit habe insofern wieder davon profitiert, indem die nun höheren Gewinne der

245 Der Begriff geht wohl auf François Quesnay zurück. Vgl. Kolb, Geschichte (1997), S. 15. Seit Adam Smiths Kritik am Merkantilismus war der Terminus lange Zeit negativ besetzt. Vgl. Smith, Wohlstand (2001), S.  347–559. In Deutschland erlebten die Merkantilisten erst durch Gustav Schmoller ihre Rehabilitierung, da Schmoller zufolge dem Merkantilismus u. a. das Verdienst zukommen würde, zu einer vollständigen Umstrukturierung und Organisation von Gesellschaft und Staat beigetragen zu haben. Vgl. Schmoller, Umrisse (1898), S. 37.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Handelsherren wieder als Kredite vergeben wurden.246 Weitere Beispiele könnten hier genannt werden, die jedoch alle Stadermanns These unterstreichen, dass der Handelsherr im Merkantilismus das Zentrum aller wirtschaftlichen Aktivitä­ ten darstelle.247 Stadermann unterscheidet sich in dieser Auffassung von anderen Wirtschaftshistorikern, welche merkantilistisches Handeln hauptsächlich als Maßnahmen zur Vergrößerung und Monopolisierung der politischen und militärischen Macht248 des absolutistischen Staates, des „Super-Oikos“249, interpretieren. Folgt man dieser Auffassung, ginge die Initiative für merkantilistische Maßnahmen von den Landesherren aus, die auch den größten Nutzen davon hätten. Neben der Finanzierung der Hofhaltung, der Staatsbeamten sowie dem Aufbringen des Unterhalts für ein stehendes Heer nahm die Förderung der produktiven Kräfte in Handel, Handwerk, Gewerbe und Landwirtschaft250 einen zentralen Stellenwert im staatlichen Handeln ein.251 Alle Maßnahmen dienten der Mehrung des Reichtums des eigenen Landes. Das Ausfuhrverbot für Edelmetalle bzw. deren Zufluß,252 der wiederum eine Folge des Exportüberschusses bzw. einer aktiven Handelsbilanz war, hatte diese Wirtschaftspolitik zu finanzieren. Konkret sollten lediglich Rohstoffe importiert, Fertigwaren und Luxusgüter dagegen exportiert werden. Zölle spielten ebenfalls eine Rolle, indem ausländische Produkte mit hohen, Rohstoffimporte dagegen nur mit geringen Abgaben belegt wurden. Da definitionsgemäß nicht alle Staaten einen positiven Saldo vorweisen konnten, musste der eigene Export­ überschuss auf Kosten der konkurrierenden Länder erwirtschaftet werden.253 Es ist hier nicht der Platz, zu diskutieren, ob die Initiativen für die merkantilistischen Maßnahmen verstärkt vom Handelsherren oder vom Landesherrn ausgin 246

Entsprechend interpretiert Stadermann die Physiokratie als den finalen, aber letztlich erfolglosen Versuch des französischen Königtums, der Abhängigkeit seiner zahlreichen Geldgeber zu entkommen. Vgl. Stadermann, Vernunft (1987), S. 62 f. 247 Vgl. Stadermann, Vernunft (1987), S. 47–59, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 47. 248 Als Folge des sich herausbildenden Gewaltmonopols übernahm der souveräne frühmoderne Staat u. a. die Aufgaben der Bewahrung von Frieden sowie innerer und äußerer Sicherheit. Vgl. Conze, Sicherheit (1984), S. 838–844 sowie Stollberg-Rilinger, Europa (2000), S. 31 f.; 40–44. 249 Bauer und Matis, Geburt (1988), S. 189. 250 Die Landwirtschaft spielte auch im Hinblick auf die Produktionskosten der Manufakturen eine Rolle. Da hierzu auch die Löhne zählten und ein Großteil hiervon für Nahrungsmittel ausgegeben wurde, mussten die Agrarpreise niedrig bleiben, um gleichzeitig die Lohnkosten auf einem geringen Niveau zu halten – was wiederum mit einer Effizienzsteigerung der landwirtschaftlichen Produktion erreicht werden sollte. Vgl. Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 38 f. 251 Flankierende Maßnahmen waren die Gewährung von Steuerprivilegien oder das Provozieren eines Handelskrieges. Ultimatives Ziel war die wirtschaftliche Autarkie. 252 Die Idee der Edelmetallhortung bzw. das Ausfuhrverbot wurde bereits im Spätmittel­alter praktiziert und ist als Bullionismus bekannt. 253 Vgl. neben den zitierten Werken Bürgin, Merkantilismus (1961), Blaich, Epoche (1973), Magnusson, Mercantilism (1994), Schefold, Grundzüge (1997) sowie Finkelstein, Harmony (2000).

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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gen. Betrachtet man die historischen Gegebenheiten – v. a. die Verschuldung von etlichen der damaligen europäischen Staaten  – haben Stadermanns Argumente durchaus Plausibilität. Unstrittig ist, dass der Merkantilismus in vielen europäischen Ländern an die spezifischen Gegebenheiten angepasst wurde. Der Unterschied zwischen der Ausprägung in Großbritannien und die Anwendung dieser Prinzipien im deutschsprachigen Raum charakterisiert Joseph Schumpeter folgendermaßen: „Für kein Volk konnten der Staat und seine Organe so sehr Gegenstand unerschöpflichen Interesses werden wie für das deutsche[.] Wie es die Verhältnisse mit sich brachten, daß in der Praxis so gut wie nichts ohne den Beamtenstaat geschehen konnte, so konnte man schließlich auch in der Wissenschaft keinen Gedankengang durchführen, ohne dabei in erster Linie den Staat im Auge zu haben. Was für England die Oekonomie, das wurde für Deutschland in gewissem Sinn die Verwaltungslehre. Trieb man in England Oekonomie, so war das Volkswirtschaftslehre, trieb man in Deutschland Oekonomie, so war das […] Staatswirtschaftslehre. Wenn in England […] der Kaufmann für den Kaufmann schrieb, so schrieb in Deutschland der Beamte für den Beamten.“254

Schon hier wird deutlich, dass in den deutschen Territorialstaaten Staatsbeamte das merkantilistische Gedankengut rezipierten, weshalb sich in Anlehnung an die fürstliche ‚camera‘ die Bezeichnung Kameralismus255 etabliert hat. Aus diesem Grund bezeichnet Hans-Joachim Stadermann den Kameralismus als „Wirtschafts­ theorie des Landesherrn“.256 Die kameralistischen Inhalte beschränkten sich aber nicht auf Wirtschaftstheorie und -praxis,257 sondern wurden durch eine Fülle von 254

Schumpeter, Epochen (1914), S. 33 f. Die Camera war ursprünglich der Ort, an dem der Fürstenschatz verwahrt wurde. Später entwickelte sich daraus die Administrationsstelle der fürstlichen Besitztümer bzw. in einem weiteren Schritt die staatlichen Fachministerien. Vgl. Tautscher, Kameralismus (1956), S. 463. Ob der Kameralismus als Epochenbegiff innerhalb der Wirtschaftsgeschichte verwendet werden kann, ist umstritten. Die vorliegende Arbeit folgt Thomas Sokoll, der die kameralistische Lehre als theoretisches Konzept im Rahmen der Entwicklung der modernen Wirtschaftswissenschaften sieht. Vgl. Sokoll, Kameralismus (2007), Sp. 292. 256 Stadermann, Vernunft (1987), S. 49. 257 Ein wesentliches Thema, mit dem sich der Kameralismus beschäftigte, bestand in der effizienten Verteilung der zur Verfügung stehenden Holzmenge zur Sicherstellung der flächendeckenden Energieversorgung. Margrit Grabas zufolge kollidierte dies mit anderen Bestrebungen der kameralistischen Wirtschaftspolitik wie der Gewerbeförderung. Beispielsweise konnten Salinen das Holz zu einem geringeren Betrag als dem herrschenden Marktpreis einkaufen. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die ebenfalls von staatlicher Seite her propagierten Energiesparmaßnahmen für diese privilegierten Gewerbe wirkungslos blieben. Zudem scheiterten Versuche, Holz durch andere Energieträger wie Steinkohle zu ersetzen. Zwar versuchte man durch kameralistische Maßnahmen wie der Zentralisierung der Kohlegewinnung Effizienzgewinne zu erzielen. Jedoch lehnten sowohl viele Privathaushalte als auch zahlreiche Gewerbebetriebe den Einsatz von Kohle ab, da die Öfen in den privaten Wohnungen hierfür nicht geeignet waren und Gewerbetreibende oftmals keine Staatshilfe für die notwendige Umrüstung ihrer Kessel erhielten. Insgesamt bewirkten die kameralistischen Maßnahmen bezüglich des Energieverbrauchs kein nutzensteigerndes Ergebnis und weder der Holzverbrauch noch die Energiekrise konnten eingedämmt werden. Vgl. Grabas, Rolle (1995), S. 59–71. 255

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Themen zu Staats- und Verwaltungsangelegenheiten – die sogenannte Polizeiwis­ senschaft – ergänzt. Ideales politisches Handeln im Sinne der Aufklärung sollte dem Zweck der Sicherung des Rechtssystems, der Bewahrung des Friedens bzw. der öffentlichen Ordnung dienen. Insbesondere hatte der Staat die Aufgabe, die Glück­ seligkeit der Bevölkerung zu steigern. Treffend findet sich dies in Johann Heinrich Gottlob von Justis Buch ‚Natur und Wesen der Staaten‘, in dem er auch von dem „Endzwecke der Republiken“ spricht: „Dieser Endzweck [der Republiken] kann kein andrer seyn als das allgemeine Beste, die Wohlfahrt aller und jeder Familien, die sich solchergestalt mit einander vereinigen, kurz, die gemeinschaftliche Glückseligkeit des gesammten Staats.“258 Die kameralistischen Schriften verstehen darunter eine Staatsordnung,259 welche den Rahmen und die Sicherheit bietet, dass jeder einzelne die moralischen und zeitlichen Güter erlangen könne, die er für ein zufriedenes Leben innerhalb seines Standes benötigen würde. Einzigartig im Vergleich zu den anderen merkantilistischen Spielarten wurde der Kameralismus in den Rang einer universitären Disziplin erhoben, wobei die preußischen Univer­sitäten in Halle und Frankfurt/Oder im Jahr 1727 den Anfang machten.260 Die konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen umfassten die Förderung des Bergbaus, des Gewerbes und des Handels. Auch Peuplierungs-261 und Land­ gewinnungsmaßnahmen nahmen einen zentralen Platz ein. Der Förderung der Landwirtschaft kam ein besonderer Stellenwert zu, was kurz erläutert werden soll. Primär diente der Agrarsektor als Basis für die Nahrungsmittelversorgung, als Bevölkerungsreserve262 und nicht zuletzt als Grundlage für den Lebensunterhalt des Adels. Die Autarkiebestrebungen sollten durch Import- und Exportbeschränkungen realisiert und somit die Gewinne gesteigert werden.263 Entsprechend spiegelt sich in diesem scheinbar rationalen Blick die schon angesprochene Auffassung wider, dass es sich bei der Natur lediglich um eine scheinbar problemlos nutzbare Ressource zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse handeln würde.264 258

Justi, Natur (1760), S. 45. Trotz der von ihnen selbst propagierten Nähe zur Obrigkeit traten die Kameralisten aber nicht für eine staatliche Reglementierung aller ökonomischen Dinge ein. Vielmehr betonten sie die Freiheit des wirtschaftlichen Geschehens und die Sicherheit des individuellen Eigentums. Vgl. Schmidt, Wandel (2009), S. 348. 260 Vgl. Webler, Kameral-Hohe-Schule (1927), S.  13–15 sowie Kaufhold, Deutschland (1993), S. 580–582. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Kameralismus als akademische Disziplin weitgehend etabliert, wurde dann aber relativ bald von der aufkommenden Nationalökonomie abgelöst. 261 V.a. Preußen betrieb eine aktive Peuplierungspolitik, wie beispielsweise die Aufnahme Salzburger Protestanten in Ostpreußen im Jahr 1731 unterstreicht. Vgl. Dopsch/Hoffmann, Salzburg (2008), S. 340 f. 262 Vgl. Bayerl, Prolegomenon (1994), S.  36–41 sowie Meyer/Popplow, Nature’s (2004), S. 14–17. 263 Vgl. neben der zitierten Literatur Tribe, Economy (1988), S. 19–118, Adam, Economy (2006) sowie Cortekar, Glückskonzepte (2007). Außer in der Schrift von Cortekar findet sich kein Hinweis auf das Versicherungswesen. Vgl. Ebd., S. 96. 264 Vgl. Kapitel C.V.3. 259

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Wie ist der Kameralismus nun zu beurteilen? In der neueren Forschung wird kritisch angemerkt, dass dessen Wirkung nicht überschätzt werden dürfe. Denn trotz aller Handlungsempfehlungen genossen Handwerk und Landwirtschaft in der Realität weit weniger staatliche Aufmerksamkeit, als dies die Kameralisten forderten. Zudem waren behördlicher Dirigismus und auch Korruption keine Seltenheit. Eine zahlreiche Beamtenschaft stellte zwar im Hinblick auf die Schaffung eines stehenden Heeres bzw. den Aufbau der Staatsverwaltung keinen Nachteil dar. Der aufgeblähte Apparat war aber mit ein Grund, dass man den Kameralismus schon in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts als überholt ansah,265 wie ein Brief von Friedrich Casimir Medicus, dem Direktor der ‚Kameral-HohenSchule zu Lautern‘, aus dem Jahre 1777 zeigt: „Seit 1727 ist der erste Lehrstuhl der Kameralwissenschaften gestiftet. Und fast alle deutschen Universitäten haben ihn. Was hat er aber Deutschland genuzzet, hat er in den Kollegiis Einfluß gehabt, hat er dem Bürger Vortheil geschafft? – das Gegentheil, denn er schuf Fragmentenkrämer und Projektenmacher.“266

2. Kameralismus und Versicherung Unabhängig davon, wie man zu der negativen Einschätzung von Friedrich Casi­ mir Medicus steht, bleibt festzuhalten, dass der kameralistische Diskurs eine Vielzahl von Themen behandelte  – und hierbei nicht zuletzt auch erste detaillierte Vorschläge zum Versicherungswesen vorlegte. Falls davor überhaupt über die Asse­ku­ranz nachgedacht wurde, geschah dies überwiegend aus einem juristischen Blickwinkel.267 Eine erste systematische Durchdringung des Versicherungsgedankens findet sich in den Arbeiten von Gottfried Wilhelm Leibniz, der in verschiedenen Schriften fundierte Überlegungen zur Schaffung von Assekuranzanstalten diskutiert hat.268 Interessanterweise beinhalten die Texte fast keine Hinweise auf mathe­ matische bzw. wahrscheinlichkeitstheoretische Überlegungen  – was angesichts der Beiträge von Leibniz zur Weiterentwicklung der Mathematik 269 doch erstaun 265

Vgl. Sokoll, Kameralismus (2007), Sp. 291; 298 f. Abgedruckt bei Webler, Kameral-Hohe-Schule (1927), S. 115, das Original konnte nicht mehr ermittelt werden. Die Schule selbst ging ursprünglich aus der 1768 gegründeten ‚Physikalisch-Ökonomischen und Bienengesellschaft zu Lautern‘ hervor, die ab 1770 als ‚Kuhrpfälzische Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft‘ bekannt war. Vgl. Tribe, Economy (1988), S. 97–112 sowie Popplow, Bienen (2010). 267 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 35. Für die nachfolgenden Ausführungen sei angemerkt, dass sich in den untersuchten Traktaten in Bezug auf die Wurzeln des Versicherungswesens zwar Hinweise auf die erwerbswirtschaftliche Tradition, nicht aber auf die Einrichtungen der Gilden bzw. Genossenschaften finden. Warum dies der Fall ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht endgültig erklärt werden. 268 Vgl. Leibniz, Hauptschriften (2000), hierbei insbesondere S. 3–26. Auffällig ist, dass die meisten der Konzepte innerhalb eines kurzen Zeitraums verfasst wurden. 269 Vgl. Hirsch, Leibniz (2007), S. 84–88; 157 f. 266

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

lich ist.270 Dass aber im Übrigen diese ‚probabilistische Revolution‘271 – also der Einsatz von mathematischen Verfahren beispielsweise für die konkrete Prämienermittlung – nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, wird auch die Entwicklung der Hagelversicherung zeigen. Leibniz entwickelt in mehreren Gutachten und Briefen konkrete Vorschläge für die Schaffung von Versicherungseinrichtungen.272 Beispielsweise führt er Asse­ kuranzen im Rahmen von Ideen zur Verbesserung der Staatsverwaltung auf, die er im September 1678 an Herzog Johann Friedrich von Hannover sandte. Dort heißt es im Rahmen der Vorschläge unter Punkt 7: „Assecurations-Casse samt dazu gehoeriger Feuer= und Waßer=Ordnung, vermittelst deren allen Unterthanen die liqvidable casus fortuiti [Unglücksfälle] ersetzt werden, sie aber dagegen jaehrlich ein gewißes nach ihren Mitteln in die Assecurations-Casse zu legen schuldig.“273

Nach Leibniz sollte also die Schaffung von Versicherungen beispielsweise durch Feuerverordnungen ergänzt werden, die wiederum konkrete Maßnahmen für die Brandbekämpfung wie die Anschaffung von Feuerspritzen durch die Kommunen enthielten.274 Auch in einem wohl Anfang Juli 1680 an Kaiser Leopold I. adressierten Brief, der ebenfalls ein Konzept zur Modernisierung der Staatsverwaltung enthält, spricht Leibniz von „Vorsorge vor vi majore, Feuer=Compagnie wie in Hamburg. Koente genennet werden Assecurations-Compagnie oder Casse“.275 Insofern kannte Leibniz also die 1676 gegründete ‚Hamburger General-FeuerCassa‘ bzw. deren Organisationsprinzipien. 270 Vgl. Schneider, Hintergrund (2000), S.  591–596, dort auch Hinweise auf den Brief­ verkehr zwischen Leibniz und Jakob Bernoulli über deren Diskussion zu Problemen der Wahrscheinlichkeitstheorie. Im Übrigen waren Leibniz und Bernoulli nicht die einzigen, welche in diesen Jahrzehnten an der Weiterentwicklung der Statistik und der Mathematik ge­ arbeitet haben. So sandte Leibniz einen Datensatz zu Geburts- und Sterbefällen aus Breslau, den er wiederum von Caspar Naumann erhalten hatte, zu Edmund Halley nach London. Dieser konnte das Material als Basis für seine 1693 erschienenen Vorschläge zur Berechnung der Lebenserwartung bzw. von Annuitäten verwenden. Allerdings sollte es noch über 100 Jahre dauern, bevor Halleys Ideen – welche eine wesentliche Grundlage für das moderne Lebens­ versicherungsgeschäft bilden  – Einzug in die Versicherungsbranche hielt. Vgl. Bernstein, Gods (1996), S. 57–96 sowie Koch, Geschichte (1998), S. 25–42. Bei Bernstein finden sich weitere Erläuterungen zu Pionieren hinsichtlich der Entwicklung des modernen Risikomanagements wie beispielsweise Blaise Pascal oder John Graunt. 271 Vgl. ausführlich Daston, Probability (1988), besonders S. 112–187. 272 Angemerkt sei, dass die Schriften auch rechtswissenschaftliche Erörterungen enthalten. Auf diese Aspekte wird jedoch nur vereinzelt eingegangen. 273 Leibniz für Herzog Johann Friedrich, September 1678, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 5. Punkt 8 führt im Anschluss Vorschläge hinsichtlich der Witwen- und Waisenkassen an. 274 Vgl. beispielsweise Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 18. 275 Leibniz für den Kaiser, wohl Anfang Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 9.

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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Höchstwahrscheinlich parallel zum Entwurf des Briefs an den Kaiser276 hat Leibniz eine Denkschrift zum Thema ‚Öffentliche Assekuranzen‘ verfasst und in diesem Zusammenhang die Thematik auch in einem größeren gesellschaftspolitischen Kontext diskutiert.277 Ganz im kameralistischen Sinn ist für Leibniz Versicherung ein Mittel zur Festigung der fürstlichen Macht bzw. der militärischen Schlagkraft. Sei die Bevölkerung nämlich durch Unglücksfälle  – wozu Leibniz „feuer [,] waßer und andere äußerliche, von der Natur selbst hehrrührende Gewalt“278 und damit wohl auch Unwetter und Hagel zählt  – geschwächt, leide die ökonomische Stärke und damit die Verteidigungskraft eines Landes, so dass „[…] Teütschland vollends ganz ohnmächtig gemacht und der anwachsenden Macht ihrer Nachbarn zum raube werde“.279 Der Staat solle daher den Betroffenen durch Schaffung von bestimmten Institutionen die Möglichkeit zur Selbsthilfe geben, denn von diesem Risikoausgleich im Kollektiv profitiere auch die Gesellschaft. Leibniz fasst Assekuranzen außerdem als Kapitalsammelstellen auf, mit deren Hilfe der Staat die genannten Vorhaben finanzieren könne.280 Seine positive Haltung gegenüber dem Versicherungswesen findet sich in dem Traktat wie folgt zusammengefasst: „Solche Assecurations-Casse würde ein sehr herrliches werck und dem Lande in viele wege nüzlich seyn; dieweil dadurch ein Capital fundirt würde, vermittelst deßen die Obrigkeit ihren unterthanen nahrung auff viele weise helffen, ihnen in der noth beyspringen und sonderlich gegen feuer- und waßers schaden, auch theürung und ander unglück [,] in antecessum guthe anstalt machen köndte.“281

Der Staat habe seine Bürger gegen äußere und innere Feinde zu schützen, wobei im ersten Fall dies mit Hilfe der Armee geschehen solle. Die Bekämpfung der inneren Feinde, also der genannten Unglücksfälle, sei Aufgabe der Assekuranzanstalten.282 Zusammenfassend besteht das innovative Element von Leibniz’ Schrift Cornel Zwierlein zufolge darin, dass er „[…] nicht eine kleinteilig-verwaltungstechnische Organisationsschrift verfasst [, sondern] das Versicherungsprinzip als Interpretament für die Konzeption von Staatlichkeit und gesellschaftlicher Bindung als ganzer universalisiert [habe.]“283 276

Vgl. Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 3. Vgl. Zwierlein, Macht (2008), S. 8 f. 278 Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 15. 279 Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 12. 280 Vgl. Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 12–15. 281 Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 15. 282 Vgl. Öffentliche Assekuranzen, wohl Juli 1680, abgedruckt in Leibniz, Hauptschriften (2000), S. 15. 283 Zwierlein, Prometheus (2012), S. 232. Vgl. für die Ausführungen zu Leibniz zudem falls nicht anders zitiert Ebd., S. 229–242. Dort auch detaillierte Hinweise bezüglich der Aspekte aus dem römischen Recht, auf das Leibniz Bezug nimmt. 277

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Leibniz konnte also in seinen Schriften plausibel den positiven Beitrag von Versicherungsanstalten bei der Behandlung jedweder Unglücksfälle darstellen. Aller­dings ging er nur am Rande darauf ein, was bei der Behandlung von natürlichen Extremereignissen zu tun sei. Insofern sind für die vorliegende Studie die Überlegungen zum Versicherungswesen, die sich in den eigentlichen kameralistischen Schriften finden, von größerer Bedeutung. In Ergänzung zur bisher vorhandenen Forschungsliteratur zum Thema sollen im Folgenden die Überlegungen von Johann Heinrich Gottlob von Justi284 bzw. deren Weiterentwicklungen untersucht werden. Weitere Aspekte finden sich zudem in einem Traktat von Ferdinand Friedrich Pfeiffer,285 dessen Ausführungen jedoch in der bisherigen versicherungshistorischen Literatur fast keine Beachtung gefunden haben.286 Beide Schriften vermitteln einen fundierten Eindruck hinsichtlich der kameralistischen Anschauungen zum Assekuranzwesen. Justi behandelt die Versicherungsanstalten zunächst in einer Notiz über die Förderung des Nahrungsstandes, die 1755 veröffentlicht wurde. In den folgenden Jahren greift er das Thema sowohl in seiner ‚Staatswirthschaft‘ (erschienen 1758) und im ersten Band eines seiner Hauptwerke, den 1760 erschienenen ‚Grundfesten zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten‘, erneut auf. Im Übrigen ist dieses wiederholte Publizieren von bereits an anderer Stelle veröffentlichten Gedanken eine der Eigenarten von Justis Gesamtwerk, wobei sich der Neuigkeitswert bzw. die Originalität seiner späteren Werke mitunter in Grenzen hält.287 Pfeiffer wiederum legte im Jahr 1780 eine ausführliche Denkschrift über das Versicherungswesen vor, welche auf seiner Disputation beruht.288 Grundgedanke von Justis Überlegungen zum Versicherungswesen ist die Tatsache, dass die Schicksalsschläge bzw. Unglücksfälle, die den einzelnen Menschen treffen, auch Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben. Nicht nur könne der Geschädigte keinen Beitrag zur Prosperität der Gesellschaft mehr leisten, sondern er 284 Dass Justi zu den bedeutensten Kameralisten zählt, ist weitgehender Konsens in der Literatur. Vgl. Adam, Economy (2006). Manche seiner Zeitgenossen äußerten sich aber kritisch über ihn, wie folgende Notiz vom Direktor der Lauterner Kameralschule, Friedrich Casimir Medicus, aus dem Jahr 1777 zeigt: „Noch betrübter sieht es in den Kollegiis von der Stadt­ wirtschaft, Handlungswissenschaft, Polizey, Finanz und Staatswirtschaft aus. Nicht ein einziges brauchbares Werk zum Vorlesen, folglich kein Leitfaden für einen Professor. Ja, wenn man die Sache so a la Justi hinschmiret oder hinschmiren wollte?“ Abgedruckt bei Webler, Kameral-Hohe-Schule (1927), S. 115, das Original konnte nicht ermittelt werden. Inwieweit hier persönliche Animositäten eine Rolle spielten, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Justi war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits seit über sechs Jahren tot. 285 Soweit erkennbar, war Ferdinand Friedrich nicht mit dem Kameralisten Johann Friedrich Pfeiffer verwandt. Im Übrigen waren er und Friedrich Schiller Schulkameraden. Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 280. 286 Soweit erkennbar, bildet Zwierlein hier die einzige Ausnahme. Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 280–284. 287 Vgl. Burgdorf, Justi (2006), S. 53 f. 288 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780).

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falle den Mitmenschen auch zur Last, indem er beispielsweise auf Almosen an­ gewiesen sei.289 Neben diesem kameralistischen Motiv zur Steigerung der individuellen Glückseligkeit stellt Justi auch die gesamtwirtschaftliche Komponente der Assekuranz heraus: „[W]enn die Nahrungsart, so jemand treibt, noch selten im Lande ist, oder wenn das Gewerbe sehr ansehnlich ist, so daß viele andere ihr Brod dabey finden; so fügen die Unglücksfälle, die einen solchen Mann niederschlagen, zugleich dem Nahrungsstande selbst, in seinem ganzen Zusammenhange, eine starke Wunde zu, die nicht so bald wieder geheilet werden kann.“290

Justi spricht davon, dass auf der Basis der Aufklärung und Vernunft schon damit begonnen wurde, über die Sicherung des Einzelnen bzw. der Allgemeinheit vor Unglücksfällen nachzudenken.291 Ferdinand Friedrich Pfeiffer wiederum stellt den Versicherungsgedanken in einen größeren Kontext, denn für ihn sind Ver­ sicherungen geradezu Ausdruck des Gesellschaftsvertrages: „Und so ligt unstrittig der Grund der Anstalten zu Versicherung des Eigentums und auf gewisse Art auch des Ertrags, in der Natur des gesellschaftlichen Vertrags – weil sie eine grössere Sicherheit des Lebens durch Sicherstellung des Unterhalts zum Grund haben.“292

Nach Pfeiffer soll eine weise Regierung die Gründung von Versicherungsanstalten forcieren, um Nachteile für das gesamte Staatswesen zu vermeiden. Zudem würden die Assekuranzen die Entwicklung von Handel und Gewerbe begünstigen. Justi begründet dieses Phänomen am Beispiel der Seeversicherung. Mit Abschluss eines solchen Vertrages stehe den Kaufleuten im Rahmen ihrer Geschäfte selbst dann ein höheres Maß an Sicherheit zur Verfügung, wenn der Staat nicht in der Lage sei, die Schifffahrtsrouten zu schützen. Zudem könne durch diese neuen institutionellen Rahmenbedingungen mehr ausländisches Kapital ins Inland gelockt werden293 – eine Idee, die fast schon an die Etablierung eines internationalen Kapitalmarktes denken lässt.294 Eine weitere nützliche Versicherungssparte seien die Feuerassekuranzen, womit den Brandgeschädigten leicht und unbürokratisch geholfen werden könne, wie Pfeiffer und Justi unisono betonen. Daher solle der Staat auch die Gründung und Verbreitung dieser Anstalten forcieren.295 Damit Angebot und Nachfrage möglichst problemlos zusammentreffen können, schlägt Justi die Gründung von 289

Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 145. Justi, Vorschlag (1755), S. 145. Ähnlich bei Justi, Grundfeste (1760), S. 763 f. 291 Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 145. 292 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 3 f. Nach dieser Passage beschäftigt sich Pfeiffer ausführlich mit Rousseaus Auffassungen zum Gesellschaftsvertrag. Vgl. generell dazu auch Ewald, Versicherungs-Gesellschaft (1989) sowie Zwierlein, Prometheus (2012), S. 278–288. 293 Vgl. Justi, Grundfeste (1760), S. 765 f. 294 In Anlehnung an Zwierlein, Prometheus (2012), S. 304. 295 Vgl. Justi, Grundfeste (1760), S.  767 f. sowie ausführlich Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 13–28. 290

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„Assekuranz-Comtoir[s]“296 vor, die in den wichtigsten Handelsstädten einzu­rich­ ten seien. Sieht man diesen Gedanken im Übrigen aus institutionenökonomischer Perspektive, kann das ‚Compoir‘ als ein Mittel zur Senkung von Transaktions­ kosten verstanden werden. Alle Versicherten hätten zudem die Möglichkeit, mit relativ geringen Beiträgen ihr gesamtes Hab und Gut zu schützen,297 was die Sicherheit von privaten und gewerblichen Aktivitäten erhöhe. Justi liefert in diesem Zusammenhang auch eine fast schon modern anmutende Definition von Gefahren­gemeinschaft:298 „Es ist demnach sehr heilsam, wenn der Regent durch weise Anstalten und Maaßregeln eines Theils solche Unglücksfälle verhüten und verringern, andern Theils aber den Verlust auf viele eintheilen kann, damit ein einziger dadurch nicht zu Boden geschlagen werde.“299

Gerade dieses Zitat von Justi, in dem er die Assekuranzen explizit als Mittel zur Verhütung bzw. Linderung von Unglücksfällen beschreibt, zeigt explizit den Zusammenhang zur Staatsauffassung im Kameralismus, da staatliches Handeln eben immer auch die Förderung des individuellen und kollektiven Glücks zur Folge habe.300 Doch findet sich in diesem Zusammenhang auch ein Thema, das bereits im Rahmen der Wahrnehmungsänderung von Naturkatastrophen eine Rolle gespielt hat. Widersprechen Versicherungen dem göttlichen Plan, da sie die Folgen seiner Strafen abmildern würden? Pfeiffer weist diese Idee eines strafenden Gottes weit von sich: „Vielleicht denket es [ein frommes Herz,] es schränke man durch Anstalten dieser Art die straffende Hand GOttes zu sehr ein, dann wenn alles versichert ist, womit soll er nun straffen [?] Dann [gemeint ist denn] wer einmal eine solche Armut an Mitteln, die Menschen zu straffen seinem Gott zutraut, dem kan und darf ich nicht antworten, in dessen Augen muss ich Unrecht haben.“301

Der Allmächtige sei vielmehr am Wohlergehen der Menschen interessiert, wozu auch die Versicherungen beitragen könnten.302 Pfeiffers Argumentation ist jedoch eine Ausnahme im kameralistischen Diskurs, da sich derartige Hinweise in den entsprechenden Traktaten nur vereinzelt finden.303 Rekapituliert man die Ausführungen, wird deutlich, dass die kameralistischen Schriften mit Nachdruck auf die Gründung von Versicherungsanstalten drängen, da mit diesen Institutionen das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt werde. Cor 296

Justi, Grundfeste (1760), S. 767. Vgl. Justi, Grundfeste (1760), S. 763–765. Ähnlich äußert sich Johann Friedrich Pfeiffer, der Justis Argumente wohl kannte. Vgl. Pfeiffer, Endzweck (1779), S. 332 f. 298 Vgl. Justi, Staatswirthschaft (1758), S. 284. 299 Justi, Staatswirthschaft (1758), S. 284 f. Ähnlich bei Justi, Grundfeste (1760), S. 764 f. 300 In Anlehnung an Zwierlein, Prometheus (2012), S. 279 f. 301 Pfeiffer, Gedanken (1780). S. 103 f. 302 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780). S. 103 f. 303 Vgl. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 284. 297

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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nel Zwierlein zufolge hätten die Kameralisten mit ihren Vorschlägen einerseits auf eine umfassende Institutionalisierung des Versicherungsprinzips, andererseits auf eine möglichst ausnahmslose Versicherbarkeit abgezielt.304 Zwierlein schluss­ folgert: „Versicherung kann man in der [deutschen] Aufklärung also als Grenze der Planbarkeit, als Grenze der Machbarkeitsvorstellung und damit als Grenze des diesseitigen neuzeitlichen Zukunftshorizonts der Verwaltungs- und Wirtschaftspraktiker hinsichtlich der Produktion von Wert-Sicherheit verstehen.“305

Jedenfalls würden aufgrund dieser Produktion von Sicherheit306 sowohl der Einzelne als auch die Allgemeinheit von einer derartigen Institution profitieren, da beispielsweise die Gesellschaft nicht mehr die Notsituation des Individuums schultern müsse. Auch die Absicherung der ökonomischen Aktivitäten sei damit verbunden. Vergessen werden darf aber nicht, dass mit dieser neuen Herangehensweise der Staat implizit jedem Einzelnen aber auch eine Pflicht aufgebürdet hat, nämlich Eigenvorsorge zu betreiben – und zwar nicht in einem „emphatischromantischen Sinne, sondern als Praxis greifbar“.307 Wie dies in der Praxis aussah, soll im folgenden Kapitel anhand der Konzepte zu den landwirtschaftlichen Assekuranzen diskutiert werden. 3. Die Vorschläge zu den landwirtschaftlichen Assekuranzen Zunächst gilt es zu fragen, aus welchen Gründen die Kameralisten die Gründung von landwirtschaftlichen Versicherungen forderten. Um diese bis dato in der Literatur nicht ausführlich erörterte Frage beantworten zu können, ist es erforderlich, auf den historischen Kontext einzugehen, was konkret eine Untersuchung der kameralistischen Ansichten über die damaligen Zustände im Agrarbereich bedeutet. Hierfür wird nochmals auf ein Werk von Johann Heinrich Gottlob von Justi zurückgegriffen. Wie nicht anders zu erwarten, vertritt Justi in seinen Schriften die Überzeugung, dass ein Staat nur dann florieren könne, wenn sich die Landwirtschaft in einem guten Zustand befindet.308 Um dies zu erreichen, plädiert Justi für eine­ Reform der althergebrachten Agrarverfassung. Er kritisiert die zersplitterte Flur bzw. die Hut- und Triftgerechtigkeit und empfiehlt die Abschaffung aller gemeinschaftlich genutzten Bodenflächen und der Frondienste. Am Ende müssten dann die Aufhebung der Leibeigenschaft sowie die Übertragung des Eigentums an 304

Vgl. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 436 f. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 444. 306 In Anlehnung an Zwierlein, Prometheus (2012), S. 7. 307 In Anlehnung an Zwierlein, Sicherheit (2013), S. 391, dort findet sich auch das wörtliche Zitat. 308 Vgl. Justi, Abhandlungen (1761), S. 1–3. 305

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Grund und Boden an die Bauern erfolgen.309 Zudem würden diese Reformmaßnahmen nicht nur der Landbevölkerung, sondern auch der Allgemeinheit zugutekommen: „Ueberhaupt muß man es als eine [sic!] grosse Hinderniß gegen die vollkommene Cultur des Bodens und den Flor der Landwirthschaft ansehen, wenn der Bauer in der Unter­ drückung lebet[.] Diejenige Classe der Menschen, welche die Landwirthschaft treiben, worauf […] die Macht und Glückseeligkeit des Staats, ja man kann sagen, der Wohlstand aller andern Stände und Classen des Volkes, so sehr ankommt, verdienet weder Bedrückung, noch Verachtung.“310

Vor dem Hintergrund derartiger Gedanken spricht Horst Dreitzel Johann Heinrich Gottlob von Justi einen großen Anteil hinsichtlich der Politisierung der Aufklärung zu.311 Justi fordert jedoch nicht nur Reformen. Ebenso kritisiert er die Bauern und bedient sich zeitgenössischer Klischees von deren angeblicher Faulheit und Nachlässigkeit auf, wodurch Fortschritte in der Landwirtschaft ebenso wie durch die erwähnten archaischen Gesellschaftsstrukturen behindert würden.312 Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Zustände im Agrarsektor im 18. Jahrhundert einen Reformbedarf aufwiesen. Und eine der Institutionen, welche hierzu auch beitragen sollte, war nach Meinung einer Reihe von Kameralisten die Hagel­versicherung. Im Folgenden werden die konkreten Vorschläge bezüglich des jeweiligen institutionellen Kontextes, also der Organisation und Funktionsweise der neu zu gründenden Versicherung, sowie des medialen Kontextes und damit hinsichtlich der Medienformen, in denen die Vorschläge präsentiert werden, analysiert.313 Höchstwahrscheinlich der erste konkrete Vorschlag für eine landwirtschaftliche Assekuranz findet sich 1749 in den Leipziger ‚Oeconomischen Nachrichten‘. Bemerkenswerterweise wusste die Redaktion der Zeitschrift nicht, wer den Vorschlag verfasst hatte. Die Verantwortlichen rechtfertigten aber den Abdruck mit dem Hinweis auf die Nützlichkeit des Projektes einer Hagelassekuranz. Dadurch werde nämlich „[…] manchem armen Bauers-Mann wohl geholfen, unzählige Steuer-Reste sowohl, als Streitigkeiten zwischen Besitzern und Pächtern vermieden, der Ackerbau nicht wenig befördert, und viele andere ersprießliche Folgerungen bewirket werden können.“314

Man betonte also die Vorteile dieser Idee, beispielsweise die Vermeidung von Streitigkeiten bei Remissionen. Einige Zeilen weiter findet sich aber schon die Einschränkung, dass die Realisierung eines solchen Vorhabens wohl nur ein from-

309

Vgl. Justi, Abhandlungen (1761), S. 4–10; 17 f.; 24–28. Justi, Abhandlungen (1761), S. 28. 311 Vgl. Dreitzel, Beitrag (1987). 312 Vgl. Justi, Abhandlungen (1761), S. 29 f. 313 In Anlehnung an Stuber, Publikationstätigkeit (2010), S. 124. 314 O. V., Wetter-Casse (1749), S. 569. 310

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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mer Wunsch bleiben werde bzw. ein Fall für private Projektemacher315 sei.316 Im Übrigen ist nicht bekannt, ob auf der Basis dieses ersten Konzeptes Versuche gestartet wurden, eine solche Versicherung zu gründen. Da es sich aber nach Auswertung anderer kameralistischer Schriften gezeigt hat, dass die Idee Vorbildcharakter hatte, soll dieser Pioniervorschlag ausführlicher diskutiert werden. Zu Beginn des Beitrages untersucht der Anonymus die Versicherbarkeit an sich, d. h. welche Schäden eine solche Anstalt zu decken habe. Da er die landwirtschaftliche Praxis wohl kannte, plädiert er dafür, neben Hagelschlag auch die Heu­schreckenplage mit in die Deckung aufzunehmen. Eine Grenze der Versicherbarkeit wird jedoch betont, denn entschieden wendet sich der Kameralist gegen die Deckung des Misswuchses.317 Erstens betreffe dieser oftmals den größten Teil eines Staates, wodurch der Versicherungsbeitrag unverhältnis­mäßig hoch sei. Zweitens hätte eine solche Regelung den Schlendrian der Bauern zur Folge.318 Organisatorisch sollte sich die Kasse an die Feuerassekuranzen anlehnen. Die räumliche Grenze der Versicherbarkeit ist dahingehend definiert, dass jeder Kreis – was nicht weiter ausgeführt wird, weshalb unklar ist, ob hiermit beispielsweise einer der Reichskreise gemeint ist – bzw. jedes kleine Fürstentum eine solche Anstalt einzurichten habe. Die laufenden Geschäfte wie die Kontrolle der Abrechnungen und den Beitragseinzug würde in der Verantwortung eines Direktoriums liegen.319 Ausführlich wird im Anschluss die Frage diskutiert, ob man die Prämien in Naturalien oder in Geld abzuführen habe. Zwar besitze Bargeld unbestreitbare Vorteile, da es beispielsweise nicht verfaulen oder verbrennen könne. Dennoch plädiert der Kameralist für Naturalabgaben und verspricht sich davon größere Vorteile für das Unternehmen. Die Bauern seien dafür bekannt, mit den selbst­ angebauten Früchten freigiebiger als mit Bargeld umzugehen, weshalb die Anstalt höhere Beiträge erheben könne. Hinsichtlich der Prämienhöhe finden sich im Übrigen keine Angaben, wohl um keine potentiellen Interessenten abzu­ schrecken. Die Entschädigung, die ebenfalls in Naturalien erfolgen solle, liege nach der Begutachtung der Schäden im Ermessen des Direktoriums. Interessanterweise gibt es aber keine Hinweise darauf, was im Fall einer vollständigen Ver­hagelung des gesamten Geschäftsgebietes geschehen solle. Ein der­artiger 315 Ulrich Troitzsch charakterisiert den Projektemacher wie folgt: „Nicht künstlerische oder technische Begabung zeichnete ihn aus, sondern die Fähigkeit, den Herrscher davon zu überzeugen, daß die Durchführung eines bestimmten Vorhabens, sei es technischer, wirtschaftlicher oder alchemistischer Natur, trotz zunächst hoher Investitionen erheblichen Gewinn bringen würde.“ Troitzsch, Erfinder (2004), S. 463. 316 Vgl. o.V., Wetter-Casse (1749), S. 570. 317 Ähnlich Beck, HagelSchadens-AssekuranzGesellschaften (1804), Sp.  342 f. Beck zufolge würden die Beiträge unverhältnismäßig hoch werden, sobald auch der Misswuchs in die Deckung mit aufgenommen würde. 318 Ähnlich hierzu auch Schrader, Anwendung (1790), S. 698 f. 319 Vgl. o.V., Wetter-Casse (1749). S. 570–572.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Katastrophenfall war wohl außerhalb der Vorstellungskraft des anonymen Kameralisten. Versicherungsnehmer konnten nur Feldbesitzer sein, wobei aber nicht ersichtlich wird, wer genau damit gemeint ist. Abschließend betont der anonyme Verfasser explizit die Sinnhaftigkeit des Projektes, hätten doch zum einen potentielle Kunden die Möglichkeit, ihre Felder vor den erwähnten Gefahren abzusichern. Zum anderen könne auch die Allgemeinheit aus der Errichtung einer solchen Kasse profitieren, da beispielsweise die Unsitte der Hagelbettelei zurückgehen würde.320 Implizit deutet der Autor hier also einen Strategiewechsel weg von den kurzfristigen Bewältigungs- hin zu den langfristigen Anpassungsstrategien an. Wie schon erwähnt, erfüllten sich jedoch höchstwahrscheinlich die Hoffnungen der Herausgeber nicht, dass auf Basis des Artikels eine Hagelassekuranz gegründet werde. Andere Kameralisten griffen die Idee aber auf und entwickelten sie zumindest theoretisch weiter. Auch von Johann Heinrich Gottlob von Justi stammt ein Konzept zur Hagel­ assekuranz, welches er ähnlich wie seine Ideen zur Reform des Agrarsektors in verschiedenen Schriften weiterentwickelt hat. Seine Gedanken sollen nun erstmals zusammengeführt werden, um ein ganzheitliches Bild von Justis Idee zur Organisation der landwirtschaftlichen Assekuranz bzw. dem damit verbundenen Nutzen aufzuzeigen. Grundsätzlich fasst er die Hagelversicherung als ein wirtschafts­ politisches Instrument auf, das zur Realisierung des kameralistischen Programms beitrage. Da die Versicherung an sich ihren Wert bewiesen habe, müsse man den Versuch unternehmen, damit auch die Gefahren im landwirtschaftlichen Bereich – wozu Justi Heuschreckenplagen, Überflutungen und Hagelschläge zählt – abzusichern.321 Neben dieser Produktion von menschlicher Sicherheit bzw. der Linderung der persönlichen Not habe die Assekuranz auch gesamtwirtschaftlich gesehen positive Auswirkungen, da sie zur Prosperität des Agrarsektors beitrage.322 Speziell für den Staat stelle eine solche Kasse ein gutes Geschäft dar, wobei auch Justi auf den Aspekt der Remissionen referenziert: „Alle solche Unglücksfälle [gemeint sind Schäden an den Feldfrüchten] nöthigen den Regenten seinen Unterthanen, wenn sie nicht ganz ruiniret werden sollen, Erlaß an Contributionen und Abgaben zu bewilligen. Die Regenten solten also um ihres eigenen Cameralintresse willen, dieses sonst vor [sic] sie so mächtigen Bewegungsgrundes, auf Einführung solcher Versicherungsanstalten bedacht seyn.“323

Einmal mehr sollen sich die Kassen organisatorisch am Vorbild der Feuerversicherung anlehnen und in jedem Fürstentum oder Kreis324 gegründet werden.325 320

Vgl. o.V., Wetter-Casse (1749), S. 572–583. Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 146. 322 Vgl. Justi, Grundfeste (1760). S. 768 f. 323 Justi, Vorschlag (1755), S. 146. Fast wörtlich genauso in Justi, Grundfeste (1760), S. 769. 324 Auch Justi führt nicht genau aus, was er unter ‚Kreis‘ versteht. 325 Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 146 sowie Justi, Grundfeste (1760), S. 769. 321

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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Neu ist nun Justis Einschätzung der unterschiedlichen Auswirkung der Natur­ gefahr Hagel auf das versicherte Gut. In Erweiterung der ursprünglichen Idee von 1749 plädiert er für die Einteilung der Felder in gute, mittelmäßige und schlechte Äcker gemäß dem Wert der darauf angebauten Feldfrüchte.326 Dies erinnert bereits an das Anbauverzeichnis, das heute elementarer Bestandteil eines Hagelversicherungsvertrages ist.327 Mit Hilfe des Kontributionsfußes, also der steuerlichen Einschätzung des Grundstücks, sei eine solche Klassifizierung problemlos vorzunehmen. Die Klasseneinteilung bzw. die steuerliche Bonität machen dann auch die Basis für die Prämienberechnung und die Schadensvergütung aus. Die Behörden hätten das Schadensausmaß zu begutachten und die Entschädigungssumme festzulegen, wobei drei Schadensstufen zur Auswahl möglich seien: Ein Drittel oder die Hälfte Verhagelung bzw. Totalverlust.328 Die Prämien solle die Anstalt im Herbst nach der Sichtung sämtlicher Schäden anteilsmäßig im Umlageverfahren erheben, danach würde die Schadensvergütung erfolgen.329 Wie erwähnt, beschäftigen sich verschiedene von Justis Schriften mit der Hagelassekuranz, woran die Weiterentwicklung seiner Gedanken gut erkennbar ist: U. a. schlägt er in seinen ‚Grundfesten‘ die Gründung eines Fonds vor, der dazu dienen solle, den Landwirten die sofortige Weiterarbeit nach einem Hagelschlag zu ermöglichen. Falls nicht genug Kapital angesammelt werden könne, müsse die Steuerkasse diesen Betrag vorstrecken.330 Dem Einwand, der Versicherungs­beitrag würde eine neue Belastung für die Bauern darstellen, begegnet Justi mit dem Hinweis auf die zu erwartenden und schon skizzierten Vorteile für den Einzelnen und die Allgemeinheit.331 Ähnlich wie im Rahmen seiner Bemerkungen zur Reform des Agrarsektors ist zu erkennen, dass Justi seine Vorurteile gegenüber den Bauern wohl noch nicht vollständig abgelegt hatte. Da er offensichtlich der Landbevölkerung nicht zutraut, den Wert dieser neuen Institution zu erkennen, plädiert er an den Staat, diese quasi von oben in Form einer verpflichtenden Mitgliedschaft einzuführen: „Wenn es jemalen nöthig ist, denen Menschen die Wohltaten aufzutringen; so muss es in den Anstalten der Regierung geschehen. Der Regent, als ein weiser und gütiger Vater seines Volkes, muß sich nicht daran kehren, wenn denen Zärtlingen und Unverständigen unter seinen Kindern die Arzeneyen, die er ihnen beybringt, etwas bitter schmecken.“332

Neben Justi äußerten sich auch Johann Friedrich von Pfeiffer und sein Namens­ vetter Ferdinand Friedrich Pfeiffer zur landwirtschaftlichen Assekuranz. An den 326

Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 146 sowie Justi, Grundfeste (1760), S. 769. Interessanterweise führt Justi diesen Aspekt nicht in einer 1758 veröffentlichten Schrift zum Thema an. Vgl. Justi, Staatswirthschaft (1758), S. 287–289. 327 Vgl. Kapitel B.III.4.b). 328 Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 146. 329 Vgl. Justi, Vorschlag (1755), S. 147. 330 Vgl. Justi, Grundfeste (1760), S. 770. 331 Vgl. Justi, Grundfeste (1760), S. 770 f. 332 Justi, Grundfeste (1760), S. 771.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Vorschlägen ist gut zu erkennen, dass beide wohl den Vorschlag von 1749 sowie die Ausführungen von Justi gekannt haben dürften. Johann Friedrich von Pfeiffer behandelt seine Ideen knapp in seinem Lehrbuch zur Polizeiwissenschaft. Dort findet sich abermals die Empfehlung, die Hagel­ versicherung als Politikmittel zur Sicherung bzw. Steigerung des Nahrungsstandes einzusetzen. Als größte Gefahren in der Landwirtschaft werden Überschwemmungen, die Heuschrecken und der Hagelschlag aufgeführt. Ähnlich wie Justi schlägt Pfeiffer eine Einteilung der Feldfrüchte in verschiedene Klassen vor und plädiert dafür, in jedem Kreis eine Hagelversicherung zu gründen.333 Ein weitaus detailliertes, bislang in der Literatur nicht beachtetes Konzept legte ein Jahr später Ferdinand Friedrich Pfeiffer vor. Er fordert, für jede der von ihm identifizierten Gefahren im Agrarbereich eine eigene Kasse zu gründen, u. a. Vieh­assekuranzen und spezielle Hagelversicherungen zum Schutz des Weinbaus – ein Umstand, der wohl darauf zurückzuführen sein dürfte, dass Pfeiffer seine Abhandlung in Württemberg verfasst hat.334 Die Hagelversicherung im eigentlichen Sinn  – er nennt diese „Versicherung des Ackerfelds“– ist für Pfeiffer der letzte Schritt, um das Eigentum der Bauern abzusichern. Die Feuerversicherung schütze die Gebäude und die Viehversicherung springe im Fall des Todes der Tiere ein. Mit der dritten Stufe sei es nun möglich, auch die Erträge gegen Hagelschlag zu versichern.335 Pfeiffer schlägt die Einführung eines „Versicherungs-Büchleins“336 vor, in das alle abgeschlossenen Verträge für Feuer-, Vieh- oder Hagelversicherungen einzutragen seien. Speziell für die versicherten Äcker solle folgendes Verfahren zur Anwendung kommen: „Man bemerkt [gemeint ist vermerkt] darinn sorgfältig den Unterschied des Akkerfelds selbst, ob recht gut, gut, mittelmäßig, oder schlecht. Bei diesem bemerkt man in einer Note zum ganzen Verzeichniß, wie viel ein jeder dieser Aekker in einem gewöhnlichen Jar Früchte aller Arten tragen könne[.] Nach diesem Maasstab geschiet alsdann der Ersaz im Fall eines Unglüks. Die Verteilung des sämmtlichen Schadens aber geschiet nach dem laufenden Wert der Güter in jedem Ort[;] dann der Wert der Güter richtet sich nicht immer nach der Menge dessen, was sie hervorbringen, sondern nach dem Preiß desselben an den verschiedenen Orten.“337

Rekapituliert man diese Aussagen, kann man erkennen, dass im Vergleich zu den bisherigen Konzepten Pfeiffer nachhaltig versucht, auf die konkrete Situation im Agrarbereich bzw. auf die dort geltenden Preise einzugehen.

333 Vgl. Pfeiffer, Endzweck (1779), S.  338–340. Auch hier ist nicht eindeutig, was unter ‚Kreis‘ zu verstehen ist. 334 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 28–46; 64–76. 335 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 46; 55. Das wörtliche Zitat findet sich auf S. 46. 336 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 51. Die Bücher sollten bei den Stadtämtern oder Gerichten geführt werden. 337 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 53.

IV. Versicherung als Förderung der „Glückseligkeit“

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Auch Pfeiffer erkennt, dass es für den Erfolg des Unternehmens unerlässlich sei, das Geschäftsgebiet mindestens auf eine ganze Provinz – wobei dies nicht näher spezifiziert wird – auszudehnen.338 Grundlage des Geschäftes sei zudem eine genaue Kenntnis der zu versichernden Felder, wofür auf die Steuerunterlagen oder das Register über die Abgabe des Zehnten zurückgegriffen werden müsse. Mit einer neu zu schaffenden Hagelversicherung und den von ihr gesammelten Daten könnten zudem die behördlichen Register ergänzt werden.339 Nach einem Hagelschlag hätten vereidigte Personen – womit Landwirte gemeint sein dürften – sowie Beamte die Schadensabschätzung vorzunehmen. Pfeiffers Grundverständnis von Versicherung folgend, solle die Vergütung ausschließlich in Geldzahlungen er­folgen, da die Ablieferung von Naturalien zu aufwendig und kostspielig sei.340 Im Gegensatz zur Prämienfestlegung solle der gängige regionale Marktpreis der geschädigten Feldfrucht als Basis für die Entschädigungssumme dienen: „Billiger also scheint es mir immer, wenn man den Unglüklichen in verschiedenen Gegenden, in dem in ihren Orten und Nachbarschaft einige Zeit nach der Erndte gewönlichen Preis den Schaden ersezt[.]“341

Damit die Bauern die Möglichkeit haben, im Schadensfall sofort weiterzu­ arbeiten, müsse man ihnen ein Teil der Schadenssumme auf der Grundlage des bis dato üblichen Preises sofort ausbezahlen. Da der Bauer aber einen Vertrag allein mit der Versicherungsgesellschaft abschließen solle und die Prämien an die Anstalt entrichten müsse, widerspricht Pfeiffer deutlich dem Gedanken, den Grundherren Teile der Entschädigungssumme auszubezahlen.342 Was sei der entscheidende Vorteil gegenüber der bisherigen Praxis der Remissionen? Auch hierzu äußert sich Pfeiffer: „Gesezt nun auch, man lasse einem ganz Unglücklichen auch alle seine Abgaben nach, so heißt dies weiter nichts als: man nimmt ihm nichts, weil man ihm nichts nemen darff und kann, dann er hat nichts gewonnen; und ist dann ein solcher Nachlaß hinlänglich einen Unglüklichen zu helffen [-] muß er nicht dannoch Schulden machen oder Güter verkauffen, muß er nicht selbst dem der ihm aus Gnade Saatfrüchte vorschießt, ein größeres Interesse bezalen, als man vom Geld gewönlicher Weise bezalet?“343

Allerdings äußerten sich nicht alle Kameralisten so positiv über das Projekt Hagel­versicherung, wie dies Justi oder Pfeiffer getan hatten, was das folgende Beispiel zeigt. Johann Heinrich Jung, genannt Jung-Stilling, behandelt das Projekt Hagelassekuranz in seinem ‚Lehrbuch der Staats-Polizey-Wissenschaft‘, das 1788 in Leipzig erschien, ein weiteres Mal im Zusammenhang mit dem Aspekt der Unglücksfälle. Anders als Justi oder Pfeiffer schlägt er vor, Wetterschäden in die 338

Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 48 f. Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 49 f. 340 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 59–63. 341 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 62. 342 Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 62 f. 343 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 93. 339

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Deckung einer allgemeinen Landesversicherung aufzunehmen. Nach Jung-Stilling kann eine Hagelversicherung nur in größeren Staaten Erfolg haben, ansonsten würden auf die wenigen verschont gebliebenen Landwirte unverhältnismäßig hohe Belastungen zukommen. Auch in Bezug auf die Beitragsfestsetzung sieht er Probleme, da die Prämien aufgrund des regional unterschiedlichen Hagelrisikos nicht gerecht festzulegen seien.344 Einen in gewisser Weise auch von Justi angesprochenen Aspekt führt Jung-Stilling explizit gegen die Assekuranz an: „Endlich kan auch eine solche Unterstüzzung [gemeint ist die Versicherung] den Landmann träge machen, so daß er durch Fleis und Dünger dem Miswachs nicht entgegen arbeitet. Auf diese Weise müßte man auch am Ende jedem einzelnen Erwerber sein Privatunglück garantiren, und dann wär es fast eben so gut, man machte so wie die ersten Christen, oder die Jesuiten in Paraguay die Güter allgemein.“345

Jung-Stillings Meinung bildet nach Auswertung der kameralistischen Literatur aber eine Minderheitsmeinung, denn die Mehrheit der Kameralisten befür­ wortete das Projekt einer landwirtschaftlichen Versicherung. Die Gründe hierfür sollen noch einmal kurz zusammengefasst werden: Wie Cornel Zwierlein dies für den Versicherungsdiskurs an sich herausgearbeitet hat, wird auch die Sicherheitsproduktion im Agrarsektor mit den „eudämonistischen [bzw.] karitativ-philantropischen Staats- und Gesellschaftszielen“ des frühmodernen Staates verknüpft.346 Konkret bedeutet dies, dass die Kameralisten die Hagelversicherung als eine den Agrarsektor stimulierende Institution angesehen haben, welche auf der Grundlage fester Regeln und der Risikoübertragung das Sicherheitsbedürfnis der Landwirte befriedigen kann. Zudem würden die mit den Remissionen verbundenen Schwierigkeiten wegfallen, da der Landwirt einen konkreten Vertrag abschließen würde. Johann Friedrich von Pfeiffers Idee eines umfassenden Agrarversicherungsschutzes hat darüber hinaus auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren.347 Dass die Vorschläge aber Mängel aufweisen, wurde schon im Verlauf des Abschnitts deutlich. Zu kritisieren ist beispielsweise die Tatsache, dass die Prämienfestlegung oftmals willkürlich und ohne ausreichende Datengrundlage erfolgen sollte.348 Insgesamt bilden aber die kameralistischen Vorschläge die Grundlagen dafür, dass im Fall von Schäden nach Hagelschlägen ein Prozess eines Wechsels von kurzfristigen Bewältigungsstrategien wie der Hagelbettelei hin zu langfristigen Anpassungsstrategien und damit der Gründung von Hagelversicherungsunternehmen eingeleitet wurde.

344

Vgl. Jung, Lehrbuch (1788), S. 398. Jung, Lehrbuch (1788), S. 398 f. 346 Vgl. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 432, dort auch das wörtliche Zitat. 347 Vgl. Kapitel B.III.4.b). 348 Deren Notwendigkeit betont bereits Carl Theodor Beck in seinem Vorschlag aus dem Jahr 1804. Vgl. Beck, HagelSchadens-AssekuranzGesellschaften (1804), Sp. 345. 345

V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert

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V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert 1. Hinführung Neben den bereits skizzierten Aspekten ist für die Etablierung der Hagelassekuranz zudem ein Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erforderlich, um herauszuarbeiten, inwieweit ein Bedarf bzw. sogar ein günstiges Marktumfeld vorhanden war. Zunächst einmal ist zu beachten, dass es anders als in Groß­ britannien, Frankreich oder den Vereinigten Staaten in Deutschland keine revolutionären Umwälzungen gab, die für das eigene Bewusstsein prägend waren oder als Initialzündung für gesellschaftliche Veränderungen dienten.349 Die um die Wende zum 19.  Jahrhundert einsetzenden Modernisierungsschübe sollten daher weniger als Revolution, sondern vielmehr als „[…] innovative Anpassungen an einen Fundamentalwandel im geistigen (Französische Revolution) und räumlichen Umfeld (Reichsdeputationshauptschluß, territoriale Flurbereinigung)[…]“350 aufgefasst werden. In diesem Kontext entstanden zahlreiche neue Institutionen, welche den Grundstein für die – um Douglass North zu folgen – institutionelle Revolution im 19. Jahrhundert legten.351 Auch die Hagelversicherung war Teil des Prozesses und bildete einen der Knoten dieses neu entstehenden Institutionennetzwerks. Wie schon angedeutet, hat die Studie das Ziel, die Entwicklung der Hagel­ versicherung in Deutschland nachzuzeichnen, wobei sich dies zunächst auf das Gebiet des Alten Reiches bezieht.352 Die darin lebende Bevölkerung zählte um 1750 zwischen 22 und 26 Millionen Menschen und stieg bis 1800 auf ungefähr 25 bzw. 31 Millionen an,353 wobei dieses Wachstum weniger auf die Verbesserung der medizinischen und hygienischen Bedingungen zurückzuführen ist. Hierfür 349

Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 35. Walter, Sozialgeschichte (1998), S. 19. 351 Vgl. auch Wischermann/Nieberding, Revolution (2004), S. 30–50. 352 Der oft verächtliche Unterton, mit denen das Heilige Römische Reich insbesondere von der borussischen Geschichtsschreibung beschrieben wurde, ist in der neueren Forschung einer differenzierteren Betrachtung gewichen. So konnte z. B. nachgewiesen werden, dass es den damaligen Reichsinstitutionen durchaus möglich war, institutionelle Rahmenbedingungen wie militärische und rechtliche Sicherheit zu schaffen, die – zumindest ausreichende – Sicherheitsgarantien boten. So wurde beispielsweise die Vertragsfreiheit reichsweit ausgedehnt, was mit zur Senkung von Transaktionskosten in Handel und Gewerbe beigetragen haben dürfte. Vgl. Volckart, Zersplitterung (1999). 353 Vgl. Demel, Reich (2005), S. 80. Diese Zahlen entsprechen aber keineswegs einem ge­ sicherten Konsens. Beispielsweise geht Hans-Ulrich Wehler von einer Bevölkerung zwischen 16–18 bzw. 23–24 Millionen aus. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 69 f. David Blackbourn wiederum gibt für die Jahre zwischen 1770 und 1780 22 Millionen Einwohner an. Vgl. Blackbourn, Eroberung (2008), S. 33. Christian Pfister wiederum nimmt – allerdings für das Reichsgebiet im Umfang von 1914 – für 1750 eine Einwohnerzahl von 17,5 Millionen an, die sich bis 1800 auf 22 Millionen gesteigert hätte. Vgl. Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007), S. 10. Vgl. generell zur Diskussion un dem aktuellen Forschungsstand Hartmann, Bevölkerungszahlen (1995) bzw. Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007). 350

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

waren wohl eher Wechselwirkungen zwischen der noch zu diskutierenden guten ökonomischen Entwicklung im Agrarbereich und der positiven demographischen Entwicklung verantwortlich.354 Welcher der beiden Faktoren hierbei die treibende Kraft war und den jeweils anderen beeinflusst hat oder ob es hier überhaupt einen Zusammenhang gab, kann letztendlich nicht mehr festgestellt werden.355 Immer noch wohnten um die 90 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten, die Stadtbevölkerung dürfte somit nicht mehr als 10 Prozent umfasst haben.356 Migrationsbewegungen waren auch im 18. Jahrhundert kein ungewöhnliches Phänomen, wie beispielsweise die Einwanderung von mehr als 300.000 Menschen nach Preußen während der Regierung von Friedrich dem Großen zeigt.357 Zusammen mit der wachsenden Mobilität von Arbeit und Kapital ist diese Binnenwanderung ein Anzeichen dafür, dass die deutsche Gesellschaft nicht statisch war. Vielmehr sollte sich in diesen Jahren eine Dynamik entwickeln, die schließlich eine Reform der althergebrachten Zustände mit auslöste.358 2. Die Situation im Agrarsektor Unabhängig davon, welchen Stellenwert man den Impulsen für die Entwicklung von Handel und Gewerbe zubilligt, die vom Verlagssystem ausgingen und in der Forschung als ‚Proto-Industrialisierung‘ oder ‚Industrialisierung vor der In­ dustrialisierung‘ bezeichnet werden,359 bleibt festzuhalten, dass im 18. Jahrhun 354 Allerdings blieb die Säuglingssterblichkeit immer noch bemerkenswert hoch: Sie betrug in Norddeutschland im 18. Jahrhundert in ländlichen Gebieten zwischen 9 % und 25 %, in manchen Teilen von Süddeutschland überlebten sogar nur zwei von drei Kinder. Vgl. Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007), S. 35. Die Situation sollte sich im Übrigen auch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch nicht entspannen. Beispielsweise starben in Preußen selbst zwischen 1821 und 1830 noch 17,5 Prozent der Säuglinge. Vgl. Fischer/Krengel/Wietog, Arbeitsbuch (1982), S. 33. 355 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S.  70. Wehler spricht in diesem Zusammenhang von einem „dialektischen Wechselverhältnis“. Ebd. 356 Vgl. Mager, Landwirtschaft (1989), S. 73. Allerdings gab es bereits um 1800 Großstädte wie Berlin oder Hamburg mit 172.000 bzw. 130.000 Einwohnern. Vgl. Mooser, Unterschichten (1989), S. 319. 357 Vgl. Demel, Reich (2005), S. 80–87, Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007), S. 44–58 sowie Blackbourn, Eroberung (2008), S.  65. Vgl. generell zur Stadt-Land-Beziehung bzw. dem Mensch-Raum-Verhältnis Zimmermann, Dorf (2001) und Troßbach, Dynamik (2001). Dass aus den deutschen Territorien auch viele Menschen auswanderten, wird nicht weiter thematisiert. Verschwiegen werden dürfen in diesem Zusammenhang aber auch nicht die negativen Folgen, welche vom kontinuierlichen Bevölkerungsanstieg ausgingen und sich insbesondere in der Verelendung großer Teile der Bevölkerung im Zeit­alter des Pauperismus gezeigt haben. Hierauf wird im Verlauf des Textes noch eingegangen werden. 358 Vgl. Volckart, Transformation (2001), S. 306 sowie Blackbourn, Eroberung (2008), S. 70. 359 Das Konzept der Proto-Industrialisierung geht auf Franklin Mendels zurück. Vgl. Mendels, Protoindustrialization (1972). Peter Kriedte, Hans Medick und Jürgen Schlumbohm wiederum sprechen von einer Industrialisierung vor der Industrialisierung. In ihrer Studie untersuchen sie die strukturellen Veränderungen des Arbeitsprozesses und sehen in der Ver-

V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert

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dert immer noch der Agrarsektor das ökonomische Geschehen in den deutschen Territorialstaaten bestimmte.360 Circa 75 bis 85 Prozent der Beschäftigten fanden ihr Auskommen in der Landwirtschaft. Zudem wurde um 1800 ein Drittel der gesamten Fläche für die Erzeugung von Agrarprodukten verwendet, wobei mit über 60 Prozent der Getreideanbau die größte Bedeutung hatte.361 Wer war dort aber tätig? Denn anders als bislang von der Agrarforschung angenommen,362 scheint der Begriff ‚Bauer‘ bzw. ‚Bauernstand‘ in spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Quellen nicht als Sammelbegriff für die damals im Agrarsektor tätigen Personen verwendet worden zu sein. Begriffsgeschichtlich ist es daher zielführender, zu differenzieren und neben ‚Bauer‘ beispielsweise auch von ‚armen Leuten‘, ‚Leibeigenen‘ und ‚Landwirten‘ zu sprechen.363 Denn speziell im 18. Jahrhundert spielte der Begriff des Landwirts im Zuge des kameralistischen Diskurses eine bedeutende Rolle. Der ‚Krünitz‘ definiert hier wie folgt:

dichtung des ländlichen Gewerbes eine Vorstufe der Industrialisierung, wobei der Schwerpunkt auf der Textilherstellung lag. Es kam im ländlichen Raum zur Herausbildung einer Reihe von Zentren des oft von Verlegern organisierten Heimgewerbes, was wohl mit einer Auflösung der bisherigen feudalen Verhältnisse einherging. Nach Auffassung von Kriedte, Medick und Schlumbohm spielt für die zunehmende Dynamik im Gewerbebereich neben der steigenden Nachfrage insbesondere das Bevölkerungswachstum eine große Rolle. Zur Steigerung des Familieneinkommens habe man sich neben der eigentlichen Tätigkeit im Agrarbereich zusätzlich auf das Heimgewerbe konzentriert und auch bewusst die Ausbeutung von Seiten der Verleger in Kauf genommen. Kurzfristig gesehen habe dieses System die Be­ völkerungssteigerung weiter forciert, da somit weitere Arbeitskräfte zur Verfügung gestanden seien. Mittelfristig sei dieses System jedoch an seine Grenzen gestoßen, da man die kontinuierlich wachsende Nachfrage nicht mehr durch eine weitere Ausdehnung des Arbeitskräfteangebots im Heimgewerbebereich befriedigen konnte. Vielmehr sei ein Übergang zur Lohnarbeit bzw. dem Fabriksystem unumgänglich gewesen, um das wirtschaftliche Wachstum weiterhin sicherstellen und durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze dem Zustand der Verelendung entgegentreten zu können. Vgl. Kriedte/Medick/Schlumbohm, Industrialisierung (1978), speziell S. 272–321. Das Konzept löste heftige Debatten aus, u. a. über die von Kriedte, Medick und Schlumbohm gewählte Periodisierung. Gab es beispielsweise nicht auch schon im Mittelalter proto-industrielle Tendenzen? V.a. aber wird bezüglich des Beitrags der Proto-Industrie zum Durchbruch der Industrialisierung diskutiert, dem man je nach Sichtweise ein größeres Gewicht oder eine geringere Bedeutung zubilligt. Vgl. Linde, Proto-Industrialisierung (1980) sowie Mager, Protoindustrialisierung (1988). Vgl. hierzu antwortend und mitunter ihre ursprünglichen Ausführungen hinterfragend Kriedte/Medick/Schlumbohm, Proto-Industrialisierung (1983), Kriedte/Medick/Schlumbohm, Sozialgeschichte (1992) sowie Kriedte/Medick/Schlumbohm, Forschungslandschaft (1998). Trotz berechtigter Diskussionpunkte kann dem Konzept insgesamt die Originalität – man denke nur die fruchtbare Verbindung von Gewerbe-, Agrar- oder Bevölkerungsgeschichte – nicht abgesprochen werden. 360 Vgl. North, Handelsexpansion (2005), S. 134–154. 361 Vgl. Mager, Landwirtschaft (1989), S. 73 f. sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 75. 362 Vgl. Rösener, Bauern (1991), S. 204–206. 363 Vgl. Konersmann, Suche (2012), S.  67–70; 78–84 sowie generell Rippmann, Bilder (2012).

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

„[N]ur derjenige [ist] ein Land-Wirth, welcher ein eigenes Land-Gut besitzt, und dasselbe zu seinem selbsteigenen Besten beurbaret. Doch kann man auch einen solchen, der ein ganzes Gut, oder wenigstens einen ansehnlichen Theil desselben, in Pacht oder Verwaltung hat, und zum Besten seines Herrn zu nutzen sucht, mit diesem Nahmen beehren, zumahl da sich, in Ansehung der zu beobachtenden Pflichten und erforderlichen Geschicklichkeit, zwischen beyden kein sonderlicher Unterschied findet.“364

Eines der Kriterien war somit der Besitz oder zumindest die Pacht von Grund und Boden. Mit dem Hinweis, dass ein Pächter das Grundstück „zum Besten seines Herren“ nutzen sollte, sind indirekt weitere Aspekte angesprochen, die einen ‚Landwirt‘ auszeichnen würden. Den Kameralisten zufolge war dies das Eigeninteresse bzw. die Absicht einer Gewinnerzielung, für die wiederum beispiels­weise eine Verbesserung der Anbaumethoden notwendig gewesen sei. Gerade diese Zukunftsorientierung würde den ‚Landwirt‘ aber sowohl von den ‚Bauern‘ als auch den Großgrundbesitzern unterscheiden. Jedenfalls scheint ab ungefähr 1750 ‚Landwirt‘ als Oberbegriff für alle Agrarproduzenten verwendet worden zu sein, die eine rationale Bewirtschaftung ihrer Betriebe auf Basis von neuen agrartechnischen Erkenntnisse betrieben. Der Begriff des Bauern365 trat dagegen mehr und mehr in den Hintergrund und wurde vor allem dann im 19. Jahrhundert verklärt bzw. mit romantischen Vorstellungen von Naturidylle und Moral angesichts von Industrialisierung und Urbanisierung verbunden.366 Die Agrargeschichtsschreibung wiederum differenziert auch nach Vollbauern sowie den Zu- und Nebenerwerbslandwirten. Ein Zuerwerbslandwirt erwirtschaftet mehr als 50 Prozent seines Einkommens aus einer landwirtschaftlichen Tätigkeit, wohingegen der Nebenerwerbslandwirt unterhalb dieser Grenze liegt – wobei dieser Anteil sogar gegen Null gehen kann. Beide sind auf weitere Verdienstmöglichkeiten angewiesen, wobei definitionsgemäß der Nebenerwerbslandwirt aus seinen anderen Tätigkeiten sein Haupteinkommen erzielt. Im 18.  und frühen 19.  Jahrhundert wurde dies im Heimgewerbe  – z. B. in der verlags­mäßig organisierten Textilherstellung  – erwirtschaftet, so dass von einer „agraischgewerbliche[n] Mischexistenz“367 gesprochen werden kann. Dagegen konnte ein Vollbauer unabhängig von der Größe des Besitzes sein notwendiges Einkommen vollständig durch seine landwirtschaftliche Haupttätigkeit erarbeiten. Entsprechend sahen die Vollbauern insbesondere die Nebenerwerbslandwirte als die ‚kleinen Leute‘ an. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass innerhalb des Vollbauernstandes alle Unterschiede verwischt waren, denn letztendlich bestimmte immer der Umfang der bewirtschafteten Fläche den sozialen Status in der Dorfgemeinschaft. Der Besitzumfang war im Übrigen auch durch das jeweils geltende Erbrecht determiniert. Im Südwesten des Reiches, in Unter- und 364

Krünitz, Band 63, Artikel Land-Wirth (1794), S. 612. Allerdings wird vor dem Hintergrund eines besseren Leseflusses im Verlauf des Textes weiterhin sowohl von Bauern als auch Landwirten gesprochen. 366 Vgl. Konersmann, Suche (2012), S. 75–77 sowie Gerhard, Bild (2012), S. 114–116. 367 Mooser, Unterschichten (1989), S. 320. 365

V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert

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Oberfranken sowie in Hessen und Thüringen herrschte die Realteilung und damit die Aufteilung unter mehreren Erbberechtigten vor. Die Folge war eine immer größere Zersplitterung der Flur und eine entsprechende Zunahme der Klein­ bauernstellen. Im Rest des Landes dominierte die Anerbensitte und speziell in Nordwestdeutschland gab es in den dortigen Anerbengebieten viele Großbauern. Der Anteil der Vollbauern an der Landbevölkerung ging im Verlauf der hier behandelten Zeit zurück, da sich infolge der von Preußen und anderen deutschen Staaten betriebenen Bauernschutzpolitik immer mehr die Anerbensitte und damit die geschlossene Hofübergabe durchsetzte. Damit sanken trotz bestimmter Abfindungsleistungen368 viele der Nachgeborenen auf den Status von Dienstboten oder Gesinde herab oder suchten ihr Einkommen außerhalb des Agrarbereichs zu erwirtschaften. Hier eine genaue prozentuale Verteilung anzugeben, ist jedoch schwierig. Die Angehörigen dieser unterbäuerlichen Schicht369 verfügten zwar mitunter über eine Stelle, die aber einen zu geringen Umfang hatte, um ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.370 Die prekäre Situation der konti­ nuierlich anwachsenden bäuerlichen Unterschicht verschärfte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts und diese wurde mit am schlimmsten von der Pauperismuskrise getroffen.371 a) Agrarkonjunktur Die überwiegende Mehrheit der Landbevölkerung wandte den größten Teil des ihnen zur Verfügung stehenden Einkommens für Lebensmittel auf. Die Ernährung wiederum veränderte sich im Zug des Übergangs vom Fleischstandard des Spätmittelalters  – der eine Folge der damals vorherrschenden extensiven Land 368

Vgl. Pfister, Bevölkerungsgeschichte (2007), S. 27. Die Angehörigen dieser bäuerlichen Unterschicht wurden regional unterschiedlich bezeichnet und waren u. a. als Kötter (Westfalen), Gärtner (Ostdeutschland, z. B. in Schlesien) oder Häusler (Bayern) bekannt. Diese Gruppe war durch Vertrag an das jeweilige Landgut gebunden, besaß aber ein eigenes Haus und hatte ein kleines Stück Land gepachtet. Hiervon abzugrenzen ist das Gesinde, bei dem es sich weniger um eine soziale Schicht handelte. Vielmehr setzte sich diese Gruppe aus den jungen, unverheirateten Knechten und Mägden zusammen, womit das Alter das charakteristische Merkmal ist. Vgl. Mooser, Unterschichten (1989), S. 319 f. sowie Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 276–282. 370 Dies ist nicht gleichbedeutend mit der Möglichkeit, eine Familie zu ernähren. Etliche Kleinstellenbesitzer waren durchaus in der Lage, die notwendigen Lebensmittel selbst zu produzieren, weshalb mitunter die Abhängigkeiten von Schwankungen der Agrarkonjunktur weniger dramatisch ausfielen, als man dies gemeinhin annimmt. Jedoch benötigten die Besitzer von kleineren Stellen i. d. R. immer ein zusätzliches Geldeinkommen aus einem Zu- oder Nebenerwerb, um dadurch ihre übrigen Ausgaben und insbesondere die zu leistenden Abgaben aufbringen zu können. Entsprechend ist aus dem Umfang der Stelle nicht das Gesamteinkommen ableitbar, so dass ein Angehöriger dieser Unterschicht mit entsprechenden zusätzlichem Verdienst durchaus mehr haben konnte als der Bewirtschafter eines kleinen Vollhofes. 371 Vgl. falls nicht anders zitiert Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 20–37 sowie Henning, Handbuch (1991), S. 817–819. 369

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

wirtschaft war – hin zum Getreidestandard der Frühen Neuzeit: In den Jahren von 1500 und 1800 machten Getreideprodukte zwischen 50 und 70 Prozent der Ernährung der mittel- und westeuropäischen Bevölkerung aus.372 Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Getreidepreise bzw. deren Veränderungen einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben der Menschen hatten. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Indikator hinsichtlich der Erforschung der ökonomischen Entwicklung der Frühen Neuzeit. Aufgrund des hohen Anteils an der Ernährung ist von Seiten der einzelnen Haushalte eine einkommensunelastische Nachfrage für Getreideprodukte nachweisbar.373 Daneben hatten die Getreide- bzw. Agrarpreise Einfluss auf die Gesamtkonjunktur, da Ernteausfälle und damit steigende Preise einen Nachfrageeinbruch bei anderen Gütern und Dienstleistungen bewirkten. Gute Jahre konnten dagegen die Wirtschaft stimulieren.374 Somit kann die Agrar­ konjunktur als Zyklus der Veränderung der Preise375 für landwirtschaftliche Produkte definiert werden. Als Agrarkrise bezeichnet man den Abschwung der Konjunkturbewegung, welche sich als Unterkonsumtions- und Überproduktionskrisen bis in das 19. Jahrhundert gezeigt haben.376 Bezüglich der Konjunkturbewegung geht die Agrargeschichtsschreibung von folgenden langen Wellen aus: Während im 17.  Jahrhundert ein Abschwung der Agrarpreise zu beobachten war, trat in den folgenden 100 Jahren langfristig eine positive Entwicklung ein. Gab es bis 1720 noch eine Stagnation, folgte bis ungefähr zur Jahrhundertmitte ein leichter Aufschwung, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts an Intensität zunahm.377 Betrug der durchschnittliche Preis 1741–1750 372

Vgl. Henning, Dienste (1969), S. 125 sowie Abel, Massenarmut (1986), S. 64–67. Vgl. Dipper, Geschichte (1991), S. 184, Bauernfeind/Woitek, Influence (1999), S. 304 sowie generell Lorenzen-Schmidt, Agrarpreise (2005). 374 Vgl. Campbell/Overton, Perspective (1993), S.  66 sowie Bauernfeind/Woitek, Cycles (1996), S. 459 f. 375 Hierbei ist nach kurz-, mittel- und langfristigen Ursachen zu unterscheiden, welche vom Ausfall der jährlichen Ernte bis hin zu strukturellen Änderungen bei Angebot und Nachfrage reichen. Dass Faktoren wie das Bevölkerungswachstum ebenfalls eine Rolle gespielt haben, erscheint einleuchtend, wird aber im vorliegenden Zusammenhang nicht thematisiert. Vgl. Lorenzen-Schmidt, Agrarkonjunktur (2005), Sp. 111. 376 Klassisch ist hierzu immer noch Wilhelm Abels Studie zu Agrarkrisen und Agrarkonjunk­ tur. Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978). Vgl. für eine kritische Würdigung Achilles, Landwirtschaft (1991), S. 69–75 bzw. generell zum Thema Lorenzen-Schmidt, Agrarkonjunktur (2005). 377 Nach 1750 war die Entwicklung zunächst durch die Folgen des Siebenjährigen Krieges geprägt. Die anschließende Erholungsphase wurde durch den erneuten Konjunktureinbruch zu Beginn der 1770er Jahre und der daraus folgenden Teuerungskrise 1771/72 unterbrochen, welche eine Folge der Missernten von 1770 und 1772 waren. Verantwortlich für das Aus­ bleiben der Ernte waren europaweit auftretende Klimaanomalien, deren Folgen sich auch in steigenden Preisen zeigten. Beispielsweise musste man im Erzgebirge für ein Sechspfundbrot im Frühsommer 1772 12 Groschen bezahlen, was das Sechsfache des Preises vom Frühjahr 1770 war. Ein Bergmann verdiente während der Krise weiterhin durchschnittlich 24 Groschen in der Woche, wodurch Spielraum für andere Ausgaben nur in sehr begrenztem Umfang vorhanden war. Hungerkrisen konnten zudem die Legitimität von Herrschaft erschüttern, weshalb von Regierungsseite Maßnahmen angestrengt wurden, der eigenen Bevölkerung ein Gefühl 373

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52,7 Gramm Silber je 100 kg Roggen, war dieser für die Dekade von 1791–1800 auf 75,4 angestiegen.378 Der wesentliche Grund für diesen Trend lag in der rela­tiven Verknappung der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei gleichzeitigem Wachstum der Bevölkerung.379 Auch stiegen die Preise für Agrarprodukte stärker als die­jenigen für einkommenselastisch nachgefragte Güter wie gewerbliche Erzeugnisse und ließen speziell die Löhne hinter sich. Diese stagnierten als Folge des größeren Arbeitskräfteangebots, was im Ergebnis eine gesunkene Kaufkraft vieler Realeinkommen zur Folge hatte. Erst ab circa 1780 zog das Lohnniveau der Preisentwicklung hinterher. Am stärksten konnten die Besitzer von Groß­betrieben von der positiven Agrarkonjunktur profitieren, da ihnen nach Abzug des Eigenverbrauchs noch ein wesentlicher Teil der Ernte für den Verkauf zur Verfügung stand.380 Da wie gesehen die Löhne weniger stark als die Preise gestiegen waren, wurden die zusätzlichen Einnahmen nicht durch höhere Kosten relativiert, so dass den Großgrundbesitzern unter dem Strich höhere Einkommen zur Verfügung standen.381 Auch die Vollbauern dürften wohl von den gestiegenen Preisen profitiert haben, je nachdem, wie hoch der für den Markt zur Verfügung stehende Ernteanteil war. Dem standen aber Ausgaben wie die ebenfalls angestiegene Feudalquote gegenüber. Verlierer waren diejenigen Angehörigen der Landbevölkerung, welche Lebensmittel zukaufen mussten, wobei es sich überwiegend um Kleinststellenbesitzer handelte.382 Im Übrigen machten auch die Preise für Grund und Boden einen deutlichen Sprung nach oben, da sie zwischen 1770 und 1800 um bis zu 300 Prozent stiegen und es zu einer regelrechten Spekulationswelle mit Grundstücken kam.383 Mit der Preissteigerung ging aber eine zunehmende Verschuldung der Sicherheit zu geben, wofür beispielsweise Getreidespeicher als sichtbares Zeichen dienen konnten. Jedoch gewann die durch diese Krise unterbrochene konjunkturelle Erholung ab ungefähr 1780 wieder an Dynamik, so dass im Ergebnis um 1810 die Agrarpreise das 2,1-fache des Wertes von 1740 erreicht hatten. Vgl. Abel, Landwirtschaft (1971), S. 507–514, Achilles, Auswirkungen (1974), Saalfeld, Lebensstandard (1974), S. 419–422, Abel, Agrar­ krisen (1978), S. 196 f., Abel, Massenarmut (1986), S. 46–54 sowie Collet, Kultur (2013). 378 Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S. 308 f. Die stärksten Preissteigerungen bei Brotgetreide waren in Nordwestdeutschland zu verzeichnen, die geringsten im Süden des Landes. Vgl. Abel, Landwirtschaft (1971), S. 523 f. Vgl. zur Kritik an Abel und dessen Auffassung einer zentralen Rolle der Agrarpreise für das bäuerliche Einkommen Freiburg, Agrarkonjunktur (1977). 379 Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 248. 380 Erhielt der Gutsbesitzer zudem noch Naturalrenten von seinen Bauern, wurde dieser Teil ebenfalls auf den Markt gebracht. Zudem konnte er von der Arbeitsleistung seiner abhängigen Bauern profitieren. Diese beiden Punkte waren im Übrigen wesentliche Gründe dafür, dass der Adel der Bauernbefreiung einen derart vehementen Widerstand entgegenbrachte. 381 Vergessen werden darf natürlich nicht, dass die Gutsbesitzer von Konjunkturkrisen entsprechend härter getroffen wurden. Um den Lebensstil halten zu können, verschuldeten sich viele von ihnen während der Krise. 382 Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S.  214–216 sowie Achilles, Agrargeschichte (1993), S. ­77–90. 383 Güter, die oft jahrhundertelang im Familienbesitz waren, wechselten in diesen Jahren gleich mehrfach den Besitzer. In Holland, wo Ähnliches zu beobachten war, wurde die Grundstücksspekulation im Übrigen mit der Tulpenmanie aus dem 17. Jahrhundert verglichen.

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einher und um die Jahrhundertwende platzte schließlich die Spekulationsblase im Zuge der einsetzenden Agrarkrise.384 Auf lange Sicht gesehen entwickelte sich die Agrarkonjunktur bis zur Wende zum 19.  Jahrhundert aber positiv  – so zynisch dies angesichts der immer noch auftretenden Hungerjahre auch klingen mag. Allerdings wurde auch vielen Zeit­ genossen immer bewusster, dass zur Fortsetzung dieses Trends flankierende Maßnahmen wie die Ausdehnung der Produktion, agrartechnische Neuerungen und eine Reform der Agrarverfassung notwendig waren. Was es damit auf sich hatte und ob sich diese ähnlich wie die Agrarkonjunktur stimulierend auf die Ent­ wicklung der Hagelversicherung ausgewirkt haben, wird in den folgenden Kapiteln diskutiert. b) Agrarverfassung Obwohl es beispielsweise in Mecklenburg, Schleswig, Holstein oder Ostfriesland bereits Bauern mit vollem Eigentum an Grund und Boden gab,385 waren die meisten ihrer Standesgenossen im Rahmen des Feudalsystems an einen Grundoder Gutsherren gebunden.386 Damit sind auch schon die Hauptausprägungen oder Idealtypen387 der damaligen Agrarverfassung genannt, da vereinfacht gesagt die meisten Bauern entweder der Grund- oder der Gutsherrschaft unterstanden. Die Grundherrschaft war tendenziell in Nordwest-, West- und Süddeutschland anzutreffen, während die Gutsherrschaft östlich der Elbe vorherrschend war. Diese Zweiteilung bedeutet jedoch kein Ausschließlichkeitskriterium, da eine konkrete Zuordnung einzelner Landschaften zur Grund- oder Gutsherrschaft keine eindeutigen Ergebnisse liefert,388 weshalb die immer wieder zitierte „Ost-West-Dicho­

384 Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S. 217–219 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 88 f. 385 Es würde den Rahmen der Arbeit sprengen, auf sämtliche Einzelheiten der Grund- und Gutsherrschaft einzugehen, weshalb nur Trends und große Entwicklungslinien aufgezeigt werden. Der späteren Argumentation tut dies aber keinen Abbruch. 386 Vgl. Mager, Landwirtschaft (1989), S. 75 sowie Troßbach, Gutsherrschaft (2003), S. 48. 387 Lütge unterscheidet fünf verschiedene Idealtypen der Agrarverfassung: Erstens die mitteldeutsche Grundherrschaft, in der er Merkmale der Gutsherrschaft im Osten und der Grundherrschaft der westlichen Landesteile vereint sieht. Zweitens die nordwestdeutsche Grundherrschaft, welche zu Beginn durch das Meierrecht geprägt war, das sich später zu einem erblichen Nutzungsrecht entwickelte. Drittens die westdeutsche Grundherrschaft, in deren Rahmen der Adel oder die Kirche ihre Höfe für gewöhnlich verpachtet hatten. Der Rest des Ackerlandes wurde von den Bauern als Eigentum oder in Erbzinsrecht gehalten. Viertens die südwestdeutsche Grundherrschaft, in der das bäuerliche Erblehen dominierte. Fünftens schließlich die südostdeutsche Grundherrschaft, die oftmals durch ein schlechtes Besitzrecht auf Seiten der Bauern, aber auch durch die geringe Bedeutung der Leibeigenschaft geprägt war. Vgl. Lütge, Geschichte (1967), S. 182–200. 388 Vgl. von Friedeburg, Gewerbe (2001), S. 148.

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tomie“389 bezüglich der jeweils vorherrschenden Agrarverfassung nicht aufrechterhalten werden kann. Die Grundherrschaft im Westen und Süden basierte auf dem Prinzip, dass der Grundherr das Obereigentum am Boden besaß (‚dominium directum‘).390 Dem Bauern wurde das Untereigentum (‚dominium utile‘) in Form eines Zins- oder Erbzinsgutes zugesprochen. Als Gegenleistung für das in Pacht übernommene Grundstück entstand eine rechtliche Abhängigkeit, die ökonomische Verpflichtungen nach sich zog. Einmal musste der Pächter regelmäßige Abgaben in Form von Naturalien oder Geld leisten sowie bestimmte Frondienste auf den Feldern des Grundherrn erbringen.391 Daneben gab es unregelmäßige Leistungen, in denen sich noch die Reste der persönlichen Unfreiheit – die im Laufe der Zeit immer mehr verschwunden war392 – zeigten. Wollte der Bauer beispielsweise die Scholle verlassen, musste er sich freikaufen. Zudem ergaben sich Konflikte über das Ausmaß dieser unregelmäßigen Abgaben, da die Grundherren versuchten, möglichst den kompletten Überschuss der bäuerlichen Produktion abzuschöpfen. Bei schweren Verfehlungen des Pächters hatte der Grundherr zudem die Möglichkeit, sofort den Pachtvertrag zu beenden.393 Das Konstrukt brachte dem Bauern aber nicht nur Nachteile ein. Geriet er in unverschuldete Not wie beispielsweise nach einem Hagelschlag und dem Verlust seiner Ernte, konnte er im Rahmen des soeben aufgezeigten Rechtsverhältnisses die Remission seiner Verpflichtungen beantragen.394 Im Übrigen sahen sich viele adelige Grundherren nicht als Vollerwerbslandwirte und verfügten daher meist nur über eine kleine eigene Hofwirtschaft. Vielmehr waren sie an der Feudalrente aus ihren Gütern interessiert, welche die ökonomische Basis für ihre Tätigkeiten in Diplomatie oder Militär bildete.395 Die nördlich und östlich der Elbe vorherrschende Gutsherrschaft396  – von Friedrich Lütge in seiner klassischen Studie zur Agrarverfassung als „[…] Herrschaft über Menschen, die auf einem bestimmten Grund und Boden – an dem der Herr die Gewere hat  – ansässig sind und die darum von der Herrschaft erfasst 389

Von Friedeburg, Felder (2004), S. 80. Vgl. zu den rechtshistorischen Aspekten der Agrarverfassung bzw. der Verrechtlichung von sozialen Konflikten im Agrarbereich Schulze, Entwicklung (1990). 391 Der Bauer delegierte diese Verpflichtungen oftmals an seine Knechte und Mägde. 392 Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 254 f. 393 Im Laufe der Frühen Neuzeit verbesserte sich die rechtliche Situation der Pächter. Beispielsweise hatte sich vor dem Hintergrund der intensiveren Perzeption des Naturrechts und der grundsätzlichen Betonung der Freiheit aller Menschen die Prozesspraxis im 18.  Jahrhundert wesentlich geändert: Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit von Forderungen lag nun beim Grundherren und nicht beim Bauern. Allerdings bedeutete diese allmähliche Erosion des Feudalsystems nicht, dass damit alle Belastungen für die Bauern verschwunden waren. Vgl. Achilles, Landwirtschaft (1991), S. 40 f.; 91–100 sowie Schulze, Entwicklung (1990), S. 139–141; 145–159. 394 Vgl. Göttsch, Leibeigene (1991), S. 177–186. 395 Vgl. z. B. für Österreich Matis, Rolle (1981), S. 270 f.; 282. 396 Vgl. ausführlich Peters, Gutsherrschaftsgeschichte (1995). 390

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werden“397 definiert – unterschied sich hiervon in einigen Punkten. Sie wird meist als Sonderform der Grundherrschaft angesehen, da der Gutsherr die Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft in einem abgerundeten Gebiet ausübte, so dass das Territorialprinzip das wesentliche Merkmal bildete.398 Allerdings war die Gutsherrschaft durch „[…] ein höheres Maß an Repression und Ausbeutung, oft abgesichert durch Formen persönlicher Unfreiheit wie Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit, sowie ein geringeres Maß an bäuerlicher Selbständigkeit  […]“399 gekennzeichnet. Als ein Charakteristikum ist hier das personenrechtliche Abhängigkeitsver­ hältnis und damit die Gutsuntertänigkeit der Bauern anzuführen, woraus sich wiederum die Schollenbindung bzw. die Leibeigenschaft sowie die Verpflichtung zur Erbringung von Arbeits- und Dienstleistungen ergaben.400 Anders als bei der Grundherrschaft waren die Gutsherren an der Arbeits- und nicht an der Feudal­ rente interessiert. Die dahinter stehende Idee bestand darin, dass der Gutsbetrieb mit Hilfe dieser Dienste auf Lohnarbeitskräfte verzichten konnte.401 Ein zweites Merkmal bildete das so genannte grundrechtliche Abhängigkeitsverhältnis, das sich in der unterschiedlichen Verfügungsgewalt der Pächter über Grund und Boden zeigte. Da den Erbpächtern ein de facto Eigentum an Grund und Boden besaßen, war eine gewisse Kontinuität hinsichtlich des familiären Besitzes sichergestellt. Schlechter gestellt waren diejenigen Bauern, die den Hof auf Lebenszeit oder gar nur für eine bestimmte Anzahl von Jahren übertragen bekamen. Voll­ bauern hatten Spanndienste zu verrichten,402 die nichtspannfähigen Zuerwerbsoder Nebenerwerbslandwirte wie Büdner und Häusler mussten Handdienste leisten. Wie sind diese beiden Idealtypen der Agrarverfassung zu bewerten? Erstens wird deutlich, dass im Fall der Gutsherrschaft die personelle Bindung zwischen Gutsherr und Pächter weit mehr ausgeprägt war als bei der Grundherrschaft. Der Bauer war dem Gutsherren zu Treue und Gehorsam verpflichtet, wofür er als Gegenleistung Hilfe in Zeiten der Not und im Alter erwarten konnte, was ähnlich wie bei der Grundherrschaft aus institutionenökonomischer Sicht durchaus posi-

397

Lütge, Geschichte (1967), S. 46. Vgl. Rösener, Einführung (1997), S. 108. Allerdings ist die Ansicht, ob es sich bei der Gutsherrschaft um eine Erweiterung der Grundherrschaft oder um eine fundamental andere Herrschaftsform handelt, in der Literatur umstritten. Vgl. Münch, Gutsherrschaft (2006), Sp. 1198. 399 Troßbach, Gutsherrschaft (2003), S. 31. 400 Vgl. Dipper, Geschichte (1991), S. 122 f. 401 Der Frondienst war an den Besitz einer bäuerlichen Stelle gekoppelt, der Gesindedienst eine Folge der persönlichen Unfreiheit. Vgl. für die hiermit verbundenen Konflikte am Beispiel von Schleswig und Holstein Göttsch, Leibeigene (1991), S. 102–201. 402 Oft wird in diesem Zusammenhang vergessen, dass die spannfähigen Bauern neben dem Stellen ihres Viehs bzw. ihrer Arbeitskraft auch Aufwendungen in Form des Geräteunterhalts hatten. Den Verschleiß, der sich aufgrund der zu leistenden Dienste ergab, musste der Bauer alleine tragen. Vgl. Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 28 f. 398

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tiv gesehen werden kann. Negativ waren die fehlenden Anreizstrukturen für die­ Bauern, so dass nicht mehr als unbedingt nötig geleistet wurde und natürlich die persönliche Unfreiheit. Zweitens übte der adelige Gutsherr einen größeren Einfluss auf das bäuerliche Leben aus als der Grundherr, da er auch über hoheitliche Rechte wie die Polizeigewalt oder die Patrimonialgerichtsbarkeit verfügte.403 Anders als ihre Standesgenossen in den westlichen und südlichen Ländern des Reiches sahen sich zudem die Gutsherren als Vollerwerbslandwirte, wodurch die hörigen Bauern de facto ein Teil der adeligen Gutsherrschaft waren.404 3. Agrarmodernisierung und Agrarreformen Für die Zeit des 18.  und 19.  Jahrhunderts soll unter Agrarmodernisierung405 eine Neugestaltung des Faktoreinsatzes und der damit verbundene Wandel der technischen,406 sozio-kulturellen und politischen Rahmenbedingungen verstanden werden, der ungefähr von 1750 bis 1850 anzusetzen ist. Hierbei können nochmals drei Abschnitte unterschieden werden:407 Erstens die Zeit von 1750 bis un­ gefähr 1800, welche durch die Einleitung erster Reformschritte hinsichtlich der Agrar­verfassung geprägt war.408 Einen wichtigeren Grund für die spätere Entwicklung stellte aber die bemerkenswerte Zunahme des Interesses an landwirtschaftlichen Fragestellungen dar, was unter dem Begriff Agrarbewegung zusammengefasst werden kann. Eingebunden waren diese Prozesse in den größeren Kontext der so genannten Ökonomischen Aufklärung. Der zweite Abschnitt der gewählten

403 Im Fall der Gutsherrschaft verschlechterte sich im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts die Position der Bauern, da die Frondienste ausgeweitet oder das Bauernlegen – also der Einzug von wüst gewordenen Stellen und deren Umwandlung in Gutsland – intensiviert wurde. 404 Falls nicht anders zitiert vgl. für die Grund- und Gutsherrschaft Lütge, Geschichte (1967), S. 116–188, Mager, Landwirtschaft (1989), S. 75–87, Achilles, Landwirtschaft (1991), S. 28–41, Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 42–48, Dipper, Landwirtschaft (1993), Rösener, Einführung (1997), S.  106–132, Pfister, Agrarverfassung (2005), Blickle, Grundherrschaft (2006), Flügel, Grundbesitz (2006), Münch, Gutsherrschaft (2006) sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 71–74. 405 Wie im vorangegangenen Kapitel handelt es sich hier ebenfalls um eine Überblicksdarstellung. Dem Autor ist bewusst, dass viele der aufgezeigten Phänomene vor dem Hintergrund zeitlicher, regionaler und sozialer Differenzierungen diskutiert werden müssten. Dies würde jedoch den Rahmen der Studie sprengen. Für die spätere Argumentation hinsichtlich der Impulse für die Hagelversicherungsbranche genügt es aber, die großen Entwicklungslinien aufzuzeigen. Im Übrigen vermeidet die neuere Forschung den Begriff ‚Agrarrevolution‘ und spricht von ‚Agrarmodernisierung‘. Vgl. Konersmann, Agrarrevolution (2005) sowie Osterhammel, Verwandlung (2009), S. 316–322. 406 Der Technikbegriff in der Landwirtschaft umfasst zwei Aspekte. Im weiteren Sinne beschreibt er die verschiedenen Produktionstechniken, im engeren Sinne wird darunter der Maschineneinsatz verstanden. Vgl. Stadler, Technikgeschichte (1999), S. 199. 407 Vgl. Brakensiek/Mahlerwein, Agrarreformen (2005), Sp. 124–126. 408 Vgl. die Ausführungen im Verlauf dieses Kapitels.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

Pe­riodisierung umfasst die Jahre seit Beginn der Französischen Revolution bis zum Ende der Napoleonischen Kriege, als die Ereignisse dieser Zeit oftmals eine Reform der bestehenden Verhältnisse erzwangen. Dem folgten schließlich drittens die Jahre bis ca. 1850, welche zunächst ein Abflauen der Reformanstrengungen sahen. Neue Dynamik erhielten diese im Zuge der revolutionären Bewegungen von 1830 und 1848, welche den weitgehenden Abschluss der im 18.  Jahrhundert eingeleiteten Reformprozesse bewirkten. Insgesamt stellten die Modernisierungsprozesse die Basis für eine unter industriellen Bedingungen betriebene Landwirtschaft dar, welche sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts herausbilden und die Subsistenzwirtschaft durch eine am Markt orientierte Produktion ablösen sollte.409 Hinsichtlich der nun zu skizzierenden Entwicklungen ist jedoch vorauszu­ schicken, dass Innovationsprozesse nicht plötzlich über Nacht neu entstanden, sondern oftmals auf älteren, aus der Frühneuzeit stammenden Phänomenen beruhten.410 Gleichzeitig sind diese Kontinuitätslinien auch für das 19. Jahrhundert nachweisbar und betreffen Entwicklungen, die vor 1800 ihren Anfang nahmen. Insofern ist die oftmals propagierte These einer plötzlich einsetzenden, bahn­ brechenden Modernisierung der Landwirtschaft, die sich angeblich erst ab dem 19. Jahrhundert vollzog, zu hinterfragen.411 a) Agrarbewegung und Ökonomische Aufklärung Programmatisch zielt die um die Mitte des 18.  Jahrhunderts verstärkt ein­ setzende Ökonomische Aufklärung darauf ab, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft sowie vereinzelt auch im Gewerbe und Handel unter Zuhilfenahme von erprobtem Wissen aus der Praxis im Sinne der Volksaufklärung die Einführung von bestimmten Innovationen zu forcieren. Volksaufklärung wird hierbei als Versuch aufgefasst, „[…] Menschen geringerer Bildung dazu zu bewegen, aus Einsicht Neues anzufangen“.412 Den Hintergrund für die Reformbemühungen im 409

Im Verlauf der beiden nachstehenden Unterkapitel werden die ersten beiden Abschnitte näher diskutiert, wohingegen auf die Entwicklungen im 19. Jahrhundert im Rahmen der konkreten Branchengeschichte eingegangen wird. 410 Diese Kontinuität ist beispielsweise an den Versuchen mit aus Amerika nach Europa eingeführten Nutzpflanzen erkennbar, die es auch schon im 17. Jahrhundert gab. 411 Als Kronzeuge hierfür dient nicht zuletzt Albrecht Daniel Thaer. Ohne dessen Leistung schmälern zu wollen, kann festgehalten werden, dass Thaer noch im 19. Jahrhundert auf die institutionellen Einrichtungen der Ökonomischen Aufklärung – beispielsweise die Einrichtung eines Mustergutes oder die Verbreitung seiner Erkenntnisse mit Hilfe von Zeitschriftenartikeln – zurückgriff, um seine Forschungsergebnisse einem breiten Publikum vor Augen zu führen. Vgl. Popplow, Aufklärung (2010), S. 20–27; 30–33. 412 Siegert, Volksbildung (2005), S.  451. Vgl. zur Volksaufklärung zusätzlich auch Böning, Popularaufklärung (2004), Siegert, Volksbildung (2005) sowie Tschopp, Popularisierung (2004).

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Agrarbereich bildete das wachsende Interesse einer breiteren Öffentlichkeit an landwirtschaftlichen Fragestellungen, was die Zeitgenossen mitunter als „Agromanie“413 bezeichneten.414 Kenntnisse, die sich offensichtlich bewährt hatten, wurden erfasst und auf ihre Sinnhaftigkeit und Funktionalität geprüft, bevor sie den Bauern zur Anwendung weiterempfohlen wurden. Letztendlich bestand das Ziel in der sinnhaften Nutzung möglichst aller vorhandenen natürlichen Ressourcen eines bestimmten Gebiets.415 Aus diesem Grund ist Marcus Popplow zuzustimmen, der „die ökonomische Aufklärung als maßgebliche Etappe einer epochenübergreifenden ‚Wissensgeschichte der Ressourcennutzung‘“416 sowie als „spezifische Innovationskultur des 18. Jahrhunderts“417 versteht. Gerade der Aspekt der Ressourcennutzung – oder vielmehr die Optimierung davon418  – stellt auch den Zusammenhang zu den kameralis­ tischen Bemühungen419 für eine langfristige Verbesserung der Zustände im Agrarbereich dar. Günter Bayerl bezeichnet diese Bestrebungen hinsichtlich eines optimalen Faktoreinsatzes programmatisch als „Ökonomisierung der Natur“ sowie als „technisch-ökonomischer Blick auf die Natur“.420 Zudem weist der Terminus Innovations-Kultur421 schon im Namen darauf hin, dass es um mehr als ‚nur‘ eine reine Verwissenschaftlichung der Landwirtschaft ging. Vergleichbar mit den später einsetzenden Industrialisierungsprozessen wurden vielmehr auch im Agrarbereich strukturierte und ganzheitliche Prozesse bezüglich einer zielorientierten Förderung neuer Ideen und Kenntnisse eingeleitet. Träger dieser Reformbemühungen waren Angehörige der Beamtenschaft, Kameralisten, Vertreter der Geistlichkeit,422 Gutsbesitzer sowie insbesondere die

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Zitiert nach Popplow, Aufklärung (2010), S. 6. Dass diese Leidenschaft für Landwirtschaft bis in höchste gesellschaftliche Kreise reichte, zeigt beispielsweise die Tatsache, dass Marie Antoinette von Frankreich Kartoffelblüten als Schmuck verwendet und auch selbst Kühe gemolken hat. Vgl. Ebd. 414 Vgl. Popplow, Aufklärung (2010), S. 6 f. 415 Vgl. konkret am Beispiel der Kurpfalz bzw. der Wissensverbreitung durch die ‚Kuhr­ pfälzisch Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft‘ Popplow, Bienen (2010), S. 191–196. 416 Popplow, Aufklärung (2010), S. 4. 417 Popplow, Aufklärung (2010), S. 3. 418 Vgl. ausführlich Meyer, Natur (1999). 419 Vgl. Kapitel C.IV.3. 420 Bayerl, Prolegomenon (1994), S. 29. Kritisch hierzu Cornel Zwierlein, der Bayerls Bild von der Natur als Warenhaus als „vermutlich zu [radikal]“ kommentiert. Zwierlein, Prometheus (2012), S. 309. 421 Dass die Verwendung des Kulturbegriffs angemessen ist, zeigen u. a. die unterschiedlichen Maßnahmen, mit denen die neuen Erkenntnisse im Sinne einer Volksaufklärung verbreitet werden sollten. Sie reichten von schriftlichen Anweisungen in den erwähnten Publikationen bis hin zu mündlichen Unterweisungen der Landbevölkerung, beispielsweise durch die Pfarrer. 422 Vgl. z. B. zur Vermittlerrolle der Pfarrer im Fall der ‚Oeconomischen Gesellschaft Bern‘ Stuber, Publikationstätigkeit (2010), S. 144 f.

