283 73 5MB
German Pages 1104 [1248] Year 2022
Spiegelberger/Schallmoser/Wachter/Wälzholz Immobilien im Zivil- und Steuerrecht
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Immobilien im Zivil- und Steuerrecht von
Dr. Sebastian Spiegelberger Notar a.D., Rosenheim
Dr. Ulrich Schallmoser Richter am BFH, München
Dr. Thomas Wachter Notar, München
Dr. Eckhard Wälzholz Notar, Füssen
und Dr. Ottmar Fleischer Notar
Prof. Dr. Stefan Gottwald Notar a. D., Professor für Immobilienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin
Klaus Koch Rechtsanwalt/Steuerberater vereidigter Buchprüfer
Prof. Dr. Thomas Küffner Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Wirtschaftsprüfer/Steuerberater
Dr. Martin Leiß Notar
Dr. Manfred Rapp Notar a.D.
Lucas Wartenburger Notar
4. Auflage 2023
Zitierempfehlung: Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser/Wachter/ Wälzholz, 4. Aufl. 2023, Rz. 4.301
2022
ÖKOSTROM mit
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25392-9 ©2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany
Vorwort „Ende des Baubooms“ Nachdem wir die dritte Auflage unseres Werks im Jahr 2018 noch mit dem Motto „Betongold boomt“ überschreiben konnten, haben seinerzeit nicht vorhersehbare Ereignisse – explodierende Preise für Energie und Baumaterial bei gleichzeitigem Fachkräftemangel, Inflationsgefahren und das Ende der Nullzinspolitik und nicht zuletzt die kriegerischen Auseinandersetzungen mitten in Europa – dem Bauboom des ausgehenden zweiten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert ein jähes Ende bereitet. „Am Bau kippt die Stimmung“ formuliert es das Ifo-Institut in einer Pressemitteilung vom 11.08.2022: Zwar seien die Auftragsbücher prall gefüllt, aber die Baukosten- und Zinsentwicklung sowie die Verschlechterung der Fördermöglichkeiten stellten mehr und mehr Projekte in Frage, was seit April 2022 zu einer Stornierungswelle geführt und die ehrgeizigen Neubauziele der Bundesregierung in weite Ferne gerückt hätte. Mit Blick auf den beschriebenen Rückgang von Neubauprojekten wird die entgeltliche Übertragung von Bestandsimmobilien (im Rahmen einer Investition) und deren unentgeltliche oder teilentgeltliche Überlassung (im Rahmen der Generationennachfolge) in Zukunft einen noch größeren Raum in der Gestaltungs- und Beratungspraxis einnehmen. Das vorliegende Werk bietet dem Leser eine von Angehörigen des Notarstandes verfasste, ausführliche Darstellung der zivilrechtlichen Implikationen des Kaufs und Verkaufs von Immobilienobjekten, ihrer schuldrechtlichen und dinglichen Belastung, ihrer Vermietung und Verwaltung und ihrer Einbringung in vermögensverwaltende und gewerblich tätige oder geprägte Gesellschaften. Die zivilrechtliche Betrachtung wird ergänzt durch eine von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe und des Richterstandes kommentierte, weit gefächerte Darstellung der möglichen Rechtsfolgen derartiger Rechtsgeschäfte in der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer, der Gewerbesteuer, der Grund- und Grunderwerbsteuer, der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie in anderen steuerlich relevanten Bereichen. Die 4. Auflage unseres Werkes berücksichtigt hierbei die bis Redaktionsschluss bekannten aktuellen gesetzlichen Änderungen in allen immobilienrelevanten Bereichen (z.B. das Grundsteuer-Reformgesetz) sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung (z.B. zu anschaffungsnahen Herstellungskosten, zur vertraglichen Kaufpreisaufteilung und zur Zwangsverwaltung von Immobilien) und eröffnet dem Leser überdies den Einblick in künftige Entwicklungen, etwa zur Entwicklung des Personengesellschaftsrechts durch das Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz (MoPeG). Dem Leser stehen überdies über 80 auch online abrufbare Vertragsmuster für die kautelarjuristische Gestaltungsberatung zur Verfügung. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge sind die Autoren stets dankbar. Dr. Sebastian Spiegelberger Dr. Thomas Wachter
Dr. Ulrich Schallmoser Dr. Eckhard Wälzholz V
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage „Eigener Herd ist Goldes wert“ – der Wunsch nach eigenem Wohneigentum steht bei den meisten Bundesbürgern an vorderster Stelle. Aber auch die Vermögensanlage in Immobilien ist eine der Triebfedern unseres Wirtschaftslebens, wenn auch die Neubautätigkeit in Deutschland merklich nachgelassen hat, in den übrigen europäischen Staaten aber immer noch floriert. Überzogene steuerliche Förderungsmaßnahmen haben in der Vergangenheit in Deutschland einen Bauboom produziert, der zu einem Angebotsüberhang mit sinkenden Kaufpreisen geführt hat. Dennoch zählen Immobilien in guter Lage nach wie vor zu den sichersten Vermögensanlagen. Bei Erwerb und Veräußerung einer Immobilie sind nicht nur die zivilrechtlichen Fragen, sondern auch die Steuerfolgen von Bedeutung, so dass die zivilrechtlichen Aspekte der Vertragsgestaltung und die Steuerfolgen als miteinander verknüpfte Rechtsmaterien erscheinen. Die Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht sowie die Verzahnung dieser Regelungsmaterien beim Rechtsträgerwechsel von Immobilien werden in diesem Werk eingehend dargestellt. Zusätzlich zu den zivil- und steuerrechtlichen Grundfragen enthält das Werk für die wichtigsten Vertragstypen Formulierungshilfen. Die beigefügte CD-ROM erlaubt die rasche Übernahme des jeweiligen Gestaltungsvorschlages in die Praxis. Zudem enthält sie die wichtigsten zitierten BMF-Schreiben im Volltext sowie eine Gegenüberstellung des Wohnungseigentumsgesetzes in der Fassung vor und nach der Novelle von 2007. Für Kritik, Anregungen und Hinweise sind die Verfasser dankbar. Beachten Sie hierzu bitte die beiliegende Rückantwortkarte. Im April 2008
VI
Die Verfasser
Inhaltsübersicht Detaillierte Inhaltsübersichten finden sich zu Beginn jedes Kapitels. Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . Vorwort zur ersten Auflage Musterübersicht . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . .
Kapitel 1 A. B. C. D. E. F. G. H. J.
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V VI XI XV XIX
Rz.
Seite
Steuerorientierte Immobilienübertragung (Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz)
Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels . . . . . . . . . Laufende Einkommensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeindliche Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 2 A. B. C. D. E. F. G. H.
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1 1.1 1.500 1.800 1.1060 1.1100 1.1200 1.1330 1.1360 1.1427
Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht (Wartenburger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkäuferpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Käuferpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Beiträge und Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . Maklerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
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11 96 170 262 267 283 309 319 348
367 2.1 2.27 2.71 2.111 2.207 2.275 2.294 2.351
369 381 391 406 437 449 453 470
VII
Inhaltsübersicht Rz.
Kapitel 3 A. B. C. D.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung Besondere Gestaltungssituationen . . . . Steuerrechtliche Einzelfragen . . . . . . .
Kapitel 4 A. B.
D.
VIII
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3.1 3.61 3.191 3.301
4.1 4.241
598 660 685
5.1 5.5 5.61 5.145 5.191 5.219 5.241 5.306 5.310 5.316 5.331
Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG (Spiegelberger) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsgestaltung: Bestellung eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
497 511 551 572 595
Erbbaurecht (Rapp/Schallmoser) . . . . . . . . . . . . . . . ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. .............
Seite
495
Wohnungs- und Teileigentum (Rapp/Schallmoser) . .
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkliste Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung eines Erbbaurechts . . . . . . . . .
Kapitel 6 A. B. C.
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Zivilrechtliche Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 5 A. B. C. D. E. F. G. H. J. K. L.
Bauträgerkaufvertrag (Leiß) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
689 690 713 737 739 746 747 754 755 756 757
777
..... .....
6.1 6.20
779 784
.....
6.60
793
.....
6.100
803
Inhaltsübersicht Rz.
Kapitel 7 A. B. C. D. E. F. G. H.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrechtliche Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Steuerfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen .
Kapitel 8 A. B. C.
C. D.
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Seite
819 7.1 7.7 7.71 7.221 7.241 7.251 7.271 7.281
Vermögensverwaltende Personengesellschaften (Wälzholz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
821 823 838 872 881 882 884 885
901 8.1 8.5 8.25
Gewerblich geprägte Immobilien (Wachter) . . . . . . .
Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft . Übertragung eines KG-Anteils an einer grundstückbesitzenden GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Immobilienverwaltungs-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 10 A. B.
. . . . . . . .
Von der Bruchteilsgemeinschaft zur Gesamthand – Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft . . . . .
Kapitel 9 A. B.
Nießbrauch und Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen (Fleischer) . . . . . . . . . . .
903 905 916 957
9.1
958
9.71
985
9.136 9.146
1022 1024
Photovoltaik- und Windkraftanlagen (Koch) . . . . . .
1055
Photovoltaikanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Windkraftanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.150
1056 1069
IX
Inhaltsübersicht Rz.
Kapitel 11 A. B. C. D.
Begriff des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . . Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels . Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . .
Kapitel 12
A. B. C. D. E.
B. C.
11.1 11.11 11.71 11.73
12.1
1098
12.11
1102
12.81
1121
12.91
1124
12.103
1130
1135 13.1
1136
13.41
1147
13.131
1167
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X
1077 1078 1093 1094
1097
Miet- und Pachtverträge (Fleischer/Schallmoser/Küffner) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zivilrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
1075
Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (Schallmoser) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gegenstand privater Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerungsfrist für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerfreiheit des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundbesitzes (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) . . . . . . . Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 13 A.
Gewerblicher Grundstückshandel (Schallmoser) . . .
1177
Musterübersicht Rz.
M1 Bauplatzkauf: Verkauf einer unbebauten Teilfläche mit Versorgungsdienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.349 M2 Kauf eines Mietshauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.371 M3 Kaufvertrag über Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.580 M4 Grundstückskaufvertrag (Bodenschatzveräußerung) . . . . . . 1.698 M5 Kauf auf Leibrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.757 M6 Musterklausel bei ausgeübter Option . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1240 M7 Musterklausel für eine vorsorgliche Option . . . . . . . . . . . . 1.1256 M8 Stellplatznutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.31 M9 Mitverkauf beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.42 M10 Einigung, Besitzübergang hinsichtlich der beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.54 M11 Besitzkonstitut hinsichtlich der beweglichen Sachen im Gleichlauf mit Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.56 M12 Kaufvertrag: Ergänzungen beim Erwerb „in GbR“ . . . . . . . 2.76 M13 Haftung beim Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.91 M14 Auflassung – beurkundungsrechtliche Lösung . . . . . . . . . . 2.116 M15 Auflassung – grundbuchrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . 2.118 M16 Löschung der Vormerkung unter Vorbehalt von Zwischenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.132 M17 Verwahrungsanweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.137 M18 Rücktrittsrecht, Löschungsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.139 M19 Auflösend bedingte Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.144 M20 Räumung in der Immobilie vorhandener beweglicher Sachen 2.148 M21 Kein Haftungsausschluss, Geltung gesetzlicher Rechtsfolgen 2.175 M22 Haftung für zwischen Vertragsschluss und Übergabe entstehende Sachmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.184 M23 Waldgrundstück, Erwerber „kauft“ Risiko mit . . . . . . . . . . 2.186 M24 Altlastenverdacht, Käufer trägt Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.191 M25 Energieausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.206 M26 Vorkaufsrechtszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.217 M27 Kaufpreisfälligkeit: Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.231 M28 Fälligkeitsmitteilung (deklaratorisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.239 M29 Hinweis auf Verzugseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.242 M29a Übernahmevereinbarung § 656d BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2.309 M30 Maklerklausel – Wissenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.313 M31 Maklerklausel – unechter Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . 2.317
Seite
69 78 117 149 163 295 302 383 386 390 391 392 398 407 408 410 412 414 416 417 426 430 430 432 437 440 445 446 447 459 460 462 XI
Musterübersicht
M32 Urkundseingang – Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . M33 Löschung Vormerkung unter Vorbehalt von Zwischenverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M34 Notarvollmacht für Zwangsversteigerungsverfahren . . . . . . . M35 Fälligkeitsvoraussetzung bei Zwangsversteigerungsverfahren . M36 Vollstreckungsschutz als unechter Vertrag zugunsten Dritter M37 Vollstreckungsschutz durch Grundpfandrechtsabtretung . . . M38 Verzicht auf Anwendung der MaBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . M38a Erschließungskosten, Sicherung des Erwerbers . . . . . . . . . . . M38b Auflösend bedingte Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M38c Bürgschaft bei echter Vorauszahlungsverpflichtung . . . . . . . M39 Änderungsvorbehalt Bauträgervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . M39a Kaufpreisanpassung bei Umsatzsteuererhöhung . . . . . . . . . . M39b Umsatzsteuerklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M40 Vorlageanweisung Auflassung Zug um Zug . . . . . . . . . . . . . M41 Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M41a Belehrung möglicher Anwendbarkeit der MaBV . . . . . . . . . M41b Denkmaleigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M42 Bauträgervertrag über eine noch zu errichtende Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M43 Bauträgervertrag über teilsanierte Altbauwohnung . . . . . . . . M44 Bauausführung, Abweichung vom Aufteilungsplan . . . . . . . M45 Betreutes Wohnen, Nutzungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . M46 Betreutes Wohnen, Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M47 Teileigentum, Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M48 Doppelhaushälften bzw. Reihenhäuser, Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M49 Duplex-Parker (Stellplatzsondereigentum, § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG n.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M50 Sondernutzungsrechte, Zuweisung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . M51 Sondernutzungsrechte, Zuweisung II . . . . . . . . . . . . . . . . . . M52 Sondernutzungsrechte, Zuweisung III . . . . . . . . . . . . . . . . . M53 Mehrhausanlage, Haftungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M54 Verwalter, Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M55 Unterteilung von Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . M56 Sondereigentumsfähige Räume, Tausch . . . . . . . . . . . . . . . . M57 Umwandlung, Wohnungseigentum/Teileigentum . . . . . . . . . M58 Gemeinschaftsordnung, Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M59 Wohnungseigentümergemeinschaft, Bezeichnung . . . . . . . .
XII
Rz.
Seite
2.353
471
2.407 2.415 2.417 2.441 2.452 3.19 3.42 3.65 3.81 3.123 3.130 3.130 3.136 3.157 3.229 3.279
481 482 483 489 492 504 511 513 522 530 532 532 534 545 558 572
3.343 3.344 4.26 4.34 4.37 4.40
578 589 608 611 612 613
4.45
615
4.48 4.50 4.52 4.54 4.59 4.68 4.95 4.100 4.105 4.111 4.126
618 619 619 620 622 625 627 629 631 633 638
Musterübersicht
M60 Bauträgervertrag – Änderungsvorbehalt, Änderungsvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M61 Abnahme, Gemeinschaftseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M62 Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Bindung Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M63 Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Wahrnehmung durch WE-Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M64 Versammlung der Wohnungseigentümer, Protokoll . . . . . . . M65 Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M66 Verkauf eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M67 Eigentumsähnliches Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . M68 Bauverpflichtung und Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . M69 Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M70 Vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . M71 GmbH-Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M72 Gesellschaftsvertrag der X Immo GmbH & Co. KG . . . . . . . M73 Registeranmeldung der X-Verwaltungs-GmbH . . . . . . . . . . M74 Registeranmeldung der X-Immo GmbH & Co. KG . . . . . . . M75 Grundstückseinbringung mit Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . M76 Registeranmeldung der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage . M77 Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG . M78 KG-Anteilsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M79 Registeranmeldung der KG-Anteilsübertragungen . . . . . . . . M80 Satzung einer Immobilienverwaltungs-GmbH . . . . . . . . . . . M81 GmbH-Geschäftsanteilsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
4.165 4.171
646 648
4.180
651
4.182 4.190 5.361 5.362 6.102 6.103
651 655 761 769 803 809
7.309 8.109 9.97 9.99 9.100 9.101 9.102 9.104 9.105 9.106 9.107 9.188 9.263
895 941 995 998 1004 1006 1008 1009 1009 1012 1015 1037 1050
XIII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Basty10 Bauer/Schaub4 Bamberger/Roth/Hau/Poseck4 Bärmann/Pick20 Bärmann14 Bärmann/Seuß7 Beck’scher Bilanz-Kommentar12 Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handelsund Wirtschaftsrecht14 Beck’sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht4 Beck’sches Notarhandbuch7 Birkenfeld/Wäger Blank5 Bordewin/Brandt Brandis/Heuermann Braun9 Bub/Treier5 Bunjes20 Demharter32 Erman16 Frotscher/Geurts Götz/Hülsmann12 Fuhrmann/Wälzholz3 Gottwald/Behrens/Böing/ Seemeier6 Stenger/Loose Grüneberg81
Der Bauträgervertrag, 10. Aufl. 2020 Grundbuchordnung: GBO, Kommentar, 4. Aufl. 2018 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB, 4. Aufl. 2019 ff. Wohnungseigentumsgesetz: WEG, Kommentar, 20. Aufl. 2020 Wohnungseigentumsgesetz: WEG, Kommentar, 14. Aufl. 2018 Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017 Beck’scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerbilanz, §§ 238 bis 339, 342 bis 342e HGB, 12. Aufl. 2020 Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handelsund Wirtschaftsrecht, 14. Aufl. 2022 Beck’sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2020 Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019 Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt Bauträgervertrag, 5. Aufl. 2015 Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt Ertragsteuerrecht, Kommentar, Loseblatt Insolvenzordnung (InsO), Kommentar, 9. Aufl. 2022 Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019 Umsatzsteuergesetz: UStG, 20. Aufl. 2021 Grundbuchordnung: GBO, Kommentar, 32. Aufl. 2021 BGB, Kommentar, 16. Aufl. 2020 EStG, Kommentar, Loseblatt Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht, 12. Aufl. 2019 Fuhrmann/Wälzholz (Hrsg.), Formularbuch Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2018 Grunderwerbsteuer, 6. Aufl. 2021 Bewertungsrecht, Kommentar, Loseblatt Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, Kommentar, 81. Aufl. 2022
XV
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Grziwotz/Everts/Heinemann/ Koller Haase/Jachmann2 Hannes2 Harz/Riecke/Schmid7 Herrmann/Heuer/Raupach Hesselmann/Tillmann/MuellerThuns22 Hopt41 Hübschmann/Hepp/Spitaler Hofmann11 Hügel Hügel/Elzer3 Ingenstau/Hustedt11 Jennißen7 Kersten/Bühling26 Kirchhof/Seer20 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff Krauß9 Krauß6 Krüger/Hertel12 Kübler/Prütting/Bork Küffner/Zugmaier Langenfeld/Günther6 Lindner-Figura/Oprée/ Stellmann4 Littmann/Bitz/Pust Mayer/Geck Mayer/Süß/Tanck/Bittler4 Meincke/Hannes/Holtz18 Moench/Weinmann Münchener Kommentar
Münchener Vertragshandbuch8
XVI
Grundstückskaufverträge, 2017 Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020 Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge, 2. Aufl. 2017 Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 7. Aufl. 2020 EStG, KStG, Kommentar, Loseblatt Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Auflage 2020 Handelsgesetzbuch, Kommentar, 41. Aufl. 2022 AO/FGO, Kommentar, Loseblatt GrEStG, Kommentar, 11. Aufl. 2016 Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021 Wohnungseigentumsgesetz: WEG, Kommentar, 3. Aufl. 2021 ErbbauRG, Kommentar, 11. Aufl. 2018 Wohnungseigentumsgesetz: WEG, Kommentar, 7. Aufl. 2021 Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 26. Aufl. 2019 EStG, Kommentar, 20. Aufl. 2021 EStG, Kommentar, Loseblatt Immobilienkaufverträge in der Praxis, 9. Aufl. 2020 Vermögensnachfolge in der Praxis, 6. Aufl. 2021 Der Grundstückskauf, 12. Aufl. 2020 Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt Umsatzsteuer, Kommentar, Loseblatt Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 6. Aufl. 2009 Geschäftsraummiete, 4. Aufl. 2017 EStG, Kommentar, Loseblatt Der Übergabevertrag, 3. Aufl. 2013 Handbuch Pflichtteilsrecht, 4. Aufl. 2017 ErbStG, Kommentar, 18. Aufl. 2021 ErbStG, Kommentar, Loseblatt Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018 ff.; 9. Aufl. 2022 ff. Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2019 ff. Münchener Vertragshandbuch, Band 6: Bürgerliches Recht II, 8. Aufl. 2020
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Musielak/Voit19 Myßen/Adam/Gragert/Voigt/ Wißborn17 Nerlich/Römermann Pahlke6 Pause6 Rau/Dürrwächter Reithmann/Terbrack8 Reul/Heckschen/Wienberg3 Sauer/Ritzer/Schuhmann/Meyer Schach/Riecke4 Schöner/Stöber16 Schmidt41 Schwerdtner/Hamm7 Schmitt/Hörtnagl9 Sölch/Ringleb Schwarz/Widmann/Radeisen Spiegelberger3 Spiegelberger3 Stenger/Loose Stöber22 Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk Thomas/Putzo43 Uhlenbruck15 Viskorf20 Viskorf/Schuck/Wälzholz6 von Oertzen/Loose2 Winkler/Schlögel7 Würzburger Notarhandbuch6
Zivilprozessordnung: ZPO mit Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 19. Aufl. 2022 Renten, Raten, Dauernde Lasten, 17. Aufl. 2021 Insolvenzordnung, Kommentar, Loseblatt Grunderwerbsteuergesetz: GrEStG, Kommentar, 6. Aufl. 2018 Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl. 2018 Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Loseblatt Kauf vom Bauträger, 8. Aufl. 2017 Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, 3. Aufl. 2022 Handbuch Immobilienbesteuerung, Loseblatt Mietrecht: Wohnraum – Gewerberaum – Pacht, Formularbuch, 4. Aufl. 2019 Grundbuchrecht, Handbuch, 16. Aufl. 2020 Einkommensteuergesetz: EStG, Kommentar, 40. Aufl. 2022 Maklerrecht, 7. Aufl. 2016 Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz: UmwG, UmwStG, Kommentar, 9. Aufl. 2020 Umsatzsteuergesetz: UStG, Kommentar, Loseblatt Kommentar zum Umsatzsteuergesetz (UStG), Kommentar, Loseblatt Unternehmensnachfolge, 3. Aufl. 2022 Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020 BewG, ErbStG, Kommentar, Loseblatt Zwangsversteigerungsgesetz: ZVG, Kommentar, 22. Aufl. 2022 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: ErbStG, Kommentar, Loseblatt Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, 43. Aufl. 2022 Insolvenzordnung: InsO, Kommentar, 15. Aufl. 2018 Grunderwerbsteuergesetz: GrEStG, Kommentar, 20. Aufl. 2022 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2020 ErbStG, Kommentar, 2. Aufl. 2020 Handbuch des Erbbaurechts, 7. Aufl. 2021 Frenz/Hertel/Limmer, Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2021
XVII
Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl. a.E. a.F. AfA AfaA AfS AGB AGBG AktStR allg. Anm. AnwBl. AO Art. BauGB BauR BayGVBl. BayKAG BayObLG BayObLGZ BB BBergG BBodSchG BBodSchV BeurkG BewG BewG-E BFHE BFH/NV BGB BGH BGHZ BIS BMF BNotK BNotO BOStB
anderer Ansicht Amtsblatt am Ende alte Fassung Absetzung für Abnutzung Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung Absetzung für Substanzverringerung Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktuelles Steuerrecht allgemein Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Artikel, auch bei Mehrzahl Baugesetzbuch Baurecht Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerisches Kommunalabgabengesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Der Betriebs-Berater Bundesberggesetz Bundesbodenschutzgesetz Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz-Entwurf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Der Bau- und Immobiliensachverständige Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesnotarkammer Bundesnotarordnung Berufsordnung der Steuerberater XIX
Abkürzungsverzeichnis
BR-Drucks bspw. BStBl. BT-Drucks. BTR BVerfG BVerwG BWNotZ
Bundesrats-Drucksache beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Zeitschrift für das Recht der Bauinvestoren, Bauträger und Projektentwickler Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg
DB DM DNotZ DStR DStRE DWE DWW
Der Betrieb Deutsche Mark Deutsche Notarzeitschrift Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst Der Wohnungseigentümer Deutsche Wohnungswirtschaft
EFG EG EGBGB EigZulG EnEV ErbbauRG ErbBstg ErbStB ErbStG ErbStG-E ErbStH ErbStR EStB EStDV EStG EStR EU EuErbVO EuGH EUGVÜ
Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Eigenheimzulagengesetz Energieeinsparverordnung Erbbaurechtsgesetz Erbfolgebesteuerung Der Erbschaft-Steuer-Berater Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Entwurf Erbschaftsteuerhandbuch Erbschaftsteuer-Richtlinien Der Ertragsteuerberater Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Europäische Erbrechtsverordnung Europäischer Gerichtshof Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz)
EURLUmsG
FG FinMin. Fn. XX
Finanzgericht Finanzministerium Fußnote
Abkürzungsverzeichnis
FinVerw. FördG FoSiG FR FS
Finanzverwaltung Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (Fördergebietsgesetz) Forderungssicherungsgesetz Finanzrundschau Festschrift
GBO GBVfg gem. GewO GewStG GG ggf. gl.A. GmbHR GmbH-StB GrBewV-E grds. GrEStG GStB GstG GuB
Grundbuchordnung Grundbuch-Verfügung gemäß Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls gleiche(r) Ansicht GmbH-Rundschau Der GmbH-Steuer-Berater Grundvermögensbewertungsverordnung-Entwurf grundsätzlich Grunderwerbsteuergesetz Gestaltende Steuerberatung Gleichstellungsgesetz Grund und Boden
ha HausbauVO Hdb. HessFG HFR HGB Hinw. h.M.