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landwirtschaftlichen Vereine und wissenschaftlichen Akademien,423 deren Hauptaufgabe Marcus Popplow treffend mit der „[…] Sammlung, Prüfung und Verbreitung von innovativem Wissen […]“424 charakterisiert. Angetrieben von dem Willen, die bestehenden Verhältnisse zu verbessern,425 propagierte diese heterogen zusammengesetzte Gruppe unermüdlich ihre Ideen. Insofern waren diese Institutionen weniger „[…] Begründer von Innovationen, sondern [vielmehr] deren Katalysatoren“.426 Neben außerliterarischen Mitteln, welche das Verschenken von Saatgut oder die Einrichtung von landwirtschaftlichen Mustergütern umfassten, erfolgte die Vermittlung der Botschaften mit Hilfe von zahlreichen, neu gegründeten Zeitschriften427 und anderem fachlichen428 und populären429 Schrifttum.430 423 Vgl. Müller, Akademie (1975), S.  15–42, Kraus, Forschung (1978), Vierhaus, Gesellschaften (1980), Demel, Reich (2005), S.  134–147 sowie maßgeblich Popplow, Landschaften (2010). Marcus Popplow schätzt die Zahl der im deutschsprachigen Raum gegründeten Gesellschaften auf 60 bis 100 mit wohl 4.000 bis 5.000 Mitglieder. Vgl. Popplow, Aufklärung (2010), S. 9. 424 Popplow, Aufklärung (2010), S. 10. 425 Daher sind diese Bestrebungen vor dem Hintergrund des kameralistischen Motives der Steigerung der Glückseligkeit zu verstehen. Allerdings beschränkten sich diese Aufklärungsbemühungen lediglich auf Fachkenntnisse. Politische Emanzipation bzw. das Hinterfragen des eigenen Zustandes war nicht erwünscht  – und wohl oft auch gar nicht möglich, wenn man bedenkt, dass zahlreiche Sozietäten mitunter umfangreiche staatliche Zuschüsse er­ hielten. Wenn überhaupt Kritik an den bestehenden Verhältnissen geäußert wurde, geschah dies äußerst vorsichtig. Manche Zeitgenossen befürchteten sogar, dass die Landbevölkerung bei zu intensiver Lektüre ihre übrigen Pflichten vernachlässigen oder  – noch schlimmer  – revolutionäre Gedanken aufnehmen würde. Vgl. Schenda, Alphabetisierung (1982), S. 9 f. sowie Wittmann, Geschichte (2011), S. 192 f. 426 Popplow, Aufklärung (2010), S. 23. 427 Vgl. Windelen, Landwirtschaft (2010) sowie Lüdecke, Kanoldsammlung (2010). 428 Allerdings ist es schwierig, die von den Vereinen und Gesellschaften veröffentlichen Publika­tionen eindeutig dem Kameralismus oder den Physiokraten zuzurechnen, da man sich zur Beantwortung der jeweiligen Fragestellung unterschiedlicher ökonomischer Theorie­ ansätze bediente. Vgl. Popplow, Bienen (2010), S. 204 f. 429 Eines der bedeutendsten Werke war Rudolph Zacharias Beckers Schrift „Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute“, das bis 1811 die fast schon unglaubwürdige Auflage von einer Million Exemplaren erreicht hatte. Vgl. Siegert, Aufklärung (1978) sowie Wittmann, Geschichte (2011), S. 193. 430 Vgl. Meyer/Popplow, Nature’s (2004). Kai F. Hünemörder wendet den Ansatz von Meyer und Popplow auf das konkrete Beispiel der ‚Celler Landwirtschaftsgesellschaft‘ an, die für den norddeutschen Raum die wichtigste Institution hinsichtlich der Sammlung und Verbreitung von Innovationen im Agrarbereich war. Allerdings scheint sich in diesem Zusammenhang die Leserschaft des ‚Hannoverschen Magazins‘, der bedeutendsten Publikation der Gesellschaft, eher auf die gebildeten Kreise beschränkt zu haben. Bäuerliche und unterbäuerliche Schichten gehörten wohl nicht zu den regelmäßigen Lesern. Vgl. Hünemörder, Landwirtschaftsgesellschaft (2010). Martin Stuber weist darauf hin, dass die einzelnen Gesellschaften je nach Zielgruppe unterschiedliche Publikationen herausgaben, welche sich hinsichtlich Sprache und Inhalt unterschieden. So veröffentlichte die ‚Oekonomische Gesellschaft Bern‘ einmal die so genannten Abhandlungen und Beobachtungen, die sich eher an ein akademisches Publikum richteten. Die ‚Volksschriften‘ wiederum griffen wichtige Artikel daraus auf und präsentierten deren Inhalte in leicht verständlicher, oft an lokale Aus­drücke und

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Eine weitere Entwicklungsstufe stellte in diesem Zusammenhang die Gründung einer Reihe von ‚Kameral-Hohen-Schulen‘ dar, die mitunter aus den Aktivitäten der ökonomischen Sozietäten hervorgegangen waren. Damit war der Transfer von der praktischen Wissensvermittlung in die theoretische Ebene der Universitäten abgeschlossen.431 Ähnlich wie im Fall der Traktate zum Hagelschlag aus dem 16. Jahrhundert ist aber auch hier die Frage zu stellen, ob die Publikationen wirklich gelesen wurden. Zur Beantwortung soll abermals auf die Lesefähigkeit zurückgegriffen werden, die laut Reinhart Siegert bei der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu dieser Zeit wenigstens elementar ausgeprägt war432 – womit die provokative Frage von Reinhard Wittmann, ob es den „lesenden Landmann“ überhaupt gegeben habe, beantwortet sein dürfte.433 Auch gilt es zu diskutieren, ob die im Rahmen der ökonomischen Aufklärung angebotenen Neuerungen von den Bauern überhaupt angenommen wurden. Dem Vorwurf der Rückständigkeit und mangelnden Aufgeschlossenheit der Bauern, der mitunter von den Zeitgenossen geäußert wurde,434 wird von Seiten der agrarhistorischen Forschung entgegnet, dass eine solche Einstellung weniger mit Traditionsbewusstsein zusammenhänge als dass sie viel­ mehr auf eine nüchterne Kosten-Nutzen-Abwägung zurückzuführen sei. Ein höherer Ertrag habe nämlich gleichzeitig auch mehr Abgaben bedeutet,435 womit abermals deutlich wird, dass eine Reform der herrschenden Agrarverfassung als quasi flankierende Maßnahme unumgänglich war. Auch der Vorwurf der angeb­ lichen Risikoaversion muss vor dem Hintergrund der Lebenswirklichkeit der Bauern gesehen werden. Beispielsweise konnte die Forderung der Reformer, die Bewirtschaftung auf neue, zukunftsträchtigere Produkte umzustellen, aufgrund der hiermit verbundenen hohen Investitionskosten für viele Kleinbauern zu existenz­ bedrohenden Risiken führen.436 Insofern kann festgehalten werden, dass weniger Mentalitätsprobleme für die Nichtanwedung des neuen Wissens verantwortlich Dialekte angepasster Sprache. Vgl. Stuber, Publikationstätigkeit (2010), S. 145 f. Zudem änderte sich der Charakter der Zeitschriften im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Vor 1750 herrschte ein sachlich-neutraler Ton vor, der suggerierte, dass die Verfasser der Artikel von der un­ mittelbaren Anwendung der präsentierten Gedanken ausgehen würden. Man erkannte jedoch schon bald, dass dies keineswegs der Realität entsprach. Entsprechend wurde mehr Wert auf eine angemessene didaktische Präsentation gelegt. Vgl. Zimmermann, Traditionalismus (1995), S.  223 f., Böning, Popularaufklärung (2004), S.  563–571, Tschopp, Popularisierung (2004), S. 486–489 sowie Wyss, Pfarrer (2007), S. 10–13. 431 Vgl. Popplow, Bienen (2010), S. 231. 432 Vgl. Siegert, Volksbildung (2005), S.  446. Die Volksaufklärer standen daher weniger dem Problem des Könnens, als vielmehr dem des Wollens gegenüber. 433 Wittmann, Landmann (1973). Ähnlich wie im 16. Jahrhundert wurde weiterhin die Praxis des Vorlesens gepflegt. Vgl. Schenda, Alphabetisierung (1982), S. 11 f. sowie Troßbach, Anthropologie (1997), S. 202. 434 Vgl. Krünitz, Band 63, Artikel Land-Wirthschaft (1794), S. 636–713. 435 Vgl. Wunder, Gemeinde (1986), S. 82. 436 Vgl. Mooser, Agrarreformen (1992), S. 551 sowie Zimmermann, Traditionalismus (1995), S. 225 f.

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waren, sondern wohl vielmehr die Rahmenbedingungen, die der Markt und das feudale System vorgaben.437 Die Bauern legten höchstwahrscheinlich ihren Widerwillen vor Neuerungen erst dann weitgehend ab, als sie Zugang zu neuen Märkten und insbesondere mehr wirtschaftliche Eigenverantwortung erhielten. Denn nun entstanden Anreize, aber auch der Druck, das neue Agrarwissen zu rezipieren und diese Kenntnisse in der alltäglichen Arbeit anzuwenden.438 Verschwiegen werden soll zudem nicht, dass die Bedeutung der ökonomischen Aufklärung sowie deren Beitrag zur Modernisierung des Agrarsektors lange Zeit in Frage gestellt wurde. Man kritisierte, dass die Bemühungen der Reformer nur wenige greifbare Verbesserungen bewirkt hätten. Hierbei wird allerdings ver­ gessen, diese Prozesse im langfristigen Zeithorizont zu betrachten. Wie bereits angedeutet, setzten sich viele der im 18. Jahrhundert angestoßenen Maßnahmen nach der Jahrhundertwende fort und entfalteten mitunter erst dann ihre volle Wirkung.439 Welche konkreten Maßnahmen umfassten nun die ökonomische Auf­ klärung im Agrarbereich und damit die Agrarmodernisierung? Erstens kam es zu agrartechnischen Neuerungen, insbesondere in Hinblick auf den Anbau neuer Pflanzen und Feldfrüchte.440 Parallel wurde mit innovativen Anbaumethoden experimentiert. Obwohl sie seit dem 17. Jahrhundert in verschiedenen deutschen Regionen bereits bekannt war, wuchs die Bedeutung der Kartof­ fel speziell nach den Hungerkrisen von 1770/1772.441 Dies ist beispielsweise darauf zurückzuführen, dass diese Knollenfrucht den doppelten Nährwert als das auf der gleichen Fläche angebaute Getreide liefert. Zudem ist sie gegen feuchtes Klima und auch Hagel widerstandsfähiger als beispielsweise die verschiedenen Getreide­sorten.442 Auch Leguminosen wie der Klee verbreiteten sich in dieser Zeit von Oberitalien und den Niederlanden aus.443 Sie ermöglichten es, dass die Stall­ tierhaltung ganzjährig praktiziert wurde – was mittelfristig zu einem vermehrten Düngerangebot führte, der wiederum für die Feldarbeit nutzenbringend eingesetzt werden konnte. Allmählich kam auch Kunstdünger in Form von Gips oder kalkhaltiger Erde zum Einsatz.444 Die Besömmerung verbesserte die bisher oftmals 437 Vgl. Wunder, Gemeinde (1986), S. 108, Zimmermann, Entwicklungshemmnisse (1989), Siegert, Volksbildung (2005), S. 446 f. sowie Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 599–601. 438 Vgl. Wittmann, Landmann (1973), S. 146 f.; 152–169; 182 f., Dipper, Geschichte (1991), S. 136–140, Gudermann, Take-Off (2001), S. 65–85, Brakensiek, Feld (2005), S. 104 sowie Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 599 f. 439 Vgl. zu den Ausführungen zur ökonomischen Aufklärung falls nicht anders zitiert Popplow, Aufklärung (2010), S. 3–33. 440 Vgl. Troßbach/Zimmermann, Geschichte (2006), S. 112–117. 441 Alleine in der Kurmark steigerte sich die Ernte von 5.200 Tonnen im Jahr 1765 auf 19.000 Tonnen im Jahr 1773. Vgl. Abel, Landwirtschaft (1971), S. 520. 442 Vgl. Demel, Reich (2005), S. 100 sowie Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 594 f. 443 Vgl. Pfister, Klimageschichte (1988), S. 105–125. 444 Vgl. Abel, Landwirtschaft (1971), S.  519 sowie Abel, Agrarkrisen (1978), S.  207–209. Der Beginn der Agrikulturchemie ist insbesondere mit dem Namen Justus von Liebig verbunden, dessen 1840 erschienenes Hauptwerk „Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf

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praktizierte extensive Dreifelderwirtschaft,445 welche bis dahin auf circa ⅔ der Anbauflächen in Deutschland die gängige Anbaumethode war.446 Als nachhaltiger für die Ertragssteigerung sollte sich aber die Einführung der intensiven Fruchtwechselwirtschaft erweisen, welche gleichzeitig eine Zunahme der landwirtschaftlichen Kenntnisse des einzelnen Bauern erforderte.447 Zudem bildeten sich allmählich regionale Zentren für bestimmte Produkte heraus, beispielsweise in Südschwaben hinsichtlich des Anbaus von Faserpflanzen.448 Immer noch war aber der einzelne Hof in die Flurgemeinschaft eingebunden, was sich konkret an der so genannten Gemengelage zeigte. Die enge Verschachtelung der Feldstücke führte zum Flurzwang, was mehrere Konsequenzen zur Folge hatte. Viele Grundstücke konnten nur über Umwege erreicht werden, so dass den betroffenen Bauern ein Überfahrrecht eingeräumt werden musste. Zudem bedeutete diese Zersplitterung, dass alle Feldstücke weitgehend zur gleichen Zeit bzw. mit der gleichen Frucht zu bestellen waren.449 Zweitens trug die Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Geräten zur Produktivitätsverbesserung bei, wobei im 18.  Jahrhundert nur wenige große Neuerungen eingeführt wurden. Dies sollte erst im darauffolgenden Säkulum der Fall sein. Vielmehr verbesserte man in kleinen Schritten die vorhandenen Gerätschaften, da beispielsweise das Gewicht der eingesetzten Pflüge erfolgreich reduziert werden konnte. Drittens begann man mit der Erschließung neuer Bodenflächen. Deren Aus­ dehnung war jedoch weniger eine Folge von Rodungen, sondern vielmehr das Ergebnis der Urbarmachung neuer Gebiete. Eines der bekanntesten Projekte um-

Agrikultur und Physiologie“ die Mineralstofftheorie in den Agrarbereich einführte. Gleichzeitig nahm Liebig damit gegen die älteren Vorstellungen von einer Humustheorie Stellung, wie sie u. a. Albrecht Thaer propagiert hatte. Der flächendeckende Einsatz der chemischen Düngung sollte jedoch erst ab circa 1870 stattfinden. Vgl. Brock, Liebig (1997). 445 Dabei wird im jährlichen Wechsel ein Feldstück mit Wintergetreide (z. B. Roggen) und ein anderes mit Sommergetreide (z. B. Gerste) bestellt. Die restliche Fläche bleibt weitgehend ungenutzt, damit sich der Boden erholen kann. Alternativ wird das Feldstück als Viehweide verwendet. Zu beachten ist, dass die Dreifelderwirtschaft zwar eine, bei weitem aber nicht die einzige Anbaumethode darstellt. Beispielsweise gibt es auch eine Vierfelderwirtschaft, wobei die Bodenfruchtbarkeit über den Zeitpunkt des einzulegenden Brachjahres entscheidet. Vgl. Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 51 f. 446 Vgl. Abel, Landwirtschaft (1971), S. 502–504, Dipper, Geschichte (1991), S. 128 f., Rösener, Dreifelderwirtschaft (1997) sowie Popplow, Aufklärung (2010), S. 16–19. 447 Bei der Fruchtwechselwirtschaft wird in regelmäßigen Abständen zwischen dem Anbau von Blatt- und Halmfrüchten gewechselt. Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 250 f. sowie Henning, Handbuch (1996), S. 91. 448 Vgl. Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 587 f. 449 Bei Nichteinhaltung dieser Flurordnung kam es zu Konflikten zwischen den Betroffenen, wenn beispielsweise ein Bauer das Flurstück seines Nachbarn betrat und dabei die Feldfrüchte beschädigte. Die Dorfgemeinschaft wiederum sorgte für die Einhaltung der getroffenen Abmachungen bzw. für die Konfliktregelung. Vgl. Wunder, Bauer (1985), S. 43.

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fasste die Trockenlegung des Oderbruchs, welche in den Jahren 1747 bis 1753 durch Friedrich II. erfolgte. Circa 68.000 Hektar an neuer Agrarfläche wurden damit geschaffen.450 Im Warthebruch und an anderen Stellen kamen nochmals ungefähr 50.000 Hektar dazu. Auch die Allmendenaufteilung und Separationen im Rahmen der Modernisierung der Agrarverfassung haben zur Ausweitung des Ackerlandes beigetragen. Insgesamt dürften im Zeitraum von 1648 bis 1800 acht bis neun Millionen Hektar zusätzliche Agrarfläche geschaffen worden sein, so dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts zwischen 18 Millionen451 und 22 Millionen Hektar an Ackerland zur Verfügung standen. Zudem hatte sich die Produktivität je Flächeneinheit um circa 20 Prozent gesteigert,452 wobei vereinfacht gesagt die Erträge in Norddeutschland höher waren als diejenigen, die im Süden des Landes erwirtschaftet wurden.453 Viertens ist unter Ökonomischer Aufklärung auch eine Reform der Institution ‚Agrarverfassung‘ zu subsumieren, was im folgenden Kapitel diskutiert werden soll. b) Modernisierung der Agrarverfassung Obwohl nicht mit letzter Gewissheit auszumachen ist, welche stimulierenden Impulse für die Agrarmodernisierung von der Reform der althergebrachten Zustände der Agrarverfassung ausgingen,454 ist die oft in der Forschung propagierte Trennung von Agrar- und Strukturreform zu kritisieren. In der konkreten Umsetzung handelte es sich hierbei um einen nahtlos ineinander übergehenden Prozess, da beispielsweise die Einführung von neuen Anbauweisen nicht ohne Berücksichtigung der individuellen Rechtsstellung des Bauern erfolgen konnte.455 Obwohl der Begriff in der Forschung inzwischen kritisch gesehen wird, sind die Prozesse und Maßnahmen zur Reform der Agrarverfassung immer noch unter dem auf Georg Friedrich Knapp zurückgehenden Stichwort ‚Bauern­befreiung‘ 450 Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 246. Vielen älteren Historikern erschien die Urbarmachung des Oderbruchs als eine der größten Taten des Preußenkönigs. Allerdings dürfen die hiermit verbundenen Mühen und Konflikte nicht vergessen werden. Krankheiten dezimierten die Arbeiterschaft und nur ein massiver Militäreinsatz konnte die Widerstände der lokalen Bevölkerung hinsichtlich ihrer bevorstehenden Umsiedelung brechen. Vgl. Blackbourn, Eroberung (2008), S. 50–53. 451 Vgl. Nipperdey, Geschichte (1993), S. 152, der allerdings auch 4 Millionen Hektar Brachland annimmt, so dass an bebaubarer Fläche um die 14 Millionen Hektar zur Verfügung­ standen. 452 Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 252 sowie Demel, Reich (2005), S. 99. 453 Vgl. zusätzlich zur zitierten Literatur Abel, Landwirtschaft (1971), S.  519–523, Henning, Innovationen (1975), Henning, Handbuch (1991), S. 793–796, Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 586–596. 454 Vgl. Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 599–601. 455 Vgl. Popplow, Aufklärung (2010), S. 17.

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bekannt.456 Die Zeitgenossen sprachen dagegen von Ablösungen bzw. der Regu­ lierung von gutsherrlich-bäuerlichen Vereinbarungen. Vereinfacht gesagt sollten damit die bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse aufgehoben und durch eine Neuverteilung der Verfügungsrechte den bisher besitzlosen Bauern das freie Eigentum an Grund und Boden verschafft werden. Damit verbunden waren u. a. die Abschaffung des genossenschaftlichen Allmendesystems sowie die Aufhebung des Flurzwangs. Aus institutionenökonomischer Sicht können alle diese Prozesse neben der Neuverteilung der Property Rights insbesondere als Schaffung von Anreizen für den Übergang von der Subsistenz- zur Marktwirtschaft interpretiert werden.457 Konkret gingen viele der deutschen Territorialstaaten458 solche Reformmaßnahmen im Rahmen der grundlegenden staatlichen und gesellschaftlichen Neuordnung in den Jahrzehnten vor und nach der Wende zum 19. Jahrhundert an, wobei das bekannteste Beispiel die Stein-Hardenbergschen Reformen459 in Preußen sind. Die Abschaffung der Leibeigenschaft für die meisten Bauern460 wurde nach der militärischen Niederlage und dem Frieden von Tilsit im Rahmen des Reformprogramms begonnen, mit dem der preußische Staat seinen Neuaufbau einleitete.461 Die wichtigsten Reformziele bestanden in der Entfaltung der ökono­mischen Kräfte, der Weiterentwicklung der inneren Staatsbildung sowie die stärkere Bin-

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Vgl. zur Diskussion über die weiterhin gerechtfertige Verwendung des Terminus Dipper, Bauernbefreiung (1992), S. 18. 457 Vgl. Dipper, Bauernbefreiung (1980), S. 46 sowie Brakensiek/Mahlerwein, Agrarreformen (2005), Sp. 122 f. 458 Abermals sei darauf hingewiesen, dass es sich im Folgenden nur um eine stenographische Überblicksdarstellung handelt und auf die mitunter sehr unterschiedlich verlaufenden Reformanstrengungen in den einzelnen deutschen Staaten nur punktuell eingegangen wird. Beispielweise kam es in Württemberg ab 1775 zur Abschaffung der Fronen, wobei sich dieser Prozess – was im Übrigen eher die Regel als die Ausnahme für alle im Folgenden beschriebenen rechtlichen Verbesserungen war  – über mehrere Jahrzehnte hinzog, da erst 1836 eine endgültige Lösung verabschiedet wurde. Auch verzögerte die nach der Jahrhundertwende stockende Agrarkonjunktur manche der Reformanstrengungen. So hatte Bayern 1825/26 die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, die Dienste in Geldzahlungen umzuwandeln. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage war dies für die meisten Bauern jedoch nicht möglich, so dass eine Lösung erst 1848 mit der endgültigen gesetzlichen Regelung der Ablösezahlungen erreicht wurde. Vgl. Brakensiek/Mahlerwein, Agrarreformen (2005), Sp. 126–129. 459 Neben den Neuerungen im Agrarbereich zählten zum Reformprogramm insbesondere die Maßnahmen der Gewerbereform. Vgl. Vogel, Gewerbefreiheit (1983). 460 Schon 1763 wurde damit begonnen, auf den preußischen Domänen in Litauen und Ostpreußen die Gesindezwangdienste aufzuheben. Laut Achilles hatten diese Maßnahmen jedoch weder für die Pächter noch für die betroffenen Bauern große Auswirkungen. Vgl. Achilles, Agrargeschichte (1993), S. 135. 461 Oft als liberaler Akt von Seiten des preußischen Staates mystifiziert, war das Maßnahmenpaket jedoch tatsächlich von der höheren Beamtenschaft konzipiert, die letztendlich der Idee von Bürgerfreiheiten kritisch gegenüber standen. Sicherlich wollten die handelnden Personen Verbesserungen für die breite Masse der Bevölkerung erreichen, ganz klar aber stand darüber das Ziel, die einstige preußische Machtstellung wiederzuerlangen.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

dung der Landbevölkerung an Staat und Dynastie. Geprägt waren diese Maßnahmen u. a. durch die wirtschaftsliberalen Ideen von Adam Smith, was gleichzeitig eine Abkehr von den bisherigen kameralistischen Prinzipien bedeutete, die als Symbol für den überkommenen Absolutismus und der Hemmung der freien Marktentfaltung gebrandmarkt wurden462 – eine Ironie, wenn man bedenkt, dass die Kameralisten als erstes die Aufhebung der bäuerlichen Belastungen gefordert hatten. Mit dem Edikt vom 9. Oktober 1807463 und mit Wirkung zum 11. November 1810464 erhielten alle erblichen Eigentümer, Erbzinser und Erbpächter mit folgendem Satz ihre persönliche Freiheit zugesprochen: „Mit dem Martini=Tage hört alle Guts=Unterthänigkeit in Unsern sämmtlichen Staaten auf. Nach dem Martini=Tage 1810. giebt es nur freie Leute, so wie solches auf den Domainen in allen Unsern Provinzen schon der Fall ist[.]“465 Zwar endete damit die Schollenpflicht und der Bauer war persönlich frei, die Inhaber fronpflichtiger Stellen waren aber weiterhin zur Erfüllung der dinglich begründeten Lasten wie den Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Grundlage für die endgültige Klärung der Eigentumsverhältnisse war das „Edikt die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend“ vom 14. September 1811. Dadurch konnten die Domänenpächter sowohl des Königs als auch des Adels das vollständige und vererbbare Eigentum an ihrem Besitz erwerben, zudem wurde die Ablösung ihrer Frondienste versprochen. Als Entschädigung musste jedoch ein Drittel des Landes abgetreten oder alternativ Ablösezahlungen geleistet werden.466 Allerdings nahmen die Gutsherren die Maßnahmen nicht ohne weiteres hin und beklagten neben dem Verlust an Land v. a. den Wegfall billiger Arbeits­k räfte. Eine wesentliche Folge des Widerstands war das Edikt vom 29.  Mai 1816, mit dem die Eigentumsverleihung bzw. Regulierung auf die rein spannfähigen Bau­ ern – und damit die Vollbauern – begrenzt wurde, wohingegen die nichtspann 462

Vgl. Sokoll, Kameralismus (2007), Sp. 291. Vgl. Sammlung der für die Königlichen Preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Verordnungen von 1806. bis zum 27sten Oktober 1810., darin „Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grund=Eigenthums, so wie die persönlichen Verhältnisse der Land=Bewohner betreffend. Vom 9ten Oktober 1807.“ 464 Die Gesindeordnung vom 8. November 1810 regelte dann große Teile des ländlichen Arbeitsrechtes und fixierte vertragliche Rechte des Gesindes gegenüber ihrer Herrschaft. Inhalte waren u. a. die Vorschrift einer Vereinbarung der Kündigungsbedingungen bzw. die Fest­ legung von ortsüblichen Mindestlöhnen. Im Ergebnis schuf der Gesetzgeber durch Stärkung der rechtlichen Position sowohl des städtischen als auch ländlichen Gesindes eine Form von Gewerbefreiheit, gegen die insbesondere der ostpreußische Adel opponierte. Vgl. Vogel, Gewerbefreiheit (1983), S. 184–186. 465 Sammlung der für die Königlichen Preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Verordnungen von 1806. bis zum 27sten Oktober 1810., darin „Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grund=Eigenthums, so wie die persönlichen Verhältnisse der Land=Bewohner betreffend. Vom 9ten Oktober 1807.“, Paragraph 12. 466 Vgl. Conze, Quellen (1957), S. 119 f. 463

V. Die Situation im Agrarsektor im 18. Jahrhundert

167

fähigen ­Kossäten den Gutsbesitzern weiterhin Handdienste zu leisten hatten.467 Aus­genommen war hiervon aber auf Druck des Adels die Provinz Schlesien.468 Dies war auch bei der am 7.  Juni 1821 erlassenen Ablösungsordnung der Fall, die schließlich für die große Mehrheit der preußischen Bauern, die sich in keiner gutsherrschaftlichen Abhängigkeit befanden, sondern als Erbzins-, Eigentumsoder Erbpachtbauern einer Grundherrschaft unterstanden, die Umwandlung aller Dienste und Verpflichtungen in Rentenzahlungen regelte.469 Abermals jedoch blieben die nichtspannfähigen Bauern unberücksichtigt.470 Im Übrigen sollte diese Entwicklung von gesetzgeberischer Seite erst gegen Mitte des 19.  Jahrhunderts abgeschlossen sein, da die Verhältnisse in Schlesien im Zuge der Revolution von 1848/49 geregelt und für die Kleinstellenbesitzer im März 1850 endlich eine abschließende Regelung gefunden wurde. Neben Preußen leiteten auch die anderen deutschen Staaten im 19. Jahrhundert die Ablösung des Feudalsystems ein. Da hier nicht der Platz ist, auf alle Einzelheiten einzugehen, sollen am Ende folgende Bemerkungen die unterschiedlichen Ziele verdeutlichen, welche im Bereich der Guts- und Grundherrschaft verfolgt wurden. In Regionen, die von der Gutsherrschaft geprägt waren – und hierbei speziell Ostelbien – hatten die diskutierten Reformen die größten Auswirkungen. Der Staat verfolgte das Ziel, den Einfluss des Adels zurückzudrängen bzw. die eigene Zentralgewalt zu stärken. In Gegenden, die denen die Grundherrschaft dominierte, hatte die Entfeudalisierung bereits im 18. Jahrhundert begonnen und die Reformmaßnahmen erfolgten weitgehend aus politischen Motiven, als mitunter bereits Realität gewordene Dinge kodifiziert wurden.471

467 Vgl. Gesetz=Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1816, No. 11, „Deklaration des Edikts vom 14ten September 1811., wegen Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse. Vom 29sten Mai 1816“. 468 Vgl. Dipper, Bauernbefreiung (1992), S. 27. In Schlesien wurde erst 1848 eine Regelung gefunden. 469 Anstelle von Landabtretungen hatten die Bauern eine Entschädigung in Höhe des 25fachen Jahresbetrags der bisherigen Frondienste und Abgaben zu leisten. 470 Vgl. Gesetz=Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1821, No. 7.  In der „Gemeinheitstheilungs-Ordnung. Vom 7ten Juni 1821“ wurde in Paragraph 60 festgehalten, dass „[…] die Entschädigung in Land, Rente, Naturalleistungen und Kapital […]“ erfolgen konnte. Paragraph 143 verwies dann auf die „Ordnung wegen Ablösung der Dienste, Natural= und Geldleistungen von Grundstücken, welche eigenthümlich, zu Erbzins= oder Erbpachtsrecht, besessen werden“. Im ersten Abschnitt heißt es: „Hand= und Spanndienste, welche auf Stellen, die ihren Besitzern eigenthümlich, zu Erbzins oder Erbpachtsrecht zustehen, haften, sollen gegen Entschädigung aufgehoben werden [.]“ Allerdings wurde dies nicht auf alle bestehenden Dienste angewandt. Diejenigen Verpflichtungen, welche der Kirche zu erbringen waren, blieben zunächst bestehen. 471 Falls nicht anders zitiert vgl. für die Agrarreformen Dipper, Bauernbefreiung (1980), Mager, Landwirtschaft (1989), S.  88–98, Dipper, Bauernbefreiung (1992), Achilles, Agrar­ geschichte (1993), S. 134–143, Henning, Handbuch (1996), S. 40–87, Wischermann/Nieberding, Revolution (2004), S. 60–70, Brakensiek/Mahlerwein, Agrarreformen (2005), Sp. 126–129 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2006), S. 397–428.

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

c) Ein Zwischenfazit Wie sind nun die Maßnahmen der Agrarmodernisierung zu bewerten?472 Ers­ tens hat der Anbau neuer Feldfrüchte, die Ausweitung der Agrarfläche und der Übergang zur Fruchtwechselwirtschaft eine Steigerung der Produktivität je Flächeneinheit und je Arbeitskraft bewirkt, wodurch allmählich der höhere Nahrungsmittelbedarf einer größeren Bevölkerung befriedigt werden konnte. Die Produktivitätssteigerung bzw. die Marktorientierung vieler Bauern wurde aber zweitens insbesondere durch die Verbesserung der rechtlichen Stellung der Bauern erreicht, was exemplarisch am Beispiel der preußischen Reformen diskutiert wurde. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erhielt die große Masse der bis dato abhängigen Bauern die Möglichkeit, das volle Eigentum an Grund und Boden zu erwerben. Insgesamt waren die Umwälzungen im Bereich der Gutsherrschaft tief­greifender als in Gebieten der Grundherrschaft, da sich dort die Eigentumsstrukturen nicht derart umfassend geändert hatten.473 Insofern dürfte die Möglich­ keit des Eigentumerwerbs entscheidende Impulse für die Entfaltung der Land­ wirtschaft gegeben haben.474 Für die Entwicklung der Hagelversicherungsbranche wiederum bedeutete dies, dass mittelfristig ein Bedarf bei den Bauern vorhanden war, ihren neu erworbenen Besitz vor jedweden Gefahren und damit auch vor Unwettern schützen zu wollen. Nicht unerwähnt darf aber bleiben, dass die Agrarmodernisierung nicht nur positive Auswirkungen hatte. Obwohl zu recht als archaisch kritisiert, bot die traditionelle Feudalverfassung den Bauern auch ein gewisses Maß an institutionel­ ler Sicherheit, welches durch die Agrarreformen verschwand. Konkret befreite z. B. die Trennung von Rittergut und Dorf den Gutsbesitzer auch von seiner Fürsorgepflicht für seine ehemaligen Untertanen. Zudem schwächte die Teilung der Gemeinheiten mitunter die Wirtschaftskraft der einzelnen Gemeinden, da die Gutsbesitzer ebenfalls einen Teil der bis dahin gemeinsam genutzten Flächen zugesprochen bekamen. Insofern sollte die Schaffung einer funktionsfähigen Sozialpolitik eine wesentliche staatliche Herausforderung im 19.  Jahrhundert bleiben.475 Auch die Finanzsituation vieler Bauern war durch die Ablösezahlungen 472 Der Autor der vorliegenden Studie maßt sich nicht an, ein endgültiges Urteil abzugeben. Beispielsweise wird nicht der Frage nachgegangen, wie sich die Reformen konkret in einzelnen Regionen vollzogen haben. Um ein vollständiges Bild dieses Reformprozesses zu erhalten, ist dies aber zwingend erforderlich. Zudem ist immer noch umstritten, ob die Reform­ anstrengungen im Agrarbereich einen ähnlichen Schub auf die beginnende Industrialisierung ausgeübt haben, wie dies in Großbritannien der Fall war. Auch auf die Diskussion dieser Frage wird verzichtet. Vgl. Troßbach, Landwirtschaft (2007), Sp. 600 sowie Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 209 f. Die Argumentation wird aber durch den Verzicht auf das Aufgreifen dieser beiden Phänomene nicht geschwächt. 473 Vgl. Fried, Bauernbefreiung (1984), S. 127. 474 Vgl. Mager, Landwirtschaft (1989), S. 79–84. 475 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S.  292 f. sowie Demel, Reich (2005), S. 121–124.

VI. Fazit: Zur Etablierung der Hagelversicherung

169

angespannt. Schätzungen haben ergeben, dass von deren Seite insgesamt zwischen vier und fünf Milliarden Mark im Rahmen der Regulierungen geleistet wurden.476 Hinzu kamen noch ungefähr 7 Milliarden Mark an Zinsleistungen.477

VI. Fazit: Zur Etablierung der Hagelversicherung Wie die vergangenen Kapitel gezeigt haben, können vier Phänomene identifiziert werden, welche die Gründung der Hagelversicherungsbranche beeinflussten: – Erstens eine sich ändernde Wahrnehmung des Hagels und damit verbunden ein Überdenken der bisherigen Bewältigungs- und Anpassungsstrategien. Galt der Hagel zu Beginn der Frühen Neuzeit ähnlich wie andere natürliche Extremereignisse als Strafe Gottes, fasste man um die Mitte des 18. Jahrhunderts Hagelschläge als ein weiteres natürliches Phänomen auf, das es zu erforschen galt. Allerdings kann nicht mit endgültiger Sicherheit gesagt werden, inwieweit und zu welchem Zeitpunkt die Bauern diesen Paradigmenwechsel nachvollzogen. Es ist aber davon auszugehen, dass die allmähliche Profanisierung des Hagels und das Verschwinden von magisch-animistischen Motiven dazu beigetragen haben, sich rational dagegen abzusichern. – Zweitens die Auffassung einflussreicher Akteure um 1700, dass Sicherheit einen gesellschaftlichen Normalzustand darstelle, der mit Hilfe der Institution Assekuranz erreicht werden könne. Ausdruck für die Funktionsfähigkeit des Ver­sicherungskonzepts war die Institutionalisierung der Feuerversicherung in den Jahren um 1680/1700. Deren Verbreitung hatte zur Folge, dass Versicherungen an sich keine unbekannte Institution mehr darstellten und ihre Nützlichkeit und Funktionsfähigkeit als individuelle bzw. kollektive Anpassungsstrategie beweisen konnten. – Drittens die Betonung der Hagelassekuranz als Mittel des frühneuzeitlichen Staates zur Förderung von dessen wirtschaftspolitischen Zielen. Wie Cornel Zwierlein dies für den Versicherungsdiskurs an sich herausgearbeitet hat, wird auch die Sicherheitsproduktion im Agrarsektor mit den „eudämonistischen [bzw.] karitativ-philantropischen Staats- und Gesellschaftszielen“ des frühmodernen Staates verknüpft.478 Insofern sahen die Kameralisten die Idee der Hagelversicherung als weiteren logischen Schritt an, die Sicherheit im Agrarsektor zu erhöhen, da neben den Immobilien nun auch der Ertrag der bäuerlichen Arbeit geschützt werden konnte. – Schließlich viertens die langfristig günstige Entwicklung der Agrarkonjunktur im Verlauf des 18.  Jahrhunderts bzw. die parallel dazu eingeleiteten Reform 476

Die Angaben erfolgen in der Mark-Währung des Kaiserreichs. Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 69–78. 478 Vgl. Zwierlein, Grenzen (2013), S. 432, dort auch das wörtliche Zitat. 477

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C. Rahmenbedingungen für die Entstehung der Hagelversicherung

maßnahmen im Agrarsektor. Zwar sollten sich speziell die Erneuerungsprozesse noch weit bis in das 19. Jahrhundert hinziehen. Die Möglichkeit für die Mehrzahl der deutschen Landwirte, trotz Ablösezahlungen und der oft damit verbundenen Verschuldung479 Eigentum an Grund und Boden zu erwerben, dürfte aber dazu beigetragen haben, dass eine Nachfrage nach Absicherungsstrategien in Form von Versicherungsleistungen grundsätzlich vorhanden war. Im Vergleich zu diesen identifizierten Faktoren spricht die ältere Literatur von drei wesentlichen Aspekten: Innovationen im agrarischen Produktionsbereich, der Reform der Agrarverfassung sowie dem Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft.480 Wie gesehen, konnten zwei der drei Punkte bestätigt werden. Wie verhält es sich aber mit dem scheinbar erst im 18. Jahrhundert einsetzenden regelmäßigen Geldeinsatz im Agrarbereich? Fest steht, dass die Monetarisierung der bäuerlichen Wirtschaft schon seit dem Hochmittelalter stärker und schwächer ausgeprägte Phasen aufwies. Schon im 12. und 13. Jahrhundert kam es zu einem bemerkenswerten Anstieg der bäuerlichen Geldwirtschaft. Verantwortlich hierfür war die Auflösung der noch aus karolingischer Zeit stammenden Fronhofverfassung,481 in deren Folge verschiedene adelige Herrschaftsformen entstanden.482 Zahlreiche Bauernstellen wurden gebildet bzw. größere Höfe an die bisher abhängigen Bauern verliehen. Gleichzeitig machte die Umwandlung vieler Frondienste in Geld- und Naturalabgaben die Grundherren erstmals zu Rentenempfängern.483 Aufgrund der Intensivierung der Stadt-Land-Beziehungen verstärkte sich zudem die Geld­zirkulation. Eingeschränkt werden muss aber, dass diese Entwicklung nicht überall gleich schnell verlief. Im 15. Jahrhundert führte die Edelmetallverknappung zur Münzhortung und zur weitgehenden Rückkehr zu den Naturalabgaben.484 Zudem hatte ein Nebeneinander von Geld- und Sachleistungen selbst noch im 18. Jahrhundert bestanden, wie manche der kameralistischen Vorschläge zum Hagelversicherungswesen gezeigt haben. Aber schon Ferdinand Friedrich Pfeiffer schreibt in seinen Ausführungen zum Versicherungswesen: „[Der Bauer] muß Geld haben, um ein […] Haus wieder aufzubauen, um wiederum ein Stück Vieh sich anschaffen zu können[.]“485 Der Geldgebrauch im Agrarsektor war also in den Jahren, in denen schließlich die ersten Hagelversicherungsgesellschaften ihre Tätigkeit aufnahmen, nichts Ungewöhnliches mehr. Insofern ist die Herausstellung eines scheinbar erst um 1800 einsetzenden Übergangs von der Naturalzur Geldwirtschaft, wie ihn die ältere Literatur zur Branchengeschichte betont, so nicht aufrechtzuhalten. Vielmehr kann dieser Gedanke in dem Sinne gelesen 479

Vgl. Fried, Bauernbefreiung (1984), S. 128 f. Vgl. z. B. Thuemen, Geschichte (1896), S. 3 f. 481 Vgl. zum Fronhofsystem Rösener, Einführung (1997), S. 112 f. 482 Die Grundherrschaft stellte auch den wichtigsten Bestandteil der mittelalterlichen Agrarverfassung dar. Der Begriff Grundherr taucht in den Quellen ab dem 14. Jahrhundert auf, davor wird von ‚dominium‘ oder ‚potestas‘ gesprochen. Vgl. Rösener, Einführung (1997), S. 106. 483 Vgl. Rösener, Einführung (1997), S. 111. 484 Vgl. North, Geschichte (2009), S. 33–37; 67. 485 Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 7. 480

VI. Fazit: Zur Etablierung der Hagelversicherung

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werden, dass die Bauern zu eigenständigen Wirtschaftssubjekten wurden, die sich den Marktgegebenheiten anpassen mussten. Auch nahm der moderne Staat keine Rücksicht auf Ertragsausfälle und beharrte grundsätzlich auf seinen Abgabenforderungen.486 Jedenfalls waren die Voraussetzungen vorhanden, dass die Landwirte einen Schutz vor den Folgen des ehemaligen Schreckens vom Himmel erwerben konnten.487 Und tatsächlich nahmen um 1800 die ersten Gesellschaften ihre Tätigkeit auf. Ob diese von Erfolg gekrönt war und welche Schwierigkeiten auftraten, wird nun in den restlichen Kapiteln der Arbeit skizziert.

486 Vgl. Zur Bedeutung des ländlichen Kreditwesens Nipperdey, Geschichte (1993), S. 151. Neben den bereits erwähnten Landschaften sollten ab ungefähr 1846 immer mehr die ländlichen Waren- und Kreditgenossenschaften eine Rolle spielen. 487 Einer der wenigen Hinweise auf die Bedeutung des Versicherungswesens im Rahmen der Modernisierung des Agrarsektors in der allgemeinen (wirtschafts-)historischen Literatur findet sich bei Nipperdey, Geschichte (1993), S. 158.

D. Eine innovative Institution im landwirtschaftlichen Bereich: Die Entwicklung der Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918 I. Vorläufer und erste Versuche In den vorangegangenen Kapiteln wurden die wesentlichen Faktoren dar­gestellt, welche zur Entstehung der deutschen Hagelversicherungsbranche beigetragen haben. War aber Deutschland der Vorreiter in Bezug auf die Gründung dieser Ver­ sicherungssparte? Ferdinand Friedrich Pfeiffer berichtet in seiner Abhandlung zum Versicherungswesen aus dem Jahr 1780, dass es zu seiner Zeit in England bereits kleine regionale Hagelversicherer gegeben habe.1 Jüngeren Quellen zufolge waren sowohl Deutschland als auch Frankreich diejenigen Länder, in denen zuerst Hagelversicherungsgesellschaften ins Leben gerufen wurden.2 Insofern widersprechen sich die Aussagen, so dass die Frage, in welchem Land es zuerst landwirtschaftliche Versicherungen gegeben hat, nicht endgültig zu beantworten ist. Tendenziell ist wohl Pfeiffer als zeitgenössischem Autor zuzustimmen, wonach die englische Landwirtschaft zum ersten Mal den Hagelver­sicherungsschutz in Anspruch nehmen konnte. Dies bedeutet aber nicht, dass andere Auffassungen zwangsläufig abzulehnen sind. Es ist denkbar, dass es im Zuge der Modernisierungsprozesse innerhalb der Landwirtschaft in den unterschiedlichen europäischen Ländern zu parallelen Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung des Versicherungsgedankens in der Landwirtschaft gekommen war. Auch ist es möglich, dass die europäischen Gelehrten im Zuge ihres länderübergreifenden Gedankenaustauschs3 über das Thema ‚landwirtschaftliche Assekuranz‘ diskutiert haben, weshalb es vermutlich zur gleichzeitigen Gründung von landwirtschaftlichen Versicherungen in verschiedenen Ländern gekommen war. Hier ein endgültiges Urteil zu fällen, ist aber zumindest auf Basis der heutigen Quellenlage schwierig. Jedenfalls kam es noch in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in mehreren deutschen Territorialstaaten zu Versuchen, Hagelversicherungsgesellschaften zu gründen. Vorreiter war dabei die markgräfliche Regierung von Ansbach-

1

Vgl. Pfeiffer, Gedanken (1780), S. 48. Vgl. z. B. Thuemen, Geschichte (1896), S. 4, Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 11 sowie Knoll, Hagelversicherung (1964), S. 14. 3 Vgl. z. B. Stuber, Gottesstrafe (2002). 2

I. Vorläufer und erste Versuche

173

Bayreuth4 im Jahr 1770.5 Über die Motive und das eigentliche Projekt ist nur wenig bekannt. Die neue Assekuranz sollte sich organisatorisch an den bestehenden Brandversicherungen orientieren6, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass den Verantwortlichen die diesbezüglichen kameralistischen Vorschläge bekannt waren. Bestärkt wird diese Vermutung durch die Übernahme einer weiteren Forderung der Kameralisten, nämlich die Einführung der Zwangsmitgliedschaft. Die Prämien waren in Geld zu leisten, Naturalabgaben dagegen nicht vorgesehen.7 Unbekannt ist, welchen Umfang das Geschäftsgebiet haben sollte und wer genau Kunde werden konnte. Höchstwahrscheinlich war die Tätigkeit der neuen Gesellschaft auf die Markgrafschaft beschränkt. Gerade darin hätte aber eine der größten Schwächen des neuen Unternehmens bestanden. Aufgrund seines territorialen Umfangs gehörte Ansbach-Bayreuth zu den kleineren Herrschaften im Alten Reich8 und hatte zudem kein geschlossenes Gebiet aufzuweisen.9 Diese Rahmenbedingungen hätten sich auf die geplante Hagelversicherung negativ ausgewirkt, da als Folge der Beschränkung auf das markgräfliche Gebiet eine funktionierende Risikodiversifikation wohl schwierig gewesen wäre. Höchstwahrscheinlich hemmte auch die angespannte Situation im Agrarsektor den Enthusiasmus, das Projekt weiter zu verfolgen. Da wie gesehen 1770 schwere Missernten auftraten, hatten wohl andere Dinge eine höhere Priorität als der Versuch, eine neue Ver­ sicherungssparte ins Leben zu rufen. Neben den institutionellen Schwächen sprachen aber auch versicherungstechnische Aspekte gegen die Idee. Da man noch über keinerlei Erfahrung mit der neuen Versicherungssparte verfügte, wäre die Prämienkalkulation wohl willkürlich erfolgt und hätte mit ziemlicher Sicherheit nicht auf der regionalen Hagelgefahr basiert10  – sofern dazu überhaupt entsprechende Unterlagen vorhanden waren. 4 Vgl. zu Ansbach-Bayreuth Hartmann, Weg (2004), S.  323–326 sowie Demel, Reich (2005), S. 124. Angemerkt sei, dass im Jahr 1792 Karl August Freiherr von Hardenberg die Verwaltung des Landes übernahm, wo er Ansätze derjenigen Maßnahmen erproben konnte, die 15 Jahre später in den großen preußischen Reformanstrengungen mündeten. 5 Vgl. von Berg, Herbst-Assekuranzen (1795), S.  280. Zu dem Projekt konnten jedoch keine Originaldokumente ermittelt werden. 6 Die Existenz der Feuerversicherung wird von Werzinger für Ansbach bestätigt. Vgl. Werzinger, Markgrafen (1993), S. 17. 7 Vgl. Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 6 f. 8 Vgl. Hartmann, Weg (2004), S. 320. Das Territorium von Ansbach betrug 1791 68 Quadratmeilen und wies eine Bevölkerung von ungefähr 200.000 Menschen auf, Bayreuth wiederum umfasste 72 Quadratmeilen, wobei die Bevölkerungsschätzung in diesem Fall zwischen 186.000 und 250.000 Menschen beträgt. Vgl. Koebler, Lexikon (1999), S. 20. 9 Vgl. Werzinger, Markgrafen (1993), S.  1; 17.  Für die ökonomische Entwicklung be­ deutete das nicht geschlossene Territorium einen schwerwiegenden Nachteil. Die Wirtschaft der Markgrafschaft war größtenteils durch den Agrarsektor geprägt, wobei viele der Höfe von Nebenerwerbslandwirten bewirtschaftet wurden. Infolge der zersplitterten Herrschaftsstruktur war es zudem gängige Praxis, dass die Bewohner eines Ortes unterschiedlichen Herren unterstellt waren, weshalb es hinsichtlich der zu leistenden Abgaben große lokale Unterschiede gab. Vgl. Werzinger, Markgrafen (1993), S. 13–19. Erst unter Hardenberg sollte es zur Herausbildung eines geschlossenen Herrschaftsgebietes kommen. 10 Vgl. Bayerische Versicherungskammer, Denkschrift (1984), S. 7.

174

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Das Projekt in Ansbach-Bayreuth blieb in diesen Jahren nicht der einzige Versuch, eine Hagelversicherung ins Leben zu rufen, da andere deutsche Staaten ähnliche Anstrengungen unternahmen. Allerdings war auch diesen nicht viel Erfolg beschert. Beispielsweise scheiterte 1774 in Preußen eine ähnliche Initiative, wobei die hierfür ausschlaggebenden Gründe denjenigen in Franken ähnelten.11 1774 erstellte der Kammerpräsident Gaudi für die preußische Provinz Magdeburg ein Konzept, das auf einem Entwurf seines vorgesetzten Ministers von der Schulenburg aufbaute. Abermals sollte die neue Kasse dem Muster der Feuerversicherung entsprechen. Geplant war, sämtliche Versicherungsleistungen nur in Geld zu begleichen. Anscheinend beschäftigte sich sogar Friedrich II. mit dem Plan und kommentierte die Idee Ende Oktober 1774. Grundsätzlich erkannte er die Notwendigkeit einer Hagelversicherung an, kritisierte aber die immer größer werdenden Belastungen für die Bauern – ein Zustand, den zu verändern Friedrich jedoch selbst in der Hand hatte. Jedenfalls war der König der Ansicht, dass man den Untertanen nicht noch mehr Abgaben zumuten könne, zumal diese bereits die Feuerversicherung zu bezahlen hätten. Der Plan wurde daher nicht realisiert und zu den Akten gelegt. Zwei Jahre später wurde im Herzogtum Württemberg ein weiterer Anlauf unternommen – eine Tatsache, die sich sogar in der Korrespondenz des Berner Naturforschers Albrecht von Haller mit dem württembergischen Rat und Regierungspräsidenten Eberhard Friedrich Freiherr von Gemmingen niederschlug, was bislang in der Forschung keine Beachtung gefunden hat. Die dabei diskutierten Pläne sollten neben einer Versicherung zum Schutz der Feldfrüchte auch eine Viehassekuranz umfassen, wie der Freiherr am 26. September 1776 nach Bern schrieb: „Der Herzog, mein Herr, wird immer durch ein Schreiben von Euer Hochwolgeb. erfreut werden, und wenn dies geschehen sollte, so bitte ich doch, des Gemeinen Bestens wegen, denselben zu den Anstalten gegen das Vieh-Sterben aufzumuntern. Ich hoffe, die Indemnisation [d. h. Vergütung] aller dadurch in Schaden gesezter Particuliers, soll zugleich mit einer allgemeinen Assecuration der WetterSchäden zu Stande kommen.“12

In der Folge wurden entsprechende Gutachten erstellt. Allerdings musste von Gemmingen bereits am 28. Juli 1777 vom Scheitern des Vorhabens berichten: „Unsere allgemeine Versicherungs-Anstalt gegen Wetterschaden findet allein in der Ausübung so viele würkliche Schwürigkeit, daß ich an einer nüzlichen Möglichkeit selbst zu zweifeln anfange. Die Art der Berechnung des Schadens in so vielen individuellen Fällen und unterschiednen Orten, die ungeheure Gröse dieses Geschäfftes, die Unmöglichkeit allen dabey verborgenen Betrügereyen und Bosheiten fürzukommen, machen es bey nahe erträglicher, etliche Kantons eines Landes dem jährlichen Zufall zu überlassen, als die gantze Provintz mit einem gewissen jährlichen Wetterschlag von Berechnungs und Aestimations Kosten zu drüken.“13 11

Vgl. Rosenmöller, Versuche (1912). Fischer, Briefwechsel (1899), S. 106. 13 Fischer, Briefwechsel (1899), S. 125. 12

I. Vorläufer und erste Versuche

175

Von Gemmingen spricht in seinem Brief manche der Schwierigkeiten an, mit denen später viele Hagelversicherer kämpfen sollten. Erstens konnte das Problem einer individuellen und gerechten Schadensberechnung nicht gelöst werden, da  – wie von Gemmingen implizit anführt  – die notwendigen Unterlagen hierfür nicht vorhanden waren. Zweitens kam erschwerend die große Hagelgefährdung von Württemberg sowie drittens die stark zersplitterte Flur hinzu, die dort vorherrschte.14 Schließlich befürchtete der Freiherr, dass die Versicherungsnehmer unlautere Absichten hätten und versuchen würden, das neue Unternehmen zu betrügen. Neben diesen konkret aufgeführten Schwierigkeiten dürften auch weitere Gründe für das Scheitern verantwortlich gewesen sein, die aus den allgemeinen politischen und institutionellen Rahmenbedingungen abgeleitet werden können. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ergaben sich zwischen Herzog Karl Eugen und den Landständen immer wieder Konflikte über das fürstliche Bestreben, ein persönliches Regiment zu installieren.15 Obwohl die hauptsächlichen Meinungsverschiedenheiten im Grad der politischen Mitspracherechte bestanden, lehnte die Ständeversammlung aus Gründen der Sparsamkeit viele der eingebrachten Projekte ab.16 Insofern ist es möglich, dass auch das Projekt Hagelversicherung dem allgemeinen Spardiktat zum Opfer fiel. Als Randnotiz sei noch hinzugefügt, dass sich manche der Überlegungen, die von Gemmingen in seinen Briefen äußerte, in den Ideen von Friedrich von Pfeiffer wiederfanden, der seine Vorschläge über das Versicherungswesen 1780 vorlegte. Beispielsweise betont auch von Pfeiffer die Notwendigkeit, Viehversicherungen zu gründen, um den Bauern einen umfangreichen Schutz bieten zu können.17 Da von Pfeiffer mit den württembergischen Verhältnissen wohl vertraut war  – er ließ beispielsweise sein Buch in Stuttgart verlegen – kann man davon ausgehen, dass er die dortigen parlamentarischen Diskussionen verfolgte und sie in seine Überlegungen mit einfließen ließ. Letztendlich könnte also die Idee einer Hagelassekuranz, die im Briefwechsel zwischen Eberhard von Gemmingen und Albrecht von Haller diskutiert, aber nicht realisiert wurde, zumindest indirekt in das Pfeiffersche Konzept eingeflossen sein. Als älteste deutsche Hagelversicherung, die ihre Tätigkeit aufnehmen und sogar über mehrere Jahre aufrechterhalten konnte, gilt ein im November 179118 im ‚Braunschweigischen Magazin‘ vorgestelltes Unternehmen, welches als ‚Braun 14

Vgl. Rösener, Einführung (1997), S. 119. Neben dem Herzog waren die Landstände und der Geheime Rat die wichtigsten Akteure der württembergischen Politik. 1758 hatte Karl Eugen den Versuch unternommen, die Landstände und den Rat dauerhaft zu entmachten. Diese Politik scheiterte jedoch endgültig 1770, als man den so genannten Erbvergleich schloss, der viele der ständischen Rechte erneut bestätigte. Dem Herzog war damit eine empfindliche politische Niederlage bereitet worden. 16 Vgl. Vann, Württemberg (1986), S. 237–279, besonders S. 263–274. 17 Vgl. Kapitel C.IV.3. 18 Borscheid und Drees geben fälschlicherweise – wohl aufgrund eines Zahlendrehers – das Jahr 1719 an. Vgl. Borscheid/Drees, Versicherungsstatistik (1988), S. 29. 15

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

schweigische Hagelversicherung‘ bekannt ist und nun erstmals anhand von Quellenmaterial detailliert vorgestellt wird.19 Tatsächlich hatte die Gesellschaft schon vorher Versicherungsverträge angenommen, da die vom 1. Juli 1791 datierende Satzung davon spricht, dass bereits Entschädigungen ausbezahlt worden seien.20 Zu Beginn der Notiz wird die Notwendigkeit einer solchen Anstalt betont. Denn „[e] in Mittel wider die traurigen Wirkungen dieser furchtbaren Erscheinung [womit der Hagel gemeint ist] zu ersinnen, konnte wol mit Recht von unserm erfinderischen Jahrhunderte erwartet werden; aber diese Erwartung war bisher vergebens“.21 Mit Hilfe des Beitrags im ‚Braunschweigischen Magazin‘ wollten Gutsbesitzer aus Zellisch und Wolfenbüttel, auf welche die Gründungsinitiative zurückging, andere Interessenten in der Region ermutigen, ebenfalls der Kasse beizutreten. Jeder, der mindestens 100 Morgen Land bewirtschaftete, konnte einen Vertrag abschließen, und zwar unabhängig davon, ob er Pächter oder Eigentümer22 der Flächen war.23 Wie von den Kameralisten propagiert, hatte der Versicherungsnehmer bei der Aufnahme ein Fruchtverzeichnis einzureichen. Es gab drei Beitragssätze, mit denen ein Morgen Land versichert werden konnte: 1 Groschen und 4 Pfennige, 1 Groschen sowie lediglich 8 Pfennige. Die Beitragswahl lag im Ermessen des Versicherten.24 Einmal jährlich am 7. Juni mussten die Beiträge bezahlt werden, wobei das angesammelte Kapital bei der BraunschweigWolfenbüttelschen Landschaft25 angelegt wurde.26 Im Schadensfall ernannten die beiden Direktoren, welche die laufenden Geschäfte führten, aus den Reihen der Mit­glieder zwei Kommissare.27 Aus institutionenökonomischer Perspektive hatten 19

Vgl. o.V., Ankündigung (1791). Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 3. 21 O. V., Ankündigung (1791), Sp. 705. 22 Interessanterweise findet sich in Paragraph 7 explizit eine Bestimmung, dass Gutsbesitzer auch die Möglichkeit hätten, ihre verpachteten Güter versichern zu lassen, um ihren Pächtern eine Remission gewähren zu können. Verboten war lediglich eine doppelte Versicherung des Gutes, also durch Pächter und Eigentümer. Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der Hagelschlags-Entschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S.  6 (Kap. I, § 7). 23 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 5 (Kap. I, § 1). Ein Morgen betrug in Hannover 120 Quadratruten, was 0,262 Hektar entsprach. Vgl. Demel, Reich (2005), S.  359. 100 Morgen Land sind 26,2 Hektar, was einen ansehnlichen Besitz darstellt. 24 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 9 (Kap. V, § 1). 25 Die Landschaften waren ein wichtiges Instrument im Rahmen der ländlichen Kreditversorgung. Als ständisch-gegenseitige Finanzinstitution mit Zwangscharakter organisiert, versorgten sie die Grundbesitzer mit erschwinglichen Krediten, aus denen die Ablöse bestehender Verbindlichkeiten oder der Erwerb von Grund und Boden finanziert wurden. Die Refinanzierung erfolgte durch die Emission von Pfandbriefen. Vgl. Boelcke, Agrarkredit (1991). 26 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 10 f. (Kap. VI, § 1–4). 27 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 6–8 (Kap. II, III) sowie Anhang A der Akte. 20

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diese als Prinzipale die Rechtmäßigkeit der Schadensabschätzung zu überwachen, die wiederum von drei Taxatoren28 – den Agenten – vorgenommen werden sollte. Das Ausmaß der Verwüstung durch einen Hagelschlag wiederum war die Basis für die Schadensquote, wobei man nach einem Viertel, der Hälfte, drei Viertel oder der vollständigen Verhagelung unterschied. In Verbindung mit dem gewählten Beitragssatz ergab sich die konkrete Schadenssumme. Hatte der Landwirt einen Morgen Land beispielsweise mit 1 Groschen versichert, erhielt er bei vollständiger Verhagelung 5 Taler zurück. War die Hälfte der Feldfrüchte getroffen worden, waren es immerhin noch 2 Taler und 12 Groschen.29 Von Berg nannte die Gelder, die man erwarten konnte, „[…] ein ganz artiges und brauchbares Sümmchen“30, da je nach Ausprägung ein Taler bis zu 32 Groschen wert war.31 Welche Gründe waren dafür verantwortlich, dass es der ‚Braunschweigischen Hagel‘ gelungen war, erfolgreich den Geschäftsbetrieb aufzunehmen? Ein wesentlicher Unterschied zu den beiden fehlgeschlagenen Versuchen in AnsbachBayreuth und Württemberg lag wohl erstens darin, dass es sich im Fall des Braunschweiger Unternehmens um eine privatwirtschaftliche Initiative gehandelt hat. Zudem zeigt die Klausel der Mindestanforderung von 100 Morgen an Land­besitz, dass in der neuen Gesellschaft überwiegend finanzkräftige Gutsbesitzer und Vollbauern versammelt waren, welche die Mittel für die Unternehmensgründung wohl ohne große Probleme aufbringen konnten. Insofern kam es gerade nicht zu einer „stände- [bzw.] einkommensklassenübergreifenden Zusammenfassung von Versicherten“.32 Zweitens ist die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Institutionen wie den Landschaften positiv zu vermerken, wodurch eine (einigermaßen) reibungslose Geschäftsabwicklung garantiert gewesen sein dürfte. Vermeintlich zum Erfolg trug drittens die Klausel bei, Besitzer von kleineren Höfen von der Versicherungsnahme auszuschließen, was mit harschen Worten begründet wurde: „Ueberdem sprach wider ihre Aufnahme noch manches. Als: die gesellschaftliche allgemeine Gleichheit[,] die durch Leute aus ihrem Stande zu verrichtenden Schadenschätzungen [und] ihre Privilegien der zu merklichen Natürlichkeit und Derbheit. Wollte man ihnen

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Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S. 8 f. (Kap. III) sowie Anhang B und C der Akte. Anhang C beinhaltet die Eidesformel, die jeder Schätzer zu leisten hatte. 29 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 40 Slg 13052: Verbindungsakte der HagelschlagsEntschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791, S.  12–15 (Kap.  VII). Allerdings konnte der Geschädigte nicht sofort über die volle Summe verfügen. Die Hälfte der Entschädigung wurde erst zu Weihnachten ausbezahlt. 30 von Berg, Herbst-Assekuranzen (1795), S. 330. 31 Vgl. Demel, Reich (2005), S. 357. 32 Zwierlein, Grenzen (2013), S. 433. Gerade in diesem Punkt will Cornel Zwierlein einen potentiellen Konfliktauslöser gesehen haben, der zur Ablehnung vieler Versicherungsgesellschaften durch das Publikum geführt habe. Ob diese Grenze der Versicherbarkeit aber wirklich nichts mit dem Phänomen des Moral Hazard zu tun hat, wie Zwierlein behauptet, bleibt dahingestellt. Vgl. Ebd.

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den bloßen Beytritt gestatten, ohne einigen Antheil an den Stimmen, Geschäften und Einrichtungen, so würde sich jeder, wie es sein Vortheil erforderte, mit der Ueberlistung, der Gewalt […] schützen.“33

Was den Anklang beim Publikum betrifft, so können abermals nur Vermutungen angestellt werden. Potentielle Kunden dürften sich aufgrund der ausführlichen Statuten und dem Beitrag im ‚Braunschweiger Magazin‘ gut informiert gefühlt und ein Interesse an der Gesellschaft gezeigt haben. Denn zumindest im ersten Jahr ihrer Tätigkeit hatte die ‚Braunschweigische Hagel‘ Erfolg. Trotz schwerer Hagelstürme im Jahr 1791 konnten alle Ansprüche zur Zufriedenheit der Versicherten erfüllt werden.34 Allerdings hielt diese positive Entwicklung nicht lange an: Spätestens 1796 war das Unternehmen wieder verschwunden, wobei der genaue Zeitpunkt ebenfalls nicht gesichert ist.35 Zumindest muss sie ein Jahr davor noch bestanden haben, da zeitgenössische Autoren die Unternehmensstruktur diskutieren.36 Erneut kann über die für die Auflösung der ‚Braunschweigischen‘ verantwortlichen Gründe nur spekuliert werden. Soweit nachvollziehbar, gab es keine außergewöhnlich schweren Hagelschläge, die eine Überschuldung des Hagelversicherers nach sich gezogen hat. Abgesehen davon, dass man von vornherein einen großen Teil potentieller Kunden ausgeschlossen hatte, dürfte wohl für viele der Großgrundbesitzer die Idee einer Hagelversicherung noch zu fremd bzw. innovativ gewesen sein. Mit die größten Nachteile bestanden sicherlich in den ungenauen Prämienkalkulationen und den zu großzügig angesetzten Entschädigungssummen, so dass in hagelreichen Jahren nur ein geringer finanzieller Spielraum vorhanden gewesen sein dürfte. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde die Beitragsberechnung schlicht und ergreifend nach einem ‚trial-and-error-Verfahren‘ vorgenommen – und damit ähnlich, wie es auch bei anderen Versicherungssparten in dieser Zeit der Fall war.37 Dass dies im Übrigen im Fall der Hagelversicherung keine einmalige Erscheinung war, werden die weiteren Ausführungen zeigen. Eventuell haben auch die mangelnden Infrastrukturbedingungen38 mit zum Scheitern dieser ersten, über eine längere Zeit bestehenden, Hagelversicherungsgesellschaft beigetragen, da abgesehen vom Aufwand, Neukunden zu werben, auch die Informations- und Kontrollmöglichkeiten der Gesellschaft eingeschränkt waren. Daher wäre betrügerisches Verhalten der Kunden für das Unternehmen wohl nur schwer zu entdecken gewesen. 33

von Berg, Herbst-Assekuranzen (1795), S. 322. Vgl. von Berg, Herbst-Assekuranzen (1795), S. 286. 35 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 36 Vgl. von Berg, Herbst-Assekuranzen (1795), S. 281. Berg äußert sich im Übrigen sehr zuversichtlich, was die Zukunft der Kasse betrifft: Nach einigen Jahren und bei Ausbleiben von schweren Unglücksfällen würde die Gesellschaft so aufgestellt sein, „daß aus [dem Unternehmen] Entschädigungen ohne Beschwerde gegeben und die Beyträge heruntergesetzt oder gar abgeschafft werden können.“ Ebd., S. 318. 37 Vgl. Zwierlein, Sicherheit (2013), S. 386. 38 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 22. 34

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Ein Aspekt, der in der bisherigen Forschung noch keine Berücksichtigung gefunden hat, aber höchstwahrscheinlich der wesentliche Grund für die wachsenden Schwierigkeiten der ‚Braunschweigischen‘ darstellte, war der Plan für die Gründung einer landesherrlichen Hagelversicherungsanstalt, den die dortige Regierung ab 1794 verfolgte. Am 16.  September dieses Jahres gab Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel ein entsprechendes Gutachten in Auftrag. Abermals war geplant, eine Zwangsmitgliedschaft einzuführen, wobei man bereits ahnte, dass dies auf Widerstand stoßen würde. Die Erstellung des Konzeptes zog sich fast drei Jahre bis in den August 1797 hin. Dabei findet sich in den Akten der Vermerk, dass man mit anderen, wichtigeren Dingen beschäftigt sei, was möglicherweise ein Hinweis auf die Revolutionskriege gegen Frankreich ist und auf die Beteiligung des Herzogs deutet.39 Als Vorbild für die zu gründende Landesanstalt führte man interessanterweise eine Gesellschaft in Württemberg an, wo erst vor kurzem ein ähnlicher Versuch unternommen worden sei. War die Gründung dieser Gesellschaft – oder zumindest der Versuch davon – ein spätes Ergebnis der Diskussionen zwischen Eberhard von Gemmingen und Albrecht von Haller? Nach dem gegenwärtigen Aktenstand ist dies nicht zu verifizieren, da allem Anschein nach auch dieses zweite württembergische Projekt keinen Erfolg aufweisen konnte. Schlussendlich sprach sich die Braunschweigische Regierung am 19. Juli 1798 endgültig gegen die Idee einer landesherrlichen Hagelassekuranz aus. Begründet wurde dies mit folgenden Punkten: Erstens würde eine solche Versicherung keine so große Rolle wie die Brandversicherung spielen. Ohne deren Bedeutung schmälern zu wollen, ist aufgrund dieser Aussage erkennbar, dass das Risiko eines Hagelschlags für die Landwirtschaft immer noch unterschätzt wurde. Zweitens sei der Hagelschlag ein regional sehr unterschiedlich auftretendes Phänomen, was eine „Ungleichheit der Gefahr“ – womit die mangelnde Prämiendifferenzierung gemeint sein dürfte – zur Folge habe. Drittens würde das neue Institut eine weitere Belastung für den Staat darstellen, da die dort arbeitenden Beamten entlohnt werden müssten.40 Parallel zu den Ereignissen in Braunschweig gab es weitere Versuche, in verschiedenen deutschen Staaten landwirtschaftliche Assekuranzen zu gründen, deren Einzelheiten bis dato ebenfalls noch nicht näher untersucht wurden. Ab 1792 unternahm man den Versuch, eine Hagelversicherung in der Kurmark zu errichten, wobei sich dieser Prozess bis mindestens 1805 hingezogen hat, letztendlich aber ohne konkretes Ergebnis blieb.41 Was die organisatorische Ausgestaltung des 39 Karl Wilhelm Ferdinand kommandierte beispielsweise die alliierte Armee, die 1792 in Frankreich einmarschierte. Vgl. Demel, Reich (2005), S. 300 f. 40 Vgl. Niedersächsisches Staatsarchiv 23 Neu Fb. 1 Nr. 1585: Gutachten über die im Lande zu errichtende allgemeine Assecuranz der Hagelschäden 1791–1798, dort auch das wörtliche Zitat. 41 Vgl. GStA PK II. HA Generaldirektorium, Abt. 14, Kurmark, Materien, Tit. CCIII, Nr. 1, Acta betr. die Errichtung einer Hagelschaden Societaet in der Churmark, 1792–1805.

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Unternehmens betraf, orientierte man sich an bekannten Vorbildern, da die Satzung der ‚Braunschweigischen‘ den Akten der ‚Kurmärkischen‘ beigeheftet ist. Zudem liegt dem Konvolut das Statut der ‚Schlesischen Privat=Land= Schlossen=Schaden=Societät‘ bei, welche bereits die königlich-preußische Privilegierung erhalten hatte,42 aber  – soweit erkennbar  – ebenfalls keine nachhaltige Wirkung zeigte.43 Die Satzung der ‚Schlesischen‘ enthält einige bemerkenswerte Klauseln. Neben den Pächtern der königlichen Domänen konnten sich auch die Besitzer von Erb- und Lehngütern versichern, wobei die Mindestvertragslaufzeit fünf Jahre betrug. Sobald ein Kunde Entschädigungszahlungen erhalten hatte, erhöhte sich die Mindestlaufzeit auf 15 Jahre, was vor dem Hintergrund einer mittelfristigen Finanzplanung für das Unternehmen Vorteile mit sich gebracht haben dürfte. Abermals stand es dem Versicherungsnehmer frei zu wählen, in welchem Ausmaß er seinen Besitz in Deckung gab, wobei der Beitrag für einen Scheffel Getreide zwischen zwei und sechs Gulden betrug.44 Im Schadensfall musste das Feldstück begutachtet und dabei entschieden werden, ob sich die beschädigten Früchte noch bis zur Ernte erholen konnten. Falls eine solche Möglichkeit bestehen würde, nahm man lediglich den Umfang der verwüsteten Fläche auf und setzte eine zweite, endgültige Untersuchung für den Zeitpunkt der Ernte an. Sollte die Ernteeinbuße ein Viertel oder weniger betragen, gab es keine Entschädigung, womit ein Selbst­behalt eingeführt wurde. Im Fall des Verlustes bis zu 50 Prozent bekam der Kunde die Hälfte des Betrages ersetzt, mit dem der Scheffel versichert war. Ging mehr als die Hälfte des Ertrages verloren, wurde der volle Betrag pro Scheffel vergütet.45

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses: Die Dominanz der Gegenseitigkeitsvereine (bis ca. 1850) 1. Vorbemerkungen In den folgenden Kapiteln wird die Entwicklung der Hagelversicherungsbranche bis zum Ende des Ersten Weltkriegs nachgezeichnet. In diesem ‚langen 19. Jahrhundert‘ der Geschichte der deutschen Hagelversicherung bildeten sich die 42 Vgl. GStA PK II. HA Generaldirektorium, Abt. 14, Kurmark, Materien, Tit. CCIII, Nr. 1, Acta betr. die Errichtung einer Hagelschaden Societaet in der Churmark, 1792–1805, darin die beigefügte Satzung der Schlesischen Gesellschaft. 43 Des Weiteren ist ein Projekt einer Assekuranz im Meissnischen Kreis in Sachsen überliefert, deren Gründung 1799 geplant war, aber wohl ebenfalls nicht realisiert wurde. Vgl. Neumann, Versicherungsliteratur (1912), S. 797. 44 Ein Scheffel Getreide war in Preußen ungefähr 55 Liter Getreide. Ein Gulden wiederum war ungefähr 2/3 eines Talers wert und beinhaltete circa 12 Gramm Feinsilber, wobei hier wohl der so genannte Konventionsgulden gemeint sein dürfte. Vgl. Demel, Reich (2005), S. 358 f. 45 Vgl. GStA PK II. HA Generaldirektorium, Abt. 14, Kurmark, Materien, Tit. CCIII, Nr. 1, Acta betr. die Errichtung einer Hagelschaden Societaet in der Churmark, 1792–1805, darin die beigefügte Satzung der Schlesischen Gesellschaft.

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

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grundlegende Branchenstruktur sowie Prozess- und Produktinnovationen heraus, welche die Fähigkeit der bereits vorhandenen Institution Hagelassekuranz, auf dem Markt zu agieren, entscheidend verbesserten. Dass es im Agrarbereich etwas Vergleichbares bisher noch nicht gegeben hat, ist aus den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden. Kann man aber im Fall der Hagelassekuranz von einer In­ novation sprechen? Zur Klärung dieser Frage sind einige Punkte zu diskutieren. Existiert ers­ tens eine Kontinuität zwischen der Hagelversicherung und den aufgezeigten vor­ modernen Strategien zur Risikovorsorge im Agrarbereich? Abgesehen von den verschiedenen Formen der persönlichen und institutionellen Hilfeleistung konnte der Bauer auf eine weitere Bewältigungsstrategie zurückgreifen, nämlich eine Verringerung oder einen Erlass seiner Pacht bzw. sonstiger Abgaben zu beantragen. Der wesentliche Punkt des Konstrukts der Remission bestand in der Schadensminderung, so dass zumindest von einer versicherungsähnlichen Leistung gesprochen werden kann. Vom Grundprinzip her arbeitet die Hagelversicherung nach einem vergleichbaren Muster, so dass man in ihr eine Weiterführung sehen kann. Allerdings sei zweitens auf die Definition von Innovation nach Schumpeter verwiesen, für den Innovationen schlicht „[…] jedes ‚Andersmachen‘ im Gesamtbereich des Wirtschaftslebens […]“46 sind. Innovative Institutionen müssen nicht immer eine originäre Erfindung darstellen und können auf anderen Märkten bereits vorhanden sein. Im Umkehrschluss stellt dann jede Neuerung, die auf einem Teilmarkt eingeführt wird, dort eine Innovation dar. Somit ist es grundsätzlich gerechtfertigt, die Hagelversicherung als eine innovative Institution im Agrarsektor zu bezeichnen, da sie nun erstmals als Assekuranz für den Schutz der Mobilien der Bauern – eben der Ernte – sorgt. Wird drittens das Innovationskonzept weiter verfolgt, kann von primären und sekundären Produktinnovationen gesprochen werden, je nachdem, ob das Risiko neuartig ist oder bereits vorhanden war. Demnach ist die Hagelversicherung in die zweite Kategorie zu rechnen, da die Bauern seit langem der Gefahr ausgesetzt waren, ihren Ernteertrag durch einen Hagelschlag zu verlieren. Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen kann das Innovationskonzept ebenfalls als Grundlage für die weitere Gliederung der Untersuchung herangezogen werden. Das bereits eingeführte versicherungshistorische Entwicklungsmodell umfasst folgende Phasen: Von den ersten, im neuen Versicherungssegment tätigen Gesellschaften werden zunächst Produkte zur Befriedigung der dringendsten Sicherheitsbedürfnisse entwickelt. Für die deutsche Hagelversicherungsbranche trifft dies für die Jahre zwischen 1800 und 1850 zu. Charakteristisch ist hierbei die Tatsache, dass fast alle in dieser Periode gegründeten Unternehmen die Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit hatten (Kapitel D.II.2). Nach den ersten tastenden Versuchen erreicht die Branche dann das nächste Sta-

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Schumpeter, Konjunkturzyklen (1961), S. 91 bzw. Kapitel B.III.5.f).

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

dium. Zunehmend treten Prozessinnovationen auf, welche eine Verbesserung der bereits bestehenden Versicherungsdienstleistungen zur Folge haben. Auch hierfür können konkrete Anhaltspunkte im Rahmen der Geschichte der deutschen Hagelversicherung identifiziert werden. Neue Anbieter, diesmal in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, traten auf und sorgten für eine Marktbelebung und versicherungstechnische Weiterentwicklungen. Diese Zeit umfasst die Jahre bis circa 1870 (Kapitel D.III.). Gewinnt die Branche anschließend weiter an Reife, treten weitere Prozess- und Produktinnovationen auf. Diese Phase der Branchenentwicklung betrifft ungefähr die Zeit von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs (Kapitel D.IV.). Ob am Ende ein Massenmarkt für die Hagelversicherung entstanden ist, wie es die Theorie vorsieht, wird zu zeigen sein. Angemerkt sei, dass in Kapitel D.II.2. bis D.IV. größtenteils die Entwicklung in Norddeutschland betrachtet wird. Eine Veränderung des betrachteten Raumes findet dann in Kapitel E. statt, in dessen Rahmen die Lösung der Hagelversicherungsfrage in Süddeutschland diskutiert wird. Im Zeitraum von 1800 bis ungefähr 1907 wurden höchstwahrscheinlich47 88 Gesellschaften gegründet, wobei nachgewiesenermaßen 54 davon ihre Aktivitäten aus den unterschiedlichsten Gründen wieder einstellen mussten.48 Alleine schon diese nüchternen Zahlen deuten die Probleme an, welche die noch junge Branche in den ersten Jahrzehnten zu bewältigen hatte. Die Ziele waren eindeutig: Neben der Nutzung der geschäftlichen Möglichkeiten und damit der Gewinnerzielung sollte den Bauern ein funktionierender Versicherungsschutz zur Ver­ fügung gestellt werden. 2. Die Branchengeschichte bis 1853 a) Die Entwicklung ausgewählter Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit Das älteste deutsche Hagelversicherungsunternehmen, das immer noch am Markt tätig ist, wurde am 2. März 1797 unter dem Namen ‚Hagelschadenassekuranz-Gesellschaft in den Mecklenburgischen Landen‘49 gegründet. Ausschlaggebend war eine Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen im Herzog-

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Die angeführten Zahlen basieren auf den Arbeiten von Walter Rohrbeck, sind aber nach den Ergebnissen des vorherigen Kapitels mit Vorsicht zu behandeln. U. a. kann abschließend nicht geklärt werden, ob beispielsweise die ‚Schlesische‘ nicht doch den Betrieb aufgenommen hat. Das Unternehmen wurde jedoch von Rohrbeck an keiner Stelle erwähnt. Jedoch wird hierdurch die Aussagekraft der Rohrbeckschen Zahlen nicht grundsätzlich in Frage gestellt, so dass das Material im Rahmen der Arbeit weiterhin verwendet wird. 48 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77–85. 49 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. Heute ist diese Gesellschaft unter dem Namen ‚Mecklenburgische Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit‘ bekannt.

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

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tum Mecklenburg-Strelitz. Die angespannte ökonomische Lage50 nötigte Herzog Karl Ludwig Friedrich im Jahr 1794 dazu, Maßnahmen zur Konsolidierung der Landesfinanzen einzuleiten. Diese Anstrengungen wirkten sich aber zunächst nur auf den Domänenbesitz aus, da die herzogliche Zentralgewalt noch nicht so stark ausgeprägt war, um die adeligen Gutsbesitzer zum Verzicht auf einen Teil ihrer althergebrachten Privilegien zu zwingen.51 Die unmittelbaren landesherrlichen Einnahmen sollten durch Einführung von agrartechnischen Innovationen wie dem Wechsel von der Dreifelder- auf die Koppelwirtschaft gesteigert werden.52 Für die Entwicklung der Hagelversicherung spielte aber ein anderer Punkt eine größere Rolle, nämlich die einseitige Aufhebung der bis dato geltenden Pachtverträge und damit eine Veränderung der bisher geltenden Property-Rights. Bisher sahen diese die Abgabe von relativ niedrigen Pachtzinsen vor. Außerdem waren Remissionen gängige Praxis, so dass im Fall einer Verhagelung von mehr als der Hälfte der Ernte den jeweiligen Pächtern eine Kürzung ihrer Verpflichtungen gewährt wurde. Die neuen, mit Wirkung zum Johannistag 179553 erlassenen Verträge enthielten nun keine derartige Klausel mehr. Daher hätten die Domänenpächter Schäden ab sofort alleine zu tragen, wie es in Paragraph Neun der Pachtbedingungen heißt: „Sämtliche Unglücksfälle, welche das Getraide, Vieh, Fahrniß, die Aussaat und Früchte betreffen, samt und sonders, gewöhn= und ungewöhnliche, sie mögen Namen haben wie sie wollen, auch Windsturm und Kriegesschäden, nimmt Conductor [also der Pächter] gänzlich über sich, und will deshalb keine Vergütung oder Nachlaß an der Pension verlangen, dahero auch alle bisherige desfalsige Vergütungen für die Zukunft gänzlich cessiren.“54

Trotz der bereits diskutierten Schwächen der Remissionspraxis verursachte deren Abschaffung ein erhöhtes Maß an ökonomischer Unsicherheit für die be­ troffenen Landwirte. Zur Lösung dieser prekären Lage waren mehrere Alternativen zur Auswahl denkbar. Die Bauern hätten das Risiko selbst tragen oder sich beispielsweise auf Bewältigungsstrategien wie die Nachbarschafts- oder Verwandtenhilfe verlassen können. Ob man dies angesichts der zunehmenden Dynamik der Agrarkonjunktur ernsthaft in Erwägung zog, darf bezweifelt werden. Daher wurde schon bald nach der Bekanntgabe der neuen Pachtbedingungen der Plan diskutiert, einen Hagelversicherungsverein zu gründen, um im Kollektiv Unwetterfolgen tragen zu 50 Unter Karl Ludwigs Vorgänger Adolf Friedrich waren alleine die Schulden der Staats­ verwaltung um 400.000 Taler gestiegen. Vgl. Hamann, Mecklenburg (1972), S. 104. 51 Vgl. Hamann, Mecklenburg (1972), S. 117–122. 52 Bei der Koppelwirtschaft wurde die Fläche für einige Jahre abwechselnd als Weide- und Ackerland genutzt. Vgl. Henning, Deutschland (1994), S. 250. 53 Das ist der 24. Juni. 54 LHAS, 4.11–6 Meckl.-Strel. Kammer- und Forstkollegium, Nr.  3271. Der Paragraph behandelt weiterhin das Verhalten im Hinblick auf die Brandverhütung. Der Pächter hatte bestimmte Löschgeräte bereitzuhalten und Vorsorge zur Brandverhütung zu treffen. Eine Brandversicherung wurde nicht erwähnt.

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

können. Allerdings kann nicht mehr eindeutig nachvollzogen werden, woher oder von wem die Anregung für dieses Vorhaben kam. Nicht zuletzt aufgrund der geographischen Nähe dürfte man in Mecklenburg-Strelitz Kenntnis des Braunschweiger Projektes gehabt haben, zumal dieses, wie gesehen, in manchen der kameralistischen Schriften gewürdigt wurde. Daneben war als weitere wichtige Voraussetzung auch in Mecklenburg der Versicherungsgedanke an sich schon bekannt, da die Brandversicherung seit längerem zur Zufriedenheit der Bevölkerung tätig war.55 Da die revidierten Pachtbedingungen im Juni 1795 in Kraft treten sollten, wurde im gleichen Jahr ein erster Entwurf einer neuen Hagelversicherung in der Stände­ versammlung diskutiert. Diese beauftragte einige Gutsbesitzer, für das kommende Sitzungsjahr ein Statut für eine staatseigene Hagelassekuranz zu erstellen. Damit wurden die Vorbereitungsarbeiten größtenteils einer Gruppe von Landwirten und Gutsbesitzern und nicht Beamten überlassen, was für die damalige Zeit eine doch bemerkenswerte Vorgehensweise war. Möglicherweise wollte die Ständeversammlung hiermit eine Beschleunigung des Verfahrens erreichen, um den betroffenen Domänenpächtern eine rasche Lösung zu ermöglichen. Jedoch votierte die Ständeversammlung 1796 mehrheitlich gegen den Plan, eine landesherrliche Hagelassekuranz in Mecklenburg-Strelitz zu gründen. Ähnlich wie in anderen Fällen wurde zwar die grundsätzliche Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Projekts betont. Die Kritik entzündete sich aber an einer Bestimmung hinsichtlich der staatlichen Leitung der neuen Gesellschaft: Im Entwurf war vorgesehen, dass der so genannte Engere Ausschuß, ein Organ der Ritter- und Landschaften und damit letztendlich der Ständeversammlung selbst, die Aufsicht bzw. die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit des neuen Unternehmens übernehmen sollte. Obwohl dies im Fall der Brandversicherung bereits gängige Praxis war, stellte man sich auf den – durchaus nachvollziehbaren – Standpunkt, dass man noch zu wenig Erfahrung mit der neuen Assekuranzsparte habe, um diese Aufgabe übernehmen zu können. Der Plan wurde daher zu den Akten gelegt. Somit endete zunächst das Projekt Hagelversicherung in Mecklenburg-Strelitz, da sich die Abgeordneten darauf verständigten, von Regierungsseite her nicht weiter tätig zu werden. Parallel zu den politischen Diskussionen waren bereits von privatwirtschaftlicher Seite ähnliche Versuche unternommen worden. Wenig überraschend ging diese Initiative von den unmittelbar Betroffenen der neuen Pachtregelungen aus. Ein Domänenpächter namens Schröder, der seine Güter in Neetzka56 bewirtschaftete, beauftragte einen Theologen namens Drepper, der als Haus­lehrer auf dem Schröderschen Besitz tätig war, einen ersten Satzungsentwurf für eine neue Hagelversicherung auszuarbeiten. Nach Fertigstellung der Skizze ließ Schröder das 55

Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 17–22. Die Gemeinde Neetzka am See liegt im heutigen Landkreis Mecklenburg-Strelitz im Südosten des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. 56

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

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Dokument allen Domänenpächtern und Gutsbesitzern sowohl in MecklenburgStrelitz als auch im benachbarten Herzogtum Mecklenburg-Schwerin zukommen. Viele der Adressaten dürften die politischen Diskussionen in der Ständeversammlung gekannt haben, so dass ihnen die Idee nicht mehr völlig unbekannt war. Da die Interessen von Rittergutsbesitzern und Pächtern übereinstimmten, einigten sich im August 1796 sechs Gutsbesitzer und 28 Domänenpächter bei einer Versammlung in Neubrandenburg auf die Gründung einer neuen Versicherung zum Schutz vor Hagelschlägen. Nach einer Überarbeitung des Statuts wählte eine weitere Versammlung Ende Dezember 1796 das vorläufige Direktorium, das paritätisch aus je drei Gutsbesitzern und Pächtern bestand. Am 2. März 1797 traf sich das Direktorium abermals in Neubrandenburg und beschloss das endgültige Statut,57 womit die neue Gesellschaft rechtskräftig58 gegründet war und ihren Firmensitz am Gründungsort nahm. Das Dokument trug die Unterschrift aller Direktoren, von denen einer, der Gutsbesitzer von Rieben auf Matzdorf und Schönhausen in Mecklenburg und auf Mittenwalde in der Mark Brandenburg,59 in der weiteren Entwicklung des Unternehmens noch eine bedeutende Rolle spielen sollte.60 Eine nähere Untersuchung des Status der neuen Gesellschaft zeigt Gemeinsamkeiten zu den bereits vorgestellten Unternehmen, aber auch manche Neuerung. Paragraph Drei regelt die Versicherungsnahme in den beiden mecklenburgischen Herzogtümern. Es wurde bestimmt, dass grundsätzlich alle dort lebenden Gutseigentümer und Gutspächter eine Versicherung abschließen können. Im Fall der Pächter schloss dies auch die Dienstbauern mit ein.61 Anders als im Fall der ‚Braunschweigischen‘ war keine Mindestgröße an landwirtschaftlichem Besitz vorgesehen, so dass nicht von vornherein eine Reihe von potentiellen Kunden von der Versicherungsnahme ausgeschlossen war. Als Sicherheitsklausel wurde vereinbart, dass bei Versicherungsnahme eines Dienstbauern der jeweilige Guts­ besitzer eine Garantie für dessen Beitragszahlungen abzugeben habe. Im Rahmen dieses Paragraphen findet sich eine weitere Klausel bezüglich der Ausdehnung der geschäftlichen Aktivitäten. Demnach war es auch Gutsbesitzern und Pächtern außerhalb der beiden mecklenburgischen Herzogtümer möglich, eine Ver­ sicherung abzuschließen.62 Wie die weitere Entwicklung zeigt, wurde davon reichlich Gebrauch gemacht. Explizit wurde aber festgelegt, dass das Direktorenamt nur von mecklenburgischen Kunden ausgeübt werden könne.63 57

Abgedruckt bei Büchner, Geschichte (1972), S. 27–38. Eine landesherrliche Genehmigung war in beiden mecklenburgischen Herzogtümern nicht notwendig, wenngleich eine nachträgliche Bestätigung im Jahr 1800 von beiden Regierungen erteilt wurde. 59 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 6. 60 Vgl. falls nicht anderes zitiert zur Entstehungsgeschichte der Mecklenburgischen Arps, Pfeilern (1965), S. 21, Büchner, Geschichte (1972), S. 22–39 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 247–250. 61 Kommunen waren dagegen explizit von der Versicherungsnahme ausgeschlossen. 62 Abgedruckt bei Büchner, Geschichte (1972), S. 30. 63 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 6. 58

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Paragraph Sechs schreibt die Einreichung eines Fruchtverzeichnisses vor, das für alle versicherten Feldstücke den erwarteten Ertrag beinhalten musste.64 Die Aufstellung bildete die Grundlage für die Schadensvergütung, wobei es dem Kunden freistand, zu welchem Betrag er seine Felder versichern ließ. Ein Prozent dieser Summe muss nach Paragraph Sieben in einen separaten Fond eingezahlt werden, woraus die laufenden Geschäftskosten gedeckt wurden. Die Gelder für die eigentliche Schadensvergütung erhob die Gesellschaft über das reine Umlageverfahren. Der vom Kunden zu entrichtende Anteil ergab sich erst nach der Aufnahme aller Schäden aufgrund eines Hagelschlags.65 Daher finden sich keine konkreten Prämiensätze in der Satzung, da mit Ausnahme der Verwaltungskosten vorab keine Gelder zu entrichten waren. Im Schadensfall musste nach Paragraph Neun zeitnah eine Besichtigung durch vier von den Direktoren ernannte Schätzer erfolgen. Allerdings berücksichtigte man in diesem Zusammenhang die damalige Verkehrs- und Infrastruktursituation: Sollte nämlich ein zeitkritischer Fall vorliegen, was z. B. dann der Fall war, wenn der Bauer nach einer totalen Zerstörung der Ernte möglichst schnell die komplette Umackerung des Feldes wieder in Angriff nehmen wollte, war es erlaubt, dass der Geschädigte selbst vier Schätzer aus den Reihen der Versicherten bestimmte.66 Die ersten Geschäftsjahre der Gesellschaft verliefen zufriedenstellend. Bereits 1797 konnte die ‚Mecklenburgische‘ eine Versicherungssumme von 1,2 Millionen Mark abschließen.67 Allerdings sollte sich diese Summe bis 1807 lediglich auf knapp 1,3 Millionen Mark erhöhen. Die Gründe für dieses langsame Wachstum lagen mit ziemlicher Sicherheit an der stockenden Agrarkonjunktur sowie den Napoleonischen Kriegen. Aber auch die Sättigung des einheimischen Marktes dürfte eine Rolle gespielt haben, da gerade in diesen Jahren begonnen wurde, verstärkt in die benach­barten Regionen zu expandieren. Ab 1809 war die Gesellschaft in verschiedenen preußischen Provinzen wie Pommern oder der Uckermark, in Hannover, in Braunschweig und in Lauenburg tätig. Daher betrug die Versicherungssumme 1817 bereits über 15 Millionen Mark und sollte sich bis 1837 auf 29,7 Mil 64

Ein Musterformular findet sich in Anlage A zur Satzung. Abgedruckt bei Büchner, Geschichte (1972), S. 35 f. 65 Abgedruckt bei Büchner, Geschichte (1972), S.  31. Die Paragraphen 15–18 regeln die Beitragszahlung, die binnen vier Wochen nach Ausschreiben der Schadensquote zu erfolgen hatte. 66 Waren keine Schätzer innerhalb von vier Meilen vom beschädigten Grundstück aufzutreiben, so sollten „unbescholtene sachkundige Männer“, die nicht Versicherungsnehmer der ‚Mecklenburgischen‘ sein mussten, diese Aufgabe übernehmen. Allerdings hatte der betroffene Landwirt der Direktion glaubhaft zu versichern, dass die Hinzuziehung von Nichtmitgliedern die einzige Möglichkeit zur Schadensabschätzung war. Unabhängig davon, wer genau die Schätzung vornahm, bestimmte Paragraph 12, dass alle vier Gutachter ihr Ergebnis unabhängig voneinander abgeben mussten. Der Mittelwert aus diesen vier Angaben war dann die endgültige Schadenssumme.Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 31 f., das wörtliche Zitat findet sich auf S. 32. 67 Die Zahlen für die ‚Mecklenburgische‘ folgen Rohrbeck, Organisation (1909), S.  82 f. Dieser rechnet sämtliche Werte auch vor 1873 in die Markwährung des Kaiserreichs um.

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lionen Mark steigern. Die Expansion wurde in diesen Jahren fortgesetzt, da das Geschäfts­gebiet 1839 auf einen Radius von 300 km um den ursprünglichen Firmensitz Neubrandenburg angewachsen war.68 Implizit hatten die Verantwortlichen wohl die Sinnhaftigkeit der Geschäftsausweitung erkannt, denn eine solche Strategie war vor dem Aufkommen der Rückversicherung die einzig wirksame Möglichkeit einer Risikodiversifikation.69 Eine Diversifizierung in anderer Hinsicht stellte die Erweiterung der Produktpalette dar, da ab 1801 auch die Mobiliarfeuerversicherung angeboten wurde.70 Da nur die Landwirte, die sich für den Abschluss einer Hagelversicherung entschieden hatten, das neue Angebot annehmen konnten, dürften sich mögliche Synergieeffekte zu Beginn aber in Grenzen gehalten haben. Neben der ‚Mecklenburgischen‘ wurden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Reihe weiterer Hagelversicherer gegründet, die bis auf eine noch näher zu untersuchende Ausnahme als lokal tätige Gegenseitigkeitsvereine organisiert und fast ausschließlich in Norddeutschland tätig waren. Teilweise existieren sie noch heute, sei es als eigenständige Gesellschaft oder unter dem Dach anderer Hagelversicherungsunternehmen.71 Hierzu zählt die im Juli 1811 gegründete ‚Hagel-Assecuranz-Gesellschaft im Preetzer adeligen Güther-Distrikt‘ bzw. ‚Hagel­assekuranzgesellschaft für die adeligen Güter und Klöster der Herzogtümer Schleswig, Holstein, Lauenburg und Kiel‘, die heute unter dem Namen ‚Schleswig-Holsteinische Hagelgilde‘ bekannt ist.72 Hinsichtlich der Organisation standen abermals die Brandgilden Pate.73 Anders als im Fall der ‚Mecklenburgischen‘ bewirkte keine Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen die Gründung des neuen Unternehmens. Vielmehr ging die Initiative von hamburgischen Kaufleuten aus, die ihre erwirtschafteten Gewinne in landwirtschaftlichen Gütern anzulegen pflegten und nach einer Möglichkeit suchten, ihre Investition abzusichern.74 Dies erscheint umso einleuchtender, wenn man sich die folgenden Punkte vor Augen führt. Die Kaufleute aus der Hansestadt verfügten erstens über die nötige Finanzkraft, um ein solches Projekt starten zu können. Zweitens hatten sie aufgrund ihrer Investitionen Kenntnisse über den Agrarsektor bzw. die Agrarkonjunktur. Drittens dürfte ihnen die Institution Versicherung aufgrund der Hamburger Feuerkasse vertraut gewesen sein. Anders als die ‚Mecklenburgische‘ verfolgte die ‚Schleswig-Holsteinische Hagelgilde‘ zunächst keinen Expansionskurs, sondern blieb weitgehend regional tätig. Entsprechend wuchs das neue

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Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 40 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 249. Vgl. Borscheid, Vertrauensgewinn (2001), S. 314. 70 Ab 1862 bot man schließlich auch Immobiliarbrandversicherungen an. 71 Vgl. speziell zu den kleineren Gesellschaften Rohrbeck, Hagelversicherungsvereine (1913). 72 Schon 1790 wurde eine Hagelversicherung für Schleswig und Holstein gefordert, wobei dieser Entwurf u. a. auf Justis Vorschläge zurückgriff. Vgl. Schrader, Anwendung (1790), S. 698–705. 73 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 250. 74 Vgl. ausführlich Schleswig-Holsteinische Hagelgilde, Festschrift (1986). 69

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Unternehmen nur langsam: 1817 betrug die Versicherungssumme knapp 4 Millionen Mark, zehn Jahre später lediglich 5,8 Millionen Mark.75 Mit der Zeit breitete sich die Idee der Hagelversicherung auch in Richtung Süden aus. 1811 wurde im anhaltischen Köthen76 und 1820 im ebenfalls in Anhalt gelegenen Halberstadt eine neue Hagelversicherung gegründet.77 Beide hatten den Schwerpunkt ihrer geschäftlichen Aktivitäten im Königreich Sachsen und der preußischen Provinz Sachsen. Jedoch musste sowohl die ‚Köthener‘78 als auch die ‚Halberstädter‘ 1823 ihren Betrieb einstellen, wenn auch aus höchst unterschiedlichen Gründen. Das Statut der Köthener Gesellschaft beinhaltet eine Klausel, die Versicherungsbetrug begünstigt: Jedem Versicherten war es selbst überlassen, den jeweiligen Ernteertrag seiner Felder nach eigenem Gutdünken zu schätzen und dies als Entschädigungsgrundlage anzugeben. Insofern ergab sich dadurch das Problem, dass sich unverhältnismäßig viele Kunden mit einem hohen Risiko bei der ‚Köthener‘ versicherten und im Anschluss äußerst hohe, mitunter sogar falsche Schadensmeldungen einreichten. Das unlautere Verhalten beschränkte sich aber nicht nur auf die Kunden, sondern ist auch bei Mitarbeitern der Köthener Gesellschaft festzustellen. Einige der zuständigen Schätzer hatten die eben beschriebenen Schadensmeldungen selbst abgegeben bzw. die jeweiligen Kundenanträge unterstützt.79 Interpretiert man daher die Beziehung von Versicherungsagent und Versicherungsgesellschaft als längerfristigen Vertrag, so lag ein MoralHazard-Problem vor. Denn dieses tritt genau dann auf, wenn der Agent nach Vertrags­abschluss dem Prinzipal gegenüber unlauter handelt. Dieser Vertrauens­ missbrauch wurde noch begünstig, da die ‚Köthener‘ die Prozedur der Schadensabschätzung nicht exakt festgelegt hatte. Trotz dieser Probleme arbeitete das Unternehmen in den ersten Jahren durchaus vielversprechend. 1821 war die Versicherungssumme auf knapp 5,6 Millionen Taler oder circa 17 Millionen Mark angestiegen. Infolge der manipulierten Schadensmeldungen mussten jedoch immer höhere Nachschüsse ausgeschrieben werden, 75

Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 82. Der ‚Krünitz‘ hielt diese Gesellschaft für das erste Unternehmen, das in Deutschland den Betrieb aufgenommen hat. Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S.  541. In dem Artikel finden sich  – soweit überschaubar  – die einzigen Angaben über Geschäftszahlen der Köthener Anstalt. Demnach startete diese mit einer Subskriptionssumme von knapp 319.000 Talern, wobei die Versicherungssumme bis 1815 auf 1 Million Taler angewachsen war. Vgl. Ebd. 77 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 78 1831 wurde die ‚Neue Köthener Hagelversicherung‘ gegründet, die aber nach mäßigem Erfolg 1853 ebenfalls liquidiert wurde. Vgl. Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 56 sowie Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 79 Wie es aber um die Bezahlung der Agenten bestellt war, ist eine ganz andere Sache. Denn nur mit einer angemessenen Vergütung sind für die Mitarbeiter Anreize vorhanden, zum Wohl des Unternehmens zu arbeiten. Wie die Agententätigkeit im Fall der ersten Hagelversicherer beschaffen war und welche Entlohnung sie erhielten, kann aufgrund des begrenzten Umfangs nicht vertieft werden. Dies stellt aber für die Zukunft eine interessante Forschungsfrage dar. 76

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so dass diese Quote 1823 500 Prozent (!) der ursprünglichen Versicherungsprämie betrug.80 Die Lage der ‚Köthener Hagel‘ hatte sich aber bereits ein Jahr zuvor verschärft. Das unlautere Verhalten einzelner Mitarbeiter wirkte sich verheerend auf einen Großteil der Kunden aus, welche immer zahlreicher ihre Verträge kündigten. Als Höhepunkt der Entwicklung leiteten die zuständigen Behörden sogar eine Untersuchung gegen das Direktorium ein,81 wobei dieses – soweit erkennbar – mit dem Betrug nichts zu tun hatte. Ein zeitgenössischer Artikel kommentiert das Ende dieses Hagelversicherers mit folgenden Worten: „Seitdem [gemeint ist die Liquidierung] erhält ein zwischen den Debitoren und den Creditoren der Anstalt noch obschwebender Prozeß wenigstens noch das Andenken an dieses Institut.“82 Die 1820 in Halberstadt gegründete Gesellschaft wiederholte den Fehler der ‚Köthener‘ – von der man offensichtlich Kenntnisse hatte – nicht. Zur Betrugsvermeidung hatten die Versicherungsnehmer genaue Angaben über die versicherten Flurstücke und damit ein Fruchtverzeichnis einzureichen, wobei sich der Wert der Feldfrüchte nun explizit an den durchschnittlichen Marktpreisen orientierte. Bereits 1822 versicherten sich 1.056 Kunden mit einer Versicherungssumme von 3,2 Millionen Taler bzw. 9,6 Millionen Mark. Diese einigermaßen prosperierende Entwicklung wurde aber 1823 durch schwere Hagelschläge zunichtegemacht, die mehrfach über ganz Sachsen niedergingen. Da sich das Geschäftsgebiet lediglich auf die sächsischen Provinzen beschränkte, war eine funktionierende Risiko­ diversifikation nicht möglich, so dass die ‚Halberstädter‘ aufgrund der hohen Schadensforderungen liquidiert werden musste.83 Trotz des hohen Risikos eines Hagelschlags bestand für die sächsischen Landwirte zunächst keine Möglichkeit, ihre Felder versichern zu lassen. Vor diesem Hintergrund nahm im Jahre 1824 eine neue Gesellschaft unter dem Namen ‚Hagel­schädenversicherungs-Gesellschaft im Königreich Sachsen‘ ihre Tätigkeit auf, die schon bald unter dem Namen ‚Leipziger Hagel‘ firmierte.84 Die Initiative ging von einer Gruppe von Grund- und Gutsbesitzern aus,85 wobei insbesondere die Beteiligung von Dr. Heinrich Wilhelm Leberecht Crusius86 und Friedrich 80

Dessen Höhe konnte nicht mehr ermittelt werden. Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 542. 82 Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 542. 83 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesenr (Hagel-) (1853), S. 542 f. 84 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 8. 85 Neben Crusius und Teichmann waren dies L. M. Rummelt, Dr. Th. Schmiedel auf Zehmen sowie Gottfried Wilhelm Schnetger auf Machern. Angemerkt sei, dass für die Namen der Direktoren Rummelt und Schnetger unterschiedliche Schreibweisen überliefert sind. Masius verwendet „ Schnettger“ und „Rummel“, Kleinpaul dagegen „Schnetger“ und „Rummelt“. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird Kleinpaul gefolgt. Vgl. Masius, Lehre (1846), S. 200 sowie AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 4. 86 1813 erhielt Crusius von seinem Vater die Verantwortung für das Rittergut Rüdigsdorf. Nach dessen Tod erbte Heinrich Crusius auch das Gut Kohren-Sahlis, das schon bald als landwirtschaftlicher Musterbetrieb galt. 81

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Teichmann auf Muckern und Neumuckershausen entscheidend war.87 Friedrich Teichmann, der sich als Schriftsteller verdingte, hatte sich mit seinen agrartheoretischen Abhandlungen schon einen Namen in landwirtschaftlichen Kreisen erworben.88 Heinrich Wilhelm Crusius dagegen war bereits seit längerem als praktischer Landwirt tätig89 und zugleich Vorsitzender der ‚Leipziger ökonomischen Sozietät‘.90 Zudem saß er bis 1848 als ritterschaftlicher Abgeordneter in der ersten Kammer des sächsischen Landtages.91 Crusius und seine Kollegen hatten geplant, erst die Mindestversicherungssumme von einer Million Taler oder drei Millionen Mark einzusammeln, bevor 1824 der Geschäftsbetrieb eröffnet werden sollte. Von dieser Summe kamen aber lediglich etwas mehr als die Hälfte zusammen. Allerdings hatte man den ver­sicherungswilligen Landwirten die Klausel hinsichtlich einer Mindestsumme nicht mitgeteilt, so dass viele Kunden davon ausgingen, mit Abgabe des Antrags vollen Versicherungsschutz zu genießen.92 Aus diesem Grund nahm die ‚Leipziger Hagel‘ ohne Erteilung der königlichen Genehmigung93 gezwungenermaßen bereits 1823 ihre Tätigkeit auf.94 Zunächst war das Unternehmen im Königreich Sachsen tätig, was jedoch aufgrund der geringen Größe des Landes Nachteile hinsichtlich der Diversifikation – wie man es bei der ‚Halberstädter‘ gesehen hatte – mit sich brachte. Patriotisch gestimmt, war die Beschränkung auf Sachsen aber gewollt, wie der unbekannte Verfasser95 der Festschrift zum 50. Jubiläum der Gesellschaft mitteilt: „Politisch gekränkt und verkleinert, wollte man in Sachsen nur für Sachsen schaffen und ‚Denen draussen‘ überlassen sich selber zu helfen, sie also ausschliessen von den Wohl­ thaten der neuen Einrichtung.“96 87 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 5 sowie AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 4. 88 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 4. 89 Crusius’ Ausbildung ließ nicht unbedingt auf seine Tätigkeit im Agrarbereich schließen, da er ursprünglich Jura und Nationalökonomie studiert hatte. 90 Auf dem von der ‚Sozietät‘ gepachteten Gut Möckern sorgte er dafür, dass 1831 die erste landwirtschaftliche Versuchsstation in Deutschland eingerichtet wurde. 91 Aufgrund seiner Verdienste bezeichnete Masius Wilhelm Crusius als „[…] einen der ersten Grundbesitzer und geachtesten Männer Sachsens.“ Masius, Lehre (1846), S. 198. Heinrich Wilhelm Crusius verstarb 1858 in seiner Geburtstadt Leipzig. Vgl. zur Biographie von Crusius Bertz, Crusius (1999) sowie Bertz, Wirken (2007). 92 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 548. 93 Zumindest wurde das Unternehmen „mit Vorwissen der Allerhöchsten Behörde“ gegründet, wie es im Gründungsstatut hieß. Zitiert in AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/ Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 12. 94 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 8 f. Vgl. für die Geschäftszahlen auch die Angaben im Anhang zu diese Arbeit. 95 Höchstwahrscheinlich handelte es sich dabei um den damaligen Kassier der ‚Leipziger Hagel‘ Ortelli. Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 12. 96 O. V., Gesellschaft (1873), S. 6.

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Neben Halm-, Hülsen- und Ölfrüchten konnten auch Hirse, Flachs und Hanf versichert werden. Die Mindestversicherungssumme betrug zunächst 300 Taler, wobei diese – wohl dem begrenzten Geschäftsgebiet geschuldet – schon bald verringert wurde. Bereits ab 1824 musste nur mehr für 150 Taler versichert werden, von 1826 an nur noch für 100 Taler.97 Zur raschen Steigerung des Versicherungsabsatzes sollte eine innovative Idee, die sogenannte Verbandsversicherung, beitragen. Mit dieser Vertragsvariante war es mehreren Bauern – und hierbei wohl v. a. den Besitzern kleinerer Höfe98 – im Kollektiv möglich, zusammen einen einzigen Kontrakt abzuschließen, wobei ein Bevollmächtigter aus dieser Gruppe die Versicherten gegenüber dem Unternehmen vertrat. Obwohl empirisch nicht nachweisbar, ist anzunehmen, dass als Folge dieser Innovation die Verwaltungs- und Transaktionskosten gesenkt werden konnten. Die Beiträge für alle Verträge wurden im Vorbeitrags-Nachschuss-System eingezogen und betrugen 0,5 Prozent der Versicherungssumme.99 Allerdings gab es keine gestaffelten Prämien, der Satz galt vielmehr für alle Fruchtarten und Regionen. Zudem verlangte die Satzung, dass neben dem Kunden auch zwei Ortsgerichtspersonen und damit Behördenvertreter auf dem Antrag zu unterschreiben hätten. Dieses Verfahren kann durchaus als Screening von Seiten des Prinzipals ‚Leipziger Hagel‘ interpretiert werden, da mit Hilfe des Leumundszeugnisses die Zahlungsfähigkeit potentieller Kunden bzw. der Agenten überprüft und sicher­ gestellt werden sollte. Insgesamt fällt das Prinzip der Sparsamkeit auf, vor dessen Hintergrund die Satzung konzipiert wurde. Denn ganz im kameralistischen Sinn strebte man danach, das Geld im Unternehmen zu halten, anstatt beispielsweise Investitionen zu tätigen.100 Aus diesem Grund verzichtete die Gesellschaft zunächst auf den Aufbau eines Agentennetzes. Crusius und seine Kollegen waren vielmehr davon überzeugt, dass potentielle Kunden die Notwendigkeit der Versicherungsnahme erkennen und daher von sich aus an die ‚Leipziger Hagel‘ herantreten würden. Inwieweit dieser Punkt geschäftspolitisch sinnvoll war, erscheint im Rückblick fraglich. Zwar konnten durch Verzicht auf einen Außendienst kurzfristig die unternehmensinternen Transaktionskosten auf niedrigem Niveau gehalten werden. In langfristiger Perspektive blieb das Problem des Versicherungsabsatzes weitgehend ungelöst, zumal sich das Unternehmen erst am Anfang seiner Tätigkeit befand und daher noch nicht über die Reputation verfügte, um auf Werbemaßnahmen weit­ gehend verzichten zu können. Der Sparzwang brachte im Übrigen noch manch andere Kuriosität hervor, denn anscheinend hatten die Kunden die Satzung und

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Vgl. Bertz, Wirken (2007), S. 11 f. Auch für Landwirte, die mit Ablösezahlungen belastet waren, dürfte das neue Vertragskonstrukt eine wesentliche Erleichterung dargestellt haben. 99 Der Vorbeitrag musste mit Einreichung des Versicherungsantrages bei Arnoldis Gothaer Feuerversicherungsbank hinterlegt werden. 100 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 10. 98

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andere Formulare der Gesellschaft aus eigener Tasche zu bezahlen.101 Manche der Bestimmungen erscheinen zudem unrealistisch. So wurde u. a. festgelegt, dass ein Schadensfall spätestens nach zwei Tagen an einen Unternehmensvertreter gemeldet werden musste, was angesichts der damaligen Infrastruktur wohl ein schwieriges Unterfangen war. Paul Haberland hat daraus gefolgert, dass dieser Passus nur deshalb aufgenommen wurde, um eine möglichst weitreichende Begrenzung der Ersatzpflichten zu erreichen.102 Ob dies wirklich der Fall war, sei dahingestellt. Die Gesellschaftsorgane umfassten das Direktorium, den Gesellschaftsausschuss und die Versammlung. Für das operative Geschäft waren drei Direktoren verantwortlich, die jeweils einen Stellvertreter hatten und ihre Tätigkeit als reines Ehrenamt ausübten.103 Wilhelm Crusius104 übernahm einen der Posten105 und hatte in den folgenden Jahren eine zentrale und wesentliche Stellung inne. Be­stätigt wird dies durch die Aussage mancher Quellen, wonach die Gesellschaft in geradezu patriarchalischer Art und Weise geführt wurde.106 Überwacht wurde das Direktorium vom Gesellschaftsausschuss, der mit einem Aufsichtsrat vergleichbar ist.107 Eigenartigerweise gab es aber zu Beginn noch keine Generalversammlung aller Mitglieder, diese wurde erst 1826 eingeführt. Die erste Satzung sah lediglich eine jährliche Sitzung des Direktoriums und des Ausschusses vor. Offenbar wollte man mit diesem Passus erreichen, sich durch etwaige Mitgliederbeschlüsse nicht allzu sehr in den geschäftlichen Entscheidungen einschränken zu lassen.108 b) Ein doppelter Anlauf zur Gründung: Die Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft Ein Jahr vor der Gründung der ‚Leipziger Hagel‘ kam es zu einer weiteren Neuerung im Rahmen der Branchengeschichte, denn mit der königlichen Bestätigung vom 31. Januar 1822 konnte die erste Hagelversicherungsaktiengesellschaft 101 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 5. 102 Vgl. Haberland, Hagelversicherungswesen (1937), S. 18. 103 Abermals war das Prinzip der Sparsamkeit hierfür verantwortlich. 104 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 5. 105 Crusius übte seine Tätigkeit bis 1845 aus und wechselte dann in den Gesellschaftsausschuss. 106 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 5. 107 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 5. Ab 1872 nannte sich das Gremium Verwaltungsrat, später Aufsichtsrat. Eines der Mitglieder wurde dazu bestimmt, dauerhaft die Tätigkeiten des Direktoriums zu überwachen. 108 Vgl. falls nicht anders zitiert zu den ersten Bestimmungen der Leipziger Hagel M ­ asius, Lehre (1846), S.  197–212, o.V., Gesellschaft (1873), S.  9–18 sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 49 f.

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ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen: Die ‚Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft‘.109 Doch auch dieser Prozess sollte alles andere als reibungslos verlaufen. Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, mussten preußische Bauern bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend ohne Hagelversicherungsschutz auskommen. Offenbar wollte eine Reihe von Landwirten diesen Zustand nicht weiter hinnehmen und richtete kurz nach Ausbruch der Befreiungskriege eine Eingabe an die preußische Regierung, eine staatliche Hagelversicherungsanstalt ins Leben zu rufen. Über den genauen Zeitpunkt liegen keine gesicherten Angaben vor, doch muss es zwischen 1813 und 1822 – also den Jahren des Kriegsbeginns und der Gründung der ‚Berliner Hagel‘ – erfolgt sein. Eine Reaktion von Seiten der Behörden bzw. die Namen der Personen, die hier die Initiative ergriffen hatten, sind aber nicht überliefert.110 Insofern verblieb die Situation für die preußische Landwirtschaft im Hinblick auf einen Hagelversicherungsschutz weiterhin prekär. Allerdings gibt es auch keine Hinweise in den Quellen, warum sich 1822 eine Reihe von privaten Kapitalgebern dazu entschlossen hatte, ihr Geld in das Projekt einer Hagelversicherungsaktiengesellschaft anzulegen. Schätzungsweise wollten auch diese von der sich anbahnenden Dynamik im Agrarbereich profitieren. Betrachtet man das Unternehmensstatut – deren Detailbestimmungen bis dato in der Literatur nicht gewürdigt wurden –, bestand die wesentliche Neuerung in einer strikten Trennung der Vorschriften für das Aktiengeschäft von denen für das eigentliche Versicherungsunternehmen, da typisch für Aktiengesellschaften und damit im Gegensatz zu den Versicherungsvereinen eine Versicherungsnahme nicht mit einer Mitgliedschaft bzw. Teilhabe am Unternehmen verbunden war. Abschnitt eins und drei regeln die Angelegenheiten der Investoren, die grundsätzlichen Anlage­prinzipien und die Generalversammlung.111 Die Investitionsmöglichkeit war zeitlich begrenzt, da man laut Satzung das Hagelversicherungsgeschäft zunächst für 15 Jahre betreiben wollte. Allerdings behielt man sich ausdrücklich vor, die Anstalt schon vor Ablauf dieser Frist wieder zu liquidieren, sobald es hierfür eine Mehrheit in der Hauptversammlung geben würde.112 Ob die Aussicht auf eine so kurzfristige Geschäftsaufgabe bei den betroffenen Landwirten vertrauenserweckend gewirkt hat, bleibt dahingestellt.

109 Vgl. die Satzung der ‚Berliner Hagel‘, beigefügt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. Mit Schreiben vom 9. April 1822 wurde Friedrich Wilhelm III. eine gedrucke Fassung der Satzung übersandt. Vgl. GStA PK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 31848 Berlinische Hagel-Assekuranz-Kompanie, 1822. 110 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 5 f. sowie Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932), S. 6–10. 111 Vgl. §§ 1–13; 22–24 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 112 Vgl. §§ 2–3 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822.

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Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Bestehen am Markt bekam die Gesellschaft gleich zu Beginn von Seiten der Behörden zugesprochen. Im Zuge der königlichen Genehmigung113 erhielt die ‚Berliner Hagel‘ das Privileg, vom 1. Januar 1822 an gerechnet für einen Zeitraum von 15 Jahren – also der laut Satzung vorgesehenen Maximallaufzeit des Projekts – als einzige Hagelversicherungsaktiengesellschaft in Preußen konzessioniert zu werden. Eine Tätigkeit der Gegenseitigkeitsvereine war aber von dieser Regelung ausdrücklich ausgenommen.114 Das Gründungskapital – was zugleich das Garantiekapital darstellte115 – betrug nominell eine Million Taler oder knapp drei Millionen Mark,116 die in 1.000 Aktien je 1.000 Taler emittiert wurden. Der Aktionär hatte davon ¹⁄5, also 200 Taler in bar einzubezahlen, was mit jährlich vier Prozent verzinst wurde, der Rest musste in Solawechseln117 hinterlegt werden. Geplant war, ab dem zweiten Geschäftsjahr die Hälfte, ab dem fünften den vollen Überschuss an die Kapital­ geber auszuschütten.118 Soweit erkennbar, war die Verwendung des Überschusses für einen wie auch immer gearteten Reservefond nicht vorgesehen. Satzungsabschnitt zwei und vier enthalten die Vorschriften über das eigentliche Versicherungsgeschäft.119 Dieses sollte in allen Provinzen der preußischen Monarchie aufgenommen werden, was hinsichtlich der Risikodiversifikation von Vorteil war. Eine Mindestgröße des Besitzes, die zur Versicherungsnahme berechtigte, war nicht vorgesehen.120 Aus dem Kreis der Aktionäre wurden drei Direktoren gewählt, die aber ausdrücklich die Rechte der Kapitalgeber zu wahren und sich um 113

Gemäß dem ‚Allgemeinen Preußischen Landrecht‘ basierte die Konzessionierung jeder Aktiengesellschaft auf dem so genannten Octroi-Verfahren. Dies bedeutete, dass jedes Unternehmen zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs eine staatliche Genehmigung benötigte. Rein formal wurde für jede einzelne Gesellschaft ein eigenes Gesetz, eben das jeweilige Statut erlassen. Zugleich sicherte sich damit der Staat einen enormen Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der einzelnen Kapitalgesellschaft, wie anhand der ‚Berliner Hagel‘ noch deutlich werden wird. Vgl. Heiss, Institutionalisierung (2006), S. 110–112. 114 Vgl. den Abdruck der königlichen Genehmigung in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 115 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876). S. 8 f. Im Fall jeder Hagelversicherungsaktiengesellschaft stellte das emittierte oder vielmehr das darauf eingezahlte Kapital die Sicherheit für das Versicherungsgeschäft dar. 116 Erneut stellt sich im Zusammenhang der ‚Berliner Hagel‘ das Problem der unterschiedlichen Währungsangaben bei den Geschäftszahlen. Von Thuemen und der ‚Krünitz‘, aus denen die Angaben stammen, verwenden Taler und Mark, wobei von Thuemen eine Umrechung der Talerwerte vornimmt, was der zeitgenössische ‚Krünitz‘ verständlicherweise nicht leisten kann. Wo plausibel, folgt der Text Thuemen, der einen Taler mit drei Mark ansetzt. 117 Ein Sola- oder Eigenwechsel ist ein Wechsel, bei dem sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten Summe verpflichtet. Vgl. Gablers Wirtschaftslexikon, Band S–Z (2000), S. 2779. 118 Vgl. §§ 4–6 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822 bzw. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 544. 119 Der Abschnitt umfasst die Paragraphen 14 bis 21. 120 Vgl. § 26 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822.

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die finanziellen Angelegenheiten der ‚Berliner Hagel‘ zu kümmern hatten. Dem Direktorium war ein landwirtschaftlicher Sachverständiger an die Seite gestellt, der wiederum dem Kreis der Versicherten angehören musste. Dieser hatte die Oberaufsicht über das Hagelversicherungsgeschäft. Um keinen Interessenskonflikt heraufzubeschwören, konnte der Sachverständige selbst keine Aktien zeichnen und war damit auch nicht am Gewinn des Unternehmens beteiligt. In der operativen Arbeit unterstützte ihn ein so genannter Bevollmächtigter.121 Versicherbar waren beispielsweise Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer, aber auch Linsen und Bohnen.122 Die Prämie betrug fix 0,5 Prozent von 100 Talern Versicherungssumme. Ähnlich wie im Fall der ‚Halberstädter‘ war dem Versicherungsnehmer eine Selbsteinschätzung des Ernteertrages gestattet. Ein Schaden musste innerhalb von drei Tagen an die ‚Berliner Hagel‘ gemeldet werden, wobei diese Nachricht auch bei derjenigen Behörde, bei der der Kunde seine Versicherung abgeschlossen hatte, abgegeben werden konnte.123 Zudem genoss das Unternehmen bei der Abwicklung des Geschäftsbetriebes behördliche Unterstützung. Im königlichen Genehmigungsdekret heißt es hierzu: „Uebrigens wollen Wir, daß der Anstalt bei Abschäzzungen, Schaden=Aufnahmen und ähnlichen Geschäften von Unseren Staatsverwaltungs=Behörden und Beamten der nöthige Beistand jederzeit geleistet werden soll.“124

Die Begutachtung der Hagelschäden nahmen drei Landwirte vor, die aber nicht von der Gesellschaft, sondern vom Geschädigten ausgewählt wurden. Um unlau­ terem Verhalten vorzubeugen, durfte hierbei kein Verwandtschaftsverhältnis bestehen. Der Schaden sollte ohne Abzug zur Auszahlung gelangen, womit auf das Instrument des Selbstbehalts verzichtet wurde. Lediglich die Schätzungskosten hatte der Versicherungsnehmer selbst zu tragen.125 Im Zuge der organisatorischen Ausgestaltung des neuen Unternehmens wurde ein Agenturnetz in Preußen und allen anderen Staaten nördlich des Mains aufgebaut.126 Rekapituliert man die organisatorischen Details der ‚Berliner Hagel‘, so wurde trotz der eindeutigen gewinnorientierten Ausrichtung  – was man einer Aktien­ gesellschaft an sich nicht zum Vorwurf machen kann – schon von den Zeitgenossen explizit davon gesprochen, dass der Gesellschaft großes Vertrauen entgegengebracht wurde. Hierzu trugen zwei Dinge besonders bei: Erstens die Präsenz vor 121 Vgl. §§ 14–16 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 122 Vgl. § 25 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 123 Vgl. §§ 27–28; 32 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 124 Königliche Genehmigungsurkunde, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 125 Vgl. § 33, 44 der Satzung, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 126 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 546 f.

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Ort aufgrund des Agenturnetzes127 und wohl damit verbunden die schiere Größe des Unternehmens, das in ganz Nord- und Mitteldeutschland tätig war, sowie zwei­ tens das Instrument des Fixbeitrages, der den Kunden eine bessere Kalkulationsmöglichkeit ihrer Beiträge ermöglichte.128 Trotzdem musste das Unternehmen 1830 den Betrieb wieder einstellen, weshalb man sich fragen muss, was angesichts der guten organisatorischen Voraussetzungen geschehen ist. In diesem Fall waren keine Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen oder ausschließlich ökonomische Gründe verantwortlich. Vielmehr spielten politische Aspekte eine Rolle, da sich über eine geplante Prämienerhöhung ein Konflikt zwischen der Gesellschaft und den preußischen Behörden ergab. Laut Satzung war ein einheitlicher Beitrag von einem halben Prozent vorgesehen.129 Dieser Satz hatte sich als zu niedrig erwiesen,130 um sowohl die unternehmensinternen Kosten zu decken als auch die vollen Ansprüche der Ver­ sicherungsnehmer zu befriedigen. Erschwerend kam hinzu, dass sich auch bei der ‚Berliner Hagel‘ das Problem einer Konzentration schlechter Risiken abzeichnete. Viele potentielle Versicherungsnehmer hatten einen individuellen Informationsvorsprung über ihr jeweiliges Hagelrisiko, so dass eine funktionierende Risiko­ diversifikation nicht möglich war. Aus diesen Gründen schloss die ‚Berliner Hagel‘ schon im ersten Geschäftsjahr mit einem Verlust von 46.000  Talern oder knapp 150.000 Mark ab.131 Die Situation verbesserte sich auch nicht in den kommenden Jahren, so dass sich die Geschäftsleitung genötigt sah, die Prämien zu erhöhen. Dieser Akt musste aber von der preußischen Regierung genehmigt werden, da die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb auf der Grundlage des eingereichten Statuts erteilt war.132 Da hierin auch die Prämiensätze enthalten waren, musste die geänderte Satzung den Behörden erneut vorgelegt werden.133 1825 erfolgte ein positiver Bescheid, und es kam zu einer ersten Anhebung der Beitragssätze auf 0,75 Prozent pro 100 Taler Versicherungssumme.134 Auch wurden gestaffelte Prämien eingeführt: In einigen preußischen Provinzen mussten lediglich 0,33 Prozent, in anderen 0,5 Prozent bzw. der volle Prämiensatz von 0,75 Prozent bezahlt werden. Außerhalb Preußens galt der Maximalbetrag.135 Diese Sätze sollten sich aber als zu niedrig erweisen, da weder eine zufriedenstellende Verzinsung für die Aktionäre noch die volle Deckung 127

Vgl. Masius, Lehre (1846), S. 179. Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 544. 129 Der ‚Krünitz‘ spricht zudem davon, dass in den anderen deutschen Staaten eine Prämie von 0,75 Prozent der Versicherungssumme erhoben wurde. Diese Angabe findet sich jedoch nicht in der ursprünglichen Satzung. 130 Abermals lagen aufgrund mangelnder Erfahrung und fehlender statistischer Unterlagen dem Geschäft falsche Kalkulationen zugrunde. 131 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 6. 132 Erneut ist dies auf das Octroi-Verfahren zurückzuführen. 133 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 544 f. 134 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 6. 135 Vgl. Masius, Lehre (1846), S. 179. 128

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der Verwaltungskosten und Schadenszahlungen sichergestellt waren. Die folgenden Zahlen belegen dies: Zwischen 1823 und 1830 fielen 646.000 Mark an Verwaltungskosten an.136 Die gesamten Schadensverpflichtungen betrugen im gleichen Zeitraum 1,98  Millionen Mark, denen 2,2  Millionen Mark an Einnahmen gegenüberstanden. Daher summierten sich alle Aufwendungen auf 2,63  Millionen Mark, so dass ein Fehlbetrag von ungefähr 430.000  Mark verblieb.137 Aufgrund dieser Verluste beschloss die Generalversammlung, das Unternehmen zu liquidieren.138 Warum aber wurden der ‚Berliner Hagel‘ weitere Prämienerhöhungen von Seiten der Behörden verweigert, wo doch dies die finanziellen Probleme gelöst hätte? Bei der Erörterung dieser Frage muss vorangestellt werden, dass es die preu­ ßische Regierung ihren Domänenpächtern zur Auflage machte, ihre Flurstücke gegen Hagelschäden versichern zu lassen. Dies konnte allerdings nur bei einer von den Behörden anerkannten Gesellschaft erfolgen, wie dies einzig bei der ‚Berliner Hagel‘ der Fall war.139 Insofern widersprechen sich Anspruch und Handeln der Domänenkammer. Spekuliert wurde, dass den Versicherungsnehmern von Seiten der Regierung keine noch höheren Abgaben zugemutet werden sollten.140 Wie die Pächter aber ihrer Verpflichtung zur Versicherungsnahme hätten nachkommen sollen, bleibt ungeklärt. Im Übrigen findet sich ein völlig anderes Bild in den offiziellen Unternehmenspublikationen als in der Literatur. Demnach wurde der Domänenkammer von Seiten der Gesellschaft vorgeschlagen, unter Verzicht auf die Monopolstellung künftig das Recht zur freien Quotenfestlegung zu erhalten. Dem habe das Ministerium entsprochen, so dass diese Regelung 1830 zur Anwendung gekommen sei. Als Folge der schweren Hagelschäden in diesem Jahr sei aber erneut mit Verlust abgeschlossen und das Unternehmen durch das Votum der Aktionäre aufgelöst worden.141 Welche Version nun zutrifft, kann nicht mehr festgestellt werden. Zu bedenken ist, dass die Mehrheit der vorhandenen Literatur zwar nicht von den Gründen spricht, aus denen die Genehmigung verweigert wurde, dies aber als Versäumnis der preußischen Regierung ausweist.142 Auch viele Domänenbauern gaben eher den Behörden die Schuld an ihrer misslichen Lage. Da diese nach Auflösung der ‚Berliner Hagel‘ keinerlei Versicherungsmöglichkeit mehr hatten, übersandten sie ihre Fruchtverzeichnisse und die Prämiengelder an die Domänenkammer mit folgender Notiz:

136 Von Thuemen kalkuliert hier sehr niedrig mit einem Verwaltungskostensatz von 0,2 Prozent der Versicherungssumme. 137 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 7. 138 Vgl. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 546. 139 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 14 f. 140 Vgl. Lang, Hagelversicherung (1921), S. 43. 141 Vgl. Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932), S. 8. 142 Vgl. z. B. Masius, Lehre (1846), S. 179 sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 7; 15.

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„Hochdieselbe möge das Weitere der Versicherung beliebigst besorgen, indem sie [also die Pächter] sich durch Uebersendung der Gelder und Saatregister der überkommenen Verpflichtung entledigt zu haben glauben.“143

Warum aber in den Unternehmensschriften eine diametral andere Position ausgewiesen wird, bleibt dahingestellt. Die Position, quasi als Folge von behördlicher Willkür aufgelöst zu werden, erscheint vermutlich sympathischer als der Beschluss der eigenen Kapitalgeber, dies zu tun. Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass neben der mangelnden Erfahrung mit dem neuen Versicherungstyp wohl auch politische Kurzsichtigkeit zum Scheitern dieser ersten Hagelversicherungsaktiengesellschaft beigetragen hat. Abschließend hält der ‚Krünitz‘ zu der Angelegenheit folgendes fest: „Preußen sah sich mithin im Jahre 1830 eines Instituts beraubt, welches als das dringendste Zeitbedürfnis anerkannt wurde.“144 Die preußischen Landwirte und insbesondere die Domänenpächter hatten nun keinen Hagelversicherungsschutz. Interessanterweise ermutigte daher die preußische Regierung die bisherigen Aktionäre der ‚Berliner Hagel‘, eine neue Hagel­ versicherung ins Leben zu rufen. Dies erwies sich aber als schwierigeres Vorhaben als zunächst angedacht, da viele der ehemaligen Anteilseigner von den beschriebenen Vorkommnissen abgeschreckt waren, sich hier abermals finanziell zu beteiligen.145 Daher konnte das Gründungskapital von 500.000 Talern146 oder knapp 1,5 Million Mark nur dadurch aufgebracht werden, indem sich König Friedrich Wilhelm III. persönlich mit 100.000 Talern bzw. 300.000 Mark beteiligte.147 Die Neugründung erfolgte mit königlicher Genehmigung am 26. April 1832.148 In einer Reihe von Punkten knüpfte man an das Vorgängerunternehmen an,149 wie eine Untersuchung der „Verfassungs=Urkunde der von Seiner Majestät dem Könige von Preußen allergnädigst privilegirten neuen Hagel=Assekuranz=Gesellschaft zu Berlin“150 zeigt. Zunächst wurden wieder die Rechte und Pflichten der Aktionäre

143

Abgedruckt bei Masius, Lehre (1846), S. 180. Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen (Hagel-) (1853), S. 546. 145 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 15. 146 § 4 der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. Tatsächlich begann das Unternehmen mit einem Startkapital von 319.000 Talern, was von der preußischen Regierung als ausreichend angesehen wurde. Vgl. Schreiben des Ministers des Inneren für Handel und Gewerbe [Friedrich] von Schuckmann vom 30. April 1832 in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 147 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 251 f. 148 Abgedruckt im Rahmen der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘ in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 149 Teilweise wurden die Paragraphen wortwörtlich übernommen, wie beispielsweise am Paragraph 14 abzulesen ist, der in beiden Satzungen die Aufgaben der Direktoren regelt. 150 Vgl. GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 144

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behandelt.151 Die Leitung des Unternehmens erfolgte erneut durch drei von den Aktionären gewählte und diesen verpflichtete Direktoren.152 Auch der landwirtschaftliche Sachverständige war weiterhin vorgesehen.153 Neben den vom Vorgängerunternehmen versicherten Früchten wurde nun eine Reihe neuer Sorten mitaufgenommen, so beispielsweise Mohn, Fenchel, Kümmel und der Tabak.154 In Bezug auf die Prämien orientierte man sich an der revidierten Satzung der ursprünglichen Gesellschaft, da abermals nicht nach der Fruchtart, aber zumindest nach der je­ weiligen Region unterschieden wurde. Dabei gab es verschiedene Sätze für das „Inland“ – also die preußische Monarchie – und das „Ausland“.155 c) Die weitere Branchenentwicklung bis 1853 Nach Vorstellung der oftmals mühsamen Gründungsprozesse bzw. der „Zeit des Probirens“156 von einzelnen Gesellschaften wird nun die Entwicklung der gesamten Branche bis zur Mitte des 19.  Jahrhunderts untersucht. In dieser Zeit waren die Gegenseitigkeitsgesellschaften mit Ausnahme der ‚Berliner Hagel‘ allein am Markt tätig.157 Die Entwicklung verlief jedoch nicht autark, sondern war in die verschiedenen Modernisierungsprozesse dieser Jahre eingebettet. Eines der Phänomene in diesem „Jahrhundert des Vertrauens“158 war die Herausbildung von immer größeren und anonymeren Massenmärkten. Um hierauf bestehen zu können, wurde eine Vielzahl von Institutionen neu geschaffen oder weiterentwickelt.

151 §§ 1–13 der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr.  1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. Angesichts des verminderten Grundkapitals von 500.000 Talern wurden nur 500 Aktien mit einem Nennwert von 1.000 Talern emittiert. 152 Auf die Ernennung von Stellvertretern wurde verzichtet. Stattdessen sollte bei vorzeitigem Ausscheiden eines Direktors ein Substitut dessen Aufgaben übernehmen. Vgl. § 14 der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 153 Vgl. § 15 der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 154 Vgl. § 26 der Satzung der ‚Neuen Berliner Hagel‘, abgedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 155 Vgl. Prämien=Tarif der Neuen Berliner Hagel=Assekuranz=Gesellschaft pro 1832, ab­ gedruckt in GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822. 156 O. V., Gesellschaft (1873), S. 9. 157 Es würde wenig neue Erkenntnisse bringen, alle in diesen Jahren publizierten Gesellschaftsentwürfe ausführlich zu diskutieren. Die Vielfalt zeigt aber, welche Dynamik allmählich die Hagelversicherung erfasste. Vgl. als Auswahl Helmuth, Zweck (1823) sowie o. V., Statuten (1832). 158 Frevert, Spurensuche (2003), S. 43.

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Diese Dynamik zeigte sich auch im Versicherungssektor,159 was beispielsweise anhand der Initiativen von Ernst Wilhelm Arnoldi zu erkennen ist. In bewusster Konkurrenz zu den damals in Deutschland160 tätigen englischen Versicherungsgesellschaften gründete Arnoldi 1821 und 1827 in Gotha eine Feuer- und eine Lebensversicherungsgesellschaft.161 Die dabei angewandten Prinzipien, welche die Grundlage für die Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit bildeten, hatten in der Zukunft auch für viele Hagelversicherer Modellcharakter. Jedenfalls stellte die Hagelassekuranz einen weiteren Knoten dieses Netzwerks von innovativen institutionellen Arrangements dar, der im 19. Jahrhundert entstand und nun speziell im Agrarsektor zur Anwendung kam, um dort für die „Production der Sicherheit gegen Hagelschaden“162 zu sorgen. Wie schon angedeutet, wurde dieser Prozess von einer Verbesserung der allgemeinen politischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen begleitet. Das politisch bedeutendste Ereignis dieser Zeit war die Gründung des Deutschen Bundes im Jahr 1815, in dessen Rahmen sich Preußen schon bald zur politisch und wirtschaftlich führenden Macht entwickelte. Dieses ökonomische Übergewicht gab 1834 den Ausschlag für die Schaffung des Deutschen Zoll­ vereins und damit eines einheitlichen Zollgebietes, womit nach den Agrar- und Gewerbereformen der dritte große Punkt der ökonomischen Neuerungen abgeschlossen war.163 Auch die Entwicklung des Verkehrswesens nahm einen bedeutenden Aufschwung, was insbesondere am expandierenden Eisenbahnsektor zu erkennen war. Von den damit verbundenen Transaktionskostensenkungen profitierte mittelfristig auch der Agrarbereich, da landwirtschaftliche Produkte nun überregional angeboten werden konnten. Kurzfristig war die frühe Branchengeschichte jedoch von einem Einbruch der Agrarkonjunktur überschattet. Die um 1750 be 159

Versicherungen werden allgemein als Institution europäischer Prägung aufgefasst, die im Zuge der Globalisierungstendenzen des 19. Jahrhunderts – also der „internationale[n] Integration nationalstaatlich organisierter Märkte bei gleichzeitiger starker Zunahme der Mobilität der Produktionsfaktoren über nationale Grenzen hinweg“ – auf der ganzen Welt eingeführt wurde. Dabei beeinflusste oder verdrängte die Assekuranz auch lokale Vorsorgeeinrichtungen. Vgl. Borscheid/Umbach, Globalisierung (2008). Vgl. zum Phänomen der Globalisierung Spree, Globalisierungs-Diskurse (2003), dort auch das wörtliche Zitat auf S. 35. 160 Auffallend an der Entwicklung des deutschen Assekuranzwesens war die starke Reglementierung durch den Staat. Nicht einmal die wirtschaftsliberalen Überlegungen von Hardenberg konnten an dieser Situation etwas ändern. Vielmehr wurden die staatlichen Auflagen sogar noch verstärkt, wie die umfassenden Konzessionierungsvorschriften zeigen. Vgl. Heiss, Institutionalisierung (2006). 161 Vgl. Heiss, Institutionalisierung (2006), S. 59–67. Moldenhauer spricht irrtümlich von 1828 als dem Gründungsjahr der Lebensversicherungsbank. Vgl. Moldenhauer, Versicherungswesen (1917), S. 32. 162 Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 13. 163 Vgl. Kaufhold, Deutschland (1993), S. 579; 588 sowie Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 195–199. Der Zollverein schuf indirekt weitere Voraussetzungen für die Entstehung eines einheitlichen Binnenmarktes, da sich dessen Mitgliedsstaaten z. B. 1838 in der Dresdner Münzkonvention auf feste Umrechnungskurse zwischen dem norddeutschen Taler und dem süddeutschen Gulden einigten.

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gonnene Aufschwungphase endete um 1800, als infolge der politischen Ereignisse sowohl die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse als auch für Grund und Boden einbrachen. Ab 1812 folgte eine kurzfristige Erholung, die jedoch nur bis 1817 andauerte. Dann verfielen die Preise erneut und die Krise sollte sich bis 1830 hinziehen. Zunächst waren davon die Konsumenten am härtesten betroffen, da es aufgrund von Witterungsbedingungen in den Jahren 1816/17 zu katastrophalen Ernteausfällen und damit verbunden zu Preissteigerungen gekommen war. Beispielsweise erhöhten sich die Roggenpreise – damals mit das wichtigste Nahrungsmittel – um fast 100 Prozent. Ursache für diese Krise vom ‚type ancien‘ war der Ausbruch des Vulkans Tambora auf Indonesien im April 1815.164 Das Gemisch aus Asche, Staubpartikeln und Gasen, das in die Stratosphäre aufstieg, beeinflusste weltweit das Klima, was einen Rückgang der Temperaturen um ungefähr 3–4° Celsius bewirkte – die so genannte Tamborakälte – und damit den äußerst schlechten Sommer des Jahres 1816 verursachte.165 Eine der Begleiterscheinungen dieser Subsistenzkrise waren Forderungen u. a. von bayerischen Katholiken, traditionellen Formen der Frömmigkeitsausübung wie Prozessionen wieder mehr Stellenwert einzuräumem, um dadurch den Allmächtigen zu versöhnen, der die Menschen mit den Mißernten gestraft habe. Insofern zeigt dieses Beispiel, dass auch im 19. Jahrhundet straftheologische Interpretationen von Naturkatastrophen noch nicht verschwunden waren.166 Um auf die konkrete Entwicklung der Agrarkonjunktur zurückzukehren, bleibt festzuhalten, dass die Agrarproduzenten kurz darauf einen Preisverfall und in der Folge zahlreiche Bankrotte hinnehmen mussten, da aufgrund der sehr guten Ernten der Jahre 1819 bis 1821 sowie der sinkenden Exportmöglichkeiten – die wiederum eine Folge der englischen Kornzölle waren – das Angebot die Nachfrage überstieg.167 Am härtesten betroffen war die ostdeutsche Landwirtschaft. Viele der Bauern waren immer noch mit den Ablösezahlungen für ihren neu erworbenen Besitz belastet. Aber auch die Rendite der Adelsgüter brach ein, woraufhin sich zahlreiche Gutsbesitzer verschulden mussten. Verantwortlich hierfür dürften, neben den immer noch spürbaren Folgen der Napoleonischen Kriege, die höheren Steuerbelastungen und die erwähnte Verschuldung, v. a. die sich aus der Betriebsstruktur ergebende Marktabhängigkeit gewesen sein, die zusammen mit den fallenden Agrarpreisen eine verheerende Wirkung auf die Rendite der einzelnen 164 Wolfgang Behringer vertritt die These, dass der Vulkanausbruch und die daraus resultierenden Missernten mit zur Pauperisierung weiter Teile der europäischen Bevölkerung bei­ getragen hätten. 165 Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S. 220–230, Abel, Massenarmut (1986), S. 54 f., Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 27–29, Behringer, Kulturgeschichte (2007), S. 217–220 sowie Walter, Katastrophen (2010), S. 95 f.; 110. Für die Preise gilt das Basisjahr 1913. 166 Vgl. Mauelshagen, Disaster (2009), S. 59. 167 Das massive Auf und Ab der Branchenkonjunktur zeigt sich am Weizenpreis, der um 1800 118 Indexeinheiten betragen hatte. Bis 1817 stieg dieser auf 189 Punkte an und fiel dann bis 1825, dem Höhepunkt der Agrarkrise, auf nur mehr 47 Punkte. Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 636 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 30.

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Güter hatte.168 Festzuhalten bleibt somit, dass die Agrarkonjunktur in den ersten Jahrzehnten des 19.  Jahrhunderts immer noch das gesamte wirtschaftliche Geschehen beeinflusst hat und dies auch bis zur Mitte des Säkulums tun sollte.169 Danach erholte sich die konjunkturelle Entwicklung im Agrarbereich wieder und ungefähr ab 1830 begannen die „Goldenen Jahrzehnte der kontinentalen Landwirtschaft“170. Diese sollten mit Unterbrechungen bis in die 1870er Jahre dauern und waren durch kontinuierlich ansteigende Agrarpreise gekennzeichnet.171 Ein letzter massiver Einbruch stellte die Krise Mitte der 1840er Jahre dar, die zusammen mit dem strukturell angelegten Pauperismus, der Gewerbekrise 1847 und der Revolution der Jahre 1848/49 die Lage großer Teile der Bevölkerung dramatisch verschlechterte. Dieses Zusammentreffen zwischen Agrar- und Gewerbekrise und die zunehmende Massenverelendung des Pauperimus soll ebenfalls kurz dis­kutiert werden.172 Erstens war der Pauperismus173 eine Folge des Bevölkerungswachstums, das sich im beginnenden 19. Jahrhundert unvermindert fortgesetzt hat. Flankiert durch ein letztes Aufblühen des klassischen Verlagsgewerbes konnte zwar der prosperierende Agrarsektor noch einige Jahrzehnte die wachsende Anzahl von Arbeitskräften aufnehmen, spätestens nach 1830 aber war der Arbeitskräftebedarf der einzelnen Wirtschaftssektoren größtenteils gedeckt. Auch geriet das Heimgewerbe insbesondere aufgrund der englischen Konkurrenz immer mehr unter Druck. Als Folge war es der stetig wachsenden Bevölkerung nicht mehr möglich, hier in ausreichendem Maße ein Auskommen zu finden. Erschwerend kam hinzu, dass dieses strukturelle Missverhältnis zwischen Bevölkerung und Arbeitsplätzen auch nicht durch ein Ausweichen auf industrielle Betriebe entschärft werden konnte, da hier erst um 1850 ausreichende Kapazitäten zur Verfügung standen. Insofern 168

Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S. 225–237, Kaufhold, Deutschland (1993), S. 558; 563 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 31. 169 Vgl. Abel, Agrarkrisen (1978), S. 225–240. 170 Abel, Agrarkrisen (1978), S. 273. 171 Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 665 f. 172 Insofern stellt also weder die Industrie selbst – wie von marxistischer Seite behauptet – die Ursache für die Massenverarmung dieser Jahre dar, noch ist dies allein auf die Probleme im Agrarbereich zurückzuführen. 173 Die klassische Definition von Pauperismus findet sich im 9. Band der ‚Allgemeinen deutschen Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände‘ aus dem Jahr 1846: „Pauperismus ist ein neuerfundener Ausdruck für eine neue, höchst bedeutsame und unheilvolle Erscheinung, den man im Deutschen durch die Worte Massenarmuth oder Armenthum wiederzugeben gesucht hat. Es handelt sich dabei nicht um die natürliche Armuth, wie sie […] immerfort Einzelne befallen mag[.] Der Pauperismus ist da vorhanden, wo eine zahlreiche Volksclasse sich durch die angestrengteste Arbeit höchstens das nothdürftigte Auskommen verdienen kann, auch dessen nicht sicher ist[,] keine Aussichten der Änderung hat, darüber immer tiefer in Stumpfsinn und Rohheit versinkt […] und dabei immer noch sich in reißender Schnelligkeit ergänzt und vermehrt.“ Schon aus dieser Definition wird deutlich, dass die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung bzw. die ‚labouring poor‘ für die Zeitgenossen ein neuartiges und bisher noch nicht dagewesenes Phänomen und somit nicht die Fortsetzung der seit Jahrhunderten bekannten Armut war. Vgl. Hunecke, Überlegungen (1983), S. 482 f.

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verschlechterte sich die Lebenssituation vieler Menschen dramatisch174 und man versuchte, dieser Elendssituation auch mit gesetzeswidrigen Mitteln Herr zu werden175 bzw. in Form von verstärkten Protesten auch Gehör zu verschaffen, wobei der schlesische Weberaufstand 1844 die größte Berühmtheit erlangt hat.176 Zweitens kam hinzu, dass Deutschland177 wie auch andere europäische Länder ein letztes Mal von einer katastrophalen Hungerkrise bzw. einer Krise vom ‚type ancien‘ heimgesucht wurde, was die strukturelle Krise des Pauperismus nochmals verschärfte. Waren 1843 die Erträge schon ungünstig ausgefallen, trat neben dem Ausfall der Getreideernte 1846 und der Missernte 1847 zudem zwischen 1845 und 1847 die Kartoffelfäule auf, was die Substitution von Weizen oder Roggen durch die Kartoffel unmöglich machte. Aufgrund der schlechten Ernte von 1846 wurden die Konsumenten im darauf folgenden Winter bzw. im Frühjahr 1847 mit einem deutlichen Anstieg der Preise für Agrarprodukte konfrontiert. Ähnlich verhielt es sich 1848, als die Auswirkungen der schlechten Ernte von 1847 spürbar waren.178 Die Preissensitivität bei einer Änderung der Getreidepreise war bei Beziehern von geringen Einkommen auch 1848/49 immer noch sehr hoch. Zwar sanken ab 1847 die Agrarpreise wieder, hatten aber aufgrund der Missernten immer noch ein höheres Niveau als in den Jahren zuvor. Drittens beeinflusste die Agrarkrise ein letztes Mal die Gesamtkonjunktur, obwohl in dieser Zeit ein erster, von Gewerbe und Industrie – und insbesondere vom Eisenbahnbau – getragener fünfjähriger konjunktureller Zyklus nachweisbar ist. Der Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass um 1840 in Deutschland die Zeit der Frühindustrialisierung endete, in der die Entwicklung im sekundären Sektor noch überschaubar verlaufen war. Danach trat die deutsche Wirtschaft in die Phase des industriellen ‚take-off‘ – um einen gängigen Begriff von Walt W. Rostow zu gebrauchen  – und damit in eine auf wenige Jahre konzentrierte Wachstumsbeschleunigung ein. Dieses bildet die Voraussetzung für ein selbsterhaltendes, durch hohe Investitionsraten und ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen geprägtes Wachstum. Für Deutschland darf aber nicht vergessen werden, dass die Industrialisie-

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Dass dies nicht nur ein Problem der Landbevölkerung war, zeigt ein Blick auf die Zustände in den Städten, in denen kleine Angestellte oder niedrige Beamte am Rande des Existenzminimums lebten und die volle Wucht der einbrechenden Agrarkonjunktur zu spüren bekamen. 175 Beispielsweise war in Preußen in den Jahren des Vormärz ein deutlicher Anstieg von Eigentumsdelikten zu verzeichnen: Hierzu gehörte u. a. der Feld- und Holzdiebstahl oder die Wilderei. Vgl. Blasius, Gesellschaft (1976), S. 23–65 sowie Blasius, Kriminalität (1978), S. 19–45. 176 Vgl. zum Pauperismus Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 281–296. 177 Wohl keine Region hatte das Glück, hiervon verschont zu bleiben. Besonders heftig hatte sich die Krise neben dem bekannten schlesischen Beispiel in Ostpreußen, den südwestlichen Staaten oder in Hessen ausgewirkt. 178 Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 654 sowie Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 210; 213.

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rung „eine abgeleitete, keine autochthone Entwicklung“179 war. Zwei wesentliche Punkte stützen diese Aussage. Zum einen mussten sich die in Deutschland hergestellten Produkte von Anfang an speziell mit der englischen Konkurrenz messen lassen. Gleichzeitig hatten die heimischen Produzenten zum anderen den Vorteil, auf das Wissen und die Erfahrungen des englischen Gewerbes zurückgreifen zu können.180 Aufbauend auf einen Diffusionsindex konnte Reinhard Spree das Anfangsjahr des angesprochenen konjukturellen Zyklus auf 1843 datieren, wobei insbesondere der Eisenbahnbau und der um ihn herum entstehende schwerindustrielle Sektor die entscheidenden Impulse geliefert haben.181 Seinen oberen Wendepunkt erlebte der Zyklus Spree zufolge 1845, was somit als Durchbruchsjahr der Industrialisierung in Deutschland angesehen werden kann. Der darauffolgende untere Wendepunkt sollte mit dem Ausbruch der Revolution im Jahr 1848 zusammenfallen.182 Ursache für den konjunkturellen Einbruch war die Krise im Primärsektor. Der Preisschock, der aufgrund der schlechten Ernten ausgelöst wurde, hatte aufgrund der immer noch großen Bedeutung der Landwirtschaft massive Auswirkungen auf das Gewerbe und die gesamte konjunkturelle Entwicklung. Zudem darf nicht vergessen werden, dass sich der Konjunkturaufschwung zwischen 1845 und 1847 auf Bereiche beschränkte, die unmittelbar vom Eisenbahnbau profitierten. Zudem war das Finanzwesen immer noch wenig ausgeprägt, was sich ab 1846 in Form von Kreditverknappung und damit steigenden Zinsen bemerkbar machte. Damit konnte der Finanzierungsbedarf der Schwerindustrie nicht mehr befriedigt werden, was den Zusammenbruch des Aufschwungs Ende 1847 beschleunigte.183 Der Einbruch im Gewerbe als Folge der Agrarkrise war im Übrigen kein singulär deutsches Phänomen, sondern fiel mit konjunkturellen Abschwächungen in den meisten europäischen Ländern – mit Ausnahme insbesondere von Groß­ britannien – zusammen. Viertens verstärkten der Pauperismus und die angespannte wirtschaftliche Lage die strukturelle Krise des politischen Systems, was die europaweit auftretenden revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49 zur Folge hatte.184 Dass diese auch wesentlich auf die ökonomischen Schwierigkeiten zurückzuführen ist, wurde zwar 179

Borchardt, Revolution (1977), S. 140. Vgl. Lenger, Revolution (2003), S. 34. 181 Impulse für die Industrialisierung gingen in Form von Vorwärts- und Rückkoppelungseffekte insbesondere auf die Eisen- und Stahlindustrie sowie auf den Kohlebergbau und den Maschinenbau aus: Ein Effekt auf vorgelagerte Industrien war beispielsweise eine Verbilligung des Gütertransportes, während zu den Rückkoppelungseffekten u. a. das Wachstum in der Eisenindustrie zu zählen ist. Vgl. Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 221–230. 182 Vgl. Spree, Veränderungen (1979), S. 237. 183 Vgl. Spree, Wachstumszyklen (1977), S. 320–330. 184 Berger und Spoerer geben zu bedenken, dass sich die Weizenpreise in der Mitte des Jahres 1847 aufgrund der guten Ernten wieder erholt hätten und sich dadurch die Lebenssituation vieler Menschen verbessert habe. Hierauf ist auch die gewisse zeitliche Verzögerung zwischen den hohen Agrarpreisen und der Revolution von 1848 zurückzuführen: Erst nachdem die Menschen wieder körperlich zu Kräften gekommen seien, hätten sie ihrem Unmut über das Geschehene Ausdruck verliehen. Vgl. Berger/Spoerer, Crises (2001), S. 306–311. 180

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von den Zeitgenossen erkannt, trat aber in der modernen Forschung oft zugunsten einer Fokussierung auf die Unzufriedenheit mit den politischen Zuständen als auslösendem Faktor in den Hintergrund. Im Übrigen zeigt ein Vergleich zwischen einzelnen europäischen Ländern, dass der Revolutionsausbruch als Folge der lahmenden Konjunkur nicht typisch für Deutschland war, sondern europaweit ähnliche Entwicklungen auftraten.185 In diesem Zusammenhang konnten Helge Berger und Marc Spoerer in zahlreichen europäischen Ländern eine positive Korrelation zwischen der Revolution und dem vorher auftretenden Agrarpreisschock nachweisen.186 Jedenfalls begannen in Deutschland die Proteste im Südwesten, wobei im Zuge der Mannheimer Bürgerversammlung vom 27. Februar 1848 die sogenannten Märzforderungen formuliert wurden,187 welche die Grundlage für die weitere politische Arbeit der Protestierer bildeten. Parallel zu den Aktivitäten in den Städten formierten sich auch Proteste der ländlichen Bevölkerung, welche die Märzforderungen dazu nutzten, auf den Abschluss der immer noch nicht vollendeten Agrarreformen zu drängen. In den folgenden Wochen weiteten sich die Unruhen auf die übrigen deutschen Staaten aus. Daraufhin wurden in vielen davon liberale Ministerien und verfassungsgebende Parlamente berufen, was die konservativen Elemente zunächst hinnehmen mussten. Eine der zentralen Forderungen betraf die Herstellung der nationalen Einheit. Da die Bundesversammlung als Organ des Deutschen Bundes in den Augen der Liberalen und Demokraten diskreditiert war, wurde Anfang März 1848 in Heidelberg beschlossen, ein Vorparlament zusammenzurufen.188 Dessen wichtigste Aufgabe war die Vorbereitung der Wahlen zur gesamtdeutschen Nationalversammlung, die am 18.  Mai 1848 in Frankfurt zusammentrat und sich daran machte, die Verfassung eines zukünftigen Nationalstaats auszuarbeiten.189 Allerdings wuchs im Verlauf des Jahres die Unzufriedenheit über die Parlamentarier190 und die Lage eskalierte im Herbst, als es in Frankfurt am 18. und 19. September 1848 Barrikadenkämpfe gab, die militärisch niedergeschlagen wurden. Daraufhin verschärften sich die bereits seit längerem 185

Erneut bilden hier Großbritannien und auch Schweden die Ausnahmen. Vgl. für die europäischen Dimensionen der Krise Berger/Spoerer, Crises (2001). 187 Hierzu zählten die Volksbewaffnung mit der freien Wahl der Offiziere, die Presse­ freiheit, Schwurgerichte nach englischem Vorbild sowie die Forderung nach einem gesamtdeutschen Parlament. 188 Jedoch zeigte sich schon während des Heidelberger Treffens ein wesentlicher Dissens zwischen liberalen und radikalen Kräften. Während die einen für die Einführung der konstitutionellen Monarchie plädierten, verlangten die anderen den Übergang zur republikanischen Staatsform. 189 Zwar wurde schon im Juni 1848 ein erster Verfassungsentwurf vorgelegt, aber die Debatten hierüber – speziell über die Grundrechte – verzögerten sich bis zum Dezember des Jahres. Gleichzeitig verschärften sich die Gegensätze zwischen Liberalen und Demokraten in Bezug auf die künftige Staatsform. 190 Der Nationalversammlung wurde insbesondere die Zustimmung zum Waffenstillstand von Malmö angekreidet, mit dem nach kriegerischen Auseinandersetzungen in SchleswigHolstein eine neue Regierung unter Beteiligung von Dänemark eingesetzt wurde. 186

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schwelenden Konflikte zwischen Liberalen und Demokraten weiter. Hinzu kam, dass die konservativen Kräfte in den Augen vieler Menschen ihre Handlungs­ fähigkeit bewiesen hatten, da die Nationalversammlung für die Niederwerfung des Aufstandes auf das von den alten Eliten dominierte Militär zurückgreifen musste. Zur weiteren Schwächung der Revolution trugen paradoxerweise auch ihre Erfolge bei. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die Situation im Agrarsektor dar. Als nämlich die Forderungen nach der gesetzlichen Vollendung der Agrarreformen erfüllt waren, erlahmte der revolutionäre Eifer der ländlichen Bevölkerung. Mitunter wurde diese sogar von den konservativen Eliten vereinnahmt und in das Lager der Revolutionsgegner gezogen. Zwar tagte die Nationalversammlung während dieser Zeit weiter191 und verabschiedete schließlich am 28. März 1849 eine Reichsverfassung.192 Die Situation der in Frankfurt versammelten Parlamentarier wurde jedoch immer prekärer und in der Folge legten viele Abgeordnete auf Druck ihrer Heimatstaaten ihr Mandat nieder. Lediglich die Vertreter der linken Seite verblieben in dem nunmehrigen Rumpfparlament, das nach Stuttgart ausweichen musste. Dort wurde die Versammlung im Juni 1849 von württembergischen Truppen gewaltsam aufgelöst,193 ein Jahr später war die politische Ordnung des Deutschen Bundes restauriert.194 191 Inwieweit diese Debattierfreude einen Nachteil darstellte, da man die zwischenzeitliche Schwäche der bisherigen Ordnung nicht nutzte und sich lieber intensiv staatstheoretischen Debatten widmete, kann nicht mehr nachvollzogen werden. 192 Diese sah einen föderativen Aufbau des Landes vor. Ebenso wurde das allgemeine und direkte Wahlrecht für die männliche Bevölkerung festgelegt. Das Oberhaupt des Reiches sollte die erbliche Kaiserwürde innehaben, wobei bekanntermaßen der preußischen König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die ihm angebotene Krone ablehnte. 193 Über die Bewertung der Revolution wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. Galt sie in der älteren Forschung letztendlich als gescheitert, da wichtige Ziele wie die nationale Einheit nicht erreicht wurden, ist dies heute einem differenzierteren Bild gewichen, da beispielsweise die Bedeutung der Ereignisse von 1848/49 für die Entwicklung einer modernen Zivil- und Bürgergesellschaft betont wird. Die Nichtvollendung der Revolution lag zum einen an einer Überschätzung der eigenen Stärke aufgrund früher Anfangserfolge, zum anderen an einer Unterschätzung der Stärke der konservativen Kräfte. Schwerwiegend war, dass sich die verschiedenen, die Revolution stützenden Gruppen nicht auf gemeinsame politische Ziele und Vorstellungen einigen konnten. Während vereinfacht gesagt die Liberalen eine weitere Eskalation ablehnten und einen Konsens mit den etablierten Mächten beispielsweise in Form der konstitutionellen Monarchie suchten, plädierten die Demokraten für die Ausdehnung der revolutionären Bewegung durch Mobilisierung breiter Volksmassen. Auch der deutsche Partikularismus stellte einen weiteren Nachteil dar, so dass eine Abstimmung über gemeinsame Ziele nur mühsam – wenn überhaupt – möglich war. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 759–779. 194 Die Literatur zur Revolution von 1848/49 ist Legion. Abermals ist deshalb zu betonen, dass im Rahmen des im Text gegebenen Überblicks nicht auf Einzelheiten wie den unterschiedlichen Verlauf der Revolution in den Großmächten Preußen und Österreich und den Staaten des ‚Dritten Deutschlands‘, die politischen Ziele der verschiedenen Gruppen, die beginnende Arbeiterbewegung oder den Anfang des politischen Katholizismus bzw. ähnlichen Erscheinungen auf protestantischer Seite eingegangen werden kann. Vgl. hierzu neben der erwähnten Literatur als Überblicksdarstellungen Dipper, Revolution (1998) sowie Gall, 1848 (1998) sowie als Synthese des aktuellen Forschungsstandes Hahn/Berding, Reformen (2010), S. 417–655.

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Jedenfalls spielte sich vor diesem turbulenten politischen und ökonomischen Hintergrund die folgende Entwicklung der Hagelversicherungsbranche ab. Beispielsweise hatte sich die ‚Leipziger Hagel‘ wenige Jahre nach ihrer Gründung nur mäßig entwickelt. Da das Unternehmen weiterhin ausschließlich im Königreich Sachsen tätig war und auf den Aufbau eines eigenen Agentennetzes verzichtet hatte, betrug die Versicherungssumme 1828 lediglich knapp zwei Millionen Mark.195 Zudem behinderten manche Bestimmungen in den Statuten das weitere Wachstum, wobei besonders die schon erwähnte Leumundsklausel auf viele potentielle Kunden abschreckend wirkte. Neben diesen Schwierigkeiten als Folge der institutionellen Rahmenbedingungen erwuchs dem Unternehmen zudem in der ‚Berliner Hagel‘, die ab 1828 in Sachsen tätig war,196 eine starke Konkurrenz. Die ‚Berliner‘ warb v. a. mit dem Instrument des festen Beitrages197 um potentielle neue Kunden.198 Wie groß der Druck auf die ‚Leipziger‘ war, ist an den Geschäftszahlen abzulesen: Nach der angesprochenen Insolvenz der ‚Berliner‘ im Jahr 1830 konnte die ‚Leipziger Hagel‘ nach dem Wegfall des Konkurrenten 1831 eine Versicherungssumme von alleine 12,7 Millionen Mark erzielen. Im Vergleich dazu hatte die Gesellschaft bis dahin lediglich 15,5 Millionen Mark in Summe erwirtschaftet. Die Verantwortlichen des Leipziger Unternehmens erkannten, dass die institutionelle Ausgestaltung der Gesellschaft keine Grundlage für dauerhaftes Wachstum war, so dass organisatorische und versicherungstechnische Verbesserungen initiiert wurden. Schon 1829 war die Leumundsklausel abgeschafft und der Prämiensatz auf 0,75 Prozent der Versicherungssumme angehoben worden. Bemerkenswerterweise führte die ‚Leipziger‘ zudem einen nach oben begrenzten Nachschuss ein, was den unbekannten Verfasser der Festschrift zum fünfzigjährigen Firmenjubiläum zu folgendem drastischen Kommentar bewog: „Dieselbe Hand […] entblödet sich jedoch nicht wenige Zeilen später [im Statut zu bestimmen,] dass ‚dieser Nachschuss nie und unter keiner Bedingung ein Mehreres als 1 ¼ % oder 1 Thlr. 6 Gr. von 100 Thlrn. der Versicherungssumme betragen soll‘.“199

Zu vermuten ist, dass mit der Obergrenze neue Kunden angelockt werden sollten. Allerdings wurde diese Linie nicht konsequent verfolgt, da man für den Fall, dass die Gelder nicht zur Schadensdeckung ausreichen würden, auch eine Klausel hinsichtlich einer Anspruchskürzung aufnahm.200 Weiterhin fehlte eine Differen 195 Falls möglich, werden zur besseren Vergleichbarkeit künftig die Angaben alleine in Mark erfolgen. 196 Vgl. Masius, Lehre (1846), S. 198. 197 Dass ein fester Beitrag aber nicht automatisch zu Gewinnen führen muss, wird im Verlauf des Kapitels noch diskutiert werden. 198 Zudem hatte wohl das von der ‚Leipziger Hagel‘ eingesetzte Vorbeitrags-NachschussSystem bei den sächsischen Landwirten unerfreuliche Erinnerungen an die 1823 liquidierte ‚Köthener Hagel‘ geweckt. 199 O. V., Gesellschaft (1873), S. 23. 200 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 23 f.

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zierung der Beiträge und Entschädigungen nach einzelnen Fruchtarten. Was die räumliche Ausdehnung betraf, nahm die Gesellschaft in anderen Teilen Deutschlands ihre Tätigkeit auf201 und wurde in den Herzoglich Sachsen-Ernestinischen, den Fürstlich Reußischen Ländern sowie der preußischen Provinz Sachsen tätig.202 Daher firmierte man ab 1829 als ‚Gesellschaft zur gegenseitigen Hagelschädenvergütung in Leipzig‘.203 Dass trotz aller Maßnahmen das Geschäft entscheidend vom Extremereignis Hagel abhängig war, erfuhr die Gesellschaft 1839 auf schmerzhafte Weise. Wie in ganz Deutschland gingen auch in Sachsen schwere Hagelschläge nieder, so dass alleine bei der ‚Leipziger Hagel‘ Schäden in Höhe von knapp 430.000 Taler oder circa 1,3 Millionen Mark anfielen.204 Massive Leistungskürzungen waren die Folge, was zum Rückgang der Versicherungssumme von bis dato knapp 14 Millio­ nen Taler auf 9,2 Millionen (bzw. von 42 Millionen auf ungefähr 27,6 Millionen Mark) führte.205 Die Kritik, die sich in diesem Vertrauensentzug äußerte, wurde von der Politik aufgegriffen, denn 1840 diskutierte die sächsische Ständeversammlung über die Einführung einer staatlichen Zwangshagelassekuranz. Die Mehrheit der Abgeordneten verwarf diesen Plan jedoch und verwies auf den einheimischen Hagelversicherer, der insgesamt zur Zufriedenheit der Landwirte tätig sei. Zudem war man der Auffassung, dass der Staat in seiner Rolle als Versicherer nicht so effektiv arbeiten würde wie ein privates Unternehmen.206 Darüber hinaus sei die Zwangsmitgliedschaft ein unangemessenes Eingreifen in die persönliche Freiheit der Landwirte.207 Betrachtet man diese Debatte, ist aber zu fragen, ob sich die Meinung der Ständeversammlung wirklich mit der Realität deckte: Waren die Bauern angesichts der massiven Schadenskürzung wirklich insgesamt mit der ‚Leipziger Hagel‘ zufrieden? Oder hatte möglicherweise Heinrich Wilhelm­ Crusius die Gelegenheit, aufgrund seiner politischen Tätigkeit – er saß zu dieser Zeit immer noch als Abgeordneter in der sächsischen Ständeversammlung – die Debatten zugunsten ‚seines‘ Unternehmens zu beeinflussen? Jedenfalls konnte die ‚Leipziger Hagel‘ unbehelligt von staatlicher und privater Konkurrenz in den nächsten Jahren in Ruhe weiterarbeiten, so dass die Versicherungssumme bis 1843 auf 42  Millionen Mark anstieg. Im selben Jahr sah man sich jedoch abermals einem neuen Konkurrenten gegenüber, da von Leipzi 201 Inwieweit die immer noch bestehenden Zoll- und Wirtschaftsschranken zu Störungen im Geschäftsablauf führten, ist nicht mehr nachvollziehbar, wohl aber anzunehmen. 202 Vgl. Masius, Lehre (1846), S.  198, Krünitz, Band 216, Artikel Versicherungswesen­ (Hagel-) (1853), S. 548 f. sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 8. 203 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 2. 204 Zumindest bis 1873 war dies der größte Schaden in der Unternehmensgeschichte. 205 Vgl. o.V., Gesellschaft (1873), S. 30. 206 Eine andere Meinung vertrat dagegen einige Jahrzehnte später Adolph Wagner. Vgl. Kapitel D.IV.3.a). 207 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 33.

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ger Geschäftsleuten die Gründung eines neuen Hagelversicherers unter dem Namen ‚Hagel-Assekuranz-Anstalt für Deutschland‘ vorangetrieben wurde, der zum 1. Januar 1844 die Tätigkeit aufnehmen sollte. Man begann damit, der ‚Leipziger‘ sowohl Mitarbeiter208 als auch Kunden abzuwerben.209 Abermals wird diese Situation in pointierter Weise vom anonymen Verfasser der Festschrift zum fünfzig­ jährigen Unternehmensjubiläum kommentiert: „[J]ene Nachricht [brachte] in unserer Gesellschaft eine so gedrückte Stimmung, ja man möchte fast sagen weinerliche Regung [hervor], als ob der Untergang schon vor der Thür stehe.“210 Auch in der eigens einberufenen Generalversammlung machten sich fatalistische Tendenzen breit und man diskutierte über die Gesellschaftsauflösung.211 Von Unternehmensseite begegnete man dieser Gefahr mit einer abermaligen Umgestaltung von Organisation, Infrastruktur und Statut. Höchstwahrscheinlich zur Verbesserung der Risikodiversifikation und der raschen Gewinnung neuer Kunden nahm das Unternehmen im Königreich Hannover, im Herzogtum Braunschweig, in den beiden Großherzogtümern Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, dem Großherzogtum Hessen sowie dem benachbarten Kurfürsten­tum Hessen die Tätigkeit auf. Zur Schaffung von Kundennähe wurde ein Agenturnetz eingerichtet, so dass ab diesem Zeitpunkt 140 Agenten das vergrößerte Geschäftsgebiet betreuten. Entschädigungen sollten künftig in voller Höhe ausbezahlt werden, wofür im Gegenzug der uneingeschränkte Nachschuss eingeführt wurde. Mit am wichtigsten war die Einteilung der Feldfrüchte in unterschiedliche Gefahren- und damit Prämienklassen, wodurch die Prämien je nach der individuellen Situation des Kunden besser differenziert werden konnten. Schließlich bestand eine weitere Neuerung in der Bildung eines Reservefonds,212 in den ⅔ Promille der Versicherungssumme flossen, um dadurch die Zahlungs­ fähigkeit in schweren Schadensjahren sicherstellen zu können. Wie nachhaltig diese Veränderungen waren, zeigt folgende Aussage, wonach „[…] von dem alten Statut fast nichts weiter, als das Prinzip der Gegenseitigkeit, und die Firma beibehalten wurde[.]“213 Im Übrigen verfolgten parallel dazu die Leipziger Geschäftsleute das Projekt zur Gründung der ‚Hagel-Assekuranz-Anstalt für Deutschland‘ weiter. Allerdings erkannten die dort handelnden Personen, dass sich die ‚Leipziger‘ aufgrund der soeben beschriebenen Maßnahmen nun besser für den 208 Besonders der Verlust des Bevollmächtigten Opelt und des Kassiers Günther traf die ‚Leipziger Hagel‘ schwer: „Fast gewinnt es den Anschein, als habe der Verlust dieser beiden Beamten […] das Signal zu dem Alarmrufe ‚Hannibal ante portas!‘ gegeben.“ O. V., Gesellschaft (1873), S. 44. 209 Vgl. o. V., Gesellschaft (1873), S. 43 f. 210 O. V., Gesellschaft (1873), S. 43. 211 Vgl. o. V., Gesellschaft (1873), S. 44. 212 Ein von Seiten der Mitglieder eingebrachter Antrag zur Errichtung eines Reservefonds wurde 1840 von der Gesellschaft mit der Begründung, dass sich damit der Einzelne im Schadensfall auf Kosten der Allgemeinheit (!) bereichern würde, abgelehnt. Vgl. o. V., Gesellschaft (1873), S. 38–40. 213 Masius, Lehre (1846), S. 200.

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Wettbewerb aufgestellt hatte. Das Projekt der Neugründung wurde fallen­gelassen und die bereits angeworbenen Mitarbeiter und Kunden auf die ‚Leipziger Hagel‘ übertragen.214 Auch die ‚Mecklenburgische Hagel‘ hatte in ihren ersten Jahrzehnten mit Problemen zu kämpfen. Einer der Gründer und Direktoren der Gesellschaft, der Gutsbesitzer von Rieben,215 besaß sowohl im mecklenburgischen Matzdorf und Schönhausen als auch im brandenburgischen Mittenwalde landwirtschaftliche Güter. 1823 verkaufte er seinen in Mecklenburg gelegenen Besitz, behielt aber das Gut in der Mark Brandenburg.216 Dieser scheinbar routinemäßige Vorgang sollte sich als Initialzündung für die Etablierung eines weiteren Hagelversicherers erweisen: Laut Satzung der ‚Mecklenburgischen Hagel‘ war es möglich, auch außerhalb von Mecklenburg einen Hagelversicherungsvertrag abzuschließen. ‚Ausländische‘ Mitglieder konnten aber nicht das Direktorenamt ausüben.217 Bei Verkauf seines Gutes wurde von Rieben daher im Einklang mit dem Statut aufgefordert, seinen Posten niederzulegen, was er aber verweigerte. Hinzu kam, dass die Gesellschaft die Beliebtheit des Direktors unterschätzt hatte, da eine beachtliche Anzahl von Kunden aus Brandenburg und Pommern seine Position unterstützten. Der Konflikt eskalierte, als von Rieben und seine Mitstreiter 1823 aus der ‚Mecklenburgischen Hagel‘ austraten und den Plan verfolgten, ein neues Unternehmen zu gründen. Dieser Prozess zog sich aber noch drei Jahre hin, da die übrigen aus Protest ausgetretenen Mitglieder das Ende ihrer Vertragslaufzeiten abwarten mussten. Zudem standen die zuständigen Behörden dem Ansinnen lange Zeit negativ gegenüber, da man die Notwendigkeit eines neuen Hagelversicherers nicht anerkennen wollte.218 Höchstwahrscheinlich befürchtete man, dass beide Unternehmen aufgrund ihrer jeweils relativ kleinen Kundenbasis wirtschaftlich nicht überleben würden. Allerdings ist nicht mehr nachzuvollziehen, welche Maß­ nahmen von Rieben und die übrigen Beteiligten schließlich angewandt hatten, um die Behörden zu einem Meinungswechsel zu bewegen. Jedenfalls trat nach der erfolgten Genehmigung am 2.  März 1826  – und damit fast auf den Tag genau 29 Jahre nach der Geschäftsaufnahme der ‚Mecklenburgischen‘ – die erste Generalversammlung der ‚Hagelschaden= und Mobiliar= Brand=Versicherungs= Gesellschaft zu Schwedt‘ zusammen, die ab 1867/68 als ‚Versicherungs=Gesellschaft zu Schwedt‘219 firmierte. Von Rieben wurde zum Direktor gewählt und blieb dies bis zu seinem Tod im Jahr 1837.220 Im ersten Geschäftsjahr konnten Versicherungen in Höhe von mehr als 4 Millionen Mark ab 214 Vgl. Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S.  62 sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 8; 33. 215 Vgl. Kapitel D. II. 2. a). 216 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 6. 217 Vgl. Kapitel D. II. 2. a). 218 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 6. 219 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 17. 220 Vgl. Schwedter Hagel-und Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Festschrift (1926), S. 9 f.

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geschlossen werden.221 In Bezug auf die organisatorische Ausgestaltung wurden die meisten Prinzipien wie die Beitragserhebung im Umlageverfahren von der Muttergesellschaft übernommen.222 Allerdings sollten nur Besitzer von mittleren und größeren Gütern zur Versicherungsnahme berechtigt sein. Denkbar ist, dass man diesen Passus angesichts der in diesen Jahren herrschenden konjunkturellen Schwierigkeiten im Agrarbereich aufgenommen hatte, da Vollbauern mit größerem Besitz über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten. Die örtlichen Vertreter der ‚Schwedter‘, die so genannten Special-Direktoren, mussten von der Generalversammlung bestätigt werden und waren für jeweils einen Landkreis zuständig. Ihre operative Tätigkeit umfasste neben der Neuakquise auch die Durchführung der Schadensschätzung, wobei ihnen zwei Taxatoren aus den Reihen der Versicherten sowie ein richterlicher Beamter zur Seite standen.223 Schon im Dezember 1826 wurde auf einer außerordentlichen Generalversammlung beschlossen, Versicherungen zusätzlich auf Rügen, in Posen sowie in den Gegenden rechts der Oder bis Torgau anzubieten. Ab 1827 konnten sich Landwirte aus Ost- und Westpreußen versichern lassen, ab 1852 war man in ganz Preußen tätig.224 Wie erfolgreich diese Expansionsstrategie war, zeigen folgende Zahlen: Im Geschäftsjahr 1838/39 hatte die ‚Schwedter Hagel‘ mit einer Versicherungssumme von 30,3 Millionen Mark alleine im Hagelgeschäft225 ihre Muttergesellschaft bereits überholt,226 da die ‚Mecklenburgische‘ im gleichen Jahr 29,7 Millionen Mark verwaltete.227 Möglicherweise war dieses rasche Wachstum auf Synergieeffekte zurückzuführen, die sich aus dem innovativen Schritt ergaben, von Beginn an zwei Versicherungssparten anzubieten.228 Obwohl keine Aufzeichnungen dazu vorliegen, ist es wahrscheinlich, dass Kosteneinsparungen alleine schon aufgrund einer besseren Auslastung des Agentennetzes möglich waren. Nicht vergessen werden darf zudem die bessere Risikodiversifikationsmöglichkeit aufgrund des relativ großen Geschäftsgebiets.229 Die ‚Schwedter‘ war aber nicht die einzige Gesellschaft, die sich von der ‚Mecklenburgischen‘ löste, da sich 1840 auch der ‚Hagel= und Feuerversicherungsverein in Mecklenburg‘ mit Sitz in Güstrow abspaltete. Die ‚Güstrower‘ gab 1848 das 221

Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 82 sowie Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 10. Die ‚Schwedter Hagel‘ führte das Vorbeitrags-Nachschuss-System erst 1852 ein. 223 Vgl. für das erste Statut der Gesellschaft Szuman, Denkschrift (o. J.), Anlage A, S. 1–8. 224 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 8 f., Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 8. sowie Schwedter Hagel-und Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Festschrift (1926), S. 14–22. 225 Die Feuersparte hatte sich im Zeitraum von 1826/27 bis 1838/39 von 2,3 Millionen Taler auf 35,3 Millionen Taler gesteigert. 226 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 10. Vgl. hierzu auch die Tabellenwerte im Anhang dieser Arbeit. 227 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 82. 228 Quasi in umgekehrter Richtung sollten diese Vorgehensweise die Aktiengesellschaften wenige Jahre später anwenden. Vgl. Kapitel D. III. 229 Inwieweit eine Aufrechnung der beiden Sparten erfolgte, konnte nicht mehr überprüft werden. 222

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Hagelversicherungsgeschäft auf und betrieb nur noch die Feuersparte.230 Viel einschneidender war dagegen die Gründung der ‚Mobiliar-, Brand- und Hagelschaden-Versicherungs-Gesellschaft zu Greifswald‘, die ebenfalls 1840 erfolgte.231 Ähnlich wie im Fall der ‚Schwedter Hagel‘ waren für diesen Schritt wirtschaftliche, aber auch persönliche Aspekte verantwortlich. Im Rahmen der Generalversammlung 1839 der ‚Mecklenburgischen Hagel‘ wurden pommersche Kandidaten bei der Wahl zu den Kassenbeamten übergangen. Im Lauf des Jahres wuchs der Unmut unter den Mitgliedern aus Pommern, welche noch durch das schlechte Ergebnis im Katastrophenjahr 1839 verstärkt wurde, als die ‚Mecklenburgische‘ einen Beitrag von einem Taler und 10 Schillingen ausschreiben musste. Im Vergleich dazu lag dieser in den Jahre 1838 und 1840 bei 17 Schillingen bzw. neun Schillingen und drei Pfennigen.232 Pommern dürfte wohl in diesem Jahr nicht allzu schwer von Hagelschlägen getroffen worden sein, weshalb die dortigen Versicherten wohl implizit die Entscheidung getroffen haben, mit ihren Beiträgen in Zukunft die Standesgenossen in hagelgefährdeteren Gegenden nicht mehr zu subventionieren und auf eigene Rechnung tätig zu werden.233 Nach der Gründung der ‚Greifswalder Hagel‘ waren in der Folgezeit alle drei Unternehmen als Konkurrenten am Markt tätig. Erst 1945 besann man sich auf die gemeinsamen Wurzeln. Die ‚Neue Berliner Hagel‘ hatte ebenfalls mit großen Problemen zu kämpfen, denn auch sie verzeichnete im hagelreichen Jahr 1839 herbe Verluste. Zwar konnten zur Zufriedenheit der Versicherungsnehmer alle Ansprüche in Höhe von ins­ gesamt 600.000 Mark erfüllt werden. Da dies aber den Einsatz fast aller finanziellen Reserven bedeutete, wurde in der Hauptversammlung der Antrag auf Liquidierung des Unternehmens gestellt. Dies fand jedoch keine Mehrheit. Im Revolutionsjahr 1848 und möglicherweise als Folge des vorangegangenen Einbruchs im Agrarsektor war nochmals ein Minus von über 150.000  Talern oder 452.000 Mark zu verzeichnen, was nun zu Reaktionen von Seiten der Gesellschaft führte: Alle Aktionäre hatten auf ihre Anlagen 115 Taler als Nachzahlung zu leisten, womit sich das Unternehmen frisches Kapital besorgen konnte.234

230

Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 17 sowie Büchner, Geschichte (1972), S. 53 f. Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 250 sowie Riepe, Chronik (1997), S. 165. Thuemen spricht davon, dass sich die ‚Greifswalder‘ von der ‚Schwedter Hagel‘ abgespalten habe. Nach Auswertung der Literatur scheint dies aber nicht zutreffend zu sein. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 18. 232 Vgl. Masius, Lehre (1846), S.  189. Trotz intensiver Suche konnte aber kein absoluter Schadenswert ermittelt werden. 233 Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 53 f. 234 Die Aussagen in den Quellen hierzu sind nicht eindeutig, dürften aber der Argumentation im Text entsprechen. Da Nachschüsse satzungsgemäß ausgeschlossen waren, musste es sich um eine Kapitalerhöhung handeln. Anders verfuhr im Übrigen die 1850 gegründete ‚Thüringische Hagelschäden=Versicherungs=Gesellschaft“. Diese gab ebenfalls Aktien aus, erhob aber im Bedarfsfall explizit einen Nachschuss. Damit beraubte sich die Gesellschaft gerade des Wettbewerbsvorteiles, feste Beiträge anbieten zu können und musste daher 1854 mit der neu gegründeten ‚Union‘ fusionieren. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 18. 231

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

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Dass auch die feste Prämie nicht generell den anderen Systemen der Prämien­ erhebung überlegen ist, zeigen folgende Zahlen der ‚Neuen Berliner Hagel‘: Von 1832 bis 1853 erwirtschaftete das Unternehmen zusammen circa 2,6  Millionen Mark. Dem standen Verluste aus dem Versicherungsgeschäft in Höhe von 2,4  Millionen Mark gegenüber. Dieses scheinbar positive Bild wird jedoch relativiert, wenn bei den Einnahmen die Zinserträge separat ausgewiesen werden. Setzt man diese vorsichtig mit 800.000 Mark an, ergeben die reinen Einnahmen aus dem Hagelversicherungsgeschäft lediglich 1,8  Millionen Mark. Insofern erzielte die ‚Neue Berliner Hagel‘ einen Verlust von ungefähr 600.000 Mark über die betrachteten 21 Jahre oder knapp 28.000 Mark pro Jahr.235 Nur die Möglichkeit, auf die Zinseinnahmen zurückgreifen zu können, schützte die Gesellschaft vor dem Ausweis eines negativen Saldos. Dass dies nicht im Sinne der Kapital­ geber war, erscheint einleuchtend. Zufriedener dürften dagegen die Versicherungsnehmer gewesen sein, waren diese doch weniger an Renditegesichtspunkten als vielmehr an der pünktlichen und vollständigen Schadensvergütung interessiert. Dass diese wie gesehen auch in Katastrophenjahren erfolgte, war ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen und hatte mit ziemlicher Sicherheit zur Folge, dass die Landwirte die ‚Neue Berliner‘ in einem positiveren Licht als die Mitwettbewerber sahen. Hinzu kam das Instrument des Festbeitrages, welches eine Kalkulation der Versicherungsbeiträge erleichterte. Welchen – zumindest nominellen – Erfolg das Unternehmen aufgrund dieser Punkte erzielen konnte, ist an der Entwicklung der Versicherungsbestände abzulesen: Sie hatten bis 1847 etwa 67,6  Millionen Mark erreicht und steigerten sich bis 1853 auf ungefähr 87 Millionen Mark.236 Neben den soeben ausführlich vorgestellten Hagelversicherern gründeten sich in diesen ersten Jahrzehnten auch zahlreiche andere Unternehmen, die zum Teil  heute noch unter dem Dach anderer Gesellschaften bestehen: 1832 wurde in Braunschweig die ‚Hagelschädenversicherungsgesellschaft für das Herzogtum Braunschweig‘ gegründet. Ein Jahr später entstand die ‚Hagelschädenversicherungsgesellschaft für das Königreich Hannover‘. Beide Unternehmen fusionierten später und schlossen sich am 24. November 1899 mit der ‚Norddeutschen Hagel‘ zusammen. Bis dahin hatte die ‚Hannover-Braunschweigische‘ immerhin eine Versicherungssumme von knapp 37 Millionen Mark erwirtschaftet.237 Auch nahmen in diesen Jahren die ersten ausländischen Hagelversicherer die Arbeit in Deutschland auf. Im Rheinland waren um 1840 französische238 Gesellschaften tätig, denen aber nach einigen Jahren die Konzession aus nicht näher bekannten 235

Eigene Berechungen in Anlehnung an Thuemen, Geschichte (1896), S. 16. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 16, Rohrbeck, Organisation (1909), S. 82 f. sowie Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932), S. 14. 237 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 238 Helferich berichtet zudem von Hagelversicherungsgesellschaften, die im Elsaß ansässig waren. Da aber auch dort das Hagelrisiko sehr groß war, blieben diese Unternehmen lediglich Episode. Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 247. 236

214

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Gründen wieder entzogen wurde. Inoffiziell dürfte hierbei wohl die Sorge um die einheimischen Versicherer die wichtigste Rolle gespielt haben.239 Auch die 1847 gegründete ‚Deutsche Hagelversicherungs-Gesellschaft für Gärtnereien etc. zu Berlin‘ – auch ‚Gärtnerhagel‘ genannt – existiert heute noch unter dem Dach der aus der ‚Norddeutschen‘ und ‚Leipziger‘ hervorgegangenen ‚AgroRisk-Gruppe. Dieses Unternehmen stellt eine weitere Besonderheit im Rahmen der Branchenentwicklung dar, hat aber in der bisherigen Forschung nur wenig Beachtung gefunden. Die Gründer der Gesellschaft wählten einen anderen geschäftlichen Schwerpunkt und betraten insofern Neuland, da das Unternehmensziel im Schutz der Gärtnereien und Gewächshäusern vor Hagelschäden bestand, womit man unabhängig von Schwankungen der Agrarkonjunktur war. Im Juli 1844 trat ein Generalagent der 1840 gegründeten ‚Kurhessischen Allgemeinen Hagelversicherungsgesellschaft für Deutschland‘240 an den ‚Verein zur Beförderung des Gartenbaus‘ in Berlin heran und schilderte die Lage der Gärtnereibetreiber, die bis dato von keiner Gesellschaft einen Versicherungsschutz gegen Hagelschlag erhalten hatten. Er bot an, eine entsprechende Initiative in die Wege zu leiten, so dass mit Hilfe dieser Produktinnovation die Hagelversicherung erstmals Kunden außerhalb der klassischen Landwirtschaft zugänglich gemacht wurde.241 Am 22. August 1844 versammelten sich in Berlin 14 Interessenten und beschlossen die Gründung des neuen Unternehmens mit einem Startkapital von 500.000 Taler oder 1,5 Millionen Mark. Allerdings zog sich die Aufnahme des Geschäftsbetriebs bis 1847 hin, da eine Reihe von Satzungsentwürfen vom preußischen Innenministerium bzw. dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg zurückgewiesen wurden. Über die Gründe ist nur zu spekulieren. Höchstwahrscheinlich war dies darauf zurückzuführen, dass man keine Erfahrung mit einer speziellen Versicherung für Gärtnereien hatte. Ob zudem die sich zuspitzende wirtschaftliche und politische Situation für die langsame Reaktion von Seiten der Behörden verantwortlich war, kann ebenfalls nicht mehr nachgewiesen werden. Wohl in Erwartung einer rascheren Genehmigung begannen die Initiatoren des neuen Projekts schon parallel zur Satzungsausarbeitung damit, für das neue Unternehmen zu werben. Bis Sommer 1845 hatten sich immerhin 170 Interessenten gemeldet. Da parallel zum behördlichen Prozess ebenfalls erst Ende 1847 die erforderlichen 500.000 Taler an Versicherungsbestand nachgewiesen werden konnten, erfolgte die endgültige Genehmigung zum 30. Januar 1848.242 Gleich im ersten Geschäftsjahr erzielte die ‚Gärtnerhagel‘ einen Überschuss von knapp 7.000 Mark, der überwiegend an die Mitglieder ausgeschüttet wurde. 239

Vgl. Bergmann, Geschichte (1928), S. 95–97. Die ‚Kurhessische‘ wurde 1850 bereits wieder liquidiert. Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 78. 241 Anscheinend hatte es einige Jahre davor einen ähnlichen Versuch von Berliner Gärtnereibesitzern gegeben, der aber – soweit erkennbar – ohne Folgen blieb. 242 Vgl. Choné, Begründung (1897), S. 4–12. 240

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

215

Der restliche Betrag ging in den Reservefonds, musste aber bereits im Revolutionsjahr 1848 wieder entnommen werden, da Schäden im Wert von 22.300 Mark zu begleichen waren. Diesen standen Einnahmen von knapp 13.900 Mark gegenüber, weshalb die Mitglieder einen Nachschuss in Höhe von circa 6.600 Mark zu zahlen hatten. Ungewöhnlich für die Hagelversicherungsbranche ist die Tatsache, dass eine solche Nachschussforderung zumindest bis zum 50jährigen Geschäftsjubiläum eine Ausnahme blieb.243 Verständlich wird dies, da die Gesellschaft nicht landwirtschaftliche Kulturen versicherte, sondern Gewächshäuser. Zum einen war man damit nicht von Schwankungen der Agrarkonjunktur abhängig. Zum anderen ist die Zerstörungskraft des Hagels nicht immer so stark, dass Glassscheiben oder Fassaden zerstört werden. Zur Erweiterung der geschäftlichen Aktivitäten stieg man 1848 in die klassische Feldfruchtversicherung ein, gab diese aber bereit 1872 aufgrund des mäßigen Erfolgs und – wie zu vermuten ist – der damit verbundenen Verschlechterung des Risikoportfolios wieder auf.244 Mit der Rückkehr zur Nischenstrategie, alleine die Gärtnereien und Gewächshäuser abzusichern,245 stellte sich auch mittelfristig der geschäftliche Erfolg wieder ein, was beispielsweise daran abzulesen ist, dass innerhalb der ersten 50 Geschäftsjahre in 38 Fällen eine jährliche Dividende gezahlt werden konnte.246 Ein negatives Beispiel für eine weitere Neugründung stellte dagegen die 1829 in Döllstadt gegründete ‚Hagelschädenversicherungsbank für Deutschland‘ dar, die später in Greußen ansässig war.247 Ihr Geschäftsgebiet lag im weniger hagelgefährdeten Mitteldeutschland. Außerdem mied das Unternehmen Regionen, die überdurchschnittlich vom Hagel bedroht waren, entweder ganz oder zog sich nach ersten Verlusten wieder daraus zurück. Was zunächst einmal positiv klingt, sorgte bei den hiervon betroffenen Landwirten für große Verstimmung, da man – wohl kurzfristig – ohne Versicherungsschutz dastand. Auch die anderen Geschäftspraktiken der Gesellschaft bewirkten Misstrauen auf Seiten der Kunden: Teilweise kamen Entschädigungen, die ausdrücklich zugesagt wurden, nicht zur Auszahlung oder waren gekürzt. Schließlich griffen die Behörden ein und erklärten 1840 offiziell die Unzuverlässigkeit der ‚Hagelversicherungsbank‘.248 Die Gesellschaft konnte sich noch fünf Jahre behaupten, bevor sie 1845 im Zuge der beginnenden Agrarkrise vom Markt verschwand.249 Viele Gegenseitigkeitsvereine hatten zudem generell Probleme aufgrund der Beitragserhebung. Oftmals geschah sie im reinen Umlageverfahren, was bedeutete, 243

Vgl. Choné, Begründung (1897), S. 14 f. Vgl. Choné, Begründung (1897), S. 15 f. 245 Neben Glas und Gewächsen der Gärtnereien versicherte man mit der Zeit – das genaue Datum ist nicht mehr zu ermitteln – auch die Gläser und Dächer von Industrieunternehmen und Privathäusern. 246 Vgl. Choné, Begründung (1897), S. 17 f. 247 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 248 Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 246. 249 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 244

216

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

dass die Gelder nicht zu Beginn der Saison eingezogen wurden, sondern erst nach Schadenseintritt. Damit begab sich das einzelne Versicherungsunternehmen aber in eine große Abhängigkeit von den Versicherten. Vereinfacht gesagt, lag eine typische Moral-Hazard-Situation vor, also ein unlauteres Handeln der Versicherten nach Vertragsabschluss. Denn neben der Tatsache, dass manche Landwirte nicht zahlungsfähig waren, kamen andere Bauern schlicht und ergreifend ihren Vertragsverpflichtungen nicht nach und verweigerten die Beitragszahlungen. Besonders in Jahren mit vielen Hagelschlägen war dies zu beobachten. Die Unternehmen mussten daraufhin kostspielige Prozesse führen, was einen Anstieg der Verwaltungskosten zur Folge hatte. Mittelbar wurden damit auch die übrigen Versicherungsnehmer getroffen: Da ein Anteil der Beitragseinnahmen nun fehlte, konnten die Entschädigungssummen nicht immer rechtzeitig oder vollständig ausbezahlt werden, was wiederum das Misstrauen der ehrlichen Kunden gegenüber der Hagel­versicherung wachsen ließ. Erst eine Einführung des Vorbeitrags-Nachschuss-Systems konnte dieses Problem entschärfen.250 d) Ein Zwischenfazit Was ist nun nach knapp 50 Jahren Branchengeschichte festzuhalten? Dem der Arbeit zugrundeliegenden Entwicklungsmodell folgend, war diese erste Phase durch die Befriedigung elementarer Sicherheitsbedürfnisse und damit der Pro­ duktion von Sicherheit geprägt. Im Sinne einer sekundären Produktinnovation konnte erstmals eine Versicherung gegen Hagelschlag mehr oder weniger erfolgreich angeboten werden. Dass diese neue Institution zu Beginn mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, überrascht nicht. Der Umbruch im Agrarsektor und die damit verbundenen Modernisierungstendenzen, aber auch die immer noch auftretenden Schwankungen der Agrarkonjunktur stellten ein schwieriges Marktumfeld für die junge Branche dar. Hinzu kam eine Reihe von ‚internen‘ Mängeln, die sich insbesondere aus der geringen Erfahrung mit der neuen Assekuranzsparte ergaben. Dass hier nur langsam Lernerfolge erzielt wurden – was sich beispielsweise in der Einführung von gestaffelten Prämien hinsichtlich der regionalen Hagel­ gefahr zeigte – ist nichts Ungewöhnliches. Studien belegen, dass die ersten Jahrzehnte einer neuen Versicherungsbranche durch eine lange und flache Lernkurve sowie durch Ineffizienzen geprägt sind.251 Für die eigentliche Gründung der einzelnen Gesellschaften war eine Reihe von heterogenen Umständen verantwortlich, sei es eine Veränderung der Property Rights aufgrund politischer Umstände wie im Fall der ‚Mecklenburgischen Hagel‘, sei es die Absicht, von der günstigen Agrarkonjunktur profitieren zu wollen, wie dies die Aktionäre der ‚Berliner Hagel‘ im Sinn hatten, oder ganz einfach persön 250

Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 263 f. Vgl. Pearson, Model (1997).

251

II. Die Befriedigung eines neuen Sicherheitsbedürfnisses

217

liche Animositäten wie im Fall der ‚Schwedter Hagel‘. Auch verhinderte das überschaubare Geschäftsgebiet vieler Unternehmen einen funktionierenden Risikoausgleich. Diese nur regionale Tätigkeit ist aber noch in anderer Hinsicht interessant. Wie im Verlauf des Kapitels deutlich wurde, entstand die überwiegende Anzahl der Gesellschaften in Norddeutschland. Obwohl kein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden konnte, dürfte dies wohl auf zwei Gründe zurückzuführen sein: Erstens die geringere Hagelgefährdung Norddeutschlands,252 zweitens das Vorhandensein des entsprechenden Kapitals, wie es durch die dort zahlreich ansässigen Gutsbesitzer bzw. Vollbauern mit großem Besitz verkörpert wurde. Die Aussage, welche hinter der gewählten Phaseneinteilung steht – dass also bis 1853 lediglich Produkte für die reine Bedarfsbefriedigung existierten – kann im Übrigen nicht bis ins Letzte bejaht werden, da es bereits erste Prozess- und Produktinnovationen gab: Neben der Verbesserung der versicherungstechnischen Abläufe zählen hierzu die Einführung der Verbandsversicherung durch die ‚Leipziger Hagel‘ sowie die Tätigkeit der ‚Gärtnerhagel‘ und damit der Ausbruch aus der ‚klassischen Hagelversicherung‘. Ein weiteres theoretisches Charakteristikum dieser ersten Phase – der begrenzte Wettbewerb – kann ebenfalls nur eingeschränkt identifiziert werden, da sich eine zunehmende Konkurrenz beispielsweise anhand der Abwerbungsversuche der ‚Hagel-Assekuranz-Anstalt für Deutschland‘ gegenüber der ‚Leipziger Hagel‘ zeigte. Unabhängig davon sind Probleme der Marktunvollkommenheit in den ersten Branchenjahrzehnten zu beobachten, da sowohl die Phänomene der Adversen Selektion als auch des Moralischen Risikos auftraten, wie die Beispiele der ‚Köthener Hagel‘ oder generell die Schwierigkeiten im Rahmen der Prämienerhebung bei vielen Gegenseitigkeitsvereinen zeigen. Auch wurde bereits von den Zeitgenossen die Gefahr für die Stabilität eines Hagelversicherers erkannt, die sich aus der Konzentration von zu vielen schlechten Risiken ergeben kann. Was die Aufnahme auf Kundenseite betrifft, war diese weitgehend negativ, so dass die Einschätzung vieler Landwirte gegenüber der Institution Hagelversicherung als ‚Systemmisstrauen‘ charakterisiert werden kann. Lediglich die ‚Berliner Hagel‘ scheint aufgrund ihrer Organisationsstruktur und Geschäftspraktiken eine Ausnahme dargestellt zu haben. Und noch 1847 äußert sich ein Zeitgenosse anklagend über die Hagelassekuranz: „Es ist eine auffallende Erscheinung, dass, während die übrigen Anstalten zur Versicherung gegen mögliche Verluste am Eigenthum durch Unglücksfälle [es folgt eine Aufzählung verschiedener Versicherungszweige] bei uns in Deutschland mehr und mehr gedeihen und es zum Theil bereits zu einer grossen Ausdehnung in ihren Geschäften und Vollkommenheit in ihren Einrichtungen gebracht haben, die Versicherungsgesellschaften gegen Hagelschaden gar nicht recht gedeihen wollen. So gross auch verhältnissmässig die Zahl solcher Anstalten in Deutschland ist, wir kennen doch kaum eine einzige unter denselben, welche ihre Aufgabe, allen Landwirthen die Erwerbung einer gewissen und ausreichenden 252

Vgl. Kapitel B.III.4.a).

218

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Entschädigung für die durch Hagelschlag an den Feldfrüchten entstehenden Verluste möglich zu machen, vollkommen erfüllte.“253

War die Kritik gerechtfertigt? 1844 versicherten die zu diesem Zeitpunkt be­ stehenden 14 Hagelversicherer Feldfrüchte im Wert von 71,6  Millionen Taler254 bzw. 215 Millionen Mark255, was „[…] auf fast ganz Deutschland berechnet, eine sehr geringe Summe ist und zur Genüge beweist, wie wenig die Hagelversicherung bis jetzt noch benutzt wird“.256 Neun Jahre später hatte sich die Situation etwas gebessert. Die zwölf am Markt tätigen Hagelassekuranzen konnten zusammen eine Versicherungssumme von 306 Millionen Mark ausweisen,257 womit eine gewisse positive Tendenz erkennbar ist. Insgesamt wurden in dieser ersten Phase der Branchengeschichte bis 1853 immerhin 41 Hagelversicherer – bis auf die ‚Berliner Hagel‘ alles Gegenseitigkeitsvereine – gegründet, wovon alleine 31 Unternehmen zwischen 1830 und 1852 ihre Tätigkeit aufnahmen.258 Auch dies lässt darauf schließen, dass zumindest grundsätzlich der Bedarf hinsichtlich der landwirtschaftlichen Assekuranz erkannt wurde. Abschließend zeigt nachstehende Tabelle die Entwicklung ausgewählter Hagelversicherungsgesellschaften bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, wodurch das allmähliche Wachstum der Branche auf Unternehmensebene nochmals bestätigt wird: Tabelle 1 Geschäftszahlen 1797–1847 ausgewählter Hagelversicherer (in Mark) Name

1797

1807

1817

1827

1837

1847

Mecklenburgische

1.232.375

1.295.750

15.168.450

25.000.625

29.781.276

31.746.825

Schl.-Holsteinische





4.084.230

5.871.927

6.972.090

13.154.745

Berliner Hagel







46.587.900

65.595.300

67.650.000

Leipziger Hagel







1.962.021

24.228.381

47.303.820

Schwedter Hagel







5.152.725

30.303.600

30.648.225

In Anlehnung an Rohrbeck, Organisation (1909), S. 82 f. Die Zahlen der ‚Berliner Hagel‘ umfassen die Ergebnisse der ‚Berliner Hagel‘ und der ‚Neuen Berliner Hagel‘. 253

Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 243. Vgl. Masius, Lehre (1846), Beilage zu S. 388. 255 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 20. 256 Masius, Lehre (1846), Beilage zu S. 388. 257 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 20. 258 Vgl. die Aufstellung bei Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77 f. 254

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen

219

Ob sich dieser positive Trend fortsetzen sollte, wird im folgenden Kapitel­ diskutiert.

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen: Das Übergewicht der Kapitalgesellschaften (bis circa 1870) Die Überwindung der letzten Hungerkrise259, die revolutionären Ereignisse im Jahr 1848260 und der Beginn der Industriellen Revolution markierten das Ende des feudalen Zeitalters in Deutschland.261 In den Jahren zwischen 1850 und 1870  – einer Übergangszeit, die von tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt war262 – ist auch ein neuer Abschnitt in der Geschichte der deutschen Hagelversicherung auszumachen. Neue Anbieter konnten sich etablieren und die bisher vorhandenen Versicherungsleistungen auf eine professionellere Basis stellen. Welche Unternehmen dies waren und wodurch sie sich auszeichneten, ist Gegenstand dieses Kapitels. Die Weiterentwicklung der Hagelversicherungsbranche verlief parallel zu der um 1844 einsetzenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, deren steigender Trend bis zum konjunkturellen Einbruch 1873 – dem Anfangsjahr der so genannten Gründerkrise  – anhielt. Wenngleich der sektorale Wandel sich bereits abzeichnete, war Deutschland um 1850 immer noch eine Agrargesellschaft.263 Der Primärbereich erwirtschaftete mehr als 46 Prozent des Nettosozialproduktes, wohingegen der Anteil von Industrie und Handwerk bei ungefähr 20 Prozent lag.264 Auch anhand der Arbeitskräfteaufteilung ist die weiterhin relativ starke Stellung des Agrarsektors erkennbar, wie Tabelle 2 zeigt. Die Preise für Agrarprodukte erreichten ebenso wie diejenigen für landwirtschaftliche Güter zwischen 1850 und 1875 ein beständig hohes Niveau.265 Ausgedrückt in Preisen von 1913 stieg der Wert der landwirtschaftlichen Produktion266 in den Jahren von 1850 bis 1869 von 4,87 Milliarden Mark auf 6,42 Milliarden Mark, 259 Soweit erkennbar, hatte die Hagelversicherungsbranche nicht übermäßig unter der Hungerkrise zu leiden, da sich hierzu in keiner Quelle oder zeitgenössischer Literatur ein Hinweis findet. 260 Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 33 f. Mommsen zufolge hat das Bürgertum als Konsequenz aus der nur eingeschränkten politischen Partizipationsmöglichkeit seine Erfüllung im Wirtschaftsleben gesucht. Folgt man Reinhard Spree, dann sei die Industrialisierung gerade durch das Wirtschaftsbürgertum vorangetrieben worden. Vgl. Spree, Karriere (2007), S. 11. 261 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 26. 262 Vgl. Lenger, Revolution (2003), S. 19–27, dort auch Hinweise bezüglich der Kontroversen um einen ‚deutschen Sonderweg‘ bzw. wann dessen Beginn anzusiedeln sei. 263 Ähnlich Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 42. 264 Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 34 f. sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 39. 265 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 40 f. 266 Vom Produktionswert wurde ein Faktor für Aussaat, für Schwund und für Verfütterung abgezogen.

220

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918 Tabelle 2 Die Beschäftigten in den drei Hauptsektoren der Wirtschaft 1846–1871

Jahr

Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft

Anteil der Erwerbstätigen in Industrie und Handel

Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor

1846

56,8

23,3

20,0

1852

55,2

25,0

19,8

1861

51,7

27,3

21,0

1871

49,3

28,9

21,8

Vgl. Fischer und Krengel und Wietog, Arbeitsbuch (1982), S. 52. Allerdings dürften speziell im Primärsektor viele der mithelfenden Familienangehörigen statistisch nicht erfasst worden sein. Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 53. Interessant in diesem Zusammenhang ist zudem, dass vor 1850 die Industrie nur einen kleinen Teil der gestiegenen Bevölkerung als Arbeitskräfte aufnehmen konnte. Vielmehr war es der Landwirtschaft gelungen, diesem Bevölkerungsüberschuss – wenn auch auf niedrigem Niveau – ein Auskommen zu bieten, bevor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Verschiebung zwischen den Sektoren begann. Daher traten auch in Deutschland keine Verhältnisse wie beispielsweise in Irland auf. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 53.

was einer Steigerung von knapp 32 Prozent entspricht.267 Zwar erhöhte sich zwischen 1850 und 1875 auch das Lohnniveau um 50 Prozent, aber aufgrund des Absinkens der übrigen Kosten änderte dies nichts an der positiven Gesamtertragslage der deutschen Landwirtschaft.268 Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es Anzeichen für eine zunehmende konjunkturelle Überhitzung wie beispielsweise die zunehmende hypothekarische Verschuldung vieler Güter gab.269 Jedenfalls be 267 Eigene Berechnung basierend auf Hoffmann, Wachstum (1965), S.  320. Der positive Trend ist auch an der Entwicklung der Weizenpreise zu erkennen: 1857 kostete ein Doppelzentner ungefähr 22 Mark, danach sank der Preis auf 19 Mark im Jahr 1864 und erreichte 1873 ein neues Hoch mit 23 Mark. Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 52. Vgl. zur Kritik an Hoffmanns Zahlen – wenngleich auf dessen Angaben zum Volkseinkommen ab dem Jahr 1901 bezogen  – Ritschl/Spoerer, Bruttosozialprodukt (1997). Trotz dieser Einschränkung stellen Hoffmanns Zahlen speziell für die Agrargeschichte immer noch die detaillierteste Zusammenstellung dar. Es bleibt ein Desiderat der Forschung, auch die Zahlen des Primärsektors zu überprüfen, ähnlich wie dies Ritschl und Spoerer für das Volkseinkommen getan haben. 268 Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S.  53 f. Angemerkt sei, dass die deutsche Landwirtschaft bis ungefähr 1870 in der Lage war, die inländische Bevölkerung zu versorgen. Gleichzeitig wurden große Mengen an Getreide insbesondere aus den ostelbischen Gebieten exportiert. Die dortigen Produzenten mischten die eigene Ernte mit russischen Hartroggen und führten diese dann beispielsweise nach Großbritannien und Skandinavien aus. Aufgrund der immer noch langen Transportwege war dieses Verfahren kostengünstiger als ein Absatz in Westdeutschland, wo man vermehrt auf günstige Importe aus Übersee zurückgriff. Die ostdeutschen Agrarproduzenten vertraten in diesen Jahren eine strikt freihändlerische Position – eine Meinung, die sie nach der Reichsgründung schon bald aufgeben sollten. 269 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 41 f.

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen

221

gann sich um 1850 der Agrarkapitalismus270 auch in Deutschland flächendeckend durchzusetzen, was für die Mehrheit der deutschen Landwirte bedeutete, nach marktgerechten Bedingungen zu produzieren. Damit konnte die traditionelle mangelnde Angebotselastizität überwunden werden.271 Die agrartechnischen Innovationen trugen ebenfalls zur positiven Entwicklung bei. Zwar wurde die menschliche Arbeitskraft (noch) nicht durch Maschinen substituiert, doch es kam zu Verbesserungen der traditionellen Hilfsmittel wie Egge und Pflug. Durch die Ausweitung der Tierbestände – trotz Abnahme des Weidelandes steigerte sich alleine der Rinderbestand von 10 Millionen Tieren im Jahr 1800 auf 16,8 Millionen Stück im Jahr 1875 – stand zudem eine größere Menge an natürlichem Dünger zur Verfügung.272 Dies wirkte sich stimulierend auf die Hektarerträge aus: Betrug dieser für Roggen im Jahr 1800 im Durchschnitt 900 Kilogramm, erreichte er 1850 bereits 1.070 Kilogramm.273 Angesichts der aufgezeigten Leistungen ist es nicht verwunderlich, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Deutschland bis in die 1860er Jahre vom Agrarsektor getragen wurde, bis in den Jahren 1867/68 der so genannte Gründerboom274 einsetzte.275 Neben den positiven konjunkturellen Einflüssen begünstigten weitere Verbesserungen der Property Rights indirekt die Entwicklung der Branche. Der Eisenbahnbau erlebte in diesen Jahren eine bemerkenswerte Steigerung: Betrug das Streckennetz 1850 noch ungefähr 5.900 Kilometer, wuchs es bis 1869 auf mehr als 17.300 Kilometer an.276 Hieraus zog auch die deutsche Landwirtschaft und mittelbar die Hagelversicherungsbranche Nutzen, da nun der gesamte deutsche Binnenmarkt erschlossen wurde.277 Zudem erfolgte ein Anschluss an das übrige euro 270 Nipperdey hingegen lehnt den Begriff ab, da typische Erscheinungsformen davon wie das Hypothekarwesen oder die professionelle Organisation der Absatzwege zumindest bis zur Reichsgründung in Deutschland keine Rolle gespielt hätten. Vgl. Nipperdey, Geschichte (1993), S. 158. 271 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2005), S. 33 f. 272 Gleichzeitig änderten sich damit die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung, da der Fleischkonsum anstieg. 273 Vgl. Nipperdey, Geschichte (1993), S.  152–158 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 47–56. 274 Dieser war durch Produktionszuwächse in einer Reihe von Industrien gekennzeichnet: Neben dem Agrarsektor zählten u. a. auch die Textil- und Schwerindustrie dazu. Dem vorangegangen waren ein Anstieg der Aktienkurse ab 1865 und ein abermaliges Einsetzen von Investitionen, die schwerpunktmäßig die Kapazitätsverbesserung und -erweiterung umfassten. Unterbrochen wurde die positive konjunkturelle Entwicklung jedoch von den Kriegen 1870/71, weshalb der nachfolgende Aufschwung umso stärker erscheint. 275 Vgl. Spree, Wachstumszyklen (1977), S. 344–352 sowie Spree, Karriere (2007), S. 21. 276 Vgl. zum Eisenbahnbau Fremdling, Industrialisierung (1985), S. 121–133. Vgl. speziell aus einer konjunkturgeschichtlichen Perspektive Spree, Wachstumszyklen (1977), S. ­267–273. 277 Zu Beginn dominierte allerdings aufgrund einer falsch konzipierten Tarifpolitik der Personentransport, so dass der Gütertransport erst Anfang der 1860er Jahre in Schwung kam und dann erst die so genannten forward linkages – eben die Effekte der Outputverwendung – einen nennenswerten Einfluss auf das gesamtwirtschaftliche Geschehen hatten. Vgl. Spree, Karriere (2007), S. 19 f.

222

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

päische Streckennetz, so dass weitere Absatzmärkte offen standen. Allerdings erhielten damit auch ausländische Agrarproduzenten den Zugang zum deutschen Markt.278 Als weitere positive Begleiterscheinung des Eisenbahnbaues erlebte die Aktiengesellschaft ihren Durchbruch als funktionierende Institution im Finanzbereich. Zudem floss dank der Gründung einer Reihe von Banken und der beginnenden internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte zunehmend ausländisches Kapital nach Deutschland, das in verschiedensten Projekten angelegt wurde.279 Anders als oft vermutet war in Deutschland ausreichend Investitionskapital vorhanden, welches nun im Gegensatz zu den Jahren vor 1840 mit größerer Bereitschaft in industrielle Projekte investiert wurde.280 Vor diesem positiven Hintergrund vollzog sich der nächste Abschnitt der Geschichte der deutschen Hagelversicherung, die von einer Dominanz der Kapitalgesellschaften geprägt war. Unmittelbarer Auslöser für eine wahre Gründungswelle waren schwere Hagelschläge Anfang der 1850er Jahre, aufgrund derer fast alle bestehenden Versicherungsvereine hohe Nachschüsse erheben mussten.281 Die Verluste zwangen zahlreiche Gegenseitigkeitsvereine zur Einstellung ihres Betriebs,282 wovon höchstwahrscheinlich auch die 1831 gegründete ‚Hagelassekuranzanstalt für Anhalt-Köthen‘ und die seit 1846 bestehende ‚Hagelversicherungsgesellschaft zu Brandenburg‘ betroffen waren.283 Wie dramatisch mitunter die Verluste waren, zeigt beispielsweise die Tatsache, dass der noch näher zu diskutierenden ‚Württembergische Hagel=Versicherungs=Anstalt‘284 bei einer Schadenssumme von 2,15 Millionen Mark lediglich 140.000 Mark (also knapp 6,5 Prozent) an Mitteln zur Verfügung standen.285

278 Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 36–38. Anders als bei den output linkages gingen vom Eisenbahnbau als dem wesentlichen Führungssektor der deutschen Industrialisierung positive Effekte auf eine Reihe von vorgelagerten Industrien wie dem Kohlebergbau sowie die Eisenund Stahlindustrie aus. Beispielsweise zeigten sich diese so genannten backward linkages – also Effekte der Inputbeschaffung – darin, dass die Eisenbahnen ab 1845 bis in die 1850er Jahre hinein wohl mehr als 50 Prozent der gesamten Stabeisenproduktion, die im Gebiet des Deutschen Zollvereins hergestellt wurde, konsumierten. Eine der direkten positiven Auswirkungen bestand in der Entlastung der jeweiligen regionalen Arbeitsmärkte entlang der Neubaustrecken, womit manche Erscheinungen des Pauperismus abgefedert wurden. Mittelfristig konnte zudem die Abhängigkeit insbesondere von englischen Importen (Stabeisen oder Lokomotiven) durch Substitution überwunden werden. Auch auf die Innovationsfähigkeit der vorgelagerten Industrien hatte der Eisenbahnbau stimulierende Effekte, wie beispielsweise der Übergang vom Puddelverfahren zum effizienteren Bessemer-Verfahren zeigte. Vgl. Spree, Wachstumszyklen (1977), S. 278–294 sowie Spree, Karriere (2007), S. 17–19. 279 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 89. 280 Vgl. Spree, Karriere (2007), S. 16 f. 281 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 255 f. 282 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 21. 283 Vgl. für die zeitlichen Angaben Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77 f. 284 Vgl. ausführlich Kapitel E.III.2. 285 In Anlehnung an Thuemen, Geschichte (1896), S.  21 f. sowie Rohrbeck, Organisation (1909), S. 59 f.

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen

223

Als Reaktion darauf wurde 1853286 von drei Feuerversicherungsgesellschaften jeweils eine neue Hagelversicherungsaktiengesellschaft gegründet. Dabei handelte es sich um die ‚Union  – Allgemeine Deutsche Hagelversicherungsgesellschaft a. A.‘287, die ‚Kölnische Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘288 sowie die ‚Magde­ burger Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘289. 1856 folgte die ‚Vater­ländische Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘ in Elberfeld, der jedoch weniger Erfolg als den anderen beschieden war; sie musste 1911 ihren Betrieb einstellen.290 Zwar liegen über die Motive, welche die jeweiligen Muttergesellschaften hier verfolgten, keine Originalquellen mehr vor, doch dürfte es sich um folgende Aspekte gehandelt haben: Mit am wichtigsten war die Nutzung der ökonomi­ schen Chancen, die sich aus der prosperierenden Agrarkonjunktur einerseits und den Problemen der Gegenseitigkeitsvereine andererseits ergaben. Zudem hielt sich wohl die Höhe der Transaktionskosten, die bei der Gründung der neuen Versicherer anfielen, in überschaubarem Rahmen. Infolge der langjährigen Tätigkeit in der Feuersparte verfügten die Muttergesellschaften bereits über eine gut ausgebaute interne Unternehmensstruktur, welche neben der Hauptverwaltung insbesondere das bestehende Agentennetz umfasste. Beide Institutionen ermöglichten die Realisierung von hohen Synergieeffekten bzw. die weitere Senkung von Transaktionskosten. Anders als das Feuergeschäft wies die Hagelversicherung einen saisonalen Charakter auf, da ihre Arbeit in den Wintermonaten weitgehend ruhte.291 Dann widmeten sich die Mitarbeiter in den Zentralabteilungen der Mutterunternehmen verstärkt der Feuerversicherung. Die Unterstützung der neuen Hagel­versicherer sollte aber nicht das bisherige Geschäft gefährden. Aus diesem Grund war die Inanspruchnahme von Garantiemitteln aus der Feuerversicherung für die Hagelsparte ausdrücklich ausgeschlossen. Diesem neuartigen Geschäftsmodell der Konzernbildung292 kam im Übrigen auch der erwähnte Ausbau der Infrastruktur entgegen, erlaubte er doch einen schnelleren Transport von Menschen und Nachrichten.293 Wie eng die Muttergesellschaften mit den neuen Hagelversicherern 286

1853 wurde auch die erste deutsche Rückversicherungsgesellschaft in Köln gegründet. Vgl. Moldenhauer, Versicherungswesen (1917), S. 37. 287 Deren Muttergesellschaft war die ‚Aachen-Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft‘. Die Konzession wurde am 4. November 1853 erteilt. 288 Sie war an die ‚COLONIA Kölnische Feuerversicherungsgesellschaft‘ angeschlossen. Maßgeblich beteiligt war auch das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim. Vgl. Hausarchiv des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. (HBO), A XIII/190. 289 Diese wurde von der ‚Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft‘ gegründet. Die Konzession der ‚Magdeburger Hagel‘ wurde am 24. April 1854 erteilt. 290 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 256 f. 291 Auch heute ist dieser saisonale Charakter in Bezug auf die Arbeit der Branche zu beobachten. 292 Vgl. Koch, Geschichte (2012), S. 267. Peter Koch führt explizit die Hagelversicherungen als Beispiel für die frühe Konzernbildung im Assekuranzbereich auf. 293 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S.  59 f., Arps, Pfeilern (1965), S.  521 f. sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 256 f.