Hektar Hausbauverordnung Handbuch Hessisches Finanzgericht Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Hinweis herrschende Meinung
IAB IBR i.d.F. i.G. IHK INF InsO InvZulG i.S.v./i.S.d. i.V.m.
Investitionsabzug Immobilien- und Baurecht in der Fassung in Gründung Industrie- und Handelskammer Information über Steuer und Wirtschaft Insolvenzordnung Investitionszulagengesetz im Sinne von/im Sinne des in Verbindung mit
XXI
Abkürzungsverzeichnis
JABl. JDStJG JStG JuS JZ
Juristische Arbeitsblätter Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. Jahressteuergesetz Juristische Schulung Juristenzeitung
Kap. KFR KG KO KÖSDI KostO KStG KTS
Kapitel Kommentierte Finanzrechtsprechung Kommanditgesellschaft, Kammergericht Konkursordnung Kölner Steuerdialog Kostenordnung Körperschaftsteuergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen
LAG LG LStDV LSWB
Landesarbeitsgericht Landgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Landesverband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e.V.
m. Anm./m. Hinw. MaBV MDR MietRB MittBayNot
MwStSystRL
mit Anmerkung/mit Hinweis Makler- und Bauträgerverordnung Monatsschrift für Deutsches Recht Der Miet-Rechts-Berater Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkasse Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
NdsRpfl NHK NJW NJW-RR NotBZ n.v. NWB NZI NZM
Niedersächsische Rechtspflege Normherstellungskosten Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zeitschrift für die notarielle Beurkundungspraxis nicht veröffentlicht Neue Wirtschaftsbriefe Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht
OFD OHG
Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft
MittRhNotK MRVerbG
XXII
Abkürzungsverzeichnis
OLG OLGReport
Oberlandesgericht Oberlandesgerichts-Report
PrKV
Preisklauselverordnung
RBerG RDM-Rspr.
Reits RFH RGZ rkr. RNotZ Rpfleger RStBl. RWP Rz.
Rechtsberatungsgesetz RDM-Sammlung von Rechtsprechung zum Makler- und Immobilienrecht Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen real estate investment trusts Reichsfinanzhof Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen rechtskräftig Rheinische Notar-Zeitschrift Der Deutsche Rechtspfleger Reichssteuerblatt Rechts- und Wirtschaftspraxis Randzahl
s. s.a. SachenRBerG StÄndG StB Stbg StbJb StBp StED StEntlG StJB StMBG str. StrG StuB StuW StW
siehe siehe auch Sachenrechtsbereinigungsgesetz Steueränderungesetz Der Steuerberater Die Steuerberatung Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung Steuer-Eildienst Steuerentlastungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Missbrauchsbekämpfung- und Steuerbereinigungsgesetz streitig Straßengesetz Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Steuer-Warte
Tz.
Textzahl
u.E. UmwStG UNCITRAL UntStFG UntStRefG UR
unseres Erachtens Umwandlungssteuergesetz United Nations Commission on International Trade Law Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts Unternehmensteuerreformgesetz Umsatzsteuer-Rundschau
REITG
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
UR. Urt. UStB UStG UStR UVR
Urkundenrolle Urteil Der Umsatz-Steuer-Berater Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuerrichtlinien Umsatzsteuer- und Verkehrssteuer-Recht
Var. VerbrKrG VersR Vfg. vgl. v.H. VOB VOB/B v.T. VZ
Variante Verbraucherkreditgesetz Versicherungsrecht Verfügung vergleiche vom Hundert Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen vom Tausend Veranlagungszeitraum
WE WEG WertV WEZ WKA WM WoBauG II. WoBindG WuM
Wohnungseigentum und Mietrecht Wohnungseigentumsgesetz Wertermittlungsverordnung Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht Windkraftanlage Wertpapiermitteilungen Zweites Wohnungsbaugesetz Wohnungsbindungsgesetz Wohnungswirtschaft und Mietrecht
ZErb ZfIR ZGB ZIP ZMR ZNotP ZOV ZSteu ZVG ZWE
Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Immobilienrecht Zivilgesetzbuch (DDR) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift für offene Vermögensfragen Zeitschrift für Steuern und Recht Zwangsversteigerungsgesetz Zeitschrift für Wohnungseigentum
XXIV
Kapitel 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung A. Interdependenz von Zivilund Steuerrecht I. Immobilienmarkt 1. Fördergebietsgesetz . . . . . . 2. Aktueller Immobilienboom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übersicht: Die eigenen vier Wände . . . . . . . . . . . . . 4. REITs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zunahme von Mehrfamilienhäusern . . . . . . . . . . . . . . 6. Entwicklung der Wohnungsgröße in Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern . . . . . . . . . . . . . 7. Wohnbaufläche in Großstädten seit 2019 . . . . . . . . . 8. Anteil von Einfamilienhäusern in Großstädten . . . 9. Trend zum selbstbewohnten, steuerlich begünstigten Eigenheim . . . . . . . . . . . 10. Europäische Eigenheimstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wechselseitige Bezüge von Zivil- und Steuerrecht 1. Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . 2. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht . . 3. Wirtschaftliche Betrachtungsweise a) Gesetzliche Regelungen und Richterrecht . . . . . . . b) Weitere Aspekte der wirtschaftlichen Betrachtungsweise . . . . . . . . c) Zivilrechtlicher Durchgangserwerb . . . . . . . . . . . d) Gesamthands- oder Bruchteilsbetrachtung . . . e) Einbringung oder Veräußerung? . . . . . . . . . . . . .
1.1 1.2 1.3 1.4 1.7
1.9 1.11 1.12 1.14 1.17
1.20 1.21
1.22 1.25 1.26 1.27 1.28
III. Eigenständige steuerlichrechtliche Begriffsbildung 1. Einschränkung der Maßgeblichkeit des Zivilrechts . . 2. Ertragsteuerlicher Grundstücksbegriff . . . . . . . . . . . . . . 3. Grunderwerbsteuerlicher Grundstücksbegriff . . . . . . . . 4. Unternehmerbegriff a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Einkommensteuer . . . . . . c) Gewerbesteuer . . . . . . . . . d) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . 5. Mitunternehmer . . . . . . . . . . IV. Kautelarjuristische Praxis 1. Gesamtrechtsnachfolge und vorweggenommene Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lückenhafte gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Typologische Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerliche Anerkennung von Rechtsgeschäften 1. Nichtige und unwirksame Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . 2. Gleichgerichtete Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . 4. Erbvergleich . . . . . . . . . . . . . . 5. Angehörigenverträge a) Fremdüblichkeit . . . . . . . . b) Darlehensverträge aa) Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Schenkung und Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . bb) Darlehenssicherung . cc) Durchführung des Darlehensvertrages . .
1.35 1.36 1.41 1.45 1.46 1.47 1.48 1.50
1.55 1.58 1.60
1.70 1.73 1.74 1.76 1.81
1.82 1.84 1.85
Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz 1
Kap. 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung c) Familiengesellschaften aa) Enge Grenzziehung . bb) Vertragsabschlüsse unter Gesellschaftern/Gemeinschaftern/Miteigentümern . . . . . . . . . . . . . cc) Vertretung Minderjähriger . . . . . . . . . . . dd) Mitunternehmer . . . d) Steuerliche Anerkennung von Mietverträgen e) Vorbehaltsnießbrauch bei Grundstücksübertragung aa) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . bb) Wirksame Bestellung . . . . . . . . . . . . . . cc) Praxishinweise . . . . . dd) Nießbrauch an Betriebsgrundstücken . ee) Ertragsnießbrauchrechte . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung . . 6. Ehegattenrechtsverhältnisse a) Grundstücksgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Oder-Konten . . . . . . . . . . VI. Gestaltungsmissbrauch 1. Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . 2. Körperschaftsteuerliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bauherrenmodell . . . . . . . . . 4. Anschaffungsnaher Aufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Missbräuchliche Vermietungsgestaltungen a) Indizien für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht; Veräußerungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mietkaufmodell . . . . . . . . c) Gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene (Überkreuzvermietung) . . . . . . . . . . . d) Zulässige Formen wechselseitiger Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . e) Stuttgarter Modell und Münchner Modell . . . . . .
1.86
1.87 1.88 1.89 1.90
1.100 1.102 1.103 1.108 1.109 1.111 1.120 1.123 1.129 1.132 1.138 1.140
1.141 1.142
1.143 1.144 1.145
f) Zwischenschaltung von Angehörigen . . . . . . . . . . . 6. Grunderwerbsteuerliche Grenzen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Maskierte Kaufvertragsangebote . . . . . . . . . . . . . . c) Missbräuchlicher Zwischenerwerb . . . . . . . . . . . 7. Erbschaft- und schenkungsteuerliche Grenzen a) Kettenschenkungen . . . . . b) Grundstücksschenkung vor beabsichtigter Weiterveräußerung . . . . . . . . 8. Gesamtplan a) Gewerblicher Grundstückshandel; Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . b) Mehrstufige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . c) Umstrukturierungen und Gesamtplan . . . . . . . 9. Behalte- und Nachversteuerungsfristen a) Behaltensfristen in Erbfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haltefristen bei Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) aa) Veräußerungsgeschäfte im Privatvermögen . . . . . . . . . bb) (Private) Veräußerungsgeschäfte mit betrieblichem Bezug c) Sonstige fristgebundene Dispositionen aa) Zwei-Jahres-Frist . . . bb) Drei-Jahres-Frist . . . cc) Fünf-Jahres-Frist . . . dd) Fünf- bzw. SiebenJahres-Frist . . . . . . . . ee) Nach sieben Jahren . ff) Fünf bis zehn Jahre . VII. Vertragsgegenstand bei Immobilienübertragungen 1. Grund und Boden: Grundstücksbegriff a) Zivilrecht aa) Allgemeines . . . . . .
2 Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz
1.147 1.150 1.155 1.157 1.158 1.159
1.160 1.163 1.165
1.167
1.169 1.170 1.171 1.172 1.173 1.174 1.175 1.176
1.250
Steuerorientierte Immobilienübertragung bb) Wesentliche Grundstücksbestandteile . . . . . . . . . cc) Zubehör . . . . . . . . . . b) Einkommensteuer . . . . . 2. Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebäudeerrichtung a) Beurkundungspflicht aa) Bauvertrag . . . . . . . . bb) Architektenbindung . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere Anbieter . . . . . c) Einheitlicher Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . . 4. Inventar und Zubehör a) Inventar . . . . . . . . . . . . . . b) Zubehör . . . . . . . . . . . . . 5. Übernahme von Verpflichtungen a) Mit dem Vertragsgegenstand verbundene Verpflichtungen . . . . . . . b) Zusätzliche Leistungspflichten des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übernahme von Grundpfandrechten: Verbraucherkreditvorschriften? a) Schuldübernahme . . . . . b) Änderung der Sicherungsvereinbarung . . . . c) Dingliche Haftung . . . . . d) Nachträgliche Schuldzinsen . . . . . . . . . . . . . . . 7. Erschließungs- und Anliegerkosten a) Vertragliche Regelung . . b) Einkommensteuer . . . . . c) Grunderwerbsteuer . . . . d) Unerschlossenes Grundstück . . . . . . . . . . e) Umsatzsteuer . . . . . . . . . 8. Kaufpreisaufteilung auf Grundstück und Gebäude sowie auf einzelne Objekte innerhalb eines Gebäudes a) Vertragliche Bestimmung; AfA-Bemessungsgrundlage . . . . . . .
1.255 1.256 1.257 1.258 1.270 1.271 1.272 1.280 1.281 1.282
1.283 1.284
1.290 1.291 1.292 1.293 1.300 1.302 1.303 1.304 1.305
1.320
b) Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) . . . . . . . . c) Wohnungen . . . . . . . . . . d) Zuordnung von Schuldzinsen . . . . . . . . . 9. Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten a) Kaufvertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsteuer und Gebäudebrandversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grunderwerbsteuer . . . . 10. Vertragsmuster mit Anmerkungen a) Bauplatz . . . . . . . . . . . . . b) Mietshaus . . . . . . . . . . . . VIII. Verbindliche Auskunft des Finanzamtes 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Antrag auf verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebührenpflicht . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . IX. Steuerhaftung der Anwälte und Notare 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsanwälte und Anwaltsnotare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Nur-)Notare . . . . . . . . . . . . . B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels I. Überblick 1. Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . 2. Gebäude im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufteilung in einzelne Wirtschaftsgüter . . . . . . . . b) Zuordnung eines Gebäudes zum Betriebsoder Privatvermögen . . . . aa) Funktionsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . (1) Notwendiges Privatvermögen . . . . . . . . . . (2) Notwendiges Betriebsvermögen . . . . .
Kap. 1
1.321 1.323 1.324
1.330 1.333 1.335 1.349 1.371
1.399 1.400 1.401 1.402
1.409 1.410 1.412
1.500 1.504 1.505 1.509 1.510 1.511 1.512
Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz 3
Kap. 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung (3) Gewillkürtes Betriebsvermögen . . . . (4) Abgrenzung Privatvermögen – Betriebsvermögen . . . . bb) Anlage- und Umlaufvermögen . . . . . . c) Gebäude auf fremdem Grund und Boden . . . . . . aa) Ehegattengrundstücke . . . . . . . . . . . . . . . bb) Baumaßnahmen auf Grundstücken der Eltern . . . . . . . . . . . . . cc) Wirtschaftliches Eigentum durch Nutzungsrechte . . . . . . . . 3. Sachverhaltsermittlung . . . . 4. Entstehung des Einkommensteueranspruches . . . . . II. Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke 1. Land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen . . . 2. Vertragsgestaltung a) Entnahme . . . . . . . . . . . . . b) Bestellung von Erbbaurechten . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbringung in eine GmbH & Co. KG . . . . . . . d) Nutzung zu eigenen Wohnzwecken . . . . . . . . . III. Grundstücke im gewerblichen Betriebsvermögen 1. Verbraucherverträge . . . . . . 2. Vorhandener Gewerbebetrieb oder Mitunternehmeranteil a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Betriebsvorrichtungen . . c) Anlage- und Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geringwertige Grundstücksteile und Arbeitszimmer im Wohngebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewinnrealisierung . . . . . f) Anliegerbeiträge als Anschaffungskosten . . . . . . . g) Rückstellung für Rückabwicklung . . . . . . . . . . . .
1.513 1.514 1.521 1.522 1.523 1.527 1.528 1.541 1.547
1.550 1.552 1.556 1.557 1.558
1.570
1.571 1.574 1.575
1.576 1.577 1.578 1.579
3. Kaufvertrag eines Betriebsgrundstücks . . . . . . . . . . . . . . 4. Anmerkungen zum Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Drohender gewerblicher Grundstückshandel a) Sachverhaltsermittlung und Gestaltungsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . b) Verteilung der Grundstücksaktivitäten auf mehrere Personen . . . . . . c) Abschirmwirkung gewerblicher Tätigkeiten durch Einschaltung einer GmbH aa) Allgemeines . . . . . . . . bb) Überlegungen aus Verkäufersicht . . . . . . (1) GmbH-Anteile im Betriebsvermögen . . (2) GmbH-Anteile im Privatvermögen . . . . (3) Anteilstausch . . . . . . (4) Grunderwerbsteuer . cc) Überlegungen aus Käufersicht . . . . . . . . d) Aufhebung von Wohnungseigentum . . . . . . . . e) Vermeidung von Zusatztätigkeiten . . . . . . . . . . . . . f) Beteiligung an Immobilien-Personengesellschaften unter 10 % . . . . . . . . . g) Bestellung von Erbbaurechten und Dauerwohnrechten . . . . . . . . . . h) Aufrollung früherer Grundstücksveräußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gewerblicher Grundstückshandel zur Verlustverwertung . . . . . . . . . j) Steuerbegünstigte Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels . . . . k) Beratungsgefahren . . . . . . l) Checkliste gewerblicher Grundstückshandel . . . . . IV. Grundstücke im freiberuflichen Betriebsvermögen . . . . .
4 Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz
1.580 1.581
1.590 1.594
1.603 1.607 1.609 1.610 1.611 1.612 1.613 1.614 1.616 1.617 1.619 1.622 1.625 1.626 1.628 1.632 1.640
Steuerorientierte Immobilienübertragung 1. Notwendiges Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entnahme bei Beendigung der Berufstätigkeit . . . . . . . . 3. Ermäßigter Steuersatz . . . . . 4. Arbeitszimmer . . . . . . . . . . . 5. Steuerneutrale Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesellschafterein- und austritt bei Freiberufler-Personengesellschaften . . . . . . . . . 7. Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Lohnsteuerpflichtige Überlassung von Grundstücken, Räumen und Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einkünfte aus Kapitalvermögen 1. Verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht kostendeckende Vermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsferienimmobilien . VII. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Veräußerung von Ausbeutegrundstücken 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang des Bodeneigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausbeutevertrag . . . . . . . . . . 4. Grundstückskaufvertrag . . . 5. Einkommensteuerpflicht a) Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zu Ausbeuteverträgen . . . . . . . . . . . . c) Dienstbarkeiten . . . . . . . . d) Landwirtschaftliche Grundstücke . . . . . . . . . . . e) Gewerbliches Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . f) Einlage des Bodenschatzes in ein Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . g) Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu Ausbeutegrundstücken . . . . . . . . . . h) BMF-Schreiben vom 26.7.2016 . . . . . . . . . . . . . .
1.641 1.642 1.646 1.647 1.648 1.649 1.650
1.660
1.670 1.675 1.677
1.680 1.682 1.683 1.684 1.685 1.686 1.688 1.689 1.690 1.691 1.693 1.695
i) Konten der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . j) Formulierungsvorschlag: Bodenschatzveräußerung als Grundstückskaufvertrag . . . . . . . . . . . . k) Anmerkungen zum Formulierungsvorschlag Bodenschatzveräußerung . . VIII. Gestaltungsüberlegungen bei privaten Veräußerungsgeschäften 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Progressionsmilderung durch zeitliche Streckung des Veräußerungserlöses . . . 3. Angebot und Annahme . . . . 4. Erbbaurechte, Dauerwohnund Dauernutzungsrechte . . 5. Abschluss von Vorverträgen 6. Nachträgliche Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vereinbarung eines Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vertragsgestaltung a) Kauf mit wiederkehrenden Zahlungen . . . . . . . . . b) Anmerkungen zum Kauf auf Leibrente . . . . . . . . . . . C. Laufende Einkommensbesteuerung I. Betriebliche und freiberufliche Einkünfte 1. Einkünftetatbestand . . . . . . . 2. Einkünfteermittlung . . . . . . . II. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1. Einkünftetatbestand a) Objektiver Einkünftetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektiver Einkünftetatbestand (Einkünfteerzielungsabsicht) aa) Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache . . . . . . . . . . . bb) Einkünfteerzielungsabsicht bei auf Dauer angelegter Vermietung . . . . . . . .
Kap. 1
1.696
1.698 1.699
1.710 1.717 1.722 1.727 1.751 1.752 1.754 1.757 1.758
1.800 1.804
1.807
1.810
1.813
Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz 5
Kap. 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung cc) Fälle fehlender oder zweifelhafter Einkünfteerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . (1) Vermietung von Ferienwohnungen . . (2) Beteiligung an einem Mietkaufmodell . . . . (3) Immobilienerwerb mit Rück- oder Verkaufsgarantie . . . . . . (4) Verbilligte Vermietung . . . . . . . . . . . . . . (5) Befristete Vermietung vor geplanter Selbstnutzung oder Veräußerung . . . . . . . (6) Einkünfteerzielungsabsicht bei Wohnungsleerstand . . . . . (7) Besonders aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnungen . . . . . . . . . . . (8) Krasses Missverhältnis zwischen Mieteinnahmen und Schuldzinsen bei Fehlen jeglichen Finanzierungskonzeptes . . . . . . . . . . . . . dd) Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht und Verlustverrechnungsbeschränkungen bei geschlossenen Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . (1) Immobilienfonds als Verlustzuweisungsgesellschaft . . . . . . . . (2) Immobilienfonds als Steuerstundungsmodell . . . . . . . . . . . . 2. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . . . 3. Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung . a) Absetzungen für Abnutzung (AfA) aa) Allgemeines . . . . . . .