224

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

verbunden waren, zeigen folgende Hinweise: Im Statut der ‚Union‘ gab es einen Absatz, wonach die ‚Aachen-Münchener‘ sich dazu verpflichtete, einen Mindestbestand von 100 Aktien (bei der Gesamtanzahl von 6.000 Stück) zu halten. Die Kapitalgeber der ‚Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft‘ wiederum konnten ein Bezugsrecht auf die Hälfte der Aktien der neu gegründeten ‚Magde­burger Hagel‘ ausüben.294 Wie waren nun die neu gegründeten Kapitalgesellschaften konkret organisiert? Anhand der ‚Kölnischen Hagel‘, die ihre Konzession am 7. November 1853 erhalten hatte,295 soll dies mittels von bisher nicht ausgewertetem Quellenmaterial dargestellt werden. Das Aktienkapital betrug gemäß Artikel Sechs der Statuten nominell 2.000.000 Taler, wofür 4.000 Aktien mit einem Nennwert von 500 Talern296 emittiert wurden. Ein Besitz von mehr als 100 Aktien war nach Artikel Sieben ausgeschlossen.297 Versichert werden konnten gemäß Artikel Drei alle Schäden, die durch Hagelschlag entstanden waren, was ausdrücklich auch Glasscheiben, Gewächs- und Wohnhäuser mit einschloss.298 Für das operative Geschäft war nach Artikel 27 ein Direktor verantwortlich, der Aktionär sein musste und einem neunköpfigen Verwaltungsrat Rechenschaft abzulegen hatte. Dessen Mitglieder wurden nach Artikel 19 aus dem Kreis der Aktionäre bestimmt.299 Die Generalversammlung war nach Artikel 32 das oberste Gremium der Gesellschaft. Ein möglicher Gewinn stand grundsätzlich den Aktionären zu, wobei gemäß Artikel 43 vier Prozent davon in einen Reservefonds flossen. Ziel war es, diesen bis auf eine Million Taler zu steigern.300 Die eigentlichen Vorschriften zum Hagelversicherungsgeschäft finden sich als Anlage mit Namen „II. Geschäftsplan“ im Zuge der Veröffentlichung des Gesellschaftsstatuts im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln. Gleich in Paragraph Eins wird die Errichtung eines Agenturnetzes in Aussicht gestellt. In Paragraph Fünf wird abermals dem Versicherungsnehmer die Selbsteinschätzung des Wertes der Feldfrüchte überlassen. Dabei findet sich folgender Zusatz: „Sollte die 294

Vgl. Arps, Pfeilern (1965), S. 522. Vgl. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln vom 24. Dezember 1853, in HBO, A XIII/190. Im Amtsblatt wurden die Statuten nun offiziell veröffentlicht und in diesem Zusammenhang explizit auf den 7. November 1853 als dem Tag der Genehmigung Bezug genommen. Thuemen gibt dagegen den 29. November 1853 an. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 22. Der Gesellschaftsvertrag selbst wurde am 23. November 1853 beim Notar hinterlegt. 296 Im ursprünglichen Vertrag vom 27. Mai 1852 waren noch 3 Millionen Taler an Grund­ kapital geplant. Vgl. die Abschrift der Statuten vom 27. Mai 1852, in HBO, A XIII/190. 297 Ein Teil  des Aktienbuchs einer Kapitalerhöhung aus dem Jahr 1871 befindet sich in HBO, A XIII/190. 298 Eine Versicherungspolice findet sich in den Beständen des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Vgl. RWWA Abt.: 81 Nr.: 40 Fasz.: 4.  299 Im Verwaltungsrat des Jahres 1865 saßen illustre Persönlichkeiten der Kölner Gesellschaft, so der Kaufmann Johann Michael DuMont und der Bankier Abraham Oppenheim. 300 Vgl. zum Aufbau und den Organen der Gesellschaft die Abschrift der Statuten vom 23.  November 1853 sowie die Abschrift eines Registerauszugs des Königlichen Handels­ gerichts zu Cöln vom 23. Mai 1862, beide in HBO, A XIII/190. 295

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen

225

Gesellschaft aber die Beträge für übertrieben erachten, so kann sie deren Ermäßigung verlangen und bei nicht erzielter Einigung die Versicherung ablehnen.“301 Mit dieser Vorschrift behielt sich die ‚Kölnische Hagel‘ ausdrücklich vor, fadenscheinige bzw. auf falschen Angaben beruhende Verträge nicht anzunehmen. Paragraph 19 beinhaltet die Berücksichtigung der regionalen und gegenständlichen Hagelgefahr  – womit die jeweilige Pflanzenempfindlichkeit gemeint ist  –, was sich in einem individuell vereinbarten Prämiensatz niederschlug. Interessanterweise wird an keiner Stelle erwähnt, dass die ‚Kölnische Hagel‘ einen Fixbeitrag erheben würde. Dies kann aber aus Paragraph vier abgeleitet werden, da die Versicherungsnahme ganzjährlich möglich war. Folgerichtig fiel dadurch beispielsweise das Instrument des Vorbeitrags aus, den manche der Versicherungsvereine anstelle des reinen Umlageverfahrens bereits verwendeten und der im Frühling eingezogen wurde. Auch ein Selbstbehalt war vorgesehen, da nach Paragraph 16 1/12 des Schadens vom Geschädigten selbst zu tragen waren.302 Den raschen Erfolg der ‚Kölnischen Hagel‘, der u. a. auf die institutionelle Ausgestaltung und die konkreten Vorschriften für das Hagelversicherungsgeschäft zurückzuführen war, zeigt folgende Tabelle: Tabelle 3 Geschäftsergebnisse der ‚Kölnischen Hagel‘ 1854–1871 Jahr

Policenzahl

Versicherungssumme (in Mark)

Prämien­ einnahmen (in Mark)

Schäden (Anzahl)

Schadenssumme (in Mark)

1854

7.234

32.772.288

315.039

300

67.401

1858

14.508

70.938.921

763.824

1.137

306.873

1862

18.214

93.909.564

1.096.311

2.212

594.405

1866

16.357

105.650.547

1.137.558

1.892

775.119

1870

18.102

138.672.090

1.543.944

2.586

1.298.340

Vgl. Anlage zum Geschäftsbericht der Direction über das Rechnungsjahr 1902 der ‚Kölnischen Hagel‘, abgedruckt in RWWA Abt.: 8, Nr.: 7, Fasz.: 12.

Man hatte also aus den Fehlern der Gegenseitigkeitsvereine gelernt. Zudem forcierten die Kapitalgesellschaften von Beginn an konsequent die Ausdehnung der geschäftlichen Aktivitäten. Ziel war es, einerseits einen möglichst hohen Versicherungsabsatz zu erwirtschaften, andererseits eine angemessene Diversifikation 301

Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln vom 24.  Dezember 1853, in HBO, A XIII/190. 302 Vgl. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln vom 24. Dezember 1853, in HBO, A XIII/190.

226

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

sicherzustellen. Heinrich Suchsland schreibt dazu: „Durch die Kraft dieses ein­ fachen Grundsatzes geschah es denn auch, daß die [Aktiengesellschaften] sehr bald zu hoher Blüte gediehen[.]“303 Damit einher ging der Aufbau einer ausführlichen Statistik über die örtliche und gegenständliche Hagelgefahr.304 So positiv sich die Entwicklung für die Kapitalgesellschaften darstellte, so negativ verlief sie für die Gegenseitigkeitsvereine. Abgesehen von den organisatorischen Vorteilen der Aktiengesellschaften kam für die Versicherungsvereine noch erschwerend hinzu, dass in den Jahren unmittelbar nach Gründung der neuen Hagelversicherer schwere Hagelschläge auftraten. Um die vertraglichen Verpflichtungen wenigstens einigermaßen erfüllen zu können, verblieb den Gegenseitigkeitsgesellschaften als einziges Mittel nur die Erhebung eines regelmäßigen Nachschusses. Gegenüber dem Fixbeitrag der Kapitalgesellschaften erschienen die alteingesessenen Versicherer daher besonders unattraktiv.305 Auch nahmen die Kapitalgesellschaften bis auf einen möglicherweise zu akzeptierenden Selbstbehalt keine Kürzung ihrer Entschädigungszahlungen vor, womit sie abermals im Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten waren. Welche Optionen haben nun den Vereinen offengestanden, um einigermaßen wettbewerbsfähig zu bleiben? Grundsätzlich mussten sie das Vertrauen der Landwirte zurückgewinnen, was mit Hilfe von entsprechenden Maßnahmen möglich gewesen wäre. Hierzu würde einmal eine umfassende Reorganisation bzw. Ex­ pansion im Stil der prozessualen Innovationen der neu entstandenen Konkurrenzunternehmen zählen. Diese Option schied aber weitgehend aus, da die anfallenden Kosten von den Mitgliedern hätten getragen werden müssen. Aufgrund dessen, dass die meisten der Gegenseitigkeitsvereine nur regional tätig waren, hätte dies eine zu große Belastung für die Vereinsmitglieder dargestellt. Ein anderes positives Signal wäre eine Demonstration der finanziellen Leistungsfähigkeit gewesen. Doch auch diese Möglichkeit konnte nicht realisiert werden. Neben einer möglichst vollständigen Schadensvergütung war insbesondere das Vorhandensein von Sicherheitskapital ausschlaggebend. Über ein solches verfügte aber fast keiner der alteingesessenen Hagelversicherer. Schließlich war es den Vereinen auch nicht möglich, hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung bzw. einer funktionierenden Risikodiversifikation Vertrauen zu erwecken, wie anhand der bisherigen Branchengeschichte zu sehen ist.306

303

Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 65 f. Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 29. 305 Erwähnt sei, dass die neu entstandenen Hagelversicherer gegenüber der ‚Neuen Berliner Hagel‘ einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hatten. Das Berliner Unternehmen konnte nämlich nicht auf eine Muttergesellschaft zurückgreifen. 306 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 10, Rohrbeck, Hagelversicherung (1917), S.  23, Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S.  25 f. sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 256. 304

III. Gesteigerte Investitionsfreude und Prozessinnovationen

227

In der Folge verloren die Gegenseitigkeitsgesellschaften dramatisch an Zuspruch, da die Aktiengesellschaften für sie so etwas wie „die Hechte im Karpfenteich [waren]“.307 Beispielsweise betrug die Versicherungssumme der ‚Leipziger Hagel‘ 1853 immerhin noch 32,8 Millionen Mark. Zehn Jahre später war sie aber auf nur mehr 17,3 Millionen Mark gesunken.308 Diesen Trend bestätigt auch ein Blick auf die Branchenzahlen: 1853 konnte die gesamte Branche einen Wert von 306  Millionen Mark in Deckung nehmen. Davon entfielen auf die ‚Berliner Hagel‘ 87 Millionen Mark, was bedeutete, dass die Versicherungsvereine ungefähr 219 Millionen Mark an Beständen verzeichneten.309 Der bemerkenswerte Aufschwung, der im folgenden Jahrzehnt einsetzte, und der gleichzeitig nur geringe Anteil der Vereine daran wird an folgenden Zahlen deutlich: 1863 verfügten die Kapitalgesellschaften über Bestände in Höhe von 428,5 Millionen Mark. Die Gegenseitigkeitsvereine kamen nur auf ca. 284  Millionen.310 Dieser Erfolg hatte zur Folge, dass 1865 mit der ‚Preußischen Hagel-Versicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin‘ eine weitere Aktiengesellschaft gegründet wurde. Zu Beginn konnte die ‚Preußische‘ große Erfolge erzielen. Allein von 1866 bis 1871 steigerte sich die Versicherungssumme von 53 Millionen Mark auf mehr als 139 Millionen Mark – wobei sich dies nicht so fortsetzen sollte, wie die weitere Entwicklung zeigen wird.311 Zur Stärkung ihrer Wettbewerbsposition schlossen sich die Aktiengesellschaften bereits 1857 zur ‚Coalition‘ zusammen, welche die erste Interessenvertretung der Branchengeschichte war. Da es deutschlandweit noch kein einheitliches Versicherungsvertragsgesetz gab, diente diese Plattform der Erarbeitung von einheitlichen Versicherungsbedingungen und der Etablierung einer Tarifgemeinschaft. Auch wurde im Zuge der Beratungen ein Selbstbehalt in Höhe von ¹∕12 des Schadens für alle Aktiengesellschaften festgelegt.312 Auch in dieser Beziehung eines einheitlichen und schlagkräftigen Vorgehens waren die Vereine im Nachteil, denn erst seit 1885 fanden zwischen ihnen regelmäßige Gespräche statt.313 Am 20. November 1888 gründeten sie schließlich eine eigene Organisation unter dem Namen ‚Freundschaftsbund‘, welcher später als ‚Verband Deutscher Hagelversicherungsvereine a.G.‘ firmierte.314 307

Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 68. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 41. 309 Eigene Berechnung in Anlehnung an Thuemen, Geschichte (1896), S. 19 f. 310 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 256. 311 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 89 f. 312 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S.  83 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 256. 313 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 27. 314 Vgl. zur Verbandsbildung Haberland, Hagelversicherungswesen (1937), S. 30–33. Interessanterweise gehörte die 1869 gegründete ‚Norddeutsche Hagel‘, die sich rasch zum größten Unternehmen in der Branche entwickeln sollte, dem Verband zu keinem Zeitpunkt an, so dass dessen Beschlüsse in der Praxis oft ohne Bedeutung waren. 308

228

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Wie unschwer erkennbar, sollten in den Jahren nach 1853 die Versicherungsvereine ein Schattendasein führen und den Kapitalgesellschaften weitgehend das Feld überlassen. Ein Beispiel für diese Verdrängung zeigte sich darin, dass die ‚Aachen-Münchener‘, deren Tochter die ‚Union‘ war, ihren Agenten mit sofortiger Wirkung verbot, nebenberuflich für die ‚Leipziger Hagel‘ tätig zu sein, was bisher gängige Praxis war.315 Die Dominanz der Aktiengesellschaften ist auch daran abzulesen, dass in diesen Jahren nur eine einzige neue Gegenseitigkeitsgesellschaft, der ‚Hagelschaden=Versicherungs=Verein für Mecklenburg-Schwerin‘, im Jahr 1854 ihre Tätigkeit aufgenommen hat, welche jedoch nie eine größere Bedeutung erlangen konnte.316 Mitunter wurde bei den Vereinen die marktbedingte Situation durch hausgemachte Probleme nochmals vergrößert, wie folgende Episode aus der Geschichte der ‚Schwedter Hagel‘ zeigt. Konkret handelte es sich um eine Affäre, die einen leitenden Mitarbeiter, nämlich den vollziehenden Direktor317 Lehmann, betraf. Dieser hatte seit 1868 seine Vertrauensstellung für eigene betrügerische Geschäfte ausgenutzt: Es war gängige Geschäftspraxis, die überschüssigen Gelder bei der ‚Berliner Diskonto-Gesellschaft‘ anzulegen. Direktor Lehmann hatte ebenfalls ein Konto bei der Bank eröffnet und transferierte darauf Firmengelder, mit denen er Spekulationsgeschäfte auf eigene Rechnung durchführte. Nach einer internen Prüfung wurde der Betrug 1870 entdeckt, was die fristlose Kündigung Lehmanns zur Folge hatte. Später wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, worauf er für den Rest seines Lebens beruflich nicht mehr Fuß fassen konnte. Er starb verarmt im Jahr 1889. Mit der Entlassung und Verurteilung des ehemaligen Direktors war die Angelegenheit für die ‚Schwedter Hagel‘ aber nicht ausgestanden. Vielmehr wurde mit Hilfe des Mediums Zeitung  – man könnte fast von Negativwerbung sprechen – der Skandal einer breiten Öffentlichkeit in allen Details vor Augen geführt. Nur umfangreiche publizistische Gegenmaßnahmen von Seiten des Vorstands konnten die Gemüter wieder beruhigen. Übrigens gab es in diesem Zusammenhang auch eine versöhnliche Note: Nach Lehmanns Tod ließ die ‚Schwedter Hagel‘ einen Teil der Lebensversicherungspolice, die sie als Sicherheit von ihrem ehemaligen Direktor hatte beschlagnahmen lassen, an dessen Witwe auszahlen.318 Jedenfalls bleibt als Fazit dieses Abschnitts der Branchengeschichte festzu­halten, dass in den Jahren 1853 bis circa 1865 eindeutig die Kapitalgesellschaften dominierten. Mit ihrer neuartigen Geschäftsorganisation, ihren prozessualen Innovationen und einer Reihe von institutionellen Verbesserungen trugen sie erheblich zur Ausbreitung des Hagelversicherungsgedankens in Deutschland bei. Das Vertrauen 315 Vgl. AVH/LH/Nachlass Dr. Paul Haberland/Kleinpaul: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, S. 28. 316 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 24. 317 Der vollziehende Direktor vertrat die Gesellschaft nach außen, setzte die Beschlüsse der Direktion und des Verwaltungsrates um und vertrat die ‚Schwedter‘ in allen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich. 318 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 14–19.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

229

in die Institution Hagelversicherung insgesamt dürfte damit gestärkt worden sein. Die Gegenseitigkeitsvereine standen dieser Entwicklung relativ hilflos gegenüber und verloren kontinuierlich Marktanteile. Das Misstrauen, das ihnen entgegengebracht wurde, lag v. a. an den Mängeln ihrer internen Organisation, mit der sie gegenüber den Kapitalgesellschaften nicht konkurrenzfähig waren. In Zukunft sollten aber die Vereine von der um 1863 übermächtig erscheinenden Konkurrenz lernen.

IV. Produkt- und Prozessinnovationen sowie Koexistenz der Rechtsformen – die Hagelversicherung im Kaiserreich IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich Im folgenden Kapitel wird die Branchenentwicklung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs untersucht. Vorab kann schon gesagt werden, dass auch dieser Abschnitt der Branchengeschichte von einer zunehmenden Dynamik geprägt war. Die Dominanz der Kapitalgesellschaften sollte ins Wanken geraten, da es den Vereinen gelang, Marktanteile zurückzugewinnen. Welche Faktoren hierfür verantwortlich waren bzw. wie sich die Umbrüche im Agrarsektor auf die Branche auswirkten, wird ebenso analysiert wie die Berührungspunkte der landwirtschaftlichen Assekuranz mit der Politik dieser Jahre bzw. der Versicherungswissenschaft. 1. Ein abermaliger Umschwung – der Wiederaufstieg der Gegenseitigkeitsvereine Das scheinbar ungebrochene Wachstum der Aktiengesellschaften nach 1854 hatte bereits nach knapp einem Jahrzehnt den Zenit überschritten. Hinweise deuten darauf, dass die Versicherungsvereine ab ungefähr 1865 einen stärkeren Zuwachs als die Kapitalgesellschaften erzielen konnten.319 Gesicherte Zahlen liegen erst ab 1870 vor, welche in nachstehender Tabelle aufgeführt sind: Tabelle 4 Versicherungssummen je Rechtsform zwischen 1870 und 1874 Jahr

Aktiengesellschaften (in Mark)

Gegenseitigkeitsvereine (in Mark)

1870

642.622.623

286.511.210

1871

656.284.824

344.066.319

1872

827.792.391

393.418.233

1873

817.118.397

445.239.091

1874

770.870.388

482.384.509

In Anlehnung an Richter-Tharand, Hagelversicherungswesen (1876), S. 11. 319

Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914), S. 12 f.

230

D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Detaillierter ist die Veränderung der Versicherungssumme anhand der einzelnen Unternehmensergebnisse zu erkennen. Die folgenden Zahlen umfassen sowohl die wichtigsten Aktiengesellschaften als auch eine Auswahl von Versicherungsvereinen: Tabelle 5 Ergebnisse ausgewählter Aktiengesellschaften in den Jahren 1866 bis 1873 (in Mark) Jahr

Ergebnisse der Kölnischen Hagel (in Mark)

Ergebnisse der Union (in Mark)

Ergebnisse der Magdeburger Hagel (in Mark)

Ergebnisse der Neuen Ber­ liner (in Mark)

1866

105.650.547

104.387.001

109.720.572

71.425.533

1867

127.959.630

108.482.439

140.905.992

78.887.961

1868

166.035.954

111.763.608

179.355.660

91.811.964

1869

154.456.839

106.637.547

169.872.795

88.696.362

1870

138.672.090

96.319.020

152.735.946

74.514.372

1871

141.807.507

106.707.819

157.647.207

70.498.605

1872

131.626.755

136.551.024

222.006.171

84.232.428

1873

133.232.898

139.011.147

190.443.489

84.171.897

In Anlehnung an Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 83–111. Tabelle 6 Ergebnisse ausgewählter Gegenseitigkeitsvereine 1866 bis 1873 (in Mark) Jahr

Ergebnisse der Mecklenburgischen Hagel (in Mark)

Ergebnisse der Schwedter Hagel (in Mark)

1866

68.016.075

52.761.477

1867

68.804.775

59.868.117

1868

68.087.175

59.538.579

1869

65.573.250

61.746.387

1870

61.780.875

54.770.907

1871

59.876.025

58.781.481

1872

60.108.300

73.048.938

1873

60.101.250

79.169.100

Eigene Umrechnung in Mark in Anlehnung an Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S. 83–111.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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Betrachtet man speziell die Geschäftsergebnisse der Gegenseitigkeitsvereine, fällt auf, dass diese ab circa 1870 eine allmähliche Steigerung ihrer Versicherungsbestände verzeichnen konnten. Die Gründe, die hierfür verantwortlich waren, sollen nun diskutiert werden. Die ältere Literatur zur Geschichte der Hagelversicherung macht hierfür eine Reihe von Aspekten verantwortlich, wozu beispielsweise der ab ungefähr 1865 nachweislich gewachsene Zuspruch zum Genossenschaftsgedanken an sich zählte.320 Sichtbarster Ausdruck hierfür321 sei demnach die Arbeit322 der landwirtschaftlichen Vereine gewesen, welche in diesen Jahren aufgrund der stetig wachsenden Dynamik im Agrarsektor in ganz Deutschland einen bemerkenswerten Zuspruch hatten.323 Folgt man den vorliegenden Darstellungen zur Branchengeschichte, sei in diesem institutionellen Rahmen bewusst der Gedanke des genossenschaftlichen Versicherungswesens propagiert worden, welcher der Mentalität der ländlichen Bevölkerung mehr entsprochen habe als der Profitgedanke der Aktiengesellschaften.324 Untermauert wurde dieser Punkt mit dem Hinweis auf das ebenfalls in dieser Zeit entstehende genossenschaftliche Bankwesen, was abermals ein Beweis sei, dass genossenschaftliche Finanzinstitutionen von der ländlichen Bevölkerung besser angenommen wurden.325 Zudem führen die älteren Arbeiten den Unmut über die Profitorientierung der Aktiengesellschaften an. Einer der dabei erwähnten Kronzeugen war der Direktor von Hülsen.326 Dieser Anhänger des Gegenseitigkeitsgedankens beklagte auf dem zweiten Kongress der norddeutschen Landwirte im Jahr 1869 die angebliche Geldverschwendung der Kapitalgesellschaften. Deren Prämieneinnahmen würden größtenteils für Verwaltungskosten verwendet und die Beiträge insgesamt auf Druck der Anteilseigner zum Nachteil der Landwirtschaft kalkuliert sein.327 Ein positives Geschäftsergebnis der Aktiengesellschaften sei zudem alleine auf Zins 320

Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 26. Ute Frevert zufolge war das 19. Jahrhundert das Säkulum der Vereine. Vgl. Frevert, Spurensuche (2003), S. 42 f. 322 Die im 19.  Jahrhundert entstandenen landwirtschaftlichen Vereine hatten einen der Schwerpunkte ihrer Tätigkeit in der Bildungsarbeit, womit sie in der Tradition der landwirtschaftlichen Gesellschaften der Aufklärung standen. Zu Beginn war die inhaltliche Auseinandersetzung mit bestimmten Themen durch aktive Lesezirkel oder Diskussionsrunden geprägt. Später wandelte sich der Charakter der Veranstaltungen eher zu einem passiven Vortragswesen. Vgl. Pelzer, Bildungsanspruch (2004). Angemerkt sei, dass der landwirtschaftliche Verein für das Fürstentum Lüneburg, den Pelzer untersucht, im Vereinsjahr 1885/86 alleine acht Vorträge zum Thema Lebensversicherung anbot, jedoch keinen zur landwirtschaftlichen Assekuranz. Vgl. Ebd., S. 55. 323 Vgl. z. B. für den landwirtschaftlichen Verein in Bayern Harrecker, Verein (2006). 324 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 26 sowie Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1969), o. S. 325 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 258 sowie Frevert, Spurensuche (2003), S. 44. 326 Dessen Funktion in der Hagelversicherungsbranche konnte nicht geklärt werden. 327 Ähnlich auch Ammon, der immerhin knapp 70 Jahre später darüber schreibt, aber wohl die älteren Positionen unreflektiert übernimmt. Vgl. Ammon, Geschichte (1937), S. 11. 321

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

gewinne, nicht aber auf die Kompetenz im Hagelversicherungsgeschäft zurückzuführen. Auch die 1857 erfolgte Verbandsgründung328 habe nur negative Folgen für die Landwirte in Form von Preisabsprachen gebracht. Außerdem sei beschlossen worden, hagelreiche Gebiete ganz zu meiden, um so in weniger gefährdeten Regionen die risikoärmeren Geschäfte zu betreiben. Im Gegenzug müssten die Versicherungsvereine unverhältnismäßig viele Kunden mit einem überproportional hohen Hagelrisiko aufnehmen.329 Als Folge seines Referates auf der Landwirteversammlung forderte daher von Hülsen: „Ohne eine Concurrenz von Gegenseitigkeits-Gesellschaften würden [die Aktiengesellschaften] also die Prämie dann ganz beliebig zu setzen im Stande und geneigt sein; sie würden das Geschäft beherrschen [. I]n Anerkennung der hohen Bedeutung der HagelVersicherung für das Gedeihen der Landwirthschaft über die Fortentwickelung des Betriebes der Hagel-Versicherung, insbesondere des Verhältnisses zwischen Actien= und Gegenseitigkeits=Gesellschaften weitere Beobachtungen anzustellen und über die Möglichkeit der Stärkung das [sic] Gegenseitigkeits-Princips eingehendere Berathung zu pflegen[.]“330

Die publizistische Antwort ließ nicht lange auf sich warten: 1876 veröffentlichte August Müller, der damalige Direktor der ‚Kölnischen Hagel‘, eine Schrift, welche auf der Basis von anderem Zahlenmaterial die Argumente der Gegenseitigkeitsvereine zu widerlegen versuchte und die Aktiengesellschaften als die eigentlichen Wohltäter und Innovatoren der Branche darstellte.331 Wer von beiden Protagonisten die tatsächlichen Verhältnisse besser schilderte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Diese dürften aber wie so oft in der Mitte der beiden Argumentationslinien gelegen haben. Jedenfalls ist immer noch nicht geklärt, aus welchen Gründen die Gegenseitigkeitsvereine Marktanteile zurückgewinnen konnten. Kritisch hinterfragt werden muss in diesem Zusammenhang die Argumentation in der vorhandenen Literatur. Erstens ist die Behauptung, dass das landwirtschaftliche Vereinswesen eine Kampagne zugunsten der Hagelversicherungsvereine geführt hat, aufgrund der mangelhaften Quellenlage nicht nachzuvollziehen. Allerdings scheint der Punkt nicht unplausibel. Da beide Institutionen durch ähnliche Strukturen und Prinzipien charakterisiert waren, ist ein solches Verhalten mancher landwirtschaftlicher Vereine durchaus denkbar. Zweitens kann ein gewinnorientiertes Verhalten den Kapitalgesellschaften nicht zum Vorwurf gemacht werden, da dies ein wesentliches Merkmal dieser Rechtsform darstellt. Auch darf drittens nicht vergessen werden, dass 328

Vgl. Kapitel. D.III. Vgl. Referat des Generaldirektors von Hülsen-Hemsendorf (1869), besonders S. 142 f. 330 Referat des Generaldirektors von Hülsen-Hemsendorf (1869), S. 143. Kritik an den Hagelversicherungsaktiengesellschaften wurde auch in den kommenden Jahren regelmäßig geäußert. Beispielsweise bewirkte die 1892 erzielte Summe von drei Millionen Mark an Dividende die folgenden drastischen Worte eines Hagelversicherungsexperten: „Was kümmern den Aktionär die noch viel mehr Millionen Schweißtropfen des unbemittelten Landmanns, die an diesen Dividenden kleben?“ Heck, Beiträge (1895), S. 11. 331 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876). 329

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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die Aktiengesellschaften an sich in diesen Jahren massiven Anfeindungen aus­ gesetzt waren. Unternehmen in anderen Branchen, die diese Organisationsstruktur hatten, wurden mit ähnlich lautenden Argumenten – also Profit- und Dividendenstreben – ebenfalls massiv kritisiert. Insofern waren die Vorkommnisse innerhalb der Landwirtschaft nichts Ungewöhnliches.332 Die bisher in der Forschung vertretenen Argumente sind daher nachvollziehbar, aber um einige wesentliche Punkte zu ergänzen: Speziell Prozessinnovationen und die erfolgreiche Imitation von Merkmalen der Kapitalgesellschaften dürften wesentliche Rollen hinsichtlich des Rückgewinns von Marktanteilen durch die Vereine gespielt haben. Dies soll nun diskutiert werden. Die wohl wichtigste prozessuale Neuerung bestand in der Umstellung des Beitragseinzugs bei der Mehrheit der Versicherungsvereine. Ab ungefähr 1870 erhob man die Prämien nicht mehr im reinen Umlageverfahren, sondern wechselte durchwegs auf das Vorbeitrags-Nachschuss-System.333 Die Vorbeiträge wiederum lagen oftmals unter den festen Summen der Kapitalgesellschaften, was allem Anschein nach massiv als Verkaufsargument eingesetzt wurde. Verständlicherweise betonte man nicht, dass dies stark vom jährlichen Auftreten des Hagels abhängig sei. Denn nur in hagelarmen Jahren wurde entweder gar kein oder nur ein geringer Nachschuss erhoben. Bedeutender für die Marktanteilsrückgewinnung durch die Gegenseitigkeitsvereine war jedoch die 1869 erfolgte Gründung eines weiteren Unternehmens, welches sich in wichtigen organisatorischen Punkten an der bis dato übermäch­ tigen Konkurrenz orientierte. Dabei handelte es sich um die ‚Norddeutsche HagelVersicherungs-Gesellschaft‘. Am 25. Januar 1869 war in Berlin eine Gruppe von Interessenten zusammengekommen, um über das Projekt einer neuen Hagelversicherung zu beraten. Das Treffen selbst dürfte im Vorfeld vorbereitet worden sein, da im Rahmen der Sitzung bereits Satzungsentwürfe diskutiert wurden. Viele Details dieses Prozesses sind abermals nicht überliefert, etwa welche Verbindungen die beteiligten Personen vorher zueinander hatten oder ob beispielsweise der Direktor von Hülsen – der ja im gleichen Jahr auf dem Kongress norddeutscher Landwirte vehement für den Solidargedanken eintreten sollte – in irgendeiner Form an dem Projekt beteiligt war. Zumindest sind manche der Namen der Beteiligten und deren jeweiliger Hintergrund bekannt: An der Sitzung in Berlin nahmen u. a. der Landrat a.D. von der Osten-Geiglitz, der Gutsbesitzer Hagen-Groß-Pobloth sowie zwei ehemalige Mitarbeiter des Altonaer-Feuer-Assekuranz-Vereins namens Wall und Helbig teil. Versicherungspraktiker, ehemalige Beamte und Landwirte prägten somit die Gruppe. Deren Erfahrung dürfte sich positiv auf die Erstellung des Gesellschaftsstatutes334, den Umgang mit den Behörden und die praktische Ge 332

Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 415. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 25. 334 Das im Januar 1869 ausgearbeitete Statut erhielt am 3. März 1869 die behördliche Genehmigung, womit der Geschäftsbetrieb aufgenommen werden konnte. 333

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

schäftstätigkeit ausgewirkt haben. Wie zu zeigen sein wird, achtete man darauf, die organisatorischen Nachteile der Versicherungsvereine weitestgehend zu vermeiden bzw. durch Adaption manche der Erfolgsfaktoren der Kapitalgesellschaften zu übernehmen. Die Gesellschaftsorgane der ‚Norddeutschen Hagel‘ orientierten sich bewusst an der bisherigen Praxis der Vereine, da es ein Direktorium, den Verwaltungs­ rat sowie die Generalversammlung aller Versicherungsnehmer bzw. Vereinsmitglieder gab. Zu Beginn war das Direktorium, welches mindestens aus zwei Personen bestand und dessen Vorsitzender ab 1891 den Titel Generaldirektor tragen konnte, für das gesamte operative Versicherungsgeschäft verantwortlich. Diese zentrale Organisationsstruktur erwies sich mit zunehmender Unternehmensgröße als unpraktisch, so dass mit Beschluss der Generalversammlung 1886 so genannte Generalagenturen geschaffen wurden, die einen bestimmten Teil des Geschäftsgebietes betreuten.335 Jede Generalagentur umfasste mehrere Bezirksvereine, die – wohl in Anlehnung an die landwirtschaftlichen Vereine – eine nochmals nachgelagerte Einheit und damit eine regionale Versammlung der Versicherungsnehmer bildeten. Infolge dieser dezentralen Organisationsstruktur war es dem Unternehmen möglich, regelmäßig mit seinen Kunden in Kontakt zu treten. Diese Kundennähe wiederum nutzte die ‚Norddeutsche‘ für Informations- und Werbezwecke. Im Rahmen der Bezirksvereine konnten die Versicherungsnehmer aber auch ihre Rechte ausüben, was insbesondere die Antragstellung an die Generalversamm­ lung umfasste. Diese wiederum war als Vertreterversammlung konzipiert, wobei sich das Stimmgewicht nach der Versicherungssumme im jeweiligen Bezirk ergab.336 Die Generalversammlung hatte über die Entlastung der Direktion, den Jahresabschluss,337 strittige Versicherungsfälle sowie über Satzungsfragen zu entscheiden. Der Verwaltungsrat wiederum überwachte die Geschäftstätigkeit des Direktoriums.338 Abschließend ist zur organisatorischen Ausgestaltung zu sagen, dass diese geschickt in Anlehnung an die nur regional tätigen Hagelversicherungsvereine gewählt wurde. Denn trotz von Beginn an vorhandener Expansionspläne wollte man mit der gewählten Organisationsstruktur Kundennähe bzw. Ferne zum Großkapital suggerieren. Dass das Unternehmen bestrebt war, den Kapitalgesellschaften Marktanteile abzunehmen, zeigt sich beispielsweise in der Ausgestaltung des konkreten Versicherungsgeschäftes. Von Beginn an verfolgte die ‚Norddeutsche Hagel‘ Wachs 335

Die Generalagenturen heißen heute Bezirksdirektionen. 1894 gab es 94 Bezirksvereine, 1918 waren es bereits 108. Im Übrigen hatten die Bezirksversammlungen von Beginn an das Recht, die Schadensschätzer ihrer jeweiligen Region selbst zu wählen. 337 Die Prüfung des Jahresabschlusses nahmen seit 1887 drei von der Generalversammlung gewählte Mitglieder vor, welche zusammen mit zwei Vertretern des Verwaltungsrates die Revisionskommission bildeten. 338 Ein Mitglied des Verwaltungsrates war der so genannte Kontrollierende, der einen ständigen Sitz im Direktorium hatte, um deren Arbeit zu überwachen. 336

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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tumsziele und baute entsprechend ihre Präsenz in ganz Deutschland aus, was für einen Versicherungsverein ungewöhnlich war. Die Prämienkalkulation basierte – allerdings erst seit 1874 – auf einer umfassenden statistischen Datenbasis, die bis auf die Ebene des einzelnen Flurstücks bzw. Versicherungsnehmers ging. Woher man diese Daten zu Beginn hatte, ist unklar, so dass sich die Belastbarkeit der statistischen Basis wohl erst mittelfristig zeigte. Für alle Verträge wurden 1875 drei verschiedene Gefahrenklassen für die Feldfrüchte eingeführt. Erhob man davor einheitlich 66 2/3 Pfennige als Vorbeitrag je 100 Mark Versicherungssumme, hatte der Kunde nun je nach Empfindlichkeit der Pflanzen gegenüber Hagelschlägen 70, 80 oder 90 Pfennige zu bezahlen. Vier Jahre später nahm das Unternehmen weitere Verfeinerungen vor und führte 22 Schadensklassen ein. Für den Prämieneinzug selbst wurde das Vorbeitrags-Nachschuss-System gewählt, womit man auf den bereits angesprochenen psychologischen Effekt des niedrigen Vorbeitrags setzte und damit offenkundig auch Erfolg hatte, wie Zeitgenossen bemerken: „Da [die Norddeutsche] sich diesen Umstand durch Erhebung sehr niedriger Vorprämien im vollsten Maaße zu Nutzen machte, wodurch in landwirthschaftlichen Kreisen vielfach der Glaube an eine durch die Norddeutsche herbeigeführte Verbilligung der Hagelversicherung erweckt wurde, so wurde es ihr leicht, einen Theil des Geschäftes der Aktien=Gesellschaften an sich zu bringen, in Folge dessen deren Versicherungsbestand für einige Jahre einen erheblichen Rückgang erfuhr.“339

Von dieser scheinbaren Preissenkung profitierten im Übrigen dann auch die anderen Gegenseitigkeitsvereine,340 wie die zu Beginn des Kapitels angeführten Zahlen zeigen. Nicht vergessen werden darf aber, dass alle Versicherungsvereine durch die hagelarmen Jahre nach 1870 begünstigt waren. Da fast keine Nachschüsse erhoben werden mussten, sahen sich wohl viele Landwirte darin bestätigt, bei der ‚Norddeutschen Hagel‘ bzw. den anderen Vereinen billiger als bei den Aktiengesellschaften versichern zu können. Andere organisatorische Bestimmungen können als vertrauensschaffende Maßnahmen interpretiert werden. Mit der Bildung eines Reservefonds wollte man potentiellen Kunden ein Signal hinsichtlich der eigenen Zahlungsfähigkeit geben. Auch die Expansionspolitik dürfte Vertrauen hinsichtlich der Größe und Leistungsfähigkeit des Unternehmens geweckt haben. Hinzu kam der Vorteil, den man für die Risikodiversifikation daraus zog. Dies wirkte sich wohl auch auf die unternehmensinterne Kalkulation positiv aus. Zu vermuten ist, dass es schon bald zu einer Verringerung der Transaktionskosten kam, da gewöhnlich mit zunehmender Unternehmensgröße Skaleneffekte realisiert werden können.341 Schlussendlich vereinigte die ‚Norddeutsche Hagel‘ etliche Vorteile beider Rechtsformen: Die 339

Thuemen, Geschichte (1896), S. 26. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 25 f. 341 Falls nicht anders zitiert vgl. zu den Grundsätzen und den Strukturen der Norddeutschen Gruner, Festschrift (1894), S.  5–18, Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1919), S. 16–22, Haberland, Hagelversicherungswesen (1937), S. 23, Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 30 sowie Audebert, Hagelversicherung (1955), S. 87 f. 340

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Adaption der Erfolgsfaktoren der Aktiengesellschaften wie ein großes Geschäftsgebiet zum Zwecke der Diversifikation wurden mit einer großen Kundennähe und dem in hagelarmen Jahren vorteilhaften Vorbeitrags-Nachschuss-System, das mitunter niedrige Versicherungsprämien suggerierte, kombiniert. Mit dieser Struktur sollte es der ‚Norddeutschen‘ schon bald gelingen, eine führende Position innerhalb der Branche einzunehmen. Deren weitere Entwicklung wird im folgenden Kapitel betrachtet. Zunächst ist aber zu fragen, unter welchem politischen und ökonomischen Umfeld sich diese abgespielt hat. 2. Intensivierung und Schutzzollpolitik – Die Situation der deutschen Landwirtschaft nach Gründung des Kaiserreichs Die politischen und ökonomischen Veränderungen, mit denen die meisten Deutschen nach 1870 umzugehen hatten, empfand wohl die Mehrheit der Menschen genauso tiefgreifend wie dies ihre Vorfahren in Bezug auf die rasante Entwicklung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts getan hatten. Der Krieg mit Frankreich brachte als Ergebnis den deutschen Nationalstaat, wodurch auch die ökonomische Lage begünstigt wurde. Die (weitgehende)  Beseitigung von einzelstaatlichen Sonderrechten,342 die Schaffung einer einheitlichen Währung sowie die Vollendung des Binnenmarktes bedeuteten eine abermalige Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen. Die unmittelbaren Jahre nach 1871 waren daher auch von überdurchschnittlichen Wachstums- und Investitionsraten geprägt. Wenig überraschend wirkte deshalb der konjunkturelle Einbruch bzw. die Strukturkrise nach 1873 für viele Zeitgenossen besonders entmutigend. Bereits 1872 hatte es erste Anzeichen für ein baldiges Ende der überdehnten Spekulation an den Aktienmärkten bzw. der Gründungsdynamik gegeben,343 bevor es schließlich Ende April 1873 in Wien zu den ersten Firmenpleiten kam. Ein sichtbares Zeichen

342 Dieses Thema sollte auch im Zusammenhang mit der Gründung der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt eine Rolle spielen. Vgl. Kapitel E.II. 343 Margrit Grabas unterscheidet bezüglich der Ursachen für die ‚Gründerkrise‘ nach exogenen und endogenen Faktoren. Zu ersteren rechnet sie die Reichsgründung sowie den deutschen Sieg über Frankreich in den Jahren 1870 und 1871, insbesondere aber die Aufhebung der Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften im Juni 1870. Die hieraus entstehende Dynamik sollte sich Grabas zufolge schon bald überhitzen. An endogenen Faktoren wiederum wirkte insbesondere krisenverschärfend, dass es in der Schwerindustrie zu einer Ausweitung der Produktionskapazitäten gekommen sei. Dieses strukturelle Ungleichgewicht sollte dann die Krise abermals verschärfen und so lange andauern, bis die Überkapazitäten an die natio­ nale und internationale Nachfrage angepasst wurden. Auch waren im Eisenbahnsektor – wie dargestellt verantwortlich für den ‚take-off‘ – Sättigungstendenzen festzustellen, ohne dass sich kurzfristig ein neuer Wachstumsmotor herauskristallisiert hat. In Summe sei deshalb auch die Interpretation des ‚Gründerkrachs‘ als Strukturkrise gerechtfertigt. Vgl. Grabas, Gründerkrise (2011), S. 89–94.

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der Wirtschaftskrise – wenn auch nicht deren Ursache344 – war der 9. Mai 1873, als mehr als 100 an der Wiener Börse gehandelte Gesellschaften Insolvenz anmelden mussten. Nach einer kurzen Erholung traf die Krise im Herbst 1873 Deutschland, da im Oktober 1873 etliche an der Berliner Börse notierte Unternehmen liquidiert wurden. Die Aktienkurse wiederum büßten im Anschluss im Oktober und November 1873 ungefähr sechs Prozent ihres Wertes ein. Der nachfolgende, als ‚Gründerkrise‘ oder ‚Gründerkrach‘ bekannte konjunkturelle Abschwung sollte bis 1879 dauern, die Aktienkurse erreichten im April 1878 ihren Tiefststand. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 50 Prozent des an der Börse gehandelten Kapitals vernichtet wurden. Auch die Realwirtschaft wurde schwer getroffen, was sich u. a. in einem Investitionsrückgang und steigender Arbeitslosigkeit ausdrückte. Beispielsweise sank die Nettoinvestitionsquote von 17 Prozent in 1873 auf 7 Prozent in 1879. Ab diesem Jahr begann sich die wirtschaftliche Lage wieder zu beruhigen und ein erneuter konjunktureller Aufschwung setzte ein. Allerdings wurde dieser von anderen Sektoren als in den Jahrzehnten davor getragen. Anstelle der Schwerindustrie, die im Zuge des Eisenbahnbaus der Wachstums­ motor war, fiel die Rolle nun der chemischen und elektrotechnischen Industrie und dem Maschinenbau zu.345 Obwohl die Gründerkrise als Endpunkt des im Zuge der Arbeit skizzierten Transformationsprozesses von einer Agrar- zur industriellen Marktgesellschaft gesehen werden kann,346 hatte der konjunkturelle Einbruch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Agrarbereich.347 Vielmehr konnte die Gesamtleistung nochmals erhöht werden. In Preisen von 1913 gerechnet, erreichte alleine die pflanzliche Produktion im Jahr 1870 einen Wert von 2,14 Milliarden Mark, der sich bis 1885 auf 2,88 Milliarden Mark steigerte.348 Parallel wurde weiter 344

Reinhard Spree sieht im Investitionsrückgang aufgrund von Überkapazitäten in verschiedenen Industriesektoren die wesentliche Ursache für den konjunkturellen Einbruch. Beginnend in der Hüttenindustrie hätten sich die dortigen rückläufigen Investitionen auch auf die Stimmung in nachgelagerten Branchen wie dem Eisenbahnwesen oder dem Maschinenbau ausgewirkt. Aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung hätte die Krise in der Schwerindustrie dann auch für eine Verschlechterung der gesamtkonjunkturellen Lage gesorgt. Spree zufolge seien daher die ebenfalls aufgetretenen Krisen im Banken- und Börsenbereich nicht als auslösendes Element, sondern als parallel hierzu auftretende Erscheinungen zu betrachten. 345 Vgl. Spree, Wachstumszyklen (1977), S. 352–367, Kocka, Jahrhundert (2001), S. 50–53, Tilly, Geld (2003), S. 115–117, Spree, Karriere (2007), S. 25–28, Kiehling, Kursstürze (2009), S. 89–100 sowie Grabas, Gründerkrise (2011). 346 Vgl. Grabas, Gründerkrise (2011), S. 75. Margrit Grabas zufolge muss in diesem Zusammenhang die von Carsten Burhop und Guntram B. Wolff geäußerte These, dass basierend auf einer Auswertung des Sozialprodukts von einer ‚Gründerkrise‘ nicht die Rede sein könne, zurückgewiesen werden. Vgl. Burhop/Wolff, Estimate (2005). Grabas wiederum konnte durch Erstellung eines Konjunkturbarometers für die Saarregion explizit den kon­junkturellen Einbruch in den Gründerjahren nachweisen. Vgl. Grabas, Gründerkrise (2011), S. 78–84. 347 Vgl. neben der im Folgenden genannten Literatur zur Situation der Landwirtschaft im Kaiserreich auch Aldenhoff, Agriculture (1996). 348 Vgl. Hoffmann, Wachstum (1965), S. 310.

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hin an der Modernisierung des Primärsektors gearbeitet, was sich beispielsweise im verstärkten Anbau neuer Früchte wie der Zuckerrübe zeigte.349 Auch begann man, vermehrt Kunstdünger und Maschinen einzusetzen,350 da eine Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen in großem Stil nicht mehr möglich war. Insofern konnte eine Ertragssteigerung nur mehr auf dem Weg der Intensivierung erreicht werden. Insgesamt wuchs der nominale Beitrag des Agrarbereichs zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung von 6,5 Milliarden Mark im Jahr 1875 auf 11,2 Milliarden Mark im Jahr 1913.351 Allerdings können diese formal positiven Zahlen nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sich die deutsche Landwirtschaft ab ungefähr 1865 auf dem Weg in eine Strukturkrise befand, wofür insbesondere der immer dynamischere internationale Agrarmarkt verantwortlich war. Wurden um 1800 noch circa 10 Millionen Hektoliter Getreide weltweit gehandelt, steigerte sich diese Menge bis 1900 auf ungefähr 500–600 Millionen Hektoliter.352 Verantwortlich dafür waren zwei Punkte: das rasante Wachstum der nordamerikanischen Landwirtschaft sowie eine Verbesserung der Transportbedingungen. Nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges standen die bisher noch nicht erschlossenen Flächen im Westen der USA für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung. Das dort produzierte Getreide konnte wiederum als Folge von Innovationen im Verkehrsbereich – konkret Eisenbahn und Dampfschifffahrt – und der damit verbundenen Verringerung der Transportkosten billig exportiert werden.353 Betrug der Transportkostenanteil beispielsweise bei Weizen im Jahr 1830 circa 80 Prozent der gesamten Produktionskosten, waren diese bis 1910 auf knapp 30 Prozent gefallen.354 349

Vgl. allgemein van Zandern, Revolution (1991). Vgl. Berghahn, Kaiserreich (2006), S. 41–44; 54. Allerdings gab es auch negative Entwicklungen, wie die zunehmende Verschuldung vieler landwirtschaftlicher Betriebe zeigt. 351 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 692; 696. 352 Vgl. von Juraschek, Statistik (1909), S.  783–786. Das Volumen des gesamten Weltgetreidehandels betrug 1907 ungefähr 630  Millionen Hektoliter, wobei die Exporte ungefähr 324 Millionen Hektoliter, die Importe circa 310 Millionen Hektoliter ausmachten. Dabei hatten alleine die USA einen Exportanteil von 23,5 Prozent, gefolgt von Russland mit 22,2 Prozent. Wichtigste Abnehmerländer waren Großbritannien mit einem Anteil von 33,2 Prozent und Deutschland mit 22,7 Prozent. 353 Die Gründe für die Absenkung der Transportkosten wurden erstmals von Douglass C. North untersucht. Dieser vermutet, dass neben der allgemeinen Ausdehnung des Handels v. a. organisatorische und damit weniger technologische Verbesserungen für eine günstige Kostensituation im internationalen Waren- und Güterverkehr verantwortlich gewesen seien. Vgl. North, Ocean (1958). An Norths Auffassung wurde jedoch kritisiert, dass er weniger die allgemeine Entwicklung als vielmehr die spezielle Situation der Frachtkostenentwicklung für Baumwolle dargestellt habe. Augenblicklicher Stand in der Forschung ist, dass die Auslöser der so genannten Transportrevolution hauptsächlich technische Neuerungen in der Dampfschifffahrt und der Eisenbahn waren, die dann in Verbindung mit anderen Innovationen (Kühltechnik) eine signifikante Senkung der Transportkosten bewirkten. Vgl. Harley, Ocean (1988). 354 Vgl. Torp, Herausforderung (2005), S. 34 f. Das Beispiel bezieht sich auf den Import von US-Weizen nach Großbritannien. Als Begleiterscheinung kam es zu einer Konvergenz der in 350

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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Die deutschen Agrarproduzenten waren von dieser Globalisierung nachhal­ tig betroffen. Bis ungefähr 1870 wurde der westeuropäische Getreidebedarf weit­ gehend aus Russland – das aufgrund seines niedrigen Lohnniveaus billig exportieren konnte – und den ostelbischen Produzenten355 gedeckt. Das nun auf den Markt drängende günstige Getreide aus den USA führte zu einem Preisverfall und – mit Ausnahme von Russland, welches seine Anbaugebiete nochmals massiv ausweitete – zum Ende der Dominanz der bisherigen Produzenten. Die Folge war eine seit 1876 zu beobachtende strukturelle Agrarkrise, die sich bis in die Jahre vor die Jahrhundertwende hinzog.356 Deutsche und russische Produkte wurden vom englischen und irischen Markt durch amerikanisches Getreide verdrängt. Die russischen Produzenten wiederum suchten sich neue Absatzgebiete und boten ihre Erzeugnisse verstärkt in Kontinentaleuropa an, was die deutsche Landwirtschaft weiter unter Druck setzte.357 Aufgrund dessen änderten die ostdeutschen Agrarproduzenten ihre Einstellung gegenüber dem Freihandel, von dem sie bisher profitiert hatten. Die Rufe nach Hilfe des Staates wurden immer lauter,358 was schließlich im Zuge ähnlicher Forderungen aus der Industrie359 in der Einführung von landwirtschaftlichen Schutzzöllen mündete.360 Die „zollpolitische Wende“361, die von Reichskanzler Otto von Bismarck362 am 2. Mai 1879 bekanntgegeben wurde, diente unterschiedlichen Zwecken. Mit den zusätzlichen Einnahmen sollte vordergründig die finanzielle Unabhängigkeit der Reichsverwaltung gegenüber den Ländern sichergestellt werden. Zudem vollzog der Kanzler im Zuge dieser ‚zweiten Reichsgründung‘ eine innenpolitische Wende und wandte sich von den nationalliberalen Gruppen ab und den konserva-

ternationalen Getreidepreise, da Arbitragemöglichkeiten genutzt werden konnten. Die damit verbundene Annäherung der einzelnen Preise an einen einheitlichen Weltmarktpreis war zudem ein Ausdruck für die zunehmende Integration des Agrarmarktes. 355 Wie bereits erwähnt, vermengten die ostelbischen Produzenten die eigenen Produkte mit russischem Getreide und verkauften diese Mischung dann weiter. 356 Vgl. Bade, Massenwanderung (1980), S. 292–295. 357 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 29–41. Weniger hart von der Globalisierung wurden die Besitzer kleinerer Höfe getroffen, die mit höherwertigen Milch-, Fleischund Gemüseprodukten überwiegend regionale Märkte bedienten. Zudem war die Viehwirtschaft keiner so starken internationalen Konkurrenz ausgesetzt wie die Getreideproduktion. Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 292. 358 Vgl. zu den unterschiedlichen politischen Motiven der Besitzer von großen und kleineren Höfen Kane/Mann, Politics (1992), S. 436–439. 359 Diese Vorgehensweise erscheint geradezu unverständlich, da die deutsche Wirtschaft immer stärker vom Export abhängig war. Nichtsdestotrotz verfolgte die deutsche Politik bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in fast allen wirtschaftlichen Bereichen weitgehend protektionistische Maßnahmen. Vgl. Spree, Karriere (2007), S. 28 f. 360 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarprotektionismus (2000), S. 442 f. sowie Berghahn, Kaiserreich (2006), S. 47 f. 361 Burhop, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 109. 362 Vgl. zur Biographie von Otto von Bismarck Pflanze, Bismarck (1997) sowie Pflanze, Bismarck (1998).

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tiven Kräften zu.363 Mit der Zeit führte die Politik immer stärker das Argument des Schutzes der einheimischen Landwirtschaft bzw. den Autarkiegedanken ins Feld.364 Allerdings war die Zolleinführung zum 1. Januar 1880 kein speziell deutsches, sondern vielmehr ein europäisches Phänomen. Insofern muss die oft in der älteren Literatur vertretene Meinung, die protektionistischen Maßnahmen zum Schutz der heimischen Landwirtschaft seien ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Politik zur Stärkung des ostelbischen Großgrundbesitzes gewesen, revidiert werden.365 Ein neues Phänomen bestand allerdings darin, dass sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern die landwirtschaftlichen Interessensvertreter – und hierbei speziell der 1893 gegründete ‚Bund der Landwirte‘366 – zunehmend Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung nahmen.367 Die Zölle, die beispielsweise 1889368 für 100 kg Weizen und Roggen je 5 Mark betrugen,369 hatten nachhaltige Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft. Grundsätzlich profitierte der Agrarsektor von der protektionistischen Politik die 363 Da über die Matrikularbeiträge der Länder jährlich im Reichstag und im Bundesrat abgestimmt wurde, wollte Bismarck über die Sicherung der finanziellen Unabhängigkeit des Reiches auch das Budgetrecht des Parlaments beschneiden. Zudem verfolgte der Reichskanzler das Ziel, die nationalliberale Partei über die Frage ‚Schutzzoll oder Freihandel?‘ zu spalten und damit die bürgerliche Opposition zu schwächen. Vgl. Mommsen, Ringen (1993), S. 482 f. sowie Burhop, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 109–117. 364 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 124–132. Letztendlich verfolgten alle deutschen Regierungen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts derartige Autarkiebestrebungen. Vgl. Ditt, Markt (2001), S. 92. Die autarke Ernährung der einheimischen Bevölkerung konnte die deutsche Landwirtschaft aber schon wie gesehen gegen Ende der 1860er Jahre nicht mehr erfüllen. 365 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 12 f. bzw. passim. Aldenhoff-Hübinger erforscht die Thematik aus vergleichender Perspektive bezüglich der deutschen und franzö­ sischen Agrarpolitik. 366 Der ‚Bund der Landwirte (BdL)‘ nahm sich den französischen Verband ‚Société des Agriculteurs (SAF)‘ zum Vorbild, welcher im Nachbarland eine schlagkräftige Interessensvertretung darstellte. Rein institutionell ist der ‚BdL‘ daher kein deutscher Sonderfall. Dies trifft vielmehr auf die sozialdarwinistischen und rassistischen Erscheinungen zu, die im Rahmen der Verbandsarbeit auftraten. Dass man sich aber agitatorisch am französischen Vorbild orientierte, zeigt die praktische Arbeit des ‚Bundes‘: Dazu gehörte die Verbandsführung durch den Großgrundbesitz – obwohl die Basis durch viele Bauern mit kleineren Höfen gebildet wurde –, die gezielte Pressearbeit sowie die kontinuierliche Beeinflussung der politisch Verantwortlichen. Ähnliches war im Übrigen auch in Frankreich zu beobachten. Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarprotektionismus (2000), S. 454 f. bzw. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 87–112. 367 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarhandel (2007), S. 196 f. 368 Nach 1890 kam es zwangsläufig zu einer Verringerung der deutschen Agrarzölle aufgrund der protektionistischen Wende in Frankreich. Da Deutschland nicht mehr von der Meistbegünstigungsklausel profitieren konnte, mussten eigene Handelsverträge geschlossen werden, die mit Zollsenkungen verbunden waren. Gegen diese liberale Handelspolitik, die vom neuen Reichskanzler Caprivi verantwortet wurde, lief v. a. der ‚Bund der Landwirte‘ Sturm. Dessen Agitation hatte mittelfristig insofern Erfolg, da die Caprivische Politik zugunsten des ‚Bülow-Tarifs‘ und damit eines abermaligen Protektionismus im Jahr 1906 aufgegeben wurde. Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 15; 146–173. 369 Vgl. Conrad, Getreidezölle (1909), S. 820 f.

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ser Jahre. Einer der Schwerpunkte im Bereich der Zölle lag beim Roggen370, dessen nominale Protektionsrate – also das Verhältnis von Zollsatz und Weltmarktpreis – für die Jahre 1889/90 46 Prozent betrug. Dies kam wiederum insbesondere den ostdeutschen Großgrundbesitzern zugute, die einen Schwerpunkt ihrer Produktion im Roggenanbau hatten.371 Aber auch die Besitzer kleinerer Höfe, die vermehrt Milch- und Viehwirtschaft betrieben, zogen Vorteile aus den Schutzzöllen, da die von ihnen hergestellten Produkte ebenfalls mit Einfuhrzöllen belegt wurden. Die scheinbar divergenten Interessen der Großbauern und der Besitzer kleinerer Höfe verbanden sich nun in der gemeinsamen Agitation für die Schutzzollpolitik, was Steven B. Webb auf folgenden Nenner brachte: „The alliance of pork and rye reflected an economic reality.“372 Die Konsumenten bekamen die Schutzzölle dagegen in voller Höhe zu spüren. Da die Importe von landwirtschaftlichen Produkten im Laufe der Jahre weiter anstiegen – für 1907 betrug alleine die Nettoeinfuhr an Weizen 23,5 Millionen Zentner373  – wurden die Getreidezölle unmittelbar an die Endverbraucher weitergereicht.374 Berechnungen zufolge belastete dies die deutsche Bevölkerung alleine bis 1906 mit 500  Millionen Mark jährlich.375 Dies waren aber nicht die einzigen Kosten, die mit der Schutzzollpolitik verbunden waren. Da durch die Zollschranken die inländische Produktion geschützt wurde, diese aber zugleich weiter anstieg, wäre eine der Folgen ein Preisverfall im Inland gewesen. Um dies zu vermeiden, mussten neue Exportmöglichkeiten für Agrarprodukte geschaffen werden. Dies war jedoch abermals nur mit staatlicher Hilfe – wie beispielsweise die 1894 erfolgte Abschaffung des Identitätsnachweises für Getreide – möglich, da die deutschen Erzeugnisse aufgrund ihres hohen Preisniveaus international nicht mehr konkurrenzfähig waren.376 Der Schutz vor dem internationalen Wettbewerb bedeutete jedoch zugleich eine Unterbrechung des Modernisierungsprozesses im Agrarbereich, weshalb die seit 1876 andauernde strukturelle Agrarkrise nicht für Reformmaßnahmen genutzt werden konnte.377 Denn anstatt sich auf dem 370 Speziell durch die Zölle kam es auch zu einer Ausweitung der Roggenanbaufläche, die unter normalen ökonomischen Bedingungen in diesem Umfang wohl nicht stattgefunden hätte. Schätzungen haben ergeben, dass die Anbaufläche von 100 Prozent im Jahre 1871 immerhin auf 106,3 Prozent im Jahr 1911 angestiegen ist. Vgl. O’Rourke, Invasion (1997), S. 787. 371 Vgl. Webb, Protection (1982), S. 314 sowie Aldenhoff-Hübinger, Agrarprotektionismus (2000), S. 448. 372 Vgl. Webb, Protection (1982), S. 322–324. Das wörtliche Zitat findet sich auf S. 324. 373 Eigene Berechnung. Vgl. für die Zahlen von Juraschek, Statistik (1909), S. 788; 791 f. 374 Folgendes Rechenbeispiel soll dies demonstrieren. Ab 1906 galt der neue Minimalzoll für Weizen von 5,50  Mark. Der durchschnittliche, unter Freihandelsbedingungen zustande gekommene Preis für 100 kg Weizen betrug z. B. 1908 in London 15,70 Mark. In Mannheim zahlte man dagegen 23,60 Mark, was bei anderen anfallenden Kosten v. a. die preissteigernde Wirkung der Zölle beweist. 375 Vgl. Webb, Protection (1982), S. 324, Wehler, Gesellschaftsgeschichte (1995), S. 653 sowie Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 174–180. 376 Vgl. Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 188–196. 377 Vgl. Bade, Massenwanderung (1980), S. 295.

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Weltmarkt behaupten zu müssen, was zwangsläufig Rationalisierungsmaßnahmen nach sich gezogen hätte, verharrte die deutsche Landwirtschaft auf ihrem bisherigen Stand. Dies bedeutete aber auch, dass nach Auslaufen der zeitlich begrenzten Zölle der Druck auf die deutschen Agrarproduzenten weiter wachsen sollte.378 Ein Wandel – zumindest was den Schwerpunkt der angebauten Früchte betraf – zeichnete sich ungefähr um 1900 ab. Anstelle des bisher dominierenden Getreideanbaus begann die Veredelungswirtschaft – also die Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln – eine dominierende Stellung einzunehmen. Zurückzuführen ist dies auf eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, konkret dem vermehrten Fleisch- und Milchkonsum.379 3. Die Branche bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs a) Die Hagelversicherung im Spannungsfeld der Politik Von der Agrarkrise und der Schutzzollpolitik war die deutsche Hagelversicherung zunächst indirekt betroffen. Denn der nominale Anstieg der Produktion, die Ausdehnung der Anbauflächen sowie die durch Staatshilfen künstlich hochgehaltenen Agrarpreise steigerten auch das Potential für die Hagelassekuranz, so dass die Gesamtversicherungssumme bis 1883 auf ungefähr 1,75 Milliarden Mark angestiegen war. Davon entfielen auf die Versicherungsvereine 880 Millionen Mark, auf die Aktiengesellschaften 868 Millionen.380 Vergleicht man dies mit den Zahlen des Jahres 1873, als die Vereine 445 Millionen Mark und die Kapitalgesellschaften 817 Millionen Mark erzielten, hatte sich dieses Verhältniss fundamental gewandelt. Woran lag dies aber? Mit verantwortlich war sicher das rasche Wachstum der ‚Norddeutschen H ­ agel‘, die mit ihrer bereits diskutierten institutionellen Aufstellung und strate­gischen Ausrichtung Erfolg hatte. Betrug die Versicherungssumme des Unternehmens im ersten Geschäftsjahr 1869 noch 13,5 Millionen Mark, stieg diese bis 1875 auf 133 Millionen Mark und erreichte 1883 373 Millionen Mark.381 Neben diesem bemerkenswerten Anstieg musste gleichzeitig eine große Aktiengesellschaft, die 1865 gegründete ‚Preußische Hagel‘, ihren Betrieb einstellen, womit den Kapitalgesellschaften nominell ein Großteil an Versicherungsbestand entging. Anfangs konnte die ‚Preußische‘ vom Boom der Kapitalgesellschaften profitieren und große Anfangserfolge erzielen. 1873 verwaltete sie einen Versicherungsbestand von mehr als 133 Millionen Mark. In der Folge verordnete die Geschäftsleitung 378 Vgl. falls nicht anders zitiert Aldenhoff-Hübinger, Agrarpolitik (2002), S. 29–41. Gleichzeitig bestimmte damit überwiegend die Binnennachfrage die ökonomische Entwicklung im Agrarsektor. Vgl. Ditt, Markt (2001), S. 92. 379 Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 11. 380 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 259. 381 Vgl. für die jeweiligen Geschäftszahlen der ‚Norddeutschen Hagel‘ die Aufstellung im Anhang zu dieser Arbeit.

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dem Unternehmen allerdings einen allzu ehrgeizigen Expansionskurs, der sich in dreifacher Hinsicht negativ auswirkte. Ähnlich wie in den ersten Jahrzehnten der Branchenentwicklung kalkulierte man erstens die Prämien willkürlich und berücksichtigte nicht die zumindest schon teilweise vorhandenen statistischen Aufzeichnungen über das Hagelauftreten. War dies zu Beginn des 19. Jahrhunderts der mangelnden Erfahrung geschuldet, bestand die Motivation der verantwortlichen Personen nun im Versuch, den Absatz rigoros zu steigern. Mit Kampfpreisen versuchte die ‚Preußische‘ die Konkurrenz zu unterbieten. Zweitens lockte man die Versicherungsnehmer mit unangemessen hohen Rabatten: Schloss ein Landwirt beispielsweise einen Zehnjahresvertrag ab, erhielt er dafür 10  Prozent Ermäßigung. Ähnlich wie die immer geringeren Prämieneinnahmen belasteten diese Vergünstigungen ebenfalls die Gewinnmarge. Drittens kam es zu einer Kumulierung von schlechten Risiken, da das Unternehmen aufgrund von Wettbewerbsüberlegungen jeden nur denkbaren Vertrag angenommen hatte. Diese negativen Faktoren führten schließlich dazu, dass die ‚Preußische Hagel‘ immer weniger ihren Verpflichtungen nachkommen konnte und 1884 liquidiert werden musste. Im letzten Jahr ihres Bestehens hatte sie Feldfrüchte im Wert von knapp 213 Millionen Mark versichert. Zwei Jahre später wurde sie als Gegenseitigkeitsverein neu begründet, konnte aber nicht mehr an ihre ehemalige Stellung anknüpfen: 1888 erreichte sie lediglich eine Versicherungssumme von knapp 51 Millionen Mark.382 Aufgrund des oben dargestellten Anstiegs der Versicherungssummen bei den Versicherungsvereinen kann man vermuten, dass zahlreiche Kunden der ‚Preußischen‘ zu einem VVaG gewechselt sind, anstatt ein weiteres Mal bei einer Aktiengesellschaft zu versichern. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass die Landwirte das aggressive geschäftliche Verhalten des liquidierten Unternehmens auf alle Kapitalgesellschaften übertragen haben, kann nicht nachgewiesen werden. Im Bereich des Möglichen ist es aber durchaus. Wohl auch aufgrund solcher Vorkommnisse wurde die Hagelassekuranz immer mehr ein Thema für die landwirtschaftlichen Interessensvertreter,383 die Politik und in der Folge auch für die Versicherungswissenschaft. Beispielsweise beschäftigte sich der 1872 gegründete ‚Deutsche Landwirthschaftsrath‘, das Zentral­organ der landwirtschaftlichen Vereine, auf seiner 11.  Plenarsitzung mit dem Thema Hagel­versicherung und beschloss, auf die Errichtung einer reichsweiten Hagelversicherung mit Beitrittszwang hinzuarbeiten. Der Einfluss des Gremiums dürfte aber begrenzt gewesen sein, weshalb die ‚Allgemeine Hagel-Versicherungs-Zeitung‘, ein Branchenfachblatt, die Resolution ironisch kommentierte: 382 Vgl. Müller, Hagelversicherungswesen (1876), S.  84, Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 66; 169 (Tabelle No. VI) sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 27 f. 383 Interessanterweise klagt die ‚Allgemeine Hagel-Versicherungs-Zeitung‘ im Jahr 1883 über das scheinbare Desinteresse der verschiedenen landwirtschaftlichen Vereine an der Hagelassekuranz. Würden nämlich die Vereine dem Thema mehr Zeit widmen, könnten insbesondere Landwirte mit kleinem Besitz von der Notwendigkeit der Versicherungsnahme überzeugt werden. Vgl. AHVZ, Jg. IX. (1883), Nr. 6, o. S.

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„Der Beschluss […] ist ja nicht weiter nachtheilig, als daß er den betreffenden Herren Commissions-Mitgliedern vergebliche Arbeit verursachen wird. Die Errichtung einer ReichsHagelversicherungs-Anstalt ist völlig aussichtslos.“384

Einige Jahre später versuchte der ‚Bund der Landwirte‘ Druck auf die Branche auszuüben. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtskonstrukte konzentrierte sich der ‚BdL‘ ausschließlich auf die Gegenseitigkeitsvereine, um auf deren Generalversammlungen die Delegiertenstimmen zu beeinflussen. Dies wäre auf den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften nicht möglich gewesen, da dort die Aktionäre, nicht aber die Versicherten, Stimmrecht hatten. Konkret erklärte sich die Lobbyorganisation gegen die Einräumung einer Reihe von Vorrechten wie der Teilnahme an den Verwaltungsratssitzungen oder Provisionszahlungen bereit, auf ihre Mitglieder dahingehend einzuwirken, nur bei bestimmten Unternehmen – u. a. der ‚Norddeutschen Hagel‘, der ‚Leipziger Hagel‘, der ‚Schwedter Hagel‘ oder der ‚Mecklenburgischen Hagel‘ – versichern zu lassen. Zwar diskutierten die genannten Gesellschaften über die Vorschläge, lehnten aber aus Furcht vor einer zu großen Einflussnahme das Angebot ab. Zudem hätte wohl eine Bevorzugung derjenigen Versicherten, die Mitglied im ‚Bund der Landwirte‘ waren, aber wohl nicht die Mehrheit der Kunden repräsentierten, zu Unruhe unter den übrigen Versicherungsnehmern geführt.385 Ganz wollte man es sich aber nicht mit der mächtigen Agrarlobby verderben: Man beeilte sich daher zu versichern, dass „[d]en sonstigen Bestrebungen des Bundes der Landwirthe […] in keiner Weise entgegengetreten [werde]“.386 Auch Reichskanzler Otto von Bismarck wurde auf die Versicherungsbranche und speziell auch auf die Hagelassekuranz aufmerksam. 1879 und damit im selben Jahr, in dem er mit der Ausarbeitung seines Konzepts einer gesetzlichen Krankenversicherung begann,387 sollten wichtige Reformen in der Privatversicherung angestoßen werden. Hintergrund dieser institutionellen Neuerungen388 war die seit der Reichsgründung immer noch ausstehende Vereinheitlichung der im Ver­ sicherungsbereich geltenden regulatorischen Normen und Standards. In einem 384

O. V., abgedruckt in: AHVZ, Jg. IX (1883), Nr. 4, o. S. Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 29 f. 386 Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 30. 387 Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 405; 412. Neben der Gewinnung der Sympathien der Arbeiterschaft für das neue Reich verband Bismarck mit der Einführung der Sozialversicherung auch eine Reform der bis dato geltenden unternehmerischen Haftpflicht. Vgl. u. a. Ritter, Bismarck (1998a) sowie Ritter, Bismarck (1998b). Im Übrigen opponierten die privaten Versicherungsgesellschaften zu Beginn gegen die Pläne des Kanzlers und sahen darin fast schon eine Enteignung des freien Unternehmertums. Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 412. 388 Im Übrigen wurden zwischen 1871 und 1918 viele institutionelle Neuerungen geschaffen, die seitdem das ökonomische Geschehen in Deutschland prägen. Neben der Sozial­ versicherung zählen hierzu beispielsweise auch Universalbanken, anerkannte Gewerkschaften oder verschiedene Einrichtungen, welche Grundlagen- bzw. Spitzenforschung betreiben. Aufgrund dessen ist es angebracht, das Kaiserreich als „Treibhaus für neue Institutionen“ zu beschreiben. Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S.  28–34, das wörtliche Zitat findet sich auf S. 28. 385

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am 4.  August 1879 im Reichsanzeiger veröffentlichten Zirkularerlass erläuterte der Reichskanzler seine weitere Vorgehensweise. Die Reform des Versicherungs­ wesens, die ursprünglich im Zuge einer Neugestaltung des Aktienrechts behandelt werden sollte, würde nun davon getrennt und als eigenständiges Projekt behandelt werden.389 Obwohl Bismarck im Rahmen des Rundschreibens von nur mäßigen staatlichen Eingriffen sprach – diese sollten sich „zur Zeit auf die verwaltungsrechtliche Seite des Versicherungswesens […] beschränken“390 – fasste die Öffentlichkeit dies als ersten Schritt hin zu einer Verstaatlichung des Versicherungswesens auf, was auf Seiten der gesamten Assekuranzbranche heftige Gegenreaktionen auslöste.391 Bismarck selbst stand der Privatversicherung kritisch gegenüber, was auch in seiner Haltung zur Hagelversicherung zum Ausdruck kam, wie ein weiteres Schreiben vom 11. Oktober 1879 zeigt: „Wenn es die Absicht ist, legislative Maßregeln auf diesem Gebiete [der Versicherungs­ gesetzgebung] zu beantragen[,] so wünsche ich, daß bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit […] auf das rechtswidrige Treiben eines Theiles der Hagel=Assekuranzen gelenkt werde. Ich habe Gelegenheit gehabt, mich zu überzeugen, daß die Hagel=Assekuranzen von bestimmten Grundstücken bei unverändert gleichartiger Behandlung und Bestellung zwanzig Jahre hindurch und länger die Versicherungssätze von bestimmten veranschlagten Beträgen erhoben, und wenn im 21. Jahre der Hagelschaden wirklich eintritt, bestreiten, dass das Ertragsquantum, für welches sie jahrelang die Beiträge erhoben haben, auf diesen Grundstücken überhaupt hätte wachsen können. Es erfolgen dann Einschätzungen des angeblich zu vermuthenden Ertrags durch Sachverständige, welche in Beziehung zu den Gesellschaften stehen, und dementsprechende Reduktionen der Zahlungen. Dieses Verfahren gründet sich der Regel nach auf irgend welche, mehr oder weniger Spielraum lassende Satzungen oder Statuten. Solchen Besitzern gegenüber, welche amtlichen Einfluß oder gute Advokaten haben, beweisen sich die willkürlicher Auslegung der Statuten verkümmert.“392

Warum Bismarck eine derart schlechte Meinung über die Hagelassekuranz hatte, ist nicht eindeutig belegbar. Möglicherweise ist dies auf ein Gespräch des Reichskanzlers mit seinem Gutsnachbarn zurückzuführen, der Probleme mit seiner Hagelversicherungsgesellschaft hatte und dies dem Kanzler gegenüber zur Sprache brachte.393 Bismarcks Missmut gegenüber der Assekuranz wurde mit der Zeit nicht etwa geringer, sondern vielmehr noch kritischer, wobei nun tatsächlich persönliche Betroffenheit vorlag. Sein Verwalter, der die Güter des Reichskanzlers bei der ‚Vaterländischen Hagel‘ versichern ließ, erhielt Ende November 1882 ein Schreiben, in dem mit Wirkung ab dem Jahr 1883 eine Erhöhung der Feuerversiche-

389

Vgl. Rundschreiben des Reichskanzlers über Versicherungswesen (1881). Rundschreiben des Reichskanzlers über Versicherungswesen (1881), S. 173. 391 Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 416. 392 Poschinger, Aktenstücke (1890), S. 313 f. 393 Vgl. Arps, Pfeilern (1965), S. 60 f. 390

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rungsprämie um 50 Prozent angekündigt wurde.394 Verschärfend kam hinzu, dass Bismarck kurz davor aus einer Notiz im Reichsanzeiger von der hohen Dividendenausschüttung der ‚Vaterländischen‘ – 20 Prozent in 1880 und 37,5 Prozent in 1881 – erfahren hatte. In seiner Funktion als preußischer Handelsminister schlug er daraufhin am 20. Dezember 1882 dem Reichskanzler – also sich selbst – offiziell vor, per Gesetz die Gewinnausschüttung an Aktionäre zu begrenzen. Hierbei argumentierte er, dass die Kapitalgesellschaften nicht aus dem Unglück von Einzelnen Profit schlagen dürften. Namentlich erwähnte Bismarck die Hagel- und Feuerversicherungsaktiengesellschaften. In der Folge entwickelte der Kanzler den Plan, eine staatliche Hagelversicherung zu gründen, die seiner Meinung nach gerechter mit den Geldern der Landwirte umgehen würde. Die Idee scheiterte aber mit am Veto des preußischen Landwirtschaftsministeriums. Dieses konnte Bismarck davon überzeugen, dass nicht alle Hagelversicherer alleine auf Profit hin ausgerichtet seien.395 Trotz dieser Argumentation ließ sich der Reichskanzler nicht von seiner grundsätzlichen Idee der Verstaatlichung des Hagel- und Feuersparte abbringen, wie ein Schreiben seines Sohnes Graf Wilhelm Bismarck vom 31. Dezember 1883 zeigt: „Seine Durchlaucht möchte eigentlich viel weiter gehen und sämtliche Privatgesellschaften aufheben und an deren Stelle, wie beim Unfall, eine Versicherung auf Gegenseitigkeit unter Aufsicht des Staates setzen.“396

Doch auch mit dieser Meinung konnte er sich innerhalb der preußischen Regierung und Bürokratie nicht durchsetzen. Daraufhin schlug Bismarck Innenminister von Puttkamer als Kompromiss vor, strengere Regeln bezüglich der Überwachung der Aktiengesellschaften zu erlassen und im gleichen Zug Gegen­ seitigkeitsvereinen und öffentlichen Sozietäten staatliche Unterstützung zukom­ men zu lassen. Das große Ziel, aus dem sich die gesamte Diskussion entwickelt hatte, nämlich eine Vereinheitlichung der regulatorischen Rahmenbedingungen, wurde jedoch nicht mehr in der Amtszeit von Otto von Bismarck, sondern erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreicht. In privaten Dingen focht der Reichskanzler aber noch so manchen Streit mit der Assekuranz aus: Beispielsweise betrieb er 1887 eine Klage gegen einen Versicherungsvertreter, der Landarbeitern in der Gegend des Bismarckschen Besitzes in Friedrichsruh überteuerte Versicherungsverträge verkauft haben soll. Die Anzeige wurde zwar nicht weiter verfolgt – warum das Verfahren eingestellt wurde, ist nicht bekannt –, zeigt aber nochmals das Misstrauen des ‚Eisernen Kanzlers‘ gegenüber der Institution Versicherung.397 Mit seiner Gegnerschaft zur Privatversicherung stand Bismarck nicht alleine, da auch führende Vertreter der Nationalökonomie dies wie der Kanzler sahen. 394

Die ‚Vaterländische‘ bot auch die Feuerversicherungssparte an. Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 417–419. 396 Poschinger, Aktenstücke (1891), S. 165. 397 Vgl. Pflanze, Bismarck (1998), S. 420–422. 395

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Einer davon war Adolph Wagner, der in seiner 1881 erschienenen Schrift ‚Der Staat und das Versicherungswesen‘ für eine umfassende staatliche Kontrolle des Assekuranzwesens plädiert. Wagner rechnet die Assekuranz wie die Schifffahrt und den Eisenbahnsektor zu den Institutionen des Verkehrswesens. Mit diesen könnten nun Bedürfnisse befriedigt werden, die erst in einer Gemeinschaft entstünden. Dies wirkungsvoll zu organisieren, sei eine primäre staatliche Aufgabe, wie die genannten Beispiele zeigen würden. Insofern sei dies auch für das Versicherungswesen die beste Lösung.398 Wagner gesteht der privaten Versicherung durchaus Verdienste zu, beispielsweise in Bezug auf die Lösung von versicherungstechnischen und organisatorischen Fragen. Nicht zu verantworten sei aber die Mittelverschwendung aufgrund des unvermeidbaren privaten Konkurrenzkampfes. Um dies zu verhindern, müsse der Staat als Anbieter von Versicherungsleistungen tätig werden,399 wobei Wagner in diesem Zusammenhang auch explizit die Hagelversicherung erwähnt: „Für die landwirthschaftlichen Versicherungszweige kann man wohl in einer Hinsicht mehr zwischen öffentlichen Anstalten und privaten Gegenseitigkeitsgesellschaften schwanken. Letztere bieten für die Controle der Versicherten und für die Regulirung der Schäden specifische Vortheile. Technisch sind aber gewiss auch die ersteren zulässig und sie verdienen wieder den Vorzug, weil sie allein die örtliche und zeitliche Gefahr- und Schadenausgleichung durchführen können.“400

Wilhelm Roscher, ein weiterer führender Nationalökonom, äußert sich ähnlich: „Je mehr heutzutage die Aufhebung der Gemengewirthschaft, der aliquoten Naturalabgaben, der patriarchalen Pachtverhältnisse ec. das Bedürfnis der Hagelversicherung breiter und tiefer machen: desto mehr verdient die Frage erwogen zu werden, ob nicht bei erweislich unzureichenden Kräften der Privatassekuranz der Staat einhelfen sollte.“401

Die Meinungen dieser beiden führenden Volkswirtschaftler ihrer Zeit lesen sich ähnlich wie bei den Kameralisten, denn auch die Ökonomen im 19. Jahrhundert waren davon überzeugt, dass nur staatliches Eingreifen ein funktionierendes Versicherungswesen sicherstellen könne. Einen überzeugenden Beweis dafür, dass der Staat die Rolle des Versicherers besser erfüllen würde als die Privatwirtschaft, blieben sowohl Wagner als auch Roscher jedoch schuldig. Etliche bedeutende Persönlichkeiten kamen also in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung mit der Hagelassekuranz in Berührung. Zu dieser Gruppe zählt auch einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Versicherungs­wirtschaft. Wäre dieser dem Hagelversicherungsgeschäft treu geblieben, hätte vielleicht die Geschichte einer der wichtigsten deutschen Assekuranzen eine andere Richtung genommen: Die Rede ist von Carl Thieme, einem der Mitbegründer der

398

Vgl. Wagner, Staat (1881), S. 109–112. Vgl. Wagner, Staat (1881), S. 121–125; 129 f. 400 Wagner, Staat (1881), S. 131. 401 Roscher, Nationalökonomik (1885), S. 589. 399

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

‚Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft‘.402 Wenig bekannt ist nämlich, dass Thieme einen Teil seiner Berufserfahrung in der Hagelassekuranzbranche sammeln konnte. Diese Episode begann 1870 mit Thiemes Versetzung in die Generalagentur Bayern der ‚Thuringia‘, bei der er beschäftigt war.403 Vordergründig als Inspektor für die Sparten Feuer- und Transportversicherung zuständig, bestand Thiemes Aufgabe zunächst in der Reorganisation der agenturinternen Abläufe. Obwohl er diese Aufgabe zur Zufriedenheit der Zentrale erfüllen konnte, geriet er darüber in Widerspruch mit dem bereits vor Ort tätigen Hauptagenten Gustav Knote. Dessen Stärken lagen weniger in der innerbetrieblichen Organisation als vielmehr in der Akquise. Thieme wiederum konnte neben seinem organisatorischen Geschick mit der Zeit auch im Vertrieb überzeugen, so dass sich zwischen den beiden Kollegen schon bald ein latenter Konflikt bezüglich des Führungsanspruchs in der Generalagentur entwickelte.404 Knote zog schließlich die Konsequenzen und verließ die ‚Thuringia‘, Thieme wiederum erhielt 1874 die Position des Generalagenten für Bayern.405 Carl Thiemes Engagement in der Hagelsparte war wiederum eine Folge der Gründerkrise, bei der er aufgrund von Spekulationsgeschäften an der Börse hohe Verluste erlitten hatte.406 Daher übernahm er mit Billigung seines Arbeitgebers ab April 1873 zusätzlich die Vertretung der ‚Österreichischen Hagelversicherung‘ in Bayern.407 Mit Hilfe der dabei zu erzielenden Provisionen hoffte Thieme, seine Schulden begleichen zu können, wie ein Brief von Marie Thieme vom März 1874 an den Schwiegervater zeigt:408 „In geschäftlicher Beziehung wenigstens sind die Aussichten doch andre & Carl ist nach der Hagelcampagne hoffentlich im Stand, seine Schulden größtentheils zu bezahlen, so dass Du auch in dieser Beziehung beruhigt sein kannst. [Es] werden jetzt eifrig Vorberei 402 Wie Reinhard Spree festgestellt hat, wird Carl Thiemes Rolle bezüglich der Gründung der ‚Münchener Rück‘ oftmals unkritisch dargestellt und sein Anteil im Vergleich zu den übrigen hier beteiligten Personen überhöht. Diese Sichtweise würde sich u. a. auch in unternehmenseigenen Publikationen finden, wie Spree kritisch anmerkt. Eine historisch-kritische Biographie von Carl Thieme stellt daher immer noch ein Desiderat der Forschung dar. Vgl. Spree, Chapters (2010), S. 3 f. 403 Thiemes Vater Julius war einer der Direktoren der ‚Thuringia‘. 404 Zur Entschärfung des Konflikts konnte nicht einmal die Heirat zwischen Thieme und Marie von der Nahmer, der Schwägerin Knotes, beitragen. 405 Vgl. Spree, Chapters (2010), S. 4 f. 406 Spree geht davon aus, dass Carl einen vergleichbar hohen Verlust wie sein Bruder Hermann Thieme erlitten habe, nämlich 20.000 bis 25.000  Taler, wie dies der Vater in einem Brief an Carl vom Mai 1874 schildert. Abgedruckt bei Spree, Chapters (2010), S. 8. 407 In den kommenden Jahren sollte die ‚Thuringia‘ dieses Vorhaben nicht mehr unein­ geschränkt unterstützen, was wohl mit den im Hagelgeschäft auftretenden Schwierigkeiten und der damit verbundenen Arbeitsbelastung zu tun hatte. Andere Agenten erhielten die Erlaubnis, ebenfalls zusätzlich für die ‚Österreichische Hagel‘ tätig zu werden, nicht mehr ohne Probleme ihres Arbeitgebers zugesprochen. Vgl. Spree, Chapters (2010), S. 8 f. 408 Vgl. Spree, Chapters (2010), S.  5–7. Carl Thieme hatte sowohl seinen Vater als auch seinen Bruder um einen Kredit gebeten.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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tungen für die Hagelcampagne getroffen [und] es wäre wenigstens für Carl eine schreckliche Täuschung, wenn dem nicht so wäre [dass die Kampagne Erfolg hat], er setzt seine ganze Arbeitskraft ein & scheut keine Mühe & keine Opfer.“409

Thieme konnte trotz eines enormen Arbeitspensums410 in den folgenden Monaten nur etwa die Hälfte der einkalkulierten Gelder erwirtschaften. Verantwortlich hierfür waren zum einen die schweren Unwetter des Jahres 1874, die hohe Entschädigungssummen nach sich zogen. Zum anderen unterschätzte wohl auch der spätere Mitbegründer der ‚Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft‘ die Besonderheiten des Hagelversicherungsgeschäftes. Allem Anschein nach hatte Thieme die Prämien falsch kalkuliert und wichtige versicherungstechnische Aspekte wie die Notwendigkeit einer regionalen Risikodiversifikation vernachlässigt.411 Zu Thiemes Verteidigung ist aber anzuführen, dass das statistische Material über Hagelschläge auch um 1875 noch nicht wesentlich verbessert worden war. Selbst im letzten Drittel des 19.  Jahrhunderts sammelten viele meteoro­logische Anstalten hierüber noch keine regelmäßigen Daten.412 Noch 1882 musste beispielsweise der damalige Vorstand des Königlich-Bayerischen Statistischen Bureaus, Dr. von Müller, einräumen, „[…] daß es an exaktem Material über die vorliegenden Verhältnisse [d. h. über regionale Hagelschläge in der Vergangenheit] gebricht. Ich habe zuzugeben, daß die landesstatistischen Publikationen nach dieser Richtung soviel wie nichts bieten.“413

Für die Geschäftspraxis war es zudem von Nachteil, dass man sich über wichtige Aspekte der Versicherungstechnik immer noch uneins war. Hierzu zählte u. a. die Einschätzung der Hagelempfindlichkeit der einzelnen Frucht, wie folgende Notiz zeigt: „Ein Vergleich der Classification der verschiedenen, in Deutschland arbeitenden Gesellschaften führt eine wahre Musterkarte von sich geradezu widersprechenden Meinungen über das Gefahrverhältniss der einzelnen Pflanzenarten vor; ein Beweis, wie wenig die Statistik zur Constatirung des in Wirklichkeit bestehenden Gefahrverhältnisses benutzt worden ist.“414

Jedenfalls blieb Carl Thieme trotz dieses ersten Misserfolgs der Hagelassekuranz verbunden und hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, eine neue Hagelver 409

Abgedruckt bei Spree, Chapters (2010), S. 7. Der im Text zitierte Brief enthielt Geburtstagswünsche an Carl Thiemes Vater, den Thieme jedoch nicht selbst schrieb, sondern dies von seiner Frau erledigen ließ. Der Grund hierfür lag in den arbeitsintensiven Vorbereitungen der kommenden Hagelversicherungs­ saison. In dem Schriftstück heißt es hierzu: „Ich bin durch die Hagelarbeiten in Allem anderen verhindert und finde während des ganzen Tages noch nicht Zeit, Dir selbst diese wenigen Zeilen zu widmen.“ Abgedruckt bei Spree, Chapters (2010), S. 7. 411 Vgl. Spree, Chapters (2010), S. 8. 412 Vgl. o. V., Hagelversicherung (1874), S. 292. Anscheinend wurden in diesen Jahren alle festen Niederschlagsformen dem Regen zugerechnet. 413 O. V., Bericht (1882), S. 382. 414 O. V., Hagelversicherung (1874), S. 294. 410

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

sicherungsgesellschaft zu gründen. Für diesen Plan wollte er den Freiherrn Theodor von Cramer-Klett, einen der damals wichtigsten bayerischen Industriellen und Bankiers, gewinnen.415 Zwar scheitere dieser Plan, aber Thieme konnte auf andere Art und Weise für die Zukunft Nutzen aus der Begegnung ziehen. Aufgrund seiner Fachexpertise hatte er bei Cramer-Klett einen guten Eindruck hinterlassen. Folgerichtig stand der Freiherr dem Thiemenschen Entwurf für die Gründung eines neuen Rückversicherungsunternehmens,416 den er in den Wintermonaten 1879/80 vorgelegt bekam, positiv gegenüber. Was bis dato hierbei aber wenig Beachtung fand, war der Einfluss, den die Berater von Cramer-Klett, nämlich Hermann Pemsel und Wilhelm Finck hierbei ausgeübt haben. Gleichzeitig wird durch die Beiträge der Männer um Cramer-Klett deutlich, dass Thieme mitnichten die alles überragende Stellung bei der Gründung der ‚Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft‘ innehatte, die ihm bisher zugeschrieben wurde. Aufgrund der angegriffenen Gesundheit von Cramer-Klett sollte dabei insbesondere dessen persönlicher Bevollmächtigter Hermann Pemsel wesentlichen Einfluss in Bezug auf die Etablierung des neuen Unternehmens ausüben. Zusammen mit Wilhelm Finck war Pemsel für die Ausarbeitung des Gesellschaftsstatuts und die rasche Konzessionierung verantwortlich. Zudem beteiligten sich beide mit je 100.000 Mark persönlich am Grundkapital des Unternehmens. Thieme hatte diese Summe ebenfalls aufgebracht, was aber im Vergleich zu Kramer-Clett, der als einzige Privatperson Aktien im Wert von einer Million Mark gezeichnet hatte, deutlich macht, dass Thieme auch in finanzieller Hinsicht keine herausragende Position innehatte.417 Finck und Pemsel übernahmen zudem einflussreiche Positionen innerhalb der Gesellschaft: Beide wurden in den Aufsichtsrat gewählt – Finck brachte es sogar zu dessen Vorsitzendem – und zu Bevollmächtigten mit weitgehenden Kompetenzen – etwa der Möglichkeit, eigenständig eine Änderung der Statuten vornehmen zu können, falls dies für die erfolgreiche Eintragung ins Handelsregister nötig sei – ernannt. Sowohl was die Kapital­ ramer-Klett und kraft als auch die finanzielle Stärke betraf, war der Einfluss von C dessen Vertrauten wesentlich größer als der von Carl Thieme. Entsprechend hat diese Gruppe großen Einfluss auf das eigentliche Versicherungsgeschäft ausge 415 Spree hat in diesem Zusammenhang die bis dato geltende Meinung korrigiert, dass Thieme Cramer-Klett erstmals in Bernrieth in der Oberpfalz getroffen habe. Vielmehr fand die Begegnung während eines Kuraufenthalts von Thieme in Bad Ems statt. Vgl. Spree, Chapters (2010), S. 13. 416 Bis zu diesem Zeitpunkt lag das Rückversicherungsgeschäft in Deutschland überwiegend in den Händen von englischen und französischen Gesellschaften. 417 Insgesamt betrug das Grundkapital nach dem Gesellschaftsvertrag drei Millionen Mark. Neben den im Text genannten Summen von 1,3 Millionen Mark zeichnete die Darmstädter Bank ebenfalls eine Million Mark. 500.000 Mark wiederum übernahm das Bankhaus Merck, Finck & Co., und je 100.000 Mark Philipp Schmidt-Polex, ein ehemaliger Aufsichtsrat der Darmstädter Bank sowie Dr. von Schauss, der Direktor der Süddeutschen Bodencreditbank. Die Angaben finden sich im Gesellschaftsvertrag. Abgedruckt bei Spree, Chapters (2010), S. 17.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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übt. Dies ist u. a. daran abzulesen, dass der ursprünglich von Thieme bereits während der Gründungsphase verfolgte Plan einer engen Kooperation der ‚Münchener Rückversicherungsgesellschaft‘ mit der ‚Thuringia‘ – Thieme war zu diesem Zeitpunkt immer noch deren Generalagent und sollte dies bis 1886 auch bleiben – keine Mehrheit fand. Reinhard Spree konnte nachweisen, dass die Kooperation letztendlich am Veto der Verantwortlichen von Thiemes bisherigem Arbeitgeber gescheitert und nicht wie bisher in der Literatur propagiert von Thieme selbst abgelehnt worden war.418 Zudem dürften solche Verhandlungen eindeutig Thiemes Kompetenzen als frisch bestellter Direktor der ‚Münchener Rück‘ überschritten haben,419 weshalb die einflussreiche Gruppe um Cramer-Klett diesem Vorhaben mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zugestimmt hätte.420 Jedenfalls ist eine der Folgen, die sich aus der Berührung von Carl Thieme mit der Hagelversicherungsbranche ergaben, noch heute zu sehen: Am 15. März 1880 wurde die ‚Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft‘ konzessioniert und nahm am 3. April den Geschäftsbetrieb auf.421 Die weitere Erfolgsgeschichte ist bekannt, denn innerhalb von nur wenigen Jahren sollte das Münchener Unternehmen eine weltweit führende Position einnehmen. Obwohl Carl Thieme also keine neue Hagelversicherungsgesellschaft begründet hatte, wurde dies von anderer Seite immer noch vorgenommen: Eines dieser im späten 19. Jahrhundert entstandenen Unternehmen war die ‚Deutsche Versicherungs-Gesellschaft gegen Frost-, Hagel- und Rostschaden‘, die später als ‚Ceres‘ firmierte und 1884 ihre Tätigkeit aufnahm. Die ersten Jahrzehnte des Unternehmens verliefen weitgehend unspektakulär, eine unrühmliche Rolle sollte die ‚Ceres‘ aber während der Zeit des Nationalsozialismus spielen.422

418 Die enge Verbindung mit einem Erstversicherer wurde erst mit der Gründung der ‚Allianz‘ im Jahre 1890 Realität. 419 Dass Thieme als Veranwortlicher für das operative Geschäft gegenüber dem Aufsichtsrat eine relativ schwache Position innehatte, lag an den Bestimmungen des geltenden Aktienrechtes aus dem Jahr 1870. Dieses konkretisierte die Rolle des Vorstandes nur wenig und wies ihm v. a. operative Tätigkeiten wie die Vertretungsbefugnis oder die Aufstellung des Jahresabschlusses zu. Die entscheidenden Kompetenzen und Aufgaben wurden aber im jeweiligen Gesellschaftsvertrag geregelt. Pemsel, der diesen ja mit ausgearbeitet hatte, wies dem Aufsichtsrat wesentliche Rechte wie die Verantwortung des Vorstandes dem Aufsichtsgremium gegenüber in allen wichtigen geschäftlichen Tätigkeiten zu. Hierzu gehörte beispielsweise, dass alle von der Direktion ausgehandelten Rückversicherungsverträge vom Aufsichtsrat genehmigt werden mussten. 420 Vgl. Spree, Karriere (2007), S. 267–272 sowie Spree, Chapters (2010), S. 15–23. 421 Im Übrigen wird im Gründungsprotokoll der ‚Münchener Rück‘ explizit erwähnt, dass auch in der Hagelversicherungssparte die Rückversicherung angeboten werden soll. Abgedruckt bei Spree, Chapters (2010), S. 16 f. 422 Vgl. Kapitel F.II.

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

b) Die Entwicklung der Branche bis 1918 Obwohl die Branche wie gesehen insgesamt eine positive Entwicklung nahm, hatten einzelne Unternehmen jedoch immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die sowohl deren Reputation als auch das eigentliche Hagelversicherungsgeschäft betrafen. Beispielsweise sollte die ‚Schwedter Hagel‘, die nach der Affäre um ihren ehemaligen Direktor Lehmann bereits einen massiven Imageschaden erlitten hatte, abermals mit einem ähnlichen Problem konfrontiert werden. Konkreter Auslöser war die 1873 eingetretene Gründerkrise, in deren Folge 1877 die ‚Ritterschaftliche Privatbank‘ in Stettin423 zusammenbrach.424 Da die ‚Schwedter‘ dort einen Teil ihrer Gelder angelegt hatte, mussten fast 700.000 Mark abgeschrieben werden. Neben dem materiellen Verlust dürfte aber der immaterielle Schaden mindestens genauso groß gewesen sein. Ähnlich wie im Fall der Lehmannschen Betrügereien berichtete die Presse in aller Ausführlichkeit über die Angelegenheit. Auch von Seiten der Konkurrenz kam es zu Störmanövern: Um einen Gewinn aus der Situation ziehen zu können, streute man Gerüchte über den bevorstehenden Zusammenbruch der ‚Schwedter‘. Um dem drohenden Imageschaden entgegenzutreten, initiierte die Direktion eine Reihe von Maßnahmen, die zur Beruhigung der Öffentlichkeit bzw. der Kunden dienen sollten. Als starkes und glaubwürdiges Signal für die eigene Zahlungsfähigkeit wurde demonstrativ auf die Erhebung eines eigentlich erforderlichen Nachschusses in der Hagelsparte verzichtet,425 um zu zeigen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit sichergestellt sei. Auch die Errichtung eines Reservefonds diente der Besänftigung der Versicherungsnehmer. Mittelfristig schienen diese Aktionen Erfolg gehabt zu haben: Betrugen die Bestände 1870 noch 54,7 Millionen Mark, waren sie bis 1879 und damit wenige Jahre nach Zusammenbruch der ‚Ritterschaftlichen Privatbank‘ auf 135,2  Millionen Mark angestiegen.426 Für die Erörterung der generellen Branchengeschichte seien nochmals die Geschäftszahlen in Erinnerung gerufen: 1883 hatte die deutsche Hagelversicherung Feldfrüchte im Gesamtwert von ungefähr 1,75  Milliarden Mark versichert und dieser positive Trend sollte sich bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs fortsetzen. Nachdem im vorangegangenen Kapitel bereits die Unterschiede für die Verschiebung der Marktanteile zwischen Gegenseitigkeitsvereinen und Aktiengesellschaf 423 Die ‚Ritterschaftliche Privatbank‘ wurde 1824 in Stettin gegründet und besaß das Privileg, Banknoten im Wert von einer Million Taler zu emittieren. Mit diesen Geldern sollte v. a. die landwirtschaftliche Kreditversorgung sichergestellt werden. Das Emissionsrecht wurde aber bereits 1836 wieder aufgehoben, da sich ab diesem Zeitpunkt der Staat das alleinige Recht zur Banknotenausgabe vorbehielt. Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 247 f.; 611. 424 Der Konkurs trat mit einiger Verzögerung als Folge der Ereignisse von 1873 ein. Mit verantwortlich für die Pleite war auch das Verhalten der handelnden Personen: Um 1877 waren innerhalb kurzer Zeit zwei der Direktoren verstorben, wobei wenig später bekannt wurde, dass diese unlautere Geschäfte getätigt hatten. Vgl. Henning, Handbuch (1996), S. 1031. 425 Auch in der Feuersparte garantierte man die vollen Dividendenzahlungen. 426 Vgl. Szuman, Denkschrift (o. J.), S. 22–25.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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ten diskutiert wurden, werden im Verlauf dieses Abschnitts die Gründe für den anhaltenden positiven Wachstumstrend erörtert. Hierfür war eine Reihe von Innovationen verantwortlich, welche die Attrak­ tivität der Hagelversicherung weiter erhöhte. Dies umfasste einmal die so genannte Gemeindeversicherung, welche von der ‚Norddeutschen Hagel‘ im Jahr 1887 eingeführt wurde und speziell auf die Besitzer kleinerer Höfe abzielte. Dabei konnte eine Gruppe bestehend aus mehreren Landwirten – bei der ‚Norddeutschen Hagel‘ waren dies zu Beginn mindestens fünf Personen – gemeinsam einen Versicherungsvertrag abschließen. Einer der Beteiligten wurde dann zum so genannten Vertrauensmann bestellt, auf den die Police ausgestellt war und der für die Gesellschaft den zentralen Ansprechpartner darstellte. Die Folge dieses Konstruktes war eine Senkung der Transaktionskosten auf Kunden- und Unternehmensseite: Neben Porto- und Aufnahmegebühren erzielte man insbesondere im Hinblick auf die Verwaltungskosten Einsparungen, da jede abgeschlossene Gemeindeversicherung unabhängig von der Anzahl der dabei versicherten Personen wie ein einziger Vertrag behandelt wurde. Den Erfolg des neuen Produkts zeigen die folgenden Geschäftszahlen: 1887 schloss das Unternehmen 817 Verträge mit insgesamt 6.140 Teilnehmern und einer Versicherungssumme von circa 6 Millionen Mark ab. 1893 waren es 2.155 Verträge, welche 25.627 Personen mit einer Summe von 25 Millionen Mark umfassten.427 Andere Gesellschaften sollten dieses neue Produkt bald imitieren. Den Versuch, eine weitere Produktinnovation einzuführen und gleichzeitig an kameralistische Überlegungen aus dem 18. Jahrhundert anzuknüpfen,428 stellten Überlegungen dar, eine umfassende, über die reine Hagelassekuranz hinaus­ gehende Elementarschadenversicherung zu etablieren. Auslöser waren schwere Überschwemmungen im Rheinland, woraufhin Vertreter von Industrie und Versicherungsbranche im Jahr 1899 in Köln zusammenkamen, um die Idee dieser neuen Versicherungssparte zu diskutieren. Die dabei in die Deckung aufgenommenen Risiken beinhalteten neben Überflutungen oder Murenabgängen auch den Hagelschlag. Einmal mehr orientierte man sich in Bezug auf die konkrete institutionelle Ausgestaltung an der Feuerassekuranz, da man davon überzeugt war, dass diese Sparte über die nötige Erfahrung, das entsprechende Kapital und die erforderliche Infrastruktur verfügen würde. Trotz intensiver Diskussionen konnte für das Projekt aber keine Mehrheit gefunden werden. Ähnlich wie in den ersten Jahren der klassischen Hagelversicherung wandten die Gegner der Idee ein, zu geringe Informationen für eine vernünftige Konzeption des neuen Produktes zu haben – eine Überlegung, die wohl nicht völlig von der Hand zu weisen ist, wenn man bedenkt, dass erst in jüngster Zeit hierzu praktikable Modelle entwickelt wurden.429 Daneben gab es Bedenken hinsichtlich der bereits versicherten Landwirte, 427

Vgl. zum Aspekt der Gemeindeversicherung Gruner, Festschrift (1894), S. 16–18. Vgl. Kapitel C.IV.3. 429 Vgl. Kapitel B.III.4.b). 428

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

deren Versicherungsschutz man – wohl aufgrund von Überlegung bezüglich der Risikokumulierung – nicht gefährden wollte.430 Ein gänzlich anderes, ebenfalls schon länger diskutiertes Projekt konnte dagegen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden: Mit der Einführung des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) vom 12. Mai 1901 wurde ein erster Schritt zur Schaffung von reichsweit ein­ heitlichen regulatorischen Anforderungen getan.431 Die Folgen waren eine grundlegende Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen und eine Stärkung der Property-Rights, da sowohl für die Versicherer als auch die Versicherungsnehmer ein größeres Maß an Rechtssicherheit geschaffen wurde. Zudem erreichte man mit der Vereinheitlichung der Versicherungsbedingungen eine Senkung der Transaktionskosten bzw. eine Steigerung der Markttransparenz.432 Konkret regelt das VAG, dass es im privatrechtlichen Bereich alleine den Aktiengesellschaften und den Gegenseitigkeitsvereinen erlaubt ist, das Hagelversicherungsgeschäft zu betreiben. Auch wurde das Kaiserliche Aufsichtsamt für die Privatversicherungen errichtet, welches die Funktion einer zentralen Aufsichtsbehörde im deutschen Versicherungswesen übernahm.433 Die zweite bedeutende gesetzliche Regelung in dieser Zeit war das am 30. Mai 1908 erlassene Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), in dessen Rahmen in den Paragraphen 108 bis 115 spezielle Vorschriften über die Hagelversicherung aufgeführt sind. So wurde u. a. der Umfang des Versicherungsschutzes oder die Frist für die Schadensanzeige geregelt.434 Abermals positiv auf die Transparenz für die Versicherungskunden wirkte sich die Vorschrift aus, dass die gesamte Versicherungsbranche und somit auch die landwirtschaftliche Assekuranz die jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu vereinheitlichen hatte.435 Neben der Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen verlief die Branchengeschichte bis 1914 relativ unspektakulär. Zwischen 1888 und 1907 wurden vier weitere Gegenseitigkeitsgesellschaften gegründet, so dass kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 34 Unternehmen am Markt tätig waren.436 Konkret dürfte es sich dabei um fünf Kapitalgesellschaften, zehn größere und circa 20 kleinere Versicherungsvereine sowie die im folgenden Kapitel noch näher zu behandelnde ‚Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt‘ gehandelt haben.437 Die 430

Vgl. Lübken, Natur (2008), S. 6 f. Hierzu gehört auch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900. 432 Vgl. Borscheid, Vertrauensgewinn (2001), S. 317 f. 433 Vgl. Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen (VAG) in der Fassung vom 12. Mai 1901. 434 Vgl. Gesetz über den Versicherungsvertrag in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 1908. 435 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 267. 436 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 81. Die Zahlen basieren auf der bereits erwähnten Statistik, dass es bis 1907 88 Gründungen und 54 Liquidierungen gab. 437 Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914), S.  16. Addiert man Fratzschers Zahlen, kommt man auf 36 Unternehmen, wobei er keine Angaben über die Namen der einzelnen Unterneh 431

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IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

Versicherungsbestände aller Gesellschaften betrugen 1913 ungefähr 3,6 Milliarden Mark, wovon 67 Prozent oder circa 2,4 Milliarden Mark auf die Gegenseitigkeitsvereine entfielen. Diese hatten somit ihre schwache Wettbewerbsposition früherer Jahrzehnte endgültig wettgemacht. Die restlichen Bestände teilten sich mit 25 und acht Prozent die Kapitalgesellschaften bzw. die ‚Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt‘.438 Die Hagelversicherung hatte also in Gänze einen positiven Verlauf genommen. Wurde sie aber auch mehrheitlich auf Kundenseite angenommen und ist dieses Ausmaß quantifizierbar? Im Kontext des Entwicklungsmodells, welches der Arbeit zugrunde liegt, ist in diesem Zusammenhang nach einem weiteren Phänomen zu fragen: Ist in dieser Entwicklungsstufe der Hagelversicherung der Zuspruch der Landwirte so groß, dass vom Vorhandensein eines Massenmarktes gesprochen werden kann? Eine Lösung bietet die Untersuchung der so genannten Versicherungsquote, welche im vorliegenden Fall der prozentuale Anteil der Ha­ gelversicherungssumme am durchschnittlichen Rohertragswert der Hauptkörner­ früchte – Weizen, Roggen und Hafer439 – ist. Nachfolgende Tabelle beinhaltet die der Argumentation zugrundeliegenden Werte: Tabelle 7 Ermittlung der Hagelversicherungsquote für die Jahre 1881 bis 1905 Jahre

Durchschnittsroh­ ertragswert (in Mark)

Hagelversicherungssumme (in Mark)

1881–1885

2.633.662.998

1.738.900.921

66

1886–1890

2.598.039.422

1.902.985.038

73,5

1891–1895

2.862.916.140

2.311.993.571

80,7

1896–1900

3.123.540.900

2.599.024.914

83,3

1901–1905

3.293.891.284

2.842.415.128

86,5

Versicherungsquote (in Prozent)

In Anlehnung an Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S. 18 f. Bei den Angaben zur ‚Hagelversicherungssumme in Mark‘ handelt es sich um Durchschnittswerte. men macht. Auffällig ist, dass immer noch relativ viele der kleineren Gegenseitigkeitsvereine überdauert hatten. Dass aber die Statistik für diese Jahre alles andere als gesicherte Werte bietet, zeigen beispielsweise die Angaben, die Hans Knoll in seinem Buch zur Hagelversicherung erwähnt. Dieser spricht für das Jahr 1901 davon, dass es noch 41 Unternehmen gegeben habe. Diese würden sich in 13 größere und 22 kleinere Versicherungsvereine, fünf Aktiengesellschaften und die Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt aufteilen. Nach Knoll seien dann aber bis 1911 drei Vereine und eine Aktiengesellschaft aus dem Markt ausgeschieden und somit 32 Vereine und vier Aktiengesellschaften sowie die Landesanstalt tätig gewesen. Vgl. Knoll, Hagelversicherung (1964), S. 16. Vom Trend her stimmen aber sowohl Fratzschers als auch Knolls Zahlen überein. 438 Vgl. Ammon, Geschichte (1937), S. 13. 439 Vgl. Meyers Konversations-Lexikon, Band 7 (1894/1897), S. 491.

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

Walter Rohrbeck postuliert hier für die Jahre ab 1881 bis 1905 eine steigende Versicherungsquote bis hin zu 86,5 Prozent. Inwieweit ist das hier verwendete sta­ tistische Material aber belastbar? Denn gewisse Aspekte an der Datengrundlage können kritisiert werden. Der von Rohrbeck verwendete durchschnittliche Rohertrag berücksichtigt lediglich die wichtigsten Körnerfrüchte, vernachlässigt aber andere Kulturen wie Leguminosen, Ölfrüchte oder Kartoffeln. Die Versicherungssummen dieser Pflanzen sind aber Teil des gesamten in den jährlichen Statistiken ausgewiesenen Bestandes. Insofern dürfte die Versicherungsquote, die Rohrbeck ermittelt hat, zu hoch angesetzt sein.440 Dennoch lassen sich aus den Berechnungen einige Tendenzen ableiten: Die Hagelversicherung dürfte von der überwiegenden Mehrheit der Landwirte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als ein nützliches Instrument für die Risikovorsorge akzeptiert worden sein. Damit kann auch unterstellt werden, dass sich die Branche insgesamt – von punktuell weiterhin auftretenden Problemen einmal abgesehen – als funktionierende und Sicherheit vermittelnde Institution präsentiert hat. Vor dem Hintergrund der angeführten Einschränkungen wird daher folgende These vertreten: Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte sich in Deutschland ein Massenmarkt für die Hagelversi­ cherung entwickelt, da die Mehrheit der Landwirte von diesem Angebot Gebrauch machte. Daher war die Marktdurchdringung weitgehend abgeschlossen, was auch den Beginn der vierten Stufe des verwendeten Entwicklungsmodells markiert. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs441 konnte die Hagelversicherungsbranche aber zunächst nicht mit weiteren stimulierenden Anreizen von Seiten des Agrarsektors rechnen. Aufgrund der englischen Seeblockade und des Krieges mit Russland kam es zu einer Lebensmittelverknappung bzw. einer spürbaren Verteuerung von landwirtschaftlichen Produkten, die das Reich – das wie gesehen seit ungefähr 1870 Agrarprodukte zur Sicherstellung der Bevölkerungsernährung einführen musste – schlagartig von den traditionellen Nahrungsmittelimporten abschnitten.442 Auch behördliche Fehler trugen zur angespannten Lage bei. Da man mit 440 Detaillierte Angaben über den Anteil je Feldfrucht an der Gesamtversicherungssumme, welche die Voraussetzung für die Ermittlung einer genaueren Versicherungsquote sind, konnten trotz intensiver Suche nicht ermittelt werden. 441 Vgl. neuerdings hierzu Clark, Sleepwalkers (2012). 442 Vgl. für einen Überblick zur Kriegswirtschaft Burhop, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 191–212. Auch das Versicherungsgewerbe wurde durch die plötzliche Unterbrechung der bisherigen Handelsbeziehungen stark getroffen. Beispielsweise kam das Auslandsgeschäft der meisten Feuer- und Seeversicherungsgesellschaften nach wenigen Kriegsmonaten praktisch zum Erliegen. Anders war es im Fall der Rückversicherung, deren Geschäftsbeziehungen mit Russland bis 1916 intakt blieben. Dann ordnete aber die russische Regierung die Übernahme des bisher von deutschen Unternehmen betriebenen Geschäftes durch einheimische Gesellschaften an. Die Situation auf dem amerikanischen Markt nahm nach dem Kriegseintritt der USA am 5. April 1917 eine ähnliche Wende. Nach Kriegsende verhinderte der Versailler Vertrag ein rasches Wiederanknüpfen an die Vorkriegszustände, so dass die Rückkehr auf die internationalen Märkte erst nach dem Abschluss neuer bilateraler Handelsverträge möglich war. Vgl. Borscheid/Umbach, Globalisierung (2008) sowie Borscheid, Vertrauensgewinn (2001), S. 327–329.

IV. Die Hagelversicherung im Kaiserreich

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einer kurzen Kriegsdauer rechnete, verzichteten die verantwortlichen Stellen auf die Einrichtung von Vorratslagern. Versuche, die Lebensmittelversorgung und -verteilung mittels Bewirtschaftung zu organisieren, waren nur leidlich erfolgreich. Hinzu kam ein ausgeprägter Schwarzmarkt: Man schätzt, dass beispielsweise 1918 mindestens ein Drittel aller Lebensmittel nicht über die offiziellen Verteilungskanäle, sondern an diesen vorbei direkt an die Verbraucher gelangten.443 Jedenfalls dürften als Folge der Unterernährung circa eine halbe Million Menschen gestorben sein. Was nun die eigentliche landwirtschaftliche Produktion betraf, verschlechterte sich als Folge des generellen Mangels an Rohstoffen – sei es das Fehlen von Düngemitteln444 oder hochwertigem Saatgut – mit jedem Kriegsjahr die Qualität und Quantität der inländischen Ernte. U. a. ging der Weizenertrag im Laufe des Kriegs um 60 Prozent, derjenige der Kartoffel sogar um 65 Prozent zurück. Auch im Tierbereich musste die Produktion mit 60  Prozent einen vergleichbaren Einbruch hinnehmen, was Eiweißmangel zur Folge hatte und die Fettlücke vergrößerte. Nach Kriegsende sollte der Aufholprozess noch Jahre dauern,445 so dass z. B. der Getreideanbau erst nach 1930 wieder an das Vorkriegs­ niveau anschließen konnte.446 Allerdings wirkte sich kurioserweise die Wirtschaftsblockade positiv auf das Wachstum der Hagelversicherungsbranche aus. Obwohl es zu Einbrüchen in der landwirtschaftlichen Produktion gekommen war, mussten nun viele Pflanzen, die man vorher importiert hatte, im Inland angebaut werden. Hierzu zählten auch die hagelempfindlichen Ölfrüchte, welche größtenteils gegen Hagelschlag versichert wurden und der Branche entsprechende Zuwachsraten bescherten.447 Deren exaktes Ausmaß ist aber nicht bekannt. Jedenfalls stieg der Versicherungsbestand auf über 4,9  Milliarden Mark im Jahr 1918.448 Die zeitgenössische Literatur macht hierfür hauptsächlich die relative Hagelarmut dieser Jahre verantwortlich,449 vergisst dabei aber, manch andere Aspekte mit in die Analyse aufzunehmen. Ins­ 443

Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 301. Dünger fehlte einmal aufgrund der alliierten Blockade, da keine Importmöglichkeiten mehr bestanden. Zudem gab es einen deutlichen Rückgang beim Naturdung, da der Vieh­ bestand ebenfalls große Einbußen hinzunehmen hatte. Dies lag u. a. daran, dass die bislang als Tierfutter genutzten Pflanzen für die menschliche Ernährung verwendet wurden. Ähnlich wie bei den Zuchttieren herrschte auch beim Zugvieh Mangel, da dieses größtenteils von den Militärbehörden requiriert wurde. Entsprechend fehlte die Zugkraft bei der Feldarbeit, was sich abermals negativ auf die Nahrungsmittelerzeugung auswirkte. 445 Vgl. Kapitel F. I. 446 Vgl. für die Situation der Landwirtschaft im Ersten Weltkrieg zusätzlich zur zitierten Literatur Henning, Deutschland (1997), S.  34–40, Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 241; 274–279, Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 12 f. sowie Walter, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 144. 447 Vgl. falls nicht anders zitiert für die Branchengeschichte im Ersten Weltkrieg Rohrbeck, Krieg (1915), S. 580–585, Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932), S. 21, Ammon, Geschichte (1937), S. 14 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 266 f. 448 Vgl. Borscheid/Drees, Versicherungsstatistik (1988), S. 331. 449 Vgl. Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft, Jahre (1932), S. 21. 444

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

besondere die beginnende Geldentwertung dürfte mit ziemlicher Sicherheit das nominell beeindruckende Wachstum beeinflusst haben. Vom konkreten Verlauf des Krieges gingen weitere positive, aber auch negative Effekte aus: So nahm die ‚Leipziger Hagel‘ zusammen mit der 1873 gegründeten ‚Borussia‘450 im besetzten Polen das Hagelversicherungsgeschäft auf, wobei unklar ist, ob in diesem Zusammenhang einheimische Unternehmen verdrängt wurden.451 Unabhängig davon hatten die einzelnen Gesellschaften in der operativen Arbeit mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen: Da ein Großteil der Belegschaften zum Kriegsdienst verpflichtet wurde,452 verzögerte sich u. a. die unternehmensinterne Bearbeitung der Versicherungsfälle. Tragisch ist in diesem Zusammenhang, dass Mitarbeiter von vielen Unternehmen den Kämpfen zum Opfer fielen. Des Weiteren verlief infolge der Beeinträchtungen des Post- und Verkehrswesens die Kommunikation zwischen Zentrale und Außendienst langsamer als gewohnt, so dass man dazu überging, regionale Vertrauensleute, die vor dem Krieg nicht direkt bei den Gesellschaften angestellt waren, mit der Schadensabschätzung zu beauftragen.453 Zudem behinderten die eigentlichen Kampfhandlungen die Tätigkeit der Hagelversicherer. Beispielsweise konnte die Schadensabschätzung im Elsass und in Ostpreußen 1914 nur in Abstimmung mit den Militärbehörden durchgeführt werden.454 Auch hatten die einzelnen Unternehmen finanzielle Unterstützung der Kriegsanstrengungen zu leisten: Allein die ‚Norddeutsche Hagel‘ zeichnete Kriegsanleihen von über 5 Millionen Mark.455 Soweit möglich, versuchte man die Vorkriegszustände aufrechtzuerhalten. So hielt die ‚Leipziger Hagel‘ während der Kriegsjahre weiterhin ihre Generalversammlungen ab. Die aufgezeigten Einschränkungen im Rahmen der Geschäftsabwicklung brachten es mit sich, dass hierbei über unverhältnismäßig viele strittige Entschädigungsansprüche diskutiert und letztendlich entschieden werden

450

Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 79. Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Geschichte der Gesellschaft 1824–1941, S. 18. Anders dagegen Walter Rohrbeck, der fast schon bedauernd davon spricht, dass es aufgrund der militärischen Lage „[…] in Belgien den einheimischen Gesellschaften überlassen werden mußte, das Hagelversicherungsgeschäft der französischen Gesellschaften [die dort offensichtlich vor dem Krieg tätig waren] mit zu übernehmen, in Polen die wenigen Güter, die bisher Hagelversicherungsschutz gehabt hatten, das Wagnis der Hagelgefahr selbst [zu tragen].“ Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 35. 452 Auch in der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Betriebe gab es infolge der vielen Einberufungen Veränderungen, da nun meist die Ehefrauen die Führung des Hofes übernahmen. Den Arbeitskräftemangel versuchte man zudem mit Hilfe des 1916 erlassenen ‚Gesetzes über den Vaterländischen Hilfsdienst‘, mit dem Zivilpersonen zur landwirtschaftlichen Arbeit herangezogen werden konnten, abzufedern. Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 13. 453 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Geschichte der Gesellschaft 1824–1941, S. 18. 454 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 35. 455 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 29. Januar 1917 sowie vom 7. Oktober 1918 an die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Norddeutsche Hagelversicherung, Jahre (1919), S. ­24–27. 451

V. Das ‚lange 19. Jahrhundert‘ der deutschen Hagelversicherung

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musste.456 Auffällig waren in diesem Zusammenhang die zahlreichen Versuche, die Kriegswirren zum eigenen Vorteil auszunutzen: So hatte es die Verwalterin Teucher, die in Abwesenheit ihres Mannes ein Gut in Rathewalde bewirtschaftete, vergessen, rechtzeitig einen neuen Versicherungsvertrag für das Jahr 1917 abzuschließen. Sie appellierte an die Generalversammlung, ihr die Vorjahreskonditionen zu gewähren und begründete ihr Versäumnis mit dem Militäreinsatz ihres Mannes und der eigenen Arbeitsüberlastung. Den Direktoren der ‚Leipziger Hagel‘ war aber aufgefallen, dass dem im Jahr 1916 abgeschlossenen Kontrakt unangemessen hohe Fruchtpreise bzw. Ertragsprognosen zugrunde lagen. Man vermutete, dass sich die Verwalterin Teucher diese für sie günstigen Konditionen – hohe Erträge versprachen eine hohe Entschädigungssumme – auch für das neue Jahr sichern wollte und bewusst keinen neuen Vertrag beantragt hatte. Dem negativen Bescheid der Direktion folgte die General­versammlung und lehnte die Eingabe ab.457 Am Ende des Krieges im November 1918 stand ähnlich wie der Rest des Landes auch die deutsche Hagelversicherungsbrache vor einer ungewissen Zukunft. Wie sollte es nach den tiefgreifenden Umwälzungen und vor dem Hintergrund einer zerrütteten Wirtschaft weitergehen?

V. Das ‚lange 19. Jahrhundert‘ der deutschen Hagelversicherung – ein Fazit 1914 konnte die deutsche Hagelversicherung auf mehr als 100 Jahre Geschichte zurückblicken. Das Faszinierende daran ist, dass zahlreiche Nachweise für die Kontinuität vieler Entwicklungsprozesse gefunden werden konnten, wie v. a. der empirische Nachweis des vierstufigen versicherungshistorischen Entwicklungsmodells zeigt. Begonnen haben die wichtigsten Branchenereignisse noch im 18. Jahrhundert – man denke nur an die Gründung der ‚Braunschweigischen Hagel‘ oder der ‚Mecklenburgischen Hagel‘ – und erreichten mit dem Nachweis eines Massenmarktes bzw. einer reifen Branche in den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ihren Abschluss. Aus diesem Grund erscheint es angemessen, den Begriff eines ‚langen 19. Jahrhunderts‘ auch im Bereich der Hagelversicherungsgeschichte einzuführen.458 Erschienen die ersten Jahrzehnte bisweilen wenig erfolgversprechend, hatte sich die Hagelassekuranz im Verlauf eines Säkulums zu einem tragfähigen Risikovorsorgeinstrument entwickelt. Im Folgenden sollen die

456 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Akten Generalversammlung vom Jahre 1915–1922, dort die Protokolle der Versammlungen der Jahre 1915–1918. 457 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Akten Generalversammlung vom Jahre 1915–1922, dort das Protokoll der Generalversammlung vom 24. Februar 1917. 458 Vgl. zur Diskussion bzgl. des 19.  Jahrhunderts als Epoche zusammenfassend Kocka, Jahrhundert (2001), insbesondere S. 138–154.

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D. Die Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Ereignisse und Zäsuren dieser sekundären Produktinnovation zusammengefasst werden. Wie es die der Arbeit zugrundeliegenden modelltheoretischen Annahmen suggerieren, konnte in den ersten Jahrzehnten die für diese erste Stufe typische Be­ friedigung der dringendsten Sicherheitsbedürfnisse nachgewiesen werden. Im Rahmen dieses bis ungefähr 1850 dauernden Abschnitts der Branchengeschichte wurde anhand verschiedener Gesellschaften aufgezeigt, dass jeweils unterschiedliche Faktoren für die Gründung der einzelnen Unternehmen verantwortlich waren. Hierzu zählen neben einer Veränderung der Pachtbedingungen für die Do­ mänenbesitzer und damit der Property-Rights aufgrund von politischen Prozessen (wie im Fall der ‚Mecklenburgischen Hagel‘) auch Anlage- und Renditeziele (wie bei der ‚Berliner Hagel‘) oder persönliche Animositäten wie bei der Schwedter Hagel. Überhaupt waren es bis auf die ‚Berliner Hagel‘ bzw. dem Nachfolgeunternehmen ohne Ausnahme die regional tätigen Gegenseitigkeitsvereine, welche die ersten Branchenjahre prägten und im Zuge tastender Versuche an der Weiter­ entwicklung des neuen Versicherungsproduktes arbeiteten. Dass hierbei zunächst Fehler auftraten, die größtenteils auf die mangelnde Erfahrung zurückzuführen sind, überrascht kaum. Bemerkenswerter ist vielmehr, dass diese von den verschiedenen Unternehmen auf ähnliche Art und Weise wiederholt wurden. Eine weitere Auffälligkeit dieser ersten Jahre ist zudem, dass die konkrete Entwicklung mitunter von den Modellannahmen abweicht: Denn anders als es diese suggerieren, konnte bereits in der ersten Phase mit der Verbandsversicherung der ‚Leip­ziger Hagel‘ eine Produktinnovation nachgewiesen werden. Was nun die institutionenökonomischen Fragestellungen betrifft, zeigen sich in den ersten Jahrzehnten typische Beispiele für die unterschiedliche Informa­ tionsausstattung auf Versicherungsmärkten. Es war möglich, Probleme der Adversen Selektion und des Moralischen Risikos nachzuweisen, beispielsweise im Fall der ‚Köthener Hagel‘, als überhöhte Schadensmeldungen abgegeben wurden, sowie generell im Rahmen der Tarif- bzw. Prämienfestsetzung bei vielen Gegenseitigkeitsvereinen. Auch die Schwierigkeiten, die sich aus der Konzentration von zu vielen schlechten Risiken ergaben, wurden diskutiert. Anders als die nur impliziten Andeutungen im Rahmen der bisherigen Forschung hat die Analyse zudem gezeigt, dass nach 50 Jahren Branchengeschichte Vertrauen in die Institution Hagelversicherung auf Kundenseite mit ziemlicher Sicherheit nur gering – wenn überhaupt – ausgeprägt war. Nach stürmischen und mitunter chaotischen Anfangsjahren treten der Theorie zufolge zunehmend Prozessinnovationen auf, wodurch eine Verbesserung von bereits eingeführten Produkten möglich ist. Die Arbeit hat nachgewiesen, dass dies im Fall der Entwicklung der deutschen Hagelversicherung für die Jahre zwischen 1853 und 1870 zutrifft. Der wesentliche Impuls hierfür rührt aus dem Markteintritt neuer Anbieter, den Hagelversicherungsaktiengesellschaften, her. Diese besaßen als Tochterunternehmen diverser Feuerversicherer eine Reihe von Vorteilen, die

V. Das ‚lange 19. Jahrhundert‘ der deutschen Hagelversicherung

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sich aus deren Konzernstruktur ergaben. Hierzu zählen beispielsweise das vorhandene Agentennetz, wodurch Synergieeffekte im Vertrieb realisiert werden konnten, oder die angesprochenen Prozessinnovationen, wozu das System der Festbeitragserhebung mit gleichzeitigem Verzicht auf die Nachschusserhebung gehörte. Einerseits sorgten diese Neuerungen für den raschen geschäftlichen Erfolg der neuen Anbieter, andererseits für die methodische Weiterentwicklung des Hagelversi­ cherungsgeschäftes an sich. Eine Folge daraus war, dass höchstwahrscheinlich das Vertrauen in die Institution Hagelversicherung gestärkt wurde. Die Verlierer dieses Prozesses waren die Gegenseitigkeitsvereine, die aufgrund ihrer geringen Größe und Kapitalausstattung sowie ihrer organisatorischer Mängel kontinuier­ lich an Marktanteilen verloren. In der nächsten Entwicklungsstufe konnten weitere Innovationen sowie insti­ tutionelle Verbesserungen nachgewiesen werden. Im Rahmen der vorliegenden Studie umfasst dies die Jahre von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Eingeleitet wurde diese Phase mit der Rückgewinnung von Markt­ anteilen durch die Gegenseitigkeitsvereine, was wiederum eng mit der Gründung der ‚Norddeutschen Hagel‘ verbunden war. Deren Organisation – eine erfolgreiche Adaption mancher Prinzipien der Kapitalgesellschaften (u. a. eine konsequente Expansionspolitik) und Beibehaltung von Charakteristika der Versicherungs­ vereine (beispielsweise die Mitbestimmungsrechte der Kunden) – war verantwortlich für den raschen geschäftlichen Erfolg und den Vertrauensgewinn auf Kun­ denseite. Verstärkt wurde dies durch das neue Produkt Gemeindeversicherung. Auffällig an diesen Jahren ist aber eine Verschärfung des Wettbewerbs zwischen beiden Rechtsformen, was sich an den – mitunter in rauem Ton geäußerten – gegenseitigen Vorwürfen ablesen lässt. Des Weiteren gab es immer noch Probleme aufgrund von betrügerischen Handlungen, wie die Vorfälle bei der ‚Schwedter Hagel‘ zeigen, als ein leitender Mitarbeiter versuchte, sich auf Kosten des Unternehmens zu bereichern. Insgesamt aber scheinen diese Phänomene rückläufig gewesen zu sein, da sie in den Quellen immer weniger thematisiert wurden. Eine weitere Erscheinung in den Jahren nach 1871 stellen die zunehmenden Berührungspunkte der Branche mit dem politischen Geschehen dar. Die Polemik, mit der Reichskanzler Bismarck die Hagelversicherung wohl aus persönlichen Gründen abkanzelte, überrascht zunächst. Gleichzeitig sind die Äußerungen im größeren Kontext der allgemeinen Diskussionen um die Institution Versicherung zu lesen, in deren Rahmen Männer wie Adolph Wagner die Verstaatlichung des gesamten Assekuranzwesens forderten. Zwar wurde dieses Vorhaben nicht realisiert, aber mit der Einführung des VAG und VVG zumindest die gesetzlichen Grundlagen des Versicherungswesens vereinheitlicht bzw. eine staatliche Aufsicht geschaffen. Am Ende der Entwicklung konnte – zumindest mit den diskutierten Einschränkungen – der Beginn der vierten Stufe des Modells nachgewiesen werden, nämlich ein Massenmarkt für die Hagelversicherung. Der Krieg selbst unterbrach zunächst nicht das Wachstum der Branche, obwohl sich in den vordergründig beeindruckenden Zahlen höchstwahrscheinlich schon die ersten Anzeichen

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D. Hagelversicherungsbranche in Deutschland bis 1918

der beginnenden Geldentwertung abzeichneten und einen Vorgeschmack auf die Dinge lieferten, mit denen die Branche in den Jahren der Weimarer Republik zu kämpfen hatte. Bevor dies aber näher untersucht wird, verlässt die Studie die bisherige chronologische Darstellung und diskutiert eine Frage, die bisher im Rahmen der Arbeit nur am Rande angesprochen wurde: Wie sah die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland aus?

E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   Wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich wurde, konnten die norddeutschen Landwirte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einen weitgehend funktionierenden Hagelversicherungsschutz zurückgreifen. Wie sah aber die Situation ihrer Standesgenossen im Süden aus? Ab wann war es diesen möglich, ihre Felder gegen Hagelschlag versichern lassen? In den folgenden Abschnitten wird anhand von Beispielen aus verschiedenen süddeutschen Ländern gezeigt,1 welche Ansätze für die Lösung des Hagelversicherungsproblems initiiert und welche institutionellen Arrangements letztendlich gefunden wurden. Für das Verständnis dieser Prozesse sind jedoch Kenntnisse der spezifischen Rahmenbedingungen erforderlich, denen sich die dortigen Landwirte bzw. Hagelversicherungsgesellschaften gegenübersahen.

I. Rahmenbedingungen Vereinfacht gesprochen können sowohl bezüglich der meteorologischen Ge­ gebenheiten als auch hinsichtlich der Agrarverfassung in Süddeutschland wesentliche Unterschiede zu den in Norddeutschland existierenden Rahmenbedingungen ausgemacht werden. Zunächst einmal gibt es im süddeutschen Raum ein wesentlich höheres Hagelrisiko als im Rest des Landes.2 Auch hatte sich in der Landwirtschaft eine andere Struktur bezüglich der sozialen und ökonomischen Verhältnisse herausgebildet:3 Klein- und Kleinstbetriebe prägten die bewirtschaftete Flur, so dass beispielsweise selbst 1853 ein durchschnittlicher bayerischer Hof lediglich eine Größe von 14,5 Tagwerk4 bzw. circa 4,94 Hektar aufwies.5 1

Vgl. zusätzlich ausführlich für die Situation in Bayern Oberholzner, Novum (2006). Hans Schmitt-Lermann bezeichnet Bayern als „[…] das am stärksten vom Hagel gefährdete Land Deutschlands und [als] eines der hagelgefährdetsten Länder der Erde.“ SchmittLermann, Hagel (1984), S. 2. 3 Auch diese Aussage stellt eine Vereinfachung der tatsächlich herrschenden Verhältnisse dar. Angesichts des begrenzten Umfangs der Arbeit erscheint dies aber notwendig, insbesondere da die Argumentation hierunter wie im Fall der generellen Darstellung von Grund- und Gutsherrschaft hierunter nicht leidet. 4 Vgl. falls nicht anders zitiert Zorn, Sozialgeschichte (1960), S. 37–44, Sandberger, Landwirtschaft (1975) sowie Götschmann, Wirtschaftsgeschichte (2010), S. 231–247. 5 Nach Ziegler entspricht ein Tagwerk 0,3407 Hektar. Vgl. Ziegler, König (1993), S. 63. Wolfgang Zorn wiederum gibt für 14,5 Tagwerk 4,5 Hektar an. Vgl. Zorn, Sozialgeschichte (1962), S. 37–44. 2

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Dies hing auch mit der süddeutschen Agrarverfassung zusammen, welche durch Realteilung und nicht durch die in Norddeutschland praktizierte Anerbensitte geprägt war.6 Hierbei darf nicht vergessen werden, dass eine derart strukturierte Flur auch Vorteile im Sinne einer Verzettelungsstrategie bieten konnte. Denn das Risiko, bei kleinem und zersplittertem Besitz vom Hagel getroffen zu werden, ist geringer als bei Vorhandensein eines größeren und geschlossenen Feldstücks. Anzunehmen ist aber auch, dass dies im Zuge einer Intensivierung der Landwirtschaft von vielen Landwirten als nicht mehr ausreichende Bewältigungsstrategie empfunden wurde, um den eigenen Grund und Boden vor Unwettern zu schützen. Hierzu definitive Aussagen zu treffen, ist mangels Quellen jedoch nicht möglich. Jedenfalls wurden zeitgleich mit Preußen auch in den Rheinbundstaaten und den süddeutschen Ländern Reformen im Agrarbereich eingeleitet, wobei sich der Prozess ebenfalls bis zur Jahrhundertmitte hinzog. Die formelle Aufhebung der Leibeigenschaft erfolgte in Bayern beispielsweise im Jahr 1808. Endgültig verschwand diese – ebenso wie die persönlichen Dienste sowie die verschiedenen Zehntabgaben – aber erst im Rahmen der Reformgesetzgebung im Revolutionsjahr7 1848.8 Schätzungen zufolge unterlagen bis dahin immer noch mehr als 90 Prozent des bäuerlichen Besitzes der Grundherrschaft.9 Rekapituliert man die soeben diskutierten Aspekte, wird klar, dass sich die Hagelversicherer in Süddeutschland schwierigeren Bedingungen gegenübersahen als diejenigen, welche die Branche in Norddeutschland zu bewältigen hatte: Mehr Hagelschläge bedeuteten ein höheres Risiko für die Versicherer und die kleinere und teilweise stark zersplitterte Flur führte zu einem vergleichsweise großen Ver­ waltungsaufwand.

II. Die Situation in Bayern 1. Die Entwicklung bis 1884 Nach dem gescheiterten Versuch der Gründung einer Hagelversicherungsgesellschaft in Ansbach-Bayreuth im Jahr 177010 sollte es in Bayern bis zum Ende der Napoleonischen Kriege dauern, bis das Thema wieder aufgegriffen wurde. Er 6

Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 5. Mit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Grundherrschaft verlor der bayerische Adel 1848 viel von seinem bis dahin noch vorhandenen politischen Einfluss. In den kommenden Jahrzehnten sollten sich dessen Aufgaben weitgehend auf höfische und repräsentative Funktionen beschränken. Ausdrücklich davon ausgenommen waren manche der neu in den Adelsstand erhobenen höheren Beamten. Vgl. Kramer, Adel (2008), S. 433. 8 Weiterhin gab es den Bodenzins, der nun dazu verwendet wurde, den bisherigen Grundherren Entschädigungszahlungen zu leisten und damit das Eigentum am gepachteten Land zu erwerben. 9 Vgl. Götschmann, Wirtschaftsgeschichte (2010), S. 231. 10 Vgl. Kapitel D.I. 7

II. Die Situation in Bayern

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kennbar ist dies an der Veröffentlichung einer Reihe von Denkschriften in diesen Jahren. Abermals orientierten sich die Vorschläge an bereits bekannten Mustern und den anderen Versicherungsbranchen. Ein um 1816 erschienenes Konzept sah erneut in der Brandassekuranz das organisatorische Vorbild für eine neu zu gründende Hagelversicherung. Dass die Feuerversicherung in diesen Jahren speziell in Bayern eine Vorbildfunktion einnahm, lag größtenteils an der im Jahr 1811 durchgeführten Reorganisation der Immobiliarbrandversicherung: Per Gesetz wurden die bis dato in ganz Bayern tätigen regionalen Versicherungsanstalten unter einem einheitlichen Dach zusammengefasst und unter staatliche Leitung gestellt.11 Neben der Nachahmung der Brandversicherung schlug Gottfried Gerstner – von dem die Idee für die neue Hagelkasse stammte – vor, die neue Hagelversicherung ebenfalls als staatliche Anstalt zu konzipieren. Anders als bei der Brandversicherungskammer war geplant, eine Zwangsmitgliedschaft einzuführen.12 Gerstners Vorschläge sprachen bereits einige Ideen an, welche in den kommenden Jahrzehnten aufgegriffen werden sollten. Ob sein Entwurf aber jemals auf ministerieller oder politischer Ebene diskutiert wurde, kann nicht mehr nachgewiesen werden. Dies gilt ebenso für den Plan, eine „Hagel= und Kiesel=Gewährungs=Gesellschaft für das Großherzogthum Würzburg“ zu gründen, der im Jahr 1817 vorgelegt wurde.13 Das Unternehmen sollte als Gegenseitigkeitsverein und abermals nach dem Vorbild der Feuerversicherung konzipiert sein. Der Leser konnte dies schon aus dem Motto des Traktats erkennen, das gleichzeitig eine treffende Formulierung für das Gegenseitigkeitsprinzip ist: „Die Folgen des Brandes tilgen wir durch Theilung, warum nicht jene des bis izt [jetzt] unabwendbaren Hagels?“14 Viele der im Text angesprochenen Prinzipien und Organisationsvorschläge unterscheiden sich kaum von den bereits dargestellten Unternehmen. Eine Besonderheit findet sich aber in Bezug auf die Ermittlung des Feldfruchtertrags: Um Betrügereien von Seiten der Versicherungsnehmer zu verhindern, sollte dieser von den zuständigen Feldgerichten und damit von Amts wegen geschätzt werden.15 Trotz dieser innovativen Idee ist auch dieser Plan – soweit bekannt – ohne Folgen geblieben.

11

Vgl. zur Gründung der Brandversicherungskammer Schmitt-Lermann, Jahre (1975). Vgl. Gerstner, Entwurf (o. J.). 13 Allerdings existierte das Großherzogtum zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. 1803 wurde das ehemalige Hochstift Würzburg säkularisiert und dem Kurfürstentum Bayern zugesprochen, von den bayerischen Herrschern aber schon 1805 gegen Tirol getauscht. Neuer Landesherr in Würzburg wurde der ehemalige Großherzog der Toskana Ferdinand aus dem Hause Habsburg, der seinerseits wiederum von 1803 bis 1805 das ebenfalls säkularisierte Erzbistum Salzburg als Kurfürst regiert hatte. 1806 trat Kurfürst Ferdinand dem Rheinbund bei und nahm den Titel eines Großherzogs an, woraufhin Würzburg bis 1814 eigenständig blieb. Stechers Plan wurde also drei Jahre nach Ende der Eigenstaatlichkeit veröffentlicht. Vgl. Striedinger, Großherzogtum (1933). 14 Stecher, Plan (1817), Titelblatt. 15 Vgl. Stecher, Plan (1817), S. 7–9. 12

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Daher dürfte der erste Hagelversicherer, der im Königreich Bayern seine Tätigkeit aufgenommen hat, der 1833 gegründete ‚Hagel-Assekuranz-Verein für den Isarkreis‘ gewesen sein. Dessen Geschichte wird im Folgenden nun erstmals ausführlich nachgezeichnet, wobei insbesondere die Auswertung des ‚Centralblatts des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern‘ bzw. der Nachfolgepublikation ‚Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern‘ für die Jahre von 1833 bis circa 1890 wertvolle Erkenntnisse liefern. Auch eine detaillierte Analyse der Vereinssatzung bzw. der zahlreichen Änderungen gibt einen Eindruck von den Bemühungen der handelnden Personen, den wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten gegenzusteuern. Im Vorfeld der Unternehmensgründung gab es intensive parlamentarische Beratungen in der bayerischen Ständeversammlung. Grundsätzlich waren sich die Abgeordneten über die Nützlichkeit der neuen Assekuranzsparte einig.16 Nach Abschluss der Beratungen unterzeichnete König Ludwig I. am 28. Dezember 1831 das ‚Gesetz, die Privat-Vereine zur Versicherung der Feldfrüchte gegen Wetterund insbesondere Hagel-Schäden betreffend‘, welches die institutionellen Rahmenbedingungen für künftige private Hagelassekuranzen regelt. Schon aus dem Gesetzestext wird deutlich, dass man sich gegen eine staatliche und für eine privatwirtschaftliche Lösung entschieden hatte. Den neuen Unternehmen sollte lediglich punktuelle Unterstützung zuteilwerden, da u. a. die Möglichkeit festgelegt wurde, säumige Beiträge per Gericht eintreiben zu lassen.17 Das konkrete Vereinsstatut des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ erhielt am 1. Mai 1833 die königliche Genehmigung. Bei dessen näherer Betrachtung fällt auf, dass offensichtlich versucht wurde, die Vorteile der Versicherungsvereine mit denen der Aktiengesellschaften zu kombinieren.18 Beispielsweise waren feste Beiträge auf der Basis der jeweiligen regionalen Hagelgefährdung der letzten zwanzig Jahre vorgesehen. Das statistische Material für dieses ehrgeizige Vorhaben sollten amtliche Informationen bilden, die man sich von den königlichen Rentämtern besorgen wollte (§ 6; 25–30). Wie realistisch dies sein sollte, würden die Vorkommnisse in den folgenden Jahren noch zeigen. Jeder neu in die Gesellschaft eintretende Landwirt hatte eine Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zu akzeptieren (§ 10), was wohl der mittelfristigen finanziellen Planung geschuldet war. Als Signal bezüglich der Zahlungsfähigkeit war die Bildung eines Reservefonds geplant. Diesen wollte man – obwohl das Unternehmen als Verein konzipiert war – v. a. durch Aktienzeichnung (!) in Höhe von 30.000 Gulden zustande bringen (§§ 44–45). Offensichtlich erschien das Projekt für potentielle Geldgeber aber nicht besonders attraktiv, so dass die Summe mittels Darlehensaufnahme be 16 Vgl. Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Bayern, Band 22 (1831), S. 73–83. 17 Vgl. Gesetz, die Privat-Vereine zur Versicherung der Feldfrüchte gegen Wetter= und insbesondere Hagelschäden betreffend (1831). 18 Ähnliches wurde wie gesehen bei der Gründung der ‚Norddeutschen Hagel‘ vorgenommen. Vgl. Kapitel D.IV.1.

II. Die Situation in Bayern

267

schafft werden musste. Geplant war auch, für den Versicherungsvertrieb ein Agentennetz zu schaffen. Um deren Rechtschaffenheit garantieren zu können, wollte der ‚Hagel-Assekuranz-Verein‘ die Agenten erst nach Empfehlung der Landräte einstellen (§ 48).19 Auf Grundlage dieser Organisation konnte das Unternehmen im ersten Jahr immerhin 1.530 Mitglieder von der Nützlichkeit der Hagelversicherung überzeugen. Auch war es möglich, alle Schadensansprüche zu befriedigen. Dies sollte in der Zukunft jedoch eher die Ausnahme denn die Regel sein. Denn nach schweren Hagelstürmen sah sich die Gesellschaft schon 1834 Forderungen von fast 206.000 Gulden gegenüber, wovon lediglich knapp 45.000 Gulden gezahlt werden konnten.20 Die wachsende Enttäuschung bzw. das Misstrauen auf Kundenseite kommentierte Sebastian Göbl, ein Landwirt, der an die Gesellschaften eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen sandte, wie folgt: „Aeußerst stürmisch ging es bei der Plenar-Versammlung im Jahre 1834 zu. Das Interesse am Vereine wurde über die Maßen geschwächt, und es wären im Jahre 1835 Tausende ausgetreten, wenn sie nicht durch die Satzungen zu einem fünfjährigen Verbleiben verbunden gewesen wären. Eine bedeutende Anzahl von Mitgliedern mußte zur Haltung der Vereinsverbindlichkeiten exekutiv gezwungen werden, welches aber nichts weniger als den tief gesunkenen Kredit des Vereines wieder zu beleben vermochte.“21

Lediglich ein Satzungspassus verhinderte also, dass dem ersten bayerischen Hagelversicherer die Kunden in Scharen davonliefen. Dass diese Möglichkeit bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wahrgenommen wurde, zeigen folgende Zahlen: Von über 17.000 Versicherten im Jahr 1838 sank die Mitgliederzahl bis 1840 auf knapp 7.900 Personen.22 Durch weitere ungeschickte, aber angesichts der angespannten Lage nicht zu vermeidende Maßnahmen, verspielte der Verein zusätzliche Reputation bei den Landwirten. Da 1839 alle Schäden ein solches Ausmaß erreicht hatten, welches die finanzielle Leistungskraft der Gesellschaft überstieg, griff das Unternehmen in seiner Notlage sogar zu satzungswidrigen Mitteln: Alle Kunden mussten die Jahresprämie sowie ein Viertel der Prämie des Jahres 1838 nochmals leisten, wenngleich auch diese Mittel nicht für die Deckung der Schäden ausreichten.23 Wie dies die Bauern aufnahmen, zeigt eine weitere Notiz von Sebastian Göbl: „Dieser Uebelstand [d. h. die Nachzahlung 1839] erschütterte alle Gemüther und führte die Abneigung in hohem Grade herbei. Den klarsten Beweis hiervon liefert die große Anzahl der Ausgetretenen, und das winzige Häuflein des seitherigen Zuganges.“24 19 Vgl. Statuten des Hagel=Assekuranz=Vereines im Isarkreise (1833). Auch in anderen bayerischen Kreisen wurden Hagelversicherungsvereine gegründet. Vgl. Statuten einer Ver­ sicherungs=Anstalt gegen Hagelschaden für den Unter=Mainkreis (1833). 20 Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 21 Göbl, Direktorium (1843), S. 117. 22 Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 23 Vgl. Göbl, Direktorium (1843), S. 116–118. 24 Göbl, Direktorium (1843), S. 118.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Darüber hinaus sollte sich die Attraktivität der Versicherungsnahme auch durch eine Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen verringern: Mit dem ‚Gesetz, die Steuer=Nachlässe betreffend‘ vom 1. Juli 1834 gewährte der bayerische Staat den Landwirten Steuererleichterungen bei starken Hagelschäden.25 Damit dürfte aber vielen Bauern ein zusätzlicher Versicherungsschutz als unnötige Ausgabe erschienen sein. Die Geschäftsführung des Vereins blieb jedoch nicht völlig untätig und versuchte, mittels einer grundlegenden organisatorischen Neuausrichtung eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Ab 1840 wurde ein Selbstbehalt eingeführt, da ab diesem Zeitpunkt die Versicherungsnehmer erst ab einem Verlust von einem Fünftel der versicherten Summe Anspruch auf Ersatzleistung hatten. Außerdem garantierte das Unternehmen lediglich eine Vergütung von 33 ⅓ Prozent der Schadenssumme. Man erhoffte sich, dass als Folge der Satzungsänderung der Kundenbestand auf 50.000 bis 100.000 Versicherte anwachsen würde, was als Untergrenze für ein profitables Arbeiten galt.26 Allerdings sah die Realität wie gesehen anders aus, da der ‚Hagel-Assekuranz-Verein‘ 1840 lediglich knapp 7.900 Mitglieder zählte. Parallel zu den internen Maßnahmen wurde zudem versucht, auf die Hilfe des Staates zurückzugreifen. 1839 beantragte man die Umwandlung in eine Zwangsanstalt mit Beitrittspflicht für alle vom Hagel gefährdeten Feld- und Flurstücke. Soweit bekannt, wurde die Idee aber weder von der Politik noch von den Behörden erörtert, so dass weiterhin versucht wurde, eine adäquate Kundenbasis über den freien Wettbewerb zu erreichen. Jedenfalls hatte man bis 1840 die geschäftlichen Aktivitäten auf ganz Bayern ausgedehnt, so dass die Gesellschaft nun als ‚Hagel-Assekuranz-Verein für das Königreich Bayern‘ firmierte. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass der Verein ab diesem Zeitpunkt eine Quasi-Monopolstellung im Königreich innehatte.27 Jedoch konnte auch die Expansion in den Rest des Landes nicht dazu beitragen, die für erforderlich betrachtete Anzahl von 50.000 Versicherten zu erreichen. Vielmehr wuchs das Misstrauen der bayerischen Landwirte gegenüber der Hagelversicherung weiter an. Wie groß der Reputationsschaden bereits war, zeigt ein anonymer Bericht über die oberbayerische Kreisversammlung des damaligen Landwirtschaftsvereins, der in der Vereinszeitschrift abgedruckt wurde:28

25

Vgl. Gesetz, die Steuer=Nachlässe betreffend (1834). Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 27 Vgl. o. V., Geschichte (1882), S. 644 f. Es ist unklar, ob sich die Hagelversicherungsvereine in den anderen bayerischen Kreisen dem neuen Unternehmen angeschlossen haben. Zudem ist nicht ersichtlich, ob der Verein auch in die zu Bayern gehörende Pfalz expandierte. Jedenfalls findet man ab 1840 keine Hinweise mehr auf diejenigen Hagelversicherer, welche parallel zum ‚Hagel-Assekuranz-Verein für den Isarkreis‘ in den anderen bayerischen Kreisen ihr Geschäft betrieben haben. 28 Vgl. zur Geschichte des landwirtschaftlichen Vereins in Bayern Harrecker, Verein (2006). 26

II. Die Situation in Bayern

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„Von landwirthschaftlichen Schutzanstalten kennt man bei uns zur Zeit außer der Mobiliar-Feuerversicherung, nur die Hagelassekuranz und das Vertrauen zu dieser ist durch frühere Vorgänge so erschüttert worden, daß der Landmann beinahe überall behauptet, bei uns gegen Hagel versichern, heiße: in 6 Jahren den Geldwerth einer vollen Ernte nach München senden, um im Falle des Hagelunglücks nichts oder sehr wenig zu erhalten.“29

Auch weitere Satzungsänderungen30 in den darauf folgenden Jahren konnten die angespannte finanzielle Lage nicht verbessern. 1846 summierten sich die Kundenansprüche auf über 205.000 Gulden und 1848 auf fast 112.000 Gulden, wovon lediglich knapp 35.000 bzw. 26.000 Gulden ausbezahlt wurden.31 Wie gering das Interesse in diesen Jahren war, zeigen folgende Zahlen, welche die durchschnittliche Hagelversicherungsquote zwischen 1844 und 1848 auflisten: Danach schwankte die Zahl je nach Region zwischen 0,059 Prozent (Unterfranken und Aschaffenburg, wo von 67.274 Landwirten lediglich 35 Mitglied des Vereins waren) und 4,73 Prozent (Schwaben, wo sich immerhin 2.869 von 60.762 Landwirten bei der Gesellschaft versicherten).32 Zumindest erhielt der Verein im Jahre 1846 von König Ludwig I. eine einmalige Zuwendung in Höhe von 100.000 Gulden.33 Aber auch diese großzügige Summe sollte sich als Tropfen auf dem heißen Stein erweisen. Um die Versicherungsnachfrage zu steigern, wurde erneut die Vereinssatzung umgearbeitet: Anstelle des Festbeitrags galt ab 1852 das Vorbeitrags-NachschussSystem. Auch hob man nun endgültig die Klausel einer fünfjährigen Beitrittsverpflichtung auf.34 Da aber 1853 von den angesetzten 142.000 Gulden lediglich etwas mehr als 10.000 Gulden zur Auszahlung kamen, war es wenig überraschend, dass die Austrittswelle vor dem Hintergrund der ein Jahr davor weggefallenen Mindestvertragsdauer kein Ende nahm und sogar die vollständige Auflösung der Gesellschaft erwogen wurde.35 Trotz der Quasi-Monopolstellung versicherten nur 4.417 Landwirte in diesem Jahr beim ‚Hagel-Assekuranz-Verein‘.36 Fast schon wie eine Verzweiflungstat mutet eine weitere Satzungsänderung an, mit der die Gesellschaft wieder zum Festbeitragssystem zurückkehrte. Kurioserweise entband dies die Versicherten nicht von weiteren Zahlungen. Vielmehr sollten sie laut der 29

O. V., Zusammentritt, (1845), S. 84 f. 1840 wurde beispielsweise ein Selbstbehalt von 25 Prozent eingeführt, gleichzeitig aber das bisherige Entschädigungsminimum von 33 1/3 Prozent abgeschafft. Zudem garantierte man einen fünfjährigen Forderungsanspruch. Vgl. Satzungen des Hagel=Versicherungs=Vereines (1844). 31 Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 32 Vgl. o. V., Tabelle (1851), S. 389. Die Zahlen liegen nicht allzu differenziert vor, beispielsweise wird die gesamte Anzahl der Landwirte als „Landwirthe mit und ohne Gewerbe nach Familien in Bayern“ zusammengefasst. Eine Tendenz kann daraus aber abgeleitet werden. 33 Vgl. Günther, Beitrag (1889), S.  52 sowie Heim, Landes-Hagelversicherungsanstalt (1929), S. 29. 34 Vgl. Satzungen des Hagel=Versicherungs=Vereines für das Königreich Bayern (1852). 35 Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 36 Vgl. Schilcher, Worte (1854). 30

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

revidierten Satzung abermals herangezogen werden, sobald die vorhandenen Mittel zur Schadensbegleichung nicht ausreichen würden.37 Somit lag de facto weiter­ hin ein Vorbeitrags-Nachschuss-System vor, wenngleich der Festbetrag scheinbar über dem bisherigen Vorbeitrag lag. Auch der Landwirtschaftliche Verein in Bayern erkannte das Problem des fehlenden Hagelversicherungsschutzes und forderte 1853 die Gründung einer Zwangsanstalt, die alle mit einer Hypothek belasteten Grundstücke versichern sollte. Sei dieser Punkt nicht realisierbar, sollte wenigstens anderen privaten Hagel­versicherern die Konzession für Bayern erteilt werden. Dieser Beschluss wurde nach Votum der Mitglieder an die Regierung weitergeleitet.38 Gleichzeitig forderte man von den Behördern, die Arbeit dieser neu in Bayern tätigen Unternehmen zu überwachen.39 Vor dem Hintergrund einer sich durch die neue Konkurrenz abermals verschlechternden Wettbewerbsposition des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ – der 1855 mit lediglich 839 Versicherten einen absoluten Tiefpunkt erreicht hatte40  – versuchte die Unternehmensleitung durch eine erneute Veränderung des organisatorischen Aufbaus eine Wende herbeizuführen.41 Gleichzeitig protestierte man mit einer Eingabe an die Kammer der Abgeordneten gegen die Zulassung ‚ausländischer‘ Mitwettbewerber, da dies zu einer weiteren Verschärfung der Lage beitragen würde. Jedoch war die Gesellschaft realistisch genug, die äußerst angespannte eigene geschäftliche Lage zu erkennen. Daher bat man das Parlament im Zuge der Protestnote um finanzielle Unterstützung. Beide Anliegen wurden aber von Seiten der Abgeordneten nicht in Betracht gezogen.42 Die befürchtete Konkurrenzsituation und damit der Verlust der – nicht genutzten – Monopolstellung trat 1856 ein, als eine Reihe von privaten Hagelversicherungsgesellschaften – u. a. die ‚Magdeburger Hagel‘ – eine Konzession für Bayern erhielt. Überwiegend waren es Aktiengesellschaften, welche diese Möglichkeit wahrnahmen,43 was wohl auf ihre bereits diskutierte Kapitalkraft bzw. Organi­ 37

Vgl. für diese Bestimmungen Satzungen des Hagel=Versicherungs=Vereines für das Königreich Bayern (1853) sowie Schilcher, Generalversammlung (1855). 38 Vgl. o. V., Central-Versammlung (1853), S. 551–570. 39 Vgl. die entsprechenden Wortbeiträge auf der Generalversammlung des landwirtschaftlichen Vereins am 8. Oktober 1855 o. V., Verhandlungen (1855), S. 540 f. 40 Vgl. Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856), S. 158 f. 41 Vgl. o. V., Geschichte (1882), S. 648. 42 Vgl. für den Wortlaut Eingabe des Hagelversicherungs=Vereins für das Königreich Bayern (1856). 43 Auch andere Unternehmen waren in den folgenden Jahrzehnten mehr oder weniger erfolgreich in Bayern tätig. Dazu gehörte beispielsweise ab 1869 die ‚Vaterländische Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘ sowie ab 1879 die ‚Norddeutsche Hagel‘. Die ‚Leipziger Hagel‘ wiederum hatte zwar 1872 die Konzession für den Geschäftsbetrieb erhalten, aber aus risikopolitischen Erwägungen darauf verzichtet, diese wahrzunehmen. Vgl. Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 10. Daneben gab es auch Versuche, in Bayern selbst neue Versicherer zu gründen. So entstand 1872 die ‚Süddeutsche Hagelversicherungs-Gesellschaft‘, die

II. Die Situation in Bayern

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sationsstruktur zurückzuführen war. Sofern sie überhaupt dazu in der Lage gewesen wären, dürften viele der Gegenseitigkeitsvereine das Wagnis gescheut haben, ins stark hagelgefährdete Bayern zu expandieren. Mittelfristig wurden die Vereine höchstwahrscheinlich in ihren Überlegungen bestätigt, da die Erfolge der Aktiengesellschaften allenfalls als mäßig zu bezeichnen sind. Dies lag größtenteils an deren Geschäftspolitik, da Verträge in überdurchschnittlich hagelgefährdeten Gebieten entweder gar nicht oder lediglich zu überhöhten Preisen angenommen wurden. Verantwortlich für dieses Verhalten waren zum einen Renditeüberlegungen, zum anderen der Druck, der von den norddeutschen und damit in weniger hagelgefährdeten Gebieten wohnenden Kunden ausging. Obwohl das bayerische Geschäft überschaubar war, protestierten die versicherten Landwirte aus Norddeutschland44 bei ihren Gesellschaften dagegen, dass ein Teil der Prämien zum Ausgleich für die immer noch hohen Beiträge der süddeutschen Berufskollegen verwendet würde. In Zusammenhang mit dieser Diskriminierung wurde den einzelnen Unternehmen sogar gedroht, die Verträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.45 Zwar ließen sich die Hagelversicherer nicht gänzlich von ihren Kunden erpressen, aber ein Verlustgeschäft war das bayerische Engagement allemal: Beispielsweise hatte die bis 1886 in Bayern tätige ‚Union‘ insgesamt mehr als 500.000 Mark verloren. Alle privaten Gesellschaften zusammen schlossen bis 1884 nur 6.100 Verträge mit einer Versicherungssumme von vierzehn Millionen Mark ab.46 Vor dem Hintergrund dieser Geschehnisse wird im Rahmen der Arbeit die These vertreten, dass der bayerische Hagelversicherungsmarkt vor 1884 eine Kombination aus unzureichenden Kenntnissen der Versicherungsmaterie, geringer Risikostreuung, mangelnder Zahlungsfähigkeit, schlechten Kalkulationsmöglichkeiten und einem rapiden Reputationsverlust auf Unternehmensseite darstellte. Einschränkend zu diesem harten Urteil muss aber die Initiative der handelnden Personen des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ gewürdigt werden, das Wagnis einer Unternehmensgründung auf sich zu nehmen. Allerdings hatten um 1860 die bayerischen Landwirte immer noch keinen funktionierenden Hagelversicherungsschutz. Wie dieses Problem schließlich gelöst wurde, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zwei Jahre später wieder liquidiert werden musste. Vgl. Müller, Generalversammlung (1874), Müller, Umschau (1874), S.  266 f. sowie Müller, Umschau (1875), S. 70 f. 44 Diese stellten also für die Hagelversicherer ‚gute‘ Risiken dar. 45 Der Theorie zufolge kann dies bis zum Zusammenbruch des Unternehmens oder sogar des gesamten Marktes führen. 46 Vgl. Gruner, Festschrift (1894), S. 8; 33, Union, Festschrift (1903), S. 14, Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 10, Lang, Hagelversicherung (1921), S. 142 f. sowie Heim, Landes-Hagelversicherungsanstalt (1929), S. 30 f.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

2. Das Bayerische Landeshagelversicherungsgesetz von 1884 a) Erste Ansätze Aufgrund des schon länger schwelenden und vor dem Hintergrund einer Intensivierung der Landwirtschaft drängender werdenden Problems wurden um 1860 in der bayerischen Politik Stimmen laut, die ein stärkeres Engagement des Staates im Hinblick auf das Hagelversicherungswesen forderten. Erste, wenn auch erfolglose parlamentarische Initiativen, im Hinblick auf die Gründung einer staatlichen Hagelassekuranz gab es 1861 und 1866.47 Wenige Jahre später folgte ein neuer Vorstoß, als der Abgeordnete Birner im Dezember 1873 den Vorschlag zur Etablierung einer umfassenden staatlichen Elementarschadenversicherung einbrachte.48 In seiner Antwort betonte der bayerische Innenminister Freiherr von Pfeufer,49 dass die Regierung der Errichtung einer solchen Hagelversicherungsanstalt grundsätzlich positiv gegenüber stehe. Eine allgemeine Elementarschadenversicherung sei jedoch weder von Seiten der Landwirtschaft gewünscht noch überhaupt rea­ lisierbar.50 Ob Pfeufers erstes Argument wirklich der Realität entsprach, kann bezweifelt werden. In Bezug auf die Etablierung einer neuen Gesellschaft wurde jedoch eine der Hauptschwierigkeiten im Fehlen einer geeigneten Behörde gesehen, die hiermit hätte betraut werden können.51 Daher war für die Reform des bayerischen Hagelversicherungswesens die Neu­ ordnung der Immobiliarbrandversicherung von großer Bedeutung. Die Brand­ assekuranz wurde zwar bereits im Jahre 1811 vereinheitlicht, aber gleichzeitig keine übergeordnete Verwaltungsbehörde geschaffen.52 Dies änderte sich im April 1875, als per Gesetz eine neue Zentralstelle, die Königliche Brandversicherungskammer, geschaffen wurde.53 Matthäus Jodlbauer54, zu dieser Zeit Ober­ regierungsrat im bayerischen Handelsministerium und mit dem Agrarbereich vertraut, übernahm die Leitung der neuen Staatsbehörde.55 Da diese schon kurz 47 Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten (künftig SB Abgeordnete), 1859/61, Band 2, S. 17 sowie SB Abgeordnete, 1866/67, Band 1, S. 282. 48 Vgl. SB Abgeordnete, 1873/74, Band 1, S. 105 f. 49 Auch Adam Müller, der damalige Generalsekretär des landwirtschaftlichen Vereins, forderte zu dieser Zeit ein stärkeres staatliches Engagement im Hinblick auf die Hagelversicherung. Vgl. Müller, Umschau (1874), S. 79–82. 50 Vgl. SB Abgeordnete, 1873/74, Band 1, S. 139 f. 51 Vgl. Schmitt-Lermann, Jahre (1975), S. 215 f. sowie Bayerische Versicherungskammer, Denkschrift (1984), S. 15 f. 52 Die Aufgaben wurden von nachgelagerten Behörden wie den Kreisregierungen wahr­ genommen. 53 Vgl. Gesetz, die Brandversicherungsanstalt für Gebäude in den Landestheilen rechts des Rheines betr., (1875). Das Gesetz fand in der bayerischen Pfalz keine Anwendung. 54 Zu diesem Zeitpunkt hatte Jodlbauer sein Adelsprädikat noch nicht verliehen be­kommen. 55 Nach seinem Studium war Jodlbauer ab 1859 im bayerischen Handelsministerium tätig und bearbeitete dort schwerpunktmäßig agrarwirtschaftliche Fragen. 1861 wurde er Mitglied

II. Die Situation in Bayern

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nach Gründung Vertrauen bei den bayerischen Landwirten genoss, entwickelte sich die Idee, eine Modernisierung des Hagelversicherungswesens mit der Ar­ beit der Kammer zu verbinden.56 Im Übrigen wurde die Debatte über eine stärkere Rolle des Staates auch durch die bereits aufgezeigte Diskussion innerhalb der Nationalökonomie zumindest indirekt beeinflusst. Hinweise deuten darauf, dass etlichen der an den folgenden Ereignissen beteiligten Personen die Argumente von Wagner und Roscher57 bekannt waren und daher auch deren Denken be­einflusst haben dürften.58 b) Die Ideen von Matthäus von Jodlbauer und die Entwicklung bis zur Gesetzesvorlage Auch eine Auswertung der Zeitschrift des Bayerischen Landwirtschaftlichen Vereins zeigt anhand der wachsenden Zahl von Artikeln, dass ab ungefähr 1875 die Hagelversicherungsfrage intensiver behandelt wurde.59 Als Vereinsmitglied dürfte Matthäus von Jodlbauer diese Beiträge höchstwahrschenlich ebenso gekannt haben wie die erwähnten Vorschläge, die neue Gesellschaft eng an die Brandversicherungskammer anzuschließen. Er selbst in seiner Eigenschaft als Leiter dieser Behörde hatte hierzu eigene Ideen, die er erstmals am 6. September 1879 auf der oberbayerischen landwirtschaftlichen Kreisversammlung in Wasserburg am Inn präsentierte.60 Hierbei betonte er, dass neben der Schutzzoll­politik auch ein funktionierendes Hagelversicherungswesen eine unerlässliche Maß­ nahme für die Prosperität der einheimischen Landwirtschaft sei. Aufgrund der gegenwärtigen unbefriedigenden Situation der Hagelassekuranz in Bayern schlug von Jodlbauer die Gründung eines neuen Unternehmens vor, das – basierend auf den Prinzipien der Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit – unter Leitung des Staates stehen und organisatorisch eng an die Brandversicherung gekoppelt sein sollte. Von Jodlbauer zufolge ermögliche gerade dieser Punkt – wobei sich Parallelen zu den Neugründungen durch die Aktiengesellschaften in den 1850er Jahren aufdrängen – deutliche Kosteneinsparungen. Zudem könne man durch die staatliche Unterstützung wirtschaftliche Krisen leichter überdauern und damit die notwendigen Erfahrungen mit dem neuen Versicherungsgeschäft sammeln. Was die Ausgestaltung des konkreten Versicherungsgeschäftes betreffe, plädierte er für die Einführung von Festbeiträgen, welche sowohl die regionale Hagelgefahr als auch die im General-Comité des landwirtschaftlichen Vereins. Für seine Verdienste erhielt er 1879 den Adelstitel und als persönliche Auszeichnung kurz vor seinem Tode im Jahre 1890 den Titel eines „Präsidenten der königlichen Brandversicherungskammer“. Vgl. May, von Jodlbauer (1890) sowie Wilhelm, Vorgestern (o. J.), S. 7–8; 10. 56 Vgl. Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 21. 57 Vgl. Kapitel D.IV.3.a). 58 Vgl. May, Umschau (1881), S. 756 f. 59 Vgl. z. B. Grahl, Hagelversicherung (1875). 60 Diese fand vom 6. bis zum 9. September 1879 statt. Vgl. StdA Wbg./Inn, (WA) 1879 08 17. 

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Empfindlichkeit der einzelnen Frucht miteinkalkulieren müssten. Zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit sollte ein Reservefonds gegründet werden. Dabei war interessanterweise geplant, an Landwirte in weniger hagelgefährdeten Ge­bieten eine Dividende auszubezahlen. Von Jodlbauer lehnte aber eine Monopolstellung ab: Vielmehr habe sich das neue Unternehmen dem Wettbewerb mit der privaten Konkurrenz zu stellen.61 Von Jodlbauers Gedanken hatten zunächst keine unmittelbaren Folgen. Allerdings beschäftigte sich auch der bayerische Landtag nun intensiver mit der Hagelversicherungsfrage bzw. mit der Gründung eines neuen staatlichen Versicherers. Erste Konzepte wie die Interpellation des Abgeordneten Landmann vom 11. Februar 188162 und ein ähnlich lautender Antrag des Abgeordneten Geiger vom 23. November 188163 fanden zunächst keine Mehrheit. Wie üblich im parlamentarischen Betrieb wurde aber von ministerieller Seite zugesichert, eine themenbezogene Arbeitsgruppe einzurichten, die weitere Informationen einholen bzw. mit Vorarbeiten beginnen sollte.64 Parallel zum anlaufenden Gesetzgebungsverfahren thematisierte auch die land­ wirtschaftliche Interessensvertretung die Hagelversicherungsfrage. Bereits im November 1880 stand der Punkt auf der Agenda einer Sitzung des ‚General-Comités‘ des Landwirtschaftlichen Vereins.65 Dort beschloss man, vor Ausarbeitung eines detaillierten Positionspapiers zunächst die Meinung der Vereinsmitglieder – konkret der Kreis-Comités66 – über einige strittige Punkte einzuholen.67 Wie noch zu zeigen sein wird, war in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage des Beitrittszwangs höchst umstritten. Für die Ausarbeitung eines ersten Konzeptes wurde der Hofrat Dr. Joseph Simmerl beauftragt. Dieser legte noch vor dem Rücklauf aller Antworten aus den Kreisen einen ersten Entwurf vor:68 Demnach sollte die neue Staatsanstalt auf den Prinzipien des freiwilligen Beitritts und der Gegenseitigkeit beruhen und eng an die Brandversicherung angelehnt sein. In 61 Das Original des Referates konnte nicht mehr ermittelt werden. Allerdings veröffentlichte Matthäus von Jodlbauer kurz darauf in der ZLV Bayern einen Aufsatz mit ähnlichem Inhalt. Insofern kann man davon ausgehen, dass diese Schrift den Wasserburger Vortrag wiedergibt. Vgl. von Jodlbauer, Krisis (1879). Ausführlicher nochmals in von Jodlbauer, Versicherung (1889). 62 Vgl. SB Abgeordnete 1880/81, Band 5, 128 f. 63 Vgl. SB Abgeordnete 1881/82, Band 1, 171 f. 64 An der ministeriellen Arbeitsgruppe waren u. a. der Regierungsrat Heinrich Haag, später von Jodlbauers Nachfolger und ebenfalls geadelt, und der Ministerialrat Herrmann, beide aus dem Innenministerium, beteiligt. Von der Brandversicherungskammer nahmen Matthäus von Jodlbauer, der Regierungsrat Tretter und der Oberinspektor Baermann teil. Vgl. Königliche Versicherungskammer, Leitung (1906), S. 84. 65 Dies war der Vorstand des landwirtschaftlichen Vereins. 66 Diese waren die regionalen Leitungsgremien. 67 Vgl. o. V., Mittheilungen (1880). 68 Die im folgenden erwähnten Gutachten liegen nicht mehr im Original vor, deren Inhalte kann aber über die Debatten im General-Comité, welche in der ZLV Bayern veröffentlicht wurden, gut erschlossen werden.

II. Die Situation in Bayern

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sofern finden sich viele Ideen, die von Jodlbauer bereits 1879 geäußert hatte, in dem Positionspapier wieder, dem das ‚General-Comité‘ am 21. Februar 1881 zustimmte. Allerdings erregte gerade der Vorschlag eines freiwilligen Beitritts Widerstand in Regionen wie Oberbayern, die stärker vom Hagel gefährdet waren. Obwohl damit höhere Belastungen auf die Landwirte zukommen würden, sprach man sich für eine Zwangsmitgliedschaft aus.69 Als Folge dieser kritischen Rückmeldungen legte der Vereinsvorstand ein zweites Papier vor, welches die verpflichtende Mitgliedschaft für alle Landwirte vorsah und somit in einem wesentlichen Punkt vom ersten Entwurf abwich.70 Interessant in diesem Zusammenhang ist die doch merkwürdige Begebenheit, dass niemand – einschließlich des ‚General-Comités‘ (!) – wusste, wer das zweite Gutachten verfasst hatte. Den Berichten zufolge konnte der Vorstand nicht einmal nachvollziehen, wie man in den Besitz des Papiers gekommen war. Höchstwahrscheinlich stammt es aus der Feder eines dem Verein gewogenen Beamten,71 der es der Vereinsgeschäftsstelle zugespielt hatte. Das ‚General-Comité‘ beschloss Ende Oktober 1881, die regionalen Vorstände über beide Positionspapiere abstimmen zu lassen. Gleichzeitig wurde neben Simmerl Wilhelm Freiherr von Cetto und der Hofrat Dr. Johann von Helferich als Referenten berufen.72 Nach intensiven Diskussionen innerhalb des Vereins73 plädierten die stärker vom Hagel bedrohten Gebiete wie Ober- und Niederbayern für den Zwangsbeitritt. Regionen, in denen weniger Hagelschläge auftraten – wozu beispielsweise Ober- und Unterfranken zählen – sprachen sich für den freiwilligen Beitritt aus.74 Knapp ein Jahr später wurde in der Generalversammlung über die endgültige Vereinsposition entschieden. Keiner der Referenten, die ihre jeweiligen Argumente in der Versammlung vertraten, stellte die Notwendigkeit der Ha 69

Vgl. o. V., Mittheilungen (1881), S. 172 sowie May, Umschau (1881), S. 753. Das Prinzip der Gegenseitigkeit und die Anbindung an die Brandversicherung waren dagegen nicht strittig. Vgl. May, Umschau (1881), S. 753. Er spricht davon, dass im Falle eines Zwangsbeitritts „[…] im ganzen Königreich mehr als 800 000 Grundbesitzer mit einer zu versichernden Grundfläche von circa 4 340 091 Hectar Aecker, Wiesen, Gärten und Weinbergen gezwungen [werden], durch gemeinschaftliche Betheiligung die gesamte Last auszugleichen.“ Außerdem war man sich im Klaren darüber, dass ein obligatorischer Beitritt für jeden Landwirt nichts anderes als einen „[…] Zuschlag zur Grundsteuer […]“ bedeuten würde. Beide Zitate Ebd., S. 752. 71 Vgl. den Wortbeitrag des Dr. Simmerl auf der Plenarsitzung des Jahres 1882, abgedruckt in: o. V., Bericht (1882), S. 387. Möglichweise war dieser Beamte auch Mitglied der erwähnten ministeriellen Arbeitsgruppe. 72 Vgl. o. V., Mittheilungen (1881), S. 683. 73 Vgl. z. B. die Berichte aus Ober- und Unterfranken bei o. V.‚ Nachrichten (1882), S. 141; 143. 74 Vgl. Schmitt-Lermann, Jahre (1975), S. 208 f. Zu bedenken ist bei diesen Abstimmungsergebnissen aber auch die Wortmeldung des Freiherrn von Thüngen auf der Generalversammlung des landwirtschaftlichen Vereins im Jahre 1882. Er meinte, dass sich zwar die Mehrzahl der Kreise für den Zwang ausgesprochen haben, gab aber folgendes zu bedenken: „[I]n den Kreiscomités sitzen sehr wenige Bauern. Wenn mehr Bauern in den Kreiscomités wären, würde die Abstimmung eine andere gewesen sein.“ O. V., Bericht (1882) S. 379. 70

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

gelversicherung in Frage. Freiherr von Cetto plädierte aber zumindest für einen partiellen Zwangsbeitritt, der die mit einer Hypothek belasteten sowie die sich im Eigentum der öffentlichen Hand, der Stiftungen und Pfarreien befindlichen Grundstücke umfassen sollte.75 Dr. von Helferich dagegen lehnte jede Form einer Zwangsmitgliedschaft ab. Er argumentierte, dass eine solche Klausel eine sorgfältige und auf den einzelnen Landwirten individuell zugeschnittene Prämienkalkulation unmöglich mache. Deshalb schlug er vor, die neue Anstalt gemäß dem Simmerlschen Entwurf als freiwillige Anstalt zu konzipieren. Nach hitziger Debatte beschloss die Versammlung, auf die Gründung einer neuen Hagelversicherungsanstalt unter staatlicher Leitung hinzuwirken, die auf den Prinzipien der Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit basieren sollte. Die Frage nach dem Beitrittszwang wurde zunächst ausgeklammert und das ‚General-Comité‘ beauftragt, der Regierung einen detaillierten Vorschlag zu liefern,76 der im Januar 1883 über­mittelt wurde. In diesem legte man sich auf einen freiwilligen Beitritt fest. Insofern finden sich viele der ursprünglich von Matthäus von Jodlbauer in die Diskussion eingebrach­ ten Punkte in der Resolution wieder, ergänzt um weitere Aspekte wie die Einführung von mehrjährigen Verträgen.77 c) Das Hagelversicherungsgesetz von 1884 Auf dieser Grundlage erarbeitete das bayerische Innenministerium unter der Federführung von Heinrich Haag einen Gesetzentwurf,78 den der neue Innen­ minister Freiherr von Feilitzsch am 29. September 1883 der Abgeordnetenkammer vorlegte.79 Ein daraufhin gebildeter spezieller Landtagsausschuss80 veröffentlichte am 14. Dezember 1883 seinen Abschlussbericht,81 dem eine Reihe von detaillierten Änderungsvorschlägen folgte.82 Die parlamentarischen Debatten über den mo 75 Damit wich er aber von dem ursprünglichen Zwangsvorschlag ab, der ja für alle Grundstücke einen obligatorischen Beitritt vorgesehen hatte. 76 Vgl. die ausführliche Debatte in: o. V., Bericht (1882) S. 359–399. Mit dem Votum für eine freiwillige Anstalt folgte man wohl der Auffassung der Mehrheit der bayerischen Landwirte, wie es Freiherr von Thüngen in der Debatte angesprochen hatte. 77 Vgl. o. V., Hagelversicherungsfrage (1883). 78 Vgl. BayHStA, M Ju 14858. 79 Vgl. SB Abgeordnete, 1883/84, Band 1, S. 130. 80 Vgl. SB Abgeordnete, 1883/84 Band 1, S. 135. U.a war der Abgeordnete Johann Geiger, der 1881 einen der erfolglosen Anträge gestellt hatte, Mitglied im Ausschuss. Vgl. SB Abgeordnete, 1883, Beilagen-Band 1, Beilage 62, S. 598. Auch in der Kammer der Reichsräte konstituierte sich ein Ausschuss. An den Beratungen nahmen u. a. Prinz Ludwig von Bayern, der Ehrenpräsident des landwirtschaftlichen Vereins sowie der eigentliche Vereinsvorstand Graf von Lerchenfeld-Köfering teil. Dieser übernahm auch den Ausschussvorsitz. Vgl. BayHStA, M Ju 14858. 81 Vgl. SB Abgeordnete, 1883, Beilagen-Band 1, Beilage 62, S. 583–604. 82 Diese wurden von dem Abgeordneten Winfried von Hörmann eingebracht. Vgl. SB Abgeordnete, 1883/84, Beilagen-Band 2, Beilage 72, S. 189–191. Daneben gab es weitere Änderungsanträge von Seiten einzelner Abgeordneter, welche aber nur redaktionelle Details betrafen.

II. Die Situation in Bayern

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difizierten Entwurf zogen sich vom 3. bis zum 10. Januar 1884 hin.83 Dies wird im Folgenden insofern berücksichtigt, indem das endgültige Gesetz (im Text als Paragraph wiedergegeben) mit dem ursprünglichen Ministeriumsentwurf (im Text als Artikel aufgeführt) verglichen wird.84 Nach Artikel eins des Entwurfes steht die auf dem Gegenseitigkeitsprinzip beruhende Anstalt85 unter staatlicher Leitung und besitzt die Rechte einer Stiftung. Einer der wesentlichen Diskussionspunkte wird in Artikel zwei geklärt, da die Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis beruht und von der Gesellschaft beschlossen werden muss. Im endgültigen Gesetz finden sich diese Bestimmungen in den Paragraphen eins und zwei. Die bayerischen Landwirte konnten sich damit also auch bei einem anderen Unternehmen versichern lassen, womit zugleich der freie Wettbewerb sichergestellt war. Die Landeshagelanstalt durfte auch Kunden ablehnen und für jede Gemeinde bzw. Flurstück eine maximale Deckungssumme fest­ legen. Aus versicherungstechnischen Gründen machte diese Bestimmung gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ Sinn. Zum einen wurden die Interessen der bereits versicherten Landwirte geschützt, zum anderen eine Konzentration von zu vielen schlechten Risiken verhindert.86 Auch konnte damit das Problem der Adversen Selektion, womit der ‚Hagel-AssekuranzVerein‘ zu kämpfen hatte, bewältigt werden. Artikel fünf des Ministeriumsentwurfes sieht feste Beiträge vor, womit gleichzeitig ein Nachschuss ausgeschlossen ist. Auch dies wurde unverändert in das Gesetz in Paragraph fünf übernommen. Die Beitragskalkulation sollte eigentlich auf statistischen Aufzeichnungen über die regionale Hagelschlagsverteilung beruhen. Da solche Daten auch um 1884 noch nicht umfassend vorhanden waren,87 griff man auf das Material über die in der Vergangenheit gewährten Steuernachlässe bei

83 Vgl. für die Debatten SB Abgeordnete, 1883/84, Band 1, S.  495–657. Vgl. für den im Verlauf des Kapitels diskutierten Gesetzentwurf BayHStA, M Ju 14858, für die Vorschläge des Ausschusses SB Abgeordnete, 1883, Beilagen-Band 1, Beilage 62, S. 583–604 sowie für das Konzept des Abgeordneten Hörmann SB Abgeordnete, 1883/84, Beilagen-Band 2, Beilage 72, S. 189–191. Falls nicht anders angegeben, wird auf diese Texte zurückgegriffen. 84 Vgl. für den endgültigen Gesetzestext Gesetz, die Hagelversicherungsanstalt betreffend in der Fassung vom 15. Februar 1884 (künftig HVG 1884). 85 Das Geschäftsgebiet der Anstalt sollte zunächst nur das rechtsrheinische Bayern umfassen und in der bayerischen Pfalz erst mit Wirkung vom 1. Januar 1886 in Kraft treten, um die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Vgl. HVG 1884, § 24. Tatsächlich konnte die Anstalt ihre Arbeit bereits zum 1. Januar 1885 aufnehmen. Vgl. May, Umschau (1884), S. 948. 86 Mit kontinuierlichem Wachstum der Anstalt verlor das Flurmaximum an Bedeutung und wurde 1910 ganz aufgegeben. Auch kam es nur selten zur Ablehnung eines Versicherungs­ antrages. Vgl. Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 61 f. 87 Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Idee der Verantwortlichen des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ unrealistisch, eine derartige Prämienkalkulation bereits 1833 durchführen zu wollen.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Hagelschlag zurück.88 Auch die Regelung des Beitragseinzugs wurde kommentarlos übernommen: Nach Artikel fünfzehn des Entwurfs, der in den Paragraph achtzehn einging, sind hierfür die Gemeindebehörden zuständig. Gleichzeitig sollten damit Kosteneinsparungen realisiert werden, was eine Senkung der Transaktionskosten bedeutete. Schließlich regelt Artikel zwölf des Entwurfs bzw. Paragraph fünfzehn des Gesetzes die Verwaltung der neuen Anstalt durch die Brandver­ sicherungskammer. Wichtige Punkte wurden aber auch kontroverser diskutiert, so dass der ursprüngliche Ministeriumsentwurf wesentlich verändert wurde. Dies betrifft beispielsweise die staatliche Unterstützung der neuen Gesellschaft. Die Beamten des Ministeriums sahen in Artikel zwanzig vor, dass der neuen Hagelanstalt aus den Überschüssen der Brandversicherungskammer ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 1.000.000 Mark als Grundkapital zur Verfügung gestellt werden sollte. Dem widersprach der Abgeordnetenausschuss und schlug vor, diese Summe aus der Staatskasse zu entnehmen. Begründet wurde dies damit, dass man sich nicht in der Lage sehe, frei über Gelder der Brandversicherung zu bestimmen. Neu war nun der Vorschlag eines staatlichen Zuschusses von 40.000 Mark pro Jahr. Das bayerische Innenministerium wollte zwar zu Beginn diese Beträge auf 600.000 Mark Grundkapital bzw. 35.000 Mark Zuschuss festlegen, stimmte aber schließlich dem Vorschlag der Abgeordneten zu  – wohl auch deshalb, da die Summe von 40.000 Mark ungefähr der seit 1834 gewährten jährlichen Steuer­ erleichterung bei Hagelschlägen entsprach.89 Durchsetzen konnte sich das Ministerium aber mit der Aufnahme einer neuen Klausel, nach der steuerliche Nach­ lässe grundsätzlich abgeschafft bzw. nur dann gewährt wurden, wenn die Kammer einem Landwirt die Versicherungsnahme verweigert hätte.90 Der endgültige Paragraph Zwölf, auf den man sich nach lebhaften parlamentarischen Diskussionen91 einigen konnte, sieht vor, bei den ursprünglichen vom Ausschuss vorgeschlagenen Geldern zu bleiben. Jedoch kam man auch der Regierung im Hinblick auf die grundsätzliche Aufhebung aller steuerlichen Vergünstigungen nach Hagelschlägen entgegen. Letztendlich bildet diese Klausel die Grundlage für die ökonomische Stabilität der Anstalt. Gleichzeitig stellt sie ein wichtiges Signal hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit dar.92 Verstärkt wurde dies mit dem Aufbau eines Reserve­ fonds, der im Gesetz in Paragraph vierzehn geregelt ist. An diesen wichtigsten Bestimmungen kann man erkennen, wie stark die Positionen des Landwirtschaftlichen Vereines bzw. die Ideen von Matthäus von Jodlbauer berücksichtigt wurden. Wie von diesem von Beginn an konzipiert, beruhte die neue ‚Landeshagelversicherungsanstalt‘ auf den Prinzipien des freiwil­ 88 Vgl. Ritter von Haag, Hagelversicherungsgesetz (1910), S. 71; von Jodlbauer, Versicherung (1889), S. 33 sowie Schmitt-Lermann, Jahre (1975), S. 214. 89 Ab 1898 wurde dieser auf 200.000 Mark im Jahr erhöht. 90 Vgl. SB Abgeordnete, 1883, Beilagen-Band 1, Beilage 62, S. 592. 91 Vgl. SB Abgeordnete, 1883/84, Band 1, S. 611–625. 92 Vgl. Lang, Hagelversicherung (1921), S. 153.

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ligen Beitritts, festen Prämien, dem Verzicht auf einen Nachschuss sowie der or­ ganisatorischen Anbindung an die Brandversicherungskammer.93 Das Gesetz wurde von der zweiten Kammer des bayerischen Parlaments am 10. Januar 1884 mit 151 zu 2 Stimmen angenommen,94 die Kammer der Reichsräte folgte am 31. Januar 1884 mit einem einstimmigen Beschluss.95 Mit der Ausfertigung des „Gesetz[es], die Hagelversicherungsanstalt betreffend“ am 13. Februar 1884 durch Ludwig II. konnte die weltweit erste öffentlich-rechtliche Hagelversicherungsanstalt96 am 1. März 1884 ihre Arbeit aufnehmen.97 Bereits im ersten Jahr versicherten 7.375 Landwirte Feldfrüchte im Wert von circa elf Millionen Mark.98 1887 hatte man schon 28.500 Kunden mit einem Bestand von über 42 Millionen Mark an Versicherungssumme und bis 1900 konnte das Unternehmen fast 126.000 Kunden mit mehr als 194 Millionen Mark an Beständen gewinnen.99 Zudem profitierten von dieser Entwicklung auch die übrigen in Bayern tätigen Hagelversicherer: 1887 betreuten sie rund 16.000 Landwirte,100 was im Vergleich zu den 6.100 Verträgen im Jahr 1884 eine bemerkenswerte Steigerung war.101 Abschließend sei noch auf das Schicksal des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘ hingewiesen, der während der gesamten Zeit weiterhin bestand, jedoch aufgrund der Attraktivität der neuen Anstalt kontinuierlich an Zuspruch verlor. 1889 hatte das Unternehmen nur noch 6.500 Mitglieder, weshalb in diesem Jahr die Auf­ lösung des ältesten bayerischen Hagelversicherers beschlossen wurde. Die Mehrheit der Kunden wechselte daraufhin zur ‚Landeshagelversicherungsanstalt‘.102 93

Dass nicht alle Punkte der ursprünglichen Ideen aufgegriffen wurden, zeigt z. B., dass von Jodlbauers Dividendenvorschlag keine Berücksichtigung mehr fand. 94 Vgl. SB Abgeordnete, 1883/84, Band 1, S. 657. 95 Vgl. Protokoll der siebenten öffentlichen Sitzung der Kammer der Reichsräthe (1883), S. 383. 96 Die Anstalt selbst besteht im Rahmen der Versicherungskammer Bayern bis heute. 97 Vgl. HVG 1884. Die rechtlichen Grundlagen der Anstalt waren einmal das HVG 1884 und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die nach § 16 des Gesetzes von der Brandversicherungskammer als Verwaltungsorgan der Anstalt erlassen wurden. Die Versicherungsbedingungen regeln Aspekte, die man nicht ins Gesetz aufnahm, um dieses nicht zu oft ändern zu müssen. Dazu zählen z. B. die Einteilung der Früchte in verschiedene Gefahrenklassen oder das konkrete Verfahren der Schadensschätzung. Die ursprünglichen Bedingungen sind abgedruckt in von Jodlbauer, Versicherung (1889), S. 43–46. 98 Die Hagelversicherung war Bestandteil des Immobiliar-Versicherungswesens, welches unter die im Rahmen der Reichsgründung ausgehandelten bayerischen Reservatrechte fiel und somit nicht von der Reichsgesetzgebung berührt wurde. Auch das Versicherungsaufsichtsund Versicherungsvertragsgesetz, welche nach der Jahrhundertwende in Kraft traten, hatten ebenfalls aus diesem Grund zunächst keine Gültigkeit in Bezug auf die ‚Landeshagelversicherungsanstalt‘. Um aber eine Vereinheitlichung im Versicherungswesen zu bekommen, wurde 1910 das HVG 1884 an die herrschende Rechtslage angepasst. Vgl. Ritter von Haag, Hagel­ versicherungsgesetz (1910), S. 31–33. 99 Vgl. Königliche Versicherungskammer, Leitung (1906), S. 91. 100 Vgl. von Jodlbauer, Versicherung (1889), S. 34. 101 Vgl. für die weitere geschäftliche Entwicklung auch den Anhang zu dieser Arbeit. 102 Vgl. Schmitt-Lermann, Jahre (1975), S. 206 f.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg: Eine weitere innovative Institution zur Gewährung von Hagelversicherungsschutz 1. Die Situation bis ungefähr 1890 Auch in Baden und Württemberg waren die Rahmenbedingungen für die Hagelversicherer ähnlich strukturiert wie im Rest von Süddeutschland. Als Folge der bei der Hofübergabe praktizierten Realteilung war die Flur größtenteils fragmentiert – was aber aus Risikogesichtspunkten wie gesehen durchaus von Vorteil sein kann. Erschwerend kam jedoch die bereits erwähnte große Bedrohung durch Hagelschläge, weshalb die in Norddeutschland tätigen Versicherer auch die beiden südwestdeutschen Länder ähnlich wie Bayern weitgehend mieden. Aber auch hier wurde die Lösung der Hagelversicherungsfrage vor dem Hintergrund der zunehmenden Marktausrichtung der Landwirtschaft eine immer größer werdende Notwendigkeit.103 Zunächst soll die Situation im Königreich Württemberg betrachtet werden. Vielleicht abermals eingedenk der letztendlich gescheiterten Versuche im 18.  Jahrhundert104 fand sich im Jahr 1828 eine Gruppe von Landwirten zusammen, um einen weiteren Hagelversicherer ins Leben zu rufen, der unter dem Namen ‚Würt­ tembergische Hagelversicherungs=Anstalt in Stuttgart‘ firmierte. Der Zuspruch zu der neuen Gesellschaft hielt sich aber in Grenzen, denn es sollte noch zwei Jahre dauern, ehe das Unternehmen mit einer Versicherungssumme von knapp 9,8  Millionen Mark den Betrieb aufnahm.105 Zwar war die ‚Württembergische‘ als Gegenseitigkeitsverein konzipiert, versicherte aber zu festen Prämien. Kunden konnten nur Landwirte werden, die ihren Grund und Boden ent­weder innerhalb der württembergischen Landesgrenzen oder in grenznahen Gebieten hatten. Die Tätigkeit der Anstalt war jedoch durch eine Reihe von Faktoren belastet. Zu den erwähnten schwierigen Rahmenbedingungen kam hinzu, dass man sich bezüglich des Geschäftsgebiets weitgehend auf das württembergische Territorium beschränkte, was die Möglichkeit der Risikodiversifikation limitierte. Auch lagen institutionelle Fehler vor: Zwar berücksichtigte die Prämie die Hagelempfindlichkeit der einzelnen Feldfrüchte, aber nicht das regionale Hagelauftreten. Allerdings darf in Bezug auf die statistische Basis der Prämienkalkulation nicht vergessen werden, dass solche Daten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vorhanden waren. 103 Vgl. neben der zitierten Literatur im Verlauf des Kapitels zu den ersten Versuchen in Baden und Württemberg auch Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S.  57–62 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 253; 256; 263. 104 Vgl. Kapitel D. I. 105 Vgl. Ramm, Hagelversicherungsfrage (1885), S. 39 sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 9. Die Versicherungssummen sind in der Mark-Währung des Kaiserreichs angegeben.

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg

281

Im Übrigen finden sich keine Hinweise, dass in Württemberg  – und nicht nur dort – auf andere Quellen wie die Aufzeichnungen über die gewährten Steuererleichterungen nach Hagelschlägen zurückgegriffen wurde, um die regionale Unwettergefahr für die Festsetzung der Versicherungsprämien abschätzen zu können. Dies genauer zu untersuchen, bleibt ein Desiderat der Forschung. Unabhängig davon war für den einzelnen Landwirt das Verfahren der Beitragsbestimmung von untergeordneter Bedeutung, hatte dieser doch ein Interesse an regelmäßigen und angemessenen Entschädigungszahlungen. Hier sah das Geschäftsmodell der ‚Württembergischen‘ einen Selbstbehalt vor, da Schäden im Verhältnis zu den vorhandenen Einnahmen ausbezahlt werden sollten.106 Problematisch war, dass aufgrund der Entscheidung, feste Beiträge zu erheben, nicht das Instrument des Nachschusses in Anspruch genommen werden konnte. Daher unterlagen die Zahlungen großen Schwankungen, wie nachstehende Angaben belegen: Bereits im ersten Geschäftsjahr 1830 wurden von mehr als 375.000 Mark an Forderungen lediglich 24.400 Mark vergütet. Dies hatte direkte Auswirkungen auf den Versicherungsbestand. Da offensichtlich eine Vertragskündigung schon nach einem Jahr möglich war,107 sank die Versicherungssumme von 9,8 Millionen Mark in 1830 auf 4,6 Millionen Mark im Jahr 1831. Die Entwicklung in den kommenden Jahren sollte auf einem ähnlichen Niveau verharren.108 Eine Besserung trat erst 1842 ein, als das Unternehmen eine jährliche Dotation von Seiten des württembergischen Staates in Höhe von 25.500 Mark zugewiesen bekam.109 Gleichzeitig wurde vereinbart, dass dies nicht auf Dauer angelegt sein sollte. Vielmehr wollte die Regierung damit die Beiträge für einige Jahre möglichst konstant halten, um der Gesellschaft die Akquisetätigkeit zu erleichtern. Man versprach sich davon, dass die ‚Württembergische‘ als Folge eines wachsenden Kundenstamms auch ohne Staatshilfe überleben könne.110 Geknüpft an die Zahlungen aus der Staatskasse war aber die Kontrolle der Geschäftstätigkeit durch einen Regierungskommissar und die Forderung nach einer Statutenüberar­ beitung. Einer der wichtigsten Punkte war hierbei die Begrenzung der Schadensvergütung auf maximal 75 Prozent. Zwar dürfte diese Erhöhung des Eigenanteils zu einer weiteren Verstimmung auf Kundenseite geführt haben, aber angesichts der schwachen finanziellen Basis hatte die Gesellschaft wohl keine andere Mög 106 Dessen Höhe ist nicht bekannt, er muss aber unter den von der Regierung einige Jahre später propagierten 25 Prozent gelegen haben. 107 Die erste Satzung der ‚Württembergischen‘ konnte nicht mehr im Original ermittelt werden, weshalb dieser Punkt nicht zu verifizieren ist. Alle Anzeichen sprechen aber dafür, dass die Mindestvertragslaufzeit nur ein Jahr betrug, was wiederum die mittelfristige finanzielle Planung der Gesellschaft erschwerte. 108 Vgl. falls nicht anders zitiert Thuemen, Geschichte (1896), S. 9–11. 109 Vgl. Fratzscher, Versicherung (1914), S. 9. Auch Württemberg-Hohenzollern subventionierte die Gesellschaft, wobei das Ausmaß nicht bekannt ist. Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 245. 110 Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 266; 274.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

lichkeit. Insgesamt hatte aber das Signal des Staatszuschusses und die damit verbundenen Satzungsänderungen wohl eine Steigerung des Vertrauens in die Arbeit des Unternehmens zur Folge, was sich auch auf die Versicherungsnahme auswirkte: Gab es 1831 3.689 Versicherungsnehmer, waren es 1846111 schon 24.710. Parallel dazu erhöhte sich die Versicherungssumme von knapp 4,6  Millionen Mark auf 19,2 Millionen Mark.112 Schwere Niederschläge in den Jahren 1845, 1846 und 1847, welche Missernten und große Versorgungsengpässe zur Folge hatten, führten bei der ‚Württem­ bergischen‘ dazu, dass lediglich 34 bzw. zweimal je 25 Prozent der nominalen Entschädigungssummen zur Ausschüttung kamen.113 Speziell in diesen Krisenjahren dürfte das Fehlen eines großen Teils der Entschädigungssummen die Not speziell der Besitzer von kleineren Höfen nochmals verschärft haben. Daher ist es wenig überraschend, dass die Anstalt im Revolutionsjahr 1848 einen gewaltigen Aderlass hinnehmen musste: Anstatt circa 28.500 Kunden im Jahr 1847 versicherten ein Jahr später nur mehr ungefähr 11.150 Landwirte bei der Gesellschaft. Die Versicherungsbestände sanken entsprechend von 24,7 Millionen Mark auf 11,3 Millionen Mark.114 Dieser Negativtrend sollte sich fortsetzen, wobei das Jahr 1853, als erneut schwere Unwetter auftraten, den Tiefpunkt der Unternehmensgeschichte darstellt: Von 2,1 Millionen Mark an Schadensansprüchen wurden lediglich knapp 140.000 Mark ausbezahlt. Im selben Jahr erhielten zudem die ‚Kölnische Hagel‘ und die ‚Magdeburger Hagel‘ eine Konzession für Württemberg. Beide konnten höchstwahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit die wenigen verbliebenen Kunden der ‚Württembergischen‘ übernehmen. Verantwortlich hierfür dürften die schon diskutierten, in diesen Jahren besonders attraktiv erscheinenden Instrumente der Kapitalgesellschaften, nämlich die feste Prämie sowie die Garantie des vollen Schadensersatzes, gewesen sein. Folgerichtig bedeutete das Auftreten der neuen Konkurrenz auch das Aus für den ersten länger am Markt tätigen württembergischen Hagelversiche­ rer, da die Anstalt wenige Monate später aufgelöst wurde. Wie gering der Erfolg der ‚Württembergischen‘ über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens war, ist daran abzulesen, dass nur einmal – nämlich im Jahr 1833 – genug Mittel vorhanden waren, um alle Schadensansprüche zu befriedigen.115 Welchen Einfluss die Höhe der Schadensvergütung auf die Versicherungsnahme hat, kann anschaulich anhand der Entwicklung der Anstalt in nachfolgender Tabelle abgelesen werden:

111 Leider liegen keine Zahlen aus unmittelbaren Vorgängerjahren vor, welchen den Effekt noch besser demonstriert hätten. 112 Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 244. 113 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 11 f. 114 Interessanterweise bedeutet dies, dass die Bestände von 1846 mit 19,2 Millionen innerhalb eines Jahres auf 24,7 Millionen Mark angewachsen waren. 115 Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 12 f.

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg

283

Tabelle 8 Mitgliederentwicklung der ‚Württembergischen Hagel‘ von 1830 bis 1847 Jahr

Schadensvergütung (in Prozent)

Mitgliederentwicklung

1830

6,5

− 2.151

1832

10,0

− 6.247

1833

100,0

3.887

1835

18,0

− 5.248

1836

47,0

474

1837

18,0

− 3.099

1840

75,0

807

1842

75,0

3.726

1844

75,0

5.361

1847

25,0

− 17.312

Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 13.

Den Zahlen zufolge stellt das prozentuale Ausmaß der geleisteten Entschädigung ein mehr oder minder starkes Signal hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft dar, so dass in den Jahren, in denen hohe Quoten zur Auszahlung kamen, ein Mitgliederanstieg aufgrund des wohl wachsenden Vertrauens folgte. Umgekehrt ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar. So führte beispielsweise die Ausbezahlung von 100 Prozent im Jahr 1833 zu einem Anstieg um fast 3.900 Versicherte. Anders verhielt es sich 1837, als nur knapp ¹∕5 ausbezahlt wurde und mehr als 3.000 Kunden ihre Verträge auflösten. Die kurzfristigen Schwankungen sind sicher auch daraufhin zurückzuführen, dass die Verträge bei der ‚Württembergischen‘ allen Anschein nach jährlich gekündigt werden konnten. Eine Auswertung des Zahlenmaterials von anderen Hagelversicherern dürfte aber ein ähnliches Bild in Bezug auf die Fluktuation liefern. Festzuhalten bleibt, dass bis auf die Tätigkeit der privaten Hagelversicherer, die aufgrund der Verpflichtungen gegenüber ihren norddeutschen Versicherungs­ nehmern wohl ähnlich restriktiv in der Vertragsannahme waren wie in Bayern,116 die württembergischen Landwirte auf keinen flächendeckenden funktionierenden

116

Für die ersten Jahre der Geschäftstätigkeit der ‚Kölnischen Hagel‘ und ‚Magdeburger Hagel‘ konnte kein Material ermittelt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass beide Gesellschaften ähnlich zurückhaltend in Bezug auf die Vertragsannahme wie im Nachbarland Bayern waren.

284

E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

Hagelversicherungsschutz zurückgreifen konnten. Wie sah es aber im westlichen Nachbarland, dem Großherzogtum Baden aus? Dort wurde 1834 die ‚Badische Landes-Hagel-Versicherungsanstalt‘ mit Sitz in Freiburg gegründet. Allerdings ist über diese nur wenig bekannt: Sie begann mit 494 Kunden bzw. 241.700  Gulden an Versicherungssumme und hatte bis 1846, dem wahrscheinlichen Jahr der Liquidation,117 lediglich 1.481  Mitglieder oder 1,13 Millionen Gulden an Beständen erreicht. Das Unternehmen versicherte hauptsächlich badische Landwirte, vereinzelte Kunden gab es zudem im Großherzogtum Hessen,118 der Schweiz und den Hohenzollernschen Landen. Auch bei der ‚Badischen‘ bestand das Haupthindernis für den geschäftlichen Erfolg in der geringen Schadensvergütung, die im Durchschnitt bei lediglich 30  Prozent lag. Zudem erhielt die Gesellschaft anders als die ‚Württembergische‘ keinerlei Subventionen.119 Obwohl weitere private Hagelversicherer in den beiden südwestdeutschen Ländern mit der Zeit die Arbeit aufnahmen, entwickelte sich die Versicherungs­ neigung in Württemberg und Baden insgesamt nur mäßig. Zwar konnten beispielsweise die sieben in Württemberg tätigen Hagelversicherer120 zwischen 1882 und 1888 im Durchschnitt 7.541 Landwirte mit einer Versicherungssumme von circa 12,2 Millionen Mark betreuen. Auf die gesamte Agrarfläche im Land betrachtet bedeutete dies aber, dass lediglich zwischen 3,2 und 5,2 Prozent der Flur versichert war.121 Die Situation der Hagelversicherung in beiden Ländern war also auch nach knapp 60 Jahren immer noch unbefriedigend, was von den politisch Verantwortlichen auch erkannt wurde. Welche Schritte man zur Lösung dieses Problems unternahm, soll nun im folgenden Kapitel diskutiert werden. 2. Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft: Die Staatsverträge in Baden und Württemberg Auslöser für die folgende Entwicklung waren abermals schwere Hagelschläge in den Jahren 1889 und 1890, welche alleine in Baden Schäden im Wert von 3,5 bzw. 4 Millionen Mark verursachten. Viele der dort lebenden Landwirte wurden überdurchschnittlich schwer getroffen, weshalb für deren wirtschaftliches Über 117

Thuemen gibt hier das Jahr 1846 an, Rohrbeck dagegen 1853. Vgl. Thuemen, Geschichte (1896), S. 17 sowie Rohrbeck, Organisation (1909), S. 77. 118 In Hessen wurde 1854 ebenfalls eine neue Hagelversicherung gegründet, die jedoch nach zehn Jahren ihre Tätigkeit wieder einstellen musste, ohne nennenswerte Wirkung erzielt zu haben. Vgl. Suchsland, Hagelversicherungsfrage (1890), S. 60. 119 Vgl. Helferich, Versicherung (1847), S. 244 sowie Thuemen, Geschichte (1896), S. 17. 120 Um welche Unternehmen es sich neben der ‚Kölner Hagel‘ und der ‚Magdeburger Hagel‘ gehandelt hat, ist nicht bekannt. 121 Vgl. Heck, Beiträge (1895), S. 13.

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg

285

leben die Regierungen der beiden Staaten außerordentliche finanzielle Hilfe gewähren mussten.122 Da dies aber nur die unmittelbaren Folgen der beiden Extremjahre decken konnte, intensivierte sich sowohl in Baden als auch in Württemberg die politische Diskussion über eine langfristig tragbare Lösung für das Hagelver­ sicherungsproblem. Interessanterweise wurde im Zuge der dabei erörterten Vorschläge die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Hagelversicherungsgesellschaften nach bayerischem Vorbild schon früh verworfen. Die Gründe hierfür sind nicht eindeutig nachzuvollziehen. Höchstwahrscheinlich dürfte das Fehlen eines bereits vorhandenen organisatorischen Rahmens – wie er im Fall der Landesbrandversicherungsanstalt in Bayern zur Verfügung stand – sowie der begrenzte finanzielle Spielraum der beiden südwestdeutschen Länder den Ausschlag gegeben haben, einen anderen Lösungsansatz zu verfolgen. Den Anfang machte das Großherzogtum Baden. Nach Diskussionen auf ministerieller Ebene entschied man sich im Jahr 1890 dafür, der Kooperation mit einer privaten Hagelversicherungsgesellschaft den Vorzug zu geben. Als Ergebnis der entsprechenden Ausschreibung bekam schließlich die ‚Norddeutsche Hagel‘ den Zuschlag. Warum dies der Fall war, ist größtenteils lediglich über unternehmenseigenes und damit nur bedingt objektives Material zu rekonstruieren. Dieses betont jedenfalls, dass insbesondere die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft entscheidend für den Zuschlag gewesen sei. Zweifellos dürfte die Größe der ‚Norddeutschen‘ und auch deren rasches Wachstum eine entscheidende Rolle in diesem Zusammenhang gespielt haben. Vergessen werden darf aber nicht, dass auch andere Unternehmen ein nicht unbedeutendes ökonomisches Gewicht in die Waagschale werfen konnten. Ob speziell bei den Kapitalgesellschaften bestimmte Ressen­timents zum Tragen kamen123 oder andere Dinge wie die gezielte politische Einflussnahme oder Lobbyarbeit eine Rolle gespielt haben, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Ziel des am 7. Februar 1891 unterzeichneten Abkommens war es, die Versiche­ rungsnahme der badischen Landwirte, von denen bis zu diesem Zeitpunkt gerade einmal drei Prozent überhaupt einen Hagelversicherungsvertrag bei einer privaten Gesellschaft abgeschlossen hatten, deutlich zu steigern. Man vereinbarte, für das Gebiet des Großherzogtums einen weiteren Bezirksverein der ‚Norddeutschen Hagel‘ zu schaffen. Für das eigentliche Versicherungsgeschäft war die neue Generalagentur Karlsruhe zuständig, der die Hauptagenturen unterstellt waren, von der es in jedem der 11 badischen Kreise124 eine gab. Die so genannten Spezialagenten besorgten das Geschäft vor Ort. Die Risikoübernahme durch die ‚Norddeutsche‘ beruhte auf folgendem Konstrukt: Im Gegenzug für die Mög 122

Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 263. Speziell dieser Punkt wird im Verlauf des Kapitels noch thematisiert werden. 124 Seit 1864 war Baden in die vier Bezirke bzw. Landeskommissariate Konstanz, Freiburg, Karlsruhe und Mannheim eingeteilt. Darunter gab es als weitere Verwaltungsebene 11 Kreise, die wiederum jeweils mehrere der 52 (später 57) Amtsbezirke umfassten. Die Gemeinden bildeten schließlich die lokale Verwaltungseinheit. Vgl. Meyers Konversations-Lexikon, Band 2 (1894/1897), S. 318. 123

286

E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

lichkeit, gegen Hagelschlag zu versichern, gewährte der badische Staat finanzielle Unterstützung, um die über das normale Ausmaß hinausgehenden Forde­ rungen zu ver­güten. Dies bedeutete nichts anderes als eine Subventionierung des Versicherungsvertrags.125 Das Risiko wurde in zwei Schritten in der Versicherungsprämie abgebildet: Erstens sollte für jeden Kunden dessen individuelles Hagelrisiko möglichst genau berücksichtigt werden. Hierfür legten Regierung und Gesellschaft für jeden der Amtsbezirke einen bestimmten Teil  der Vorprämie126 separat fest. Zweitens errechnete man für eine weitere Verfeinerung der jeweiligen Versicherungsprämie für alle Gemeinden jeweils eine Quote, welche die Hagelgefahr der letzten Jahre widerspiegelte. Alle diese Gelder flossen wiederum in einen so genannten Kreishagelfonds.127 Die eigentliche Subventionierung erfolgte im Rahmen der Nachschussforderung. Parallel zu den Kreishagelfonds wurden Reservefonds geschaffen, in die zunächst die Überschüsse der Eigenleistungen der Versicherungsnehmer eingingen. Trat nun der Nachschussfall ein, dienten diese Mittel zur Begleichung der Forderungen der ‚Norddeutschen Hagel‘. Sollten diese noch nicht erfüllt sein, hatte der badische Staat die Differenz beizusteuern, wobei gleichzeitig alle anderen bisher gewährten Unterstützungszahlungen im Fall eines Hagelschlags eingestellt wurden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die strenge statistische Fundie­ rung des Modells, was darauf hindeutet, dass sich die versicherungstechnische Methodik bzw. die Datengrundlage verbessert hatte. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Klagen, die noch wenige Jahre zuvor über genau den Mangel an derartigen Angaben geäußert wurden, vor Augen führt. Im Übrigen sicherte sich die badische Regierung für die faktische Monopolstellung, welche sie der Gesellschaft gewährte, umfassende Rechte auf den Einblick in die laufenden Geschäfte zu, was neben der Vorlage von Geschäftszahlen auch die Entsendung eines Ver­ treters in den Verwaltungsrat beinhaltete. Die Partnerschaft zwischen Staat und privater Wirtschaft entwickelte sich zu einem ansehnlichen Erfolg für beide Seiten: Betrug die in Baden abgeschlossene Versicherungssumme 1891 immerhin schon 4,6 Millionen Mark, stieg sie bis 1899 auf 30  Millionen Mark an. Insgesamt 970.000  Mark an Einnahmen wurden in diesem Zeitraum erzielt, denen Ausgaben in Höhe von 915.000 Mark gegenüberstanden. Nominell verblieb höchstwahrscheinlich ein Gewinn von 55.000 Mark, wenngleich in diesem Zusammenhang andere bei der Gesellschaft anfallende Kosten nicht bekannt sind. Zudem dürfte wohl auch die Staatskasse von dem Modell profitiert haben, da die Subventionen sehr wahrscheinlich weniger betrugen

125

Vgl. Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1969), o. S. Auch im Rahmen der Staatsverträge wurde das Vorbeitrags-Nachschuss-System prak­ tiziert. 127 Vgl. z. B. für den Kreis Konstanz Gaub-Meßkirch, Bericht (1893), o. S. 126

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg

287

als die bisher nach Hagelschlägen gewährten Zuwendungen. Eine andere Konstruktion des Staatsvertrags hätte wohl auch keinen Sinn gehabt. Die Vereinbarung zwischen der ‚Norddeutschen Hagel‘ und Baden brachte also beiden Seiten Vorteile ein. Daher weckte sie schon bald das Interesse der württem­ bergischen Regierung. Da auch in Württemberg das Hagelversicherungs­problem immer noch nicht gelöst war und die Alternative der Gründung einer eigenen Staatsanstalt ebenfalls verworfen wurde,128 trat man wie das Nachbarland in Verhandlungen mit der ‚Norddeutschen Hagel‘ ein. Von Vorteil war, dass das Unternehmen im Land keine unbekannte Größe darstellte, da es dort seit 1884 tätig war. Allerdings scheiterten die ersten Gespräche zunächst, weil insbesondere über das Ausmaß der Subventionen keine Einigung erzielt werden konnte. Der Erfolg des badischen Abkommens sowie die immer wieder auftretenden schweren Hagelschläge führten jedoch zu einer Wiederannäherung, so dass am 12. Juni 1896 der endgültige Vertrag unterzeichnet wurde. Die Bestimmungen orientierten sich dabei an dem badischen Vorbild. Das Versicherungsgeschäft besorgte eine neu gegründete Generalagentur mit Sitz in Stuttgart. Jeder der 63 Oberamtsbezirke129 erhielt eine eigene Bezirksagentur, welche die für die lokale Kundenbetreuung zuständigen Unteragenten einsetzte. Anders als in Baden gab es nicht nur einen, sondern analog zu den würt­tembergischen Kreisen vier Bezirksvereine.130 Die Gestaltung des Vorprämiensatzes orientierte sich ebenfalls an dem mit Baden geschlossenem Abkommen, da basierend auf der vorhandenen Hagelschlagstatistik für jede Gemarkung eine individuelle Prämie in zwei Stufen berechnet wurde: Gemäß den Niederschlägen aus der Vergangenheit gab es zunächst für jeden Oberamtsbezirk eine Grund­ prämie. Abhängig vom lokalen Hagelauftreten schlug man entweder einen be­ stimmten Betrag darauf oder zog eine Summe ab. Auch die Nachschussregelung wurde aufgrund der Bildung von zwei verschiedenen Fonds vom Grundprinzip her übernommen. Unterschiede gab es aber in den Detailbestimmungen: In den Hagelfonds hatte jeder Kunde jährlich 20 Pro 128

Die Diskussionen hierüber verliefen ähnlich wie in Bayern, da neben dem Parlament auch der landwirtschaftliche Verein entsprechende Gutachten abgab. Ein Gesetzesentwurf, der sich am bayerischen Vorbild orientierte, fand seinen Weg in den parlamentarischen Prozess, wurde aber letztendlich zugunsten des Staatsvertrages verworfen. 129 Auch in diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die damaligen Verwaltungsstrukturen des Landes erforderlich: Württemberg war in vier Kreise – den Neckarkreis, Schwarzwaldkreis, Jagstkreis und Donaukreis  – eingeteilt, die aus 63 (später 66) Oberamtsbezirken bestanden. Stuttgart hatte eine Sonderstellung inne und bildete einen eigenen Stadtdirektionsbezirk. Mehrere Gemeinden wiederum waren in einem Oberbezirk zusammengeschlossen. Vgl. ­Meyers Konversations-Lexikon, Band 17 (1894/1897), S. 894; 897 f. 130 Jeder Bezirksverein konnte einen Delegierten in die Generalversammlung schicken, sofern eine jährliche Versicherungssumme von mehr als 5 Millionen Mark erzielt worden war. Andernfalls bestand auch die Möglichkeit, dass sich zwei Bezirksvereine zusammenschlossen, um dann gemeinsam einen Vertreter zu entsenden.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

zent der Vorprämie als Reserve einzuzahlen. Sollten diese Gelder nicht zur Deckung der Schäden ausreichen, schoss der württembergische Staat einen bestimmten Betrag  – zu Beginn waren dies maximal 160.000  Mark  – nach. Der zweite Topf diente der Vorsorge für besonders schwere Schadensjahre. Sollte nämlich in einem Jahr die gesamte Bruttoschadenssumme aus dem württembergischen Geschäft mehr als 150  Prozent der dortigen Vorprämie betragen und gleichzeitig diese Schadensquote diejenige aus dem restlichen Hagelversicherungsgeschäft der Gesellschaft um mindestens 10 Prozent übersteigen, zog man diesen Fonds heran. Dies diente auch der Entlastung der übrigen Kunden der ‚Norddeutschen‘. Die Gelder hatten die württembergischen Versicherungsnehmer aber alleine aufzubringen, indem ein weiterer jährlicher Zuschlag von 10 Prozent von der Vorprämie bezahlt werden musste. Für Kontrollzwecke ließ sich das Innenministerium jährlich über das Hagelversicherungsgeschäft der ‚Norddeutschen‘ ausführlich informie­ ren und forderte beispielsweise die Zahl der Versicherungsnehmer oder die genannten Schadensquoten an. Zudem gestand das Unternehmen einem Vertreter des Ministeriums das Recht auf Teilnahme an den Verwaltungsratssitzungen zu. Was bedeuteten diese Verträge in der Praxis für die davon betroffenen Par­ teien, also für die beiden Regierungen‚ die ‚Norddeutsche Hagel‘, die badischen und württembergischen Landwirte, die Konkurrenzunternehmen sowie für die übrigen Versicherungsnehmer der Gesellschaft? Baden und Württemberg konnten für sich in Anspruch nehmen, mit dieser innovativen Idee ihren Landwirten einen erschwinglichen Versicherungsschutz zur Verfügung gestellt zu haben. Daneben dürfte die Vereinbarung beide Länder im Vergleich zu den bisher gewährten Steuer­erleichterungen bzw. angesichts der Alternative, jeweils eine eigene Landesanstalt aufbauen zu müssen, billiger gekommen sein. Auch die Versiche­ rungsnehmer in beiden Ländern waren Gewinner, konnten sie nun doch ihre Feldfrüchte relativ unproblematisch absichern lassen. Das Unternehmen selbst profi­ tierte ebenfalls von der Ausweitung des Geschäftes nach Süddeutschland. Zwar verschlechterte sich zunächst das Risikoportfolio durch Vertragsabschlüsse in beiden Ländern, gleichzeitig waren aber die entsprechenden Sicherheiten durch die staatlichen Subventionszusagen vorhanden. Allerdings ergaben sich neben diesen positiven Effekten auch Schwierigkeiten für manche der beteiligten Gruppen. So geriet die faktische Monopolstellung,131 welche man der ‚Norddeutschen Hagel‘ einräumte, von verschiedenen Seiten in die Kritik. An erster Stelle standen dabei die Mitwettbewerber. Beispielsweise legten die Hagelversicherungsaktiengesellschaften Protest gegen den badischen Staatsvertrag und die damit für sie verbundenen Nachteile ein. Ob Monopole sinnhaft 131 Den anderen Hagelversicherungsgesellschaften stand es grundsätzlich frei, nach Abschluss der Staatsverträge weiterhin in beiden Ländern tätig zu sein, wovon vereinzelt auch Gebrauch gemacht wurde. Vor dem Hintergrund der beiden Vereinbarungen waren die Konkurrenzunternehmen jedoch in einer schwachen Wettbewerbsposition, weshalb die erwirtschafteten Summen im Vergleich zum De Facto-Monopolisten marginal ausfielen.

III. Staatsverträge mit Baden und Württemberg

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sind oder nicht, mag dahingestellt sein und soll hier nicht weiter diskutiert werden. Jedoch verwies die Regierung des Großherzogtums – teilweise zu Recht – darauf, dass die Kapitalgesellschaften Verträge in Baden und anderen süddeutschen Ländern bislang gar nicht oder nur zu erhöhten Prämien abgeschlossen hätten. Einmal mehr zeigt sich hier das schon öfters angeklungene latente Misstrauen gegenüber den Aktiengesellschaften, unabhängig davon, ob es auf Tatsachen beruhte oder nicht. In Württemberg formierte sich auf politischer Seite Widerstand gegen das Monopol: Wohl um nicht allzu sehr nur von einem Versicherer abhängig zu sein, forderten einige Landtagsabgeordnete eine Ausweitung des Staatsvertrags auf andere Versicherungsgesellschaften. In seiner Antwort lehnte das Innenministerium dies mit dem Hinweis ab, dass die organisatorischen und finanziellen Voraus­ setzungen anderer Unternehmen nicht mit denjenigen der ‚Norddeutschen Hagel‘ verglichen werden könnten, weshalb die reibungslose Umsetzung des Staatsvertrages bei Öffnung für andere Versicherer nicht gewährleistet sei. Schwerwiegender für die ‚Norddeutsche‘ war aber der Protest ihrer übrigen Versicherungsnehmer. Die Kritik, die sich an den Staatverträgen entzündete, kann als Beispiel für eine nicht vorhandene Prämiendifferenzierung angesehen werden. Konkret weigerten sich nämlich die norddeutschen Landwirte, mit ihren Beiträgen die Verträge in Süddeutschland quasi zu subventionieren. Besonders laut wurde dieser Missmut 1897, als beispielsweise in Württemberg erneut katastrophale Schäden auftraten. Höchstwahrscheinlich zur Diskreditierung des Unternehmens wurden die Proteste auch von Seiten der Konkurrenten unterstützt. Als Reaktion auf den Unmut ihrer Kunden erhöhte zwar die ‚Norddeutsche Hagel‘ in Württemberg die Vorprämien um 50 Prozent,132 konnte damit aber die aufgebrachten Gemüter nicht gänzlich beruhigen. Ihr Druck auf die ‚Norddeutsche‘ nahm sogar noch zu, als 1898 aufgrund der Tätigkeit der Gesellschaft in Süddeutschland eine große Zahl von Landwirten ihre Verträge nicht mehr verlängerte. Als Folge sah sich das Unternehmen gezwungen, das Abkommen mit Württemberg ganz aufzukündigen und gleichzeitig die badische Vereinbarung einer umfassenden Revision zu unterziehen. Nach langen Verhandlungen wurden beide Verträge zwar erneuert, jedoch nur unter der Bedingung von wesentlich höheren Subventionen, die Württemberg 1899 und Baden im Jahr 1900 schließlich zusicherten. War aber die Kritik der norddeutschen Kunden überhaupt berechtigt? Betrachtet man die Geschäftszahlen, kommen Zweifel auf: Beispielsweise schloss die ‚Norddeutsche Hagel‘ bis 1894 in den süddeutschen Ländern133 Verträge im Wert 132 In Elsaß-Lothringen, wo eine ähnliche Vereinbarung seit 1896 in Kraft war, stieg der Vorbeitrag um 30 Prozent an. 133 Das Unternehmen war ab 1879 auch in Bayern tätig. Außerdem schloss man schon vor den Staatsverträgen in den Jahren 1881, 1884 und 1887 einzelne Verträge in Elsaß-Lothringen, Württemberg und Baden ab, womit sich das Geschäftsgebiet auf das gesamte Deutsche Reich ausgedehnt hatte. Daneben wurden schon einige Versicherungen außerhalb der deutschen Grenzen vermittelt, so in Österreichisch-Schlesien und Böhmen. Vgl. Gruner, Festschrift (1894), S. 7 f.