1.816 1.817 1.825 1.826 1.832
1.851 1.854
1.861
1.862
1.863 1.864 1.866 1.870 1.873 1.881
bb) Lineare AfA . . . . . . . . cc) Degressive AfA . . . . . dd) Erhöhte Absetzungen gem. § 7h EStG bei Gebäuden in Sanierungsgebieten (1) Begünstigte Maßnahmen . . . . . . . . . . . (2) Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bescheinigung . . . . . (4) Ausgleichsbeträge . . . ee) Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen gem. § 7i EStG (1) Begünstigte Maßnahmen . . . . . . . . . . . (2) Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bescheinigung . . . . . (4) Begünstigung einzelner Baumaßnahmen ff) Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale und Gebäude in Sanierungsgebieten (§ 10f EStG) . . . . . . . gg) Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (§ 10g EStG) . . . . . . . hh) Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung bei Gebäuden (AfaA) . . . . . . . . ii) Maßnahmen zur AfA-Erhöhung . . . . . (1) Einbringung in eine GmbH & Co. KG . . . (2) Vorweggenommene Erbfolge mit Versorgungsleistungen und Zeitrenten . . . . . . . . .
6 Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz
1.884 1.885
1.887 1.893 1.894 1.895
1.896 1.900 1.901 1.905
1.906
1.910
1.912 1.915 1.916
1.918
Steuerorientierte Immobilienübertragung b) Finanzierungsaufwendungen aa) Schuldzinsen . . . . . . . bb) Schuldzinsen bei gemischt genutzten Grundstücken . . . . . . cc) Darlehensaufnahmen von Eheleuten zur Finanzierung einer Immobilie eines Ehegatten . . . . . . . . . . dd) Nachträgliche Schuldzinsen . . . . . . . ee) Vorfälligkeitsentschädigung . . . . . . . . ff) Gebühren der Finanzierung . . . . . . . c) Damnum . . . . . . . . . . . . . d) Erhaltungsaufwand aa) Allgemeines . . . . . . . . bb) Begriff . . . . . . . . . . . . cc) Negativabgrenzung von Erhaltungsaufwand zu Herstellungskosten . . . . . . . . (1) Herstellen eines neuen Gebäudes . . . . (2) Erweiterung eines Gebäudes . . . . . . . . . . (3) Wesentliche Verbesserung eines Gebäudes . . . . . . . . . . . . . . . (4) Getrennte und einheitliche Beurteilung einzelner Aufwendungen . . . . . . . . . . . . (5) „Anschaffungsnahe“ Aufwendungen als Herstellungs- oder Anschaffungskosten (a) Rechtsprechungsentwicklung . . . . . . . (b) Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des StÄndG 2003 . . . . . . . . . . . . . . (c) Rechtsanwendungsfragen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG . . . . . . . .
1.931 1.933
1.936 1.939 1.940 1.942 1.943 1.945 1.946
1.947 1.948 1.950 1.953
1.957
1.959
1.960 1.961
e) Erschließungskosten aa) Erstmals durchgeführte Erschließungsmaßnahme als Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . bb) Nachträgliche Erschließungskosten sind grds. sofort abziehbarer Aufwand . . cc) Nachträgliche Beiträge wegen Zweiterschließung . . . . . . . dd) Nutzungsbezogene Beiträge . . . . . . . . . . . f) Sonstige abziehbare Werbungskosten aa) Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden . . . . . . . . . . . bb) Abrisskosten . . . . . . . cc) Zweitwohnungssteuer . . . . . . . . . . . . . g) Zuordnung von Aufwand aa) Zeitliche Zuordnung (1) Grundsatz: Abflussprinzip . . . . . . . . . . . . (2) Werbungskostenabzug in der Zeit und jenseits zufließender Einnahmen (a) Vorab entstandene Werbungskosten . . . . (b) Nachträgliche Werbungskosten . . . . . . . (3) Typisierung bei Renovierungs- oder Erhaltungsaufwand . (4) Vergebliche Werbungskosten und Aufgabeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachliche Zuordnung: Werbungskosten bei abgekürztem Vertragsweg . . . . . . . . 4. Investitionszulagen . . . . . . . .
Kap. 1
1.964
1.965 1.968 1.969
1.970 1.971 1.972
1.973
1.974 1.975 1.976
1.979
1.980 1.1001
Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz 7
Kap. 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung III. Wiederkehrende Bezüge und Leistungen 1. Rechtslage für bis zum 31.12.2007 vereinbarte Übertragungen . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage für nach dem 31.12.2007 vereinbarte Übertragungen . . . . . . . . . . . IV. Bauabzugssteuer (§§ 48 ff. EStG) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsmerkmale des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG . . . . 3. Rechtsfolge des § 48 Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Selbstnutzung zu Wohnzwecken: Eigenheimzulage 1. Auslaufen der Eigenheimförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtswirksamer Erwerbsvertrag oder Herstellungsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinschaftlicher Erwerb . 4. Eigentumsähnliches Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Übertragungen während des achtjährigen Förderzeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gewerbesteuer I. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . II. Vermietung und Verpachtung von Immobilien 1. Vermietung . . . . . . . . . . . . . . 2. Verpachtung . . . . . . . . . . . . . 3. Erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG . . . E. Grunderwerbsteuer I. Steuerbare Rechtsvorgänge . . 1. Grundstücksumsätze . . . . . . 2. Erwerb ohne Auflassung a) Anwachsung . . . . . . . . . . . b) Erbteilsveräußerung . . . . c) Verschmelzung und Spaltung . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes a) Gesetzliche Regelung . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . .
1.1004 1.1010
1.1031 1.1032 1.1038
1.1041 1.1042 1.1044 1.1045 1.1046 1.1060
1.1063 1.1065 1.1066 1.1100 1.1101 1.1102 1.1103 1.1104 1.1105 1.1106
4. Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . 5. Wirtschaftliche Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3a GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenerwerb: Vertragsangebot mit Benennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verwertungsbefugnis . . . . . . II. Grunderwerbsteuerlicher Grundstücksbegriff . . . . . . . . . III. Bemessungsgrundlage 1. Wert der Gegenleistung . . . . 2. Grundbesitzwert . . . . . . . . . . 3. Bewertung von Nutzungen . 4. Kauf- und Bauvertrag . . . . . IV. Grunderwerbsteuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befreiung gem. §§ 3 und 4 GrEStG a) Freigrenze . . . . . . . . . . . . . b) Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkung unter Lebenden, § 3 Nr. 2 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . c) Erwerb eines Nachlassgrundstückes durch Miterben zur Teilung des Nachlasses, § 3 Nr. 3 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . d) Befreiungen gem. § 3 Nr. 4 bis 8 GrEStG . . . . . e) Ausnahmen gem. § 4 GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befreiungen bei Miteigentümer- und Gesamthandsgemeinschaften a) Befreiungstatbestände . . . b) Zehnjährige Sperrfrist . . . c) Personenbezogenheit . . . V. Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . 1. Grunderwerbsteuerliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsübernahme oder Vertragsaufhebung? . . . . . . . 4. Rückabwicklung . . . . . . . . . .
8 Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz
1.1108 1.1111 1.1112 1.1113 1.1115 1.1118 1.1122 1.1124 1.1125 1.1141 1.1143
1.1150
1.1151 1.1154 1.1155
1.1156 1.1158 1.1160 1.1165 1.1166 1.1167 1.1168 1.1170
Steuerorientierte Immobilienübertragung F. Umsatzsteuer I. Steuerbefreiung von Grundstücksumsätzen – § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG . . . . . . . . . . . . . 1. Umsätze, die unter das Grunderwerbssteuergesetz fallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung eines Miteigentumsanteils . . . . . . . . . . . 3. Grundstück i.S.d. UStG (Grund und Boden & Gebäude) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bauten auf fremdem Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . II. Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . 2. § 9 Abs. 1 UStG – Ausübung und Umfang der Option . . . 3. § 9 Abs. 3 UStG – Form und Zeitpunkt der Optionsausübung . . . . . . . . . . . . . 4. Verwendungsabsicht . . . . . . . 5. Teiloption . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Option gegenüber einer Bruchteilsgemeinschaft . . . . 7. Musterklausel bei ausgeübter Option . . . . . . . . . . . . . . . III. Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . 2. Übertragung von Grundstücken als Geschäftsveräußerung im Ganzen . . . . . . 3. Vorsorgliche Option . . . . . . . 4. Musterklausel für eine vorsorgliche Option . . . . . . . . . . IV. Bemessungsgrundlage . . . . . . . V. Steuerschuldnerschaft und Rechnung 1. Steuerschuldnerschaft . . . . . 2. Steuerentstehung . . . . . . . . . 3. Rechnungsausstellung . . . . . VI. Wohnungs- und Teileigentum 1. Veräußerung von Wohnungs- und Teileigentum . . 2. Leistungen zwischen Eigentümergemeinschaft und Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . .
1.1200 1.1201 1.1202 1.1204 1.1209 1.1213 1.1214 1.1216 1.1219 1.1226 1.1230 1.1239 1.1240 1.1241 1.1244 1.1248 1.1252 1.1256 1.1271
1.1274 1.1276 1.1280
1.1283 1.1284
VII. Erbbaurechte . . . . . . . . . . . . . . . G. Gemeindliche Steuern I. Grundsteuer 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerpflicht und Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsteuerwerte . . . . . . . . . 4. Hauptfeststellung und Fortschreibungen . . . . . . . . . . . . . 5. Grundsteuererhebung . . . . . 6. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Erlass der Grundsteuer . . . . . II. Zweitwohnungssteuer . . . . . . . H. Erbschaft- und Schenkungsteuer I. Rechtsentwicklung 1. Reichseinheitliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbschaftsteuerreform 1974 . 3. Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995 samt ErbStG vom 27.2.1997 . . . . . . . . . . . . 4. Erbschaftsteuerreform 2009 . 5. Erbschaftsteuerreform 2016 . II. Grenzüberschreitende Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnsitz und Aufenthaltsort . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung nach § 21 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 4 AStG . III. Übertragungsvarianten 1. Vollentgeltliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unentgeltliche und teilentgeltliche Rechtsgeschäfte . . . a) Reine Schenkung . . . . . . . b) Auflagenschenkung . . . . . c) Gemischte Schenkung . . .
Kap. 1 1.1289
1.1330 1.1332 1.1333 1.1336 1.1337 1.1340 1.1341 1.1343
1.1360 1.1361 1.1362 1.1363 1.1364 1.1365 1.1366 1.1367
1.1372 1.1374 1.1377
1.1382 1.1384 1.1385 1.1386 1.1392
Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz 9
Kap. 1 Steuerorientierte Immobilienübertragung d) Die Behandlung des Pflichtteils in der Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . IV. Familienheime 1. Zuwendungen unter Lebenden gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb von Todes wegen durch Ehegatten/Lebenspartner gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG . . . . . . . . . . . . 3. Erwerb von Todes wegen durch Kinder/Enkel gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG . . V. Wohnungsunternehmen . . . . . VI. Verschonungsregelung für Betriebsvermögen gem. §§ 13a und 13b i.V.m. § 19a ErbStG 1. Erbschaftsteuerreform 2016 a) Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 . b) Verwaltungsvermögen . . c) Lohnsummenregelung . . d) Familienunternehmen . . e) Großerwerb . . . . . . . . . . . f) Stundung . . . . . . . . . . . . . 2. Regelverschonung . . . . . . . . 3. Optionsverschonung . . . . . . 4. Das Ende der Cash-GmbH . 5. Berechnungsschema zur Ermittlung des Wertes des begünstigten Vermögens . . . J. Bewertungsrecht I. Bewertung von steuerlichem Privatvermögen 1. Missbrauchsbegrenzung . . .
1.1395
1.1399
1.1404 1.1405 1.1406
1.1411 1.1413 1.1414 1.1415 1.1416 1.1417 1.1418 1.1422 1.1423 1.1426
2. Grundstücksbewertung . . . . 3. Unbebaute Grundstücke . . . 4. Bebaute Grundstücke . . . . . . a) Vergleichswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ertragswertverfahren . . . c) Sachwertverfahren . . . . . . aa) Wertermittlung . . . . bb) Praxishinweis . . . . . . 5. Bewertung von Erbbaurechten und Erbbaugrundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen 1. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftswert . . . . . . . . . . . 3. Mindestwert . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag . . . . . . . . . . . . . 6. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . 7. Ertragswertverfahren und Mindestbewertung in Beispielsfällen nach Hutmacher, ZNotP 2008, 218 (229) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung von Betriebsvermögen und Kapitalgesellschaftsanteilen 1. Vereinfachtes Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsergebnis . . . . . . . . . . 3. Wertuntergrenze . . . . . . . . . . 4. Kapitalisierungsfaktor . . . . .
1.1427
10 Spiegelberger/Schallmoser/Gottwald/Küffner/Wälzholz
1.1431 1.1432 1.1435 1.1436 1.1438 1.1442 1.1443 1.1447 1.1449
1.1451 1.1456 1.1458 1.1460 1.1461 1.1462
1.1463
1.1470 1.1471 1.1472 1.1473
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.2 Kap. 1
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht I. Immobilienmarkt 1. Fördergebietsgesetz Die überzogene Neubauförderung durch das Fördergebietsgesetz1 hat im Osten 1.1 Deutschlands Anfang der 1990er Jahre zu einem beispiellosen Immobilienboom mit einem ebenso abrupten Rückgang in den folgenden Jahren geführt. Während die Immobilienpreise in der Vergangenheit international ständig kletterten, lag die Wertentwicklung der deutschen Immobilien ursprünglich unterhalb der Inflationsrate. 2. Aktueller Immobilienboom Erst durch die Zinspolitik der EZB, die zu Minuszinsen auf Bankguthaben von über 1.2 100.000 t führte, explodierten die Grundstückspreise. Hinzu kommt, dass für Immobilieninvestitionen langfristige Bankkredite mit einer Laufzeit von über zehn Jahren und einem festen Jahreszins von unter 1 % gewährt wurden, so dass für viele Investoren derzeit nicht der Mietzins, sondern der Wertzuwachs der Immobilie im Fokus steht. Im Unterschied zu anderen Kapitalanlagen spielt die Lage innerhalb Deutschlands eine große Rolle. Im Raum München steigen die Grundstückspreise jährlich im Durchschnitt über 10 %. Kaufinteressenten sind bereit, als Kaufpreis das 52-fache der Jahreskaltmiete zu entrichten; somit beträgt bei einer Jahresmiete von 100.000 t der Jahresertrag vor Steuern 52.000 t. Für freistehende Einfamilienhäuser mit einer Grundstücksgröße von 500 qm werden in München in sehr guter Lage mitunter Kaufpreise von über 5 Mio. t aufgerufen, so dass diese Werte im Vergleichswertverfahren gem. § 182 Abs. 2 BewG auch für die erbschaftsteuerliche Beurteilung zugrunde gelegt werden.
1 Fördergebietsgesetz v. 24.6.1991, BStBl. I 1991, 674.
Spiegelberger
11
Kap. 1 Rz. 1.3 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Übersicht: Die eigenen vier Wände
1.3 Von Eigentümern bewohnte Wohnungen (Eigentümerquote) 2018 Anteil in % Saarland Rheinland-Pfalz Niedersachsen Schleswig-Holstein Baden-Württemberg Bayern Brandenburg Hessen Thüringen Sachsen-Anhalt Nordrhein-Westfalen Mecklenburg-Vorpommern Bremen Sachsen Hamburg Berlin
64,7 58,0 54,2 53,3 52,6 51,4 47,8 47,5 45,3 45,1 43,7 41,1 37,8 34,6
23,9 17,4 Deutschland = 46,5 Quelle: Mikrozensus-Zusatzerhebung 2018 © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022
4. REITs
1.4 Die Bundesregierung hatte mit dem Gesetz zur Schaffung deutscher ImmobilienAktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (Real Estate Investment Trusts, kurz „REITs“), das zum 1.1.2007 in Kraft trat, versucht, den Immobilienmarkt anzukurbeln; gleichwohl spielt das REITG in der Praxis eine geringe Rolle. Gemäß § 3 Nr. 70 Satz 1 Buchst. a EStG wird die Veräußerung von Immobilien – Bestandsmietwohnimmobilien sind gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a REITG ausgenommen – an eine REIT-AG insoweit privilegiert, als nur die Hälfte der stillen Reserven der Besteuerung unterliegt (Exit-Tax)1. Gemäß § 13 Abs. 1 REITG ist die REIT-AG verpflichtet, bis zum Ende des folgenden Geschäftsjahres mindestens 90 % ihres handelsrechtlichen Jahresüberschusses auszuschütten. Für die Besteuerung auf der Anlegerebene gelten die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze, wonach Einkünfte aus
1 Vgl. Maier/Wengenroth, ErbStB 2007, 183 (184).
12 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.7 Kap. 1
Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen. Sofern die Anteile Betriebsvermögen darstellen, gilt die Subsidiaritätsregel des § 20 Abs. 3 EStG. Wer nicht direkt in Betongold investieren will, findet in REITs eine Alternative. Die 1.5 1960 in den USA erfundene Anlageklasse wurde erst 2007 in Deutschland geschaffen und unterscheidet sich von im Ausland florierenden Unternehmen sowohl zivilrechtlich als auch in den steuerlichen Vorgaben. Die Anzahl der deutschen Gesellschaften, nämlich „Deutsche Konsum REIT“, „Deutsche Industrie REIT“, „Alstria Office REIT“ und der kleinste Marktteilnehmer „Fair Value REIT“ lassen sich an einer Hand abzählen. Dies ist um so überraschender, als die Steuervorteile frappierend sind: Deutsche REIT-Unternehmen sind von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit, gleichwohl ist gegenüber anderen Anlageformen in Aktien, Anleihen, Investmentfonds oder börsengehandelte Fonds (ETFs) oder ExchangeTraded Funds der Bekanntheitsgrad der REITs gering. Die deutsche zivilrechtliche Prägung der Real Estate Investment Trusts beruht auf dem deutschen REITs-Gesetz, wonach nur Wohnimmobilien als Investitionen zugelassen sind. Dadurch wurde die breitere Etablierung in Deutschland erschwert, obwohl die Transparenz durch die Börsennotierung und der damit verbundenen Handelbarkeit der Anteile einen Vorteil darstellt. Anscheinend sind Gewerbeimmobilien innerhalb der Metropolregionen besonders attraktiv, wie z.B. der Verkehrswert des Immobilienbestandes der 67 Objekte umfassenden Hamborner Fonds. Die Umwandlung einer Immobilien-AG in eine REIT ist nicht nur mit erheblichen 1.6 Kosten, sondern auch mit der Verpflichtung zur Aufdeckung aller stillen Reserven verbunden, so dass für bestehende Unternehmen die Umwandlung in die REITStruktur nicht attraktiv ist. Andererseits stellt die im deutschen REIT-Gesetz verankerte Ausschüttung von 90 % aller stillen Reserven einen besonderen Vorteil für Kleinanleger dar, da der REIT-Gewinn erst auf der Ebene des Anlegers versteuert wird. Die Ausgaben sind durch die Vorgaben überdurchschnittlich hoch. Die im REIT-Gesetz verankerte Regelung garantiert hohe Mindestausschüttungen.1 5. Zunahme von Mehrfamilienhäusern Wohnen und Bauen stehen immer mehr im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch 1.7 nach Komfort, wachsenden Kosten und den ökologischen Erfordernissen. Das spiegelt sich auch in den Daten zu neu gebauten Wohnhäusern wider, nach denen zuletzt Mehrfamilienhäuser überwogen: Von den insgesamt 288.000 Wohnungen, die von Januar bis November 2020 genehmigt wurden, sollen 169.000 in Mehrfamilienhäusern entstehen, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Das entspricht einem Anteil von 59 %. Demgegenüber standen 109.000 genehmigte Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern – ein Anteil von 38 %. Die übrigen Genehmigungen betrafen Wohnheime.
1 Vgl. Götz, Frankfurter Allgemeine v. 11.3.2022, Immobilien, S. 11.
Spiegelberger
13
Kap. 1 Rz. 1.8 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.8 Von den insgesamt rund 256.000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2019 entstanden zwar knapp 40 % in Ein- und Zweifamilienhäusern. Doch der Trend war in den vergangenen Jahren rückläufig: Seit 2005 sank der Anteil der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern zugunsten jener in Mehrfamilienhäusern. Im Jahr 2015 entstanden erstmals seit 1997 wieder mehr Wohnungen in Mehrfamilien- als in Ein- und Zweifamilienhäusern. 6. Entwicklung der Wohnungsgröße in Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern
1.9 2019 wurden rund 14.400 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt rund 143.000 Wohnungen fertiggestellt. Diese Wohnungen hatten eine durchschnittliche Wohnfläche von 78 m2. Wohnungen in neuen Einfamilienhäusern waren zuletzt fast doppelt so groß: Die Wohnfläche in den rund 83.800 fertiggestellten Einfamilienhäusern betrug durchschnittlich 152 m2. Freistehende Einfamilienhäuser boten ihren Bewohnern mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 157 m2 sogar noch ein wenig mehr Platz. 1.10 Zwar nahm die Zahl der neu gebauten Einfamilienhäuser in den vergangenen Jahren deutlich ab: 2019 wurden nicht einmal halb so viele solcher Häuser fertiggestellt wie 1999 (178.000). Allerdings boten sie im Durchschnitt rund 14 % mehr Platz als 20 Jahre zuvor. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Mehrfamilienhäusern: Auch hier wurden 2019 insgesamt rund 6.500 weniger Gebäude fertiggestellt als 1999 (20.900). Die Zahl der Wohnungen in den Gebäuden nahm ebenfalls ab, wenn auch weniger deutlich: Gegenüber 1999 (167.300) ging sie um 15 % zurück. Ein möglicher Grund hierfür: Wohnungen im Jahr 1999 boten mit durchschnittlich 73 m2 knapp 7 % weniger Wohnfläche als eine durchschnittliche Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im Jahr 2019. 7. Wohnbaufläche in Großstädten seit 2019
1.11 2019 lag der Anteil der Wohnbaufläche an der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche der Gemeinden bundesweit bei 27,7 %. Deutliche Unterschiede gibt es hier zwischen urbanen und ländlichen Gebieten. 2019 war knapp ein Drittel (31,9 %) der Siedlungs- und Verkehrsfläche in kreisfreien Großstädten durch Wohnnutzung belegt, in dünn besiedelten ländlichen Kreisen war es etwas weniger als ein Viertel (22,6 %). Der übrige Teil der Siedlungs- und Verkehrsfläche wird für andere Zwecke genutzt, etwa öffentliche Einrichtungen, Industrie- und Gewerbe, Sport-, Freizeitund Erholungsanlagen sowie Verkehrswege. 8. Anteil von Einfamilienhäusern in Großstädten
1.12 Auch wenn zuletzt weniger Einfamilienhäuser gebaut wurden, dominieren sie deutlich den Bestand: Zwei Drittel (66,7 %) aller Wohngebäude hierzulande waren im Jahr 2019 Einfamilienhäuser. Gemeinsam mit den Zweifamilienhäusern betrug der Anteil sogar rund 83 %. Einfamilienhäuser benötigen Platz, deshalb sind sie in Groß14 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.16 Kap. 1
städten deutlich seltener zu finden. So ist deren Anteil in Stuttgart mit 35,4 % am geringsten; es folgen mit jeweils 40,1 % Düsseldorf, Frankfurt am Main und Gelsenkirchen. Kreise mit einer Größe zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern führen die Liste 1.13 mit dem höchsten Anteil an Einfamilienhäusern an: Die ostfriesischen Kreise Aurich (86,1 %) und Leer (85,9 %) liegen knapp vor Dithmarschen (85,5 %) im Westen Schleswig-Holsteins. 9. Trend zum selbstbewohnten, steuerlich begünstigten Eigenheim Der Bundesbürger ist hauptsächlich an dem Erwerb von selbstgenutztem Wohnei- 1.14 gentum interessiert: Rund 70 % der fertiggestellten Wohnungen werden von den Erwerbern selbst bewohnt. Die Wohneigentumsquote (Familienheime) ist bundesweit nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden von 40,9 % im Jahr 1998 auf 45,5 im Jahr 2014 gestiegen1. Vor allem die fünf neuen Bundesländer erhöhten ihre Quoten und holten innerhalb der letzten Jahre noch einmal stark auf. Allein zwischen 1993 und 2002 stieg die Quote in den neuen Bundesländern um 7,8 %, in den alten Bundesländern aber lediglich um 2,9 %; insgesamt liegt die Quote in den neuen Bundesländern mit 34,4 % im Jahr 2014 aber noch unter der in den alten Bundesländern (48,4 %). Trotz dieser erfreulichen Zuwächse liegt Deutschland im Europavergleich weiterhin am Tabellenende und wird nur noch von der Schweiz mit einer Wohneigentumsquote von rund 36 % unterboten. Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken (Familienheime) sind schenkung- und erb- 1.15 schaftsteuerlich besonders begünstigt. Wenn ein Ehegatte dem anderen Ehegatten zu Eigentum oder Miteigentum ein Familienheim unter Lebenden zuwendet, bleibt dieser Erwerb schenkungsteuerfrei, unabhängig von dem Wert der Immobilie2. Der Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch den überlebenden Ehe- 1.16 gatten ist von der Erbschaftsteuer befreit, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat3. Der Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch Kinder oder Kinder verstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerbefreit, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist, und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt4. Das Familienheim muss von dem begünstigten Kind innerhalb von sechs Monaten bewohnt werden5. 1 2 3 4
Quelle: Statistisches Bundesamt. Wegen weiterer Begünstigungsvarianten s. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Weitere Varianten der Vergünstigung s. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Wegen weiterer Vergünstigungen s. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG; wegen der Begünstigung von Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern s. Nr. 6 der Befreiungsvorschrift. 5 BFH v. 28.5.2019 – II R 37/16, BStBl. II 2019, 678.