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E. Die Lösung des Hagelversicherungsproblems in Süddeutschland   

von ungefähr 293 Millionen Mark ab, wobei den 3,1 Millionen Mark an Einnahmen Entschädigungen von 2,4 Millionen Mark gegenüberstanden. Selbst nach Berücksichtigung aller weiteren Kosten – deren Höhe aber nicht bekannt ist – ist mit einiger Sicherheit ein Gewinn aus dem süddeutschen Geschäft verblieben. Zudem wäre die Gesellschaft bei Verlusten nicht an einer Verlängerung der Zusammenarbeit interessiert gewesen. Auch die angebliche Verschlechterung des Versicherungsportfolios, welche implizit ebenfalls kritisiert wurde, ist nicht erkennbar. 1893 betrug beispielsweise die in den süddeutschen Ländern erwirtschaftete Versicherungssumme 40 Millionen Mark. Insgesamt wurden in diesem Jahr aber Werte von knapp 596 Millionen in Deckung genommen. Somit nahm das süddeutsche Geschäft einen Anteil von nicht einmal sieben Prozent ein.134 Das Unternehmen hatte wohl den Forderungen seiner norddeutschen Versicherten weniger aus ökonomischer Notwendigkeit als vielmehr für deren Beruhigung nachgegeben. Dass zudem als Folge der Nachverhandlungen günstigere Bedingungen erzielt werden konnten, darf ebenfalls nicht vergessen werden. Bemerkenswerterweise ist nach Revidierung der Verträge135 auch keine weitere Kritik daran überliefert,136 weshalb die positiven Signale der Erhöhung der Staatszuschüsse ihre Wirkung nicht verfehlt haben. An der grundsätzlichen Nützlichkeit der beiden Staatsverträge besteht im Übrigen kein Zweifel, haben diese doch bis auf ein kurzes Aussetzen im Jahr 1923 bis heute Bestand.137

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Vgl. Gruner, Festschrift (1894), S. 8. Neben Baden, Württemberg und Elsaß-Lothringen gab es auch ab 1900 eine Regelung mit den Hohenzollerschen Ländern sowie von 1904 bis 1912 mit Hessen. Vgl. Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1919), S. 41 f. 136 Vgl. Schmitt-Lermann, Jahre (1975), S. 212. 137 Vgl. neben der zitierten Literatur zur Entwicklung der Staatsverträge auch Weis, Geschichte (1905), S.  48–60, Rohrbeck, Organisation (1909), S.  69–73 sowie Ammon, Geschichte (1937), S. 47–130. 135

F. Zwischen den beiden Weltkriegen: Inflation, Konsolidierung und Extremismus Nach der Analyse der Lösung der Hagelversicherungsfrage in Süddeutschland verfolgt die Arbeit in den folgenden Kapiteln wieder einen chronologischen Aufbau und untersucht die Branchengeschichte ab 1918. Wie in Kapitel D.IV.3.b) nachgewiesen werden konnte, war in den letzten Jahren des Kaiserreichs ein Mas­ senmarkt für die Hagelversicherung entstanden, womit die Branche in die vierte Phase des der Arbeit zugrundeliegenden versicherungshistorischen Entwicklungsmodells eintrat. Verbunden mit dieser Branchenreife war die Tatsache, dass ver­ sicherungstechnische und organisatorische Fragestellungen zunehmend in den Hintergrund gerieten. Aus diesem Grund werden in den restlichen Kapiteln der Studie neben brancheninternen Schwierigkeiten schwerpunktmäßig auch exo­ gene Faktoren analysiert, welche zum Teil erheblichen Einfluss auf das Hagelver­ sicherungsgeschäft ausübten. Hierzu zählen beide Weltkriege, aber auch das zwei­ malige Auftreten der Inflation. Kapitel F.I. untersucht die Zeit der Weimarer Republik, beginnend mit der Revolution 1918 über die ‚Goldenen Jahre‘ bis hin zum Untergang im Jahre 1933. Dabei widmet sich Kapitel F.I.1. der unmittelbaren Nachkriegszeit und diskutiert schwerpunktmäßig den Umgang der Branche mit der ersten der beiden schweren Geldentwertungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Kapitel F.I.2. stellt eine außergewöhnliche Folge der Währungszerrüttung vor, als mit der Gründung der ‚Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Aktiengesellschaft‘ die bis dato erfolgreiche Entwicklung der ‚Norddeutschen Hagel‘ bedroht war. Kapitel F.I.3. zeichnet die Branchengeschehnisse in den verbliebenen Jahren der Weimarer Republik nach. Kapitel F.II. untersucht die Rolle, welche die Hagelversicherung in der Zeit des ‚Dritten Reiches‘ gespielt hat. Ein Fazit beschließt diesen Abschnitt der Branchengeschichte.

I. Die Zeit der Weimarer Republik 1. Die unmittelbare Nachkriegszeit: Verkleinertes Geschäftsgebiet und Währungsverfall Als in den frühen Novembertagen 1918 im Deutschen Reich die Revolution ausgebrochen war – der bayerische König hatte am 7. November abgedankt, Kaiser Wilhelm II. ging am 9. November ins holländische Exil –, waren trotz der Bildung einer provisorischen Regierung die langfristigen politischen, gesellschaft-

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F. Zwischen den beiden Weltkriegen  

lichen und wirtschaftlichen Folgen des verlorenen Krieges in ihrer Gänze nicht absehbar.1 2,4 Millionen deutsche Soldaten waren im Krieg gefallen, dazu kamen 4,8 Millionen an verwundeten Heimkehrern, von denen ungefähr 2,7 Millionen dauerhaft invalide blieben und oft früh verstarben.2 Die eigentlichen Friedensbedingungen und damit die von Deutschland zu leistenden Entschädigungen wurden im Vertrag von Versailles festgelegt, der am 28. Juni 1919 auf Druck der Alliierten von den deutschen Vertretern unterschrieben werden musste und im Januar 1920 in Kraft trat. Vom überwiegenden Teil der deutschen Öffentlichkeit als „Schmachfrieden“3 tituliert, den es schnellstmöglichst zu revidieren galt, bestimmte das Dokument die Abtretung von rund 70.000 km² oder 13  Prozent des bisherigen Reichsgebiets. Die größten Verluste betrafen Elsaß-Lothringen, das an Frankreich zurückging sowie Posen und Westpreußen – der so genannte Korridor –, welches Teil der neu geschaffenen Republik Polen wurde.4 Vor diesem Hintergrund vollzog sich für die deutsche Wirtschaft und damit auch für die Hagelversicherung der schwierige Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft. Unmittelbar nach Kriegsende wies die Hagelversicherungsbranche folgende Struktur auf: Die nominale Versicherungssumme betrug knapp 5,2  Milliarden Mark,5 wobei dieser Wert mit großer Wahrscheinlichkeit als Folge der schleichenden Geldentwertung verzerrt ist. Die vier noch bestehenden Aktiengesellschaften hatten einen Marktanteil von 21 Prozent, die zehn größeren Gegenseitigkeitsvereine konnten 63,7 Prozent des Bestandes verwalten. 24 weitgehend lokal tätige Vereine vereinigten 7,6 Prozent auf sich, was in etwa auch dem Anteil der ‚Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt‘ entsprach.6 Welchen Problemen sah sich nun die Branche in dieser Zeit gegenüber? Erstens ist generell zum Zustand der deutschen Wirtschaft gegen Ende des Krieges zu sagen, dass anders als zwischen 1939 und 1945 die Kämpfe keine unmittelbaren Zerstörungen des Kapitalstocks mit sich gebracht hatten.7 Allerdings bewirkte der Weltkrieg eine Schrumpfung der gesamten deutschen Wertschöpfung um etwa 25 bis 30  Prozent.8 Hinzu kam, dass mit Kriegsende nicht einfach an die internationale Wirtschaftsordnung angeknüpft werden konnte, die vor 1914 herrschte. Zunehmendes Misstrauen und die Tendenz, eine isolatorische und protektionistische Politik zu betreiben, waren Kennzeichen der (Wirtschafts-) 1

Vgl. Büttner, Weimar (2008), S. 33–64. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 232. 3 Zitiert bei Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 241. 4 Vgl. Büttner, Weimar (2008), S. 120–130. 5 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 165. 6 Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S.  35. Rohrbeck spricht zwar an anderer Stelle davon, dass die Hagelversicherung nicht nur absolut im Vergleich zu den allmählich steigenden Getreidepreisen, sondern auch relativ zugenommen habe. Da diese Aussage aber nicht mit entsprechendem Zahlenmaterial belegt wird, kann deren Wahrheitsgehalt nicht überprüft werden. 7 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 304 f. 8 Vgl. Henning, Deutschland (1987), S. 427 f. 2

I. Die Zeit der Weimarer Republik

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Politik dieser Jahre, weshalb eine Wiederherstellung der europäischen und globalen Wirtschaft nicht gelang.9 Als eine weitere Konsequenz der Kriegswirtschaft änderte sich auch das Verhältnis von Staat und Ökonomie grundlegend. Folgt man Gerold Ambrosius, dann vollzog sich „[d]er grundlegende Wandel […] vom liberalen Ordnungsstaat des 19. zum interventionistischen Leistungsstaat des 20. Jhs. [vor] allem deshalb, weil mit der politischen Umwälzung nach dem Ersten Weltkrieg die Ansprüche an eine öffentliche Steuerung des marktwirtschaftlichen Systems gestiegen waren“.10 Die Grundlagen hierfür wurden aber wie gesehen bereits im Kaiserreich gelegt. Was die konjunkturelle Entwicklung betrifft, so lassen sich vereinfacht gesagt folgende Phasen unterscheiden: Nach Ende der Kriegswirtschaft 1918 sollten die kommenden Jahre bis 1923 durch die Inflation geprägt sein. Von 1924 bis 1929 trat eine Stabilisierungsperiode auf, gefolgt von dem schweren konjunkturellen Einbruch, der von der Weltwirtschaftskrise verursacht wurde und bis 1933 andauern sollte. Deutschland wich hierbei von der internationalen Entwicklung ab, konnte sich deren Einflüssen aber nicht verschließen.11 An zweiter Stelle sind die Schwierigkeiten im Agrarbereich zu nennen. Die unmittelbare Nachkriegszeit war durch die Hungererfahrung der vorangegangenen Jahre geprägt, weshalb die Sicherstellung der Bevölkerungsernährung oberste Priorität hatte. Auch aus diesem Grund blieben die Strukturen im Agrarbereich während der Revolution weitgehend unangetastet. Immer noch besaßen beispielsweise Großbetriebe mit mehr als 100 Hektar Anbaufläche circa 20 Prozent der Nutzfläche, obwohl sie nur 0,4  Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe ausmachten. Dennoch war die Aufgabe, Nahrungsmittel in ausreichender Menge zu produzieren, schwierig, da der Agrarsektor auch nach Ende des Weltkriegs immer noch unter den damit verbundenen Mangelerscheinungen litt. So hatte der bereits während des Krieges spürbar bemerkbare Düngermangel zu einer Erschöpfung der Böden geführt, weshalb z. B. die Getreideernte 1918 30 Prozent geringer ausfiel als 1913. Der Aufholprozess sollte aber länger dauern, wie folgende Zahlen zeigen: Betrug 1914 der Weizenertrag 33,6 Doppelzentner je Hektar (dz/ha), war er 1921 auf 18,6 dz/ha zurückgegangen und erhöhte sich bis 1932 erst wieder auf 20,9 dz/ha, bevor schließlich 1938 wieder der Vorkriegswert erreicht wurde. Zudem musste trotz einer Änderung der Verbrauchergewohnheiten hin zu qualitativ höherwertigen Lebensmitteln wie Fleisch weiterhin Weizen importiert werden. Der bereits während des Kaiserreichs zu beobachtende Strukturwandel sollte sich jedoch unvermindert fortsetzen. Waren 1925 noch 14,3 Millionen Menschen

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Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 289. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 289 f. 11 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 291–295, dort auch eine Zusammenfassung über die verschiedenen Ansätze der Konjunkturgeschichte – Trend-, Wellen- und Strukturbruch-Hypothese –, um die ökonomische Entwicklung der Zwischenkriegsjahre erklären zu können. 10

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F. Zwischen den beiden Weltkriegen  

im Agrarbereich beschäftigt, sank diese Zahl bis 1933 auf 13,075 Millionen.12 Damit war der Agrarsektor nach der Industrie aber immer noch der zweitgrößte Wirtschaftssektor während der gesamten Weimarer Republik.13 Drittens war die Hagelversicherungsbranche auch direkt von den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages betroffen, da die Verkleinerung des Reichsgebiets den Wegfall von ungefähr 5,05 Millionen Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche bedeutete. Das Ackerland – und damit der für das Hagelversicherungsgeschäft entscheidende Anteil an der gesamten Agrarfläche – ging von 21,5 auf 20,5 Millionen Hektar zurück, wobei der Großteil der Verluste in den östlichen Provinzen lag. Viele Hagelversicherer verloren einen beachtlichen Teil ihres Geschäftsgebiets.14 Teilweise versuchten die betroffenen Unternehmen in den ehemaligen deutschen Gebieten weiterhin tätig zu bleiben, was sich jedoch aufgrund von Konflikten mit den dortigen Behörden als nicht praktikabel erwies. Daher stellten die deutschen Hagelversicherer ab 1921 die Geschäfte in den nun polnischen Provinzen endgültig ein, die Bestände wurden von einheimischen Gesellschaften übernommen.15 Mit am schwersten scheint es dabei den 1893 in Breslau gegründeten ‚Ostdeutschen Hagelversicherungsverband‘16 getroffen zu haben, der – wie der Firmenname bereits deutlich macht – schwerpunktmäßig in Ostelbien engagiert war. Das Unternehmen konnte sich von diesem tiefen Einschnitt nicht mehr erholen und musste 1930 mit der ‚Borussia‘ fusionieren, welche ein Jahr später selbst von der ‚Norddeutschen Hagel‘ übernommen wurde.17 Diese wiederum hatte allein in Elsaß-Lothringen 14.500 Mitglieder bzw. eine Versicherungssumme von 28 Millionen Mark verloren.18 Auch die ‚Schwedter Hagel‘ büßte über 417 Millionen Mark an Versicherungsbestand in Posen und Westpreußen ein, der mit Wirkung zum 1. Januar 1921 auf den polnischen Versicherer ‚Vesta‘ übertragen wurde. Zumindest erhielt die ‚Schwedter‘ hierfür eine Kompensationszahlung.19 12 Interessanterweise ist im Vergleich zum Jahr 1907, als circa 12,9 Millionen Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt waren, in den unmittelbaren Nachkriegsjahren sogar ein Wachstum zu erkennen. Dies kann insbesondere auf den Anstieg bei den so genannten mithelfenden Familienangehörigen zurückgeführt werden, welche aufgrund der Inflation sowie der schwierigen Arbeitslage in den Städten eine ‚Stadtflucht‘ antraten. Dieser kurzfristige Trend änderte aber nichts an der längerfristigen Entwicklung bzw. dem Bedeutungsverlust des Agrarbereichs an der gesamten Wertschöpfung: Betrug der Anteil der Landwirtschaft daran 1913 noch 23,2 Prozent, war er bis 1929 auf 15,8 Prozent gefallen. 13 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 305, Büttner, Weimar (2008), S. 213–221 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 274–278. 14 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 36. 15 Im neu gebildeten Freistaat Danzig und im Memelgebiet konnten die deutschen Unternehmen dagegen weiterarbeiten. Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 269. 16 Vgl. Rohrbeck, Organisation (1909), S. 80. 17 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 26; 37. Schmitt-Lermann spricht davon, dass die ‚­Borussia‘ erst 1932 mit der ‚Norddeutschen‘ fusioniert habe. Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 274. 18 Vgl. Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1969), o. S. sowie SchmittLermann, Hagel (1984), S. 269. 19 Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 72.

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Ein viertes Problem bestand in der scheinbaren Gefahr einer Verstaatlichung der Hagelversicherungsbranche, wobei dieses Phänomen in der bisherigen Forschung keine Beachtung gefunden hat. Höchstwahrscheinlich dürften diese Pläne im Zuge der Diskussionen, das Versicherungswesen an sich zu verstaatlichen, welche kurz nach Kriegsende geäußert wurden und weitgehend auf den Ideen von Adolph Wagner20 beruhten,21 unmittelbar auf die Hagelversicherung übertragen worden sein: Denn 1918 wurden anscheinend Stimmen laut, die im Interesse der Landwirtschaft die Sozialisierung der privaten Hagelversicherer bzw. deren Überführung in eine Reichshagelversicherung forderten.22 Walter Rohrbeck unternahm es, die entsprechenden Gegenargumente darzustellen.23 Rohrbecks Kernaussagen zufolge lägen die Nachteile für Kunden und Staat, die sich aus der Gründung einer Reichsanstalt ergeben, auf der Hand. Fraglich sei es, ob eine solche Gesellschaft wirklich auf den individuellen Ver­sicherungsnehmer eingehen könne, da sich jeder landwirtschaftliche Betrieb einem ganz eigenen Hagelrisiko gegenübersehe, welches durch die jeweils vorhandenen geographischen und meteorologischen Rahmenbedingungen determiniert sei. Folgerichtig müsse die Prämie auch auf diese unterschiedlichen Faktoren abgestimmt sein. Rohrbeck ist der Meinung, dass eine Reichsanstalt lediglich in der Lage sei, Einheitsprämien anzubieten. Dies führe aber zu einer Benachteiligung der in weniger gefährdeten Regionen lebenden Landwirte, da diese die übrigen Kunden mit ihren Beitragszahlungen subventionieren müssten. Auch sei es mit der Einheitsprämie nicht möglich, die unterschiedlichen Betriebsstrukturen, Anbaugewohnheiten und speziellen Fähigkeiten des einzelnen Landwirtes ausreichend zu berücksichtigen. Speziell was den letzten Punkt betrifft, sieht Rohrbeck eine Art von Trittbrettfahrerproblem: Erzeugnisse, die ein unerfahrener Bauer anbaue, hätten eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Hagelschlägen als die Früchte erfahrenerer Landwirte. Höhere Entschädigungszahlungen hätten aber keine Erhöhung der Beiträge zur Folge, da die geplante Reichsanstalt nur Einheitsprämien anbieten sollte. In­sofern liege somit eine Form von Subventionierung vor.24 Rohrbeck hat diesen Punkt ausführlich in seiner Denkschrift diskutiert. Dem mit der Thematik vertrauten Leser dürfte aber schon aufgefallen sein, dass der 20

Vgl. Kapitel D.IV.3.a). Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 68 f. sowie Koch, Geschichte (2012), S. 213 f. 22 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S. 5–7. 23 Walter Rohrbeck hatte zu diesem Zeitpunkt die Aufgabe, den bisherigen ‚Zentralverband der Privatversicherung‘ zum ‚Reichsverband der Privatversicherung‘ unzugestalten. Dieser war 1911 als ‚Vereinigung der Privatversicherung‘ gegründet worden und firmierte ab 1913 als ‚Zentralverband der Privatversicherung‘. Wie die übrigen Sparten war auch die Hagelversicherung im Reichsverband in einem eigenen Fachausschuss zusammengefasst. Vgl. Lobscheid, Lebenslauf (1955), S. XII. sowie Koch, Geschichte (2012), S. 247. Rohrbeck, dessen berufliche Tätigkeit also die Verbandsarbeit und damit auch politische Themen umfassten, hatte mit der zitierten Denkschrift wohl zum ersten Mal auch für die Hagelversicherung Lobby­a rbeit geleistet. 24 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S. 9–16. 21

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Autor an keiner Stelle erwähnt, warum eine staatliche Zwangsversicherung nicht in der Lage ist, abgestufte Prämien anzubieten. Aus diesem Grund wirkt die Argumentation übertrieben parteiisch, was auch nicht durch die Tatsache entkräftet wird, dass Rohrbeck allem Anschein nach für die Leistungsfähigkeit der privaten Gesellschaften werben wollte. Zudem diskutiert er im Folgenden das Problem eines angeblichen Hagelversicherungsnotstandes, der als Argument für die Verstaatlichung der Branche herangezogen wurde. Mit Hilfe seines bereits an anderer Stelle gewürdigten Materials zur Versicherungsquote25 – die beispielsweise in den Jahren 1901 bis 1905 wohl um die 86,5 Prozent betrug – entkräftet er diesen Punkt und argumentiert, dass die Mehrheit der Landwirte mit dem vorhandenen Versicherungsangebot zufrieden sei und Vertrauen in die Leistungen der Branche hätte. Beispielsweise seien für das Jahr 1913 nur 15 Beschwerden über die Hagel­ assekuranz beim Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen eingegangen, von denen fünf Fälle nur mit Hilfe des Amtes und damit ohne Einschalten der betroffenen Gesellschaften gelöst wurden.26 Noch andere Gründe, die Rohrbeck in seiner Schrift diskutiert, könnten an dieser Stelle angeführt werden. Letztendlich unterstreichen alle das gleiche  – wenig überraschende – Fazit seiner Ausführungen: Eine Verstaatlichung der Branche führe zu einem größeren volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust als die Beibehaltung des Status Quo.27 Die tatsächlichen politischen Ereignisse und damit der Verzicht auf die Sozialisierung des Versicherungswesens sorgten dafür, dass auch die Idee einer Reichshagelversicherung ad acta gelegt wurde. Im Übrigen bestand das einzige Ergebnis der Sozialisierungsdebatte hinsichtlich des Versicherungswesens in der Einführung einer Versicherungssteuer, welche sowohl von den Unternehmen als auch von den Kunden massiv abgelehnt wurde. Im Anschluss daran begann die Versicherungsbranche damit, sich stärker zu organisieren und über den Reichsverband des Versicherungswesens politischen Einfluss auszuüben.28 An fünfter Stelle der Probleme, mit denen die Branche als Folge des verlorenen Krieges fertig werden musste, ist die immer gravierendere Ausmaße annehmende Inflation zu nennen. Ihre Ursachen sind bereits in der Finanzierung der deutschen Kriegsanstrengungen zu finden. Die Kriegsausgaben des Deutschen Reiches summierten sich auf über 160 Milliarden Mark, was das Dreifache des Volkseinkommens des letzten Friedensjahres war.29 Davon kamen nur circa 22 Milliarden Mark aus den ordentlichen Einnahmen, also den Steuern und Zöllen. Der Rest wurde durch eine zunehmende Verschuldung aufgebracht, insbesondere durch die mas-

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Vgl. Kapitel D. IV. 3. b). Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S. 16–20; 30–32. 27 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherungsmonopol (1919), S. 42–44. 28 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 68. 29 Hierbei ohne die Kosten von Ländern und Kommunen. 26

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senhafte Emittierung von Staatspapieren wie inländischen Anleihen (insgesamt im Wert von 97 Milliarden Mark) sowie einer Erhöhung der schwebenden Reichsschuld (57 Milliarden Mark). Gleichzeitig stand dieser erhöhten Geldmenge30 als Folge der alliierten Blockade, des Rohstoff- und Arbeitskräftemangels ein geringes Güterangebot gegenüber. Spätestens seit 1916 existierte daher ein Inflationsrückstau.31 Während des Krieges konnten inflationäre Tendenzen mittels staatlicher Preisvorgaben einigermaßen unter Kontrolle gehalten werden. In Summe hatte die Mark bei Kriegsende jedoch die Hälfte ihres Wertes verloren. Nach Kriegsende wurden von den jeweiligen Reichsregierungen keine Maßnahmen zur Währungsstabilisierung eingeleitet und aus innenpolitischen Gründen auf Steuererhöhungen verzichtet, wodurch sich die Verschuldungspolitik fortgesetzt hat.32 Verstärkt wurde dies durch die zu erbringenden Reparationszahlungen.33 30 Auch die Menge des sich im Umlauf befindlichen Bargeldes wuchs dramatisch: Sie steigerte sich von circa 2,9 Milliarden Mark am 1. August 1914 auf ungefähr 18,6 Milliarden zum 1. Dezember 1918. Der gesamte Geldumlauf war sogar noch höher, da die Reichsbank während der Kriegsjahre den bargeldlosen Zahlungsverkehr propagiert hatte. 31 Vgl. Holtfrerich, Inflation (1980), S. 49–52; 76–92. 32 Beispielsweise kam es zu keiner Annulierung der Kriegsanleihen, von denen wie auf­ gezeigt auch die Hagelversicherer große Mengen gezeichnet hatten. Zudem belasteten verschiedene Maßnahmen wie die Demobilisierung, die Wiedereingliederung der Soldaten, die Erhöhung der Erwerbslosenunterstützung oder die Kriegsopferversorgung den Reichshaushalt. 33 Das Ausmaß der Reparationen wurde in mehreren Schritten verhandelt. Im Januar 1921 legten die Alliierten die Höhe auf 226 Milliarden Goldmark fest. Nachdem die Reichsregierung diesem Vorschlag nicht zustimmte, besetzten französische Truppen einzelne Städte des Ruhrgebiets. Im April 1921 schrieb man im so genannten Londoner Zahlungsplan die Forderungen auf 132 Milliarden Goldmark fest. Ein deutsches Gegenangebot wurde nicht beachtet. Obwohl die neue alliierte Forderung für die Finanzexperten der Reichsregierung erfüllbar erschienen, sorgten die schroffen Verhandlungen, an deren Ende ein Ultimatum von wenigen Tagen zur Annahme des Planes stand, für Empörung in Deutschland. Da keine andere Möglichkeit bestand, stimmte der Reichstag am 10. Mai dem Plan zu. Gleichzeitig stellte dies den Beginn der ‚Erfüllungspolitik‘ gegenüber den Alliierten dar, in deren Rahmen man beweisen wollte, dass Deutschland trotz aller Anstrengungen nicht in der Lage ist, die ausstehenden Forderungen zu begleichen. Allerdings konnte die erste Rate nur im Zuge einer weiteren Ausweitung des Haushaltsdefizits erreicht werden. Auf alliierter Seite wuchs das Misstrauen bezüglich der deutschen Politik, da immer noch keine Anstrengungen unternommen wurden, um die Inflation einzudämmen. Die ‚Erfüllungspolitik‘ wurde nur bis November 1922 aufrechterhalten, als die deutsche Regierung einen Zahlungsaufschub bzw. eine Reduzierung der zu leistenden Summen forderte. Speziell Frankreich trat diesem Anliegen entschieden ent­ gegen und benutzte die Feststellung der alliierten Reparationskommission, dass Deutschland mit seinen Holz- und Kohlelieferungen im Rückstand sei, als Vorwand, das komplette Ruhrgebiet zu besetzen. Die deutsche Seite reagierte mit ‚passivem Widerstand‘ bzw. einem Generalstreik. Man verkannte dabei aber, dass das Reich wirtschaftlich zu schwach war, um diesen Konflikt durchstehen zu können. Einmal mussten die Menschen des Ruhrgebiets aus der Staatskasse unterstützt werden. Da man zudem keine Kontrolle mehr über die Zechen hatte, war es notwendig, Kohle aus dem Ausland zu importieren. Alle diese Maßnahmen verschärften die ohnehin schon angespannte Finanzlage: Da Steuererhöhungen immer noch nicht politisch gewollt waren, konnte der Geldbedarf abermals nur mittels Kreditaufnahme und An-

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Hierbei darf aber nicht das Interesse der deutschen Seite an der fortbestehenden Währungszerrüttung vergessen werden: Denn hiermit konnte man gegenüber den Alliierten argumentieren, dass vor dem Hintergrund der Inflation eine Erfüllung der jeweiligen Forderungen nicht möglich sei. Parallel zur steigenden Geldentwertung blieb das Güterangebot weiterhin knapp und wies damit ein hohes Preisniveau auf. Zum Ausgleich kam es zu Lohnsteigerungen, womit die Preis-Lohn-Spirale abermals angekurbelt wurde. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre war eine massive Umschichtung von Mark in Devisen oder Sachwerten zu beobachten.34 Allerdings setzte sich dann die Inflation nicht uneingeschränkt fort, sondern es folgte bis September 1921 eine relativ stabile Phase der Währungssituation. Der Grund bestand in der innenpolitischen Beruhigung und dem damit verbundenen wachsenden Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in die deutsche Politik. Zudem begann in Deutschland ab 1919 eine Konjunkturerholung mit dem oberen Wendepunkt im Jahr 1922,35 was sich speziell 1920/21 von der weltweiten Rezession positiv abhob. Mit Annahme des ‚Londoner Ultimatums‘ und den damit verbundenen Zahlungsverpflichtungen beschleunigte sich ab Oktober 1921 die Inflation jedoch wieder und ab Juli 1922 sollte die Phase der Hyperinflation beginnen. Ausländische Kredite flossen fast nicht mehr nach Deutschland, so dass die Reichsbank ihre Kreditvergabe sowohl dem Staat als auch Privatkunden gegenüber mittels großzügiger Diskontierung von Handelswechseln massiv ausweitete. Der letzte Akt des Währungsverfalls begann im Januar 1923 mit dem ‚Ruhrkampf‘ bzw. der Finanzierung des so genannten passiven Widerstands. Die dramatische Entwicklung ist an folgenden Zahlen abzulesen: Kostete im Juli 1914 ein US-Dollar noch 4,20 Mark, so waren es im Januar 1920 bereits 41,98 Mark. Am schnellsten geschah die Geldentwertung im Jahr 1923: Am 24. Juli musste man für einen Dollar 414.000 Mark bezahlen, am 7. September bereits 53 Millionen und am 3. Oktober 440 Millionen Mark. Der Höhepunkt war am 20. November 1923 erreicht, als ein US-Dollar 4,2 Billionen Mark wert war.36 Der gesamte Geldumlauf betrug allein

kurbelung der Notenpresse gedeckt werden. Der ‚passive Widerstand‘ wurde schließlich im September 1923 aufgegeben, da die Reichsregierung – nun unter Kanzler Stresemann – eingesehen hatte, dass eine Blockadepolitik gegenüber den Alliierten nicht zum Erfolg führen würde. Die Verhandlungen über die Reparationshöhe und die Zahlungsmodalitäten wurden wieder aufgenommen sowie die Währungssanierung eingeleitet, wobei letztendlich erst der Vertrag von Lausanne im Juni 1932 eine Lösung brachte. Man einigte sich auf eine einmalige Schlusszahlung von 3 Milliarden Reichsmark. Allerdings begann erst die Bundesrepublik im Zuge des Londoner Schuldenabkommens ab 1953 diese Summe – zusammen mit weiteren Verpflichtungen aus dem der Konferenz von Lausanne vorangegangenen Dawes- und YoungPlan – zu begleichen. 34 Im Februar 1920 war der Außenwert der Mark auf ungefähr sechs Prozent des Vorkriegswertes gesunken, der Binnenwert betrug lediglich vier Prozent. 35 Vgl. Spree, Cycles (2002), S. 7. 36 Vgl. Walter, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 159–165.

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im August 1923 663 Billionen Mark, die schwebende Schuld des Reiches war auf über eine Trillion (!) Mark angewachsen. Insbesondere auf dem Land kehrte man daher oft zum Naturalhandel zurück. Wer waren die Gewinner bzw. Verlierer der Inflationszeit? Profiteur war zunächst der Staat, der sich entschulden konnte. Daneben zog in den Jahren vor der Hyperinflation auch die deutsche Wirtschaft  – und hier speziell der Export  – Nutzen aus der Geldentwertung, da man aufgrund der geringen inländischen Kosten auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig war. Hierauf ist auch der Aufschwung Anfang der 1920er Jahre zurückzuführen. Zudem sank die Arbeitslosigkeit in diesen Jahren deutlich, 1922 herrschte sogar Vollbeschäftigung. Allerdings sollten diese Vorteile im Zuge der dramatisch zunehmenden Geld­entwertung verschwinden. Beispielsweise stieg die Arbeitslosenquote wieder massiv an: Schätzungen zufolge waren im Oktober 1923 70 Prozent der Arbeiter ohne Beschäftigung oder in Kurzarbeit. Auch der Kostenvorteil der deutschen Wirtschaft gegenüber der ausländischen Konkurrenz verschwand, da die Mark immer weniger als Rechnungsgrundlage diente und auf den Dollar ausgewichen wurde. Bei den Privatverbrauchern waren die Menschen mit Vermögen oder Einkommen aus Geldkapital sowie die Bezieher von staatlichen Transferzahlungen – die im Zuge der fortschreitenden Geldentwertung fast nicht mehr das Existenz­ minimum decken konnten – die Verlierer. Aber auch Kapitalsammelstellen – wozu nicht zuletzt die Versicherungsgesellschaften zählen  – mussten große Verluste verarbeiten.37 Was die Landwirtschaft betraf, so hatten die Bauern auf der einen Seite Vorteile als Folge ihres Sachwertbesitzes. Auch konnten sie sich in der Inflation leicht entschulden und ihre Hypotheken abstoßen, da weiterhin der Grundsatz Mark = Mark galt. Damit war es den Bauern ein Leichtes, mit dem wertlosen Papiergeld ihre Schulden in Höhe von 17,5 Milliarden Mark zu begleichen.38 Auf der anderen Seite fehlten aufgrund der Währungszerrüttung die Mittel, um Betriebsmittel einzukaufen bzw. Investitionen zu tätigen, weshalb sich viele Betriebe nach Ende der Inflation erneut verschulden mussten, um in der Saison 1924 bestehen zu können.39 Hinzu kamen soziale Spannungen. Die Stadtbevölkerung, die speziell in der Zeit der Hyperinflation auf das Land eilte und versuchte, sich dort mit Lebens­mitteln einzudecken, warf den Bauern – die sich oft weigerten, die wertlose Papiermark anzunehmen – Wucher und ein Ausnutzen der Notlage vor. Die Folge waren mitunter Streiks und die Plünderung von Lebensmittelgeschäften.40

37

Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 314. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 280. 39 Vgl. unten. 40 Vgl. falls nicht anders zitiert zur Inflation Henning, Deutschland (1997), S. 42; 45–50; 63–67, Kiehling, Funktionsverlust (1998), Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 251 f., Büttner, Weimar (2008), S. 153–179 sowie Kolb, Deutschland (2010), S. 63–81. 38

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Die Auswirkungen der ersten großen deutschen Inflation im 20.  Jahrhundert traf auch die gesamte Versicherungsbranche schwer, da die Rücklagen der einzelnen Gesellschaften bis zur völligen Entwertung zusammenschmolzen.41 Viele Versicherungsleistungen wurden praktisch völlig wertlos, so dass neben dem mate­riellen Verlust auch immaterieller Schaden entstand, da das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Branche im In- und Ausland nachhaltig erschüttert war. Speziell ausländische Kunden zeigten sich geschockt und es dauerte Jahrzehnte, bis die Unternehmen die vormalige Reputation wiedererlangen konnten.42 Welche Dimensionen die Geldentwertung für die Hagelversicherer hatten, zeigen folgende Beispiele: Die Aktien der ‚Union‘, die als Folge der Krise seit 1923 Teil des Allianz-Konzerns war,43 hatten während der Hyperinflation einen Nennwert von 105 Billionen Mark pro Stück.44 Ähnlich verhielt es sich mit den nominellen Versicherungssummen des Jahres 1923. Bei der ‚Leipziger Hagel‘ war diese auf 797 Milliarden Mark angestiegen, 1918 hatte diese noch 216 Millionen Mark ausgemacht. Im Fall der ‚Norddeutschen Hagel‘ waren die Nominalwerte noch größer: Knapp 5,3 Billionen Mark wies die Gesellschaft für das Jahr 1923 aus. Offensichtlich wurde auf Gesamtbranchenebene für dieses Jahr keinerlei Statistik mehr angelegt, da die Fabelwerte ohnehin keine Aussagekraft mehr hatten. Einen gewissen Eindruck vermittelt das Jahr 1922, als alle Hagelversicherer zusammen Bestände von circa 123 Milliarden Mark meldeten, was im Vergleich zu den 5,6 Milliarden Mark des Jahres 1919 ein Anstieg um das Zweiundzwanzigfache bedeutete.45 Viele Landwirte kündigten ihre Verträge im Jahr 1923, da die nach der Hagelzeit ausbezahlten Entschädigungszahlungen wegen des rapiden Geldverfalls in keinem Verhältnis mehr zu den im Frühling versicherten Werten standen. Wie reagierten aber die einzelnen Gesellschaften auf die zunehmende Zahlungsunfähigkeit? Je nach Rechtsform wurden unterschiedliche Ansätze verfolgt. Zur Sicher­ stellung der Schadenszahlungen griffen die vier noch verbliebenen Aktiengesell­ schaften – die ‚Berliner Hagel‘, die ‚Kölnische Hagel‘, die ‚Magdeburger Hagel‘

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Ähnlich wie in vielen anderen Zweigen der deutschen Wirtschaft – man denke nur an die Bildung der I. G. Farben – gab es als Folge der Krise auch in der Versicherungssparte starke Konzentrationserscheinungen. Beispielsweise avancierte die ‚Allianz‘ durch Fusionen und Übernahmen bis 1930 zum größten europäischen Sachversicherer. Vgl. Arps, Zeiten (1970), S. 424–426 sowie Feldman, Allianz (2001), S. 39–49. 42 Vgl. Borscheid, Vertrauensgewinn (2001), S.  333. Ähnlich bei Arps, Zeiten (1970), S. 232. An anderer Stelle spricht Borscheid sogar davon, dass „[…] die deutschen Versicherer […] seit der deutschen Inflation im Ausland zu einem Sicherheitsrisiko geworden [waren]. Sie verloren jenseits der Grenzen sehr viel von dem Vertrauen, das sie sich im Kaiserreich er­ worben hatten.“ Ebd., S. 337. 43 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 34. 44 Vgl. FHA, B12/Beteiligungen Union Hagel, darin Schreiben des A. Schaaffhausenschen Bankvereins A. G. an die Allianz Versicherungs-A-G vom 7. Februar 1924 sowie Schreiben der Allianz Versicherungs-Aktien-Gesellschaft/Effektenabteilung an den A. Schaaffhausenscher Bankverein A. G. vom 13. Februar 1924. 45 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 165.

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und die ‚Union‘46 – erstmals in großem Stil auf das Instrument der Rückversicherung zurück, welches bis dato in der gesamten Branche fast keine Rolle gespielt hatte.47 Zudem dürften die Kapitalgesellschaften Unterstützung bei den jeweiligen Mutterkonzernen beantragt haben. Bei den Versicherungsvereinen ist nach denjenigen Unternehmen zu unterscheiden, welche immer noch das reine Umlageverfahren praktizierten und solchen Versicherern, bei denen das Vorbeitrags-Nachschuss-System in Gebrauch war. Erstere erkannten, dass im Fall des Geldeinzugs am Ende der Hagelsaison die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes fast nicht möglich ist. Folgerichtig gaben alle hiervon betroffenen Unternehmen bei der erstbesten Gelegenheit das Verfahren zugunsten des Vorbeitrags-Nachschuss-Systems auf. Etwas günstiger war die Situation für die zweite Gruppe: Mit Ausschreibung einer Vorprämie im Frühjahr standen bereits zeitnah Mittel zur Deckung der wichtigsten Verwaltungskosten zur Verfügung. Gleichzeitig hoffte man in den ersten Monaten des Jahres 1923 auf eine baldige Stabilisierung der Mark, so dass nach der Nachschusserhebung im Herbst ausreichend Geldmittel zur Begleichung aller Schadensansprüche vorhanden sein würden.48 Im Verlauf des Sommers mussten aber die Gegenseitigkeitsvereine erkennen, dass dies reines Wunschdenken war. Die fünf größten Hagelversicherer – wohl die ‚Norddeutsche Hagel‘, die ‚Leipziger Hagel‘, die ‚Schwedter Hagel‘, die ‚Greifswalder Hagel‘ sowie die ‚Mecklenburgische Hagel‘49 – wandten sich daher im September 1923 an den Staat und beantragten einen Reichskredit.50 Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Die Vereine stehen nunmehr vor der Zwangslage, ihre Betriebe einzustellen und den Angestellten kündigen zu müssen. Sie können bereits seit zwei Wochen nur noch Teilzahlungen auf die Gehälter und Löhne machen […] Eine Anpassung der laufenden Einnahmen an die derzeitigen Verhältnisse war nicht möglich, da das Hagelversicherungsgeschäft ein Saisongeschäft ist, dessen Einnahmen für das ganze Jahr sich im allgemeinen nach dem Preisstande von Anfang Mai richten. So wurde z. B. in diesem Jahre von den Landwirten entsprechend dem damaligen Preisstande 1 Ztr. Roggen mit etwa 40 000 Mark versichert, und auf diesem niedrigen Versicherungspreis basiert die Einnahme für das ganze Versiche-

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Rohrbeck gibt in seinen Ausführungen nicht an, um welche Unternehmen es sich dabei gehandelt hat. Mit ziemlicher Sicherheit waren es aber die vier im Text genannten Gesellschaften, da die 1856 gegründete ‚Vaterländische‘ 1911 ihren Betrieb einstellen musste und nicht bekannt ist, dass in der Zwischenzeit eine weitere Hagelversicherungsaktiengesellschaft gegründet worden war. 47 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 271. 48 Manche Gesellschaften hatten zusätzlich Getreide angekauft und veräußerten dieses bei Bedarf. Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 37. 49 Auch die Namen der fünf Antragsteller werden von Rohrbeck nicht angegeben. Höchstwahrscheinlich dürfte es sich aber um die im Text erwähnten Gesellschaften handeln. Die Entscheidung hierüber erfolgte aufgrund einer Branchenaufstellung über das Jahr 1935, in dessen Rahmen die genannten Unternehmen diejenigen mit den größten Beständen waren. Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 170 f. 50 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 36 f.

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rungsjahr 1923. In dieser unverschuldeten Notlage erlauben sich die unterschriebenen Vereine sehr ergebenst, die Hilfe des Reichsfinanzministeriums zur Gewährung eines Reichskredites zu mäßigen Zinsen zu beantragen.“51

Walter Rohrbeck, der in einer seiner Monographien diesen Hinweis gibt, geht nicht darauf ein, ob eine Reaktion von Seiten des Reichsfinanzministeriums erfolgte. Auch eine entsprechende Archivrecherche führte zu keinem Ergebnis. Höchstwahrscheinlich dürfte es aber nicht zu dem gewünschten Ergebnis gekommen sein. Unabhängig davon verdient das Schreiben Erwähnung, verdeutlicht es doch die angespannte Situation der Branche während der Inflationsmonate. Zur Behebung der mit der Geldentwertung verbundenen Schwierigkeiten entfachten einzelne Gesellschaften neben den genannten Maßnahmen noch zusätzliche Aktivitäten, wobei die spektakulärste davon bei der ‚Norddeutschen Hagel‘ geschah52 und untrennbar mit dem Namen Walter Rohrbeck verbunden ist. 2. Exkurs: Ein kostspieliges Experiment – Die Gründung der ‚Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Aktiengesellschaft‘ Ähnlich wie viele andere Versicherer hatte auch die ‚Norddeutsche Hagel‘ im Verlauf des Jahres 1923 immer mehr mit den Folgen der Geldentwertung zu kämpfen. Zudem stand die Gesellschaft noch vor einem weiteren Problem: Obwohl der langjährige Generaldirektor Rudolf Schelske krankheitsbedingt bereits im Frühsommer 1923 das Unternehmen verlassen hatte,53 war trotz der gesamtwirtschaftlich angespannten Lage der Posten einige Monate später immer noch vakant. Ein zeitgenössischer Bericht moniert diese laxe Haltung mancher der in Verantwortung stehenden Personen wie folgt: „Die Zügel schleiften am Boden […], während im Lande die Ereignisse mit Windeseile vorbeisausten. Man hörte wohl von weitem so etwas von Plänen mit ‚wertbeständiger Versicherung‘ und ‚wertbeständigen Prämien‘ – aber man wollte doch aus dem gemütlichen Trab nicht heraus und verschob alles ‚bis zum Herbst‘ – zur altgewohnten Verwaltungsratssitzung, wo alles vorbei war. Eine dringende Aufforderung des [zweiten] Direktor Beck

51

Abgedruckt bei Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 37. Vgl. zur Situation der ‚Norddeutschen Hagel‘ während der Inflationsjahre falls nicht anders zitiert AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, Ammon, Geschichte (1937), S. 123– 130 sowie Neue, Jahre (1949), S. 29–33. 53 Schelske schied im Juni 1923 nach einer Dienstzeit von 21 Jahren aus dem Unter­nehmen aus. Er starb Ende Juli an den Folgen eines Herzschlages. Interimsweise übertrug der Verwaltungsrat Direktor Freund die Geschäftsleitung. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/ Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 4. Freund dürfte wohl auch den Antrag an das Reichsfinanzministerium, der im vorherigen Kapitel diskutiert wurde, unterschrieben haben. 52

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Anfang August an [das kontrollierende Mitglied des Verwaltungsrats] Schimmelschmidt, doch sofort eine Verwaltungsratssitzung einmal ausnahmsweise einzuberufen, lehnte dieser brüsk ab – unter scharfer Zurechtweisung von Beck und erschien gar nicht mehr im Büro bis kurz vor der Sitzung vom 25. Oktober 1923.“54

Hinzu kam, dass der Währungsverfall ein rasches Handeln erforderte, da sich abzeichnete, dass der sich aus den Hagelschäden des laufenden Jahres ergebende Nachschuss eine ähnliche Dimension wie die Markentwertung annehmen würde. Als schließlich die ersten vorläufigen Geschäftszahlen am 18.  September 1923 vorlagen, setzte man die Nachschussquote auf 5.000 Prozent der Vorprämie fest.55 Dies erwies sich aber als illusorisch, so dass dieser Satz am 25. Oktober 1923 auf 25.000 Prozent, aber bereits vier Tage auf das 50.050fache56 der Vorprämie nach oben korrigiert wurde.57 Neben der täglich zu beobachtenden Zuspitzung der finanziellen Situation kam hinzu, dass noch immer kein neuer Generaldirektor gefunden war. Die Neubesetzung des Postens sollte aber mitunter possenhafte Züge annehmen und eine der schwersten Krisen der Unternehmensgeschichte auslösen. Die im Folgenden beschriebenen Ereignisse beruhen einmal auf den Darstellungen von Walter Rohrbeck58 sowie auf bisher nicht ausgewertetem Archivmaterial der Vereinigten Hagelversicherung. In diesem Zusammenhang sticht eine Quelle

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AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-VersicherungsGesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 4. Der so genannte Kontrollierende war mit der laufenden Überwachung der Arbeit des Direktoriums beauftragt. 55 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin Schreiben des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Norddeutschen, von Sydow, vom 18. September 1923 an die Mitglieder des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel. 56 Bei der ‚Leipziger Hagel‘ betrug der Nachschuss 3.000 Prozent der Vorprämie. Vgl. Knoche, Ansprache (1974), S. 9. 57 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin Schreiben des Kontrollierenden Schimmelschmidt, vom 29. Oktober 1923 an die Mit­glieder des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel. Alleine die Aussendung der Nachschussunterlagen kostete die Gesellschaft erneut hohe Summen, wie es in dem Schreiben hieß: „Die Post hat für den 1. bezw. 5. November [1923] derart sprunghafte Steigerungen der Gebührensätze teils bereits verfügt, teils in Aussicht genommen, dass allein die Ein­ziehung des zweiten Nachschusses wahrscheinlich mehr als 100 Billionen Mark an Portokosten ver­ursachen wird.“ Zwar hatte das Unternehmen mit Schreiben von 18. Oktober 1923 beim Reichspostministerium für die Aussendung eine Ermäßigung der Portogebühren beantragt, was aber – zumindest bis Ende Oktober  – keine Reaktion hervorgerufen zu haben scheint. Der Brief ist abgedruckt bei Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 37. Weitere Einsparmaßnahmen beinhalteten die Streichung der bisher üblichen Zusendung des vorläu­figen Geschäftsberichts an alle Mitglieder. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle ­1902–1924, darin Schreiben des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel, von Sydow, vom 18. September 1923 an die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 25. Oktober 1923. 58 Vgl. z. B. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937).

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besonders hervor, nämlich ein Manuskript aus dem Jahr 1935, welches detailliert die Ereignisse der Inflationszeit schildert.59 Das Schriftstück weist aber keinen Verfasser aus. Nach Fritz Neue, der eine Festschrift zum 80. Geschäftsjahr der ‚Norddeutschen Hagel‘ verfasst hat, handelt es sich bei dem Autor um den ehemaligen Hauptkassier Siegfried Rasch.60 Wie die Ausführungen zeigen werden, stand Rasch Walter Rohrbeck äußerst kritisch gegenüber und verurteilte dessen Pläne durchgehend. Warum dies so war, kann nicht mehr nachvollzogen werden, wobei am Schluss des Kapitels versucht wird, hierfür Gründe zu finden. Offensichtlich in Eigenverantwortung  – wobei gleichzeitig die Einberufung einer regulären Verwaltungsratssitzung zur Klärung der Direktorenfrage hinausgezögert wurde – nahm der Kontrollierende Schimmelschmidt61 Kontakt mit Walter Rohrbeck auf,62 der zu dieser Zeit Direktor der ‚Francona Rückversicherungsgesellschaft‘ und Geschäftsführer der ‚Vereinigung deutscher Hagelversicherer‘ und damit der damaligen Lobbyorganisation der Branche war.63 Im Zuge der Gespräche skizzierte Rohrbeck dem Verwaltungsratsmitglied Schimmelschmidt umfassende und ehrgeizige  – aber auch waghalsige  – Sanierungs- und Stabilisierungspläne,64 welche zusammengefasst zwei Maßnahmen beinhalteten: Ers­ tens die Gründung eines neuen Hagelversicherungsunternehmens in Form einer Aktien­gesellschaft65 und zweitens eine enge Anlehnung an die ‚Aachen-Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft‘.

59 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin. 60 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 32. 61 Dessen Vorname konnte nicht ermittelt werden. 62 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 6 f. Schimmelschmidt wird mit folgenden Worten zitiert: „Der gesamte Verwaltungsrat kann mich überhaupt…und dann kam wörtlich die berühmte Aufforderung des Götz von Berlichingen!“ Ebd., S. 10. 63 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 5, Neue, Jahre (1949), S. 30, Lobscheid, Lebenslauf (1955), S. XII sowie Oberholzner u. a., Jahre (2004), S. 111. 64 Auch von Schimmelschmidt hatte der ehemalige Hauptkassier Rasch eine schlechte Meinung, wie folgende Spitze in seinem Bericht zeigt: „Rohrbeck entwickelte so ein verführerisches und bequemes Programm, dass darauf auch vielleicht gewitztere Gemüter [als Schimmelschmidt] eingegangen wären.“ AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S.  5. Inwieweit hierbei im Nachhinein die Verärgerung über ein singuläres – wenngleich tiefgreifendes – Ereignis die übrigen Verdienste von Schimmelschmidt überdeckt haben, bleibt freilich im Dunkeln. 65 Zur Unterscheidung wird im Text von der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ bzw. im Fall des bisherigen Versicherungsvereins von der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ gesprochen.

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Der Grundstein für die mögliche Kooperation der ‚Norddeutschen Hagel‘ mit der ‚Aachen-Münchener‘ wurde bereits während der Sommermonate 1923 gelegt. Aufgrund der Übernahme der Aktienmehrheit der ‚Union‘ durch die ‚Allianz‘ war der ‚Aachen-Münchener‘ ihr bisheriger strategischer Partner für das Hagelversicherungsgeschäft abhandengekommen. Diese wandte sich an Rohrbeck und bat ihn in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der ‚Vereinigung deutscher Hagelversicherer‘ um Unterstützung bzw. Kontaktherstellung zu einem anderen Hagelversicherungsunternehmen. Walter Rohrbecks Rolle an diesem Punkt ist nun undurchsichtig. Offenbar hatte er zum Zeitpunkt der Anfrage der ‚AachenMünchener‘ bereits mit Schimmelschmidt Gespräche über seine künftige Tätigkeit bei der ‚Norddeutschen Hagel‘ geführt, wie er im Rahmen einer Aussage vor Gericht zu Protokoll gab.66 Eine widersprüchliche Äußerung tätigte Rohrbeck jedoch im Zuge eines weiteren gerichtlichen Verfahrens. Demnach sei er erst nach Prüfung der Bücher der ‚Norddeutschen Hagel‘ im Zuge seiner noch zu beschreibenden Verhandlungen bezüglich der Übernahme des Postens des Generaldirektors zum Schluss gekommen, dass die bisherige Unternehmensstruktur das Überleben der Gesellschaft nicht sicherstellen könne und die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft die einzige Lösung sei.67 Welche Version hier zutrifft, ist schwer nachzuvollziehen, zumal lediglich der Bericht des ehemaligen Hauptkassiers Rasch vorliegt und keine Stellungnahme von Walter Rohrbeck selbst. Vermutlich wusste dieser während seiner Verhandlungen mit der ‚Norddeutschen Hagel‘ aber von den Plänen der ‚Aachen-Münchener‘ und erkannte die sich daraus für ihn persönlich bietenden Chancen. Auch das Verhalten von Schimmelschmidt bzw. dessen Weigerung, eine Verwaltungsratsitzung einzuberufen, um die Direktorenfrage in dem dafür zuständigen Gremium zu diskutieren, gibt zu denken und lässt gleichzeitig vermuten, dass beide vor den offiziellen Gesprächen bereits eine informelle Übereinkunft getroffen hatten – zumal bekannt wurde, dass Rohrbeck dem Kontrollierenden Schimmelschmidt den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden bei der ‚Ceres‘ versprochen hatte.68 Jedenfalls kam es  – wohl im Spätsommer 1923 und auf Rohrbecks Vermittlung  – zur offiziellen Fühlungsnahme zwischen den beiden Unternehmen. 66 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 5. Dabei handelte es sich um eine Beleidigungsklage von Rohrbeck gegen Mitarbeiter der ‚Norddeutschen Hagel‘. Auch Rasch war unter den Beklagten, was angesichts seiner harten Aussagen gegenüber Rohrbeck für ihn wohl nicht überraschend kam. 67 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 6. 68 Nach Rohrbecks Vorstellungen sollte mittelfristig die ‚neue Norddeutsche Hagel‘ auch mit der ‚Ceres‘ fusionieren. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die In­ flationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 25.

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Die ‚Aachen-Münchener‘ schlug der ‚Norddeutschen Hagel‘ die Schaffung einer neuen Hagelversicherungsaktiengesellschaft vor. Organisatorisch sollte diese als Tochterunternehmen an die ‚alte Norddeutsche‘ angebunden sein und mittelfristig deren gesamten bisherigen Hagelversicherungbestand übertragen bekommen. Die entscheidende Verwaltungsratssitzung hierzu fand am 25. Oktober 1923 statt,69 in der Schimmelschmidt sowie der Interimsdirektor Freund70 anscheinend die ohne­ hin kritische Unternehmenslage noch pessimistischer darstellten und massiv für Walter Rohrbeck bzw. dessen Pläne warben. Schlussendlich sollte sich diese Einflussnahme bezahlt machen: Am 5. November 1923 wurde Walter Rohrbeck vom Verwaltungsrat zum neuen Generaldirektor der Gesellschaft ernannt.71 Unmittelbar danach begannen die Arbeiten für die Gründung der ‚Norddeutschen Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘,72 auf welche der bisherige Ver­ sicherungsverein durch Abschluss eines Interessen- und Arbeitsgemeinschafts­ vertrags seine Bestände und Sachwerte73 übertragen sollte. Zur Sicherstellung des raschen geschäftlichen Erfolgs wollte das neue Unternehmen die Kundenkontakte der ‚alten Norddeutschen‘ nutzen und an die bisherigen Versicherten zur Vertragsübernahme herantreten. Ähnlich wie von anderen Gesellschaften diskutiert,74 war

69 In der Zwischenzeit hatte sich die ‚Norddeutsche Hagel‘ wohl auch dem erwähnten Antrag der Gegenseitigkeitsvereine an das Reichsfinanzministerium angeschlossen. 70 Diesem wurde ein Direktorenposten im neuen Unternehmen versprochen. Vgl. AVH/ Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 11. 71 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 7 f. 72 Insgesamt wurden 50.000 Aktien zu je 10 Millionen Mark ausgegeben, wovon sich die ‚Aachen-Münchener‘ alleine 25.000 Stück sicherte. Der Rest sollte im Streubesitz verwaltet werden, was gleichzeitig der ‚Aachen-Münchener‘ einen unverhältnismäßig großen Einfluss sicherte. 73 Rasch berichtet auch in diesem Zusammenhang über Unregelmäßigkeiten. Anscheinend wurde die Übertragung des schuldenfreien Geschäftshauses der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ auf das neue Unternehmen bewusst erst 1924 in der Bilanz ausgewiesen, so dass die hiermit verbundenen Einnahmen im aktuellen Geschäftsjahr 1923 nicht mehr wirksam wurden. Speziell diesen Punkt monierte später auch das Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-VersicherungsGesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 17–22. 74 Die ‚Leipziger Hagel‘ hatte geplant, einen Vertrag anzubieten, bei dem die Versicherungssumme auf dem Goldmarkwert des versicherten Zentnerpreises der Feldfrucht basieren sollte. Auch war vorgesehen, die Entschädigungen in wertbeständigen Zahlungsmitteln zu leisten. Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Akten Generalversammlung vom Jahre ­1923–1930, darin Protokoll der Generalversammlung vom 23. Februar 1923 bzw. die dort abgedruckten Zusatzbedingungen für eine wertbeständige Versicherung der ‚Leipziger Hagel‘. Eine ähnlich konzipierte Versicherung wurde schließlich mit Wirkung zum 1. Januar 1924 eingeführt.

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geplant, eine wertbeständige Hagelversicherung auf Goldmarkbasis mit festen Beiträgen anzubieten. Daneben wollte der neue Generaldirektor einen Kapitalergänzungsstock von 50.000 US-Dollar aufbringen, was vor dem Hintergrund der Inflation auf den Verwaltungsrat erneut als Ausweis der Geschäftstüchtigkeit von Rohrbeck gewirkt haben dürfte. Des weiteren sah der Gesellschaftsvertrag der ‚neuen Norddeutschen‘ eine Diversifikation mittels Einstieg in die Unfall- und Haftpflichtversicherung vor.75 Neben der Zusammenarbeit mit der ‚Aachen-Münchener‘ war außerdem geplant, Kooperationsverträge mit der ‚Ceres‘76 und der ‚Allgemeinen Deutschen Vieh-Versicherung‘ zu schließen sowie ein neues Unternehmen namens ‚Patria Rückversicherung‘ zu gründen77  – eine durchaus charmante Idee, wäre es dann doch möglich gewesen, dem Kunden mehrere Versicherungsleistungen (Hagel, Feuer, Vieh, Unfall, Haftpflicht) aus einer Hand anzubieten.78 Der neue Generaldirektor ließ allen Verwaltungsratsmitgliedern am 5. November nochmals eine ausgearbeitete  – und erneut wohl zu pessimistische  – Auf­ stellung über die aktuelle Lage des Gegenseitigkeitsvereins zukommen und bat sie, bis 10.  November eine schriftliche Zustimmung zur Neugründung der Aktiengesellschaft abzugeben. Angesichts des kurzen Zeitraums und mangels anderer Informationsquellen kam das hierfür notwendige Quorum zusammen.79 Ebenfalls am 5.  November verfügte die neue Geschäftsleitung die Entlassung von

75 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin der Gesellschaftsvertrag der Norddeutschen Hagelversicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin (ohne Datum). 76 Allerdings scheint die geschäftliche Lage der ‚Ceres‘ so kritisch gewesen zu sein, dass der Betrieb nur mittels eines Kredites von der ‚alten Norddeutschen Hagel‘, der am 16. November 1923 zinslos gewährt wurde, aufrechterhalten werden konnte. Wie dies vor der von Rohrbeck dargestellten angespannten Lage möglich gewesen ist, erscheint fraglich. Verständlich wird dieser Punkt etwas, wenn man bedenkt, dass sowohl der Vater als auch der Bruder von Walter Rohrbeck hohe Posten bei der ‚Ceres‘ innehatten, weshalb durchaus ein gewisser Nepotismus unterstellt werden kann. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 25 f. 77 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 9 f.; 30.  78 Ganz anders dagegen die Meinung von Siegfried Rasch, der die Ideale und Zielsetzungen der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ aufgrund der „hochtrabenden, gewinnsüchtigen [Pläne] eines ‚Rohrbeck-Konzerns‘“ massiv bedroht sah. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 17. 79 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 10; 23 f. Schweigen wurde als Zustimmung gewertet.

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24 der 66 Direktionsbeamten80, wobei diese Rasch zufolge nach einem doch ungewöhnlichen Verfahren ausgewählt wurden: „[Rohrbeck] ging hierbei nicht nach Tüchtigkeit und Leistung, er kannte den Einzelnen ja gar nicht, – sondern einfach nach dem Alphabet, wie der zu Entlassende gerade mit dem Namen an der Reihe war[.]“81 Auch die bis dato erfolgreichen Staatsverträge mit Baden und Würt­ temberg wurden in diesem Zusammenhang mit sofortiger Wirkung gekündigt. Vordergründig argumentierte man, Versicherungen mit festen Prämien auch in Südwestdeutschland einführen zu wollen.82 Das württembergische Arbeits- und Ernährungsministerium äußerte jedoch im Januar 1924 schwere Vorwürfe gegen die ‚neue Norddeutsche‘ und unterstellte eine absichtliche Prämienerhöhung, um die Versicherungsnahme unerschwinglich zu machen: „Ich entnehme [aber] aus der Gegenüberstellung der diesjährigen und letztjohrigen [wohl letztjährigen] Grundprämien, dass Sie Steigerungssätze vorgesehen haben, die nach den Ergebnissen Ihres württembergischen Geschäfts in den letzten 10 und 20 Jahren offenbar weit über das gebotene Mass hinausgehen, vielmehr geradezu darauf abgestellt zu sein scheinen, von dem Abschluss von Versicherungen in Württemberg abzuhalten und Ihren Geschäftsbetrieb in Württemberg aufzugeben!“83

Aufgrund dessen war es beispielsweise der ‚Ceres‘ möglich, in Württemberg einen Teil des bisherigen Geschäftes der ‚alten Norddeutschen‘ auf sich zu ver­ einigen.84 Auch andere Maßnahmen des neuen Generaldirektors waren nur schwer nachzuvollziehen. Dazu zählte die Ankündigung, die bisher von der Gesellschaft geführten Statistiken zu vernichten, um Platz für Mitarbeiter der zukünftigen Kooperationspartner zu schaffen.85 80 Direktor Beck, ein weiteres Direktionsmitglied, wurde ebenfalls fristlos entlassen, da er die Auflösungs- bzw. Neugründungspläne nicht mittragen wollte. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 30. Rasch wiederum schied – wohl um seiner bevorstehenden Kündigung zuvorzukommen – kurze Zeit später freiwillig aus dem Unternehmen aus, kehrte aber nach dem Ende der Turbulenzen im Herbst 1924 wieder zurück und wurde zum Prokuristen ernannt. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 33. 81 AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-VersicherungsGesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 12. Etliche der entlassenen Mitarbeiter wurden 1924 wieder eingestellt. Vgl. Ebd., S. 33. 82 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 11. Aus diesem Grund kam es auch in den Agenturen Stuttgart und Karlsruhe zu Entlassungen. 83 Abgedruckt in AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 14. 84 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 14. 85 Vgl. o. V. [Rasch], Rückblick (1935), S. 12. Abermals ist der aggressive Ton von Rasch gegenüber Rohrbeck auffällig. Im Anschluss wird berichtet, dass die Unterlagen „[n]ur durch die Umsicht und List einiger alter treuer Beamter […] zum grössten Teil gerettet [wurden].“ Ebd., S. 12.

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Schließlich erfolgten am 20. November 1923 die offizielle Gründung des neuen Unternehmens sowie die endgültige Ausfertigung der verschiedenen Kooperations­ verträge.86 Allerdings ist es in diesem Zusammenhang doch verwunderlich, dass keiner der in der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ Verantwortung tragenden Personen Alternativen erwogen hat, um frisches Geld zu besorgen. Beispielsweise wäre dies mittels Kreditaufnahme ohne Probleme möglich gewesen,87 wie auch ein Prüfungsbericht des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungs­wesen im Juni 1924 monierte.88 Jedenfalls versuchte der neue Generaldirektor, die Konzessionierung noch vor Ende des Jahres 1923 zu erreichen, da ansonsten ein höherer Kapitalstock als die vom Reichaufsichtsamt geforderten 50.000  Goldmark als Sicherheit zu hinterlegen gewesen wäre. Die Genehmigung für das neue Unternehmen wurde schließlich am 21. Dezember 1923 erteilt, wobei Walter Rohrbeck anscheinend auch gegenüber der Aufsicht die Lage der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ übertrieben pessimistisch geschildert hatte, um den Prozess zu beschleunigen. Am 7. Januar 1924 erfolgte die Eintragung in das Handelsregister.89 Noch Ende 1923 begann man, die Kunden des bisherigen Gegenseitigkeitsvereins zu umwerben. Für den 21. Februar wurde eine außerordentliche Haupt­ versammlung der Aktiengesellschaft angekündigt, tags darauf war die ordent­ liche Generalversammlung der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ geplant. Schenkt man abermals dem ehemaligen Mitarbeiter Rasch Glauben, wandte sich dieser mit einem Schreiben an die Delegierten des Vereins, in dem er ausführlich über die bisherigen Vorfälle bzw. die finanziellen Verhältnisse berichtete. Ein Kollege wiederum trat mit ähnlich lautenden Informationen an den ‚Reichslandbund‘ 86 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin das Gründungsprotokoll der Norddeutschen Hagelversicherungs-Aktien-Gesellschaft vom 20. November 1923 sowie AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 30. 87 Der Prüfungsbericht selbst war dem Manuskript von Siegfried Rasch als Anlage bei­ gefügt, liegt aber nicht mehr im Original vor. Rasch zitiert aber des Öfteren daraus. 88 Auch der ansehnliche Wertpapierbesitz der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ wurde nicht zur Beschaffung von liquiden Mitteln verkauft. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 20; 22. 89 Siegfried Rasch erhebt in diesem Zusammenhang erneut schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Generaldirektor. U. a. berichtet er von Urkundenfälschungen und Vordatierungen von Schriftstücken, um die Gründung der Aktiengesellschaft möglichst schnell abschließen zu können. Auch hatte wohl Walter Rohrbeck gegenüber dem Aufsichtsamt erklärt, dass eine Mehrheit der Bezirksversammlungen der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ einer Auflösung der Gesellschaft zugestimmt habe, was Rasch zufolge ebenfalls nicht der Wahrheit entspreche. Die von der Aufsicht geforderten 50.000 Goldmark an Sicherungsstock hätten sich zudem nur kurz auf dem Konto des neuen Unternehmens befunden und seien erst im Januar 1924 eingegangen. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S.  31–39. Mangels anderer Quellen können diese Aussagen aber nicht nachgeprüft werden.

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heran.90 Dies hatte ein außerordentliches Vortreffen zahlreicher Vereinsdelegierter zur Folge, in dessen Rahmen man sich über die Vorkommnisse informierte und Gegenmaßnahmen entwarf. Die eigentliche Versammlung nahm anscheinend einen derart stürmischen Verlauf, dass sie ohne Entlastung des Vorstandes abgebrochen werden musste. Lediglich auf die Einberufung einer weiteren Generalversammlung für den 29. März 1924 konnte man sich einigen. Bis dahin wurde ein so genannter Aktionsausschuss aus den Reihen der Versicherten bestimmt, der die Vorgänge der vergangenen Monate untersuchen und darüber im Rahmen des März-Treffens berichten sollte. In der Folge trat der Ausschuss vehement für die Aufrechterhaltung des bestehenden Unternehmens ein.91 Offenbar um die Delegierten der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ vor vollendete Tatsachen zu stellen, hatte am 21. Februar 1924 wie geplant die außerordentliche Hauptversammlung der Aktiengesellschaft stattgefunden. Man einigte sich darauf, einen Arbeits- und Interessengemeinschaftsvertrag zwischen dem bisherigen Versicherungsverein und der neuen Kapitalgesellschaft für eine Dauer von 25 Jahren zu schließen. Damit wurde die schon von Beginn an geplante Übertragung der Organisationsstrukturen und Kundenkontakte von der Gegenseitigkeitsgesellschaft auf die ‚neue Norddeutsche Hagel‘ wirksam. Auch die Kooperation mit der ‚Aachen-Münchener‘ wurde gebilligt.92 Trotz der turbulenten Vereinsversammlung des darauf folgenden Tages nahm die Aktiengesellschaft ihre Arbeit auf und begann damit, an die Kunden des Versicherungsvereins heranzutreten. Im Endeffekt war aber ein vernünftiges Arbeiten lediglich für einige Wochen möglich. Denn Ende März trat wie geplant die zweite Generalversammlung des Versicherungsvereins zusammen, in deren Rahmen beschlossen wurde, den alten Verein weiterzuführen und gleichzeitig die Aktiengesellschaft möglichst rasch zu liquidieren. Der bisherige Kontrollierende Schimmelschmidt legte aufgrund der Vorgänge sein Amt nieder,93 schied aus dem Verwaltungsrat aus und wechselte in 90 Der ‚Reichslandbund‘ ging 1920 aus dem Zusammenschluss des ‚BdL‘ mit den neuen, eher mittelständisch geprägten Landbünden hervor. Die Großagrarier behielten aber zumindest auf Reichsebene die politische Führung auch dieser neuen Agrarlobby. Ab 1930 konnte schließlich die NSDAP immer mehr Einfluss innerhalb des ‚Reichslandbundes‘ gewinnen. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 382 f. sowie Büttner, Weimar (2008), S. 218. 91 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 41–44; 50 f. 92 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 44 f. Mit Wirkung zum 21. Februar 1924 wurde das Berliner Bürogebäude der ‚alten Norddeutschen‘ auf die neue Kapitalgesellschaft umgeschrieben. 93 Einer seiner Nachfolger war Freiherr Schenk von Stauffenberg, der Mitglied des Reichstags war. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 33. Dieser stammte aus der Linie der Reichsfreiherren Schenk von Stauffenberg, wohingegen Claus Schenk Graf von Stauffenberg Angehöriger der Grafen­linie war, die 1874 mit Erhebung durch den bayerischen König Ludwig II. begründet wurde. Vgl. Wunder, Schenken (1972).

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den Vorstand der ‚Ceres‘. Doch offenbar lehnte die Mehrheit nicht alle Ideen des noch amtierenden Generaldirektors Rohrbeck ab, da interessanterweise der Vorschlag, an der Interessensgemeinschaft mit der ‚Aachen-Münchener‘ festzuhalten, eine Mehrheit fand.94 Im Widerspruch zum Votum der Versicherungsnehmer konnte aber Walter Rohrbeck am 11. April 1924 den Verwaltungsrat der ‚alten Norddeutschen‘ davon überzeugen, beide Unternehmen zumindest für das Geschäftsjahr 1924 nebeneinander bestehen zu lassen. Ab 1925 sollte die Aktiengesellschaft keine Versicherungen mehr vertreiben und ihre Kunden auf den Verein übertragen. Im Gegenzug verpflichtete sich der Versicherungsverein, auch Verträge zu festen Prämienzahlungen anzubieten.95 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Rohrbeck den General­ direktorentitel bei beiden Unternehmen inne. In der April-Sitzung verzichtete er nun auf sein Amt bei der Kapitalgesellschaft – für ihn wurde ein Treuhänder eingesetzt – behielt aber seinen Direktorenposten bei der ‚alten Norddeutschen Hagel‘. Die Entscheidung, als Vorsitzender der Aktiengesellschaft zurück­zutreten, wurde von manchen der Verwaltungsräte als sonderbar empfunden, war doch Rohrbeck der eifrigste Verfechter der Kapitalgesellschaft. Aber anscheinend war er mit dem kommissarischen Leiter der Anstalt privat gut bekannt, so dass er weiterhin auf die Geschicke der neuen ‚Norddeutschen Hagel‘ meinte Einfluss nehmen zu können.96 Die Ruhe in beiden Unternehmen sollte aber aufgrund dieses Teilrückzugs nicht zurückkehren. Vielmehr erfolgte eine nicht angekündigte Prüfung durch das Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen, die vom 5. bis zum 21. Mai 1924 durchgeführt wurde. Der Abschlussbericht beanstandete die bereits erwähnten Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Gründung der Aktiengesellschaft und kam zu dem Schluss, dass bei Darstellung eines wahrheitsgemäßen Bildes über die Unternehmenslage die Konzessionierung der neuen Gesellschaft nicht erteilt worden wäre. Aufgrund dieser Aussage unternahm der Verwaltungsrat Schritte, den Gegenseitigkeitsverein möglichst glimpflich aus den noch bestehenden Arbeitsgemeinschaftsverträgen mit der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ und v. a. der ‚AachenMünchener‘ zu lösen. Dem noch amtierenden Generaldirektor Rohrbeck wurde

94 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Protokolle Generalversammlung 1887–1941, darin der schriftliche Antrag zu Punkt 2 der Tagesordnung der Generalversammlung der Norddeutschen Hagel vom 29. März 1924 („Antrag Hippel“) sowie AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 52. 95 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924, darin Protokoll des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 11. April 1924. 96 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 53.

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nach dessen Stellungnahme zu den Vorwürfen im Juni 1924 vom Verwaltungsrat das Vertrauen entzogen und die Kündigung zum 4. Juli 1924 ausgesprochen. Sein Versuch, mittels Ablösung des ihm ergebenen Treuhänders nochmals auf den Direktorenposten der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ zurückzukehren, war kurz davor gescheitert. Im Anschluss daran konnte nach längeren Verhandlungen mit der ‚Aachen-Münchener‘ eine Einigung erzielt werden, so dass deren Forderungen aus den Kooperationsverträgen mit der Summe von 750.000 Goldmark abgegolten war.97 Eine weitere Generalversammlung der Gegenseitigkeitsgesellschaft vom 23. Juli 1924 beschloss den Kauf der Aktienmehrheit der noch bestehenden Kapitalgesellschaft mit dem Zweck, diese aufzulösen.98 Daneben konnte man sich auch wieder auf das eigentliche Kerngeschäft konzentrieren, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass im Laufe des Jahres 1924 bzw. Anfang 1925 die Staatsverträge mit Baden und Württemberg wieder erneuert wurden.99 Was die Aktiengesellschaft anging, so gestaltete sich deren Lage immer prekärer. Mehrere Prozesse wurden gegen sie geführt,100 in einem Fall erließ das Reichsaufsichtsamt sogar ein Zahlungsverbot. Mit Übernahme der Aktienmehrheit durch den Verein wurde in den beiden Hauptversammlungen vom 24. März und 14. Juli 1925 der Beschluss gefasst, die Aktiengesellschaft zu liquidieren. Im August eröffnete das Aufsichtsamt das Konkursverfahren, das aber schon bald mangels Masse eingestellt wurde.101 Das Ende der Entwicklung fasste der neue Generaldirektor Freund, der trotz der Zusammenarbeit mit Walter Rohrbeck102 diesem 1924 nachgefolgt war, in einem Brief an den Verwaltungsrat wie folgt lapidar zusammen: „Die im Besitz und Gewahrsam unserer Gesellschaft befindlichen, wert­losen

97 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 54–61. 98 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Protokolle Generalversammlung 1887–1941, darin Protokoll der Generalversammlung der Norddeutschen Hagel vom 23. Juli 1924. 99 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 63. 100 Speziell um die Ansprüche von Walter Rohrbeck wurde bis in das Jahr 1926 hinein prozessiert, worüber beide Parteien die Öffentlichkeit mit Hilfe von Rundschreiben und Zeitungsanzeigen informierten. Von der ursprünglich im Raum stehenden Summe von 200.000 Goldmark wurde nach dem Weg durch die Instanzen  – der schließlich vor dem Reichsgericht endete – letztendlich nichts an den ehemaligen Generaldirektor ausbezahlt. Vgl. AVH/ Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 70–72. 101 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 64–67. 102 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Ver­ sicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 17.

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Aktien werden wir einstampfen lassen, da sie nicht einmal als Konzept- oder Ein­ wickelpapier verwendbar sind.“103 Insgesamt verschlang das Abenteuer ‚Norddeutsche Hagel-VersicherungsAktiengesellschaft‘ die Summe von einer Million Reichsmark.104 Der Name ‚Norddeutsche‘, der bisher als Symbol für eine solide und zuverlässige Versicherungs­ arbeit stand, hatte zudem seinen guten Klang eingebüßt: Beide Gesellschaften zusammen hatten alleine 1924 über 78.000 Versicherte verloren und wiesen 116.734 (Kapitalgesellschaft) bzw. 116.292 Kunden (Verein) auf, was angesichts der Vorkommnisse immer noch beachtlich war. Der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ gelang es im Laufe des Jahres, die restlichen Mitglieder der Aktiengesellschaft als Kunden zurückzugewinnen, so dass das Unternehmen 1925 wieder knapp 242.500 Verträge verwaltete. Mit zu dieser Steigerung trug auch bei, dass man weiterhin de facto eine Versicherung zu festen Prämien anbot. Offiziell blieb man zwar beim Vorbeitrags-Nachschuss-System. Das Innovative an den Verträgen war eine Klausel, mit der sich ein daran interessierter Landwirt gegen einen Zuschlag von 100  Prozent auf die Vorprämie von der Nachschussverpflichtung befreien konnte. Ökonomisch abgesichert wurde das Konstrukt mittels Rückversicherungsverträge mit der ‚Münchener Rück‘, womit das Instrument der Rückversicherung weitere Verbreitung in der Branche fand.105 Als Epilog dieser turbulenten Monate ist noch anzumerken, dass Walter Rohrbeck auch in späteren Jahren auf seiner Sicht der Dinge beharrte. Demnach sei es den Kunden durch Gründung der Aktiengesellschaft möglich gewesen, hieraus eine Reihe von Vorteilen wie den Versicherungsabschluss zu festen Prämien oder die Beteiligung an einer auf die Landwirtschaft hin ausgerichteten Aktiengesellschaft zu ziehen.106 Dies mag dahingestellt sein, doch muss wohl dem vormaligen Generaldirektor ein differenzierteres Urteil zukommen, als dies in dem Bericht von Siegfried Rasch erfolgte. Dass Walter Rohrbeck ohne Zweifel schwere Fehler begangen und – zumindest teilweise – auch seinen eigenen Vorteil verfolgt hat, dürfte den Tatsachen entsprechen. Alleine schon die externe Prüfung durch das Reichsaufsichtsamt spricht hier Bände. Warum aber Rasch seinen ehemaligen Vorgesetzten mit einer derartigen Polemik überzogen hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Möglicherweise ist dies einerseits auf den Unternehmens­kulturschock zurückzuführen, der mit ziemlicher Sicherheit die ‚alte Norddeutsche Hagel‘ er-

103

AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 18. Mai 1928 an die Mitglieder des Verwaltungsrates. 104 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Protokoll der Verwaltungsratssitzung der Norddeutschen Hagel vom 16. März 1927 sowie Protokoll der Verwaltungsratssitzung der Norddeutschen Hagel vom 22. Februar 1928. 105 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 46; 68 f. 106 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 38.

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fasst haben dürfte: Die Pläne des neuen Generaldirektors Rohrbeck bedeuteten wohl in den Augen der meisten Mitarbeiter das Infragestellen aller bisherigen Grundsätze und Prinzipien des Unternehmens. Andererseits waren wohl auch Raschs persönliche Animositäten, die aus der Kündigung herrührten, für die Attacken auf Walter Rohrbeck verantwortlich. Dennoch bleibt der Eindruck, dass diesem im Nachhinein eine Sündenbockrolle zugeschoben werden sollte. Denn es verwundert, warum beispielsweise Direktor Freund weiterhin im Unternehmen tätig war, obwohl auch er – zumindest am Anfang – die Pläne der neuen Unternehmensführung massiv unterstützt hatte. Außerdem ist die Rohrbecksche Idee, einen umfassenden Versicherungskonzern zu schaffen, der (größtenteils) an den Bedürfnissen des Agrarsektors orientiert ist, nicht völlig abzutun. Die dabei entstehenden Synergieeffekte bzw. Transaktionskostensenkungen hätten möglicherweise eine Verbilligung der Versicherungsleistungen möglich gemacht. Insgesamt dürfte die menschliche Komponente mit die größte Rolle während der Existenz der ‚Norddeutschen Hagel-VersicherungsAktiengesellschaft‘ gespielt haben. Aus den Quellen ist herauszulesen, dass es Walter Rohrbeck nicht gelungen ist, auf seine Mitarbeiter bzw. deren Stolz auf die Leistungen der ‚alten Norddeutschen Hagel‘ einzugehen. Damit verspielte er bei der Mehrheit der Belegschaft den Rest an positiver Einstellung, welche diese zu seinen Plänen gehabt haben dürften. Die Wahrheit dieser Ereignisse, welche ein anschauliches Beispiel für den Umgang der Hagelversicherungsbranche mit der Inflation aber auch der Identifikation von Mitarbeitern mit ‚ihrem‘ Unternehmen gibt, dürfte wie folgt ausgesehen haben: Beide Seiten begingen vermeidbare Fehler bzw. waren mit dem Projekt und seinen Herausforderungen schlichtweg überfordert.

3. Die weitere Branchengeschichte bis 1933 Parallel zu diesen Vorkommnissen ging die deutsche Politik an die Neuordnung des Geldwesens. Wer weiß, ob es überhaupt zur Gründung der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ gekommen wäre, hätten die Bekämpfung der Inflation und die damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden. Voraussetzung für die Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage war die Bildung einer neuen Reichsregierung unter Gustav Stresemann am 13.  August 1923 auf der Basis einer großen Koalition aus SPD, Zentrum, der Bayerischen Volkspartei, der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Deutschen Volkspartei (DVP). Knapp einen Monat später beendete der Reichskanzler den Ruhrkampf, wodurch große Ausgabenposten wegfielen und ein Signal an die ehemalige Kriegsgegner gesendet wurde, dass Deutschland bereit sei, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Gleichzeitig versprach sich Stresemann internationale Unterstützung für seine Pläne zur Inflationsbekämp-

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fung.107 Die Währungsreform erfolgte in zwei Schritten, wobei die Gründung der ‚Deutschen Rentenbank‘ am 15.  Oktober 1923 den Anfang machte. Diese gab als Übergangswährung die Rentenmark heraus, die durch Grundbesitz gesichert war108 und dadurch insbesondere bei den Landwirten großes Vertrauen genoss. Das eigentliche neue gesetzliche Zahlungsmittel war ab dem 30. August 1924 die auf Golddeckung basierende Reichsmark.109 Gleichzeitig setzte ab 1923 ein neuer Wachstumszyklus der deutschen Wirtschaft ein, dessen oberer Wendepunkt 1928 erreicht wurde. Zwar gab es im Winter 1925/26 einen konjunkturellen Einbruch,110 aber insgesamt wurden die Jahre bis 1929, als die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise Deutschland erreichten, im Nachhinein als die ‚Goldenen Jahre‘111 der Weimarer Republik verklärt.112 Auch die Landwirte – und damit die Hagelversicherung  – konnten mittelfristig von der günstigen Konjunkturlage profitieren, was v. a. auf die Preisentwicklung zurückzuführen war: Kostete ein Doppelzentner Weizen 1913 noch 198 Mark/dz, stieg der Preis bis 1927 auf 273 Mark/dz.113 Als negative Entwicklung war in diesen Jahren aber zu beobachten, dass sich viele Agrarbetriebe verschulden mussten, um die während der Inflationszeit zurückgestellten Investitionen nachzuholen.114 Nach der Reichsmarkeinführung ging auch die Hagelversicherungsbranche daran, ihre finanziellen Verhältnisse zu ordnen. Unklar ist in diesem Zusammen 107

Vgl. Tooze, Ökonomie (2007), S. 21–26. Die Rentenmark wurde im Verhältnis 1:1 Billion Papiermark emittiert und auf 3,2 Milliarden begrenzt. Als Sicherheit dienten Grundschuldverschreibungen über Agrarflächen bzw. Schuldverschreibungen über den gesamten gewerblich genutzten Grundbesitz im Wert von je 1,6  Milliarden Rentenmark. Die Rentenbank gab über den Gesamtbetrag Rentenbriefe mit einem Nennwert von je 500 Goldmark aus. Im Umlauf durften sich zunächst maximal 2,4 Milliarden Rentenmark befinden, welche je zur Hälfte als Kredite an die Reichsregierung und die Reichsbank weitergereicht wurden. Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 314 f. sowie Walter, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 167 f. 109 Vgl. Henning, Deutschland (1987), S.  444 f., Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 247 sowie Büttner, Weimar (2008), S. 179–181. 110 Vgl. Spree, Cycles (2002), S. 7 f. sowie Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 314–321. 111 Alleine das Volkseinkommen stieg von 57  Milliarden Mark (1925) auf 71  Milliarden Mark (1928), die Industrieproduktion erhöhte sich zwischen 1924 und 1928 um 46 Prozent und erreichte damit wieder 85 Prozent des Vorkriegsniveaus – wenngleich die Weltproduktion im Vergleich dazu im selben Zeitraum um 47 Prozent wuchs. 112 Motor der wirtschaftlichen Erholung waren die zahlreichen ausländischen Kredite, welche nach Unterzeichnung des Dawes-Plans nach Deutschland flossen und in der Mehrzahl von amerikanischen Gläubigern vergeben wurden, die auf das relativ hohe deutsche Zinsniveau spekulierten. Neben der steigenden Abhängigkeit vom Ausland bestand die Crux der Entwicklung aber insbesondere in den zukünftigen Zinsverpflichtungen. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 252–255. 113 Mitverantwortlich für diese hohen Preise war die abermalige Subventionierung wichtiger Agrarprodukte, welche ab 1925 in Form von Schutzzöllen, die in der Tradition des seit 1906 in Kraft getretenen Bülow-Tarif standen, wieder eingeführt wurden und bis 1929 in Kraft blieben. 114 Vgl. Henning, Deutschland (1987), S.  431, Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 278 sowie Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 16 f.; 19 f.; 22. 108

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hang aber, nach welchem System die einzelnen Versicherungsverträge auf die neue Währung umgestellt wurden. Möglich wäre es, dass es ähnlich wie im Juni 1948 einen bestimmten Stichtag gab,115 ab dem für die Kontrakte bzw. die damit verbundenen Leistungen die Reichsmark gelten sollte. Die versicherten Landwirte erhielten im Übrigen keine Kompensation für ihre durch die Inflation erlittenen Verluste. Anders war es dagegen bei den Lebensversicherern, für die 1925 so genannte Aufwertungsgesetze erlassen wurden, welche eine Neubewertung der wertlos gewordenen Altpolicen von bis zu 15 Prozent ermöglichten.116 Eine viel größere Herausforderung umfasste den Wiederaufbau des Versicherungsgeschäftes, wobei sich die Rekonstruktionsphase länger hinzog, als es die günstige Agrarkonjunktur vermuten lässt. Denn das Vertrauen in die Leistungsund Zahlungsfähigkeit der Branche konnte nur langsam zurückgewonnen werden. Anders als im 19. Jahrhundert waren hierfür keine brancheninternen Fehlentscheidungen für die Probleme verantwortlich, sondern die Währungszerrüttung. Offensichtlich nahmen die Landwirte in diesem Punkt aber keine Unterscheidung vor. Vielmehr erwecken die Versicherungszahlen den Eindruck, als ob den Hagelassekuranzen die Währungsschwäche bzw. die damit verbundenen Probleme im Versicherungsgeschäft als hausgemachte Fehler vorgeworfen wurden: Erzielten im Jahr 1914 alle Gesellschaften zusammen noch 44 Millionen Reichsmark an Prämieneinnahmen, waren es 1924 lediglich 28,5 Millionen Reichsmark,117 was mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ausschließlich auf das durch den Friedensvertrag reduzierte Geschäftsgebiet zurückzuführen ist. Vielmehr spiegelt sich in den Zahlen das gestiegene Misstrauen der Versicherungsnehmer wider. Allein die ‚Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt‘ verzeichnete bei 180.000 Kunden im Jahr 1923 einen Abgang von über 37.500 Versicherten. Zur Stabilisierung der Gesellschaft wurde entgegen der bisherigen Praxis118 ab 1924 eine – allerdings nach oben begrenzte – Nachschusspflicht eingeführt.119 Ein anderes zu beobachtendes Phänomen bestand in der Auffassung vieler Landwirte, dass mit der Geldentwertung und den als Folge daraus nicht mehr erfolgten Leistungen der Versicherer auch automatisch der Vertrag erloschen sei. Etliche Versicherungsnehmer meinten daher, unmittelbar einen neuen Kontrakt abschließen zu können. Die Klärung dieser Situation bzw. der Rückgewinn von Vertrauen kostete die betroffenen Unternehmen viel Zeit, Geld und Mühen.120 Zusätzlich kam es als Folge der Zurückhaltung auf Kundenseite zu einer Ver­ schärfung des Wettbewerbs. Mit Hilfe von äußerst knapp kalkulierten Prämien versuchten viele Unternehmen, sich gegenseitig die Kunden abspenstig zu

115

Vgl. Kapitel G.I. Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 36. 117 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 165. 118 Vgl. Kapitel E.II.2.c). 119 Vgl. Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt, Denkschrift (1934), S. 24. 120 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 38. 116

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machen. Gleichzeitig verzögerte sich dadurch der Aufbau von neuen Rücklagen.121 Zudem erwuchs den bestehenden Hagelversicherern ab 1925 neue Konkurrenz durch den Markteintritt einiger öffentlich-rechtlicher Feuersozietäten.122 Waren es zunächst Gesellschaften in Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Hannover und der Rhein­provinz, kam ab 1931 auch die Hamburger Feuerkasse hinzu. Ähnlich wie die Gegenseitigkeitsvereine und Aktiengesellschaften organisierte man sich ab 1928 in einer eigenen Lobbyorganisation, dem ‚Öffentlich-Rechtlichen Hagelversicherungsverband in Deutschland‘. Was die Interessensvertre­ tungen der Versicherungs­vereine bzw. Aktiengesellschaften betraf, die bis dahin unter dem Namen ‚Freundschaftsbund‘ bzw. ‚Coalition‘ bekannt waren, firmierten diese in der Weimarer Republik als ‚Verband der Deutschen Hagel-Versicherungs-Aktiengesellschaften‘ bzw. als ‚Verband Deutscher Hagel-VersicherungsVereine a. G‘, jeweils mit Sitz in Berlin. Alle drei Organisationen bestanden bis zur Einbindung des Versicherungswesens in das nationalsozialistische Wirtschaftssystem.123 Man kann sich fragen, warum die öffentlich-rechtlichen Sozietäten den Eintritt in einen reifen Markt vorgenommen haben. Von großer Bedeutung waren mit Sicherheit ähnliche Überlegungen, wie sie von den Mutterkonzernen der Hagel­ versicherungsaktiengesellschaften im 19.  Jahrhundert angestellt wurden.124 Dahinter stand die Idee der Nutzung von bereits bestehenden Vertriebsstrukturen bzw. der Kundenbasis, um Synergieeffekte und die Senkung von Transaktionskosten zu realisieren. Organisatorisch verfuhr man aber anders als 1853, da es zu keiner Neugründung von Tochterunternehmen und damit Konzernbildung kam, sondern die Hagelversicherung als zusätzliche Versicherungssparte aufgenommen wurde.125 In der Folgezeit war zu beobachten, dass der durch die Rekonstruktion der Branche ohnehin schon angespannte Wettbewerb nochmals an Schärfe zunahm. Da hierbei alle Wettbewerber langfristig nur Schaden nehmen konnten, versuchten die beteiligten Unternehmen, diese Situation auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Mit dem so genannten Schierker Abkommen vom 19. August 1927 vereinbarten die privaten und öffentlich-rechtlichen Hagelversicherer Wett­

121 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 39 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 271. 122 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Denkschrift zur Frage der HagelversicherungsReform vom 30.  Juni 1941, S.  4. Walter Rohrbeck war nach seinem Ausscheiden aus der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ als Berater für diese Gesellschaften tätig und hatte diesen anscheinend auch internes Material seines ehemaligen Arbeitgebers zugespielt. Vgl. AVH/ Bestand Norddeutsche Hagel/Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die be­ sonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-VersicherungsGe­sellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, S. 46–48. 123 Vgl. Koch, Geschichte (2012), S. 249. Wann genau die Umfirmierung stattgefunden hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen. 124 Vgl. Kapitel D.III. 125 Vgl. Ammon, Geschichte (1937), S. 17 f. sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 273.

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bewerbsbedingungen, die für ein faires Miteinander im Markt sorgen sollten.126 Unter anderem wurde das Verbot eines systematischen Unterbietens der Prämien festgeschrieben.127 Die Vereinbarung hatte bis 1938 Bestand, als es durch das ‚Jenaer Abkommen‘ abgelöst wurde.128 Parallel dazu waren auf Seiten der etablierten Hagelversicherer Konzentra­ tionserscheinungen zu beobachten, die zum einen der Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition dienten, zum anderen auf die Folgen der Inflation und ab 1929 auf die allmählich einsetzende Wirtschaftskrise zurückzuführen waren.129 Bei den Gegenseitigkeitsvereinen zeigte sich dies durch eine Reihe von Fusionen. Neben dem erwähnten Zusammenschluss mit der ‚Borussia‘ im Jahr 1931 übernahm die ‚Norddeutsche Hagel‘ in diesem Jahr ebenfalls die 1886 gegründete ‚Preußische Hagel-Versicherungsgesellschaft‘. Beide Akquisen bedeuteten für die ‚Norddeutsche‘ einen Anstieg der Versicherungssumme um knapp 100 Millionen Mark.130 Als Folge der Fusion wurde das Unternehmen im Jahr 1932 von sechs Gegen­ seitigkeitsvereinen (darunter auch die ‚Leipziger Hagel‘) wegen angeblich unlauterem Wettbewerb verklagt. Die offizielle Begründung bezog sich auf einen Passus in den Prospekten der ‚Norddeutschen‘, in dem die Gewährung von „unbedingter Sicherheit“ versprochen wurde. Tatsächlich dürfte für die Klage der Mitwettbewerber die Befürchtung einer weiteren Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsposition als Folge der Fusionen verantwortlich gewesen sein. Die Angelegenheit konnte schließlich in Form eines Vergleichs beigelegt werden.131 Die Aktiengesellschaften wiederum suchten den Schulterschluss mit starken Partnern, wodurch sie mitunter Teil eines größeren Konzerns wurden: So schloss sich z. B. die ‚Berliner Hagel-Assekuranz-Gesellschaft‘ mit der ‚Nordsterngruppe‘ zusammen, nachdem diese den bisherigen Partner der ‚Berliner Hagel‘, die ‚Rhenania‘, übernommen hatte. Ein großes Aktienpaket der ‚Kölnischen Hagel‘ wurde von der ‚COLONIA Kölnische Feuer- und Unfallversicherungs AG‘ übernommen, bei der ‚Magdeburger Hagel‘ wiederum erwarb die ‚Magdeburger Feuerversicherungs-Aktiengesellschaft‘ zahlreiche Anteile zurück.132

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Dem ging von Seiten des ‚Reichsverbands der Privatversicherung‘ und den ‚Verbänden der öffentlichen Versicherungen‘ der so genannte Burgfrieden voraus. Dieser stellte ein unter Vermittlung des Reichswirtschaftsministeriums zustandegekommenes Abkommen dar, welches Grundsätze eines fairen Wettbewerbs umfasste. Vgl. Koch, Geschichte (2012), S. 250 f. 127 Vgl. Knoll, Hagelversicherung, (1952), S. 276 f. 128 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 39. 129 Vgl. für die Versicherungsbranche an sich Koch, Geschichte (2012), S. 267–279. 130 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 37. 131 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Protokoll des Ständigen Ausschusses des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 30. April 1932, Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 12. September 1932 an die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Protokoll der öffentlichen Sitzung der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts III Berlin-Charlottenburg vom 14. November 1932. 132 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 274.

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Allerdings war die wirtschaftliche Prosperität der Weimarer Republik nicht von langer Dauer. Ab 1927 zeigten sich erste Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung, da beispielsweise die Nettoinvestitionsquote von 1927 auf 1928 um 10 Prozent sank.133 Die ohnehin schon erlahmende deutsche Wirtschaft wurde daher umso härter von der Weltwirtschaftskrise getroffen. Auslöser war der 24. Oktober 1929 – der so genannte Schwarze Freitag –, an dem die Kurse an der New Yorker Börse um bis zu 90 Prozent einbrachen. Da im Anschluss die amerikanischen Auslandsinvestitionen größtenteils zurückgefordert wurden, traf die Krise Deutschland aufgrund der aus den USA investierten knapp 16 Milliarden Reichsmark besonders hart. Die einsetzende Depression134 sollte im Reich aber erst 1932 das volle Ausmaß erreichen.135 Das Sozialprodukt 1932 war im Vergleich zu 1928 um mehr als 26 Prozent gefallen und befand sich damit wieder ungefähr auf dem Stand des Jahres 1900. Auch die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe: Wahrscheinlich acht Millionen Menschen – was wohl eine realistische Schätzung ist, die offizielle Statistik erfasste für 1932 ‚nur‘ 5,3 Millionen Arbeitssuchende – waren als beschäftigungslos gemeldet – ein Umstand, den die meisten Deutschen als besonders drückend empfanden.136 Die deutsche Landwirtschaft befand sich parallel dazu in einer tiefgreifenden Preis- und Absatzkrise. Besonders die Weizenpreise sind hier als aussagekräftiger Indikator anzusehen. Stand dieser wie gesehen 1927 noch bei 273 Reichsmark/ dz, sank er bis 1929 auf 235 Reichsmark/dz.137 Verantwortlich für das Überangebot auf dem Markt war die kontinuierliche Mechanisierung und Rationalisierung sowie der exorbitante Anstieg der Getreideausfuhren der USA, Kanada aber auch der Sowjetunion. Aufgrund der geringen Erlöse mussten sich viele landwirtschaftliche Betriebe weiter verschulden,138 was etliche Zwangsversteigerungen zur Folge 133

Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 258. Verschärft wurde die wirtschaftliche Talfahrt durch die Politik. Als Reichskanzler amtierte in diesen Jahren Heinrich Brüning, der 1930 auf den Sozialdemokraten Hermann Müller gefolgt war und als erster mit präsidialen Vollmachten gemäß Artikel 48 der Weimarer Verfassung regierte. Brünings Wirtschaftspolitik war durch rigorose Spar- und Deflationsmaßnahmen geprägt, wodurch der konjunkturelle Abschwung nochmals verstärkt wurde. Mit seiner Politik wollte Brüning den Alliierten vor Augen führen, dass Deutschland trotz aller Anstrengungen nicht in der Lage sei, die Reparationsleistungen zu erfüllen. Vom Spar­diktat ausdrücklich ausgenommen waren aber die Hilfen für die Landwirtschaft, welche nicht zuletzt auf Druck des Reichspräsidenten zustande gekommen waren. Vgl. Tooze, Ökonomie (2007), S. 32–44 sowie Büttner, Weimar (2008), S. 399–405; 423–435. 135 Die deutsche Versicherungswirtschaft überstand die Weltwirtschaftskrise insgesamt relativ glimpflich. Allerdings gab es dabei eine spektakuläre Ausnahme: Die traditionsreiche ‚Frankfurter Versicherungs-AG (Favag)‘ musste aufgrund von Fehlspekulationen ihren Betrieb im Sommer 1929 einstellen und wurde als ‚Neue Frankfurter Allgemeine Versicherungs-AG‘ in den Allianzkonzern integriert. Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 39–49, Feldman, Company (2002), Koch, Krisen (2003), S. 1233 sowie Modert, Zusammenbruch (2004). 136 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 257–262 sowie Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 321 f. 137 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 278. 138 Bis 1932 war diese wieder auf 12,5  Milliarden Mark gestiegen. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 280. 134

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hatte.139 Allerdings kann für die angespannte Situation des heimischen Agrarsektors nicht nur die Struktur des Weltagrarmarktes verantwortlich gemacht werden. Viele Probleme waren vielmehr hausgemacht: Die deutsche Landwirtschaft war immer noch nicht international konkurrenzfähig, sondern befand sich de facto seit dem Kaiserreich in einer Strukturkrise. Diese zu überwinden, fehlten aber auch in der Weimarer Republik die Anreize, da man weiterhin auf staatliche Unterstützung pochte und diese wie im Fall des 1928 aufgelegten und mit mehr als 60 Millionen Reichsmark dotierten ‚Reichsnotprogramms zur Behebung dringender Notstände in der Landwirtschaft‘ regelmäßig erhielt. Angesichts der landesweiten wirtschaftlichen Krise und der gleichzeitig durch die Regierung Brüning forcierten rigorosen Sparpolitik gerieten die auch ‚Ostpreußenhilfe‘ genannten Zahlungen immer mehr in die Kritik, da eine kleine, aber gut im Politikbereich vernetzte Gruppe überdurchschnittlich viel Unterstützung bekam.140 Die Klagen über die Unfähigkeit der Republik, einen Weg aus der ökonomischen Misere zu finden, verstärkten die ohnehin latent vorhandene Reserviertheit zahlreicher Menschen gegenüber der parlamentarischen Demokratie. Trotz der im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen unverhältnismäßig großen Unterstützung wurde auch im Agrarsektor das Murren über den Staat immer lauter. Man kritisierte den scheinbaren Bedeutungsverlust der Landwirtschaft im Vergleich zur Situation im Kaiserreich, wo man wie selbstverständlich von Seiten der Politik eine bevorzugte Behandlung genossen habe. Aufgrund dieser scheinbaren Vernachlässigung durch die Weimarer Parteien gelang es der NSDAP, ab 1930 im Reichslandbund Einfluss zu gewinnen.141 Bemerkenswert ist zudem das überdurchschnittliche Engagement der selbständigen Landwirte in der Partei. Bei einem Bevölkerungsanteil von 6,7 Prozent stellten sie 1930 14,1 Prozent bzw. 1933 13,4 Prozent142 der NSDAP-Mitglieder.143

139 Als Beispiel seien die Zahlen für landwirtschaftliche Betriebe mit einem Besitz von mehr als zwei Hektar genannt: 1927 waren es 828 Einheiten, die den Besitzer wechselten, 1930 bereits 2.051 Höfe und alleine 1931 kam es zur Zwangsversteigerung von 4.766 landwirtschaftlichen Objekten. 140 Dennoch wurde die Regierung Brüning von Reichspräsident von Hindenburg im Mai 1932 gerade aufgrund von Unstimmigkeiten über die Agrarsubventionen entlassen. Auslöser war die Kritik des ‚Reichslandbundes‘, der ostelbische Großgrundbesitzer repäsentierte und sich bei Hindenburg beklagte, dass die gewährten Unterstützungzahlungen zu klein ausgefallen seien. Auch störten sie sich an der Absicht des Reichskanzlers, bankrotten Gutsbesitz mitunter zwangsversteigeren zu lassen, um danach Erwerbslose darauf anzusiedeln. Vgl. Büttner, Weimar (2008), S. 461–463. 141 Vgl. Büttner, Weimar (2008), S. 177 f.; 217–221. Diese Entwicklung zeigte sich auch an den Reichstagswahlen in diesem Jahr: War die NSDAP 1928 eine Splitterpartei mit 2,6 Prozent bzw. 12 Reichstagsabgeordneten, wuchs sie im September 1930 auf 18,3 Prozent an und stellte nun 107 Reichstagsmitglieder. Vgl. Ebd. S. 416–420. 142 Vgl. Büttner, Weimar (2008), S. 415. 143 Vgl. neben der zitierten Literatur auch Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S.  324 f.; 329–331, Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 23–25 sowie Büttner, Weimar (2008), S. 455–460.

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Auch die Hagelversicherung sollte die Verschlechterung der Agrarkonjunktur zu spüren bekommen. Angesichts der leeren Kassen der Versicherer wäre zwar eine Beitragserhöhung notwendig gewesen, aber diese war am Markt nicht durchsetzbar. Viele Gesellschaften konnten sich nur behelfen, indem sie zu einer Beschränkung der Schadensleistungen übergingen.144 Zusätzlich spitzte sich die Branchensituation aufgrund der schweren Hagelschläge zu, die in diesen Jahren auftraten. 1927 gab es in ganz Deutschland derart massive Unwetter, wie sie nach Aussagen mancher Zeitgenossen in diesem Ausmaß bis dato unbekannt waren. Alleine die ‚Norddeutsche Hagel‘ musste bei einer Vorprämie von lediglich 5,5 Millionen Reichsmark 22,25 Millionen Mark an Schadensansprüchen bedienen. Entsprechend hoch war mit 350 Prozent der Nachschuss angesetzt. Glaubte man, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, brachte das Jahr 1929 noch größere Zerstörungen. Ein Hagelsturm, der am 4. Juli 1929 über dem bayerischen Donautal niederging, verwüstete auf einer Fläche von ungefähr 200 km Länge und 20 km Breite sämtliche Felder und Erzeugnisse. Die Schäden summierten sich auf 100 Millionen Reichsmark, wovon alleine die ‚Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt‘ 14 Millionen Reichsmark zu tragen hatte. Rein rechnerisch wäre ein Nachschuss von knapp 396 Prozent nötig gewesen, um alle Forderungen begleichen zu können. Da die Nachschussausschreibung per Gesetz nach oben begrenzt war, musste die ‚Landesanstalt‘ bei der bayerischen Landesbrandversicherung ein Darlehen von 12 Millionen Reichsmark aufnehmen. Bei der ‚Norddeutschen‘ wiederum fielen Schäden von mehr als 14  Millionen an. Hätte man das bayerische Geschäft separat betrachtet, wären 464 Prozent an Nachschussquote angefallen. Auf das gesamte Unternehmen bzw. Jahr gesehen summierte sich der Wert immer noch auf 150  Prozent.145 Dies erweckte wie schon im 19.  Jahrhundert den Missmut zahlreicher Landwirte aus Norddeutschland – wobei diese vergaßen, dass auch ihre Heimatregionen nicht immer von schweren Hagelschlägen verschont blieben. Beispielsweise wurde Pommern im Jahr 1928 ebenfalls massiv getroffen und die Gesellschaft hätte von den pommerschen Kunden einen ähnlich hohen Nachschuss – nämlich 450 Prozent – wie in Bayern im darauffolgenden Jahr erheben müssen. Insofern profitierten diesmal die norddeutschen Versicherten von ihrer Mitgliedschaft, da ‚lediglich‘ die erwähnten 350 Prozent an Nachschuss zu zahlen waren.146 Die Mehrheit der Landwirte aus Norddeutschland sah das Engagement der Gesellschaft im hagelreichen Bayern aber mit Argusaugen und forderte, sich aus Süddeutschland zurückzuziehen.147 Bemerkenswerterweise war es ein Delegierter aus 144

Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 42 f. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Pro­ tokoll des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 20. September 1928. 146 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Pro­ tokoll des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 20. September 1928. 147 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 41, Neue, Jahre (1949), S. 34 f.; Anlage I, S. 3 sowie Bayerische Versicherungskammer, Denkschrift (1984), S. 40 f. Parallel dazu wurden 145

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Mecklenburg, der dafür sorgte, dass dem Antrag nicht stattgegeben wurde. Mög­ licherweise war auch er von den schweren Stürmen im Jahr 1928, die Pommern verwüsteten, betroffen.148 Wörtlich meinte der mecklenburgische Kunde in der Generalversammlung des Jahres 1930: „Was heute in Bayern passiert ist, kann nächstes Jahr in Pommern, und dann vielleicht in Ostpreußen [passieren.] Wollen Sie dann einen Bezirk nach dem anderen hinauswerfen? Da können wir uns vielleicht ungefähr ausrechnen, wann die ‚Norddeutsche‘ keine Mitglieder mehr haben wird.“149

Wie richtig diese Bemerkung war, zeigt die Tatsache, dass 1931 das relativ hagelarme Sachsen und Schlesien äußerst hart getroffen wurden. Von den dort insgesamt versicherten 20.700 Landwirten waren 6.300 betroffen, die Schäden in Höhe von 5,6  Millionen Reichsmark meldeten. Wären beispielsweise die Ver­ sicherten der Generaldirektion Breslau auf sich alleine gestellt gewesen, hätte der Nachschuss 632 Prozent betragen. Aufgrund der Übernahme durch die gesamte Gefahrengemeinschaft reduzierte sich dieser auf ‚nur‘ 256  Prozent der Vorprämie.150 Abschließend bleibt zu sagen, dass auch das Ende der Rekonstruktionsphase der deutschen Hagelversicherung mit diesen Jahren zusammenfiel: Erst 1929 konnte in etwa die Gesamtversicherungssumme des Jahres 1914 mit 3,4 Milliarden Reichsmark erreicht werden.151

in den Jahren 1928 bis 1930 Pläne diskutiert, einen bayerischen Landeshagelversicherungsverband zu gründen, um die Risiken für ein einzelnes Unternehmen begrenzen zu können. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Vorschläge beinhalteten u. a. eine Arbeitsgemeinschaft der ‚Norddeutschen Hagel‘ mit der ‚Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt‘ oder auch das Zusammengehen von ‚Norddeutscher‘ mit der zu diesem Zeitpunkt noch selbständigen ‚Borussia‘, der ‚Union‘ und der ‚Magdeburger Hagel‘. In diesem Pool sollte das bayerische Geschäft der vier Unternehmen gebündelt werden. Allerdings scheiterten alle diese Überlegungen aus den unterschiedlichsten Gründen: Einmal konnte man sich nicht über die Tarife einigen, ein anderes Mal nicht über die Besetzung der Leitungsfunktion der neuen Arbeits­gemeinschaft. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925– 1939, darin Protokoll des ständigen Ausschusses des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 25. November 1930. 148 Eine Folge der schweren Hagelschläge dieser Jahre in Süddeutschland war aber eine erneute Revision der beiden Staatsverträge mit Baden und Württemberg. Für die weitere Gewährung von Hagelversicherungsschutz für die einheimischen Bauern erhöhten beide Länder ihre finanzielle Unterstützung. Vgl. Ammon, Geschichte (1937), S. 150–166. 149 Abgedruckt bei Neue, Jahre (1949), S. 35. 150 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 36 f. 151 Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 165.