Spiegelberger
15
Kap. 1 Rz. 1.17 Steuerorientierte Immobilienübertragung
10. Europäische Eigenheimstatistik
1.17 Vergleichsweise wenige Deutsche besitzen ein Eigenheim Wohneigentumsquoten in ausgewählten Ländern Europas 2019 (in %) Rümänien Polen Spanien UK Frankreich Österreich Deutschland Schweiz
95,8 84,2 76,2 65,2* 65,1* 55,2 51,1 42,5*
* vorläufige Werte Quelle: Eurostat Zitiert nach statista, https://de.statista.com/infografik/8385/wohneigentumsquoten-in-europa/
1.18–1.19 Einstweilen frei. II. Wechselseitige Bezüge von Zivil- und Steuerrecht BMF-Schreiben: Zweifelsfragen zu § 6 Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen und von Anteilen an Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen sowie mit der unentgeltlichen Aufnahme in ein Einzelunternehmen; Verhältnis von § 6 Abs. 3 zu § 6 Abs. 5 EStG vom 20.11.2019, BStBl. I 2019, 1291. Literatur: Kommentare, Handbücher und Monografien: Beck’sches Notarhandbuch/Spiegelberger, 7. Aufl. 2019: die Ausführungen in § 29 Steuerrecht für Notare werden verkürzt und aktualisiert im Folgenden wiedergegeben; Crezelius, Unternehmenserbrecht, 2. Aufl. 2009; Knobbe-Keuk, Das Steuerrecht – eine unerwünschte Rechtsquelle des Gesellschaftsrechts?, 1986; Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2003; ders., Ehevertrag und Scheidungsvereinbarung, 12. Aufl. 2012; Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020; ders., Unternehmensnachfolge, 3. Aufl. 2022; Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021; Wachter in Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 35 Steuerrecht. Aufsätze: Altendorf, Erbschaftsteuerliche Behandlung von Grundstücken in Fällen der Betriebsaufspaltung, GmbH-StB 2021, 19; Amann, Entlastung des überforderten Nießbrauchers – zugleich ein Beitrag zur Substitution nicht abzugsfähiger Versorgungszahlungen durch einen Quotennießbrauch, FS Spiegelberger, 2009, 1161; Beckervordersandforth, Der Familienpool als Nachfolgeinstrument (Teil 1: Rechtsformwahl und typische Vertragsklauseln, Zerb 2021, 49; Demuth, Vorbehaltsnießbrauch am ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögen, MittBayNot 2020, 408; Drüen, Verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung durch die Finanzgerichte, StuW 2012, 269; Eisgruber, Rechtsformneutrale Besteuerung: Die steuerpolitische Diskussion seit 2003, FS Spiegelberger
16 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.21 Kap. 1
2009, 103; Fleischer, Verdeckte Gewinnausschüttung: Die Geschäftschancenleere im Spannungsfeld zwischen Gesellschafts- und Steuerrecht, DStR 1999, 1249; Günther, Steuerfolgen bei Übertragung/Veräußerung von betrieblichen Grundstücken, EStB 2021, 219; ders., Nießbrauchbestellung bei den einzelnen Einkunftsarten, EStB 2020, 300; Hermes, Die Innengesellschaft als Gestaltungsinstrument für ein mitunternehmerisches Nießbrauchrecht, DStR 2019, 1777; ders., Das mitunternehmerische Nießbrauchrecht im steuerrechtlichen Wandel?, BB 2020, 1818; Kirchhof, Die verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Steuergesetze, DStR 2015, 717; Krüger, Das unbekannte Risiko des zivilrechtlichen Vergleichs: Die steuerrechtlichen Folgen, NJW 2015, 203; Laws, Aktuelle Urteile und Gestaltungshinweise zur Steuerfreiheit des vererblichen Familienheims, EE 2020, 49; Mirbach, Steuerliche Implikationen wesentlicher Veränderungen von Bestandsimmobilien, DStR 2019, 2341; Rachlitz/Vedder, Immobilienzuwendungen, notar 2020, 286; Schäffler, Die Immobilie im Steuerrecht – Ableitung einer Gesamtsteuerbelastung, DStR 2018, 1381; Schulze-Osterloh, Zivil- und Steuerrecht, AcP 1990, 140; Spiegelberger, Betriebsaufgabe durch Vorbehaltsnießbrauch?, FS für Crezelius 2018, 429; Steiner/Ullmann, Realteilung mit Einzelwirtschaftsgütern ohne Auflösung der Personengesellschaft, DStR 2017, 912.
1. Gesamtschau Eine getrennte Darstellung der beiden Rechtsbereiche, nämlich des Zivilrechts ei- 1.20 nerseits und des Steuerrechts andererseits, lässt nicht die Wechselbezüglichkeit beider Rechtsbereiche erkennen, so dass z.B. bei der Darstellung der Unternehmensnachfolge die Aufteilung in einen Zivilrechtsteil und in einen getrennten Steuerrechtsteil den Zusammenhang zwischen Zivil- und Steuerrecht nicht genügend abbildet. Die synoptische Gesamtschau von Zivil- und Steuerrecht erfordert bei jedem Einzelproblem und bei jeder Regelungsstufe nicht nur die Darstellung des Zivil- und Steuerrechts, sondern auch die mit der gewählten zivilrechtlichen Rechtsform verbundene steuerliche Auswirkung, so dass nur eine Overcross-Kommentierung die adäquate Darstellung der Wechselbeziehung ergibt. Wird bspw. bei Angehörigenverträgen die Rücksichtnahme auf familiäre Wünsche überbetont und gelingt dadurch ein Drittvergleich mit üblichen Regelungen zwischen fremden Dritten nicht mehr, so entsteht die Gefahr einer fehlenden (steuerrechtlichen) Anerkennung der (zivilrechtlich zulässigen) Vertragsvereinbarung, so dass z.B. statt einer vorweggenommenen Erbfolge mit Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH von einer Betriebsaufgabe mit Aufdeckung aller stillen Reserven auszugehen ist1. 2. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht Die Maßgeblichkeit des Zivilrechts wird unterschiedlich interpretiert. Flume2 meint 1.21 zwar, dass das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung für das Steuerrecht den Vorrang des Zivilrechts beinhaltet. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts3 besteht zwar keine Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die Auslegung steuerrecht-
1 BStBl. II 2019, 730. 2 Steuerwesen und Rechtsordnung, 1952, S. 24. 3 BVerfG v. 27.12.1991 – 2 BvR 72/90, BStBl. II 1992, 212 = DStR 1992, 107.
Spiegelberger
17
Kap. 1 Rz. 1.21 Steuerorientierte Immobilienübertragung
licher Tatbestände; andererseits liegt es – so das Bundesverfassungsgericht1 – im Interesse der Klarheit und Einheit und vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung, die Entsprechung von Privat- und Steuerrecht durchgehend zu wahren. Insbesondere sind die im Zivilrecht entwickelten Auslegungsmethoden auch für das Steuerrecht maßgeblich. Ein geordnetes Steuerwesen ist ohne Anlehnung an die über 2000jährige Tradition und Rechtskultur des Zivilrechts nicht denkbar. 3. Wirtschaftliche Betrachtungsweise a) Gesetzliche Regelungen und Richterrecht
1.22 Nicht bestritten werden kann jedoch, dass das Steuerrecht als eigene Rechtsmaterie vom Zivilrecht abweichende Zuordnungen und Wertungen aufweist, so dass im Steuerrecht bei einzelnen Sachverhalten eine vom Zivilrecht abweichende Wertung vornimmt (§§ 38–42 AO, sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise). So wird gemäß § 39 Abs. 2 AO ein Wirtschaftsgut nicht dem Eigentümer, sondern dem Eigenbesitzer, Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber, das Treuhandvermögen nicht dem Treuhänder, sondern dem Treugeber zugerechnet (wirtschaftliches Eigentum). 1.23 Die Übertragung eines Einzelunternehmens unter Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs, die zivilrechtlich eine reine Schenkung darstellt, wird von der neueren BFH-Rechtsprechung2 nicht als unentgeltliche Betriebsübertragung mit Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG beurteilt, sondern – aufgrund eines im Gesetzestext überhaupt nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmals der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit durch den Übergeber – als Übertragung ohne Buchwertfortführung mit Aufdeckung aller stillen Reserven. Vor diesem Hintergrund muss die zivilrechtliche Vereinbarung an die Rechtsprechungsänderung angepasst werden, so dass an Stelle des Vorbehaltsnießbrauchs den Beteiligten angeraten werden muss, eine lebenslange Versorgungsrente für den Übergeber zu vereinbaren. Sofern die Beteiligten vereinbaren, dass die Versorgung des Übergebers periodisch oder in gewissen Zeitabständen an das betriebliche Ergebnis angepasst oder umsatzabhängig gewährt wird, im Übrigen aber der Charakter einer Leibrente gegeben ist, handelt es sich um eine Versorgungsleistung in der Rechtsform der dauernden Last, die in voller Höhe (nach Berücksichtigung des Entlastungsbetrages gem. § 24a EStG) gem. § 22 Nr. 1b EStG steuerlich erfasst wird und beim Erwerber zum Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. b EStG führt.3 Zwar unterscheidet § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2008 nicht mehr zwischen Leibrenten und dauernden Lasten und verwendet nur noch den Begriff der lebenslangen Versorgungsleistung, die im ganzen Umfang als Sonderausgabe abgezogen werden kann. Zivilrechtlich ist die Differenzierung auch wei-
1 BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331. 2 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, BStBl. II 2019, 730 = DStR 2017, 1308 = GmbHR 2017, 1002 = MittBayNot 2018, 75; kritisch hierzu Spiegelberger, notar, 2017, 419. 3 Vgl. Spiegelberger, Unternehmensnachfolge2, § 6 Rz. 40.
18 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.27 Kap. 1
terhin möglich und kann bei einer Vereinbarung mit Augenmaß einen sinnvollen Interessenausgleich darstellen. Wird hingegen nicht Betriebsvermögen, sondern steuerliches Privatvermögen, also 1.24 z.B. ein Mehrfamilienhaus übertragen, so kann es aufgrund der Jahressteuerreform 2008 empfehlenswert sein, an Stelle einer Leibrente einen Quotennießbrauch1 zu vereinbaren, der im wirtschaftlichen Ergebnis einer Leibrente entspricht, da der Gesetzgeber durch die Änderung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 EStG im steuerlichen Privatvermögen stehende Immobilien aus dem Sonderausgabenabzug eliminiert hat. Lediglich Vereinbarungen, die bis zum 31.12.2007 getroffen wurden, werden noch nach altem Recht beurteilt2 (näher s. Rz. 1.1010 ff.). b) Weitere Aspekte der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Weitere wichtige Aspekte der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind folgenden Re- 1.25 gelungen zu entnehmen: § 40 AO: Gesetz- oder sittenwidriges Handeln ist für die Besteuerung unerheblich. § 41 AO: Unwirksame Rechtsgeschäfte sind für die Besteuerung unerheblich, soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eintreten oder bestehen lassen. § 42 AO: Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. c) Zivilrechtlicher Durchgangserwerb Ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb (z.B. in Gestalt einer juristischen Sekunde) 1.26 hat nicht zwangsläufig auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb i.S.d. Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Zuordnung nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beurteilen3. d) Gesamthands- oder Bruchteilsbetrachtung Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteilig- 1.27 ten gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Einkommensteuerlich gilt bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften die Bruchteilsbetrachtung, d.h. die Gesellschafter werden wie Bruchteilseigentümer behandelt; demgegenüber sind gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaften selbst Subjekt der Einkünfteerzielung.
1 Vgl. Amann in FS Spiegelberger, 2009, 1161. 2 § 52 Abs. 18 Satz 2 EStG. 3 Vgl. BFH v. 26.1.2011 – IX R 7/09, BStBl. II 2011, 540 = DStR 2011, 710 = GmbHR 2011, 553.
Spiegelberger
19
Kap. 1 Rz. 1.28 Steuerorientierte Immobilienübertragung
e) Einbringung oder Veräußerung?
1.28 Die beteiligungsidentische Umwandlung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft in eine andere vermögensverwaltende Personengesellschaft stellt danach keinen Veräußerungsvorgang dar1, während bei einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse oder der Erbringung von Gegenleistungen zu prüfen ist, ob § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, also die Beurteilung als Veräußerungsgeschäft, eingreift, insbesondere ob Grundbesitz entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird2. Sofern steuerliches Privatvermögen in eine gewerblich tätige oder geprägte Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird, handelt es sich um einen tauschähnlichen Umsatz, so dass bei gleichbleibenden Anteilsverhältnissen dennoch keine Einlage, sondern eine steuerrechtlich relevante Einbringung, also eine entgeltliche Veräußerung vorliegt3.
1.29–1.34 Einstweilen frei. III. Eigenständige steuerlichrechtliche Begriffsbildung 1. Einschränkung der Maßgeblichkeit des Zivilrechts
1.35 Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht wird dadurch erheblich eingeschränkt, dass die im Zivilrecht einerseits und in den einzelnen Steuerarten andererseits verwendeten Begriffe trotz desselben Wortlauts häufig inhaltsverschieden sind. Bei einem Vergleich des Steuerrechts mit dem Zivilrecht ergeben sich synonyme, divergierende und steuerrechtliche Eigenbegriffe.4 Bei Rechtsbegriffen wie Kaufvertrag, Auflassung, Gesamtschuldnerschaft, Rechtsnachfolge oder Fristen besteht in der zivilrechtlichen und steuerlichen Terminologie im Wesentlichen Übereinstimmung. 2. Ertragsteuerlicher Grundstücksbegriff
1.36 § 94 Abs. 1 BGB, wonach zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere die Gebäude, gehören, gilt nicht für die steuerrechtliche Betrachtung. Grundstücke und Gebäude werden – je nach Steuer- und Gewinnermittlungsart – als einheitlicher Gegenstand wie im Zivilrecht (§ 94 BGB) oder getrennt erfasst und bewertet.
1 Vgl. BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. 2005 II, 324 = FR 2005, 194. 2 Vgl. Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 102. 3 Vgl. bei einer Übertragung ohne Rechtsträgerwechsel von im Privatvermögen befindlichen Anteilen an einem Grundstück auf eine vermögensverwaltende Gesamthandsgesellschaft mit demselben Beteiligungsverhältnis entstehen keine Anschaffungskosten, selbst wenn hierfür ein „Entgelt“ vereinbart wird, vgl. BFH v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679; Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 43. 4 Vgl. Fiegle, Die steuerliche Prüfung von Verträgen, 1958, S. 41.
20 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.39 Kap. 1
1.37
So wird in der Einkommensteuerbilanz unterschieden zwischen – dem Grundstück, – dem Gebäude und – sonstigen Bauteilen und Einbauten Weitere Differenzierungen sind bspw.: – Ein Lastenaufzug, eine Laderampe oder eine Kinobestuhlung sind Betriebsvorrichtungen und werden wie bewegliche Gegenstände behandelt (s. Rz. 1.507). – Ein Personenaufzug ist ein unselbständiger Teil des Gebäudes (s. Rz. 1.507). – Eine Schaufensteranlage ist ein vom übrigen Gebäude getrennt zu bewertendes Wirtschaftsgut (s. Rz. 1.507).1
Im Rahmen der Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von im Privatver- 1.38 mögen gehaltenen Grundstücken (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) werden mit dem Grundstück fest verbundene Gebäude demgegenüber nicht isoliert (anders als in der Bilanz, s. Rz. 1.37), sondern wertmäßig2 als wesentlicher Bestandteil des („bebauten“) Grundstücks miterfasst (s. Rz. 12.2), und zwar auch dann, wenn sie erst nachträglich errichtet, ausgebaut oder erweitert werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, s. Rz. 12.17). Dementsprechend werden mit dem Grundstück nicht fest verbundene Gebäude (Gebäude auf fremden Grund und Boden), die isoliert – d.h. nicht in der Form des grundstückgleichen Rechts (Erbbaurecht) – veräußert werden (z.B. ein Mobilheim oder ein „Tiny House“), nicht von der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfasst. Solche Gebäude sind aber grds. Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, deren Veräußerung unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift steuerbar sein kann3 (s. Rz. 12.3). Auch das Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht (§ 31 ff. WEG) fällt nicht unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, stellt aber ein Wirtschaftsgut i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Ein ggf. anfallender Veräußerungsgewinn kann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG steuerpflichtig sein (s. Rz. 12.6). Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung einzelner Gebäudeteile ist nicht die 1.39 sachenrechtliche Betrachtung, sondern ihr Nutzungs- und Funktionszusammenhang maßgeblich, so dass auch ohne Aufteilung des Gebäudes in Wohnungs- und Teileigentum die nachstehende einkommensteuerliche Beurteilung gilt:
1 Vgl. Schmidt/Loschelder41, § 4 EStG Rz. 117 u. § 5 EStG Rz. 136 ff. 2 Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, EFG 2021, 1820, n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21. 3 Heine, NWB 2021, 3160.
Spiegelberger
21
Kap. 1 Rz. 1.39 Steuerorientierte Immobilienübertragung
fremdvermietet
Gewillkürtes Betriebsvermögen oder Privatvermögen
selbstbewohnt
Notwendiges Privatvermögen
eigengenutzte Büroräume
Betriebsvermögen
Gewerbebetrieb
Notwendiges Betriebsvermögen
Beispiel: Grundstückseigentümer E betreibt in einem vierstöckigen Gebäude im Erdgeschoss einen Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer (= eigenbetriebliche Zwecke; notwendiges Betriebsvermögen); im ersten Obergeschoss werden die Büroarbeiten für das Einzelunternehmen erledigt (= betriebliche Zwecke; Betriebsvermögen). Das zweite Obergeschoss bewohnt E mit seiner Familie (= notwendiges Privatvermögen). Das dritte Obergeschoss ist fremdvermietet; wird an eine Privatperson vermietete, zählt die Wohnung einkommensteuerlich zum Privatvermögen. E kann die Wohnung auch zu gewillkürtem Betriebsvermögen machen, wenn er sie als Anlagevermögen seines Betriebs ausweist und sodann umsatzsteuerpflichtig an einen anderen Unternehmer vermietet, um die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zu haben). Auch wenn E zur Erhöhung des Betriebskapitals oder zur Aufnahme eines betrieblichen Kredits sein Grundstück mit einer Grundschuld belastet und das Grundstück in seine Bilanz einbucht, entsteht gewillkürtes Betriebsvermögen.
1.40 Einstweilen frei. 3. Grunderwerbsteuerlicher Grundstücksbegriff
1.41 Der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff weicht erheblich von der Regelung in § 94 BGB ab. Den Grundstücken i.S.d. § 2 Abs. 2 GrEStG stehen gleich: – Erbbaurechte, – Wohnungs- und Teileigentum, – Gebäude auf fremdem Grund und Boden und – Nutzungsrechte gem. § 1010 BGB und Sondernutzungsrechte gem. § 15 WEG.
22 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.47 Kap. 1
Andererseits werden grunderwerbsteuerlich aus dem zivilrechtlichen Grundstücksbegriff ausgeklammert: – Betriebsvorrichtungen gem. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG, – Mineralgewinnungsrechte und – Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte. Da Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte wohnungseigentums- sowie erbbau- 1.42 rechtsähnlich ausgestaltet und sogar als wirtschaftliches Eigentum begründet werden können, wird in der Praxis der Einräumung von Dauerwohn- und Dauernutzungsrechten wegen der damit verbundenen Grunderwerbsteuerfreiheit der Vorzug gegeben, s. Rz. 6.15 ff.
1.43–1.44
Einstweilen frei. 4. Unternehmerbegriff a) Allgemeines
Der Unternehmerbegriff variiert – je nach Steuerart – erheblich. Folgendes ist zu 1.45 beachten: b) Einkommensteuer Landwirte, Gewerbetreibende und Freiberufler sind einkommensteuerlich im wei- 1.46 testen Sinne Unternehmer, die jedoch durch die jeweilige Einkunftsart eine unterschiedliche Beurteilung erfahren. Landwirte und Freiberufler unterliegen wegen des prägenden Charakters ihrer Tätigkeit keiner Gewerbesteuer, sofern nicht eine gewerbliche Betätigung oder eine gemischte Tätigkeit vorliegt.1 c) Gewerbesteuer Bei der Verpachtung eines Gewerbebetriebes hat der Verpächter das Wahlrecht zwi- 1.47 schen einer Betriebsfortführung im einkommensteuerlichen Sinne und einer Betriebsaufgabe,2 wenn er den Betrieb selbst bewirtschaftet hat;3 das Wahlrecht besteht auch bei einem Betriebsübergang durch Erbfolge.4 In jedem Fall führt die Betriebsverpachtung jedoch zum Erlöschen der Gewerbesteuerpflicht, es sei denn, es liegt ein Fall der Betriebsaufspaltung vor.5
1 Siehe Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 95 ff. 2 Vgl. BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124. 3 Vgl. BFH v. 20.4.1989 – IV R 95/87, BStBl. II 1989, 863; Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 186. 4 Vgl. BFH v. 17.10.1991 – IV R 97/89, DB 1992, 453. 5 Vgl. Spiegelberger, MittBayNot 1980, 104; Glanegger/Güroff10, § 2 GewStG Rz. 217.
Spiegelberger
23
Kap. 1 Rz. 1.48 Steuerorientierte Immobilienübertragung
d) Umsatzsteuer
1.48 Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff unterscheidet sich grundlegend von der ertragsteuerlichen Betrachtung. Dies liegt im spezifischen Normzweck der jeweiligen Steuer und unterstreicht die begriffliche und systematische Selbständigkeit jeder Steuerart. Wenn ein Kapitalanleger Ladenräume erwirbt und dieses Teileigentum an einen Supermarkt vermietet, bleibt der Käufer als Vermieter einkommensteuerlich im Bereich der Vermögensverwaltung und begründet nicht etwa einen Gewerbebetrieb. 1.49 Einstweilen frei. 5. Mitunternehmer
1.50 Nicht jeder an einem Gewerbebetrieb beteiligte Gesellschafter ist automatisch Mitunternehmer im ertragsteuerlichen Sinn. Während früher als Hauptkriterium für die Mitunternehmereigenschaft die Beteiligung an den stillen Reserven, mindestens für den Fall der Liquidation, im Vordergrund stand,1 stellt die Rechtsprechung nunmehr darauf ab, ob der Betroffene eine gewisse Unternehmerinitiative entwickeln kann und ein Unternehmerrisiko trägt.2 Die Mitunternehmerstellung einer Komplementär-GmbH wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen beteiligt ist und auch kein Stimmrecht ausübt, da die Komplementär-GmbH die Geschäftsführung innehat und sie die Haftung trifft.3 1.51 Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH4 sind die Erben eines Einzelunternehmers oder einer gewerblichen Beteiligung „geborene“ (Mit-)Unternehmer. Bei einer nach dem Erbfall vorgenommenen Erbauseinandersetzung unter Entrichtung einer Abfindungszahlung aus dem Vermögen des Erwerbers wird dem weichenden (Mit-)Erben ein betrieblicher Veräußerungserlös zugerechnet. 1.52 Sofern das Unternehmen vermächtnisweise zugewendet und der Vermächtnisnehmer mit einer über den Buchwert hinausgehenden Auszahlungspflicht beschwert wird, erwirbt der Vermächtnisnehmer nach Auffassung des BMF5 entgeltlich, so dass bei dem beschwerten Erben eine Gewinnrealisierung eintritt.6 Bleibt die Abfindung hinter dem Buchwert zurück, erwirbt der Vermächtnisnehmer unentgeltlich gem. § 6 Abs. 3 EStG. 1.53 Bei einer Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB gelten die Grundsätze der Teilerbauseinandersetzung, so dass der übertragende Miterbe einen Veräußerungsgewinn 1 Vgl. BFH v. 21.2.1974 – IV B 28/73, BStBl. II 1974, 404. 2 Vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; v. 31.7.1990 – I R 173/83, BStBl. II 1991, 66. 3 Vgl. BFH v. 25.4.2006 – VIII R 74/03, DStRE 2006, 912. Zu den Voraussetzungen einer verdeckten Mitunternehmerschaft vgl. BFH v. 21.9.1995 – IV R 65/94, DStR 1996, 137. 4 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, 837. 5 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 – 7/06, BStBl. I 2006, 253 Rz. 63. 6 Spiegelberger, DStR 1992, 586.
24 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.57 Kap. 1
erzielt, wenn die Ausgleichszahlung über den anteiligen Buchwert hinausgeht.1 Wenn die Erben bei objektiver zweifelhafter Sach- und Rechtslage durch einen Vergleich regeln, was ihrer übereinstimmenden Auffassung Inhalt strittiger Verfügungen des Erblassers war, hat der Vergleich seinen Rechtsgrund noch im Erbrecht und ist daher auch bei der Erbschaftsbesteuerung zu Grunde zu legen.2
1.54
Einstweilen frei. IV. Kautelarjuristische Praxis 1. Gesamtrechtsnachfolge und vorweggenommene Erbfolge
Aus der Sicht des Steuerrechts ist in bestimmten Sachverhalten eine vom Zivilrecht 1.55 abweichende Beurteilung erforderlich. Dies gilt z.B. bei einem Vergleich zwischen der Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen und der Übertragung von Vermögensgegenständen unter Lebenden in vorweggenommener Erbfolge. Die umfangreiche Regelung in über 450 Paragraphen im Fünften Buch des BGB findet kein Pendant für die zivilrechtliche Regelung und steuerliche Beurteilung der Vorwegerbfolge, die eine Schenkung in den zivilrechtlichen Varianten der reinen Schenkung, der Auflagenschenkung oder der gemischten Schenkung darstellt. Mit dem Versterben des Erblassers ist die Vermögensnachfolge des Verstorbenen endgültig eingetreten, während die vorweggenommene Erbfolge regelmäßig mit Verpflichtungen des Erwerbers verbunden ist und somit ein Dauerschuldverhältnis3 beinhaltet. Die Vor- und Nacherbfolge gem. §§ 2100 ff. BGB ist keine mit der Vorwegerbfolge 1.56 vergleichbare Regelung, weil sie mehrere Stufen der Vermögensnachfolge im Erbweg regelt und der Versuch, dem Vorerben die Entscheidung über die Durchführung einer Nacherbfolge zu überlassen, vom Zivilrecht4 einerseits und dem Steuerrecht andererseits unterschiedlich beurteilt wird. Zudem ist das Problem, dem Schenker nochmals den Zugriff auf das bereits über- 1.57 lassene Vermögen, z.B. durch Widerruf einzuräumen, mit der Erbfolge von Todes wegen nicht vergleichbar. Das BGB enthält nur – für den Fall der Nichtvollziehung von Auflagen (§ 527 BGB), – für den Fall der Verarmung des Schenkers (§ 528 BGB) und – in § 530 BGB bei grobem Undank Widerrufsregelungen, die aber die Interessen des Schenkers nicht vollständig berücksichtigen.
1 BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 - S 2242 – 7/06, BStBl. I 2006, 253 Rz. 56. 2 BFH v. 14.11.2000 – VII R 84/99, BFH/NV 2001, 501; Schuhmann, ErbR 2012, 176; Spiegelberger, ErbR 2012, 165 (172). 3 Vgl. Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 1 Rz. 59. 4 Vgl. Staudinger/Avenarius, § 2100 BGB Rz. 36.
Spiegelberger
25
Kap. 1 Rz. 1.58 Steuerorientierte Immobilienübertragung
2. Lückenhafte gesetzliche Regelung
1.58 Der kautelarjuristischen Praxis wurde es überlassen, einen Katalog von Widerrufsgründen in die Schenkungsurkunde aufzunehmen, so dass die Sicherung des Schenkers der Qualität der notariellen Regelung überlassen wird. Bei der Übertragung wertvoller Vermögensgegenstände, z.B. eines Grundstücks, Betriebs oder eines Gesellschaftsanteils wird in die Notarurkunde eine umfangreiche Widerrufsregelung aufgenommen1. Auch die Sicherung des Widerrufsrechts durch eine im Grundbuch eingetragene Rückauflassungsvormerkung und die auflösend bedingte, also mit dinglicher Wirkung versehene Rückübertragungsregelung bei der Überlassung eines Gesellschaftsanteils ist regelmäßig Inhalt der notariellen Urkunde2. 1.59 Auch die bis zum Widerruf eingetretenen Vermögensänderungen bei den Beteiligten ist Bestandteil der Schenkung, so dass auch Investitionen durch den Beschenkten für den Fall der Ausübung des Rücktrittsrechts der Regelung bedürfen. 3. Typologische Fallgruppenbildung
1.60 Im Bereich des Eherechts hat insbesondere Langenfeld3 versucht, durch typologische Betrachtung der jeweiligen ehelichen Probleme für den Ehevertrag Fallgruppen zu bilden, um der Kautelarpraxis Regelungsvorschläge für bestimmte Scheidungssituationen zu geben, z.B. für die Partnerschaftsehe, die Doppelverdienerehe, die Unternehmerehe und den Ehevertrag bei Wiederverheiratung älterer Eheleute. 1.61 Die Vorschläge zur Fallgruppenbildung von Langenfeld/Günther zu Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge4 und von Spiegelberger zur „Vermögensnachfolge“5 und zur „Unternehmensnachfolge“6 sind in der Literatur nur vereinzelt aufgenommen worden, so dass die Rechtsprechung bei Streit der Beteiligten oder bei sonstigen Leistungsstörungen einen Interessenausgleich allenfalls mit dem Institut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) herbeiführen kann. 1.62–1.69 Einstweilen frei. V. Steuerliche Anerkennung von Rechtsgeschäften Literatur: Ege/Klett, Aktuelle gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte von Anwachsungsmodellen, DStR 2010, 2463; Gemeinhardt, Verträge unter nahen Angehörigen – steuerliche Anerkennung, BB 2012, 739; Mirbach, Steuerliche Implikationen wesentlicher Veränderungen von Bestandsimmobilien, DStR 2019, 2341; Sontheimer, Zur Begrenzung der Rückwirkung von Rechtsprechungsänderungen, FS Spiegelberger 2009, 460; Taplan/Baumgartner, 1 2 3 4
Vgl. Spiegelberger, MittBayNot 2000, 1. Vgl. Christl in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 12, S. 452. Vgl. Langenfeld, Ehevertrag und Scheidungsvereinbarung, 12. Auflage 2012. Vgl. Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 6. Aufl. 2010. 5 Vgl. Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020. 6 Vgl. Spiegelberger, Unternehmensnachfolge,3. Aufl. 2022.
26 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.73 Kap. 1
Zur steuerlichen Behandlung von Kettenschenkungen, DStR 2014, 2153; Wachter, Stimmrechtsvollmachten bei der Übertragung von KG-Anteilen unter Vorbehaltsnießbrauch, DStR 2016, 2065.
1. Nichtige und unwirksame Rechtsgeschäfte Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist 1.70 gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig; nach Satz 2 dieser Bestimmung führt der Formmangel im Zweifel ebenfalls zur Nichtigkeit, wenn die Form durch Rechtsgeschäft bestimmt wurde. Erst recht ist nach § 134 BGB ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Ist ein Rechtsgeschäft mit Blick auf die genannten zivilrechtlichen Bestimmungen unwirksam, so ist dies nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Das wirtschaftliche Ergebnis ist für das Steuerrecht der allein maßgebliche Parameter.1 Demnach werden gem. § 41 Abs. 1 AO unwirksame Rechtsgeschäfte wie wirksame 1.71 besteuert, wenn die Vereinbarungen trotz der bürgerlich-rechtlichen Mängel vollzogen werden.2 Das Steuerrecht unterstellt zutreffend, dass bei einem Rechtsgeschäft jeder Beteiligte grundsätzlich die eigenen Interessen wahrnimmt, so dass aufgrund dieses Interessengegensatzes die zivilrechtliche Unwirksamkeit für die Besteuerung keine Rolle spielt. Insbesondere werden auch sittenwidrige Rechtsgeschäfte besteuert, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen. Ein formunwirksames, aber gleichwohl vollzogenes Testament kann der Besteuerung zu Grunde gelegt werden.3 Die wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt aber dann nicht, wenn in einem Steuergesetz etwas anderes bestimmt ist, § 41 Abs. 1 Satz 2 AO. Eine steuerliche anerkannte Organschaft setzt zwingend das Bestehen eines zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrages gem. § 17 Satz 1 KStG voraus.4
1.72
2. Gleichgerichtete Interessenlage Eine davon abweichende steuerrechtliche Beurteilung gilt dann, wenn kein natürli- 1.73 cher Interessengegensatz besteht oder wenn alle Beteiligten eine gleichgerichtete Interessenlage haben. Somit wendet die Rechtsprechung § 41 AO grundsätzlich nicht an
1 2 3 4
Vgl. Heuermann, DB 2007, 416 (418). Vgl. BFH v. 19.7.1989 – II R 83/85, DB 1989, 2416. BFH v. 22.9.2010 – II R 46/09, BFH/NV 2011, 261. Hauschild/Kallrath/Wachter/Wachter, Notar-Hdb. GesR3, § 35 Rz. 100.
Spiegelberger
27
Kap. 1 Rz. 1.73 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– für Rechtsgeschäfte unter Personen, bei denen ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes Näheverhältnis besteht1 (s. Rz. 1.81 ff.); zu diesen sog. nahestehenden Personen zählen bspw. Ehegatten, Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel, Schwiegereltern und Schwiegerkinder, Geschwister, Verschwägerte und Lebenspartner (näher s. Rz. 13.46); – für Vereinbarungen einer GmbH2 mit ihren Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen3. 3. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte BMF-Schreiben und Literatur: Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (GeldwäschegesetzmeldepflichtverordnungImmobilien – GwGMeldV-Immobilien), BGBl. 2020, 1965; Kölmel, Neues zur Bekanntgabe des familiengerichtlichen Genehmigungsbeschlusses, MittBayNot 2012, 108; Inoue, Der Rechtscharakter familien- und betreuungsgerichtlicher Genehmigungen, Rpfleger 2017, 369; Horn, Genehmigungsverfahren bei Ausschlagung für Betreute und Minderjährige, ZEV 2016, 20; Weber, Aktuelle Fragen beim Grundstücksverkauf durch Eltern und Betreuer, DNotZ 2015, 498; Wertenbruch, Familiengerichtliche Genehmigung für Grundstücksveräußerung durch GbR mit minderjährigem Gesellschafter?, NJW 2015, 2150.
1.74 Nicht selten scheitert die steuerliche Anerkennung eines Rechtsgeschäftes am fehlenden bürgerlich-rechtlichen Vollzug. Werden nämlich nicht unverzüglich nach Beurkundung eines Rechtsgeschäftes die zu dessen Wirksamkeit erforderlichen behördlichen Genehmigungen eingeholt, so wird das Rechtsverhältnis steuerrechtlich frühestens ab Antragstellung anerkannt.4 1.75 Auch die wesentlich verspätete Einholung einer familiengerichtlichen Genehmigung führte grds. nicht zu einer Heilung des Rechtsgeschäfts für die Vergangenheit; für die steuerrechtlichen Anerkennung eines solchen, zwischen Familienangehörigen geschlossenen Vertrags ist der (vorübergehenden) zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses indes nur indizielle Bedeutung beizumessen5. Häufige Genehmigungserfordernisse in der Kautelarpraxis sind: – Familiengerichtliche Genehmigung gem. § 129 Abs. 1 Satz 2 BGB, – behördliche Genehmigungen gem. – § 2 GrdstVG und – §§ 51, 144, 145 BauGB 1 Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 174. 2 Zur Angemessenheitsprüfung bei Gesellschafter-Geschäftsführern vgl. Nagel in Gosch/ Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, Stand Oktober 2018 G 103. 3 Siehe BFH v. 22.1.2013 – IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067, zur Nichtanerkennung eines nicht vertragsgemäß durchgeführten Mietverhältnisses zwischen der Steuerpflichtigen und einer von den Eltern ihres Lebensgefährten beherrschten GmbH. 4 Vgl. zum Ganzen Beck’sches Notarhandbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 153 ff. 5 BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04 BStBl. II 2007, 294, m.w.N.
28 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.80 Kap. 1
4. Erbvergleich Literatur: von Proff, Der erbrechtliche Auslegungsvertrag/Erbvergleich und seine steuerlichen Auswirkungen, ZEV 2010, 348; Spiegelberger, Auslegungsvertrag und Erbvergleich, ErbR 2012, 165.
1.76
Beispiel: Die Erblasserin äußert anlässlich eines Familiengeburtstags, ihre Stieftochter würde später ohnehin alles bekommen, so dass sie kein Testament benötige. Von den vier aufgrund gesetzlicher Erbfolge berechtigten Neffen und Nichten überlassen zwei ihre Erbanteile der Stieftochter. Das Finanzamt besteuerte diesen Vorgang doppelt in der Weise, dass sowohl der Erbanfall als auch die anschließende Übertragung auf die Stieftochter der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen wurde.
Im Hinblick auf § 11 ErbStG 1925, der Vorgängernorm des § 41 Abs. 1 AO, ist die 1.77 Rechtsprechung des BFH bei Erbvergleichen besonders großzügig. Allerdings muss es bei einem Erbvergleich immer um die Regelung ernstlich streitiger und zugleich zweifelhafter Rechtsverhältnisse gehen1. Eine getroffene Vereinbarung der Erben über die Nachlassverteilung kann der Erb- 1.78 schaftbesteuerung zugrunde gelegt werden, auch wenn sie der „wahren“ Erbrechtslage nicht entspricht. Zur Vermeidung einer erbschaftsteuerlichen Doppelbesteuerung – d.h. nach Maßgabe des Erbscheins und der davon abweichenden Erbauseinandersetzung – bietet der Erbvergleich somit einen gewissen Gestaltungsspielraum.2 Der BFH3 hob im Revisionsverfahren den ergangenen Erbschaftsteuerbescheid in der Weise auf, dass nur der Übergang von der Stiefmutter zur Stieftochter der Besteuerung zugrunde gelegt wurde. Nach Ansicht des BFH4 sind die Finanzgerichte nicht zwingend an die durch den Erbschein ausgewiesene Rechtslage gebunden. Eine Abfindung, die ein Erbe im Rahmen eines Erbvergleichs dafür erhält, dass er 1.79 auf die Geltendmachung seiner Rechte als Erbe nach dem Tod eines Gesellschafters einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft verzichtet, kann der Erbschaftsteuer unterliegen. Zugleich kann hierin auch das Ausscheiden eines Miterben aus der Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft gesehen werden, sofern der Ausscheidende gesellschaftsrechtlich nicht von der Rechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil ausgeschlossen war, was dann ertragsteuerlich zu einem Gewinn und somit zu einer Doppelbesteuerung führt5.
1.80
Einstweilen frei.
1 BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl. II 2008, 874; v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163. 2 Vgl. Söffing/Volker/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 1999, S. 115; Spiegelberger ErbR 2012, 165 (170). 3 BFH v. 22.9.2010 – II R 46/09, BFH/NV 2011, 261. 4 BFH v. 22.11.1995 – II R 89/93, BStBl. II 1996, 242. 5 BFH v. 16.5.2013 – IV R 15/10, BStBl. II 2013, 858; Meßbacher-Hönsch, ZEV 2018, 182.
Spiegelberger
29
Kap. 1 Rz. 1.81 Steuerorientierte Immobilienübertragung
5. Angehörigenverträge Literatur: Christ, Zuwendungen in der Familie und Steuern, NZFam 2014, 322; Geck, Die steuerlichen Rahmenbedingungen der vorweggenommenen Erbfolge 2003–2013 – ein Rückblick auf ereignisreiche Jahre, ZEV 2013, 169; Gelhaar, Die Zugewinngemeinschaft im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2016, 10; Holler, Verzicht eines Ehegatten auf einen höheren Zugewinnausgleichsanspruch, ErbR 2018, 82; Münch, Die steuerrechtliche Qualifikation familienrechtlicher Kompensationsvereinbarungen, FPR 2012, 302; von Proff, Neues zur Inhaltskontrolle von Erb- und Pflichtteilsverzichten: das Urteil des OLG Hamm v. 8.11.2016 und seine Folgen für die Kautelarpraxis, ZEV 2017, 301.
a) Fremdüblichkeit
1.81 Bei Verträgen zwischen nahestehenden Personen (zum Begriff s. Rz. 13.46) muss wegen des fehlenden Interessengegensatzes sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehungen und die auf ihr beruhenden Leistungen rechtswirksam vereinbart wurden. Weiteres Indiz für die Zuordnung ist, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist.1 Vereinbarungen unter nahestehenden Personen werden der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde gelegt, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.2 Zu Kaufverträgen unter Angehörigen s. Rz. 1.382, zum gewerblichen Grundstückshandel unter Einschaltung nahestehender Personen s. Rz. 1.163, zur Vermietung an Angehörige s. Rz. 1.814 und s. Rz. 13.44, zur verbilligten Vermietung s. Rz. 1.832 ff. und s. Rz. 13.61. b) Darlehensverträge BMF-Schreiben und Literatur: BMF-Schreiben, Steuerrechtliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen, BStBl. I 2011, 37; Everts, Der private Darlehensvertrag – Investitionssicherung in Ehe, Partnerschaft und Familie, MittBayNot 2012, 258 und MittBayNot 2012, 337; Jonas, Gerichtliche Überprüfung von gesetzlichen Typisierungen in der Niedrigzinsphase, DB 2016, 3000; Paus, Anerkennung von Darlehensverträgen unter Angehörigen, EStB 2011, 262; Weidmann, Kriterien der Rechtsprechung für eine erfolgsabhängige Vergütung beim partiarischen Darlehen, BB 2012, 1059.
aa) Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Schenkung und Darlehensvertrag
1.82 Sofern ein Einzelunternehmer eine Geldschenkung mit der Auflage verbindet, den geschenkten Betrag dem Schenker wieder als Darlehen zu überlassen, will der BFH selbst bei notarieller Beurkundung das Vertragsverhältnis nicht anerkennen, weil mit der einen Hand genommen werde, was mit der anderen Hand gegeben wird.3 Ver1 BFH v. 10.8.2011 – X B 228/10, BFH/NV 2011, 1873. 2 Vgl. BFH v. 25.11.1986 – IX R 51/82, BFH/NV 1987, 159; v. 10.3.1988 – IV R 214/85, BStBl. II 1988, 877 = DStR 1988, 643 = NJW 1989, 318. 3 Vgl. BFH v. 10.4.1984 – VIII R 134/81, BStBl. II 1984, 705 = FR 1984, 503 = MittRhNotK 1985, 24.