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II. NS-Musterbetrieb, Kooperation mit dem Regime und erneute Verstaatlichungsgefahr: Die Hagelversicherung während des Dritten Reichs Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30.  Januar 1933 wurden alle Bereiche von Staat und Gesellschaft auf die NS-Ideologie hin ausgerichtet. Dies schloss auch die Wirtschaft mit ein, wobei im vorliegenden Kontext der Agrarbereich und die Versicherungsbranche von besonderem Interesse sind. Die ökonomische Entwicklung während der NS-Zeit lässt sich grob gesagt in zwei Phasen einteilen. Schon bald nach der Machtergreifung setzte eine konjunktu­ relle Erholung bzw. ein Rüstungsaufschwung ein, der von 1934 bis 1939 anzusetzen ist.152 Die relative Erholung ist beispielsweise daran erkennbar, dass das Netto­ sozialprodukt pro Kopf 1935/36 den Wert von 1928 wieder überschritten hatte.153 Mittelfristig dienten alle ökonomischen Maßnahmen des Regimes der Wiederaufrüstung bzw. Kriegsvorbereitung, weshalb die ökonomische Erholung der frühen 1930er Jahre weniger ein marktwirtschaftlicher, als vielmehr ein durch den Staat bewirkter Aufschwung war, der zudem auf Kosten einer Steigerung des allgemeinen Lebensstandards der Bevölkerung ging.154 Nach Kriegsausbruch wurde der Rüstungsaufschwung durch die Kriegswirtschaft abgelöst, die bis zum Ende des Dritten Reichs andauerte.155 Was die Landwirtschaft betrifft, so zählten wie gesehen die Bauern schon früh zu den Unterstützern der NSDAP und trugen in der Endphase der Weimarer Republik überdurchschnittlich zu den hohen Wahlergebnissen der Partei bei.156 Zudem genoss aus ideologischen Gründen die Landwirtschaft einen besonderen Stel­ lenwert innerhalb der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik.157 Bereits der nur wenige Monate amtierende neue Reichslandwirtschaftsminister Alfred Hugenberg setzte die traditionelle protektionistische Politik zum Schutz des Agrarsektors fort. Tiefgreifende institutionelle Veränderungen sowie die ideologische Neuausrich 152 Schon davor war es den Unternehmen während der Weltwirtschaftskrise gelungen, ihre Kostensituation infolge von Lohnabbau, Entlassungen und den gewährten Steuervergünstigungen zu verbessern. 153 Mit verschiedenen Maßnahmen versuchte das Regime zudem, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen – wobei viele Anordnungen wie Ehestandsdarlehen, die Förderung der weiblichen Hauswirtschaft oder die Einführung des Reichsarbeitsdienstes nicht eine ökonomisch vernünftige Ankurbelung der Produktion, sondern vielmehr eine öffentlichkeitswirksame Senkung der Arbeitslosenstatistik zum Ziel hatte. 154 Treffend hierzu Adam Tooze: „Nie zuvor war eine fortgeschrittene kapitalistische Wirtschaft in Friedenszeiten derart zielgerichtet umgestaltet worden.“ Tooze, Ökonomie (2007), S. 756. 155 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 292; 335–339. 156 Vgl. Münkel, Bild (2012), S. 131. 157 Das Bild des Bauern im Nationalsozialismus erfuhr im Übrigen bis zum Ende des Regimes keine große Veränderung. Der Agrarsektor wurde als Hüter des Volkstums und der Kultur sowie vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Rassenpolitik als ‚Blutsquell der Nation‘ gesehen. Vgl. Münkel, Bild (2012), S. 131–136.

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tung wurden allerdings erst von dessen Nachfolger, dem ‚Reichsbauernführer‘ Walther Darré vorgenommen, der im Juni 1933 sein Ministeramt antrat.158 Somit waren die für den Agrarsektor verantwortlichen Staats- und Parteistellen in einer Person konzentriert. Darré hing zudem einem extrem ausgeprägten agrarischen Rassismus an.159 Diese ‚Blut-und-Boden‘-Ideologie160 wurde bereits am 26. September 1933 mit der Vorlage des ‚Reichserbhofgesetzes‘ in den formalen politischen Prozess eingebracht. Die Kernaussagen des Gesetzes lassen sich wie folgt zusammenfassen. Erben eines Hofes161 konnten nur Deutsche sein, was gleichzeitig Bürger jüdischen Glaubens vom Besitz landwirtschaftlicher Güter ausschloss. Außerdem versprach man, den ‚Deutschen Bauern‘ – wobei der Begriff als Ehrentitel verstanden wurde, alle nicht vom ‚Reichserbhofgesetz‘ betroffenen Agrarier wurden als Landwirte tituliert162 – vor der Verpfändung seines Grund und Bodens zu bewahren. Gleichzeitig kam es damit aber auch zur Aufhebung des Vertragsund Erbrechts.163 Im Gegenzug für diese Maßnahme zum Schutz der Scholle mussten die Landwirte große Einschränkungen hinsichtlich der Veräußerung oder Belastung ihrer Grundstücke oder der Entscheidung über die Vererbung hinnehmen. Im ursprünglichen Entwurf der so genannten Anerbenordnung hatten die Söhne

158 Darré war erst im Mai 1933 zum Reichsbauernführer ernannt worden und hatte eine führerimmediate Stellung inne. Wie der Titel suggeriert, konzentrierte Darré in seiner Hand die Kontrolle über die wichtigsten Verbände und Institutionen im landwirtschaftlichen Bereich. Dazu gehörte einmal der Vorsitz des Reichslandbundes, der im April 1933 mit den Bauernvereinen verschmolzen wurde. Zudem übernahm Darré den Vorsitz über die Raiffeisen-Genossenschaften sowie das Präsidium des ‚Deutschen Landwirtschafts-Rates‘, wodurch es ihm gelungen war, auch das ländliche Kreditwesen und die Landwirtschaftskammern zu beherrschen. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 701. 159 Darré war auch Leiter des ‚SS Rasse- und Siedlungshauptamtes‘, welches er zusammen mit Heinrich Himmler im Jahr 1931 als ‚SS-Rasseamt‘ gegründet hatte. Vgl. Gerhard, Darré (2002), S. 268 f. 160 Der Begriff wurde von Darré geprägt, wobei sich nach der schlechten Ernte des Jahres 1934 die Terminologie änderte und die Propaganda Ausdrücke aus dem militärischen Bereich wie ‚Erzeugungsschlacht‘ benutzte. Der ideologische Überbau verschwand zudem während des Krieges immer mehr, da andere Aufgaben von größerer Bedeutung waren. Darré selbst wurde 1942 durch seinen Staatssekretär Herbert Backe abgelöst, der als Ernährungsexperte galt. Im Übrigen versuchte Darré nach dem Krieg, seine rassenpolitischen Ansichten zu relativieren. Nach eigener Darstellung habe er vielmehr umfassende Maßnahmen zum Naturschutz in die Wege geleitet und versucht, eine dynamisch-biologische Anbauweise in der Landwirtschaft zu forcieren. Diese Selbstdarstellung als quasi harmloser Agrarromantiker konnte sich erstaunlicherweise lange halten. Die neuere Forschung kommt jedoch eindeutig zu dem Ergebnis, dass Darré als Urheber der ‚Blut-und-Boden Ideologie‘ anzusehen ist, welche u. a. als Legitimation für den Eroberungskrieg in Osteuropa diente. Vgl. Gerhard, Darré (2002) sowie Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 30;32. 161 Zielgruppe waren weniger die Besitzer kleinerer Höfe oder der Großgrundbesitz – unter letzteren war Darré umstritten, da man eine Bodenreform befürchtete –, sondern vielmehr der bäuerliche Mittelstand, der sich über eine ‚Ackernahrung‘ bzw. Grundbesitz von mindestens 7,5 bis höchstens 125 Hektar definierte. 162 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 703. 163 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 332.

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des Erblassers den ersten Zugriff, gefolgt von den Brüdern des ursprünglichen Besitzers. Erst dann konnten sich auch die Töchter oder Schwestern Hoffnung auf das Erbe machen. Gerade dieser massive Eingriff in die Property Rights – da eben nicht mehr die uneingeschränkte Übertragbarkeit des Eigentums gegeben war – erweckte den Widerstand vieler Landwirte und hatte mehrere Novellen zur Folge. Hart blieb das Regime bezüglich der Unteilbarkeit des Erbes – ein in den Augen der Nationalsozialisten unerlässlicher Aspekt zum Erhalt und zur Förderung des ‚Deutschen Bauernstandes‘. Die Ironie der Entwicklung bestand aber darin, dass sich trotz aller Lippenbekenntnisse zum Agrarsektor der säkulare Trend fortsetzte: Waren 1933 noch ungefähr 13,1 Millionen Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt, sank diese Zahl bis 1939 auf circa 11,6 Millionen ab.164 Mit der Gründung des ‚Reichsnährstandes‘ (RNS) im September 1933 gab es zudem eine institutionelle Neuerung. Im RNS waren sämtliche mit der landwirtschaftlichen Produktion in Berührung kommende Unternehmen zusammengefasst, was neben den eigentlichen Erzeugern auch vor- und nachgelagerte Bereiche wie Kreditgenossenschaften oder Händler miteinschloss. Neben der Kontrolle bzw. ideologischen Beeinflussung der genannten Bereiche wollte man mit der Schaffung dieses riesigen bürokratischen Apparats eine Steigerung der Effizienz der Nahrungsmittelproduktion bis hin zur Autarkie erreichen. Die Landwirtschaft war somit der erste – und auch einzige – Wirtschaftsbereich, der vollständig nach organisch-ständischen Prinzipien umgestaltet wurde.165 Gleichzeitig kam es de facto zum Aussetzen des freien Marktes für Agrarprodukte, da für die einzelnen Erzeugnisse Preisspannen – womit ein Hebel für die Steuerung der Produktionsmenge gegeben war – oder Anlieferungsmengen festgelegt wurden.166 Zur Be­ ruhigung der Verbraucher waren die Preise i. d. R. auf einem niedrigen Niveau fixiert, was wiederum den Missmut der Produzenten hervorrief. Insgesamt stand aber der Aufwand, den der RNS betrieb, in keinem Verhältnis zur Outputsteigerung. Man geht davon aus, dass sich zwischen 1932/33 und 1938/39 die gesamte landwirtschaftliche Produktion um weniger als 10 Prozent gesteigert hat. Dieser Überschuss wurde durch das Bevölkerungswachstum wieder kompensiert, so dass der vom Regime angestrebte Selbstversorgungsgrad im Jahr 1939 nur 85 Prozent des erforderlichen Maßstabs erreicht hatte. Das große Ziel der Autarkie konnte zu keinem Zeitpunkt realisiert werden, was dann während des Krieges zu immer

164 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 277. Auch die von der NSDAP propagierte Schaffung von neuen bäuerlichen Siedlungsstellen kam über das Anfangsstadium nicht hinaus. Wurden 1932 noch 9.000 neue bäuerliche Stellen geschaffen, waren es 1937 lediglich 1.894. Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 29 f. 165 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 332 f. 166 Der einzelne Landwirt behielt eine gewisse Unabhängigkeit, da er z. B. in eigener Verantwortung über die Anbaumethoden entscheiden konnte. Den für die Steigerung der Produktion wohl notwendigen Modernisierungsschub gab es aber während der NS-Zeit nicht, da aufgrund der Kriegsvorbereitungen beispielsweise agrartechnischen Weiterentwicklungen keine Priorität mehr hatten.

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größeren Engpässen führte, die man durch die systematische Ausplünderung der besetzten Gebiete zu kompensieren versuchte.167 Um zu klären, wie die Hagelversicherungsbranche in das NS-System eingeord­ net war, sollen zunächst einige Äußerungen von Branchenvertretern vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang finden sich Aussagen, welche die landwirt­ schaftliche Assekuranz in die Nähe des NS-Gedankengutes zu rücken versuchen: „Die Grundsätze der NSDAP, die von jedem deutschen Bauern und Landwirt in erster Linie Selbsthilfe verlangen und Rücksicht auf das Gemeinwohl, machen die Hagelversicherung zur Pflicht eines jeden sorgfältig wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebsführers.“168

Ähnlich äußerte sich der sächsische Landesbauernführer Hellmut Körner, als er nichtversicherten Landwirten schwere Versäumnisse im Hinblick auf die Er­ reichung der vom Staat gesteckten Ziele vorwarf. Zudem würden sich diese Bauern auf Kosten ihrer gegen Hagelschlag versicherten Kollegen unsolidarisch verhalten, weshalb auch keine Staatshilfe zu erwarten sei: „[E]s ist des Bauerntums unwürdig, bei solchen Naturschäden, von denen der Bauernstand früher heimgesucht wurde und mit denen er auch in Zukunft zu rechnen hat, immer und immer wieder als Bittsteller bei Staat und Organisationen vorzusprechen[.] Wer sich von der Versicherung ausschließt, schließt sich damit gleichzeitig von der Gemeinschaftsarbeit aus und darf sich nicht wundern, wenn dann die Gemeinschaft es auch ablehnt, für den ihn betroffenen Schaden miteinzutreten.“169

Neben dieser ideologischen Vereinnahmung erfolgte zudem die Integration der Branche in den organisatorischen Neuaufbau der deutschen Wirtschaft. Was man mit dem RNS im Agrarbereich bereits realisiert hatte, sollte für die übrige Wirtschaft mit dem ‚Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft‘170 erreicht werden, das am 27.  Februar 1934 erlassen und anhand einer Durchführungsverordnung vom 27.  November 1934171 konkretisiert wurde.172 Reichswirtschaftsminister war zu dieser Zeit Kurt Schmitt, der von 1921 167

Vgl. zur Rolle der Landwirtschaft im NS-System falls nicht anders zitiert Henning, Landwirtschaft (1988), S. 211–228, Münkel, Agrarpolitik (1996), S. 192–320, Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 27–34 sowie Tooze, Ökonomie (2007), S. 201–239. 168 Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 44. Ähnlich bedenkliche Aussagen finden sich auch in Rohrbecks ‚Deutschem Versicherungslesebuch‘. Vgl. Rohrbeck, Versicherungswirtschaft (1937). 169 Abgedruckt im Geschäftsbericht der ‚Ceres‘ aus dem Jahr 1935. 170 Vgl. Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaues der deutschen Wirtschaft in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1934. 171 Vgl. Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Vorbereitung des organischen Aufbaues der deutschen Wirtschaft vom 27. November 1934. 172 Auch der Reichsverband der Privatversicherung hatte im Jahr 1934 eine Denkschrift über eine Reform des existierenden Verbandswesens im Versicherungsbereich vorgelegt, welche – soweit überschaubar – bisher in der Forschung keine Berücksichtigung gefunden hat. Da im Rahmen des Papiers kein Bezug auf das neue Gesetz hergestellt wird, müssen die Vorschläge unmittelbar vor dessen Einführung erstellt worden sein. Zusammengefasst forderte

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bis 1933 Vorstandsvorsitzender der Allianz war und am 30. Juni 1933 seinen Posten antrat.173 Symbolisiert durch das ‚Führerprinzip‘ teilte man die deutsche Wirtschaft nach einem strikten hierarchischen System in eine Vielzahl von Reichs-, Wirtschafts- und Fachgruppen ein, wobei die Versicherungsbranche in einer eigenen Reichsgruppe zusammengefasst war. Diese wurde von Eduard Hilgard, Vorstandsmitglied bei der Allianz, geleitet.174 Unterhalb dieser ersten Ebene bildeten alle privatrechtlichen Versicherungsunternehmen die Wirtschaftsgruppe I ‚Privatversicherung‘. Die Hagelversicherer waren auf der dritten Stufe der Fachgruppe 4 ‚Hagel- und Viehversicherung‘ zugeordnet.175 Für die öffentlich-rechtlichen Versicherer wurde eine parallele Organisation mit der Wirtschaftsgruppe II geschaffen, wobei die Hagelassekuranzen Bestandteil der Fachgruppe  3, die ebenfalls ‚Hagel-und Viehversicherung‘ hieß, waren. Allerdings kooperierte man in der täglichen Arbeit über die Rechtsformgrenzen hinweg, bis schließlich 1939 die Unternehmen der beiden Rechtsformen auf der Ebene der Wirtschaftsgruppen zusammengefasst wurden.176 Alle Versicherungen waren zudem in die Finanzierung der Aufrüstungsmaßnahmen eingebunden, was wie gesehen die zentrale wirtschaftspolitische Maßnahme des Regimes kurz nach der Machtergreifung darstellte. Ähnlich wie die Banken wurde die Versicherungsbranche als zweite große Kapitalsammelstelle dazu gezwungen, die Mehrheit ihrer Kundengelder in Schuld­ titeln des Reiches anzulegen,177 was wiederum direkt der Bezahlung der Kriegsvorbereitungen diente.178 der Reichsverband einen eigenen ‚Reichsstand‘ für das Versicherungswesen, der nach dem Führerprinzip – und damit ähnlich wie die spätere Reichsgruppe – unter der Leitung eines Standesführers organisiert sein sollte. Vgl. o. V., Vorschläge (1934), S. 33; 36 f. 173 Interessanterweise war Schmitt der Posten auch während der Weimarer Republik von Brüning und Papen angeboten worden. Damals lehnte er beide Offerten mit der Begründung ab, dass er unter den politischen Bedingungen, welche in der Endphase der Weimarer Republik herrschten, das Amt nicht sinnvoll würde ausfüllen können. Im Juni 1934 erlitt er bei einer Veranstaltung einen Herzanfall und übte ab diesem Zeitpunkt de facto sein Ministeramt nicht mehr aus. Zum kommissarischen Nachfolger wurde am 30. Juli 1934 Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht ernannt, mit dem Schmitt in den Monaten davor etliche Konflikte austrug. Die offizielle Ernennung zum Nachfolger erhielt Schacht am 30. Januar 1935. Schmitt selbst kehrte wieder in die Versicherungsbranche zurück und übernahm nach einem Intermezzo als Aufsichtsrat bei der ‚Allianz‘ ab 1937 den Vorstandsvorsitz der ‚Münchener Rück‘, den er bis 1945 innehatte. Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 75–138. 174 Insgesamt gab es sieben Reichsgruppen, und zwar neben derjenigen für Versicherungen jeweils eine für Industrie, Handwerk, Handel, Banken, Energiewirtschaft und Fremdenverkehr. Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S. 333. 175 Bei den privaten Assekuranzen gab es sieben Fachgruppen, bei den öffentlich-rechtlichen sechs. 176 Vgl. Teschemacher, Handbuch (1936), S. 247–258 sowie Surminski, Versicherung (1999), S. 84. 177 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 195–197; 203 f. 178 Vgl. Ambrosius, Kriegswirtschaft (2005), S.  344 f.; 353 f. sowie Tooze, Ökonomie (2007), S. 58–126. Die hiermit verbundene Neuverschuldung und damit die Inflationsgefahr versuchte man mit Lohn- und Preisbeschränkungen zu unterdrücken. Gegen Ende des Krieges war dies aber nicht mehr einzudämmen.

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Was die konkreten Aufgaben betraf, die man in der Fachuntergruppe bearbeitete, umfassten diese beispielsweise den Versuch einer Erstellung von einheit­ lichen Hagelversicherungsbedingungen. Als Ergebnis der engen Kooperation im Rahmen ihrer Verbandsarbeit hatten die Aktiengesellschaften bereits aufein­ander abgestimmte Bedingungen, nicht aber die Versicherungsvereine.179 Diese Arbeit wurde in den ersten Jahren des NS-Regimes angegangen, so dass ein entsprechender Entwurf 1938/1939 vorgelegt werden konnte. Allerdings verhinderte der Kriegsausbruch die weitere Verfolgung des Projektes, weshalb es 1940 eingestellt und erst nach dem Krieg wieder aufgenommen wurde.180 Einige handfeste Resultate konnten durch die Arbeit in den Fachgruppen jedoch erreicht werden. 1937 einigte man sich auf die Gründung der so genannten Hagelversicherungs-Notgemeinschaft. An dieser sollten sich alle Hagelversicherer beteiligen, um einen möglichst gerechten Risikoausgleich zwischen den einzelnen Gesellschaften herbeizuführen. Alle Unternehmen verpflichteten sich, Landwirten in besonders vom Hagel bedrohten Gegenden Versicherungsschutz anzubieten, womit gleichzeitig eine übermäßige Risikokonzentration bei nur wenigen Gesellschaften verhindert werden sollte. Die Realität sah aber ganz anders aus, denn aus Wettbewerbs- und Kostenüberlegungen kam dieses neue Instrument in der Praxis nur selten zur Anwendung. Als entsprechende Hürde wurden von vielen Branchenvertretern die Tarife unverhältnismäßig hoch angesetzt, so dass viele Landwirte von der Versicherungsnahme zurückschreckten.181 1938 kam es im so genannten Jenaer Wettbewerbsabkommen zu einer weiteren branchenweiten Über­einkunft,182 mit der das Schierker Abkommen von 1927 modifiziert wurde. Wie das Vorgängerpapier hatte die Vereinbarung das Ziel, den Konkurrenzkampf zu entschärfen. Beispielsweise verpflichtete man sich ausdrücklich, die Energien

179

Vgl. Rohrbeck, Hagelversicherung (1937), S. 44–46. Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 278 f. Vgl. hierzu auch als zeitgenössische Quelle Büchner, Beitrag (1937). Ähnlich wie Walter Rohrbeck hatte Franz Büchner nach dem Krieg keine Probleme, wieder in der Branche tätig zu sein. Er verfasste beispielsweise die Chronik zum 175. Jubiläum der ‚Mecklenburgischen Hagel‘. Vgl. Büchner, Geschichte (1972). In seinem 1937 erschienenen Aufsatz, in dem er eigentlich die rechtlichen Aspekte des Hagelversicherungswesens diskutiert, lobt er allerdings auch an vielen Stellen mit der typisch nationalsozialistischen Terminologie den Beitrag der Hagelassekuranz zum Erhalt des ‚Deutschen Bauerntums‘. Im Übrigen galt die Zeitschrift ‚Deutsche öffentlich-rechtliche Versicherung‘, in der Büchners Beitrag erschien, als die am weitesten von der NS-Ideologie durchdrungene Fachpublikation. Vgl. Surminski, Versicherung (1999), S. 86 f. 181 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 39. 182 Dabei handelte es sich aber nicht um die ebenfalls 1937 geschlossene generelle Einigung zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Versicherern, die ebenfalls Grundregeln für einen fairen Umgang im Wettbewerb beinhaltete. Davor waren die privaten Unternehmen als kapitalistisch bzw. unzuverlässlich im Sinne des Regimes verleumdet worden. Allerdings verfolgten die öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit Hilfe dieser vordergründigen ideologischen Komponente die Absicht, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Vgl. Sur­ minski, Versicherung (1999), S. 83 f.; 91–93. 180

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auf die Akquirierung von Neukunden zu konzentrieren, anstatt die Versicherten von anderen Gesellschaften zu umwerben. Doch auch in diesem Fall sah die tägliche Praxis anders aus, worauf noch zurückzukommen sein wird. Für weitere institutionelle Neuerungen, die sich als Folge der Gleichschaltung der Versicherungsbranche ergaben, fehlen mitunter in den Archiven konkrete Hinweise. Dennoch ist davon auszugehen, dass es beispielsweise auch in jeder Hagelversicherungsgesellschaft eine Nationalsozialistische BetriebszellenOrganisation (NSBO) gegeben hat.183 Nachweisbar sind dagegen viel tragischere Vorkommnisse: Der Umgang der Versicherungsbranche mit jüdischen Mitarbeitern und Kunden ist in der jüngsten Vergangenheit ausführlich erforscht worden.184 In der Hagelversicherung nahm das Ausmaß der Diskriminierung und Ausbeutung zwar keine derartigen Formen wie beispielsweise in der Lebensversicherung an, aber mitunter war das Verhalten einzelner Gesellschaften ähnlich beschämend. So musste ein Mitglied der Familie Oppenheim – zumindest erst 1938 und damit wesentlich später als in anderen Versicherungsgesellschaften185 – den Aufsichtsrat der ‚Kölnischen Hagel‘ verlassen.186 Zudem kam es wohl 1938 zur widerrechtlichen Aneignung von Aktienvermögen der ‚Berliner Hagel-Assekuranz‘. In einer Notiz in den Unterlagen der ‚Ceres‘ vom Februar 1938 wird erwähnt, dass diese zusammen mit vier weiteren Hagelversicherungsvereinen 51  Prozent des Aktienkapitals der ‚Berliner‘, welches sich im Besitz der Mendelsohngruppe befand, übernehmen wollte. Um welche vier Gesellschaften es sich dabei gehandelt hat bzw. ob die Bestandsübertragung überhaupt durchgeführt wurde, ist allerdings nicht bekannt.187 Bereits im Februar 1934 musste auf Druck des RNS eine Neuwahl des Verwaltungsrates der ‚Norddeutschen Hagel‘ angesetzt werden, wie man auf der jährlichen Generalversammlung verklausuliert bekanntgab: „Das kontrollierende Mitglied des Verwaltungsrates, Herr von Goertzke, teilte der Generalversammlung mit, dass die Vorschlagsliste zur Neuwahl des Verwaltungsrates nach eingehenden Verhandlungen mit dem Reichsnährstand unter dem Gesichtspunkt aufgestellt worden sei, dem Reichsnährstand als der alleinigen Vertretung des deutschen Bauerntums den ihm gebührenden Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft einzuräumen.“188

183 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 89, der dies für die ‚Allianz‘ darstellt bzw. generell Surminski, Versicherung (1999), S. 71. 184 Vgl. hierzu den Überblick in Kapitel B. I.1. 185 Bei vielen großen Branchenvertretern geschah dies bereits 1933. In diesem Jahr musste beispielsweise Max Warburg auf Druck des schwedischen (!) Mutterkonzerns der HamburgMannheimer den Aufsichtsrat der Gesellschaft verlassen. Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 98 f. 186 Vgl. Geschäftsberichte der ‚Kölnischen Hagel‘ für die Jahre 1938 und 1939. 187 Vgl. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin den Nachtrag zum Protokoll der Sitzung vom 18. Februar 1938. 188 AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Protokolle Generalversammlung 1887–1941, darin Auszug aus dem Protokoll der 65. ordentlichen Generalversammlung vom 5. Februar 1934 der Norddeutschen Hagel.

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Archivrecherchen haben ergeben, dass sich das Gremium entschloss, geschlossen zurückzutreten, um mit der freiwilligen Demission weitergehenden Eingriffen in die ‚Norddeutsche‘ zuvorzukommen. Dies ist indirekt aus einem Schreiben des noch amtierenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Freiherr von Rosenberg, ablesbar: „Mit dem Reichsnährstand ist eine Einigung darüber erzielt worden, dass durch die in Aussicht genommene Neubesetzung des Verwaltungsrats an den Aufgaben, an der Struktur und an der technischen Geschäftsführung der Gesellschaft nichts geändert werden soll.“189

Der neu gewählte Verwaltungsrat bestand aus 21 Personen, die in der Mehrheit Parteimitglieder waren.190 Sieben der bisherigen Räte gelang es, ihren Posten zu verteidigen. Allerdings musste der Präsident des Raiffeisen-Genossenschafts­ verbandes Trump, der ebenfalls NSDAP-Mitglied war, als neuer Vorsitzender akzeptiert werden.191 Wie andere Versicherungsgesellschaften auch, dürfte sich die Gesellschaft im Laufe der NS-Zeit mit den herrschenden Verhältnissen arrangiert haben. Denn profitieren konnte man durchaus von den politischen Ereignissen der kommenden Jahre.192 Unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Sudetenland nahm die ‚Norddeutsche Hagel‘ dort das Geschäft auf und konnte schon 1939 eine Versicherungssumme von 10 Millionen Reichsmark erzielen. Ab 1940 kamen einige der besetzten Ostgebiete hinzu, wobei man aber für das so genannte Generalgouvernement keine Arbeitsgenehmigung erhielt. Ein Jahr später war die Gesellschaft auch wieder im Elsass und in Lothringen tätig.193 Die Branche selbst wies um 1940 einen Gesamtbestand von ungefähr 4,15 Milliarden Reichsmark bzw. 880.000 Versicherungsscheine auf. Davon konnte alleine die ‚Norddeutsche‘ 1,07 Milliarden bzw. knapp 254.000 Verträge verwalten.

189 AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verw. Rat Protokolle 1925–1939, darin Schreiben des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel, Freiherr von Rosenberg, vom 13. Januar 1934 an die Mitglieder des Verwaltungsrates. 190 Darunter befand sich auch der schon erwähnte sächsische Landesbauernführer Körner. 191 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat und Generalversammlung 1934– 1940, darin Protokoll der Sitzungen des Verwaltungsrates der Norddeutschen Hagel vom 16. Januar 1934 und vom 5. Februar 1934 sowie AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Protokolle Generalversammlung 1887–1941, darin Auszug aus dem Protokoll der 65. ordentlichen Generalversammlung vom 5. Februar 1934 der Norddeutschen Hagel. 192 Natürlich war die ‚Norddeutsche‘ nicht die einzige Gesellschaft, die daraus Nutzen zog: Beispielsweise war die ‚Ceres‘ ab 1938 in Österreich tätig und übernahm dort die Hagel­ versicherungsbestände der ‚Donau-Concordia‘. Interessanterweise wurde die Zulassung zum Geschäftsbetrieb von Seiten des Reichsaufsichtsamtes aber erst am 24. Juni 1942 erteilt. Vgl. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin das Protokoll der Sitzung vom 5. Oktober 1938 sowie Protokoll über die Besprechung mit dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Rachuth, vom 11. Juli 1942. 193 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 43.

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Bemerkenswerterweise mieden viele Gesellschaften immer noch den süddeutschen Raum, so dass dort lediglich die ‚Norddeutsche Hagel‘, die ‚Ceres‘ sowie als Spezialversicherung die ‚Gärtnerhagel‘ tätig waren  – eine Tatsache, welche die Sinnhaftigkeit der vorgestellten unterschiedlichen Lösungswege des Hagel­ versicherungsproblems in Süddeutschland nochmals unterstreicht.194 Ein Ereignis dieser Jahre, welches speziell in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch an Bedeutung gewinnen sollte, war der Abschluss eines Kooperations­ vertrages zwischen der ‚Leipziger Hagel‘ und der ‚Ceres‘, der nun erstmals anhand von bisher nicht ausgewertetem Quellenmaterial nachgezeichnet werden kann. Welche potentiellen Partner versuchten hier aber, den Weg zueinander zu finden? Die ‚Leipziger Hagel‘ als eines der ältesten Unternehmen der Branche galt als konservativ. Die ‚Ceres‘ dagegen war als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet und am 18.  Dezember 1941 in die Versicherungsgruppe der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingegliedert worden. Obwohl die ‚Ceres‘ die Nähe zur NSDAP nach dem Krieg vehement bestritt, sollte sie ihr Verhalten während des Dritten Reiches noch vor große Probleme stellen.195 Warum aber die ‚Leipziger‘ mit einer Gesellschaft den Schulterschluss suchte, welche eine völlig andere Unternehmenskultur bzw. Ausrichtung pflegte, ist zunächst fraglich. Offensichtlich sah das Direktorium der Gesellschaft über die ausgeprägte Linientreue des künftigen Partners hinweg bzw. arrangierte sich damit. Zudem könnte es sein, dass Druck auf die ‚Leipziger Hagel‘ ausgeübt wurde. Denn die Kooperationsgespräche vermittelte ab Sommer 1942 Generaldirektor Beinzger vom RNS,196 der dort auch das Amt eines Sonderbeauftragten für das Versicherungswesen innehatte. Jedenfalls versprachen sich beide Unternehmen aus der Zusammenarbeit eine Realisierung von Synergieeffekten bzw. Kosteneinsparungen in Bereichen wie der Werbung, dem Vertrieb oder der Schadensabschätzung. Für die Entwicklung in den kommenden Jahren war auch die wechselseitige Entsendung von Führungskräften von Bedeutung. Direktor  – und Parteigenosse  – Karl Weigner von der ‚Ceres‘ trat in den Vorstand der ‚Leipziger Hagel‘ ein, wohingegen deren Vorstandsmitglied Dr. Paul Haberland künftig auch als Direktor der ‚Ceres‘ tätig sein sollte.197 Ähnlich verfuhr man mit der Besetzung der 194

Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 6; 10.  Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Allgem. Schriftwechsel, darin der Entwurf eines Schreibens an den alliierten Kontrollrat, ohne Datum (Eingangsstempel der ‚Ceres‘ vermerkt 1. November 1947). 196 Der RNS-Sonderbeauftragte Beinzger drängte bereits 1937 im Zuge der anstehenden Neuwahl des ‚Ceres‘-Aufsichtsrates darauf, mehr Parteimitglieder in das Gremium zu wählen. Ein Sitzungsprotokoll vermerkt aber ausdrücklich, „dass die Ceres bisher durchaus im Sinne des Reichsnährstands gearbeitet hat, dass also seine [d. h. Beinzgers] Forderung sich nicht gegen einzelne der jetzt im Aufsichtsrat vorhandenen Mitglieder richtet.“ AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin das Protokoll der Besprechungen vom 11. bis 17. Januar 1938. 197 Paul Haberland wurde 1943 zur Waffen-SS im Rang eines Sturmmanns oder Unterscharführer eingezogen. Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Allgem. Schriftwechsel, darin der 195

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beiden Aufsichtsräte.198 Obwohl der im Oktober 1942 unterschriebene Vertrag zunächst bis 1947 gelten sollte, war langfristig eine Fusion der beiden Gesellschaften vorgesehen.199 Eine Gefahr, die der Branche in diesen Jahren erwuchs und auch mit einem engeren Schulterschluss an die Partei nicht gebannt werden konnte, betraf die Verstaatlichung des deutschen Versicherungswesens und damit der Hagelassekuranz.200 Was die gesamte Branche betraf, so waren die wichtigsten Männer des privaten Versicherungsgewerbes immer noch Kurt Schmitt – zu dieser Zeit Vorstandsvorsitzender der ‚Münchener Rück‘ – und Eduard Hilgard, der neben seinem Vorstandsposten bei der ‚Allianz‘ weiterhin den Vorsitz der ‚Reichsgruppe Versicherungen‘ innehatte. Hilgard musste in diesem Zusammenhang zwischen den Interessen der privaten und öffentlich-rechtlichen Unternehmen201 lavieren, wobei letztere mit Macht versuchten, ihren Konkurrenten Marktanteile abzujagen. Mit ein Grund dafür, warum sich Hilgard im Amt halten konnte,202 waren sein Geschick im Umgang mit Parteigrößen durch Taktieren bzw. opportunistisches Verhalten und damit sein Talent, der privaten Asse­kuranz im Rahmen der nationalsozialistischen Wirtschaftsordnung und des Vierjahresplans ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zu bewahren. Beauftragter für den Vierjahresplan war seit Oktober 1936 Hermann Göring, weshalb Hilgard regel­mäßig mit diesem zu tun hatte203 – nicht zuletzt im Zusammenhang der Klärung der versiche-

Brief an Dr. Haberland vom 14. Oktober 1947 (Absender nicht ermittelbar, höchstwahrscheinlich die Direktion Berlin der ‚Ceres‘). Der niedrige Rang Haberlands deutet darauf hin, dass er möglicherweise zwangsverpflichtet wurde. Andeutungen hierzu gibt es in einem Aufsichtsratsprotokoll, wonach die Einberufung Haberlands von Direktor Weigner bewusst forciert wurde, um seinen Kollegen aus der Führungsverantwortung zu drängen. Vgl. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin die Niederschrift der Aufsichtsratsbesprechung vom 8. Juni 1944. 198 Vgl. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin die Niederschrift über Besprechungen mit dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Rachuth vom 3.  bis 5.  September 1942 sowie Niederschrift der Aufsichtsratssitzung vom 14.  Oktober 1942. 199 Ein ähnliches Abkommen schlossen beide Unternehmen am 11. November 1943 mit dem ‚Grevesmühlener Hagelversicherungsverein a.G.‘ und dem ‚Verband der Schleswig-Holsteinischen Hagelversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit‘. Vgl. AVH/Bestand CERES/ Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin die Anlage zur Niederschrift über die Besprechung der Aufsichtratsmitglieder am 27. Mai 1943. 200 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Denkschrift zur Frage der HagelversicherungsReform vom 30. Juni 1941, S. 1. 201 Vgl. hierzu auch Surminski, Versicherung (1999), S. 80–97. 202 Hilgard stand immer wieder unter Druck, seinen Posten zu räumen. Beispielsweise sollte er 1939 aus dem Amt gedrängt und durch einen Versicherungsfachmann der DAF ersetzt werden, von dem man sich eine Reorganisation der Reichsgruppe und damit einer stärkeren Annäherung der privaten und öffentlich-rechtlichen Unternehmen erwartete. Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 225–231. 203 Vgl. z. B. Feldman, Allianz (2001), S. 198–203.

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rungstechnischen Fragen im Zuge der so genannten Reichskristallnacht.204 Verantwortlich für die aggressive Politik der öffentlich-rechtlichen Asse­kuranzen waren Hans Goebbels, der Bruder des Reichspropagandaministers und Direktor der Provinizal Feuerversicherung, sowie Franz Schwede-Coburg, der Gauleiter und Oberpräsident von Pommern, der sich als ‚alter Kämpfer‘ bzw. aus ideologischen Gründen  – er präferierte die ‚sozialistischen‘ Programmpunkte der NS-Ideologie  – für die Verstaatlichung des gesamten Versicherungswesens engagierte.205 Obwohl Hitler bzw. Göring im Dezember 1938 die Debatte über die Verstaat­ lichung der Versicherungsbranche für beendet erklärt hatten, gab es weiterhin Vorstöße in diese Richtung. Beispielsweise unternahm Schwede-Coburg 1941 einen erneuten Anlauf, die gesamte Branche unter staatliche Kontrolle zu bringen. In diesem Zusammenhang hatte er auch die Verstaatlichung der Hagelversiche­ rungsbranche gefordert. Vertreter von landwirtschaftlichen Kreisen lehnten die Idee mit der Begründung ab, dass man sich von den privaten Gesellschaften gut betreut fühle. Zudem habe man das Problem, dass viele Hagelversicherungs­ experten zur Wehrmacht eingezogen seien und man auf deren Rat in dieser Frage nicht verzichten wolle. Die Idee wurde daher nicht weiter verfolgt.206

204

Vgl. Surminski, Versicherung (1999), S.  163–177, Feldman, Allianz (2001), S.  233– 284 sowie Koch, Geschichte (2012). S. 294–296. Nach Verhandlungen von Hilgard mit den NS-Behörden verpflichtete sich die Versicherungsbranche, die Schäden von ‚Ariern‘ und ausländischen Kunden auf dem Kulanzweg zu regeln. Von den Ansprüchen der jüdischen Kunden mit deutscher Staatsangehörigkeit, die sich auf circa 46 Millionen Mark summiert hatten, konnte sich die Branche mit einer Pauschalzahlung von 1,5 Millionen Reichsmark an die Staatskasse von allen Verpflichtungen entbinden. Hilgards Rolle wird in diesem Zusammenhang von der Literatur unterschiedlich bewertet. Peter Koch bescheinigt Hilgard, dass dieser „Versicherungsleistungen an jüdische Versicherungsnehmer nicht schlechthin [abgelehnt habe]“. Koch, Geschichte (2012), S. 296. Dies mag durchaus zutreffen, aber die Aussage verschweigt die Tatsache, dass es hierbei weniger um die formale Schadensabwicklung als vielmehr um die Kooperation mit einem verbrecherischen Regime ging. Gerald Feldman kommt daher zu folgendem Urteil: „Die führenden Vertreter der Versicherungswirtschaft machten mit den Behörden gemeinsame Sache bei dem Versuch, den wahren Charakter der Vorgänge vom 9./10. November [1938] zu verschleiern, und sie bedienten sich dabei systematisch antisemitischer Argumente mit dem Tenor, es dürfe nicht sein, daß die Versicherungen und die ‚Versichertengemeinschaft‘ die Zeche für das zahlen müßten, was eigentlich den Juden zugedacht war[.] Hilgard machte sich über die Juden natürlich keine Gedanken. Sein Anliegen war es, die von der Regierung seiner Branche auferlegte Abgabe […] möglichst weit herunterzuschrauben. Aus seinem Stolz darauf, wie gut ihm das gelungen war, machte er gegenüber seinen alliierten Vernehmern nach dem Krieg [keinen Hehl. Er hatte keinerlei Skrupel gehabt,] an den Ausplünderungen der Juden Kapital für seine Branche zu schlagen.“ Feldman, Allianz (2001), S. 278. 205 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 122; 129; 206–210. 206 Vgl. Feldman, Allianz (2001), S. 389–408. Im Übrigen dauerten die Diskussionen hinsichtlich der Verstaatlichung des gesamten Versicherungswesens zwar weiter an, verloren aber mit der zunehmenden Verschlechterung der Kriegslage an praktischer Bedeutung, so dass sie nur noch für akademische Zirkel von Interesse waren.

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Schwede-Coburgs Initiative sollte aber nicht die einzige dieser Art bleiben. Offenbar parallel dazu hatte die Reichsgruppe Versicherung von ihren Mitgliedern Vorschläge bezüglich einer Reform des Hagelversicherungswesens erbeten. Dieses bislang nicht ausgewertete Schriftstück wurde vom Direktor der ‚Norddeutschen Hagel‘ Pritzkow verfasst. Die Intention des Papiers bestand in der Erbringung des Nachweises, dass die privaten Hagelversicherer in der Lage seien, allen Landwirten einen erschwinglichen Hagelversicherungsschutz anbieten zu können. Pritzkow übte in diesem Zusammenhang durchaus Selbstkritik und erinnerte an die unterschiedlichen Prämiensätze, die von den einzelnen Gesellschaften erhoben würden. Verantwortlich hierfür sei das unterschiedlich verteilte Risiko, da viele Unternehmen nur in den hagelgünstigen Gebieten tätig seien. Um hier einen Ausgleich herbeizuführen, schlug Pritzkow die Einführung der Pflichtversicherung für alle Landwirte vor, wobei die organisatorische Leistung hierbei ohne Probleme von Seiten der Privatwirtschaft erbracht werden könne. Im Ergebnis habe es einen Risikopool und damit eine bessere Diversifikation gegeben, was die Einführung einer Reichsanstalt überflüssig machen sollte. Unklar ist, inwieweit Schwede-Coburg das Papier kannte und daraufhin Gegenmaßnahmen eingeleitet hat. Soweit erkennbar, ist dies aber nicht der Fall gewesen.207 1942 stellte die bayerische Regierung mit Unterstützung von Gauleiter Adolf Wagner einen Antrag auf Einführung einer Reichshagelversicherung. Auch diese Idee wurde nicht weiter verfolgt, was zeitgenössischen Hinweisen zufolge etwas mit Wagners Schlaganfall, den er 1942 erlitt, zu tun hatte.208 Mehr Re­aktionen sollte dagegen eine im darauf folgenden Jahr veröffentlichte Denkschrift hervorrufen.209 Der Autor Karl Schumann war pikanterweise neben seinem Beruf als ‚Bauer‘210 auch Generalagent der ‚Norddeutschen Hagel‘.211 Die Intention der Schrift, die erstmals anhand des Originaltextes untersucht werden konnte, besteht in der Erarbeitung von Vorschlägen für eine grundlegende Neuordnung der deutschen Hagelversicherung. Dieses Vorhaben beschreibt Schumann sogar als kriegsentscheidend, da ein leistungsfähiger Hagelversicherungsschutz für das Funktionieren der einheimischen Landwirtschaft unabdingbar sei. Auch das  – besetzte – europäische Ausland werde davon profitieren, da sich die dortigen Gesellschaften an die deutschen Unternehmen anlehnen könnten.212 Bemerkenswerterweise versuchte die ‚Norddeutsche‘, sich nach dem Krieg von dem Schriftstück zu distanzieren und stellte dessen Veröffentlichung als Einzelaktion eines Mit­ arbeiters dar, der „[o]hne Befragung der Direktion und ohne diese vorher in Kennt 207

Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Denkschrift zur Frage der HagelversicherungsReform vom 30. Juni 1941. 208 Vgl. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin das Protokoll über die Besprechung mit dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Rachuth, vom 11. Juli 1942. 209 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung. 210 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, Titelblatt. 211 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 46. 212 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 52–55.

II. NS-Musterbetrieb

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nis [gesetzt zu haben]“213 gehandelt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass dies bewusst oder unbewusst falsch dargestellt wurde. Denn im Vorwort der Denkschrift spricht Karl Schumann dem damaligen Direktor der ‚Norddeutschen‘, Karl­ Schröder, ausdrücklich seinen Dank für dessen Hilfe bei versicherungstechnischen Fragestellungen aus.214 Schumann begründet die Notwendigkeit einer Neuordnung der Branche mit den angeblichen Missständen. Hierzu zählt er einmal die Verschwendung der Prämieneinnahmen und errechnet, dass in den Jahren von 1931 bis 1940 insgesamt 403,3 Millionen Reichsmark an Beiträgen gezahlt wurden, wovon aber lediglich 299,7 Millionen Reichsmark oder 74,3 Prozent in Form von Entschädigungen an die Versicherten zurückgeflossen seien. Insbesondere die Kapitalgesellschaften, bei denen dieses Verhältnis nur knapp 61 Prozent betrug, kritisiert Schumann für ihre scheinbar hohen Verwaltungskosten. Beispielsweise würden neben den Gehältern v. a. die etlichen, parallel zueinander existierenden Vertriebsstrukturen mit Generalagenturen und sonstigen Organisationseinheiten hohe Kosten verur­ sachen, die Schumann für die Jahre 1931 bis 1940 auf 75 Millionen Reichsmark taxiert. Auch der Regulierungs-, Pensions- und Werbeaufwand hätte Schumann zufolge verringert werden müssen.215 Alleine für Kundenakquise und Marketing setzte er 31 Millionen Reichsmark an und kritisiert, dass diese Gelder trotz der verschiedenen Abkommen über die Einhaltung eines fairen Miteinanders hauptsächlich für die Umwerbung von Kunden der Konkurrenz eingesetzt würden.216 Neben diesen Kostenaspekten führt der Generalagent Beispiele aus dem eigentlichen Ver­sicherungsgeschäft an. Da nämlich die Bemühungen der Reichsgruppe, einheitliche Hagelversicherungsbedingungen zu schaffen, nicht vorangekommen seien, hätten sich die Versicherungsnehmer mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen herumzuschlagen, deren Details nur die wenigsten Landwirte verstünden.217 Zahlreiche weitere Kritikpunkte wie die Praxis der Schadensregulierung oder die Tarifierung bilden den restlichen Inhalt der Denkschrift. In allen genannten Punkten sieht Schumann Nachteile für den Landwirt. Da beispielsweise die Tariffestsetzung für Außenstehende nicht nachvollziehbar sei, könne 213

Neue, Jahre (1949), S. 46. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, o. S. (Vorwort). Denkbar wäre es, dass sich der Dank an Schröder auf den ersten Teil des ausgewerteten Manuskripts bezieht. Schumann selbst spricht im Vorwort seiner Arbeit davon, dass diese 4. Auflage in einem 2. Teil nun erstmals detaillierte Vorschläge für die Neugründung beinhaltet. Nichtsdestotrotz war Schumanns Papier in der Vorstandsetage der ‚Norddeutschen Hagel‘ grundsätzlich bekannt. 215 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 13–19. 216 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 24–26. Völlig anders stellt sich dies im Rahmen einer Festschrift der ‚Norddeutschen Hagel‘ dar, in deren Rahmen der Autor für das Neukundengeschäft ab 1930 davon spricht, dass 90 bis 95 Prozent der Akquise bis dato unversicherte Flächen gewesen seien. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 42. 217 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 19–24. 214

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F. Zwischen den beiden Weltkriegen  

sich die Branche mittels willkürlicher Prämienfestlegung auf Kosten ihrer Kunden be­reichern.218 Abgesehen von der NS-Terminologie sind manche Punkte wie die Schaffung von einheitlichen Versicherungsbedingungen oder die Kritik an den hohen Verwaltungskosten durchaus sinnvoll und nachvollziehbar. Aus diesem Grund gewinnt der Leser mitunter den Eindruck, dass Schumann auf eine Reform der be­ stehenden Verhältnisse abzielen würde. Letztendlich dient der gesamte Text aber nur der Vorbereitung und Begründung einer radikalen Neuordnung des Hagel­ versicherungswesens: Zwangsweise sollten die bisherigen Unternehmen aufgelöst und deren Bestände auf eine neu zu gründende ‚Deutsche Hagelversicherungs­ gemeinschaft a.G (DHG)‘ übertragen werden, welche als einziges Unternehmen das Hagelversicherungsgeschäft in Deutschland betreiben und Zwangscharakter besitzen sollte.219 Spätestens zum 1. Januar 1944 hätte die DHG nach Schumanns Vorstellungen – der seine Ideen im Sommer 1943 unterbreitete – mit der Arbeit beginnen sollen.220 Man könnte die Denkschrift als reine theoretische Betätigung bzw. als Ausdruck dafür abtun, einen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen bzw. für ‚die Zeit danach‘ zu leisten. Angesichts der sich verschlechternden Kriegslage ist außerdem zu vermuten, dass das Papier keine große Wirkung entfaltet hatte. Anscheinend war aber genau das Gegenteil der Fall. Schumann verfügte wahrscheinlich über gute Kontakte zu Parteikreise, welche den Vorschlag durchaus in Erwägung zogen. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass die Gesellschaften angesichts der Überlegungen eines eher unbedeutenden Branchenvertreters sich entschlossen zeigten, hier massiven Widerstand zu leisten, wie eine Reihe von Protokollen von diversen Gremiensitzungen zeigen.221 Die sich abzeichnende Niederlage verhinderte aber ein entsprechendes Kräftemessen mit den zuständigen Behörden. Diese entschieden 1944, den Plan von Karl Schumann nicht weiterzuverfolgen.222 Die sich zuspitzende Situation machte sich immer deutlicher in allen Bereichen der Wirtschaft bemerkbar.223 Inflationäre Tendenzen, die der Staat so weit wie möglich mit immer strikteren Preiskontrollen einzudämmen versuchte, ließen beispielsweise den Absatz von Lebensversicherungen deutlich zurückgehen

218

Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 29–33. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S.  57. In äußerst detailierter Form wird im 2. Teil der Denkschrift der Aufbau der DHG dargestellt. Vgl. Ebd., S. 57–114. 220 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 114–119. 221 Vgl. z. B. AVH/Bestand CERES/Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937, darin die Niederschrift über die Besprechung der Aufsichtratsmitglieder am 27. Mai 1943. Da das im Text behandelte Schriftstück im Juli 1943 in der 4. Auflage erschienen war, behandelte man in der Sitzung wohl einen früheren Entwurf. 222 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 47. 223 Vgl. ausführlich Tooze, Ökonomie (2007), S. 716–775. 219

III. Ein Zwischenfazit

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und die Menschen die Flucht in Sachwerte antreten.224 Auch die Hagelversicherer waren von den Einschränkungen nicht ausgenommen. Aufgrund der Rohstoffknappheit musste die ‚Norddeutsche Hagel‘ schon 1941 den Umfang des jährlichen Geschäftsberichtes auf wenige Seiten reduzieren. Des Weiteren unterlag die Gremienarbeit immer größeren Restriktionen. Im Frühjahr 1943 trat zum letzten Mal die Generalversammlung der ‚Norddeutschen‘ zusammen,225 danach war es bis Kriegsende verboten, diese einzuberufen.226 Auch die Tätigkeit des Aufsichtsrates der Gesellschaft musste immer mehr zurückgefahren werden. Nachdem schon die Herbstsitzung 1943 abgesagt worden war, fand die letzte reguläre Zusammenkunft am 26. April 1944 statt. Ab diesem Zeitpunkt entschieden sich die Verwaltungsräte dafür, bis zur Besserung der Zustände nur mehr schriftlich zu den einzelnen Punkten Stellung zu nehmen.227 Vielen Hagelversicherungsunternehmen war es zudem ab 1943 nicht mehr möglich, ihre Schäden selbst abzuschätzen, so dass die Aufgabe auf Anordnung der Reichsgruppe Versicherung von reichsweiten Kommissionen übernommen wurde.228 1945 konnte die Arbeit von den verschiedenen Hagelversicherern nur mehr äußerst eingeschränkt aufrechterhalten werden, da andere Sorgen das Land plagten.229

III. Ein Zwischenfazit Innerhalb von drei Jahrzehnten erlebten die deutschen Hagelversicherer gewaltige Umbrüche. Zwar hatte die Branche wie gesehen um 1914 den Durchbruch zum Massenmarkt vollzogen, aber externe Faktoren beeinträchtigten nachhaltig die positive Entwicklung: Zwei Kriege, eine Währungsumstellung  – wobei sich die nächste 1945 bereits am Horizont andeutete – sowie der Verlust bedeutender Teile des Versicherungsportfolios aufgrund von Gebietsabtretungen unterbrachen zunächst das Branchenwachstum. Nach dem Ersten Weltkrieg zeigte sich die enge Verbindung der Branchenentwicklung zur Lage im Agrarsektor, da nämlich die Rekonstruktionsphase der deutschen Hagelversicherung auch von der Erholung der Landwirtschaft abhing. Die Jahre der Weimarer Republik waren insbesondere 224

Auch die zunehmenden Luftangriffe sorgten für zusätzliches Chaos im Geschäftsablauf. Schon 1943 war der Hauptsitz der ‚Norddeutschen Hagel‘ in Berlin schwer getroffen worden, bis 1944 wurden die Generaldirektionen Stuttgart und Stettin zerstört. Ebenso wie die Mitarbeiter in Hannover und Münster bezogen diese Ausweichquartiere. Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat und Generalversammlung 1941–1944 (+46–48), darin Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 18. Oktober 1944 an die Mitglieder des Aufsichtsrates. 225 Im Herbst 1942 fanden zum letzten Mal die verschiedenen Bezirksversammlungen des Unternehmens statt, danach war es ebenfalls untersagt, diese abzuhalten. 226 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 46. 227 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat und Generalversammlung 1941– 1944 (+46–48), darin Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 30.  November 1943 an die Mitglieder des Aufsichtsrates sowie Neue, Jahre (1949), S. 46. 228 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Neuordnung der Hagelversicherung, S. 55. 229 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 280.

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F. Zwischen den beiden Weltkriegen  

durch die Bewältigung der Inflationsfolgen geprägt. Neben der engeren Anlehnung der Aktiengesellschaften an größere Konzerne oder die Umstellung des Beitragserhebungssystems löste die Währungszerrüttung aber auch eine der spektakulärsten Neugründungen der letzten Jahrzehnte aus. Aufgrund einer angeblichen Schieflage der ‚alten Norddeutschen‘ wurde auf Betreiben von Walter Rohrbeck die ‚Norddeutsche Hagelversicherungs-Aktiengesellschaft‘ gegründet, welche der Kern eines neuen Versicherungskonzerns sein sollte. An sich kann diese Idee nicht gänzlich verurteilt werden, weshalb auch die mitunter ätzende Polemik mancher zeitgenössischer Berichte mit Vorsicht zu genießen ist. Dennoch haben Rohrbeck und seine Mitstreiter zahlreiche Fehler begangen, wie auch eine Reihe von Prozessen nach dem Ende des Abenteuers ‚neue Norddeutsche Hagel‘ gezeigt haben. Entscheidend für diesen Fehlschlag dürfte wohl Rohrbecks mangelndes Feingefühl gegenüber den Empfindungen der Mitarbeiter der alteingesessenen ‚Norddeutschen‘ und auch deren Stolz auf ‚ihr‘ Unternehmen gewesen sein. Das fehlende Verständnis für die Unternehmenskultur war wohl mit verantwortlich dafür, dass dem neuen Generaldirektor schon bald das Misstrauen seiner Untergebenen entgegenschlug. Ob er sich im Übrigen persönlich bereichert hat oder nicht, mag dahingestellt sein – jedenfalls besitzen wir hierzu nur die Aussagen seines Gegners Siegfried Rasch. Die ‚neue Norddeutsche‘ war letztlich ein kostspieliger Fehlschlag. Daher sollte es auch dauern, bis sich die weiterhin tätige ‚alte Norddeutsche‘ von dem Vertrauensentzug wieder erholt hatte. Während des Dritten Reichs war die Branche ein Teil  des nationalsozialistischen Wirtschaftssystems bzw. mit den ideologischen Komponenten des Regimes und dessen Vertretern verstrickt. Zwar sind die Taten der Branche nicht mit denen anderer Wirtschaftszweige – und hier nicht zuletzt der Lebensversicherung – zu vergleichen. Etliche Aspekte wie die Neubesetzung von Aufsichtsräten, die unmittelbare Aufnahme der Geschäftstätigkeit in den von Deutschland besetzten Gebieten oder die Verleihung des Titels eines nationalsozialistischen Musterbetriebs zeigen, dass Verstrickungen mit dem Regime vorhanden waren bzw. aus Gründen des geschäftlichen Erfolges forciert wurden. Dass aber von den NS-Machthabern Gefahren für die Hagelversicherung ausgingen, zeigen nicht zuletzt die Bestrebungen, das gesamte (Hagel-)Versicherungswesen zu sozialisieren. Mit der Schumannschen Denkschrift liegt eine scheinbar fachlich neutrale Bestandsaufnahme mancher Fehler vor, die aber in der radikalen Forderung mündet, die Bestände aller Hagelassekuranzen auf eine neue reichsweite Monopolanstalt zu übertragen. Am Ende dieses „zweiten Dreißigjährigen Krieges“230 suchte die Branche wie der Rest des Landes nun die Antwort auf nur eine Frage: „Was wird nun?“231

230

Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2003), S. 985. Neue, Jahre (1949), S. 48.

231

G. Tiefgreifender Strukturwandel im Agrarbereich: Die Branche nach 1945 Das letzte thematische Kapitel der Arbeit behandelt die Entwicklung der Hagel­ versicherungsbranche von 1945 bis zur Wiedervereinigung, wobei der Schwerpunkt auf Abschnitt G.I. und damit der Untersuchung der unmittelbaren Nachkriegszeit und der zweiten Rekonstruktionsphase der deutschen Hagel­versicherung im 20.  Jahrhundert liegt. Kapitel G.II. analysiert die Branchengeschichte vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Strukturwandels der bundesrepublikanischen Landwirtschaft und diskutiert markante Punkte der westdeutschen Branchen­ entwicklung bzw. der Geschichte einzelner repräsentativer Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Was die spätere DDR betrifft, so wurden im Herbst 1945 in der SBZ sämtliche Bestände der privaten Versicherungsgesellschaften auf eine neu errichtete öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalt übertragen. Im Fall der Hagelversicherer bedeutete dies, dass die neue Staatsanstalt nur die Vermögenswerte übernahm, wohingegen die Schadensregulierung für 1945 den privaten Gesellschaften überlassen wurde.1 Mit dem Verlust des Geschäfts in Mittel- und Ostdeutschland verschlechterte sich die Ausgangslage der nun in den Westzonen tätigen Hagelversicherer abermals. Wie die Branche die Jahre bis 1948 erlebte, soll nun erörtert werden.

I. Die unmittelbare Nachkriegszeit Zerstörte Städte und Millionen von Toten als Folge des verlorenen Krieges bzw. der NS-Gewaltherrschaft führten den Deutschen nach dem 8.  Mai 1945 die Konsequenzen ihres Handelns und den damit verbundenen moralischen Bankrott vor Augen. In Deutschland selbst hatte der Luftkrieg zwar insbesondere die Wohngebiete und das Transportsystem, aber weniger die Industrieanlagen getroffen.2 Beispielsweise überstieg3 1945 das Bruttoanlage­

1

Vgl. Pflug, Leserbrief (1946) sowie Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1969), o. S. Vgl. zur Staatsanstalt in der DDR Deutsche Versicherungs-Anstalt, Hagelversicherung (o. J.). 2 Schätzungen ergaben, dass auf die Wohngebiete und die Infrastruktur ungefähr siebenmal soviel Bomben als auf Rüstungsbetriebe abgeworfen wurden. Daher ist der Produktionseinbruch ab Mitte 1944 nicht auf die Zerstörung der Industrieanlagen, sondern auf den Ausfall des Transportwesens und damit der Rohstoffversorgung zurückzuführen. 3 Dies liegt erstens an den hohen Investitionen zwischen 1935 und 1942. Zweitens betrugen die Brutto-Anlageinvestitionen für die spätere westdeutsche Industrie rund 75 Prozent des

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G. Die Branche nach 1945 

vermögen der Industrie den vergleichbaren Wert aus dem Jahr 1936 um circa 20 Prozent.4 Neben der Errichtung von vier Besatzungszonen sowie der Einigung hinsichtlich grundlegender Eckpunkte für eine gesamtdeutsche Wirtschaftspolitik5 beschlossen die Alliierten während der Konferenz von Potsdam im Sommer 1945 die Abtretung von circa 25 Prozent oder rund 115.000 km2 der deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie.6 Außer dem großen oberschlesischen Industrierevier schloss dies ungefähr 25  Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein.7 Zudem verständigten sich die Siegermächte auf die Einforderung von Repara­ tionszahlungen.8 Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz wirkten sich auch direkt auf die Hagel­versicherungsbranche aus. Aufgrund der Gebietsabtretungen war von der ursprünglichen Ackerfläche des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 in den drei Westzonen nur mehr knapp 45 Prozent verblieben, was gleichzeitig das neue Geschäftsgebiet der Branche umfasste. Entsprechend halbierte sich die Versicherungssumme: Betrug diese 1937 im gesamten Reichsgebiet noch ungefähr 3,16  Milliarden Reichsmark, war sie 1946 in der späteren Bundesrepublik auf 1,48 Milliarden Reichsmark gesunken. Damit verschlechterte sich auch die Zu­ sammensetzung des Risikoportfolios, da die süddeutschen Agrarflächen mit ihBrutto-Anlagevermögens des Jahres 1936, wohingegen die Abschreibungen circa 37 Prozent des Brutto-Anlagevermögens ausmachten. Zudem bedeutete die hohe Investitionsmenge, dass der Kapitalstock relativ neuwertig war. Schließlich herrschte infolge der zahlreichen Flüchtlinge aus den Ostgebieten insgesamt kein Fachkräftemangel. 4 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 66–73. 5 Diese konnte jedoch niemals realisiert werden, da insbesondere Frankreich  – das übrigens an der Potsdamer Konferenz nicht teilgenommen hatte – gegen die Einrichtung von zentralen Verwaltungstellen im Kontrollrat stimmte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit entwickelten sich daher die vier Besatzungszonen auseinander bzw. wurden voneinander abgeschottet. 6 Vgl. Schröter, Teilung (2005), S.  363–365 sowie Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 59–66. Zudem wurde Preußen als angeblicher Hort des deutschen Militarismus im Februar 1947 aufgelöst. Vgl. Clark, Preußen (2007), S. 766 f. 7 Auch das Saarland wurde aus dem deutschen Staatsverband gelöst und erhielt einen Auto­nomiestatus mit enger Bindung an Frankreich. 8 Genaue Schätzungen über das gesamte Ausmaß der Reparationen abzugeben, ist schwierig. Von den Industrieanlagen in der späteren DDR, welche vom Luftkrieg relativ verschont geblieben waren, wurden in den ersten Nachkriegsmonaten mehr als die Hälfte in die Sowjetunion abtransportiert. Zudem sicherte sich die sowjetische Besatzungsmacht über einen Großteil der verbliebenen ostdeutschen Produktion den Zugriff über das Konstrukt der ‚Sowjetischen Aktiengesellschaft‘. Man schätzt, dass bis Januar 1954 Leistungen im Wert von 55 Milliarden Mark erbracht wurden – wobei der Nutzen der demontierten Güter für die Empfänger oft begrenzt war. In den Westzonen waren die alliierten Forderungen geringer, wobei die Bundesrepublik ab 1950 die Begleichung aller internationalen Verpflichtungen des Deutschen Reiches übernahm. An unmittelbaren Reparationen dürften die drei westlichen Besatzungszonen um die fünf Milliarden Mark geleistet haben. Vgl. Wehler, Gesellschafts­ geschichte (2003), S. 941–950 sowie Abelshauser, Wirtschafts­geschichte (2011), S. 73–82.

I. Die unmittelbare Nachkriegszeit

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rer potentiell hohen Niederschlagsgefahr nun einen prozentual größeren Anteil am gesamten Bestand hatten. Außerdem erhöhte sich als Folge der immer noch weitgehend zersplitterten Flur in Süddeutschland der Verwaltungskostenanteil am Versicherungsbeitrag.9 Wie sah nun diese zweite Rekonstruktionsphase aus, die man innerhalb von wenigen Jahrzehnten zu bewältigen hatte? Wie wurden die Schwierigkeiten gelöst, denen sich die Branche bzw. einzelne Gesellschaften gegenübersahen? Diese Fragen und weitere Phänomene sollen im Folgenden anhand der ‚Leipziger Hagel‘, der ‚Norddeutschen Hagel‘ und der ‚Mecklen­burgischen Hagel‘ geklärt werden. Dabei kann speziell die Entwicklung der ‚Leipziger‘ erstmals anhand von verschollen geglaubten Archivmaterial detailliert nachgezeichnet werden. Trotz des Chaos der letzten Kriegsmonate konnten viele Hagelversicherer noch im Frühling 1945 die Vor- bzw. Festbeiträge in West- und Mitteldeutschland einziehen. Nötig war mitunter Improvisationsgeschick, wie das Beispiel der ‚Leipziger Hagel‘ zeigt.10 Da die Kommunikation zwischen den einzelnen Agenturen und der Zentrale auch nach der Kapitulation großen Einschränkungen unterlag, unternahmen einzelne Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder eigenverantwortlich die Fortführung der Geschäfte. Ähnlich wie ihrem Kooperationspartner ‚Ceres‘ fehlte der ‚Leipziger‘ unmittelbar nach Kriegsende eine handlungs- und entscheidungsfähige Geschäftsleitung, da sich Direktor Haberland in Gefangenschaft befand und von seinem Kollegen Weigner, der nach Haberlands Einberufung für beide Unternehmen verantwortlich war, jede Spur fehlte. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.11 Haberland musste sich im Übrigen von März bis Mai 1948 auf Druck der amerikanischen Militärregierung von seinem Direktorenposten zurückziehen.12 Warum die Amerikaner erst drei Jahre nach Kriegsende auf ihn auf-

9 Vgl. Knoll, Hagelversicherung (1964), S.  17 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 281. 10 Über die unmittelbaren Nachkriegsereignisse der ‚Leipziger‘ berichtete Direktor Haberland am 29. Januar 1948 in der Verwaltungsratssitzung. Falls nicht anders zitiert, beziehen sich die Ausführungen auf dessen Referat, das als Manuskript vorliegt. Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin die Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung vom 29. Januar 1948. 11 Obwohl Karl Weigner seit Kriegsende als vermisst galt, ließ ihn seine Witwe erst 1950 für tot erklären. Sie erhielt von der ‚Leipziger‘ eine Rente. Vgl. AHV/Bestand Ceres/Über­ tragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin Schreiben von Dr. Edith Henning an die ‚Leipziger Hagel‘ vom 12. Juni 1950. 12 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Unterlagen von Herrn Dr. Crusius am 4.2.75 an Leipziger Hagel übergeben, darin Schreiben des Office of military government, finance branch vom 5. März 1948 an die Leipziger Hagel. Darin hieß es: „It has been determined that subject individual [gemeint ist Haberland] is in the mandatory non-employment class.“ Mehrere Leumunds­zeugen wurden für Haberland angeführt, so dass er am 24. Mai 1948 wieder für das Unternehmen tätig werden konnte. Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Unterlagen von Herrn Dr. Crusius am 4.2.75 an Leipziger Hagel übergeben, darin Schreiben des Office of military government, finance branch vom 24. Mai 1948 an die Leipziger Hagel.

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G. Die Branche nach 1945 

merksam wurden, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Bei der ‚Leipziger‘ kam jedenfalls der Verdacht auf Denunziation auf.13 Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft betreute Haberland ab Juni 1945 einige Bezirksdirektionen in der späteren DDR. Im Oktober 1945 übersiedelte er nach Hannover, wo das Verwaltungsratsmitglied von der Schulenburg die Leitung der im Westen gelegenen Agenturen der beiden Unternehmen übernommen hatte. Kurz davor war Haberland in die Hauptstadt zurückgekehrt, um auch formal die Geschäftsleitung der ‚Ceres‘ anzutreten, was am 12. September 1945 vom Berliner Magistrat genehmigt wurde.14 In der Stadt waren am eigentlichen Firmensitz immer noch Mitarbeiter tätig, die offensichtlich große Loyalität gegenüber dem Unternehmen besaßen. Denn Teile der Belegschaft beantragten bereits eine Woche (!) nach der Kapitulation für die ‚Leipziger‘ und die ‚Ceres‘ beim Wirtschaftsamt Berlin die erneute Aufnahme des Geschäfts­betriebs. Allerdings erfolgte die Genehmigung erst am 31.  Januar 194615 und wies überdies Einschränkungen auf, da die Wiederzulassung gemäß einer Magistratsanordnung vom 12.  November 1945 nur für das Geschäft im eigentlichen Stadtgebiet gelte.16 Auf den ersten Blick verwundert, dass beide Unternehmen dieses Kriterium erfüllen konnten, bringt man Berlin nicht unbedingt mit ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen in Verbindung. Allen Anschein hatten aber sowohl die ‚Leipziger‘ als auch die ‚Ceres‘ innerhalb der Stadtgrenzen einige versicherte Flächen im Portfolio. Unabhängig davon hatte die ‚Leipziger Hagel‘ bereits im Dezember 1945 die ‚Ausweichdirektion Hannover‘  – die spätere Direktion West  – gegründet, welche vom Hamburger ‚Zonenamt des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen‘17 als Zonenhauptverwaltung anerkannt wurde. Im Berliner Büro, das als ‚Direktionsbüro‘ firmierte und weiterhin offizieller Firmensitz war, arbeitete von 13 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Unterlagen von Herrn Dr. Crusius am 4.2.75 an Leipziger Hagel übergeben, darin Schreiben von Dr. Siegfried Crusius vom 16. März 1948 an die Mitglieder des Verwaltungsrates der Leipziger Hagel. 14 Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, dort der eigene Akt ‚Ceres Gewerbe-Erlaubnis‘, darin Schreiben an den Magistrat der Stadt Berlin, Finanzabteilung vom 23. Oktober 1945. 15 Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin der eigene Akt ‚Ceres Gewerbe-Erlaubnis‘, darin Aktennotiz vom 14. Mai 1945 (Unterschrift des Antragstellers unleserlich) sowie Genehmigungsschreiben durch den Magistrat der Stadt Berlin vom 31. Januar 1946. 16 Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, dort der eigene Akt ‚Ceres Gewerbe-Erlaubnis‘, darin Abschrift des Beschlusses des Versicherungsausschusses des Magistrats der Stadt Berlin vom 12. November 1945. 17 Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 81 f. Das Zonenamt war in der britischen Zone für die Versicherungsaufsicht zuständig. In Berlin wurde von den sowjetischen Behörden ein eigenes Versicherungsamt gegründet, das die Aufgaben des bisherigen Reichsaufsichtsamtes übernahm und dem Magistrat zugeordnet war. Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung CeresLeipziger-Unterlagen, dort der eigene Akt ‚Ceres Gewerbe-Erlaubnis‘, darin Abschrift eines Auszuges aus dem Verordnungsblatt der Stadt Berlin vom 10. Oktober 1945 (Nr. 9).

I. Die unmittelbare Nachkriegszeit

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1946 bis Ende 1948 die Buchhaltung der Gesellschaft, bis diese ebenfalls nach Hannover übersiedelte.18 Erst dann wurde auch de jure die Hauptverwaltung des Unternehmens in die niedersächsische Hauptstadt verlegt.19 Mit der Schaffung der Direktion West endeten die Schwierigkeiten aber nicht. Am 15. Juli 1946 erhielt die ‚Leipziger‘ eine Anfrage des Zonenaufsichtsamtes, das wissen wollte, ob man in der Lage sei, den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Ansonsten werde das Amt die Bestände auf andere Gesellschaften übertragen. In ihrer Antwort vom 20. Juli 1946 schlug die ‚Leipziger Hagel‘ eine Fusion mit der ‚Ceres‘ vor. Für die Erteilung einer Fusionsgenehmigung war aber die Zustimmung der britischen Militärregierung notwendig, welche diese am 21. Oktober 1946 verweigerte. Genehmigt wurde lediglich eine Arbeitsgemeinschaft, die aufgrund des seit 1942 bestehenden Kooperationsvertrages jedoch bereits bestand. Im November 1946 wurde plötzlich das gesamte Vermögen der ‚Ceres‘ ein­ gefroren. Die alliierten Behörden begründeten dies mit den engen Verbindungen der Gesellschaft zur Versicherungsgruppe der DAF, welcher die ‚Ceres‘ seit Novem­ber 1941 angehört hatte. Nach Protesten bei den amerikanischen Besatzungsbehörden, die zu dem Schluss kamen, dass die ‚Ceres‘ keine von der NSDAP abhängige Organisation und entsprechend die Bindung an die DAF nicht allzu stark gewesen sei20, konnte mit Wirkung zum 17. April 1947 wieder über die beschlagnahmten Gelder verfügt werden.21 Allerdings revidierten die Besatzungsmächte ihre Entscheidung und entgegen der Aussagen vom April 1947 hatte die ‚Ceres‘ die zweifelhafte Ehre, als einziger Hagelversicherer explizit im Alliier­ ten Kontrollratsgesetz Nr. 57 vom 30. August 1947 erwähnt zu werden, mit der sämtliche der DAF angeschlossenen Versicherungsgesellschaften per 6. September 1947 aufgelöst wurden.22 Entsprechend musste die Gesellschaft eine Liquida­ tionseröffnungsbilanz aufstellen.23 18 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung am 15. April 1950. 19 Obwohl dies bereits früher geplant war, verweigerten die westalliierten Behörden diesen Schritt. Mit der offiziellen Belassung vieler Firmensitze in der Hauptstadt sollte auch ein Bleiberecht des Westens in der Stadt verdeutlicht werden. 20 Wie gesehen, war die ‚Ceres‘ aber nationalsozialistischer Musterbetrieb. 21 Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Allgem. Schriftwechsel, darin Schreiben an die Bezirksdirektoren vom 9.  September 1947 sowie Entwurf eines Schreibens an den alliierten Kontrollrat, ohne Datum, ohne Unterschrift (höchstwahrscheinlich handelt es sich um ein Schriftstück von Dr. Edith Henning vom 1. November 1947, die von der ‚Ceres‘ mit der Prozessführung beauftragt wurde). 22 Vgl. Kontrollrats-Gesetz Nr.  57. betr. Auflösung und Liquidierung von der Deutschen Arbeitsfront angeschlossenen Versicherungsgesellschaften vom 30. August 1947, abgedruckt in Renger, Organisation (1990), S. 22–26. 23 Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin Entwurf der Liquidationseröffnungsbilanz vom 6. September 1947. Die Bilanzsumme betrug circa 3,78 Milliarden Reichsmark. Unter den Aktiva befand sich auch ein Grundstück in der Innsbrucker Straße (Grundbuch Berlin-Schöneberg, Bd. 117, Bl. 3778), das 1939 von einem jüdischen Vor-

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G. Die Branche nach 1945 

Von Seiten der ‚Ceres‘ verzichtete man auf einen formellen Protest und stellte bei den zuständigen Zonenämtern den Antrag, die Bestände auf die ‚Leipziger Hagel‘ zu übertragen, wobei es gelang, Bestrebungen der ‚Norddeutschen Hagel‘, die versucht hatte, sich einen Teil des Kundenstamms zu sichern,24 abzuwehren. Ab 1. Januar 1948 fungierte die ‚Leipziger Hagel‘ als Liquidationsverwalter der ‚Ceres‘.25 Die Übertragung der Versicherungsbestände  – wobei im Übrigen die ‚Ceres‘ mehr Kunden als die ‚Leipziger‘ aufwies26 – wurde endgültig im November 1949 von Seiten der Westalliierten genehmigt27 und unter dem Namen ‚Sondergruppe C‘ innerhalb des Gesamtbestandes der ‚Leipziger‘ verwaltet.28 Mit der Meldung an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg vom 2. Februar 1950 war die Liquidation der ‚Ceres‘ offiziell beendet.29 Unabhängig von ihrem opportunistischen Verhalten während der NS-Zeit war damit eines der traditionsreichsten Unternehmen der Branche vom Markt verschwunden. Auch bei der ‚Norddeutschen Hagel‘ herrschte in den ersten Nachkriegs­ monaten Chaos, wobei die Art und Weise der Bewältigung der Schwierigkeiten Parallelen zu denjenigen der ‚Leipziger‘ aufweist. Denn auch die ‚Norddeutsche‘ gründete schon bald nach der Kapitulation ein Provisorium im Westen. Bereits im März 1945 hatte Direktor Karl Schröder, der zusammen mit Direktor Dr. Pritzkow den damaligen Vorstand bildete, Berlin verlassen, um den Geschäftsbetrieb in den westlichen Gegenden Deutschlands zu begutachten. Eine Rückkehr in die Hauptstadt war aufgrund des Zusammenbruchs der Infrastruktur jedoch nicht besitzer erworben und nach Kriegsende unter alliierte Vermögensaufsicht gestellt wurde. Um die Grundstücksübertragung zog sich ein jahrelanger Rechtsstreit hin. Beispielsweise lehnte es ein Treuhänder der westalliierten Militärregierung am 20. März 1950 ab, die Vermögensübertragung von der ‚Ceres‘ auf die ‚Leipziger Hagel‘ durchzuführen, da von der Voreigentümerin des Grundstücks ein Antrag auf Rückerstattung gestellt wurde. Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin Schreiben des Treuhänders der Amerikanischen, Britischen und Französischen Militärregierung vom 20. März 1950. Wann genau hier eine Einigung erzielt werden konnte, ist aus den zugänglichen Akten nicht ersichtlich. Es findet sich lediglich eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die ‚Leipziger Hagel‘. Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin Schreiben des Hauptfinanzamtes von Groß-Berlin vom 21. Juni 1950. 24 Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Schriftwechsel Zonenübertragung, dort die Niederschrift über das Telefongespräch mit Herrn Direktor Dr. Haberland am 1. Februar 1949. 25 Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Schriftwechsel Zonenübertragung, darin der Bericht an das Aufsichtsamt für das Versicherungswesen vom 8. August 1949. 26 Die ‚Ceres‘ wies 1948 einen Bestand von ungefähr 70 Millionen DM auf, während die nunmehrige Muttergesellschaft auf 55,3  Millionen DM kam. Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung am 15. September 1948, Anlage Vorläufiger Geschäftsbericht 1948. 27 Vgl. AVH/Bestand Ceres/Ceres-Abw. Schriftwechsel Zonenübertragung, darin A ­ bschrift des Schreibens der alliierten Kommandantur an den Oberbürgermeister von Groß-Berlin (AZ BK/O (49) 235) vom 2. November 1949. 28 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung am 23. Juni 1948, Anlage C. 29 Vgl. AHV/Bestand Ceres/Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen, darin der Durchschlag des Schreibens an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg vom 2. Februar 1950.

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mehr möglich. Unmittelbar nach der Kapitulation wurde damit begonnen, die Vorprämie aus Regionen, welche später die SBZ bildeten, einzuziehen. Die wenigen noch verbliebenen Außendienstmitarbeiter erlebten jedoch teilweise Schikanen von Seiten der sowjetischen Militärbehörden, da die eingetriebenen Prämiengelder beschlagnahmt wurden. Wie dem Rest der Branche war der ‚Norddeutschen‘ ab Herbst 1945 die Tätigkeit in der künftigen DDR untersagt. Ähnlich wie die ‚Leipziger Hagel‘ konnte man lediglich im Gebiet von Groß-Berlin weiter tätig sein. Für die Genehmigung des Geschäftsbetriebs durch den Magistrat, die nicht mehr vorliegt, aber mit ziemlicher Sicherheit beantragt wurde, war es möglich, einen Versicherungsbestand mit 40 Verträgen bzw. einer Versicherungssumme von knapp 300.000 Reichsmark nachzuweisen. Parallel dazu hatte der im westlichen Deutschland verbliebene Direktor Schröder bis Frühherbst 1945 alle dortigen Bezirksdirektionen in einem Provisorium,30 der Direktion West, welche zunächst in Gießen, später in Treysa ihren Sitz hatte,31 zusammengefasst.32 Im Mai 1946 trafen sich die verbliebenen Aufsichtsräte der ‚Norddeutschen‘ in Fulda zu ihrer ersten Nachkriegssitzung. Die vakanten Posten hätten eigentlich auf dem Weg der Neuwahlen durch die Mitgliederversammlung besetzt werden müssen. Da deren Einberufung aus Kostengründen und der weiterhin eingeschränkten Infrastruktur nicht möglich war, bediente man sich einer immer noch gültigen Kriegsverordnung, wonach die Besetzung von Aufsichtsgremien durch Ernennung von Seiten des Registergerichts Berlin möglich sei. Daneben wurden auf dieser Sitzung sowie auf der Herbsttagung im September 1946 die weitere Zukunft des Unternehmens besprochen. Ein Punkt betraf das Neugeschäft: Da die Staatsverträge mit den süddeutschen Ländern immer noch in Kraft waren, beschloss man, die Akquisetätigkeit auf Norddeutschland zu konzentrieren, um dadurch einen Ausgleich für das ungünstige Risikoportfolio erreichen zu können, das sich als Folge der unverhältnismäßig vielen Verträge aus Süddeutschland im Bestand ergeben hatte. Auch die angesprochenen Konzentrationserscheinungen in der Branche war Thema der Besprechungen. Von Seiten der ‚Schwedter‘ und auch der ‚Leipziger‘ lag ein Angebot für eine Fusion vor, wobei in beiden Fällen keine Einigung erzielt werden konnte.33 Möglich wäre es daher, dass die erwähnte Anfrage des Hamburger Zonenamtes an die ‚Leipziger Hagel‘ vom Juli 1946 aus dem

30 Ähnlich wie bei der ‚Leipziger Hagel‘ gab es bis 1947 offiziell ein Direktionsbüro in Berlin. Von den dortigen Mitarbeitern übersiedelten aber die meisten in die Westzonen und waren in der Ausweichdirektion West tätig. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 55. 31 Im Oktober 1948 kehrte man nach Gießen zurück und begann mit dem Neubau eines Direktionsgebäudes. Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 56. Die Stadt ist noch heute Sitz der ‚Vereinigten Hagel‘. 32 Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 49–51. 33 Vgl. AVH/Bestand Norddeutsche Hagel/Verwaltungsrat und Generalversammlung 1941– 1944 (+46–48), darin Schreiben der Norddeutschen Hagel vom 11.  März 1946 sowie vom 23. April 1946 an das Mitglied des Aufsichtsrates Lichti sowie Protokolle der Aufsichtsratssitzungen vom 14. Mai 1946 und vom 16. September 1946.

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Scheitern dieser Verhandlungen resultiert. Die erste Hauptversammlung nach dem Krieg wurde 1947 nach Frankfurt/Main einberufen, auf der über die Geschäftsjahre 1943 bis 1946 abgestimmt wurde.34 Dabei mussten die Mitglieder aber auch über den Aderlass informiert werden, den die ‚Norddeutsche‘ zu verzeichnen hatte: Waren 1944 noch knapp 262.000 Versicherungsscheine im Bestand, verringerte sich dieser bis 1946 auf 184.000 Verträge.35 Bei anderen Gesellschaften ermöglichten es die Nachkriegszustände, manche historische Entwicklung zu korrigieren. Auch die ‚Mecklenburgische Hagel‘ verlegte bereits kurz nach Ende der Kämpfe ihren Firmensitz inoffiziell nach Hannover, womit die Stadt neben der ‚Leipziger Hagel‘ einen weiteren großen Hagelversicherer beherbergte. Ebenfalls hatten die ‚Greifswalder‘ und die ‚Schwedter‘ – die ja ursprünglich aus der ‚Mecklenburgischen‘ hervorgegangen waren36  – Ausweichdirektionen im späteren Niedersachsen gegründet. Alle drei Gesellschaften wiesen vor dem Krieg eine ähnliche Struktur auf und waren schwerpunktmäßig in Mittel- und Ostdeutschland tätig. Mit der sich abzeichnenden Spaltung des Landes verblieb den Unternehmen jeweils nicht mehr als ein Drittel ihres bisherigen Bestandes. Aufgrund der gemeinsamen historischen Wurzeln – so die in älteren Unternehmenschroniken vertretene offizielle Meinung – aber wohl eher als Folge von handfesten ökonomischen Überlegungen beschlossen die drei Hagelversicherer, miteinander zu fusionieren. Mit Wirkung zum 1.  Oktober 1946 übertrugen die ‚Greifswalder‘ und die ‚Schwedter‘ ihre Bestände auf die vormalige Mutter­ gesellschaft. Kurz nach dem 150. Firmenjubiläum, das am 2. März 1947 in Hannover und parallel dazu von einigen ehemaligen Mitarbeitern am bisherigen Sitz in Neubrandenburg gefeiert wurde, erhielt die ‚Mecklenburgische‘ die offizielle Verschmelzungsgenehmigung des Zonenaufsichtsamtes.37 Trotz manch positiver Entwicklung bei einzelnen Gesellschaften musste die Branche abermals die Folgen einer Währungszerrüttung meistern. Da die zur Finanzierung der Rüstungsausgaben initiierte Geldmengenvermehrung in keinem Verhältnis zum Warenangebot stand, hatte die Reichsmark einen Großteil ihrer Kaufkraft verloren. Anders als 1919/23 trat zwar keine offene Inflation auf. Dies war aber nur dem von den Alliierten verhängten Lohnstopp bzw. den weiterhin geltenden Bewirtschaftungsvorschriften zu verdanken. Entsprechend war eine Neuordnung des Geldwesens notwendig geworden – wobei aber schon bald klar wurde, dass dies großen Sprengstoff im Hinblick auf die gemeinsame Deutschlandpolitik der Alliierten zur Folge hätte. Jedenfalls zeichnete sich seit September 1946 ein Umschwenken der westalliierten Haltung gegenüber dem ehemaligen Feind ab, aber gleichzeitig auch die wachsende Gegnerschaft der vormaligen

34

Vgl. Neue, Jahre (1949), S. 53. Vgl. Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, Jahre (1969), o. S. 36 Vgl. Kapitel D.II.2.c). 37 Vgl. Büchner, Geschichte (1972), S. 79–86. 35

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Kriegsverbündeten in Ost und West.38 Am 1. März 1948 wurde die ‚Bank Deutscher Länder‘ für die drei Westzonen gegründet, was ein Signal für eine anstehende einseitige Währungsreform darstellte. Dieser Schritt bedeutete de facto das Eingeständnis des Scheiterns einer gemeinsamen (Wirtschafts-)Politik für alle vier Zonen, was mit dem Auszug der Sowjetunion aus dem alliierten Kontrollrat am 20. März 1948 auch offiziell wurde. Die Währungsreform stellte aber nicht den Beginn der wirtschaftlichen Erholung von Westdeutschland dar, dieser ist vielmehr schon im Herbst 1947 anzusetzen. Die mit der DM-Einführung verbundenen psychologischen Effekte wie die gleichsam über Nacht gefüllten Schaufenster und Regale dürfen aber nicht unterschätzt werden, weshalb für viele der Zeitgenossen der 20. Juni 1948 den eigentlichen Neubeginn nach dem Krieg darstellte.39 Mit der Reform des Geldwesens waren verschiedene Bestimmungen verknüpft. Ein Kopfgeld von 60 Reichsmark konnte 1:1 umgetauscht werden, im gleichen Verhältnis wurden Löhne, Gehälter oder Mieten umgestellt. Lediglich 10  Prozent ihres Wertes behielten Guthaben und Schulden, das Produktivvermögen erlebte gar keine Wertminderung. Um zu verhindern, dass die wertlose Reichsmark in ihre Zone strömte, folgte die Sowjetunion bereits im Juli 1948 mit der Einführung der Ostmark.40 Bis zu diesem Schnitt verlief im Übrigen die wirtschaftliche Entwicklung in allen vier Zonen in etwa gleich. Die beiden parallelen Währungsreformen mit der gleichzeitigen Institutionalisierung von unterschiedlichen ökonomischen Systemen bildeten dann den Beginn der separaten Entwicklungspfade, den die DDR bzw. die Bundesrepublik jeweils beschritten.41 Westdeutschland42 38 Im September 1946 kündigte der amerikanische Außenminister Byrnes an, dass Deutschland wieder seinen Platz unter den freien Völkern der Welt einnehmen könne. Präsident Truman versprach zudem im März 1947 allen vom Kommunismus bedrohten Völkern die Hilfe der USA. Die Truman-Doktrin war aber auch ein öffentliches Eingeständnis, dass die ideologischen und politischen Differenzen innerhalb der ehemaligen Kriegskoalition immer größer wurden. Ein weiterer Schritt bestand in der Ankündigung amerikanischer Hilfeleistungen für Europa im Juni 1947 durch den Marshall-Plan. Dieser war zwar weniger für den Beginn des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs der Westzonen verantwortlich, stand aber symbolisch für die Rehabilitierung der Westzonen und der jungen Bundesrepublik. Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 113–118; 129–152. 39 Vgl. Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 107; 126 f. 40 Zudem hatte die Sowjetunion die DM-Einführung mit als Anlass für die Berlin-Blockade genommen, die am 19. Juni 1948 verhängt und erst am 12. Mai 1949 aufgehoben wurde. 41 Vgl. zur Währungsreform Schröter, Teilung (2005), S.  366–369 sowie Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 119–129. 42 Über die Ursachen des ‚Deutschen Wirtschaftswunders‘ ist in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert worden. Es ist hier nicht der Platz, dies ausführlich nachzuzeichnen. Einige Bemerkungen über die wichtigsten Theorien mögen daher genügen: Insbesondere anglo-amerikanische Wirtschaftshistoriker sprechen vom Catch-Up bzw. der Aufhol-Hypothese, welche durch den Import von Technologien und Produktionsverfahren aus den USA bestimmt sei. Die deutsche Wirtschaft habe die Rolle eines Nachzüglers innegehabt, der vom US-Amerikanischen Know-How-Transfer profitieren konnte. Entsprechend seien die Wachstumsraten der bundesdeutschen Wirtschaft zu Beginn überdurchschnittlich hoch gewesen, hätten sich dann aber an das amerikanische Muster angeglichen. Vgl. beispielsweise Stokes,

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konnte am europäischen Nachkriegsboom partizipieren. Konkret begann die wirtschaftliche Boomphase nach einer Stockung des Wachstums 1949/1950 und dem damit verbundenen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit43 im Zuge des im Juni 1950 ausgebrochenen Koreakriegs ab ungefähr Mitte 1952, als ein selbsttragendes Wachstum erreicht wurde. Die Bundesrepublik konnte aufgrund ihrer freien Kapazitätsreserven erfolgreich die Ausfälle anderer Länder bedienen. Gleichzeitig bedeutete dies, dass Wachstumsimpulse erstmals aus den Außenhandelsbeziehungen herrührten.44 Diese Aufschwungphase sollte bis zur Ölkrise in den 1970er Jahren dauern.45 Auch die Hagelversicherer – deren Verstaatlichung im Übrigen abermals diskutiert wurde46 – rechneten ab Beginn des Jahres 1948 mit dem Einzug der ReichsZukunft (2008), S.  318 f. Dem halten deutsche Wirtschaftshistoriker entgegen, dass dieser Aufholprozess bereits um 1930 abgeschlossen gewesen sei, weshalb andere Erklärungen gesucht werden müssten. Die v. a. von Werner Abelshauser vertretene Rekonstruktionsthese basiert auf der Annahme, dass eine Unterscheidung zwischen dem eigentlichen Wachstumspfad einer Volkswirtschaft und alternativen, nach Störungen des wirtschaftlichen Geschehens auftretenden Entwicklungen möglich sei. Konkret habe der Zweite Weltkrieg die hochentwickelte deutsche Wirtschaft von ihrem eigentlichen Entwicklungspfad abgebracht. Da der Kapitalstock weitgehend erhalten blieb, neues Humankapital durch Flucht und Vertreibung zufloss sowie das bewährte korporatistische System fortbestand, seien die Voraussetzungen für eine rasche Rückkehr zum ursprünglichen Entwicklungspfad vorhanden gewesen. Daneben werden zwei weitere Theorien vertreten: Die Strukturbruch-Hypothese zielt auf den unmittelbaren Bruch der Wirtschaftsordnung nach 1945 ab, was durch eine grundlegende Veränderung der wirtschaftspolitischen Leitlinien, dem Entstehen eines liberalen Marktumfeldes in der sozialen Marktwirtschaft sowie der internationalen Einbindung der Bundesrepublik gekennzeichnet sei. Die Hypothese der Langen Wellen, die wie gesehen auf die Arbeiten von Kondratieff und Schumpeter zurückzuführen ist, interpretiert das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre als Aufschwungphase einer neuen langen Welle, die in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt erreicht habe. Hans-Ulrich Wehler hält eine Kombination der Rekonstruktionsund Strukturbruch-Hypothese für die schlüssigste Erklärung der raschen ökonomischen Erholung der Bundesrepublik. Werner Abelshauser dagegen weist die Strukturbruch-Hypothese u. a. aus dem Grunde zurück, dass sich beispielsweise der Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt vor und nach 1945 nicht wesentlich verändert habe. Insofern könne man auch nicht von einem radikalen Bruch der Wirtschaftsordnung nach 1945 sprechen. Abelshauser sieht zudem die Lange-Wellen-Hypothese kritisch, da u. a. der statistische Nachweis derartiger Bewegungen immer noch nicht erbracht wurde. Auch die Idee eines Catch-Up ist Abelshauser zufolge zu hinterfragen, da beispielsweise ein Know-How-Transfer in beide Richtungen stattgefunden habe. Er gibt aber zu bedenken, dass die Anwendung der von ihm präferierten Rekonstruk­tionshypothese nicht automatisch alle anderen Erklärungsweisen ausschließen müssten. Ähnlich wie Hans-Ulrich Wehler argumentiert Werner Abelshauser, dass auch eine Kombination der erwähnten Theorien das deutsche Wirtschaftswunder angemessen analysieren und erklären könne. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 49–53 sowie Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 283–291. 43 Diese hatte im Februar 1950 mit zwei Millionen bzw. 12 Prozent ihr Maximum erreicht. 44 Vgl. Grabas, Nachkriegsboom (2004) sowie Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte (2011), S. 152–172. 45 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 54. 46 Vgl. Börner, Verstaatlichung (o. J.).

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mark. Entscheidend für die gesamte Branche war der Einführungszeitpunkt des neuen Geldes. Vorausschauend befürchtete man schon im Januar 1948, dass ein Stichtag in der Mitte des Jahres zu großen Problem führen könnte: „Besonders unglücklich wäre die Lage für uns dann, wenn die Währungsreform beispielsweise mit dem Stichtag 1. Juli 1948 eingeführt werden würde, da wir dann die Beitrags­ gelder im wesentlichen im alten Geld eingezogen haben und die Schadenverpflichtungen in neuem Gelde begleichen müssen, sofern nicht eine Sonderregelung für derartige Fälle in dem Plan zur Währungsreform vorgesehen sein sollte.“47

Anders als im Jahr 1923 wurden bei der zweiten deutschen Währungsreform spezielle Regelungen für die Hagelassekuranz erlassen, wobei die soeben angesprochenen Bedenken Berücksichtigung fanden. Für die Branche sollten die Vorschriften der Schadens-, Unfall- und Krankenversicherungen gelten. Dies bedeutete grundsätzlich, dass alle Schäden unabhängig vom Zeitpunkt ihres Auftretens bereits in DM zu vergüten waren. Gleichzeitig mussten alle Beitragszahlungen ebenfalls in der neuen Währung geleistet werden. Sollten Schadenszahlungen oder Prämien bereits bis zum Stichtag der Währungsumstellung erfolgt sein, war von der jeweiligen Seite 9∕10 des Betrages in D-Mark nachzuzahlen. Speziell für die Hagelassekuranz war diese Stichtagsregelung von essentieller Bedeutung, was mit den Besonderheiten des Geschäftes zusammenhängt. Die jährliche Ernte stellt für Kunden und Versicherer sowohl vom ökonomischen als auch vom versicherungstechnischen Aspekt eine Einheit dar. Wäre die Regelung, dass beide Parteien alle Beträge bereits in der neuen Währung zu leisten hätten, nicht zur Anwendung gekommen, wären die Zahlungen entweder nach dem Stichtag vollständig in D-Mark, davor jedoch nur komplett in Reichsmark – was ja nur 10 Prozent des DM-Gegenwertes entsprach – erfolgt. Da das Auftreten eines Hagelschlags vom Zufall abhängig ist, hätte es ohne diese Bestimmung zahlreiche benachteiligte Bauern gegeben. Für viele Landwirte stellte aber die DM-Nachzahlung von 9∕10 der Prämienhöhe ab dem 20. Juni 1948 eine nicht unbedeutende Belastung dar. Die Branche nahm hier insofern Rücksicht, da sich beispielsweise die ‚Leipziger‘ bereit erklärte, Ratenzahlungen zu akzeptieren.48 Allerdings mussten viele Hagelversicherer unmittelbar nach der Währungs­ reform Einbußen hinnehmen. So sanken die Bestände der ‚Leipziger Hagel‘ von 126,4  Millionen DM im 125.  Geschäftsjahr 1948 auf 116,7  Millionen  DM in 1949.49 Viele Landwirte hatten nämlich 1948 noch einen möglichst hohen Vertrag abgeschlossen, da man glaubte, dass die Prämien immer noch in Reichsmark zu leisten seien. Als dies anders gekommen war, versuchte man im Rahmen der sich 47 AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin die Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung vom 29. Januar 1948. 48 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung am 15.  September 1948, Anlage Vorläufiger Geschäftsbericht 1948, Knoll, Hagelversicherung (1948), Audebert, Hagelversicherung (1955), S.  79 f. sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 283 f. 49 Angemerkt sei, dass in diesen Zahlen die Bestände der ‚Ceres‘ enthalten sind.

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bietenden Möglichkeiten, für 1949 Verträge mit einer geringeren Deckungssumme abzuschließen, indem empfindliche und damit wertvolle Früchte nicht mehr angebaut wurden.50

II. Ausgewählte Merkmale der Branchenentwicklung bis zur Gegenwart Da es in der alten Bundesrepublik bis 1990 keine derart tiefgreifenden Einschnitte wie in den Jahrzehnten davor gab, bestand die größte Herausforderung der Branche nach dem Eintritt Westdeutschlands in die wirtschaftliche Boom-Phase in der Bewältigung des nachhaltigen Strukturwandels im Agrarsektor.51 Wie noch diskutiert werden wird, hatten diese Veränderungen unmittelbare Auswirkungen auf das Hagelversicherungsgeschäft. Dies anhand konkreter Unternehmensdaten nachzuzeichnen, bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels, mit dem die Darstellung der Branchengeschichte ihren Abschluss findet. Die Ernährungssituation hatte sich in den Monaten vor der deutschen Kapitula­ tion massiv verschlechtert, da infolge der militärischen Rückschläge sowohl die besetzten Gebiete als auch immer mehr deutsches Staatsgebiet verloren ging, welches bis dahin ausgeplündert bzw. für die inländische Lebensmittelproduktion genutzt wurde. Folgt man Ulrich Kluge, kam die Kapitulation „[…] einer umfassenden Hungerkatastrophe und einem möglichen Stimmungsumschwung hungernder Bevölkerungsteile gegen das Regime zuvor“.52 Auch nach Kriegsende kam es zu keiner kurzfristigen Verbesserung der Ernährungssituation, da durch die Zoneneinteilung die bisherigen überregionalen Wirtschaftsräume voneinander abgeschottet wurden. Ein Ausgleich von (spärlichem) Angebot und Nachfrage war somit nur eingeschränkt möglich. Verstärkt wurde die ohnehin schon angespannte Situation durch den Zustrom von Millionen von Flüchtlingen aus den Ostgebieten. In Summe war es der deutschen Landwirtschaft 1946/47 nur möglich, lediglich die Hälfte des Bedarfs an Grundnahrungsmitteln aus der eigenen Produktion zu decken. Um die wenigen vorhandenen Güter verteilen zu können, blieben daher die während des Krieges eingeführten Zwangsvorschriften in Kraft. Was die 50 Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/V. R. Sitzungen 1948–1950, darin die Niederschrift über die Verwaltungsratssitzung am 20.  September 1949, Anlage Vorläufiger Geschäfts­ bericht 1949. 51 Das Bauernbild, welches die agrarischen Interessensvertreter nach 1945 propagierten, wies Ähnlichkeiten mit den Stereotypen aus dem 19.  Jahrhundert auf. Beispielsweise stilisierte der Deutsche Bauernverband (DBV) den Agrarsektor als Gegenstück zum hektischen Leben in der Stadt, dessen Traditionen auch in der modernen Welt geschützt werden müssten. Vgl. Gerhard, Bild (2012), S. 120–124. 52 Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S.  34. Anders dagegen Hans-Ulrich Wehler, der konstatiert, dass sogar in den letzten Kriegswochen die Versorgung der Bevölkerung mit ungefähr 2.000 Kalorien pro Person und Tag möglich gewesen sei. Vgl. Wehler, Gesellschafts­ geschichte (2003), S. 951.

II. Ausgewählte Merkmale der Branchenentwicklung bis zur Gegenwart

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restliche Menge betraf, war man auf die Hilfe der Alliierten angewiesen. Hierzu ist zu sagen, dass die ehemaligen Kriegsgegner den Deutschen in der unmittel­ baren Nachkriegszeit Lebensmittelhilfen gewährten, diese aber vorrangig für die Ernährung der städtischen Bevölkerung verwendet wurden. Gleichzeitig verlief der Wiederaufbau der einheimischen Landwirtschaft äußerst schleppend, wofür insbesondere der Mangel an Produktionsmitteln verantwortlich war. Trotz der alliierten Lebensmittellieferungen blieb die Not weiterhin groß, der Unmut über die katastrophale Ernährungslage äußerte sich 1946/47 in zahlreichen Hunger­ demonstrationen. Danach trat parallel zur beginnenden wirtschaftlichen Erholung eine Verbesserung der Situation ein, so dass beispielsweise 1949 in Bezug auf die Kartoffel- und Getreideernte wieder der Vorkriegsstand erreicht werden konnte.53 Gleichzeitig verzögerte sich interessanterweise die Modernisierung der bundesdeutschen Landwirtschaft.54 Erkennbar ist dies an der Anzahl der im Primärsektor beschäftigten Arbeitskräfte, die infolge des Flüchtlingszustroms sogar leicht anstieg: Waren 1939 im späteren Gebiet der Bundesrepublik ungefähr 5,3 Millionen Menschen in der Landwirtschaft tätig, betrug diese Zahl 1949 circa 5,9 Millionen. Im darauf folgenden Jahrzehnt gab es aber einen deutlichen Rückgang, so dass 1959 ‚nur‘ 3,8 Millionen Menschen ihr Auskommen im landwirtschaftlichen Bereich fanden. Parallel dazu setzte eine rasante Mechanisierung ein. Spätestens 1960 gab es mehr Schlepper als Zugtiere pro 100 ha landwirtschaftlicher Nutz­f läche, so dass aufgrund der nicht mehr benötigten Futterflächen nochmals 1,5 Millionen ha für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung standen.55 Parallel dazu kam es zu einer tiefgreifenden Änderung der Besitzgrößenstruktur:56 Gab es 1950 ungefähr 1,152 Millionen Betriebe mit einem Besitz von bis zu 5 ha, waren es 1972 nur mehr 499.000 Einheiten. Insgesamt zählte man 1950 in der Bundesrepublik noch über 1,9 Millionen Höfe, 1972 dagegen lediglich 1,1 Millionen Agrarbetriebe,57 wobei sich dieser Trend in den folgenden Jahren durch die Flurbereinigung fortsetzte. Auch die Intensivierung und der damit verbundene vermehrte Düngemittelund Maschineneinsatz schritt weiter voran. Zudem entstanden immer größere Produktionseinheiten und es kam zu einer verstärkten Spezialisierung des einzelnen Agrarbetriebs, verbunden mit dem Durchbruch zur Veredelungswirtschaft. Diese Entwicklung wurde (und wird)  aber zunehmend kritisch gesehen. Einer der Punkte betrifft die fortdauernde Überproduktion, die in keinem Verhältnis zur Nachfrage steht bzw. mit hohen staatlichen Subventionszahlungen kompensiert wird.58 Schließlich zeigen die Diskussionen über die Qualität der Lebens 53

Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 34 f.; 38. Hans-Ulrich Wehler spricht für den gesamten Prozess sogar von einer „zweiten Agrarrevolution“. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 84. 55 Vgl. Henning, Deutschland (1997), S. 218–221. 56 Vgl. Exner, Beständigkeit (1996), S. 279 f. 57 Vgl. Knoche, Hagelversicherung (1973), S. 3 f. 58 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 85. 54

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mittel in Deutschland bzw. die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten, dass bei den Verbrauchern ein Umdenken eingesetzt hat. Darüber hinaus fand immer mehr der Umweltschutzgedanke Einzug in die Debatten um die Zukunft der Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang wurden vermehrt Stimmen laut, welche ein stärkeres Engagement der Bauern im Sinne der Landschaftspflege oder die Begrenzung des Einsatzes von chemischen Düngemitteln fordern. Zudem ist neben diesen agrarpolitischen und -ökonomischen Aspekten auch hinsichtlich der ländlichen Gesellschaft ein tiefgreifender Strukturwandel festzustellen. Beispielsweise veränderten sich dörfliche Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten massiv, weshalb Modernisierung im Agrarsektor auch als „[…] Abbau traditioneller Orientierungs- und Verhaltensmuster, als wachsende Durchlässigkeit für Außeneinflüsse sowie als Abbau von traditioneller Stadt-Land-Gegensätze in der Übernahme urbaner Verhaltensweisen durch Berufspendler und den Zuzug bauwilliger Städter […]“59 bezeichnet werden kann.60 Es bleibt abzuwarten, „[w]ie die politische Aufgabe, ein neues Verhältnis von landwirtschaftlicher Arbeit, Naturbeherrschung und Umweltschutz zu finden, gelöst [,]“61 bzw. wie beispielsweise die konventionelle Landwirtschaft auf ihre Kritiker reagieren wird. Tabelle 9 fasst die wichtigsten Faktoren des sektoralen Wandels nochmals zusammen. Tabelle 9 Ausgewählte Merkmale des sektoralen Wandels im Agrarbereich 1900–2004 Merkmal

1900

1950

1970

1990

2003/2004

Arbeitskräfteeinsatz/ha

30,6

29,2

11,4

6,4

3,5

Prozentualer Anteil an den Erwerbstätigen

38,2

24,3

8,8

3,5

2,3

Getreideerträge (dz/ha)

16,3

23,2

33,4

57,9

73,6

Prozentualer Anteil an der Bruttowertschöpfung

29,9

11,3

3,4

1,7

1,1

Eigene Darstellung nach Plieninger und Bens und Hüttl, Landwirtschaft (2006), S. 24. Die Werte von 1950 bis 1990 geben die Situation in der „alten“ Bundesrepublik wieder.

59

Exner, Beständigkeit (1996), S. 280. Vgl. neben der zitierten Literatur zudem Feldenkirchen, Agrarpolitik (1997), Bauernkämper, Landwirtschaft (1998), Mooser, Bauern (2000), Bauernkämper, Industrialization (2004), Kluge Agrarwirtschaft (2005), S. 2–4; 39–65 sowie Plieninger/Bens/Hüttl, Landwirtschaft (2006). 61 Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 88. 60

II. Ausgewählte Merkmale der Branchenentwicklung bis zur Gegenwart

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Ein Novum im landwirtschaftlichen Bereich bildete die zunehmende Verlage­ rung von agrarpolitischen Entscheidungen auf eine supranationale Ebene. Schotteten sich die europäischen Landwirtschaften in der Vergangenheit wie gesehen voneinander ab bzw. waren durch nationale protektionistische Maßnahmen geprägt, begann in den 1950er Jahren eine verstärkte Integration verbunden mit einer immer größeren Delegation von Kompetenzen nach Europa. Einen ersten Schritt dieser Integration bildete der Abschluss der römischen Verträge im März 1957, wobei dies speziell von der Bundesrepublik infolge der Hungererfahrungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit forciert wurde. Die Ironie des gemeinsamen Agrarmarktes bestand aber u. a. darin, dass die vormaligen ‚nationalen‘ Schutzmaßnahmen und Subventionen nun auf der überstaatlichen Entscheidungsebene erneut zur Anwendung kamen. Zudem haben sich die zu lösenden Probleme genau ins Gegenteil verkehrt. Anstatt wie in früheren Zeiten die Grundversorgung der Bevölkerung einigermaßen sicherzustellen, musste man die mitunter irrwitzige Überschussproduktion in den Griff bekommen. Möglich war dies nur mit Hilfe von massiven Zahlungen sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene. Insgesamt verfolgte die zwischen 1957 und 1968 formulierte und institutionalisierte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) neben einer Liberalisierung des Agrarhandels innerhalb der Gemeinschaft und einem gemeinsamen Auftreten gegenüber Dritten auch explizit sozialpolitische Ziele im Sinne der Einkommenssicherung für die Landwirte. Gerade in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr die GAP jedoch eine grundlegende Änderung, so dass anstelle von direkten Preis­ subventionen individuelle Zuschüsse an den einzelnen Bauern ausgeschüttet werden. Auch ging man daran, in großem Stil Flächenstilllegungsprogramme einzuführen, was vereinfacht gesagt bedeutet, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb für den Verzicht auf die Agrarflächennutzung Ausgleichszahlungen erhält.62 Allerdings hat es die europäische Landwirtschaft bis heute nicht geschafft, einen vernünftigen Ausgleich zwischen Produktions- und Absatzmengen zu realisieren. Zudem wurde es versäumt, die Besonderheiten der jeweiligen nationalen Landwirtschaften in die gemeinsame EG- bzw. EU-Agrarstrategie aufzunehmen. Dieses Ausblenden von unterschiedlichen Produktionsweisen bzw. der jeweiligen Ressourcenausstattung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen waren und sind mit hohen Kosten für den europäischen Haushalt und damit die Verbraucher verbunden.63 Was bedeuteten diese Entwicklungen für die deutsche Hagelversicherung? Aufgrund der veränderten Betriebsstruktur und der Flurbereinigung verringerte sich zwar die Anzahl der Versicherungsnehmer, aber gleichzeitig erhöhte sich die versicherte Fläche pro Kunde. Da in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik ein 62 Vgl. Poggensee, Flächenstillegungsprogramme (1993), Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 36–38, Patel, Paradefall (2007) sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte (2008), S. 84–87. 63 Vgl. Kluge, Agrarwirtschaft (2005), S. 40 f.