30 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.85 Kap. 1
pflichtet sich der beherrschende Gesellschafter einer Personengesellschaft in einem notariellen Vertrag, seinem Kind zu Lasten seines Darlehenskontos einen Geldbetrag unter der Bedingung zuzuwenden, dass er der Gesellschaft sogleich wieder als Darlehen zur Verfügung zu stellen ist, können die Zinsen bei der steuerlichen Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das gilt auch bei längeren Abständen zwischen Schenkungs- und Darlehensvertrag, wenn zwischen beiden Verträgen eine auf einem Gesamtplan beruhende sachliche Verknüpfung besteht.1 Auch die Finanzverwaltung meint, bei schenkweise begründeten Darlehensschulden 1.83 der Eltern gegenüber ihren Kindern spreche bereits ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Schenkung einerseits und der Rückgewähr des geschenkten Betrages an den Schenker aufgrund des Darlehens andererseits gegen eine ernst gemeinte Übertragung einer Einkunftsquelle und damit gegen die einkommensteuerrechtliche Anerkennung des Darlehensvertrages. Dabei sei es unerheblich, ob Schenkungs- und Darlehensvertrag in einer oder in mehreren Urkunden vereinbart werden.2 Eine gewisse Lockerung ergibt sich aus dem Anwendungsschreiben des BMF v. 23.12.20103 für volljährige und wirtschaftlich voneinander unabhängige Angehörige. Danach kann es im Einzelfall unschädlich sein, wenn ein Darlehen unter anderen Bedingungen als unter Fremden überlassen wird. Entscheidend sei, ob die Zinsen regelmäßig gezahlt würden; die Darlehenstilgung und die Besicherung seien in diesen Fällen nicht zu prüfen. bb) Darlehenssicherung Darlehensverträge unter nahen Angehörigen will die Rechtsprechung ferner – jeden- 1.84 falls bei langfristigen Darlehen – nur anerkennen, wenn die wie bei fremden Dritten üblichen Sicherheiten bestellt werden, z.B. durch Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch.4 cc) Durchführung des Darlehensvertrages Zur erforderlichen tatsächlichen Durchführung eines von einem Kind seinen Eltern 1.85 gewährten Darlehens gehört es, dass die vereinbarten Zinsen tatsächlich an das Kind geleistet und anschließend weder für den Unterhalt des Kindes noch für die eigene Lebenshaltung verwendet werden.5 Wird zwischen Vater und Sohn, der über kein eigenes Vermögen verfügt, erst vier Monate nach Überweisung des Darlehensbetrages in Höhe von 100.000 DM ein Darlehensvertrag ohne Gewährung von Si-
1 Vgl. BFH v. 22.1.2002 – VIII R 46/00, BStBl. II 2002, 685 = DStR 2002, 716 = MittBayNot 2003, 502. 2 Vgl. BMF v. 1.7.1988 – IV B 2 - S 2144 – 2/88, BStBl. I 1988, 210. 3 BMF v. 23.12.2010 – IV C 6 - S 2144/07/10004, BStBl. I 2011, 37. 4 Vgl. BFH v. 7.11.1990 – X R 126/87, BStBl. II 1991, 291 = NJW 1991, 1134. 5 Vgl. BFH v. 10.8.1988 – IX R 220/84, BStBl. II 1989, 137 = NJW 1989, 1631.
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Kap. 1 Rz. 1.85 Steuerorientierte Immobilienübertragung
cherheiten geschlossen und werden Zinsen in geringerer Höhe gezahlt als nach dem Darlehensvertrag geschuldet, so kann dieser nicht als ernsthaft vereinbart angesehen und somit steuerlich nicht anerkannt werden.1 c) Familiengesellschaften aa) Enge Grenzziehung
1.86 Besonders enge Grenzen zieht die Rechtsprechung bei der Bildung einer Familiengesellschaft durch Schenkung von Gesellschaftsanteilen an nicht mitarbeitende Familienangehörige. Um die ertragsteuerliche Anerkennung zu erreichen, darf die Rechtsstellung der aufgenommenen Gesellschafter nicht wesentlich hinter den Rechten, die das Gesetz dem Gesellschafter für den Regelfall (Normalstatut) zubilligt, zurückbleiben. bb) Vertragsabschlüsse unter Gesellschaftern/Gemeinschaftern/ Miteigentümern
1.87 Beispiel: An einer Erbengemeinschaft, zu der ein Dreifamilienhaus gehört, sind Vater V zu 3/4 und die beiden Kinder A und B zu je 1/8 beteiligt. V bewohnt (gegen angemessenen Mietzins) eine Erdgeschosswohnung, Kind A unentgeltlich eine Dachgeschosswohnung, das dazwischenliegende 1. Obergeschoß ist (gegen angemessenen Mietzins) fremdvermietet; Kind B nutzt das Anwesen selbst nicht, erhält aber auch keine (anteiligen) Erträge ausbezahlt. Die Miterben vereinbaren, dass V alle Aufwendungen für die Unterhaltung und Instandsetzung des Hauses tragen und im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich geltend machen soll und die das Dachgeschoss bewohnende Tochter wegen der „Mithilfe an Unterhaltungsmaßnahmen“ die Dachgeschosswohnung mietfrei nutzen darf. Welche steuerlichen Folgen ergeben sich aus den getroffenen Vereinbarungen? Erzielen Mitglieder einer Erbengemeinschaft – als Miteigentümer eines Dreifamilienhauses – aus der gemeinsamen Vermietung einer Wohnung gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, so sind diese unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Miteigentümer die übrigen Räumlichkeiten des Hauses jeweils selbst nutzen, den Eigentümern grundsätzlich entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zuzurechnen und einheitlich und gesondert festzustellen. Wird eine Wohnung eines im Miteigentum stehenden Wohnhauses an einen Miteigentümer zur Nutzung überlassen und nutzt dieser das gemeinschaftliche Wohnhaus insgesamt über seinen Miteigentumsanteil hinaus, so erzielt der andere Miteigentümer anteilig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; der die Wohnung nutzende Miteigentümer hat hinsichtlich seiner auf fremdem (von dem anderen Miteigentümer überlassenen) Recht beruhenden Nutzung eine mieterähnliche Stellung, er erzielt folglich insoweit keine Vermietungseinkünfte2. Die Einkünfte sind objektbezogen – d.h. wohnungsbezogen – zu ermitteln.
1 Vgl. BFH v. 9.10.2001 – VIII R 5/01, GmbHR 2002, 280 = DStRE 2002, 866. 2 BFH v. 7.6.2006 – IX R 14/04, BFH/NV 2006, 2053.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.88 Kap. 1
Daraus folgt: – V, A und B erzielen aus der Fremdvermietung (1. OG) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die objektbezogenen Einkünfte und Ausgaben sind den Miterben entsprechend ihren Erbteilen zuzurechnen1. – Die Selbstnutzung eines Teils des Gebäudes durch V (Erdgeschoßwohnung) führt nicht zum vorrangigen „Verbrauch“ seines Miteigentumsanteils. V selbst hat im Zusammenhang mit der Vermietung der EG-Wohnung zwar selbst keine Vermietungseinkünfte erzielt, weil es schon zivilrechtlich an einem Mietverhältnis fehlt: Denn V wäre nämlich Vermieter und gleichzeitig sein eigener Mieter. Die Entstehung eines Schuldverhältnisses setzt aber voraus, dass ein Gläubiger und ein (personenverschiedener) Schuldner vorhanden ist2. A und B erzielen jedoch aus der Vermietung an V insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, als sie V – abweichend von § 743 Abs. 2 BGB – einen weitergehenden Gebrauch der gemeinschaftlichen Sache eingeräumt haben. Statt des ihnen zustehenden Entschädigungsanspruchs aus § 745 Abs. 2 BGB3 haben A und B zugunsten des V gegen Entgelt (Mietzins) auf ihr Mitgebrauchsrecht verzichtet und ihm die Wohnung im EG zur Alleinnutzung überlassen. Insoweit haben A und B zum Ausgleich der Mehrnutzung eine entgeltliche Nutzungsvereinbarung mit V abgeschlossen. Diese Vereinbarung ist als Mietverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen4. Die objektbezogenen Einkünfte und Ausgaben sind den Miterben entsprechend ihren Erbteilen (jeweils 1/8) zuzurechnen (s. oben). – Die Selbstnutzung eines Teils des Gebäudes durch A (Dachgeschoßwohnung) führt nicht zum vorrangigen „Verbrauch“ seines Miteigentumsanteils; A selbst hat im Zusammenhang mit der Vermietung der DG-Wohnung aber selbst keine Vermietungseinkünfte erzielt, weil es schon zivilrechtlich an einem Mietverhältnis fehlt (s. oben). V und B erzielen aus der unentgeltlichen Überlassung an A wegen der fehlenden Vereinbarung eines Mietzinses mangels Einkünfteerzielungsabsicht (s. Rz. 1.1410) ebenfalls keine Vermietungseinkünfte; u.E. steht hier das Interesse der Versorgung dieses Angehörigen im Vordergrund (s. Rz. 13.61). – Die von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Aufwandsverteilung (zu Lasten des V) ist steuerrechtlich nicht zu beachten, weil sie in Gestaltung und Durchführung dem zwischen fremden Dritten Üblichen nicht entspricht5.
cc) Vertretung Minderjähriger Die Eltern eines Minderjährigen können diesen gem. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei 1.88 einem Rechtsgeschäft mit einem Verwandten in gerader Linie nicht vertreten, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht oder lediglich einen rechtlichen Vorteil darstellt. Der Formunwirksamkeit eines unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrags kommt eine Indizwirkung gegen dessen steuerrechtliche Anerkennung zu.6
1 Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 58, m.w.N. 2 BGH v. 4.7.1991 – III ZR 101/90, BGHZ 115, 116, 122; v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; BFH v. 30.7.1985 – VIII R 71/81, BStBl. II 1986, 327. 3 Vgl. BGH v. 13.4.1994 – XII ZR 3/93, NJW 1994, 1721. 4 Vgl. BFH v. 7.6.2006 – IX R 14/04, BFH/NV 2006, 2053. 5 Vgl. BFH v. 31.3.1992 – IX R 245/87, BStBl. II 1992, 890 = DB 1992, 2118, zu § 21 Abs. 2 EStG a.F. (Nutzungswertbesteuerung). 6 Vgl. BFH v. 22.2.2007 – IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20.
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Kap. 1 Rz. 1.89 Steuerorientierte Immobilienübertragung
dd) Mitunternehmer
1.89 Familienangehörige, insbesondere Kinder, die schenkweise als Kommanditisten in eine Familien-KG aufgenommen werden, sind nur Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn ihnen wenigstens annäherungsweise diejenigen Rechte eingeräumt sind, die einem Kommanditisten nach den weitgehend dispositiven Vorschriften des HGB zukommen (Normalstatut).1 Vertragsklauseln, die das Stimmrecht des Kommanditisten de jure oder de facto ausschließen, beschränken die Rechtsstellung des Gesellschafters so sehr, dass er nicht mehr als Mitunternehmer angesehen werden kann. Darf ein Kommanditist in der Gesellschafterversammlung nicht mitstimmen und ist für ihn das Widerspruchsrecht nach § 164 HGB abbedungen, ist er kein Mitunternehmer. Dem Ausschluss des Stimmrechts steht es gleich, wenn Kommanditisten in keinem Fall den Mehrheitsgesellschafter an einer Beschlussfassung hindern können, z.B. auch dann nicht, wenn es um die Änderung der Satzung oder die Auflösung der Gesellschaft geht.2 d) Steuerliche Anerkennung von Mietverträgen Literatur: Fuhrmann, Verträge zwischen nahen Angehörigen – Grenzfälle der Gestaltungspraxis, KÖSDI 2005, 14784; Günther, Gestaltungsmissbrauch bei Einkünften mit Grundstücken, EStB 2019, 64; Hamdan/Hamdan, Die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, DStZ 2008, 113; Heuermann, Irritationen über einen alten Rechtsgrundsatz – Verträge zwischen nahestehenden Personen ohne zivilrechtliche Wirksamkeit? DB 2007, 1267; Heuermann, Formunwirksame Verträge zwischen nahestehenden Personen, StBp 2007, 223; Heuermann, Vermieten als unangemessenes Gestalten durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene, StuW 2004, 124; Heuermann, Vermieten als angemessenes Gestalten, BB 2003, 1465; Neufang, Verbillige Vermietung an Angehörige, StB 2018, 261; Pezzer, Steuerliche Gestaltungen und ihre Grenzen bei Vermietung und Verpachtung unter nahen Angehörigen, DStR 1995, 1853 (1898); Pezzer, Ungelöste Grundsatzfragen in der Rechtsprechung zur Vermietung an volljährige unterhaltsberechtigte Kinder, StuW 1994, 341; Schoor, Gestaltungsempfehlungen bei Mietverträgen zwischen Angehörigen, StuB 2004, 952; Schoor, Mietverträge zwischen nahen Angehörigen, StBp 2004, 292; Siebenhüter, Fremdvergleich bei Mietvertrag Sohn/Mutter, EStB 2017, 15; Spindler, Neuere Tendenzen in der steuerrechtlichen Beurteilung von Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen, DB 1997, 643; Thürmer, Wohnungsvermietung an ein unterhaltsberechtigtes Kind, DB 2003, 1012; Tiedtke/Möllmann, Zivilrechtliche Wirksamkeit als Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, DStR 2007, 1940.
1.90 Mietverträge unter Angehörigen können wegen der Möglichkeit der verbilligten Vermietung von besonderem steuerlichen Interesse sein. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG erlaubt gegenüber der ortsüblichen Marktmiete eine Reduzierung um 34 % bei vollem Abzug aller Werbungskosten (s. Rz. 13.61). Der gesetzgeberische Grund liegt darin, dass die Eigentümer von vermietetem Wohnraum nicht die Grenze der Marktmiete ausschöpfen müssen, um den Werbungskostenabzug zu erhalten. 1 Vgl. BFH v. 8.2.1979 – IV R 163/76, BStBl. II 1979, 405 (670); BMF v. 5.10.1989 – IV B 2 - S 2241 – 48/89, BStBl. I 1989, 378. 2 Vgl. BFH v. 11.10.1988 – VIII R 328/83, BStBl. II 1989, 762.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.101 Kap. 1
Nur wenn das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weni- 1.91 ger als 50 % der ortsüblichen Marktmiete beträgt, ist die Nutzungsüberlassung stets in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG. Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als (voll)entgeltlich, § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG. Im Schwellenbereich zwischen 50 v.H. und 65,9 v.H. der Marktmiete ist die Einkünfteerzielungsabsicht des Stpfl. mit Hilfe einer Überschussprognose zu prüfen (näher s. Rz. 13.61).
1.92–1.99
Einstweilen frei. e) Vorbehaltsnießbrauch bei Grundstücksübertragung
Literatur: Demuth, Vorbehaltsnießbrauch am ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögen, MittBayNot 2020, 408; Hermes, Die Innengesellschaft als Gestaltungsinstrument für ein mitunternehmerisches Nießbrauchrecht, DStR 2019, 1777; ders., Das mitunternehmerische Nießbrauchsrecht im steuerrechtlichen Wandel?, BB 2020, 1818; Löcherbach/Wegener, Betriebsvermögensbegünstigung bei Schenkungen von Kommanditanteilen unter Nießbrauchsvorbehalt, DStR 2020, 1599; R. u. F. Schur, Schenkungen unter Vorbehaltsnießbrauch unter besonderer Berücksichtigung der Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchs, ZEV 2020, 317; Spiegelberger, Vorbehaltsnießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens, ZEV 1994, 214; ders., Betrieblicher Nießbrauch: Steuerliche Gefahrenquellen, notar 2017, 419; ders., Betriebsaufgabe durch Vorbehaltsnießbrauch?, FS für Crezelius, 2018, 429; Stein, Der Nießbrauch am Mitunternehmeranteil – aktuelle Fragestellungen vor dem Hintergrund der möglichen Abkehr von der diagonalen Spaltung des Mitunternehmeranteils, BB 2021, 28.
aa) Entstehungsgeschichte Der Nießbrauch ist römisch-rechtlichen Ursprungs und ist im 3. Jahrhundert vor 1.100 Christus aufgekommen. Wollte der Erblasser sein Vermögen den Kindern zuwenden, der Ehefrau jedoch eine sichere Versorgung gewähren, wurde ein usus fructus bestellt. Der Versorgungscharakter erklärt sich daraus, dass der Nießbrauch eng mit der Person des Berechtigten verknüpft war und deshalb spätestens mit dessen Tod erlosch1. Sofern die Nießbrauchberechtigung nicht einer natürlichen Person, sondern einer juristischen Person – Kapital- oder Personengesellschaft – eingeräumt wird, kann auch eine langfristige Berechtigung erzielt werden. Gemäß § 1030 BGB beinhaltet der Nießbrauch das Recht, sämtliche Nutzungen aus 1.101 dem belasteten Gegenstand zu ziehen. Damit korrespondiert die Pflicht, die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrecht zu erhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren.
1 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, 22. Aufl. 2021, § 29 Rz. 2.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.102 Steuerorientierte Immobilienübertragung
bb) Wirksame Bestellung
1.102 Die steuerliche Anerkennung eines Nießbrauchs für ein minderjähriges Kind setzt ausnahmslos die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit voraus.1 Auch bei der Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs für Minderjährige an Vermögensgegenständen der Eltern oder eines Elternteils ist eine Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich, da ein Zuwendungsnießbrauch nach Auffassung der Rechtsprechung nicht einen lediglich rechtlichen Vorteil darstellt.2 cc) Praxishinweise
1.103 Zum Vorbehaltsnießbrauch hat die Steuerrechtsprechung in den vergangenen fünfzig Jahren alle theoretisch möglichen Rechtspositionen bezogen und partiell auch wieder aufgegeben. 1.104 Im Bereich des steuerlichen Privatvermögens hat der Vorbehaltsnießbrauch seinen Durchbruch durch die Mairechtsprechung des BFH v. 13.5.19803 eine positive Wendung genommen. Da der Vorbehaltsnießbrauch seine Eigentümerstellung durch die Übertragung des Wirtschaftsguts unter Vorbehalt des Nießbrauches aufgibt, war es weitblickend, die AfA-Berechtigung beim Nießbraucher zu belassen, da jedenfalls der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eingeräumte Nießbrauch keine Gegenleistung darstellt, sondern nur die Nutzung des Übergebers verlängert oder jedenfalls den Ertrag des übergebenen Vermögens dem Nießbraucher belässt. Da der Nießbraucher eine von ihm selbst oder seinem Rechtsvorgänger angeschaffte Immobilie weitergibt oder jedenfalls den Aufwand für die Anschaffung getragen hat, ist die Rechtsfolge, dem Nießbraucher weiterhin die AfA zu belassen, eine adäquate steuerliche Regelung. 1.105 Die Rechtsform des Vorbehaltsnießbrauchs als Quotennießbrauch4 ist ein zusätzliches Ventil, insbesondere bei der vorweggenommenen Erbfolge, um den Übergeber zu versorgen und zugleich dem Übergeber hinsichtlich der zurückbehaltenen Eigentumsquote die damit verbundenen Eigentümerrechte zu belassen. Zudem beweist der Quotennießbrauch auch die Richtigkeit der von Flume5 begründeten Spaltungstheorie, wonach die Nutzung eines Wirtschaftsguts und eines Gesellschaftsanteils – jedenfalls bei Zustimmung aller Beteiligten – vertikal und diagonal aufgeteilt werden kann, da diese Gestaltung auch durch eine Innengesellschaft, einen Unterbetei-
1 Vgl. BFH v. 31.10.1989 – IX R 216/84, DB 1990, 915; IV. Nießbraucherlass, BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004, BStBl. I 2013, 1184 Rz. 4 und 5. 2 Vgl. BFH v. 13.5.1980 – VIII R 75/79, BStBl. II 1981, 297; BMF v. 26.5.1992 – IV B 3 S 2253 – 3/92 II, BStBl. I 1992, 370. 3 Urteile des BFH v. 13.5.1980 – VIII R 63/79, VIII R 75/79 u. VIII R 128/78, BStBl. II 1981, 295, 297 und 299; Vater der Rechtsprechungsänderung ist der BFH-Richter Döllerer, StbJb 1984/85, 55. 4 Vgl. Amann in FS Spiegelberger, 2009, 1161. 5 Vgl. Flume, Personengesellschaft 1977, S. 366.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.108 Kap. 1
ligungsvertrag oder durch Einbringung einer Immobilie in eine GmbH & Co. KG erreicht werden kann. Im Unternehmensbereich hat der X. BFH-Senat durch seine Urteile vom 21.1.2015 1.106 zur Betriebsaufspaltung1 und vom 25.1.20172 zum Einzelunternehmen zu einer totalen Verunsicherung geführt. Nach diesen Entscheidungen führt der Vorbehaltsnießbrauch zur Aufdeckung aller stillen Reserven, weil die Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Beendigung der eigenen betrieblichen Tätigkeit des Übergebers beinhalte. Über die Gewinnrealisierung durch Aufdeckung aller stillen Reserven hinaus bedeu- 1.107 ten die Entscheidungen des X. BFH-Senats, dass auch die Voraussetzungen für die erbschaftsteuerliche Steuerverschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG entfallen3. Der einzige Lichtblick besteht darin, dass die Finanzverwaltung in ihrem BMFSchreiben v. 20.11.20194 bestätigt hat, dass ein Nießbrauchsvorbehalt der Buchwertfortführung bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils nicht entgegensteht5. Die Verwirrung der Vertragspraxis wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass der Vorbehaltsnießbrauch bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Buchwertfortführung führt, so dass – nach Auffassung des X. BFH-Senats – die Buchwertfortführung nur bei der Übertragung von Einzelunternehmen und bei Betriebsaufspaltungen entfällt. Die Vertragspraxis behilft sich in der Weise, dass an Stelle eines Vorbehaltsnießbrauchs Versorgungsrenten gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 lit. a, b und c EStG vereinbart werden. dd) Nießbrauch an Betriebsgrundstücken Dringend abzuraten ist von einem Nießbrauch an Betriebsgrundstücken. In einer 1.108 Haftungsentscheidung des BGH v. 22.5.20036 wurde für den Fall einer Hofübergabe unter Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs für den Übergeber an einem zum sog. geduldeten landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zählenden vermieteten Wohnhaus eine Substanzentnahme angenommen, da der Notar wegen des Streits der Beteiligten das von dem Streit betroffene Grundstück bei dem Übergeber beließ und nur das restliche Betriebsvermögen der vorweggenommenen Erbfolge unterwarf. Der Leitsatz der BGH-Entscheidung lautet: „Ist dem Notar bekannt, dass der Entwurf, den er der Beurkundung eines Hofübergabevertrags zugrunde legen soll, von einem Steuerberater stammt, kann er, wenn einer der Beteiligten eine Änderung des Vertrags anregt, gehalten sein, den Beteilig-
1 BFH v. 21.1.2015 – X R 16/12, GmbHR 2015, 776 = MittBayNot 2016, 275. 2 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, BStBl. II 2019, 730 = DStR 2017, 1308 = GmbHR 2017, 1002 = MittBayNot 2018, 75. 3 Vgl. Spiegelberger, notar 2019, 419, 420 und 430. 4 BMF v. 20.11.2019 – IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1231 Rz. 7. 5 Zustimmend Wiese/Lukas, Unternehmensnachfolge, 2021, Kap. 6 Rz. 6.86. 6 BGH v. 22.5.2003 – IX ZR 201/01, DStRE 2003, 1123 = DNotZ 2003, 845.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.108 Steuerorientierte Immobilienübertragung
ten zu empfehlen, dass sie die Tragweite der Änderung durch den Steuerberater überprüfen lassen, bevor der Vertrag in der geänderten Form beurkundet wird.“ Die Entwurfsänderung hat damit zur Haftung des Notars geführt, allerdings mit der Mithaftung des Steuerberaters, da dessen Entwurf einen steuerschädlichen Vorbehaltsnießbrauch beinhaltete. ee) Ertragsnießbrauchrechte Literatur: Kroboll, Der Ertragsnießbrauch am Mitunternehmeranteil als Gestaltungsinstrument, ErbStB 2014, 314; Wälzholz, Aktuelle steuerliche Gestaltungsprobleme des mitunternehmerischen Nießbrauchs am Anteil einer Personengesellschaft, DStR 2010, 1930
1.109 Dringend ist auch vor einem Ertragsnießbrauch zu warnen. In einem rechtskräftigen, nicht amtlich veröffentlichten Urteil hat das FG Münster1 über folgenden Sachverhalt entschieden: Vater V wendet 1965 in seinem Testament seinen GmbH & Co. KG-Anteil seinem Sohn S zu; seine Witwe W erhält vermächtnisweise den Nießbrauch an diesem Gesellschaftsanteil. Die KG überweist den auf den KG-Anteil entfallenden Gewinn jährlich unmittelbar an W. Obwohl in sieben (!) aufeinanderfolgenden Betriebsprüfungen die Mitunternehmerstellung der W bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen zugrunde gelegt wurde, nimmt ein Betriebsprüfer im Jahr 2005 bei einer weiteren Betriebsprüfung an, dass W nicht Mitunternehmerin geworden sei. Das FA erstattet daraufhin die noch nicht bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von 600.000 t an W. Gleichzeitig werden S alle an die Witwe W abgeführten KG-Erträge zugerechnet, der sich zu Recht fragt, wie er die nunmehr festsetzten und künftige Steuern bezahlen soll, solange der gesamte Ertrag an W geht.
1.110 Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH2 ist der Begriff des Mitunternehmers gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ein Typusbegriff. Ein Mitunternehmer ist nur derjenige, der aufgrund eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses oder eines vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses mit anderen Personen Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. In dem entschiedenen Fall habe – so das FG Münster – die Nießbraucherin auch keine Mitunternehmerinitiative entwickelt, da sie an unternehmerischen Entscheidungen nicht beteiligt war und Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte nicht ausgeübt habe. Die Gewinnauszahlung an die Nießbrauchsberechtigte sei einkommensteuerlich unbeachtlich und für den mit der Weiterleitung belasteten Gesellschafter eine Vermögensverwendung, die zu keiner Einkunftsquelle bei der Nießbraucherin geführt habe.
1 FG Münster v. 23.9.2008 – 1 K 5114/04 F, juris. 2 BFH v. 16.5.1995 – VIII R 18/93, BStBl. II 1995, 714.
38 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.121 Kap. 1
ff) Zusammenfassung – Die Bestellung eines Nießbrauchsrechts an einem einzelnen Wirtschaftsgut des 1.111 Betriebsvermögens ohne gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Nießbrauchers führt zu einer Nutzungs- und/oder Substanzentnahme. – An Personengesellschaftsanteilen ist die Bestellung eines (mit-)unternehmerischen Nießbrauchs möglich. – Nach der grundlegenden Entscheidung des BFH v. 1.3.19941 bleibt der Nießbrauchsverpflichtete Mitunternehmer, da er einen hinreichenden Bestand an vermögensrechtlicher Substanz des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils und einen hinreichenden Bestand an gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten zurückbehält. Nießbraucher und nießbrauchsbelasteter Gesellschafter sind somit Mitunternehmer. – Dem Nießbraucher gebühren der entnahmefähige Ertrag und das Stimmrecht über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechtes nach Maßgabe der Vertragsgestaltung. Dem Gesellschafter gebühren die außerordentlichen Erträge und das Stimmrecht über die außerordentlichen Angelegenheiten und bei allen Grundlagenbeschlüssen. – Durch Vollmachten darf die austarierte Aufteilung der Befugnisse der Beteiligten nicht verschoben werden. – In der Bestellungsurkunde sind die beiderseitigen Rechte genau abzugrenzen.
1.112–1.119
Einstweilen frei. 6. Ehegattenrechtsverhältnisse a) Grundstücksgemeinschaft
Literatur: Kiesow, Zur entgeltlichen Übertragung von Mietimmobilien zwischen Ehegatten – Vermögenstransaktionen im Spannungsfeld zwischen Steuergestaltung und Steuerumgehung, DStR 2013, 2252; Kowanda, Die ertragssteuerliche Behandlung der Ehegatten- (und Lebenspartner-) Grundstücksgemeinschaft, DStR 2017, 961.
Eine Bruchteilsgemeinschaft hat den geringsten Bestandsschutz aller Gemeinschafts- 1.120 und Gesellschaftsverhältnisse: Ein vollstreckbarer Titel gegen einen Miteigentümer reicht aus, um die gesamte Bruchteilsgemeinschaft in eine Teilungsversteigerung zu stürzen. Der BGH2 hat das Halten, Verwalten und Bewohnen eines Familienheimes durch 1.121 Ehegatten als gemeinsamen Zweck im Sinne einer GbR anerkannt.
1 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = DB 1994, 2423 = NJW 1995, 1918. 2 BGH v. 20.5.1981 – V ZB 25/79, DB 1982, 109 = NJW 1982, 170 = DNotZ 1982, 159 = MittBayNot 1981, 237; ebenso Flume, DB 1973, 2470.
Spiegelberger
39
Kap. 1 Rz. 1.122 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.122 Haftungsrechtlich ist die GbR eine problematische Gesellschaftsform1: die Gesellschafter haften persönlich, die Haftung kann nicht durch den Gesellschaftsvertrag begrenzt werden und minderjährige Gesellschafter können gem. § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB mit Vollendung des 18. Lebensjahrs die GbR aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Auch die Verwaltung einer GbR im Grundbuchverkehr durch einen Gesellschafter erfordert faktisch (notarielle) Verwaltungsvollmachten durch die übrigen Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund wendet sich die Beratungspraxis aus Gründen vorausschauender Vorsicht eher der Rechtsform der vermögensverwaltenden KG zu.2 b) Oder-Konten Literatur: Demuth/Schreiber, Wege aus der „Schenkungsteuerfalle Oderkonto“, ZEV 2012, 405.
1.123 Zahlungen eines Ehegatten an den anderen Ehegatten aufgrund eines Arbeits- oder eines Mietverhältnisses waren nach Auffassung des BFH3 keine Betriebsausgaben des Arbeitgeber- oder Mieterehegatten, wenn dieser das Gehalt an den Arbeitnehmer-Ehegatten oder die Miete an den Vermieter-Ehegatten auf ein Bankkonto (Oderkonto) überwies, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt war. 1.124 Die Mitverfügungsberechtigung des Arbeitgeberehegatten aufgrund einer Kontovollmacht ist jedoch unschädlich, weil die Vergütung endgültig in den Einkommensund Vermögensbereich des Arbeitnehmerehegatten übergegangen ist.4 Nach der Rechtsprechung des BVerfG5 ist bei Ehegattenarbeitsverhältnissen ein Oderkonto für die steuerliche Anerkennung nicht ausschlaggebend. Seit dieser Entscheidung hat sich der strenge Maßstab bei der Anerkennung von Angehörigenverträgen in der Rechtsprechung des BFH generell gelockert. Die mangelnde Fixierung der Arbeitszeiten kann unschädlich sein.6 Soweit durch die Errichtung eines Oder-Kontos oder durch Einzahlungen eines Ehegatten auf ein Oder-Konto der andere Ehegatte bereichert wird,7 ist die damit
1 Siehe die Haftungsentscheidung des BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, DStR 2001, 310 = MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056 = DNotZ 2001, 234 = MittBayNot 2001, 192. 2 Spiegelberger/Christl, Vermögensnachfolge3, § 12 Rz. 2. 3 BFH v. 27.11.1989 – GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160; v. 7.2.1990 – X R 14/86, BStBl. II 1990, 429; v. 28.02.1990 – I R 102/85, BStBl. II 1990, 548 und v. 10.4.1990 – VIII R 289/84, BStBl. II 1990, 741. 4 Vgl. BFH v. 27.11.1989 – GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160. 5 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 = DStR 1995, 1908 = DB 1995, 2572 = NJW 1996, 833. 6 Vgl. BFH v. 21.1.1999 – IV R 15/98, DStRE 1999, 457. 7 BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = DStR 2012, 796 = NJW 2012, 1837 = ZEV 2012, 280; FG Hessen v. 26.7.2001 – 1 K 2651/00, EFG 2002, 34.
40 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.129 Kap. 1
verbundene Schenkung dem Finanzamt anzuzeigen. Ohne diese Anzeige beginnt die Steuerfestsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht zu laufen.1 Die Feststellungslast für die Tatsache, die zur Annahme einer freigebigen Zuwen- 1.125 dung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderlich ist, trägt das Finanzamt, und zwar auch dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Gibt es hingegen deutlich objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten entsprechend der Auslegungsregel des § 430 BGB zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll2.
1.126–1.128
Einstweilen frei. VI. Gestaltungsmissbrauch
Literatur: Drüen, Branchenübliche Geschäfte unter fremden Dritten als Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO?, DStR 2020, 1465; Hüttemann, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, Tagungsband der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft 2010 (mit Beiträgen von Seer, Kirchhof, Schön, Neumann, Rödder, Wendt, Hey, Tanzer, Kofler, Klein, Schwenke, Dorenkamp, Möhlenbrock). Hüttemann, Steuerrechtsprechung und Steuerumgehung, DStR 2015, 1146; Kirschstein, Gestaltungsmissbrauch beim Verkauf von Aktien aus vorgeschalteter Schenkung, Anm. zu FG Rheinland-Pfalz v. 23.11.2016, ErbStB 2017, 333.
1. Gestaltungsfreiheit Die Sentenz von Ovid „dat census honores“ (es ist ehrenhaft, Steuern zu zahlen) 1.129 kann nicht mehr als Allgemeingut gelten.3 Maxime des heutigen Wirtschaftslebens ist es, Steuern zu sparen. Der Steuerpflichtige ist sogar berechtigt, seine Freiheit über sein Einkommen und sein Vermögen mit dem Willen gegen die Steuer auszuüben.4 Das Motiv, Steuern zu sparen, ist legitim und macht eine Gestaltung nicht unangemessen.5 Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann jedoch die Besteuerung nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, wird der Steueran1 Kritisch zur Behandlung von Oder-Konten durch die Finanzverwaltung vgl. v. Oertzen/ Straub, BB 2007, 1473. 2 BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = DStR 2012, 796 = NJW 2012, 1837 = ZEV 2012, 280. 3 Vgl. Durst, KÖSDI 2002, 13519. 4 Vgl. Kirchhoff, StuW 1983, 173. 5 Der Leitsatz zu BFH v. 18.7.2001 – I R 98/97, DStR 2001, 1883 (1885) re.Sp. Ziff. 3, lautet: „Eine „Anteilsrotation“ begründet in der Person der Erwerberin der veräußerten Geschäftsanteile nicht schon deshalb einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Erwerberin die Gesellschaft anschließend liquidiert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veräußerer der Gesellschaftsanteile auf die Erwerberin keinen beherrschenden Einfluss ausüben können.“
Spiegelberger
41
Kap. 1 Rz. 1.129 Steuerorientierte Immobilienübertragung
spruch gem. § 42 AO so begründet, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nicht vor, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
1.130 Die Missbrauchsverhinderungsregelungen in den Einzelgesetzen gehen der allgemeinen Regelung des § 42 AO vor.1 1.131 Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck dient. Missbrauchsverdächtig sind insbesondere wechselseitige Rechtsgeschäfte, mit denen die Vertragsteile jeweils gleiche Leistungen austauschen, deren wirtschaftliche Ergebnisse sich gegenseitig aufheben.2 2. Körperschaftsteuerliche Grenzen
1.132 Die Anteilsrotation – d.h. die wechselseitige (oder ringweise) Veräußerung der Geschäftsanteile an einer Kapitalgesellschaft – zur Verlustnutzung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) stellt dem Grunde nach – d.h. wenn die Kaufpreise der jeweiligen Anteile ihrem tatsächlichen Wert entsprechen – keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts gem. § 42 AO dar.3 Denn der Tausch ist eine Erscheinung des täglichen Lebens und darf nicht von vorneherein als missbrauchsverdächtig beurteilt werden. Etwas anderes kann aber gelten, wenn die im Zuge des Anteilstausches vereinbarten Veräußerungspreise in einem markanten Missverhältnis zum Beteiligungswert stehen4; entsteht ein Verlust i S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG nur dadurch, dass die Beteiligten einen die Wertverhältnisse des zur Veräußerung bestimmten Kapitalgesellschaftsanteils krass verfehlenden Kaufpreis vereinbaren, ist der „Verlust“ nicht – wie im Fall des BFH-Urteils vom 7.12.20105 – durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen unter Wert zustande gekommen. Auf einen solchen – rechtsmissbräuchlichen – Verkauf unter Wert würde sich ein fremder Dritter aber niemals einlassen.
1.133 Das Hauptventil bei Kapitalgesellschaften, unangemessene Rechtsgestaltungen abzufangen, ist das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung, die immer dann in Betracht kommt, wenn eine Vermögensminderung (oder verhinderte Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist; eine solche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt regelmäßig vor, wenn die Kapital1 Vgl. Günther, GStB 2012, 369. 2 Vgl. BFH v. 7.3.2001 – X R 192/96, BStBl. II 2002, 126. 3 Vgl. BFH 7.12.2010 – IX R 40/09, BStBl. II 2011, 427 = DStR 2011, 401 = GmbHR 2011, 380. 4 Sächsisches FG v. 6.5.2021 – 8 K 1102/20, EFG 2021, 2063, n. rkr., Rev., Az. d. BFH IX R 18/21. 5 Vgl. BFH 7.12.2010 – IX R 40/09, BStBl. II 2011, 427 = DStR 2011, 401 = GmbHR 2011, 380.
42 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.135 Kap. 1
gesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Die Frage, ob eine Gestaltung als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist, ist gegenüber der Anwendung des § 42 AO vorrangig. Die Rechtsprechung des I. Senats des BFH beschränkt das Verdikt des § 42 AO auf offensichtliche Missbrauchgestaltungen, z.B. auf funktionslose Briefkasten-Gesellschaften.1 Die auf Dauer angelegte Zwischenschaltung inländischer Kapitalgesellschaften 1.134 zwischen Steuerpflichtigem und Einkunftsquelle zur Erreichung einer verminderten Tarifbelastung oder aus anderen steuerlichen Gründen ist grds. nicht rechtsmissbräuchlich2 Auch die Verlagerung von Einkünften einer Schwestergesellschaft auf die andere ist nicht deswegen ein Gestaltungsmissbrauch, weil sie ausschließlich oder überwiegend dem Ziel dient, Verlustvorträge zu neutralisieren;3 allerdings ist hier vorab zu prüfen, ob nicht bereits eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Ebenso ist die Einschaltung einer ausländischen Finanzierungsgesellschaft kein Gestaltungsmissbrauch, wenn die Finanzierungsgesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.4 Selbst die Praktizierung des Schüttaus-Holzurück-Verfahrens bei inkongruenten Ge- 1.135 winnausschüttungen – um Verlustvorträge auszuschöpfen – ist nach dem BFH5 zulässig. Auch die Zusammenfassung unterschiedlicher Betriebe gewerblicher Art ist kein Gestaltungsmissbrauch.6 Liegt eine Personen-Obergesellschaft ihr Wirtschaftsjahr abweichend von den Wirtschaftsjahren der Untergesellschaften fest, so liegt hierin jedenfalls dann kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, wenn dadurch die Entstehung eines Rumpfwirtschaftsjahres vermieden wird.7 Die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft zur Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, so etwa dann, wenn es sich um eine „funktionslose“ Gesellschaft handelt, die vom Veräußerer oder ihm nahestehenden Personen beherrscht wird8. Demgegenüber liegt keine
1 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 = GmbHR 2002, 865 und v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289 = GmbHR 2003, 308. 2 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – I R 55/95, BStBl. II 1998, 90 = DStR 1997, 284 = NJW 1997, 1871 = GmbHR 1997, 324. 3 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 64/01, BFH/NV 2003, 205 = GmbHR 2003, 183 = DStRE 2003, 104. 4 Vgl. BFH v. 20.3.2001 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 = DStR 2002, 1348 = GmbHR 2002, 862. 5 BFH v. 19.8.1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43 = DStR 1999, 1849 = GmbHR 1999, 1258. 6 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 9/03, DStR 2004, 2052 = GmbHR 2004, 1601. 7 BFH v. 9.11.2006 – IV R 21/05, BStBl. II 2010, 230 = GmbHR 2007, 549. 8 BFH v. 25.4.1996 – VIII B 50/96, BFH/NV 1996, 746; v. 17.6.1998 – X R 68/95, BStBl. II 1998, 667 = FR 1998, 952 m. Anm. Weber-Grellet; v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622 = FR 2010, 706 m. Anm. Hartrott.
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Kap. 1 Rz. 1.135 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Missbrauchgestaltung vor, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft eine wesentliche wertschöpfende eigene Tätigkeit, z.B. durch Bebauung des erworbenen Grundstücks, ausübt1 (näher s. Rz. 11.71).
1.136 Der Kauf wertloser Anteile an einer GmbH, deren Betrieb seit Jahren eingestellt war und die kein die Fortführung eines Gewerbebetriebes ermöglichendes Vermögen mehr besaß, um den Verlustvortrag der GmbH aus den Vorjahren auszuschöpfen, wurde von der Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich angesehen.2 Nunmehr ist der Verlustabzug durch § 8c KStG eingeschränkt. 1.137 Einstweilen frei. 3. Bauherrenmodell
1.138 Ein eindrucksvolles Beispiel für missbräuchliche Gestaltungen im Einkommensteuerbereich ergibt sich aus der Geschichte des Bauherrenmodells. Einer der zentralen Aspekte dieser Investitionsform war, eine Verlagerung von Teilen der Anschaffungsoder Herstellungskosten in den Werbungskosten- und Betriebsausgabenbereich zu erreichen, da Werbungskosten und Betriebsausgaben sofort und in voller Höhe von den Einkünften abgezogen werden dürfen, während sich Anschaffungskosten nur in Höhe der jährlichen AfA steuermindernd auswirken. Die Rechtsprechung benötigte lange Zeit, um die als „Bauherren“ bezeichneten zahlreichen Erwerber von einzelnen Eigentumswohnungen als gewöhnliche Käufer zu entlarven und einzelne Provisionen eines zwischengeschalteten gewerblichen Immobilienfonds als Anschaffungsoder Herstellungskosten zu erfassen3. Die angemessene Gestaltung hätte für die einzelnen Investoren im Abschluss eines notariell beurkundetem Bauträgerkaufvertrags – mit den Schutzbestimmungen der MaBV! – und in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises bestanden.4
1.139 Mit der Bestimmung des § 15b EStG hat der Gesetzgeber am 22.12.2005 eine Missbrauchsvorschrift erlassen, die von der Rechtsprechung an Stelle des § 42 AO spezielle Missbrauchregelungen aufgreift. Gemäß § 15b Abs. 2 liegt eine Missbrauchgestaltung vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzeptes die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Bedeutung, aufgrund welcher Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen.
1 2 3 4
BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622. Vgl. BFH v. 27.9.1961 – I 6/60 U, BStBl. III 1961, 540. Siehe BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299. Vgl. BFH v. 28.6.2001 – IV R 40/97, BStBl. II 2001, 717 = DStR 2001, 1381; BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 1.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.140 Kap. 1
4. Anschaffungsnaher Aufwand Literatur: Denker/Gummels, Gestaltungsüberlegungen zur Vermeidung von anschaffungsnahen Herstellungskosten, NWB 51/2020, 3839; von Sanden, Erhaltungsaufwand oder Herstellungskosten? DStR 2020, 958.
Das Ringen um den anschaffungsnahen Aufwand (zur Rechtsprechungsentwick- 1.140 lung s. Rz. 1.959) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat zu der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG geführt. Danach gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten s. Rz. 1.960). Zu diesen Aufwendungen gehören nicht die Aufwendungen für Erweiterungen i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (s. Rz. 1.963). Auch spätere Aufwendungen – d.h. solche, die nach Ablauf der Frist des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (und mithin nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes) getätigt werden – können als (nachträgliche) Herstellungskosten beurteilt werden. Die Finanzverwaltung1 hat sich der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH angeschlossen, der die Abgrenzung zwischen Werbungskosten und Herstellungsaufwand unmittelbar dem § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entnimmt2. Danach sind Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn – ein neues Wirtschaftsgut hergestellt wird, z.B. durch Entkernung (s. Rz. 1.950);3 – eine Erweiterung vorliegt4 (s. Rz. 1.950) oder – über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserungen vorgenommen werden, so dass der Gebrauchswert des Hauses insgesamt deutlich erhöht wird (s. Rz. 1.953).5 5. Missbräuchliche Vermietungsgestaltungen Literatur: Schießl, Die Grenzen durch § 42 AO im Rahmen der Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte, Stbg 2007, 462.
1 BMF v. 18.7.2003 – IV C 3 - S 2211 – 94/03, BStBl. I 2003, 386. 2 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 = DStR 2016, 2269 = ZfIR 2016, 792; v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 = DStR 2016, 2274; v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996 = DStR 2016, 2278. 3 Vgl. BFH v. 24.10.1990 – II R 9/88, BStBl. II 1991, 60. 4 Vgl. BFH v. 19.6.1991 – IX R 1/87, BStBl. II 1992, 73. 5 Vgl. BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, DB 1995, 1841.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.141 Steuerorientierte Immobilienübertragung
a) Indizien für das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht; Veräußerungsabsicht
1.141 Die Absicht, Einkünfte zu erzielen, ist eine innere Tatsache; aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) liefern oder Beweisanzeichen (Indizien) darstellen können (näher s. Rz. 1.811). Gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spricht es, wenn der Steuerpflichtige ein von ihm angeschafftes bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs – von in der Regel bis zu fünf Jahren – seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert1; dies gilt auch dann, wenn er seine vermietete Immobilie in einem entsprechenden Zeitraum an eine die Vermietung fortführende gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) veräußert, an der er selbst beteiligt ist2. b) Mietkaufmodell
1.142 Die Vermietung von Wohnraum bis zum Ende der voraussichtlichen Verlustphase, um negative Einkünfte aus Vermietung zu erlangen, und die anschließende Veräußerung an den ursprünglichen Mieter oder dessen Rechtsnachfolger führt nicht zu (negativen) Einkünften aus Vermietung (näher s. Rz. 1.825).3 c) Gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene (Überkreuzvermietung)
1.143 Die Rechtsprechung sieht es im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich an, wenn Beteiligte zivilrechtlich mögliche (und damit steuerrechtlich grundsätzlich zulässige) Gestaltungen durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene tatsächlich und wirtschaftlich konterkarieren4. Die Überkreuzvermietung ist indes nicht stets und von vorneherein Gestaltungsmissbrauch, da die Parteien zum einen ein zulässiges wirtschaftliches Interesse an der Gestaltung haben können, z.B. die berufliche Tätigkeit nicht in eigenen Räumen (Betriebsvermögen!), sondern in gemieteten Räumen (Privatvermögen!) auszuüben. Zum anderen nehmen die Beteiligten durch eine dahingehende Gestaltung deren zivilrechtliche Rechtsfolgen in Kauf, z.B. den gesetzlichen Mieterschutz, den Nutzungsverlust bei Insolvenz und unterschiedliche Laufzeiten der Vermietung etc. (zu Einzelheiten s.a. Rz. 13.82 ff.).