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hohes Preisniveau bei Agrarprodukten herrschte, kam es bei sämtlichen Hagelversicherungsgesellschaften zu einem bemerkenswerten Anstieg der Versicherungsbeiträge. Die gesamte Branche konnte ihren Bestand von 35 Millionen DM im Jahr 1949 bis 1970 auf 84 Millionen DM steigern. Die 100-Millionen-Grenze wurde 1975 durchstoßen und bis 1990 hatte man 236,4 Millionen DM an Prämieneinnahmen erreicht. Ebenfalls mit der positiven Entwicklung der Agrarpreise war eine massive Steigerung der Gesamtdeckungssumme verbunden. Denn der Wert der versicherten Fläche und damit die Vertragssumme sind v. a. vom erzielbaren Markterlös bestimmt.64 Der erwähnte Strukturwandel soll anhand konkreter Unternehmenszahlen diskutiert werden. Beispielsweise hatte die ‚Leipziger Hagel‘ 1960 einen Versicherungsbestand von ungefähr 376  Millionen  DM. Im selben Jahr ließen 44.000 Kunden eine Fläche von 253.000 Hektar versichern. Die durchschnittliche Vertragssumme betrug somit etwas mehr als 8.500 DM und der Hektarwert im Schnitt ungefähr 1.500 DM. 1970 hatte sich die Zahl der Versicherungsscheine und damit der Kunden auf 37.900 verringert. Die Versicherungssumme war nun aber auf 497 Millionen DM angewachsen. Ein durchschnittlicher Kontrakt wurde mit 13.100 DM abgeschlossen und der Wert eines Hektars war auf 1.700 DM gestiegen. Zwar sind in diesen Zahlen auch die Kundenfluktuation bzw. die Neu­ akquirierungen enthalten, die Auswirkungen der veränderten landwirtschaftlichen Struktur sind aber ohne Zweifel erkennbar.65 Dieser nachhaltige Wandel sollte sich in den kommenden Jahren fortset­ zen: 1980 sank im Vergleich zum Jahre 1970 die Zahl der Versicherungsscheine auf 33.000. Die Versicherungssumme dagegen stieg auf 1  Milliarde DM an. Gleich­ zeitig konnte die ‚Leipziger‘ die versicherte Fläche auf 383.000 Hektar steigern. Der Wert je Schein bzw. Hektar betrug dabei ungefähr 30.000 DM bzw. 2.600  DM.66 1985 schließlich war ein Versicherungsschein im Schnitt mit 36.100 DM abgeschlossen worden, was einen Hektarwert von 3.002 DM ergab. Mehr als 427.500  Hektar waren versichert, was eine nominale Versicherungssumme von 1,28 Milliarden DM bedeutete.67 Neben diesen branchenweit zu beobachtenden strukturellen Veränderungen im Versicherungsportfolio gab es auch andere bedeutende Entwicklungen. Hierzu zählt einmal eine wichtige Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen. Mit Wirkung zum 1.  Januar 1954 konnten erstmals Allgemeine Hagelver­ sicherungsbedingungen (AHagB) eingeführt werden, die gleichzeitig die zahlreichen unternehmensindividuellen Vereinbarungen ablösten. Obwohl es immer noch Unterschiede im Hinblick auf die Tarifstruktur oder die angebotenen Selbst 64 Vgl. Leipziger Hagel, Geschäftsbericht (1970), S.  5 sowie Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 292. 65 Vgl. Leipziger Hagel, Geschäftsbericht 1970, S. 6. 66 Vgl. Leipziger Hagel, Geschäftsbericht 1980, S. 5. 67 Vgl. Leipziger Hagel, Geschäftsbericht 1985, S. 5.

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behalte gab, war es dem Versicherungsnehmer aufgrund der AHagB-Einführung leichter möglich, die einzelnen Gesellschaften miteinander zu vergleichen, was mit ziemlicher Sicherheit zur Transaktionskostensenkung beigetragen hat.68 Auch bezüglich der Verbandsarbeit konnte die Hagelversicherung an die Vorkriegszustände anknüpfen. Bereits 1946 trafen sich Branchenvertreter zweimal in Hannover, um die Hagelsaison 1945 und 1946 zu besprechen, wobei die Arbeit aller Gesellschaften wie gesehen durch die letzten Kriegsmonate bzw. die Probleme der Nachkriegszeit geprägt waren. Der Turnus, sich zweimal im Jahr zu treffen, wurde seitdem meist eingehalten. Aktuell existiert im Rahmen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) eine Arbeitsgruppe der Hagelasseku­ ranz. 1951 erfolgte die Gründung der Internationalen Vereinigung der Hagelversicherer AIAG, in der auch die großen deutschen Hagelversicherer Mitglied sind.69 Eine weitere Erscheinung bestand in der Fortsetzung des Marktkonsolidie­ rungsprozesses. Beispielsweise wurde die ‚Union‘, an der die Allianz seit 1923 die Aktienmehrheit hielt, ab 1970 direkt in den Mutterkonzern eingegliedert. Mit Beschluss des Aufsichtsrates der ‚Union‘ vom 30. April 1970 sollte der Hauptversammlung eine Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens auf die ‚Allianz‘ vorgeschlagen werden, was wenig überraschend von den Aktionären – eben der Allianzmehrheit – im Juni 1970 auch abgesegnet wurde.70 Damit verschwand einer der traditionsreichsten Hagelversicherer vom Markt, der auf eine 120jährige Geschichte zurückblicken konnte und im 19. Jahrhundert einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung der Hagelversicherungstechnik geleistet hatte. Daneben gab es eine weitere Neugründung, da 1953 die ‚Münchener Hagelversicherung AG‘ den Geschäftsbetrieb aufnahm und in Konkurrenz zur bayerischen Landesanstalt trat.71 Mit Wirkung zum 1. Januar 1994 übertrug wiederum die ‚Allianz‘ ihr Hagelversicherungsgeschäft auf die ‚Münchener Hagelversicherung‘.72 Die ‚Münchener Hagel‘ und die ‚Magdeburger Hagel‘ schlossen sich wenige Jahre später zur ‚Münchener und Magdeburger Agrarversicherung‘ zusammen, die auch heute noch am Markt tätig ist.73 Daneben erfüllte die Branche ihre Hauptaufgabe, nämlich die Gewährung von Versicherungsschutz für die Landwirtschaft bzw. deren Erzeugnisse. Doch auch in diesem Zusammenhang hatten einige der bereits diskutierten Veränderungen Auswirkungen, da mit zunehmendem Wert der Feldfrüchte die Schadensansprü 68

Vgl. AVH/Bestand Leipziger Hagel/Mitteilungsblätter für unseren Außendienst Nr.  1/ 1954, S. 1–3. 69 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 282–284. 70 FHA, B 12/Union 1969, Abschluß und Berichterstattung m. WP-Bericht/Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Union Allgemeine Deutsche Hagelversicherungs-Aktien­ gesellschaft am 30.4.1970 in München. 71 Vgl. Schmitt-Lermann, Hagel (1984), S. 285. 72 Vgl. o. V., Hagelversicherung (1996), S. 119. 73 Vgl. Oberholzner u. a., Jahre (2004), S. 146.

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che des Versicherungsnehmers stiegen. Im kollektiven Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung ist immer noch das Münchener Hagelunwetter vom Juli 1984 präsent. Dieser war mit der größte Einzelschadensfall, den die deutsche Versicherungswirtschaft bis dahin erlebt hatte. Insgesamt wurden knapp 5 Milliarden DM an Entschädigungen gezahlt, angefangen von zerstörten Fenstern oder beschädigten Dächern und Autos. Die Hagelversicherer hatten Schäden von über 70 Millionen DM zu vergüten, wobei allein auf die ‚Norddeutsche‘ 19 Millionen entfielen.74 Was die mittel- bis langfristige Schadensentwicklung betrifft, ist auffällig, dass sich Jahre mit schweren Niederschlägen und hohen Schadensansprüchen meist mit solchen ablösten, in denen nur geringe Summen erstattet werden mussten. Beispielsweise hatte die ‚Norddeutsche Hagel‘ im Jahr 1975 insgesamt 26,3 Millionen Mark auszubezahlen. Bezogen auf die Geschäftszahlen lag damit ein so genannter Überschaden75 vor, so dass knapp 3,4 Millionen Mark aus den Schwankungsrückstellungen entnommen werden mussten. 1976 konnte dagegen aufgrund der wenigen Unwetter sogar eine Beitragsrückgewährung von 10 Prozent ausgeschüttet werden.76 Wieder einige Jahre später gingen 1985 über der gesamten Bundesrepublik dermaßen schwere Hagelstürme nieder, so dass die ‚Norddeutsche Hagel‘ mit knapp 94 Millionen Mark den bis dahin größten jährlichen Schadensbetrag in der Unternehmensgeschichte zu leisten hatte.77 Auch die ‚Leipziger Hagel‘ kam mit knapp 16,4 Millionen Mark auf ein bis dahin nie erreichtes Ausmaß.78 Ein letzter markanter Einschnitt in der Branchengeschichte stellen die Jahre nach 1990 dar, die von der Rückkehr der westdeutschen Hagelversicherer in die frühere DDR, einer grundsätzlichen Änderung der EU-Agrarpolitik sowie der Entstehung eines marktdominierenden Unternehmens gekennzeichnet waren. Bereits wenige Monate nach der friedlichen Revolution in der DDR begannen die westdeutschen Hagelversicherer mit der Vorbereitung der Geschäftsaufnahme in Ostdeutschland. So hatte die ‚Norddeutsche Hagel‘ bereits im Mai 1990 bei den Ostberliner Behörden nach der Zuweisung um Büroräume angefragt, was diese zeitig genehmigten. Institutionell abgesichert wurde dieser ‚Aufbruch in die neuen Bundesländer‘ durch das Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR am 1.  Juli 1990. An diesem Tag endete auch die Monopolstellung der staatlichen ‚Deutschen Versicherungs-

74 Vgl. Norddeutsche Hagel, Geschäftsbericht 1984, S.  6 f. sowie GDV, Himmel (1985), S. 16 f. 75 Branchenüblich ist eine Schadensquote dann unterdurchschnittlich, wenn sie einen geringeren Wert als der Durchschnitt der Quoten der vergangenen 15 Jahre aufweist. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einem Überschaden. Für diesen Hinweis bin ich Klaus-Dieter Reimann von der Vereinigten Hagelversicherung VVaG in Gießen dankbar. 76 Vgl. Norddeutsche Hagel, Geschäftsbericht 1975, S.  6 f. sowie Geschäftsbericht 1976, S. 6 f. 77 Vgl. Norddeutsche Hagel, Geschäftsbericht 1985, S. 6–8. 78 Vgl. Leipziger Hagel, Geschäftsbericht 1985, S. 5 f.

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Anstalt‘,79 gleichzeitig wurde die Niederlassungsfreiheit für westdeutsche Gesellschaften eingeführt. Wenig überraschend war ein nahtloses Anknüpfen an die Zustände vor 1945 nicht möglich. Vielmehr ergaben sich für die Hagelassekuranzen zu Beginn Schwierigkeiten im Alltagsgeschäft. Beispielsweise konnte bei der Tariffeststellung nicht auf die im Westen übliche detaillierten Feldmarkstatistiken zurückgegriffen werden, in denen Daten über die Hagelschläge der Vergangenheit gesammelt waren und als Grundlage für die Prämienberechnung dienten. Derartige Unterlagen waren auf dieser granularen Stufe in der DDR nicht geführt worden, sondern lagen nur kumuliert auf Bezirksebene vor. Aus diesem Grund mussten sich die Versicherungsgesellschaften anderweitig helfen: Die ‚Norddeutsche‘ verwendete beispielsweise in Grenzgebieten zur Bundesrepublik den gleichen Tarif80 wie im benachbarten Westkreis.81 Das für die weitere Branchenentwicklung bzw. Marktkonsolidierung wesentliche Ereignis bestand in der Fusion der ‚Norddeutschen Hagel‘ mit der ‚Leip­ ziger Hagel‘ im Jahr 1993 zur ‚Vereinigten Hagelversicherung‘. Anlass war eine Änderung der bisherigen EU-Agrarpolitik, die zum 1. Januar 1993 in Kraft treten sollte. Wie schon erwähnt sah diese vor, das bisher praktizierte System der direkten Preisstützung zugunsten von individuellen Zahlungen an den einzelnen Landwirt abzulösen. Die Hagelversicherungsbranche erwartete daraus ein deutliches Absinken der Preise für viele Agrarprodukte, was einen Wertverlust der zu versichernden Fläche mit sich brachte. Auch weitere Flächenstilllegungsprogramme sollten eingeführt werden, was einen Rückgang der zu versichernden Fläche und damit auch der Beiträge verursachen würde. Gleichzeitig rechneten viele Unternehmen damit, dass es aufgrund dieser Maßnahme zu einem deutlichen Anstieg der Kosten aus dem Versicherungsbetrieb kommen könnte.82 Aufgrund dieser institutionellen Veränderungen – aber auch im Hinblick auf die Chance zur Realisierung von Synergieeffekten – begannen erste Gespräche über eine Fusion zwischen ‚Norddeutscher‘ und ‚Leipziger‘. Vorteilhaft war, dass beide Versicherer als Gegenseitigkeitsvereine über ähnliche organisatorische Strukturen, Geschäftsgebiete bzw. Unternehmenskulturen verfügten. Auch die Rücklagen wiesen jeweils eine vergleichbare Ausgestaltung auf, so dass keiner der Beteiligten sich übervorteilt fühlen musste. Nach Vorarbeiten auf Vorstandsebene konnte den Mitgliedern auf einer Reihe von Versammlungen der Entwurf eines Verschmelzungsvertrags 79

Vgl. Eggenkämper/Modert/Pretzlik, Versicherung (2010). Knapp 25  Prozent der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften entschieden sich dafür, bei der ‚Norddeutschen‘ versichern zu lassen, was eine Summe von knapp 1,3 Milliarden DM umfasste. Im Übrigen mussten die ostdeutschen Landwirte für 1990 nur den halben Prämiensatz zahlen. 81 Vgl. ausführlich zum ‚Aufbruch in die neuen Bundesländer‘ Oberholzner u. a., Jahre (2004), S. 129–131. 82 Die Kostenquote, die sich aus der Relation der Aufwendungen im Versicherungsbetrieb zu den Beiträgen ergibt, betrug 1992 bei der ‚Norddeutschen‘ circa 18 Prozent, bei der ‚Leipziger‘ ungefähr 20 Prozent. Beide Unternehmen rechneten aufgrund der schwindenden Beiträge jeweils mit einem Anstieg auf circa 25 Prozent. 80

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präsentiert werden, der von den Delegierten beider Gesellschaften im Mai 1993 angenommen wurde. Mit Bestätigung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen nahm die neue ‚Vereinigte Hagelversicherung‘ im Juli 1993 ihre Tätigkeit auf. Mit der Fusion war ein marktdominierendes Unternehmen entstanden, welches bereits im ersten Geschäftsjahr 1993 eine Versicherungssumme von 9,5 Milliarden Mark erzielte. Innerhalb von 10 Jahren steigerte die ‚Vereinigte Hagel‘ ihren Marktanteil auf circa 60 Prozent. Verantwortlich hierfür war auch die Bildung der so genannten ‚Agro-Risk-Gruppe‘, die 1995 als Ergebnis einer Kooperation der ‚Vereinigten‘ mit der ‚Gärtnerhagel‘ begann und sich 1996 in der Übernahme der ‚Kölnischen Hagel‘ fortsetzte. In den letzten Jahren wurde zudem mit der verstärkten Expansion ins europäische Ausland begonnen.83 Was bleibt für die Zukunft der Hagelversicherung zu sagen? Zum einen muss die deutsche Landwirtschaft im Zuge der weltweiten Liberalisierung der Agrarmärkte in den kommenden Jahren mit der Notwendigkeit einer noch stärkeren Marktorientierung sowie der Kürzung der finanziellen Zuschüsse rechnen. Auf den damit zu erwartenden Rückgang der Versicherungssumme hat sich die Hagelversicherungsbranche vorzubereiten, sei es mit Rationalisierungsmaßnahmen oder den angesprochenen innovativen Versicherungsprodukten.84 Zum ande­ ren werden die klimatischen Veränderungen wohl mittelfristig zu einem erneuten Strukturwandel in der deutschen Landwirtschaft führen, der sich beispielsweise in der Ablösung der bisherigen Anbaukulturen zeigen könnte. Auch dieses Phänomen dürfte sich in neuen Versicherungsleistungen niederschlagen, um dem gestiegenen Bedürfnis, sich umfassend gegen Elementarschäden abzusichern, Rechnung zu tragen.85 An Herausforderungen wird es in den kommenden Jahren jedenfalls nicht fehlen. So bleibt abzuwarten, wie die Hagelversicherungsbranche, die Landwirtschaft und die Agrarpolitik darauf reagieren werden.

83

Vgl. hierzu ausführlich Oberholzner u. a., Jahre (2004), S. 133–151. Dort auch speziell zur Weiterentwicklung der ‚Agro-Risk‘-Gruppe. 84 Vgl. Kapitel B.III.4.b). 85 Vgl. Plieninger/Bens/Hüttl, Landwirtschaft (2006), S. 26 f.

H. Resümee – Die deutsche Hagelversicherung als wirtschaftsgeschichtliches Forschungsthema Hagel  – eine Niederschlagsform, die für den Menschen des 21.  Jahrhunderts nichts Außergewöhnliches oder allenfalls ein Ärgernis ist, wenn beispielsweise Fensterscheiben zu Bruch gehen oder das Autodach nach einem Gewitter zahlreiche Dellen aufweist. Baut sich aber an einem schwülen Sommertag eine gewaltige Cumulonimbuswolke auf und sieht man darin Blitze zucken, ist erkennbar, welch gewaltige Naturkräfte hier am Werk sind. Auch die jahrhundertelange Interpretation als übernatürliches Phänomen ist angesichts des Naturschauspiels verständlich. Für die Landwirtschaft stellt ein Hagelunwetter heute noch ein gravierendes wirtschaftliches Risiko dar, dessen Entstehung selbst mit den Mitteln der modernen Meteorologie nicht verhindert werden kann. Als wirksame Anpassungsstra­ tegie zum effizienten Umgang mit den ökonomischen Folgen von Hagelschlägen hat sich der Abschluss eines Versicherungsvertrages erwiesen. Seit dem ‚Epochen­ jahr‘ 1800 ist die Hagelversicherungsbranche in Deutschland tätig. Deren Genese und Entwicklung nachzuzeichnen, war Ziel der vorliegenden Arbeit. Vom methodologischen bzw. methodischen Standpunkt aus betrachtet verdichtete sich in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass es zu kurz gedacht wäre, nur die eigentliche Geschichte der Branche bzw. ausgewählter Gesellschaften in den Fokus zu nehmen. Denn ohne die Berücksichtigung der vielfältigen Modernisierungsprozesse, welche in der Frühen Neuzeit zu einem tiefgreifendem gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel geführt hat, würde nur ein lückenhaftes Bild vorliegen. Die Studie versteht sich daher als wirtschaftshistorischer Beitrag zur Forschung, welcher fallweise durch kulturgeschichtliche Aspekte ergänzt wird. Für die Untersuchung des eigentlichen Versicherungsmarktes wurde auf das Theo­ rieangebot der NIÖ zurückgegriffen, deren Anwendung neue Erkenntnisse hinsichtlich der Marktunvollkommenheiten brachten, die insbesondere in den ersten Jahrzehnten der Branchengeschichte auftraten und in der bisherigen Forschung vernachlässigt wurden. Phänomene wie Vertrauen oder Innovationen konnten ebenso nachgewiesen werden wie die Bedeutung der Property Rights, die Senkung von Transaktionskosten sowie die Probleme, welche sich aus Informationsasymmetrien zwischen den beteiligten Akteuren ergaben. Zur Strukturierung wurde ein vier­ stufiges versicherungshistorisches Entwicklungsmodell verwendet, das in dieser Form bislang lediglich im anglo-amerikanischen Raum Anwendung gefunden hat. Ein Anliegen der Arbeit war es, einen Beitrag zur Erforschung von Naturkatastrophen in historischer Perspektive bzw. dem hiermit verbundenen Entstehen von

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langfristigen Anpassungsstrategien zu leisten. Da der Hagel in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung fand, wurde auf der Basis der aktuellen umwelthistorischen Diskussionen ein Definitionsvorschlag für Hagelschläge gegeben: Demnach handelt es sich bei Hagelschlägen generell um ein natürliches Extrem­ ereignis, welches bei Auftreten in der Lage ist, gravierende Schäden anzurichten, die ein – zumindest regional – katastrophales Ausmaß annehmen können. Der erste große Abschnitt der Arbeit hatte sich zum Ziel gesetzt, die Hintergründe für die Entstehung der Hagelversicherung zu analysieren. Hierbei wurden vier Phänomene identifiziert, welche die Branchengründung beeinflussten, womit gleichzeitig die vorhandene Literatur in großen Teilen ergänzt und korrigiert werden konnte. Erstens bewirkte eine veränderte Wahrnehmung des Hagels ein Überdenken bzw. Erweitern der bisherigen Bewältigungs- und Anpassungsstrategien. Speziell im konfessionellen Zeitalter galt der Hagel ähnlich wie andere natürliche Extremereignisse als Strafe Gottes, wogegen nur das Gebet eine sinnvolle Bewäl­ tigungsstrategie sei, um den Allmächtigen wieder zu besänftigen. Tragisch war in diesem Zusammenhang die Verbrennung von vermeintlichen Hexen, denen man oftmals das Entstehenlassen von Hagelstürmen vorwarf. Auch wurden in diesem Zusammenhang Probleme in Bezug auf die ausgewerteten Quellen diskutiert. Was den Verbreitungsgrad der Schriften betrifft, ging dieser über die Anzahl der lesekundigen Menschen wohl deutlich hinaus. Viele der Traktate waren ursprünglich als Predigten konzipiert, was zusätzlich deren mündliche Verbreitung gefördert haben dürfte. Mit der Revidierung von bestimmten philosophischen und theologischen Positionen war die soeben angesprochene fundamentale Position vom Hagel als Strafe Gottes nicht mehr haltbar. Die Physikotheologen versuchten, eine Aussöhnung zwischen Theologie und Naturwissenschaft zu erreichen. Dabei wurden auch neue Bewältigungsstrategien eingeführt, die auf den Schutz des eigenen Lebens abzielten und sich damit von der passiven Haltung der vorangegangenen Jahrzehnte deutlich unterschieden. Die Ironie der Entwicklung lag darin, dass zwar die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung der Physikotheologie anerkannt wurden, aber die religiöse Komponente – die Aufrechterhaltung der Vorstellung, dass Gott die Ursache aller natürlichen Prozesse ist – schon bald in Vergessenheit geriet. Wohl um die Mitte des 18.  Jahrhunderts dürften Hagelschläge überwiegend als ein weiteres natürliches Phänomen aufgefasst worden sein, das es zu erforschen galt. Allerdings kann nicht mit endgültiger Sicherheit eine Aussage dahingehend getroffen werden, inwieweit und zu welchem Zeitpunkt der Großteil der Menschen diesen Paradigmenwechsel nachvollzogen hat. Insgesamt deuten aber Anzeichen im Rahmen der Analyse darauf hin, dass die allmähliche Profanisierung des Hagels und das Verschwinden von magischanimistischen Motiven dazu beigetragen haben, dass eine neue bzw. langfristige Anpassungsstrategie in Form der Hagelversicherung entstanden ist. Im Übrigen sind übernatürliche Vorstellungen von Unwettern nicht völlig verschwunden, denn

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auch heute noch halten sich insbesondere in ländlichen Gegenden althergebrachte Bräuche zur Unwetterabwehr wie Prozessionen, womit ein weiteres anschauliches Beispiel für das ursprünglich von Wilhelm Pinder formulierte und dann von Ernst Bloch verbreitete Phänomen einer ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘ vorliegt. Eine zweite Ursache für die Entstehung des Hagelversicherungswesens stellt das Vorhandensein des generellen Versicherungsgedankens dar. Sicherheit an sich dürfte um 1700 für zahlreiche Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft einen gesellschaftlichen Normalzustand dargestellt haben, den man mit Hilfe der Institution Assekuranz zu erreichen versuchte. Ausdruck für dieses probalistische Denken bzw. die Funktionsfähigkeit des Versicherungskonzepts war die Institutionalisierung der Feuerversicherung in den Jahren um 1680/1700. Deren Verbreitung hatte zur Folge, dass die Assekuranz keine unbekannte Institution mehr war und ihre Nützlichkeit und Funktionsfähigkeit als individuelle bzw. kollektive Anpassungsstrategie bewiesen hatte. Zudem konnten sich die ersten Hagelversicherer in organisatorischer Hinsicht auf die Feuerassekuranz berufen. Der dritte Aspekt besteht in der Betonung der Hagelassekuranz als Mittel des frühneuzeitlichen Staates zur Förderung von dessen wirtschaftspolitischen Zielen. Aus diesem Grund sahen die Kameralisten die Idee der Hagelversicherung als weiteren logischen Schritt an, die Sicherheit im Agrarsektor zu erhöhen, da hiermit auch der Ertrag der bäuerlichen Arbeit geschützt werden könne. Neben diesen ökonomischen Aspekten sollte die Hagelassekuranz aber auch dazu dienen, die in­ dividuelle und kollektive Glückseligkeit zu erhöhen. Schließlich dürften viertens die langfristig günstige Entwicklung der Agrar­ konjunktur im Verlauf des 18. Jahrhunderts bzw. die parallel dazu eingeleiteten Reformmaßnahmen im Agrarsektor entscheidend zur Entstehung der Branche beigetragen haben. Da die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Grundherr und Bauer aufgrund der Reform der Agrarverfassung verschwanden – und damit auch die in diesem Zusammenhang vorhandenen Bewältigungsstrategien wie die Remissionen wegfielen –, mussten neue institutionelle Mittel und Wege zur Absicherung der Folgen eines Unwetters gefunden werden. Zudem wurden im Zuge der Reformen mit der Eigentumsverleihung von Grund und Boden an die Mehrheit der Bauern Voraussetzungen geschaffen, dass diese als selbständige wirtschaftliche Akteure tätig werden konnten. Diese Stärkung der Property Rights verlangte ebenfalls danach, den neu erworbenen Besitz vor jedweden Risiken abzusichern. Der zweite große Abschnitt der Arbeit begann um das ‚Epochenjahr‘ 1800 und nahm dann die Entstehung und Weiterentwicklung der Institution Hagelversicherung in den Blick, wobei zunächst die Ereignisse schwerpunktmäßig in Norddeutschland bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs untersucht wurden. Nach letztendlich erfolglosen Versuchen in Bayreuth oder Württemberg entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit der ‚Braunschweigischen Hagel‘ das erste für eine längere Zeit tätige Unternehmen, womit die eigentliche Branchengeschichte

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begonnen hatte. Mit der Hagelversicherung schuf man speziell für den Agrar­ bereich eine neuartige Einrichtung, die einen weiteren Knoten des Institutionennetzwerks bildete, welches die im 19. Jahrhundert einsetzende institutionelle Revolu­tion verkörperte. Zwar waren Versicherungen wie gesehen an sich nichts Ungewöhnliches mehr, sie kamen aber bis dato im Agrarbereich nicht zum Einsatz, weshalb es gemäß dem Schumpeterschen Innovationskonzept angemessen ist, die Hagelversicherung als Innovation zu bezeichnen. Konkret stellt sie eine so genannte sekundäre Produktinnovation dar, da das versicherte Risiko zwar bereits existierte, nun aber erstmals ein Versicherungsschutz angeboten wurde. Das Faszinierende an der Entwicklung in den ersten 100 Jahren Branchengeschichte bestand in der Erkenntnis, dass vergleichbar zu anderen Phänomenen der deutschen Geschichte auch im Fall der Hagelversicherung entscheidende Prozesse bereits im 18. Jahrhundert begannen und ungefähr bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs ihren Abschluss gefunden haben. Insofern propagiert die vorliegende Studie, dass es angebracht ist, von einem ‚langen 19. Jahrhundert der deutschen Hagelversicherung‘ zu sprechen. In den ersten Jahrzehnten nach 1800 konnte die für diese Phase modell­typische Befriedigung der dringendsten Sicherheitsbedürfnisse bzw. die Produktion von Sicherheit nachgewiesen werden. Allerdings trat schon in dieser Zeit mit der Verbandsversicherung der ‚Leipziger Hagel‘ interessanterweise eine erste Produkt­ innovation auf. Im Rahmen dieses bis ungefähr 1853 dauernden Abschnitts der Branchengeschichte wurde der Gründungsprozess einer Reihe von Gesellschaften untersucht, welche fast ausschließlich in Norddeutschland entstanden. Neben der geringeren Hagelgefährdung dürfte hierfür insbesondere die dortige Besitzstruktur aufgrund der Anerbensitte sowie die Kapitalkraft der beteiligten Personen – meist Rittergutsbesitzer – verantwortlich gewesen sein. Heterogene Gründe waren für die Etablierung der verschiedenen Unternehmen verantwortlich: Hierzu zählen neben einer Veränderung der Property Rights bzw. konkret der Pachtbedingungen für die Domänenbesitzer (wie im Fall der ‚Mecklenburgischen Hagel‘) auch Anlage- und Renditeziele (wie bei der ‚Berliner Hagel‘) oder persönliche Animositäten, welche sich in der Nichtberücksichtigung bei der Ämtervergabe zeigten (‚Schwedter Hagel‘). Die in diesem Zusammenhang aufgetretenen vielfältigen Prozesse und Schwierigkeiten  – seien es die erwähnten zwischenmenschlichen Probleme, die zur Abspaltung einer Reihe von Unternehmen von der ‚Mecklenburgischen‘ geführt hat oder das mitunter nicht nachvollziehbare Handeln der preußischen Behörden, was eine doppelte Gründung der ‚Berliner Hagel‘ erforderlich machte – wurden erstmals ausführlich unter Zuhilfenahme von bislang nicht ausgewertetem Quellenmaterial diskutiert. Überhaupt waren es bis auf die ‚Berliner Hagel‘ ohne Ausnahme die regional tätigen Gegenseitigkeitsvereine, welche die ersten Branchenjahre prägten und im Zuge tastender Versuche an der Weiterentwicklung des neuen Versicherungsproduktes arbeiteten. Dass hierbei zunächst Fehler auftraten, die größtenteils auf die

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mangelnde Erfahrung zurückzuführen waren bzw. sich nur langsam Lernprozesse eingestellt haben, überrascht kaum. Zudem verhinderte das überschaubare Geschäftsgebiet vieler Unternehmen einen funktionierenden Risikoausgleich. Des Weiteren konnten in den ersten Jahrzehnten typische Beispiele für Unvoll­ kommenheiten auf Versicherungsmärkten identifiziert werden, die sich größtenteils als Folge der unterschiedlichen Informationsausstattung ergaben. Dabei traten Probleme der Adversen Selektion und des Moralischen Risikos ebenso auf wie die Erkenntnis, dass der Aufbau von Vertrauen einen langfristigen Prozess darstellt, was zu Beginn der Entwicklung gänzlich scheiterte. Verantwortlich waren die falschen Prämienkalkulationen, wodurch viele Gesellschaften eine mangelhafte Ausstattung mit finanziellen Mitteln aufwiesen. Im Schadensfall versagte dann das System und die Ansprüche der Kunden konnten nicht befriedigt werden. Das Misstrauen gegenüber der Hagelversicherung zeigte sich in dramatischen Einbrüchen der Versichertenzahlen bei zahlreichen Unternehmen, da die Landwirte bei der erstmöglichen Gelegenheit ihre Verträge kündigten. Dies verschlimmerte dann wiederum die ohnehin schon angespannte Lage für die einzelnen Hagelversicherer. Daneben krankten etliche der Versicherungsvereine an ihrem zu kleinen Geschäftsgebiet, was zu einer Konzentration von zu vielen schlechten Risiken geführt hat. Im Schadensfall hatten abermals die Kunden das Nachsehen. Nach diesen stürmischen und mitunter chaotischen Zeiten wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend Prozessinnovationen entwickelt, was versicherungstechnische Verbesserungen zur Folge hatte. Im vorliegenden Fall konnte dies für die Jahre zwischen 1853 und ungefähr 1870 nachgewiesen werden. Hierfür verantwortlich war der Markteintritt von neuen Anbietern, den Hagelversicherungsaktiengesellschaften. Diese besaßen als Tochterunternehmen diverser Feuerver­ sicherungskonzerne eine Reihe von Vorteilen. Hierzu zählte beispielsweise das vorhandene Netz von Agenten, die  – was nicht zu unterschätzen ist  – aufgrund ihrer bisherigen Akquisekontakte für die Feuerversicherung möglicherweise bereits eine persönliche Vertrauensbeziehung mit vielen Landwirten aufgebaut hatten. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass dadurch der Absatz von Hagelversicherungsprodukten leichter fiel. Parallel dazu war die Erzielung von Synergieeffekten durch die Nutzung der vorhandenen Vertriebsstrukturen möglich. Die Weiterentwicklung der Hagelversicherungstechnik zeigte sich in prozessualen Neuerungen wie der Einführung des Festbeitragssystems und dem damit verbundenen Ver­ zicht auf die Nachschusserhebung. Alles in Allem ist davon auszugehen, dass aufgrund von Verbesserungen in der Versicherungstechnik bzw. der Reputation und Finanzkraft der im Hintergrund stehenden Mutterkonzerne die Landwirte den Hagelversicherungsaktiengesellschaften schon bald Vertrauen entgegengebracht haben. Die Verlierer dieser Entwicklung waren die Gegenseitigkeitsvereine, die aufgrund ihrer geringen Größe und Kapitalausstattung sowie ihren organisatorischen Mängeln kontinuierlich an Marktanteilen verloren.

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H. Resümee

Im nächsten Abschnitt der Branchengeschichte, welche die Zeit von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs umfasste, traten neben der kontinuierlichen Diffusion der Hagelversicherung weitere institutionelle Verbes­ serungen auf. Ereignisgeschichtlich am bedeutendsten war die Rückgewinnung von Marktanteilen durch die Gegenseitigkeitsvereine, was durch die Gründung der ‚Norddeutschen Hagel‘ initiiert wurde. Das neue Unternehmen adaptierte erfolgreich Prinzipien der Kapitalgesellschaften (u. a. eine konsequente Expansionspolitik) und kombinierte diese mit Charakteristika der Versicherungsvereine (beispielsweise die Mitbestimmungsrechte der Kunden). Der rasche geschäftliche Erfolg und der Reputationsgewinn auf Kundenseite gab dem Modell Recht. Innovative Produkte wie die Einführung der Gemeindeversicherung dürften für eine spürbare Senkung von Transaktionskosten sowohl auf Kunden- als auch auf Unternehmensseite geführt haben. Im Übrigen konnten im Zuge des Erfolgs der ‚Norddeutschen‘ auch die anderen Gegenseitigkeitsvereine Marktanteile zurückgewinnen. Auffällig in diesen Jahren war aber eine Verschärfung des Wettbewerbs zwischen beiden Rechtsformen. Auch kam die Branche in diesen Jahren erstmals mit der großen Politik in Berührung. Die Polemik, mit der Reichskanzler Bismarck die Hagelversicherung – wohl aus persönlichen Gründen – abkanzelte, überrascht zunächst doch. Gleichzeitig sind die Äußerungen im größeren Kontext der allgemeinen Diskussionen um die Institution Versicherung zu lesen, in deren Rahmen Männer wie Adolph Wagner die Verstaatlichung des gesamten Assekuranzwesens forderten. Zudem wurde ausführlich die Rolle von Carl Thieme im Zusammenhang mit der Hagelversicherung diskutiert: Hätte sich Thieme weiterhin auf diese Versicherungssparte konzentriert, wäre die Geschichte der deutschen Rückversicherung möglicherweise anders verlaufen. Am Ende des Kaiserreichs stand  – zumindest mit den diskutierten Einschränkungen  – der Durchbruch hin zu einem Massenmarkt für die Hagelversicherung. In einem Exkurs wurde danach die Entwicklung in Süddeutschland analysiert. Obwohl von vielen Rahmenbedingungen ähnliche Voraussetzungen herrschten – man denke nur an die große Hagelgefährdung und eine vergleichbare Agrarverfassung – fanden sich in den untersuchten Ländern Bayern, Baden und Württemberg unterschiedliche Lösungen für das jeweilige Hagelversicherungsproblem. Im Königreich Bayern war es die neu gegründete staatseigene Hagelversicherungs­ anstalt, welche ab 1884 den Landwirten einen funktionierenden und erschwinglichen Hagelversicherungsschutz zur Verfügung stellen konnte. Davor war ähnlich wie in Norddeutschland der bayerische Hagelversicherungsmarkt – verkörpert durch die Arbeit des ‚Hagel-Assekuranz-Vereins‘  – durch eine Reihe von Pro­ blemen gekennzeichnet. Organisatorische Fehler und mangelnde Kapitalkraft führten dazu, dass das Misstrauen auf Seiten der Landwirte wuchs und die Versicherungsnahme stagnierte bzw. zurückging. Aufgrund der zunehmend eskalierenden Situation sah sich schließlich die Regierung zum Eingreifen gezwungen. Die neu gegründete ‚Landes-Hagel-Versicherungsanstalt‘ konnte von der engen

H. Resümee

365

organisatorischen Anbindung an die existierende Brandversicherung profitieren, die bereits das Vertrauen der Kunden genoss. Vertrauensbildend erwies sich aber höchstwahrscheinlich auch die aktive Rolle des Staates, verkörpert durch die regelmäßigen Subventionszahlungen. Daher war es mit Hilfe dieses Konstruktes möglich, die in Bayern aufgetretenen Schwierigkeiten in Bezug auf die Hagelversicherung bald zu überwinden. Allerdings gab es in den Nachbarländern Baden und Württemberg weder eine vergleichbare staatliche Einrichtung wie die bayerische Brandversicherung noch Mittel, ein solches Unternehmen ins Leben zu rufen. Insofern musste eine andere Lösung der Hagelversicherungsfrage gefunden werden. Diese bestand im Schul­ terschluss mit der Privatwirtschaft, ausgedrückt durch den Abschluss von Staatsverträgen mit der ‚Norddeutschen Hagel‘. Kernstück der beiden Vereinbarungen war die Subventionierung der über das normale Ausmaß hinausgehenden Verpflichtungen aus dem Versicherungsgeschäft, was in der Praxis durch die Gründung einer Reihe von Reservefonds gehandhabt wurde. Die Kritik, die sich daran aus unterschiedlichen Richtungen – und hierbei insbesondere von den norddeutschen Landwirten, die sich gegen eine scheinbare Subventionierung ihre Standeskollegen in Süddeutschland wehrten – äußerte, konnte durch Nachverhandlungen mit Baden und Württemberg größtenteils entkräftet werden, so dass die Staats­ verträge in ihren Grundzügen bis heute in Kraft sind. Danach kehrte die Studie wieder zu einer chronologischen Darstellung zurück und widmete sich der Branchengeschichte ab Eintritt in den Massenmarkt. Auffällig war dabei, dass die versicherungsinternen Probleme (weitgehend)  bewältigt waren und die Hagelversicherung neben immer wieder auftretenden schweren Unwettern insbesondere von externen Aspekten wie der Geldentwertung oder dem Verlust von Geschäftsgebiet betroffen war. Konkret sahen sich 1918 viele Gesellschaften vor einer ungewissen Zukunft. Neben der Gefahr der Verstaatlichung führten die Inflation und die damit verbundene Vernichtung der finanziellen Reserven mitunter zu waghalsigen Taten. Am spektakulärsten war in diesem Zusammenhang die Gründung der ‚neuen Norddeutschen Hagel‘ durch den frisch installierten Generaldirektor Walter Rohrbeck, welche der Kern eines umfassenden Versicherungskonzerns sein sollte. Gescheitert war die Idee schließlich v. a. an Rohrbecks Unvermögen, auf die Gefühle der Mitarbeiter und deren Stolz auf die Tradition ‚ihres‘ Unternehmens einzugehen. Zudem bekam die Branche die Auswirkungen der Agrarkrise zu spüren, die in den letzten Jahren der Weimarer Republik auftrat. Während des Nationalsozialismus kam auch die Hagelversicherung mit dem Regime und dessen ideologischen Auswüchsen in Berührung. Zwar sind die Taten der Branche nicht mit denen anderer Wirtschaftszweige – und hier nicht zuletzt der Lebensversicherung – zu vergleichen. Etliche Aspekte wie die Neubesetzung von Aufsichtsräten, die unmittelbare Aufnahme der Geschäftstätigkeit in den von Deutschland besetzten Gebieten oder die Verleihung des Titels eines national­

366

H. Resümee

sozialistischen Musterbetriebs an die ‚Ceres‘ zeigen aber, dass Verstrickungen mit dem Regime vorhanden waren bzw. aus Gründen des geschäftlichen Erfolges forciert wurden. Wehren musste man sich während der NS-Zeit abermals gegen Verstaatlichungstendenzen, wobei wohl nur die sich abzeichnende militärische Katastrophe dies verhindert haben dürfte. Nach der Kapitulation sahen sich die in den Westzonen verbliebenen Hagelversicherer erneut großen Herausforderung gegenüber. Mit dem Verlust der Agrargebiete in Mittel- und Ostdeutschland verlor man bedeutende Teile des Kundenstamms und es kam zu einer Verschlechterung der Risikosituation, da die süddeutschen Regionen nun einen prozentual höheren Anteil am gesamten Versicherungsbestand einnahmen. Erst nach der Wiedervereinigung konnte man in diesen Gegenden wieder tätig werden. Viele Unternehmen verlegten ihren Sitz in die Westzonen und etliche Versicherer suchten den Zusammenschluss mit anderen Gesellschaften, was teils freiwillig wie im Fall der ‚Greifswalder‘, der ‚Schwedter‘ und der ‚Mecklenburgischen‘, teils unfreiwillig wie bei der Auflösung der ‚Ceres‘ und die Übernahme der Bestände durch die ‚Leipziger‘, erfolgte. Mit Eintritt in die ökonomische Boomphase der Bundesrepublik stellte sich für die Hagelversicherung die Aufgabe, die Auswirkungen des Strukturwandels im Agrarbereich sowie die Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik zu bewältigen. Weitere Fusionen sorgten für eine Marktkonsolidierung, wobei in diesem Zusammenhang der bedeutendste Zusammenschluss die Entstehung der ‚Vereinigten Hagelversicherung‘ aus ‚Norddeutscher‘ und ‚Leipziger‘ war. Die Herausforderungen, die sich für die Branche in Zukunft ergeben werden, dürften angesichts des Klimawandels und der Liberalisierung der Agrarmärkte eher noch zunehmen. Wie die deutsche Hagelversicherung darauf reagieren wird, bleibt abzuwarten. Spannend dürfte die Entwicklung allemal werden.

Anhang  Anhang 1: Branche Tabelle 10 Geschäftszahlen der deutschen Hagelversicherungsbranche 1870–2000 Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1870

919.902.000

9.133.000

7.130.000

1871

1.011.852.000

10.199.000

9.206.000

1872

1.232.804.000

13.096.000

13.646.000

1873

1.269.064.000

14.267.000

12.824.000

1874

1.275.417.000

13.437.000

7.347.000

1875

1.274.294.000

11.735.000

15.350.000

1876

1.233.515.000

10.982.000

5.410.000

1877

1.339.931.000

13.241.000

10.557.000

1878

1.344.342.000

11.172.000

5.539.000

1879

1.364.467.000

1880

18.135.000

24.652.000

1881

1.603.713.000

14.685.000

12.611.000

1882

1.797.406.000

18.179.000

15.065.000

1883

1.725.771.000

16.100.000

10.474.000

1884

1.783.630.000

21.229.000

22.040.000

1885

1.584.520.000

18.814.000

16.774.000

1886

1.708.498.000

16.946.000

12.338.000

1887

1.759.263.000

17.273.000

10.174.000

1888

1.737.064.000

14.748.000

6.622.000

1889

1.891.973.000

20.197.000

18.256.000

1890

2.169.855.000

21.824.000

17.329.000

1891

2.175.476.000

28.603.000

27.716.000

1892

2.330.722.000

20.641.000

13.520.000

1893

2.264.205.000

19.457.000

8.721.000

1894

2.285.078.000

21.840.000

14.377.000

1895

2.241.820.000

20.295.000

14.202.000

1896

2.343.451.000

25.311.000

22.813.000

368

Anhang  

Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1897

2.438.096.000

24.232.000

18.934.000

1898

2.681.968.000

28.002.000

24.085.000

1899

2.638.929.000

26.889.000

20.919.000

1900

2.622.768.000

26.481.000

20.594.000

1901

2.596.702.000

27.510.000

20.533.000

1902

2.806.231.000

30.666.000

27.147.000

1903

2.797.338.000

29.979.000

23.402.000

1904

2.831.617.000

27.228.000

18.028.000

1905

2.900.425.000

42.048.000

43.044.000

1906

3.032.947.000

45.507.000

40.880.000

1907

3.085.824.000

43.812.000

39.768.000

1908

3.215.489.000

54.229.000

54.084.000

1909

3.108.902.000

33.995.000

18.387.000

1910

3.302.730.000

54.203.000

48.296.000

1911

3.129.033.000

35.736.000

20.937.000

1912

3.550.778.000

46.587.000

35.080.000

1913

3.590.583.000

39.611.000

25.482.000

1914

3.676.187.000

47.081.000

33.706.000

1915

4.081.666.000

40.551.000

25.356.000

1916

4.541.308.000

58.345.000

42.258.000

1917

4.555.978.000

62.713.000

52.125.000

1918

4.936.616.000

52.893.000

35.186.000

1919

5.351.025.000

66.337.000

43.877.000

1920

11.488.052.000

158.386.000

115.030.000

1921

17.312.911.000

178.462.000

115.391.000

18.432.000

16.714.000

1922 1923 1924 1925

30.688.000

22.272.000

1926

2.437.646.000

35.863.000

50.771.000

1927

3.014.084.000

56.573.000

28.183.000

1928

3.979.087.000

50.093.000

48.004.000

1929

3.016.274.000

68.068.000

23.660.000

1930

2.805.455.000

41.377.000

42.510.000

1931

2.715.368.000

56.655.000

18.997.000

1932

2.410.968.000

34.709.000

12.754.000

1933

2.212.436.000

27.381.000

9.527.000

369

Anhang 1: Branche Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1934

2.162.874.000

22.833.000

15.593.000

1935

2.299.996.000

33.012.000

22.399.000

1936

2.437.385.000

40.556.000

23.297.000

1937

31.059.000

18.883.000

1938

27.719.000

36.176.000

1939

42.295.000

23.968.000

1940

37.091.000

1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949

35.000.000

1950

33.000.000

1951

41.000.000

1952

35.000.000

1953

46.000.000

1954

45.000.000

1955

46.000.000

1956

51.000.000

1957

51.000.000

1958

54.000.000

1959

53.000.000

1960

57.000.000

1961

56.000.000

1962

54.000.000

1963

57.000.000

1964

56.000.000

1965

59.000.000

1966

65.000.000

1967

74.000.000

1968

86.000.000

1969

81.000.000

1970

84.000.000

370 Jahr

Anhang   Versicherungssumme*

Beiträge*

1971

86.000.000

1972

98.000.000

1973

94.000.000

1974

97.000.000

1975

109.000.000

1976

114.100.000

1977

123.100.000

1978

134.200.000

1979

142.000.000

1980

152.300.000

1981

155.500.000

1982

175.900.000

1983

186.300.000

1984

194.200.000

1985

202.200.000

1986

214.700.000

1987

224.500.000

1988

221.000.000

1989

220.600.000

1990

236.400.000

1991

238.600.000

1992

223.500.000

1993

210.200.000

1994

244.200.000

1995

252.300.000

1996

239.100.000

1997

238.000.000

1998

240.000.000

1999

233.800.000

2000

231.100.000

Schadenssumme*

* Die Zahlen stammen aus Borscheid und Drees, Versicherungsstatistik (1988), S. 331–333 und wurden durch statistische Angaben des GDV ergänzt. Aufgrund der starken Schwankungen der Beträge wurde die Y-Achse bei allen Abbildungen im Anhang dieser Arbeit logarithmiert. Die Angaben in der Tabelle setzen sich wie folgt zusammen: Bis 1921 ist die Versicherungssumme in Mark und bis 1936 in Reichsmark angegeben. Die Beiträge sind bis 1921 in Mark und bis 1940 in Reichsmark aufgeführt, ab 1949 in DM. Die Schadenssumme ist bis 1921 in Mark und bis 1939 in Reichsmark angegeben.

371

Anhang 2: Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt Versicherungssummen

Beiträge

Schaden

10000 1000 100 10

1870 1874 1878 1882 1886 1890 1894 1898 1902 1906 1910 1914 1918 1922 1926 1930 1934 1938 1942 1946 1950 1954 1958 1962 1966 1970 1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998

1

Abbildung 1: Schwankungen der Versicherungssumme, der Beiträge und der Schadenssumme der deutschen Hagelversicherungsbranche 1870–2000 (Indexdarstellung)

Anhang 2: Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt Tabelle 11 Geschäftszahlen der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt 1884–1983 Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1884

11.000

141.986

74.289

1885

20.000

238.066

270.535

1886

33.000

388.673

414.280

1887

42.000

542.268

189.086

1888

43.000

540.819

560.657

1889

50.000

619.131

682.647

1890

85.000

999.253

1.003.739

1891

95.000

1.107.567

1.438.146

1892

109.000

1.388.654

1.435.189

1893

114.000

1.121.695

683.408

1894

130.000

1.644.804

1.631.003

1895

139.000

1.667.792

1.453.694

1896

149.000

1.809.564

2.325.244

1897

163.000

2.016.691

2.339.804

1898

176.000

2.204.054

2.316.903

372 Jahr

Anhang   Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1899

186.000

2.271.757

960.406

1900

195.000

2.474.605

3.486.019

1901

205.000

2.684.068

2.768.910

1902

216.000

2.822.789

3.261.410

1903

223.000

3.085.397

3.886.556

1904

232.000

3.683.818

1.309.234

1905

230.000

3.764.668

3.083.486

1906

231.000

3.849.561

3.593.425

1907

236.000

3.887.865

3.782.837

1908

255.000

4.135.000

6.380.000

1909

268.000

4.721.970

3.202.746

1910

273.000

4.873.270

3.864.521

1911

276.000

4.856.681

3.040.781

1912

283.000

4.689.982

2.364.081

1913

281.000

4.416.929

4.158.334

1914

318.000

5.053.461

3.746.365

1915

311.000

4.528.266

3.173.472

1916

344.000

5.009.847

4.404.840

1917

356.000

5.171.266

7.347.646

1918

393.000

6.592.704

3.735.740

1919

415.000

6.301.701

7.017.710

1920

846.000

12.847.445

9.188.969

1921

1.227.000

20.137.512

22.375.364

1924

195.000

4.338.290

4.443.613

1925

242.000

4.413.254

3.495.563

1926

222.000

7.664.190

6.496.323

1927

177.000

6.026.146

5.160.914

1928

158.000

3.184.516

5.872.293

1929

170.000

4.154.060

14.265.603

1930

193.000

4.351.066

3.333.245

1931

200.000

4.680.321

3.596.021

1932

190.000

4.485.616

1.507.903

1933

191.000

4.494.984

1.536.950

1934

187.000

4.310.870

953.130

1935

194.000

4.373.591

2.747.316

1922 1923

373

Anhang 2: Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1936

202.000

4.476.606

3.003.197

1937

207.000

4.561.873

4.286.241

1938

226.000

4.952.006

2.841.013

1939

229.000

4.982.595

6.186.008

1940

231.000

5.007.893

5.321.860

1941

243.000

5.333.711

4.601.553

1942

247.000

5.456.694

8.850.933

1943

270.000

6.223.537

3.912.554

1944

262.000

6.132.824

3.991.113

1945

262.000

6.077.080

7.596.236

1946

262.000

6.053.021

5.558.486

1947

256.000

6.009.648

2.824.850

1948

262.000

4.254.567

2.299.104

1949

250.000

5.806.499

1.950.415

1950

256.000

5.694.077

6.819.381

1951

330.000

7.353.909

9.296.542

1952

503.000

10.861.873

2.099.820

1953

483.000

11.964.385

16.613.409

1954

505.000

12.255.342

4.259.535

1955

522.000

12.293.743

4.821.688

1956

535.000

12.183.957

11.625.266

1957

540.000

12.180.211

12.433.573

1958

550.000

12.394.132

19.822.445

1959

570.000

15.324.808

8.036.393

1960

575.000

14.909.756

7.607.797

1961

597.000

15.021.603

8.048.452

1962

601.000

14.757.419

7.622.144

1963

611.000

14.522.054

14.257.545

1964

644.000

15.356.270

4.634.962

1965

661.000

15.514.498

12.514.342

1966

674.000

15.780.223

11.846.550

1967

686.000

16.079.842

27.363.762

1968

729.000

17.462.966

19.477.029

1969

769.000

18.305.908

9.897.271

1970

799.000

18.790.850

18.047.158

1971

850.000

20.523.286

13.556.764

1972

910.000

22.403.457

18.216.035

374

Anhang  

Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1973

961.000

24.166.447

4.110.474

1974

993.000

24.486.546

17.542.304

1975

1.035.000

27.080.763

27.239.575

1976

1.125.000

28.450.838

12.607.307

1977

1.195.000

29.113.931

16.253.011

1978

1.300.000

30.454.842

18.390.712

1979

1.379.000

31.291.188

30.598.356

1980

1.643.000

35.801.900

10.767.386

1981

1.806.000

37.319.921

71.755.095

1982

1.922.000

42.523.664

40.033.841

1983

2.074.000

45.287.000

34.328.000

* Die Zahlen stammen aus Bayerische Versicherungskammer, Denkschrift (1984), S. 80–83. Die Angaben in der Tabelle setzen sich wie folgt zusammen: Für Versicherungssumme, Beiträge und Schadenssumme sind die Werte jeweils bis 1921 in Mark, bis 1948 in Reichsmark und bis 1983 in D-Mark angegeben. Versicherungssumme

Beiträge

Schaden

100000 10000

1000

100 10

1884 1887 1890 1893 1896 1899 1902 1905 1908 1911 1914 1917 1920 1923 1926 1929 1932 1935 1938 1941 1944 1947 1950 1953 1956 1959 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983

1

Abbildung 2: Schwankungen der Versicherungssumme, der Beiträge und der Schadenssumme der Bayerischen Landeshagelversicherungsanstalt 1884–1983 (Indexdarstellung)

375

Anhang 3: Norddeutsche Hagel

Anhang 3: Norddeutsche Hagel Tabelle 12 Geschäftszahlen der Norddeutschen Hagel bzw. Vereinigten Hagel 1869–2001

Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1869

13.568.715

96.394

79.482

1870

42.652.620

310.618

174.957

1871

79.834.890

581.515

709.827

1872

105.716.049

783.694

1.043.982

1873

126.811.872

937.812

1.432.248

1874

133.726.272

979.794

694.182 1.197.423

1875

166.825.717

1.366.808

1876

182.379.907

1.423.883

725.937

1877

223.693.616

1.740.592

1.576.528

1878

232.957.985

1.762.620

896.697

1879

264.300.555

1.919.123

1.065.143

1880

302.126.552

2.175.927

4.166.160

1881

335.583.629

2.401.058

2.158.897

1882

391.448.538

2.890.289

2.956.947

1883

372.994.253

2.841.021

2.672.221

1884

395.529.326

2.997.203

4.984.970

1885

391.014.556

3.033.358

4.612.053

1886

403.779.150

2.989.546

3.096.627

1887

429.441.949

3.094.773

2.445.607

1888

450.182.473

3.160.374

1.683.651

1889

508.054.124

3.410.083

4.823.599

1890

568.752.420

3.788.008

3.736.445

1891

582.928.375

3.834.338

8.267.225

1892

601.558.404

3.916.752

4.011.899

1893

595.798.409

3.813.459

2.473.829

1894

605.857.942

3.103.760

1895

608.591.009

3.969.438

1896

654.506.378

6.140.156

1897

679.730.490

6.164.743

1898

756.029.535

7.133.599

1899

741.801.230

5.656.304

1900

748.148.253

5.636.971

376 Jahr

Anhang   Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1901

755.661.333

6.452.460

1902

816.844.292

8.479.479

1903

828.491.953

8.257.436

1904

827.920.752

6.128.878

1905

843.696.877

14.128.976

1906

855.590.890

14.155.045

1907

861.805.452

12.386.459

1908

903.218.273

15.027.585

1909

896.992.500

5.529.669

1910

954.253.466

16.462.727

1911

967.087.608

6.770.869 12.757.122

1912

1.040.706.434

1913

1.060.217.085

7.163.410

1914

1.080.130.623

10.935.700

1915

1.230.429.990

7.181.250

1916

1.413.488.501

13.403.229

1917

1.478.564.777

17.623.531

1918

1.649.342.413

9.839.782

1919

1.763.425.982

13.480.950

1920

41.291.255

1921

59.988.071

1922 1923 1924

264.396.561

3.307.714

1925

780.359.239

7.614.630

1926

817.199.946

11.366.293

1927

911.991.667

22.235.650

1928

936.567.369

14.210.331

1929

956.598.416

26.471.144

1930

873.096.456

11.573.102

1931

843.187.628

19.413.532

1932

854.475.414

7.960.513

1933

786.695.416

5.198.960

1934

763.285.269

4.446.048

1935

818.668.160

6.627.402

1936

866.687.146

9.484.516

1937

897.835.415

9.433.998

377

Anhang 3: Norddeutsche Hagel Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1938

953.297.199

6.650.764

1939

1.013.436.136

16.030.577

1940

1.071.348.360

12.209.514

1941

1.137.113.193

9.998.155

1942

1.119.813.136

12.541.905

1943

1.201.964.863

8.921.783

1944

1.182.928.086

11.386.520

1945

538.832.285

11.641.827

1946

519.372.707

8.329.622

1947

535.044.270

4.585.513

1948

562.544.156

6.676.501

1949

540.298.722

1950

589.610.506

1951

760.615.001

1952

884.417.233

1953

930.977.473

1954

948.962.740

1955

996.680.403

1956

1.056.909.606

1957

1.085.883.767

1958

1.124.228.928

1959

1.152.850.959

1960

1.191.591.247

1961

1.228.281.584

1962

1.278.347.161

1963

1.339.576.657

1964

1.422.078.664

1965

1.523.220.602

1966

1.579.136.948

1967

1.650.476.804

1968

1.718.581.622

1969

1.764.048.400

1970

1.817.907.240

1971

1.916.378.200

1972

2.069.199.600

1973

2.178.721.820

1974

2.296.755.000

378 Jahr

Anhang   Versicherungssumme*

1975

2.464.347.000

1976

2.702.149.000

1977

2.942.640.000

1978

3.197.057.000

1979

3.455.374.000

1980

3.756.464.000

1981

4.036.193.000

1982

4.330.125.000

1983

4.581.707.000

1984

4.826.522.000

1985

4.980.888.000

1986

5.243.176.000

1987

5.363.888.000

1988

5.398.704.000

1989

5.532.414.000

1990

6.421.734.000

1991

8.056.195.000

1992

7.921.449.000

1993

8.821.184.000

1994

8.925.381.000

1995

8.363.000.000

1996

8.541.000.000

1997

8.877.000.000

1998

9.074.000.000

1999

8.918.000.000

2000

9.048.000.000

2001

9.180.000.000

Beiträge*

Schadenssumme*

* Die Zahlen stammen aus Gruner, Festschrift (1895), S. 31–38, Neue, Jahre (1949), Anlage III, S. 1–3 und wurden ab 1949 durch Auswertung der jeweiligen Geschäftsberichte ergänzt. Die Angaben in der Tabelle setzen sich wie folgt zusammen: Die Versicherungssumme ist bis 1919 in Mark, bis 1948 in Reichsmark und bis 2001 in D-Mark (Norddeutsche bzw. Vereinigte) angegeben. Die Beiträge sind bis 1893 in Mark angegeben. Die Schadenssumme ist bis 1921 in Mark und bis 1948 in Reichsmark aufgeführt.

379

Anhang 4: Leipziger Hagel Versicherungssumme

Schaden

Versicherungssumme der Vereinigten Hagel

100000

10000

1000

100

1

1869 1872 1875 1878 1881 1884 1887 1890 1893 1896 1899 1902 1905 1908 1911 1914 1917 1920 1923 1926 1929 1932 1935 1938 1941 1944 1947 1950 1953 1956 1959 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001

10

Abbildung 3: Schwankungen der Versicherungssumme und Beiträge der Norddeutschen Hagel bzw. Vereinigten Hagel 1869–2001 (Indexdarstellung)

Anhang 4: Leipziger Hagel Tabelle 13 Geschäftszahlen der Leipziger Hagel 1874–1992 Jahr

Versicherungssumme*

Schadenssumme*

1874

27.461.130

146.375

1875

27.166.360

226.455

1876

27.863.620

204.702

1877

29.573.200

146.790

1878

30.957.320

164.490

1879

31.214.080

254.536

1880

35.507.030

727.614

1881

39.184.880

572.472

1882

40.348.750

390.968

1883

34.495.530

251.787

1884

36.608.500

738.535

1885

32.623.230

369.812

1886

40.078.000

433.504

1887

41.440.810

275.516

380

Anhang   1888

46.066.000

146.701

1889

51.146.290

672.206

1890

51.150.900

475.465

1891

49.493.510

857.833

1892

47.560.860

259.484

1893

45.308.280

253.733

1894

48.084.220

299.319

1895

43.074.180

447.844

1896

43.125.300

490.410

1897

41.390.140

270.734

1898

42.166.330

369.845

1899

40.141.350

295.923

1900

41.114.980

314.257

1901

40.392.920

363.676

1902

41.736.170

341.314

1903

42.318.640

261.286

1904

41.940.400

179.866

1905

44.524.710

643.223

1906

50.291.590

666.228

1907

60.160.610

833.783

1908

76.702.510

1.440.488

1909

89.633.280

482.499

1910

104.034.360

1.657.226

1911

106.031.430

583.825

1912

124.215.220

1.434.656

1913

133.672.770

743.505

1914

143.442.060

1.401.898

1915

165.094.483

933.016

1916

181.066.630

1.543.949

1917

190.102.658

1.815.459

1918

215.733.220

1.735.839

1919

231.854.730

2.024.933

1920

530.572.120

5.229.824

1921

922.787.000

7.159.925

1924

95.423.020

1.357.802

1925

134.632.070

1.274.820

1922 1923

381

Anhang 4: Leipziger Hagel 1926

129.832.730

1.700.326

1927

145.268.420

3.892.973

1928

147.212.380

1.352.617

1929

151.423.450

2.462.611

1930

147.101.370

1.057.727

1931

142.879.890

4.164.236

1932

114.394.320

1.719.475

1933

106.008.900

926.883

1934

103.193.890

412.529

1935

110.232.560

1.113.086

1936

120.407.880

1.375.479

1937

125.449.670

1.033.897

1938

142.253.200

1.189.766

1939

166.577.040

2.734.021

1940

163.391.510

1.581.145

1941 1942 1943 1944 1945 1946

50.950.990

1947

52.043.360

1948

126.450.130

1.311.166

1949

116.554.000

1.225.634

1950

125.340.150

2.534.341

1951

166.583.000

1.895.603

1952

201.557.660

638.238

1953

216.880.290

1.891.730

1954

241.942.730

2.365.518

1955

270.800.970

2.947.723

1956

303.959.760

2.672.179

1957

329.734.660

3.131.470

1958

350.173.850

3.212.021

1959

359.443.020

2.288.770

1960

376.322.510

2.436.629

1961

377.251.820

1.764.792

1962

380.909.410

1.743.897

1963

385.488.130

2.166.115

382

Anhang   1964

407.531.840

2.302.085

1965

430.758.070

2.805.699

1966

436.886.220

5.002.726

1967

449.846.760

9.132.525

1968

469.046.250

7.744.727

1969

488.118.000

3.439.119

1970

496.891.950

6.672.644

1971

523.934.650

3.492.720

1972

554.476.140

4.250.971

1973

587.852.400

2.771.753

1974

619.892.130

4.538.620

1975

639.118.300

1976

720.324.100

1977

797.858.800

1978

863.262.900

1979

919.536.600

1980

996.427.400

1981

1.062.923.600

1982

1.109.975.900

1983

1.178.240.800

1984

1.244.150.100

1985

1.283.569.600

1986

1.350.224.000

1987

1.379.411.000

1988

1.371.623.000

1989

1.419.605.000

1990

1.488.289.000

1991

1.622.940.000

1992

1.590.637.000

* Die Zahlen stammen aus Walther, Geschichte (1941), o. S. und wurden ab 1949 durch Auswertung der jeweiligen Geschäftsberichte ergänzt. Die Angaben in der Tabelle setzen sich wie folgt zusammen: Die Versicherungssumme ist bis 1921 in Mark, bis 1948 in Reichsmark und bis 1992 in D-Mark angegeben. Die Schadenssumme ist bis 1921 in Mark, bis 1948 in Reichsmark und bis 1974 in D-Mark aufgeführt.

383

Anhang 5: Schwedter Hagel Versicherungssumme

10000

Schaden

1000

100

1

1874 1877 1880 1883 1886 1889 1892 1895 1898 1901 1904 1907 1910 1913 1916 1919 1922 1925 1928 1931 1934 1937 1940 1942 1945 1948 1951 1954 1957 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990

10

Abbildung 4: Schwankungen der Versicherungssumme und der Schadenssumme der Leipziger Hagel 1874–1992 (Indexdarstellung)

Anhang 5: Schwedter Hagel Tabelle 14 Geschäftszahlen der Schwedter Hagel 1826–1882 Jahr

Versicherungssumme*

Beiträge*

Schadenssumme*

1826

709.172

196

1827

1.717.575

3.125

3.040

1828

2.691.875

23.553

22.914

1829

3.275.850

2.820

4.083

1830

3.912.225

27.928

27.551

1831

5.031.900

9.644

10.357

1832

6.053.150

32.283

31.731

1833

7.003.075

44.352

45.960

1834

7.723.650

95.901

96.107

1835

8.273.400

14.708

16.562

1836

9.311.325

36.469

37.258

1837

10.101.200

14.871

18.118

1838

10.811.225

32.433

34.122

384

Anhang  

1839

11.705.175

198.987

200.366

1840

12.193.375

18.628

21.564

1841

11.767.450

63.740

65.639

1842

11.662.575

41.142

42.154

1843

11.484.725

101.129

104.513

1844

11.248.400

46.868

49.852

1845

11.118.350

210.013

210.640

1846

9.917.350

34.710

34.437

1847

10.216.075

28.377

29.944

1848

10.218.750

267.107

269.707

1849

9.107.500

57.680

60.415

1850

8.908.000

85.467

84.854

1851

8.250.050

106.294

107.240

1852

8.642.610

58.059

31.919

1853

8.781.900

247.919

253.091

1854

10.545.200

72.016

44.190

1855

12.627.480

147.002

163.825

1856

16.634.100

120.530

90.303

1857

16.017.216

178.399

196.419

1858

14.228.908

144.127

146.410

1859

16.162.309

257.165

254.237

1860

13.647.244

1.050.788

94.021

1861

15.180.377

230.519

238.399

1862

15.424.591

137.204

139.063

1863

14.958.342

127.144

105.159

1864

14.495.563

109.432

69.127

1865

15.603.032

139.328

126.620

1866

17.587.059

156.502

130.300

1867

19.956.039

349.385

396.758

1868

19.846.193

173.117

207.435

1869

20.582.129

386.254

383.061

1870

18.256.969

157.344

143.548

1871

19.593.827

229.570

230.458

1872

24.349.646

381.179

368.839

1873

26.389.700

220.574

201.372

1874

35.173.949

265.412

150.069

1875

121.565.734

1.273.938

1.389.117

1876

134.536.154

1.079.664

877.276

385

Anhang 5: Schwedter Hagel 1877

140.226.281

1.121.748

829.458

1878

142.933.305

1.143.799

834.762

1879

135.242.877

1.078.310

904.906

1880

151.569.747

2.021.087

2.254.096

1881

148.459.165

1.159.607

899.448

1882

164.979.004

1.278.386

1.524.516

* Die Zahlen stammen aus Schwedter Hagel- und Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Festschrift (1926), o. S. Die Angaben in der Tabelle setzen sich wie folgt zusammen: Die Versicherungssumme, die Beiträge und die Schadenssumme ist jeweils bis 1874 in Taler und bis 1882 in Mark aufgeführt. Versicherungssumme 10000

1000

100

1

1826 1828 1830 1832 1834 1836 1838 1840 1842 1844 1846 1848 1850 1852 1854 1856 1858 1860 1862 1864 1866 1868 1870 1872 1874 1876 1878 1880 1882

10

Abbildung 5: Schwankungen der Versicherungssumme der Schwedter Hagel 1826–1882 (Indexdarstellung)

386

Anhang  

Anhang 6: Vergleichende Darstellungen 100000

Branche

Bayern

Norddeutsche

Leipziger

Schwedter

10000

1000

100

10

1826 1830 1834 1838 1842 1846 1850 1854 1858 1862 1866 1870 1874 1878 1882 1886 1890 1894 1898 1902 1906 1910 1914 1918 1922 1926 1930 1934 1938 1942 1946 1950 1954 1958 1962 1966 1970 1974 1978 1982 1986 1990

1

Eigene Berechnung auf Basis der oben angegebenen Zahlen. Abbildung 6: Gegenüberstellung der Versicherungssummen 1870–2000 (Indexdarstellung) 100000

Branche

Bayern

10000

1000

100

10

1870 1873 1876 1879 1882 1885 1888 1891 1894 1897 1900 1903 1906 1909 1912 1915 1918 1921 1924 1927 1930 1933 1936 1939 1942 1945 1948 1951 1954 1957 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999

1

Eigene Berechnung auf Basis der oben angegebenen Zahlen. Abbildung 7: Gegenüberstellung der Beiträge 1870–2000 (Indexdarstellung)

387

Anhang 6: Vergleichende Darstellungen Branche

Bayern

Norddeutsche

Leipziger

100000

10000

1000

100

10

1869 1872 1875 1878 1881 1884 1887 1890 1893 1896 1899 1902 1905 1908 1911 1914 1917 1920 1923 1926 1929 1932 1935 1938 1941 1944 1947 1950 1953 1956 1959 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983

1

Eigene Berechnung auf Basis der oben angegebenen Zahlen. Abbildung 8: Gegenüberstellung der Schadenssummen 1870–2000 (Indexdarstellung)

Quellen und Literatur I. Ungedruckte Quellen 1. Archiv Vereinigte Hagelversicherung (AVH) a) Bestand Ceres (AVH/Bestand Ceres) Ceres-Abw. Allgem. Schriftwechsel. Ceres-Abw. Schriftwechsel Zonenübertragung. Geschäftsberichte der Jahre 1921–1947. Übertragung Ceres-Leipziger-Unterlagen. Verwaltungsrats-Protokolle ab 1937.

b) Bestand Leipziger Hagel (AVH/Bestand Leipziger Hagel) Akten Generalversammlung vom Jahre 1915–1922. Akten Generalversammlung vom Jahre 1923–1930. Bestand Nachlass Dr. Paul Haberland, darin: Kleinpaul, Joh.: Entwurf im Manuscript zu einer Jubiläumsschrift für das 100jhrg. Jubiläum, Ms., 1923. Geschäftsberichte der Leipziger Hagel-Versicherungs-Gesellschaft 1948–1992. Mitteilungsblätter für unseren Außendienst Nr. 1/1954 Unterlagen v. Herrn Dr. Crusius am 4.2.75 an Leipziger Hagel übergeben. V. R. Sitzungen 1948–1950. Walther, Hermann, Geschichte der Gesellschaft 1824–1941, Ms., Leipzig 1941.

c) Einzelne Schriftstücke Kölnische Hagel Geschäftsberichte ‚Kölnische Hagel‘ 1938 und 1939.

I. Ungedruckte Quellen

389

d) Bestand Norddeutsche Hagelversicherung (AVH/Bestand Norddeutsche Hagel) Denkschrift zur Frage der Hagelversicherungs-Reform vom 30.  Juni 1941 (Verfasser Paul Pritzkow). Geschäftsberichte der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft 1869–1992. Geschäftsberichte der Vereinigten Hagelversicherung VVaG 1993–2000. Neuordnung der Hagelversicherung, Ms., Halle, 1943 (Verfasser: Karl Schumann). Protokolle Generalversammlung 1887–1941. Rückblick auf die Inflationsjahre 1919–1923 und die besonderen Ereignisse von 1924 in der Entwicklung der Norddeutschen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin, Ms. Berlin 1935 (Verfasser wohl Siegfried Rasch). Verwaltungsrat Protokolle 1902–1924. Verw. Rat Protokolle 1925–1939. Verwaltungsrat und Generalversammlung 1934–1940. Verwaltungsrat und Generalversammlung 1941–1944 (+46–48).

2. Bestand Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) M Ju 14858.

3. Bestand Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz GStA PK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr.  31848 Berlinische­ Hagel-Assekuranz-Kompanie, 1822. GStA PK II. HA Generaldirektorium, Abt. 14 Kurmark, Materien, Tit. CCIII, Nr. 1 Acta betr. die Errichtung einer Hagelschaden Societaet in der Churmark 1792–1805. GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, II Nr. 1630 Neue Hagelassekuranzgesellschaft in Berlin, 1822.

4. Bestand Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel 40 Slg 13052: Verbindungsakte der Hagelschlags-Entschädigungs-Gesellschaft 1.7.1791. 23 Neu Fb. 1 Nr. 1585: Gutachten über die im Lande zu errichtende allgemeine Assecuranz der Hagelschäden 1791–1798.

390

Quellen und Literatur  

5. Bestand Landeshauptarchiv Schwerin LHAS, 4.11–6 Meckl.-Strel. Kammer- u. Forstkollegium, Nr. 3271.

6. Bestand Historisches Archiv Köln 215, Gereon U2/110.

7. Bestand Stadtarchiv Wasserburg am Inn (StdA Wbg./Inn) Wasserburger Anzeiger (WA) 1879 08 17.

8. Bestand Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Abt.: 81 Nr.: 40 Fasz.: 4. Abt.: 8 Nr.: 7 Fasz.: 12.

9. Bestand Sal. Oppenheim jr. & Cie. Hausarchiv (HBO) HBO, A XIII/190 Kölnische Hagelversicherung.

10. Bestand Firmenhistorisches Archiv Allianz Versicherungsgesellschaft (FHA) FHA, B 12/Beteiligungen Union Hagel. FHA, B 12/Union 1969.

II. Gedruckte Quellen 1. Einzelquellen a) Vor 1850 Ahlwardt, Peter, Bronto-Theologie, oder: Vernünftige und Theologische Betrachtungen über den Blitz und Donner, wodurch der Mensch zur wahren Erkenntniß GOttes und seiner Vollkommenheiten, wie auch zu einem tugendhaften Leben und Wandel geführet werden kan, Greifswald 1746.

II. Gedruckte Quellen

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Quellen und Literatur  

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III. Darstellungen

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– Von Bienen, Ochsenklauen und Beamten. Die Ökonomische Aufklärung in der Kurpfalz, in: Popplow, Marcus (Hg.), Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 30), Münster 2010, S. 175–235. Probst, Christian, Die Frömmigkeit des Landvolks. Aus den Berichten bayerischer Amtsärzte um 1860, in: ZBLG, Jg. 57 (1994), S. 405–434. Quarantelli, E. L. (Henry), A Social Science Research Agenda For The Disasters Of The 21st Century: Theoretical, Methodological And Empirical Issues And Their Professional Implementation, in: Perry, Ronald W./Quarantelli, E. L. (Hg.), What is a Disaster? New Answers to Old Questions, o. O., 2005, S. 325–396. Radkau, Joachim, Holzverknappung und Krisenbewußtsein im 18. Jahrhundert, in: GG, Jg. 9 (1983), S. 513–543. – Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, München 2002. – Technik und Umwelt, in: Ambrosius, Gerold/Petzina, Dietmar/Plumpe, Werner (Hg.), Moderne Wirtschaftsgeschichte. Eine Einführung für Historiker und Ökonomen, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2006, S. 135–154. Rásonyi, Peter, Promotoren und Prozesse institutionellen Wandels: Agrarreformen im Kanton Zürich im 18. Jahrhundert (= Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 60), Berlin 2000. Recktenwald, Horst Claus/Scherer, Frederic M./Stolper, Wolfgang F., Schumpeters monumentales Werk – Wegweise für eine dynamische Analyse, Düsseldorf 1988. Reckwitz, Andreas, Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorie­ programms, Weilerswist 2000. Reichardt, Sven, Soziales Kapital „im Zeitalter materieller Interessen“. Konzeptionelle Überlegungen zum Vertrauen in der Zivil- und Marktgesellschaft des langen 19. Jahrhunderts (1780–1914) (= WZB-Discussion Paper Nr. SP IV 03–503), Berlin 2003. Reith, Reinhold, Vom Umgang mit Rohstoffen in historischer Perspektive. Rohstoffe und ihre Kosten als ökonomische und ökologische Determinanten der Technikentwicklung, in: König, Wolfgang (Hg.), Umorientierungen. Wissenschaft, Technik und Gesellschaft im Wandel, Frankfurt 1994, S. 47–69. – Umweltgeschichte aus der Sicht historischer Methodik, in: Bayerl, Günter/Fuchsloch, Norman/Meyer, Torsten (Hg.), Umweltgeschichte – Methoden, Themen und Potentiale. Tagung des Hamburger Arbeitskreises für Umweltgeschichte, Hamburg 1994 (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 1), Münster 1996, S. 13–20. – Internalisierung der externen Effekte. Konzepte der Umweltgeschichte und die Wirtschaftsgeschichte, in: Bayerl, Günter/Weber, Wolfhard (Hg.), Sozialgeschichte der Technik. Ulrich Troitzsch zum 60. Geburtstag (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 7), Münster 1998, S. 15–24. – Technische Innovationen im Handwerk der frühen Neuzeit? Traditionen, Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Kaufhold, Karl Heinrich/Reininghaus, Wilfried (Hg.), Stadt und Handwerk in Mittelalter und früher Neuzeit (= Städteforschung, Reihe A: Darstellungen, Band 54), Köln 2000, S. 21–60.

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III. Darstellungen

435

– Volksbildung im 18. Jahrhundert, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band II: Vom späten 17. Jahrhundert bis zur Neuordnung Deutschlands um 1800, München 2005, S. 443–483. Sieglerschmidt, Jörn/Biehler, Birgit, Natur, in: EdN, Band 8, Stuttgart 2008, Sp. 1133–1159. Skees, Jerry R./Reed, Michael E., Rate Making for Farm-Level Crop Insurance. Implications for Adverse Selection, in: The American Journal of Agricultural Economics, Jg. 68 (1986), S. 653–659. Smith, Keith, Environmental Hazards. Assessing risk and reducing disaster (= Routledge Physical Environment Series), 3. Auflage, London 2001. Sokoll, Thomas, Kameralismus, in: EdN, Band 6, Stuttgart 2007, Sp. 290–299. Sonnabend, Holger, Naturkatastrophen in der Antike. Wahrnehmung  – Deutung  – Management, Stuttgart 1999. Spoerer, Mark, Moralische Geste oder Angst vor Boykott? Welche Großunternehmen beteiligten sich aus welchen Gründen an der Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter? in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, Jg. 3 (2002), S. 37–48. – Wider den Eklektizismus in der Unternehmensgeschichte, in: Boch, Rudolf u. a. (Hg.), Unternehmensgeschichte heute: Theorieangebote, Quellen, Forschungstrends. Beiträge des 4. unternehmensgeschichtlichen Kolloquiums (= Veröffentlichungen des Sächsischen Wirtschaftsarchivs e. V., Reihe A, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens, Band 6), Leipzig 2005, S. 61–66. – Kultur in der Wirtschaftsgeschichte: Explanandum, Explanans oder Label?; in: VSWG, Jg. 94 (2007), S. 182–185. Spree, Reinhard, Die Wachstumszyklen der deutschen Wirtschaft von 1840 bis 1880 mit einem konjunkturstatistischen Anhang (= Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 29), Berlin 1977. – Veränderungen der Muster zyklischen Wachstums der deutschen Wirtschaft von der Frühzur Hochindustrialisierung, in: GG, Jg. 5 (1979), S. 228–250. – Lange Wellen wirtschaftlicher Entwicklung in der Neuzeit. Historische Befunde, Erklärungen und Untersuchungsmethoden (=HSR, Beiheft Nr.4), 1991. – Das Wachstum von Volkswirtschaften. Theorie und historische Erfahrung, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, o. Jg. (1994/1), S. 109–130. – Business Cycles in History (= Munich Discussion Paper No. 2002–1) [Online im Internet, URL: http://epub.ub.uni-muenchen.de/6/1/0201_spree.pdf; Stand: 10. Februar 2010]. – Globalisierungs-Diskurse − gestern und heute, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, o. Jg. (2003/2), S. 35–56. – Wachstum, in: Ambrosius, Gerold/Petzina, Dietmar/Plumpe, Werner (Hg.), Moderne Wirtschaftsgeschichte. Eine Einführung für Historiker und Ökonomen, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2006, S. 156–183. – Konjunktur, in: Ambrosius, Gerold/Petzina, Dietmar/Plumpe, Werner (Hg.), Moderne Wirtschaftsgeschichte. Eine Einführung für Historiker und Ökonomen, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2006, S. 185–212.

436

Quellen und Literatur  

– Eine bürgerliche Karriere im deutschen Kaiserreich. Der Aufstieg des Advokaten Dr. jur. Hermann Ritter von Pemsel in Wirtschaftselite und Adel Bayerns (= Berichte aus der Geschichtswissenschaft), Aachen 2007. – Two Chapters on early history of the Munich Reinsurance Company: The Foundation/ The San Francisco Earthquake, [Online im Internet, URL: http://epub.ub.uni-muenchen. de/11336/2/mure.pdf; Stand: 10. Februar 2010]. Stadermann, Hans-Joachim, Ökonomische Vernunft. Wirtschaftswissenschaftliche Erfahrung und Wirtschaftspolitik in der Geschichte, Tübingen 1987. Stadler, Gerhard A., XI. Gesprächskreis Technikgeschichte – Freising: 17. bis 19. Juni 1992, in: Stadler, Gerhard A./Kuisle, Anita (Hg.), Technik zwischen Akzeptanz und Widerstand. Gesprächskreis Technikgeschichte 1982–1996 (=  Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 8), Münster 1999, S. 199–205. Stead, David R., Risk and risk management in English agriculture, c. 1750–1850, in: EHR, Jg. 57 (2004), S. 334–361. Stegemann, Hagel, Hagelzauber, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Band  3, Augsburg 2000 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1931), Sp. 1304–1320. Steinberg, Ted, Acts of God. The unnatural History of Natural Disaster in America, Oxford 2000. Steiner, Uwe, Denken im Angesicht von Ruinen. Voltaire und das Erdbeben von Lissabon, in: Bolz, Norbert/van Reijen, Willem (Hg.), Ruinen des Denkens – Denken in Ruinen, Frankfurt 1996, S. 24–58. Stokes, Ray, Die Zukunft der Unternehmensgeschichte, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, o. Jg. (2008), S. 313–328. Stollberg-Rilinger, Barbara, Europa im Jahrhundert der Aufklärung, Stuttgart 2000. Stolleis, Michael, Industrielle Revolution und Sozialversicherung, in: Ruland, Franz/Baron von Maydell, Bernd/Papier, Hans-Jürgen (Hg.), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift für Hans F. Zacher zum 70. Geburtstag, Heidelberg 1998, S. 1081–1099. Striedinger, Ivo, Das Großherzogtum Würzburg, in: ZBLG, Jg. 6 (1933), S. 250–256. Stuber, Martin, Gottesstrafe oder Forschungsobjekt? Zur Resonanz von Erdbeben, Überschwemmungen, Seuchen und Hungerkrisen in der Korrespondenz Albrecht von Hallers, in: Pfister, Christian (Hg.), Am Tag danach. Zur Bewältigung von Naturkatastrophen in der Schweiz 1500–2000, Bern 2002, S. 39–54. – Divine Punishment or Object of Research? The Resonance of Earthquakes, Floods, Epidemics and Famine in the Correspondence of Albrecht von Haller, in: EH, Jg. 9 (2003), S. 173–193. – „dass gemeinnüzige wahrheiten gemein gemacht werden“ – Zur Publikationstätigkeit der Oekonomischen Gesellschaft Bern 1759–1798, in: Popplow, Marcus (Hg.), Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts (= Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 30), Münster 2010, S. 121–153.

III. Darstellungen

437

Stühring, Carsten, Der Seuche begegnen. Deutung und Bewältigung von Rinderseuchen im Kurfürstentum Bayern des 18. Jahrhunderts (= Kieler Werkstücke, Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Band 9), Frankfurt 2011. Surminski, Arno, Versicherung unterm Hakenkreuz, Berlin 1999. Swedberg, Richard, Joseph A. Schumpeter and the Tradition of Economic Sociology, in: JITE, Jg. 145 (1989), S. 508–524. – Joseph A. Schumpeter. Eine Biographie, Stuttgart 1994. Swiss Re (Hg.), Hagelstürme in Europa. Neuer Blick auf ein bekanntes Risiko, Zürich 2005. Szith, Richard, Hagelabwehr heute, Graz 1976. Tautscher, Anton, Kameralismus, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Fünfter Band, Stuttgart 1956, S. 463–467. Tennstedt, Florian, Der Ausbau der Sozialversicherung in Deutschland 1890 bis 1945, in: Pohl, Hans (Hg.), Staatliche, städtische, betriebliche und kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart (= VSWG Beiheft Nr. 95), Stuttgart 1991, S. 225–243. – Sozialwissenschaft – Sozialrecht – Sozialgeschichte. Kooperation und Konvergenz am Beispiel der Sozialpolitik, in: Schulz, Günther u. a. (Hg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. Herausgegeben aus Anlass des 100. Erscheinens der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 2005, S. 551–575. Thomas, Keith, Religion and the Decline of Magic. Studies in Popular Beliefs in Sixteenth- and Seventeenth-Century England, London 1991. Tilly, Richard, Geld und Kredit in der Wirtschaftsgeschichte, München 2003. Tooze, Adam, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007. Torp, Cornelius, Die Herausforderung der Globalisierung. Wirtschaft und Politik in Deutschland 1860–1914 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 168), Göttingen 2005. Tribe, Keith, Governing Economy. The Reformation of German Economic Discourse 1750– 1840, Cambridge 1988. Troitzsch, Ulrich, Erfinder, Forscher und Projektemacher, Der Aufstieg der praktischen Wissenschaften, in: Dülmen, Richard van/Rauschenbach, Sina (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln 2004, S. 439–463. Troßbach, Werner, Historische Anthropologie und frühneuzeitliche Agrargeschichte deutscher Territorien. Anmerkungen zu Gegenständen und Methoden, in: Historische Anthropologie, Jg. 5 (1997), S. 187–211. – Die Dynamik der Stadt-Land-Beziehungen 1300–1900. Versuch eines Resümees, in: Zimmermann, Clemens (Hg.), Dorf und Stadt. Ihre Beziehungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt 2001, S. 289–305. – Gutsherrschaft und Gutswirtschaft zwischen Elbe und Oder. Asymmetrische Agrarsysteme in wechselnden Perspektiven, in: Prass, Reiner u. a. (Hg.), Ländliche Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 18.–19. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Band 187), Göttingen 2003, S. 31–51.

438

Quellen und Literatur  

– Landwirtschaft, in: EdN, Band 6, Stuttgart 2007, Sp. 580–605. Troßbach, Werner/Zimmermann, Clemens, Die Geschichte des Dorfes. Von den Anfängen im Frankenreich zur bundesdeutschen Gegenwart, Stuttgart 2006. Tschopp, Silvia Serena, Popularisierung gelehrten Wissens im 18. Jahrhundert, Institutionen und Medien, in: Dülmen, Richard van/Rauschenbach, Sina (Hg.), Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln 2004, S. 469–489. – Programmatischer Eklektizismus. Kulturgeschichte im Spannungsfeld europäischer Wissenschaftstraditionen, in: Lutter, Christina/Szöllösi-Janze, Margit/Uhl, Heidemarie (Hg.), Kulturgeschichte. Fragestellungen, Konzepte, Annäherungen (= Querschnitte. Einführungstexte zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Band 15), Innsbruck 2004, S. 37–59. – Das Unsichtbare begreifen. Die Rekonstruktion historischer Wahrnehmungsmodi als methodische Herausforderung der Kulturgeschichte, in: HZ, Jg. 280 (2005), S. 38–81. Uekötter, Frank, Confronting the Pitfalls of Current Environmental History: An Argument for an Organisational Approach, in: EH, Jg. 4 (1998), S. 31–52. – Umweltgeschichte im 19.  und 20.  Jahrhundert (=  Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 81), München 2007. Ulbricht, Otto, Extreme Wetterlagen im Diarium Heinrich Bullingers (1504–1574), in: Behringer, Wolfgang/Lehmann, Hartmut/Pfister, Christian (Hg.), Kulturelle Konsequenzen der „Kleinen Eiszeit“/Cultural Consequences of the „Little Ice Age“ (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 212), Göttingen 2005, S. 149–175. Vann, James Allan, Württemberg auf dem Weg zum modernen Staat 1593–1793, Stuttgart 1986. Vereinigte Hagelversicherung VVaG, Schätzerhandbuch, Gießen 2002. – Das Hagelwetter [Online im Internet, URL: http://www.vereinigte-hagel.net/das_hagelwetter.html, Stand: 30. September 2010]. – Internetpräsenz [Online im Internet, URL: http://www.vereinigte-hagel.de, Stand 30. September 2010]. Vierhaus, Rudolf (Hg.), Deutsche Patriotische und gemeinnützige Gesellschaften (= Wolfenbütteler Forschungen, Band 8), München 1980. Vocelka, Karl, Ängste und Hoffnungen – Neuzeit, in: Dinzelbacher, Peter (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Stuttgart 2008, S. 295–301. Vogel, Barbara, Allgemeine Gewerbefreiheit. Die Reformpolitik des preußischen Staatskanzlers Hardenberg (1810–1820) (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 57), Göttingen 1983. Volckart, Oliver, Politische Zersplitterung und Wirtschaftswachstum im Alten Reich, ca. 1650– 1800, in: VSWG, Jg. 86 (1999), S. 1–38. – Zur Transformation der mitteleuropäischen Wirtschaftsordnung 1000–1800, in: VSWG, Jg. 88 (2001), S. 281–310.

III. Darstellungen

439

– Institutionenökonomische Erklärungen und wirtschaftshistorische Modelle, in: Schulz, Günther u. a. (Hg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete  – Probleme  – Perspektiven. Herausgegeben aus Anlass des 100. Erscheinens der Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 2005, S. 619–637. Wagner-Braun, Margarete, Building fire insurance in pre-industrial times: Cradle in Northern Germany and processes of spreading, Ms., Bamberg 2007. Walter, François, Katastrophen. Eine Kulturgeschichte vom 16. bis ins 21. Jahrhundert, Stuttgart 2010. Walter, Rolf, Wirtschafts- und Sozialgeschichte in ganzheitlicher Sicht, in: Schremmer, Eckart (Hg.), Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gegenstand und Methode. 17. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Jena 1997 (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, Nr. 145), Stuttgart 1998, S. 9–20. – Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, 5., Auflage, Stuttgart 2011. Walther, Gerrit u. a., Aufklärung, in: EdN, Band 1, Stuttgart 2005, Sp. 791–830. Wandel, Eckhard, Banken und Versicherungen im 19.  und 20.  Jahrhundert (=  Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 45), München 1998. Warde, Paul, Ecology, Economy and State Formation in Early Modern Germany (= Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time, Band 41), Cambridge 2006. Webb, Steven B., Agricultural Protection in Wilhelminian Germany: Forging an Empire with Pork and Rye, in: The Journal of Economic History, Jg. 42 (1982), S. 309–326. Weber, Wolfgang E. J., Einleitung und allgemeiner Überblick, in: Tschopp, Silvia Serena/Weber, Wolfgang E. J., Grundfragen der Kulturgeschichte, Darmstadt 2007, S. 1–23. Webler, Heinrich, Die Kameral-Hohe-Schule zu Lautern (1774–1784). Eine Quellenstudie zur geschichtlichen Entwicklung und theoretischen Fundierung der Sozialökonomik als Univer­ sitätswissenschaft (=  Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Band 43), Speyer 1927. Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849–1914, München 1995. – Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003. – Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815–1845/49, 4. Auflage, München 2005. – Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815, 4. Auflage, München 2006. – Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band: Bundesrepublik und DDR 1949–1990, München 2008. Weidner, Gerhard, Hagelschutznetz-Anlagen im Obstbau (= Hohenheimer Arbeiten, Band 90), Stuttgart 1977.

440

Quellen und Literatur  

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III. Darstellungen

441

– Geschichte des deutschen Buchhandels, 3. Auflage, München 2011. Wöhe, Günter/Döring, Ulrich, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23., vollständig neu bearbeitete Auflage, München 2008. Worster, Donald, Appendix: Doing Environmental History, in: Worster, Donald (Hg.), The Ends of the Earth. Perspectives of modern Environmental History (= Studies in Environment and History), Cambridge 1988, S. 289–307. Wunder, Gerd, Die Schenken von Stauffenberg. Eine Familiengeschichte, Stuttgart 1972. Wunder, Heide, Der dumme und der schlaue Bauer, in: Meckseper, Cord/Schraut, Elisabeth (Hg.), Mentalität und Alltag im Spätmittelalter, Göttingen 1985, S. 34–52. – Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, Göttingen 1986. Wyss, Regula, Pfarrer als Vermittler ökonomischen Wissens? Die Rolle der Pfarrer in der Oeko­ nomischen Gesellschaft Bern im 18.  Jahrhundert (=  Berner Forschungen zur Regional­ geschichte, Band 8), Nordhausen 2007. Zandern, J. L. van, The first green revolution: the growth of production and productivity in European agriculture, 1870–1914, in: EHR, Jg. 44 (1991), S. 215–239. Ziegler, Theodor, Der König ließ messen sein Land. Neufassung der Schrift „Die Entstehung des bayerischen Katasterwesens“, München 1993. Zimmermann, Clemens, Entwicklungshemmnisse im bäuerlichen Milieu: Die Individualisierung der Allmenden und Gemeinheiten um 1780, in: Pierenkemper, Toni (Hg.), Landwirtschaft und industrielle Entwicklung. Zur ökonomischen Bedeutung von Bauernbefreiung, Agrarreform und Agrarrevolution, Stuttgart 1989, S. 99–112. – Bäuerlicher Traditionalismus und agrarischer Fortschritt in der frühen Neuzeit, in: Peters, Jan (Hg.), Gutsherrschaft als soziales Modell. Vergleichende Betrachtungen zur Funktionsweise frühneuzeitlicher Agrargesellschaften (= HZ, Beihefte, Neue Folge, Band 18), München 1995, S. 219–238. – Dorf und Stadt. Ihre Beziehungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Frankfurt 2001. Zorn, Wolfgang, Kleine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns 1806–1933. (= Bayerische Heimatforschung, Heft 14), München 1962. Zucker, Lynne G., Production of Trust. Institutional Sources of Economic Structure, 1840– 1920, in: Research in Organizational Behaviour, Jg. 8 (1986), S. 53–111. Zweifel, Peter/Eisen, Roland, Versicherungsökonomie, München 2003. Zwierlein, Cornel, Die Macht der Analogien: Römisches Recht, kaufmännische Praktiken und staatliche Versicherung im Denken Leibniz’, in: Mitteilungen I/2008, S. 8–18, [Online im Internet, URL: http://www.sfb-frueheneuzeit.uni-muenchen.de/mitteilungen/M1–2007/enzyklopaedien.pdf; Stand: 30. November 2008]. – Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit zwischen Früher Neuzeit und Moderne (= Umwelt und Gesellschaft, Band 3), Göttingen 2011. – Grenzen der Versicherbarkeit als Epochenindikatoren? Von der europäischen Sattelzeit zur Globalisierung des 19. Jahrhunderts, in: GG, Jg. 38 (2012), S. 423–452.

442

Quellen und Literatur  

– Frühe Formen der Institutionalisierung von ‚Versicherung‘ und die Bedeutung der Versicherungsgeschichte für eine allgemeine Sicherheitsgeschichte, in: Kampmann, Christoph/ Nigge­mann, Ulrich (Hg.), Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm – Praxis – Repräsentation (= Frühneuzeit-Impulse, Band 2), Köln 2013, S. 441–458. – Sicherheit durch Versicherung: Ein frühneuzeitliches Erfolgserlebnis, in: Kampmann, Christoph/Niggemann, Ulrich (Hg.), Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm – Praxis – Repräsentation (= Frühneuzeit-Impulse, Band 2), Köln 2013, S. 381–399.

Sachwortverzeichnis Aachen-Münchener Feuerversicherung  223, 224, 228, 304, 305, 306, 307, 310, 311, 312 Adverse Selektion  78, 79, 80, 81, 191, 196, 217, 260, 277 Agrarbewegung 157 Agrarkonjunktur (18. Jahrhundert)  152, 153, 154 Agrarkonjunktur (19. Jahrhundert)  201, 202, 203, 204, 219, 220, 221, 237, 238 Agrarmodernisierung 158, 161, 162, 163, 164 Agrarverfassung, Reform  164, 165, 166, 167, 264 Ahlwardt, Peter  117, 118 Alber, Matthäus  98, 102, 103, 105, 106 Allgemeine Deutsche Vieh-Versicherung  307 Allianz Versicherungsgesellschaft 23, 251, 300, 305, 319 Anerbenordnung 325 Anerbensitte  151, 264 Ansbach-Bayreuth (Projekt einer Hagelversicherung) 173 Aufklärung  119, 120, 121 Backe, Herbert  324 Badische Hagel  284 Bauer (Begriff)  149 Bayerische Landeshagelversicherungsanstalt  279, 285, 292, 316, 321, 322 Bayerisches Hagelversicherungsgesetz von 1884  277, 278, 279 Berg, Günther Heinrich von  177, 178 Berliner Hagel  193, 194, 195, 196, 197, 198, 207 Bidenbach, Wilhelm  98, 102, 103, 105, 106 Bismarck, Otto von  239, 240, 244, 245, 246, 261 Bismarck, Wilhelm von  246 Blitzableiter 121 Blut-und Boden-Ideologie  324

Borussia Hagelversicherung 258, 294, 318, 322 Bramer, David  98, 104, 108 Braunschweigische Hagelversicherung 176, 177, 178, 179, 180, 259 Brenz, Johannes  98, 102, 103, 104, 105, 106 Brüning, Heinrich  319, 320 Buch der Natur  96 Büchner, Franz  328 Bullinger, Heinrich  103 Bund der Landwirte  240, 244 Ceres Hagelversicherung  26, 251, 305, 307, 308, 311, 329, 331, 332, 341, 342, 343, 344, 349 Coalition (Interessensvertretung der Aktiengesellschaften)  227, 232 COLONIA Kölnische Feuerversicherungsgesellschaft  223, 318 Cotte, Louis  122, 123 Cramer-Klett, Theodor Freiherr von  250 Crusius, Heinrich Wilhelm 190, 191, 192, 208 Darré, Walther  324 Descartes  113, 114 Deutsche Arbeitsfront  331, 343 Deutsche Hagelversicherungsgemeinschaft a.G  336 Deutscher Landwirthschaftsrath 243, 244, 324 Dilherrn, Johann Michael  98, 105, 107 Donau-Concordia Hagelversicherung  330 Dreifelderwirtschaft 163 Famine Vulnerability Analysis Model  49 Finck, Wilhelm  250 Fischer, Johann Nepomuck  124, 125 Fixbeitrag 195, 196, 207, 213, 225, 226, 233, 261, 266, 269, 274, 280, 282, 307, 313

444

Sachwortverzeichnis

Frankfurter Versicherungs-AG (FAVAG)  319 Freiherr von Cetto (Gutachtenverfasser zur bayerischen Hagelversicherungsfrage)  275, 276 Freud, Michael  98, 106 Freundschaftsbund (Interessensvertretung der Gegenseitigkeitsvereine) 227 Friedrich II. (König von Preußen)  174 Friedrich Wilhelm III. (König von Preußen)  198 Friedrich Wilhelm IV. (König von Preußen)  206 Fruchtwechselwirtschaft 163 Gärtnerhagel  214, 215, 331 Gemeindeversicherung (Norddeutsche Hagel)  253, 261 Gemmingen, Eberhard Friedrich Freiherr von  174, 175 General-Feuer-Cassa (Hamburg) 127, 128, 134, 317 Gerstner, Gottfried  265 Gesetz, die Privat-Vereine zur Versicherung der Feldfrüchte gegen Wetter- und insbesondere Hagel-Schäden betreffend (Bayern 1831)  266 Gesetz, die Steuer-Nachlässe betreffend (Bayern 1834)  268 Göbl, Sebastian  267 Goebbels, Hans  333 Göring, Hermann  332, 333 Greifswalder Hagel  212, 301, 346 Grevesmühlener Hagelversicherungsverein a. G.  332 Gründerkrise  236, 237, 252 Grundherrschaft  154, 155, 167 Güstrower Hagel  212 Gutsherrschaft  154, 156, 167 Haag, Heinrich (Verfasser des Bayerischen Hagelversicherungsgesetzes von 1884)  274, 276 Haberland, Paul (Direktor der ‚Leipziger Hagel‘)  331, 341, 342 Hagelabwehr 62 Hagelassekuranzanstalt für Anhalt-Köthen  222 Hagel-Assekuranz-Anstalt für Deutschland  209, 210, 217

Hagel-Assekuranz-Verein für das Königreich Bayern  268, 269, 270, 279 Hagel-Assekuranz-Verein für den Isarkreis  266, 267, 268 Hagelbettelei 91 Hagel, meteorologische Grundlagen  59, 60, 61, 62 Hagelschädenversicherungsbank für Deutschland 215 Hagelschädenversicherungsgesellschaft für das Königreich Hannover  213 Hagelschaden-Versicherungs-Verein für Mecklenburg-Schwerin 228 Hagel- und Kiesel-Gewährungs-Gesellschaft für das Großherzogthum Würzburg  265 Hagelversicherungsgesellschaft zu Brandenburg 222 Hagelversicherungs-Notgemeinschaft 328 Halberstädter Hagelversicherung  189 Haller, Albrecht von  174, 175 Helferich, Johann von (Gutachtenverfasser zur bayerischen Hagelversicherungsfrage)  275, 276 Hexen  91, 100, 101, 102, 103 Hexenhammer 101 Hilgard, Eduard  327 Himmler, Heinrich  324 Hindenburg, Paul von  319, 320 Hitler, Adolf  333 Hugenberg, Alfred  323 Inflation  296, 297, 298, 299, 300, 301 Innovation 181 Innovation, Theorie der  81, 82, 83, 84 Institutioneller Wandel  71, 72, 73, 74 Institutionen, Definition  69, 70 Jenaer Abkommen  318, 328 Jodlbauer, Matthäus von  272, 273, 274, 275, 276, 278 Jung-Stilling  145, 146 Justi, Johann Heinrich Gottlob von  91, 132, 136, 137, 138, 139, 140, 142, 143 Kameralismus  129, 131, 132, 160, 166 Karl Ludwig Friedrich von MecklenburgStrelitz 183

Sachwortverzeichnis Karl Wilhelm Ferdinand von BraunschweigWolfenbüttel 179 Kleeanbau 162 Kleine Eiszeit  99, 100, 101 Kölnische Hagel 223, 224, 225, 232, 282, 283, 284, 301, 318, 329 Konferenz von Potsdam  340 Konzernbildung  223, 317, 318 Körner, Hellmut (sächsischer Landesbauernführer)  326, 330 Köthener Hagel  188, 189, 207, 217, 260 Kulturgeschichte  42, 44, 45, 46 Kurhessische Hagel  214 Kurmark (Projekt einer Hagelversicherung im 18. Jahrhundert)  180 Landwirt (Begriff)  149, 150 Landwirtschaftlicher Verein in Bayern 268, 269, 270, 272, 273, 274, 275, 276, 278 Lehmann (Vollziehender Direktor der ‚Schwedter Hagel‘)  228 Leibniz, Gottfried Wilhelm  134, 135 Leipziger Hagel 189, 190, 191, 192, 207, 208, 210, 217, 227, 228, 244, 258, 259, 270, 300, 301, 303, 306, 318, 331, 341, 342, 343, 344, 345, 349 Leopold I. (Kaiser)  134 Lissabon, Erdbeben von  122 Ludwig II. (König von Bayern)  279, 310 Ludwig I. (König von Bayern)  266, 269 Luther, Martin  97, 108, 116 Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft  224, 318 Magdeburger Hagel  223, 224, 282, 283, 284, 301, 318, 322 Mecklenburgische Hagel  182, 183, 184, 185, 186, 187, 210, 211, 212, 244, 301, 328, 341, 346 Medicus, Friedrich Casimir  133, 136 Meissnischer Kreis (Projekt einer Hagelversicherung im 18. Jahrhundert)  180 Merkantilismus  129, 130, 131 Misstrauen 210, 215, 216, 217, 245, 267, 268, 289, 293, 316 Moral Hazard  80, 81, 188, 216, 217, 260 Müller, August (Direktor der ‚Kölnischen Hagel‘) 232

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Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft  248, 249, 250, 251, 313 Natural Hazards/ Natural Disasters  48, 49 Nebenerwerbslandwirt 150 Neoklassik  66, 67, 68 Neue Berliner Hagel 199, 212, 213, 217, 226, 227, 301, 318, 329 Neue Braunschweigische Hagel  213 Neue Institutionenökonomik  68 Neue Köthener Hagelversicherung  188 Norddeutsche Hagel 213, 227, 233, 234, 235, 236, 242, 244, 253, 258, 261, 266, 270, 285, 286, 287, 288, 289, 294, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314, 318, 321, 322, 329, 330, 331, 334, 335, 337, 344, 345 Norddeutsche Hagelversicherungs Aktiengesellschaft  306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314 Nordsterngruppe 318 Novemberrevolution 1918  291 Oeconomische Nachrichten (Leipzig) 140, 141, 142 Ökonomische Aufklärung  157, 158, 159, 161, 162, 163 Ökonomisierung der Natur  114, 121, 159 Oktoberedikt (1807 Preußen)  166 Ostdeutscher Hagelversicherungsverband  294 Österreichische Hagelversicherung  248 Patria Rückversicherung  307 Pauperismus  148, 151, 202, 203, 204, 222 Pemsel, Hermann  250, 251 Pfeiffer, Ferdinand Friedrich  136, 137, 138, 144, 145, 170, 172, 175 Pfeiffer, Johann Friedrich  144 Physiko-Theologie  115, 117, 118, 119 Preußen (Projekt einer Hagelversicherung im 18. Jahrhundert)  174 Preußische Hagel  227, 242, 243, 318 Prinzipal-Agent-Ansatz  78, 80, 81 Pritzkow, Paul (Direktor der ‚Norddeutschen Hagel‘) 344 Produktinnovation 85, 181, 216, 217, 253, 260, 261

446

Sachwortverzeichnis

Property-Rights  76, 77, 165, 183, 216, 221, 254, 260, 325 Proto-Industrialisierung  148, 149 Prozessinnovation 85, 86, 217, 226, 233, 260, 288 Rasch, Siegfried (Hauptkassier der ‚Norddeutschen Hagel‘) 304, 305, 307, 308, 309, 313 Real-Predigt 105 Realteilung  151, 264, 280 Reichserbhofgesetz  324, 325 Reichsgruppe Versicherung  335, 337 Reichslandbund  310, 320, 324 Reichsnährstand  325, 329, 330, 331 Reichsverband der Privatversicherung 295, 318 Remission  93, 94, 155 Revolution von 1848  206 Rhenania Versicherung  318 Risikomanagement, vormodernes  58, 59, 91, 92, 93, 94 Rohrbeck, Walter  26, 27, 256, 295, 296, 302, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 311, 312, 313, 314, 317, 328 Roscher, Wilhelm  247, 273 Sakramentalien  107, 125 Schierker Abkommen  318, 328 Schimmelschmidt (‚Kontrollierender‘ der ‚Norddeutschen Hagel‘) 304, 305, 306, 310 Schlesien (Projekt einer Hagelversicherung im 18. Jahrhundert)  180 Schleswig-Holsteinische Hagelgilde  187, 188 Schmitt, Kurt  327 Schröder, Karl (Direktor der ‚Norddeutschen Hagel‘)  335, 344, 345 Schumann, Karl (Generalagent der ‚Norddeutschen Hagel‘)  335, 336 Schutzzollpolitik  239, 240, 241, 242 Schwede-Coburg, Franz  333 Schwedter Hagel 210, 211, 228, 244, 252, 260, 261, 294, 301, 345, 346 Sichere Normalgesellschaft  128 Simmerl, Joseph (bayr. Hofrat, Gutachtenverfasser zur bayerischen Hagelversicherungsfrage)  274, 275, 276

Staatsvertrag mit Baden (1891 mit ‚Norddeutscher Hagel‘) 285, 286, 287, 288, 289, 290, 308, 312, 322, 345 Staatsvertrag mit Württemberg (1896 mit ‚Norddeutscher Hagel‘) 287, 288, 289, 290, 308, 312, 322, 345 Stöltzlin, Bonifazius  98, 104, 106, 111 Stresemann, Gustav  298, 314 Strukturkrise (Landwirtschaft)  238, 239, 241 Subsistenzkrise  201, 203 Süddeutsche Hagelversicherungs-Gesellschaft  270 Tamborakälte 201 Teichmann, Friedrich  190 Thieme, Carl von  247, 248, 249, 250, 251 Thuringia Versicherung  248 Thüringische Hagel  212 Transaktionskosten 74, 75, 76, 191, 200, 223, 235, 238, 253, 254, 278, 314, 317 Umlageverfahren  57, 186, 211, 216 Union Hagelversicherung  212, 223, 224, 228, 271, 300, 301, 305, 322 Vaterländische Hagel  223, 245, 246, 270 Verband der Deutschen Hagel-VersicherungsAktiengesellschaften 317 Verband der Schleswig-Holsteinischen Hagelversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit 332 Verband Deutscher Hagel-Versicherungs-Vereine a.G  317 Verbandsversicherung (Leipziger Hagel)  191, 217 Vereinigung Deutscher Hagelversicherer  304, 305 Versailler Vertrag  292 Versicherungen, Rechtsformen  57, 58 Versicherungs-Anstalt gegen Hagelschaden für den Unter-Mainkreis  267 Versicherungsaufsichtsgesetz  254, 261, 279 Versicherungsquote  269, 296 Versicherungsvertragsgesetz  254, 261, 279 Versicherung, Theorie der  53, 54, 55, 56 Verstaatlichung der Hagelversicherung  295, 296, 333, 334, 335, 336, 349

Sachwortverzeichnis Vertrauen  86, 87, 88, 89, 226, 235, 252, 261, 282, 283, 300, 316 Verzettelung  92, 264 Vesta Hagelversicherung  294 Vierjahresplan 332 Volksaufklärung 159 Vollbauer 150 von Hülsen (Direktor und Unterstützer der Gegenseitigkeitsvereine)  231, 232 Vorbeitrags-Nachschuss-System  57, 191, 216, 233, 235, 269, 270, 286, 287, 301 Wagner, Adolf (Gauleiter Bayern)  334 Wagner, Adolph  247, 261, 273, 295

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Wahrnehmung von Naturkatastrophen  51, 52, 53 Währungsreform (1923)  315 Währungsreform (1948)  347 Weigner, Karl (Direktor der ‚Ceres‘) 331, 332, 341 Weltwirtschaftskrise 319 Wetterläuten  108, 124, 125 Wilhelm II. (Deutscher Kaiser)  291 Württemberg (Projekt einer Hagelversicherung im 18. Jahrhundert)  174, 175 Württembergische Hagel  222, 280, 281, 282, 284 Zuerwerbslandwirt 150