1 BFH v. 9.7.2002 – IX R 47/99, BStBl. II 2003, 580 = DStR 2002, 1611 = NJW 2003, 167 = ZfIR 2002, 923. 2 BFH v. 9.3.2011 – IX R 50/10, BStBl. II 2011, 704 = DStR 2011, 909 = NJW 2011, 3535 = ZfIR 2011, 534. 3 Vgl. BFH v. 4.6.1981 – VIII B 31/80, BStBl. I 1980, 3. 4 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648 = ZfIR 2004, 390 = NotBZ 2004, 247.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.144 Kap. 1
d) Zulässige Formen wechselseitiger Nutzungsüberlassung Beispiel 1: Sohn S bewohnte eine Wohnung im Zweifamilienhaus seiner Mutter (M), die andere Wohnung wird von M eigengenutzt. M teilt das Zweifamilienhaus in zwei Eigentumswohnungen nach WEG auf und überträgt S das Eigentum an der von ihr selbst bewohnten Eigentumswohnung teilentgeltlich (Schenkung unter Übernahme von Darlehensverpflichtungen) auf S. Die erworbene Wohnung vermietet S auf die Dauer von 20 Jahren zu einem angemessenen Mietzins an die 62-jährige M. Die im Eigentum der M verbliebene Eigentumswohnung vermietet M zu einem günstigen Mietzins (aber i. S. des § 21 Abs. 2 EStG „vollentgeltlich“) an S. Beispiel 2: Die Eltern (E) sind Eigentümer eines Wohngrundstücks, das sie nutzen. Sohn S erwirbt das benachbarte Wohngrundstück in derselben Straße und vermietet es unter fremdüblichen Bedingungen an die E, deren Haus er seitdem unentgeltlich bewohnt. S erzielt aus der Vermietung seines Hauses an die E einen Werbungskostenüberschuss, den das Finanzamt nicht anerkennen will.
Der Steuerpflichtige ist grds. frei, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass 1.144 sich eine geringere (oder gar keine) Steuerbelastung ergibt. Vor diesem Hintergrund stellt die Aufteilung des Zweifamilienhauses in zwei Eigentumswohnungen im Beispiel 1 und die Übertragung der Wohnung, in der M wohnt (und wohnen bleiben wollte!), keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Es stand M frei, über ihr Eigentum, z.B. auch zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge, zu verfügen; dabei war es wirtschaftlich nicht geboten, die Wohnung zu übertragen, in der sie selbst nicht wohnte1 (näher s. Rz. 13.81; s. Rz. 13.87). Vermietet ein Steuerpflichtiger sein Haus zu fremdüblichen Bedingungen an seine Eltern, kann er die Werbungskostenüberschüsse bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann abziehen, wenn er selbst ein Haus seiner Eltern unentgeltlich zu Wohnzwecken nutzt; ein Missbrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO liegt im Beispielsfall 2 mithin nicht vor2 (näher s. Rz. 13.84). Anders ist die Rechtslage, wenn keine Eigentumsübertragung stattfindet. Bestellen die Eltern ihrem Kind unentgeltlich einen zeitlich bis zum 27. Lebensjahr befristeten Zuwendungsnießbrauch an einem Grundstück, welches das Kind anschließend an die Eltern zurückvermietet, so stellt eine solche Gestaltung regelmäßig einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar3. e) Stuttgarter Modell und Münchner Modell Literatur: Hipler, Stuttgarter Modell nach Auffassung des BFH grundsätzlich kein Gestaltungsmissbrauch, ZEV 2004, 194; Spiegelberger, Die Renaissance der vorweggenommenen Erbfolge, MittBayNot 2004, 228.
1 BFH v. 12.9.1995 – IX R 54/93, DB 1996, 74. 2 Vgl. BFH v. 14.1.2003 – IX R 5/00, BStBl. II 2003, 509. 3 IV. Nießbraucherlass, BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004, BStBl. I 2013, 1184 Rz. 17.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.145 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.145 Auch das sog. „Stuttgarter Modell“, wonach der Übergeber weiterhin in der übergebenen Wohnung wohnt und Miete entrichtet, ist kein Gestaltungsmissbrauch, selbst wenn der Übergeber die wiederkehrenden Zahlungen verwendet, um die Miete zu entrichten.1 Tatsächlich liegen zwei getrennte Rechtsverhältnisse (Grundstücksübertragung gegen Versorgungsleistungen und Mietvertrag) vor, die ein getrenntes rechtliches Schicksal haben. Der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen stellt nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO dar, weil der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat.2 Durch das JStG 2008 wurde allerdings in dem neu gefassten § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG der Sonderausgabenabzug für Immobilienübertragungen gestrichen, so dass seit dem 1.1.2008 ein Stuttgarter Modell mit Sonderausgabenabzug nicht mehr vereinbart werden kann (näher s. Rz. 1.1013).
1.146 Eine Ersatzlösung ist das Münchner Modell, wonach statt der Versorgungsleistung eine Gegenleistungsrente vereinbart wird.3 f) Zwischenschaltung von Angehörigen
1.147 Durch Vermögensübertragungen auf Ehegatten und Abkömmlinge können in legaler Weise Steuervorteile in Anspruch genommen werden, insbesondere wenn aufgrund von Übertragungen eigene Einkunftsquellen der Angehörigen entstehen oder steuerliche Kumulierungen vermieden werden. So stellt es insb. keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn der Inhaber eines Betriebs seinem Ehegatten einen werthaltigen Vermögensgegenstand – wie z.B. Gebäude – oder die Mittel zu dessen Herstellung oder Anschaffung ernsthaft und gegenwärtig schenkt, um ihn dann für den Betrieb zu mieten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um werthaltige Gegenstände wie z.B. Gebäude handelt. Der BFH sieht bspw. keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, wenn der Inhaber einer Rechtsanwaltspraxis seinem Ehegatten ein Gebäude schenkt, um anschließend die Räume für die Praxis zu mieten4. 1.148–1.149 Einstweilen frei. 6. Grunderwerbsteuerliche Grenzen Literatur: Viskorf, Die Gesamthandsgemeinschaft als grunderwerbsteuerrechtlich vorteilhaftes Instrument der Mobilisierung von Grundstücken, DStR 1994, 6.
1 Vgl. BFH v. 10.12.2003 – IX R 12/01, DStRE 2004, 455; bereits Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, Rz. 139. 2 Vgl. BFH v. 13.11.2002 – VI R 104/01, BStBl. II 2004, 64. 3 Vgl. Spiegelberger, DB 2008, 1068. 4 BFH v. 18.5.1995 – IV R 125/92, BStBl. II 1996, 5.
48 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.153 Kap. 1
a) Allgemeines Wegen der selbständigen Rechtsträgerschaft der Gesamthand löst in der Regel die 1.150 Änderung der Anteilsverhältnisse keine Grunderwerbsteuerpflicht aus. Dieser Umstand erlaubt grunderwerbsteuerfreie Gestaltungen bei Personengesell- 1.151 schaften, allerdings immer nur unter der Voraussetzung, dass tatsächlich die Fortführung der bestehenden Gesellschaft und nicht die Gründung einer neuen Gesamthand bürgerlich-rechtlich gewollt ist. Für die Bruchteilsgemeinschaft gibt es keine Vergünstigung; die beteiligungskonforme Umwandlung einer Bruchteilsgemeinschaft in eine Gesamthand stellt keine Veräußerung dar1. Die sich aus der Gesamthand ergebende Mobilität wurde in der Vergangenheit ge- 1.152 nutzt, um die Grunderwerbsteuer missbräuchlich zu vermeiden.2 Den vollständigen Wechsel aller Gesellschafter einer nur grundbesitzhaltenden Personengesellschaft hat der BFH schon seit langem unter Berufung auf § 42 Abs. 1 AO als Kaufvertrag zwischen Alt- und Neugesellschaftern beurteilt.3 Diese Rechtsprechung ist zwischenzeitlich weitgehend eingeschränkt, da § 5 Abs. 3 GrEStG nunmehr eine Zehn-Jahres-Frist enthält, wonach die Befreiung von der Grunderwerbsteuer insoweit entfällt, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Entsprechendes gilt für den Übergang von einer Gesamthand gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 GrEStG. Darüber hinaus wurde die Grunderwerbsteuerpflicht durch die neugefasste Bestim- 1.153 mung der § 1 Abs. 2a GrEStG (Gesellschafterwechsel) erweitert4. Wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Da es sich bei § 1 Abs. 2a GrEStG um eine spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift handelt, ist bei der Beurteilung von Gestaltungen ein Rückgriff auf § 42 AO dem Grunde nach ausgeschlossen5. Durch die neu in das Grunderwerbsteuergesetz aufgenommenen Bestimmungen gem. § 1 Abs. 2b wurde der Grundbesitz von Kapitalgesellschaften in vergleichbarer Weise erfasst, wobei gem. § 1 Abs. 2c GrEStG Einschränkungen für näher bezeichnete Kapitalgesellschaften bestehen, die dem Wertpapierhandelsgesetz unterliegen. Auf die Ausführungen zur Grunderwerbsteuer gem. Kapitel 1 Abschnitt E wird verwiesen.
Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 43. Vgl. Viskorf, DStR 1994, 6. Vgl. BFH v. 31.7.1991 – II R 17/88, BStBl. II 1991, 891. Zur Anwendung s. § 23 Abs. 20 GrEStG; Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 310. 5 BFH v. 29.5.2011 – II B 133/10, BFH/NV 2011, 1539; Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 308.
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Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.154 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.154 Auch die Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG wurde verschärft. Danach reicht es für eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung aus, wenn 90 % der Anteile der Gesellschaft sich in der Hand eines Erwerbers vereinigen, ohne dass es auf den zeitlichen Ablauf ankommt. Verkauft ein Kommanditist einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG seine Beteiligung an den einzigen anderen Kommanditisten und ist die KG die einzige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH (sog. EinheitsKG), ist der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.1 b) Maskierte Kaufvertragsangebote
1.155 Ein lege artis beurkundetes Kauf- oder Verkaufsangebot bringt keinerlei ertrag- oder verkehrssteuerliche Auswirkungen mit sich, da es an dem Besteuerungsmerkmal der Veräußerung fehlt. Sofern jedoch besondere Umstände oder Vereinbarungen hinzutreten, kann bereits das Angebot bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einer Veräußerung gleichstehen. Immer dann nämlich, wenn mit dem Angebot wirtschaftlich der gleiche Erfolg wie bei einem Verkauf erzielt wird oder wenn der Erwerber an das Angebot so fest gebunden ist, dass mit einer Ablehnung nicht mehr ernstlich zu rechnen ist. Wenn also der Kauf an sich schon eine beschlossene Sache ist und die Annahme des Angebots nur als juristische Formalität ohne wirtschaftliche Eigenbedeutung erscheint, ist steuerlich bereits bei Beurkundung des Angebots von dem Vorliegen eines Kaufvertrages auszugehen2 (näher s. Rz. 12.13). 1.156 Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann im Einzelfall auch bei wechselseitigen Angeboten gegeben sein, z.B. wenn A dem B die Veräußerung anbietet und B wiederum dem A den Kauf dieses Grundstückes. Wohl aus diesem Grund erstreckt sich die Anzeigepflicht des Notars auch auf Angebote von Immobilienübertragungen. c) Missbräuchlicher Zwischenerwerb
1.157 Anstelle der an sich geplanten – grunderwerbsteuerpflichtigen – Übertragungen unter Geschwistern treten die Eltern als Zwischenerwerber auf, um den Grundbesitz steuerfrei gem. § 3 Nr. 6 GrEStG zu erwerben. Nach einer „Schamfrist“ übertragen die Eltern den erworbenen Grundbesitz an ein anderes Kind. Anstelle der Einhaltung einer Schamfrist z.B. von einem Jahr3 ist der grundbuchamtliche Vollzug des Zwischenerwerbs eine bewährte Gestaltung um den Einwand der Missbrauchgestaltung zu widerlegen.
1 Vgl. BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, GmbH-StB 2014, 230. 2 Vgl. BFH v. 23.9.1966 – VI 147/65, BStBl. III 1967, 73. 3 Zu Kettenschenkungen vgl. Götzenberger, Optimale Vermögensübertragung, 6. Aufl. 2021, Rz. 824 ff.
50 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.159 Kap. 1
7. Erbschaft- und schenkungsteuerliche Grenzen Literatur: Bruschke, Risiken der Kettenschenkung vermeiden, ErbStB 2014, 261; Heiß/Lan, Praxiswissen für Erstberatung: Schwiegerelternschenkungen, NZFam 2017, 446; N. Mayer, Schwiegerkinderzuwendungen: Ein Dauerbrenner in der familienrechtlichen Gestaltungspraxis, ZEV 2016, 177; Mensch, Die Kettenschenkung an das Schwiegerkind, notar 2015, 172; Taplan/G. und E. Baumgartner, Zur steuerlichen Behandlung von Kettenschenkungen, DStR 2014, 2153.
a) Kettenschenkungen Beispiel: Eltern E schenken ihrer Tochter T einen Bauplatz. In einer weiteren Urkunde vom selben Tage räumt T ihrem Ehemann X einen Miteigentumsanteil von 1/2 an dem Grundstück ein, um gemeinsam ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück zu errichten.
Zur Ausschöpfung von Schenkungsteuerfreibeträgen werden mitunter Kettenschen- 1.158 kungen, d.h. Schenkungen mit der Absicht der Weiterschenkung, ins Auge gefasst. Bei einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Weiterübertragung bleibt die zwischengeschaltete Person außer Betracht.1 Werden Schenkung (Schenkung von E an T) und Weiterschenkung (Schenkung von E an X) auf der Grundlage einer notariellen Urkunde vollzogen, liegt eine unmittelbare Zuwendung der Schwiegereltern E an den Schwiegersohn X vor2. Dies gilt indes nicht, wenn die Tochter T ihren Ehemann X auf der Grundlage einer getrennten Urkunde an dem geschenkten Grundbesitz beteiligt. Denn mit dieser Schenkung führt die Tochter nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht einen Wunsch der eigenen Eltern aus, sondern trifft mit ihrem Ehemann eine selbständige familienbezogene Maßnahme. Der BFH3 hat diese Betrachtung anerkannt. b) Grundstücksschenkung vor beabsichtigter Weiterveräußerung Zulässig war die unentgeltliche Überlassung eines Grundstückes auf der Basis des 1.159 Grundbesitzwertes z.B. an Abkömmlinge auch dann, wenn die sofortige entgeltliche Weiterveräußerung durch den Erwerber geplant war, selbst dann, wenn der Kaufpreis – wie im Entscheidungsfall – das Zwanzigfache des Einheitswertes betrug.4 War der Beschenkte jedoch im Verhältnis zum Schenker rechtlich verpflichtet, das Grundstück an einen bestimmten Dritten zu veräußern, oder konnte er sich der Veräußerung infolge einer tatsächlichen Zwangssituation nicht entziehen, so kann dies die Würdigung der Schenkungsabrede dahingehend rechtfertigen, dass nicht
1 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. II 1993, 523; Spiegelberger/Fleischer, Vermögensnachfolge3, § 7 Rz. 53; BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, BStBl. II 2013, 934. 2 BFH v. 10.3.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, 412. 3 BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, ZEV 2012, 562; v. 18.7.2013 – II R 37/11, NJW 2014, 174. 4 Vgl. BFH v. 30.11.2011 – II B 60/11, BStBl. II 1974, 521.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.159 Steuerorientierte Immobilienübertragung
das Grundstück, sondern der durch den Verkauf erzielte Erlös geschenkt sein sollte.1 Das BVerfG hat durch die beiden sog. Einheitswertbeschlüsse v. 22.6.19952 und v. 22.6.19953 die Verfassungswidrigkeit wegen des evidenten Missverhältnisses zwischen der Bewertung des Grund- und des Geldvermögens für die Vermögenssteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer ausgesprochen und den Gesetzgeber verpflichtet, die unterschiedlichen Vermögen permanent gegenwartsnah zu bewerten. Eine Einheitsbewertung existiert damit praktisch nicht mehr.4 Damit ist die vorstehend beschriebene Gestaltung gegenstandslos geworden. 8. Gesamtplan BMF-Schreiben und Literatur: BMF-Schreiben v. 20.11.2019, BStBl. I 2019, 1291: Zweifelsfragen zu § 6 Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen und von Anteilen an Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen sowie mit der unentgeltlichen Aufnahme in ein Einzelunternehmen; Verhältnis von § 6 Abs. 3 zu § 6 Abs. 5 EStG; Brandenberg, Abschied vom Gesamtplan – neuer Betriebsbegriff, DB 2013, 17; Spiegelberger, Rechtsmissbräuchlicher Gesamtplan bei der Kettenschenkung, FS Spindler 2011, 809; Spindler, Der „Gesamtplan“ in der Rechtsprechung des BFH, DStR 2005, 1; Wacker, Zur Gesamtplanrechtsprechung bei Übertragung betrieblicher Einheiten – eine Zwischenbilanz aus der ertragsteuerlichen Sicht des BFH, Ubg 2016, 245; Wiese/Berner, Der Plan in Einzelakten als Begrenzung der Gesamtplanrechtsprechung, DStR 2014, 1148.
a) Gewerblicher Grundstückshandel; Rechtsmissbrauch
1.160 Die Veräußerung einzelner Grundstücke durch den Eigentümer, der seinen Grundbesitz als Vermögensanlage nutzt, ist grds. keine gewerbliche Handlung, sondern Vermögensverwaltung; werden Grundstücke indes nachhaltig angeschafft und wieder veräußert, können im Einzelfall die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt sein (näher s. Rz. 11.1) 1.161 Beispiel: Z will die Ausweisung eines landwirtschaftlichen Grundstückes als Bauland für seine drei Kinder erreichen. Der Bürgermeister ist zu dieser Maßnahme nur bereit, wenn Z auch einen Grundstücksteil verbilligt als Bauland für andere Gemeindebürger auf die Gemeinde überträgt. Das Finanzamt sieht in dieser Übertragung den ersten Handlungsakt eines gewerblichen Grundstückshandels. Wegen gewerblichen Grundstückshandels erlässt das Finanzamt Einkommen- und Gewerbesteuermessbescheide. Die Einsprüche wurden mit folgender Begründung abgelehnt: Bereits die erste Vorsprache bei der Gemeinde P habe einen gewerblichen Grundstückhandel begründet. Hierfür genüge es, wenn – auch ohne besondere Werbung – die Verkaufsabsicht nur einem kleinen Kreis von Personen – unter Umständen auch
1 2 3 4
Vgl. BFH v. 26.9.1990 – II R 150/88, BStBl. II 1991, 320. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 55/91, BVerfGE 93, 165. Vgl. Seer in Tipke/Lang23, § 1 Rz. 57 ff.
52 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.164 Kap. 1
nur einer Person – bekannt wird und der Verkäufer – z.B. wegen starken Interesses an seinen Objekten – damit rechnet, seine Verkaufsabsicht werde sich herumsprechen.1 Zum Zeitpunkt der Vorsprache könne das landwirtschaftliche Grundstück maximal mit einem Wert von 6,00 t pro Quadratmeter berücksichtigt werden. Lösungshinweis: Die Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels (näher s. Rz. 11.11 ff.) – Gewinnerzielungsabsicht, – Nachhaltigkeit und – Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind u.E. nicht erfüllt. Die von der Gemeinde erzwungene verbilligte Grundabtretung an die Gemeinde zur Ermöglichung eines Einheimischenmodells ist dem Grundstückseigentümer nicht als gewerbliche Betätigung zurechenbar.
Rechtsmissbräuchliche Gestaltungen i.S.v. § 42 AO hat die Rechtsprechung im Zu- 1.162 sammenhang mit einem gewerblichen Grundstückshandel in verschiedenen Einzelfällen angenommen, etwa bei der Einschaltung von „funktionslosen“ Zwischenerwerbern, beim Verkauf von unzusammenhängenden Grundstücken in nur einem Rechtsgeschäft oder an einen einzigen bestimmten Käufer, bei der Bereitstellung der Mittel für den Kaufpreis durch den Veräußerer, bei der Aufbringung der Mittel für den Kaufpreis erst aus dem Verkaufserlös für den Weiterverkauf der Objekte oder der Gründung der Käufergesellschaft aus dem Verkäufer nahestehenden Personen zum Zweck des Kaufs und Weiterverkaufs der Objekte. In Missbrauchsfällen sind die betreffenden Grundstücksgeschäfte gem. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO unmittelbar dem Veräußerer zuzurechnen (näher s. Rz. 11.71 f.) b) Mehrstufige Rechtsgeschäfte Mehrstufige Rechtsgeschäfte, bei deren Durchführung regelmäßig Notare, Rechtsan- 1.163 wälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gestaltend mitwirken, beruhen in aller Regel auf einem Gesamtplan, so dass nicht grenzenlos alle in einem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte als steuerlich einheitlicher Akt beurteilt werden dürfen. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen Sperrfristen in zahlreichen Vorschriften sind ein Hinweis darauf, dass grundsätzlich einzelne Rechtsgeschäfte mit den dafür normierten Tatbestandsfolgen erfasst werden müssen und eine Gesamtschau mehrerer Rechtsgeschäfte als Teilakte eines einheitlichen Gesamtplans einer besonderen Rechtfertigung bedarf.
1.164
Einstweilen frei.
1 Vgl. BFH v. 31.1.1980 – IV R 13/76, BStBl. II 1980, 318; v. 10.8.1983 – I R 120/80, BStBl. II 1984, 137; v. 3.6.1987 – III R 209/83, BStBl. II 1988, 277 und v. 22.5.1987 – III R 212/83, BFH/NV 1987, 717.
Spiegelberger
53
Kap. 1 Rz. 1.165 Steuerorientierte Immobilienübertragung
c) Umstrukturierungen und Gesamtplan Literatur: Honert/Geimer, Neue Möglichkeiten der steuerorientierten Umstrukturierung, FS Spiegelberger 2009, 247; Klein, Umwandlung und Zeitraumprobleme, FS Spiegelberger 2009, 282; Strahl, Umstrukturierung und Gesamtplan, KÖSDI 2011, 17363.
1.165 Der auch im Steuerrecht geltende Grundsatz der Vertragsfreiheit würde ad absurdum geführt werden, wenn jede vorbereitende Maßnahme zu einer Umstrukturierung als Teil eines missbräuchlichen Gesamtplans erfasst würde. Denn das Motiv, Steuern zu sparen, ist legitim und macht eine Gestaltung noch nicht unangemessen.1 Die Finanzverwaltung sah bisher die im Vorfeld einer Einbringung oder Umwandlung nach §§ 20 und 24 UmwStG erfolgten Auslagerungen funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen als Missbrauch i.S.v. § 42 AO, die zur Anwendung der Gesamtplan-Doktrin berechtige2. Mehrere Senate des BFH sind dieser Auffassung entgegengetreten: 1.166 Der I. und IV. Senat des BFH haben inzwischen die Gesamtplanbetrachtung eingegrenzt. – Der I. Senat3 hat bei einer Umwandlungsentscheidung sogar eine zeitnahe weitere Umwandlung für unschädlich erachtet und nur die kurzzeitige Rückgängigmachung einer Umwandlung als steuerschädlich angesehen. – Auch der IV. Senat des BFH4 hat der Verwaltungsmeinung5 für den Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitiger Ausgliederung von Sonderbetriebsvermögen widersprochen. Nach siebenjähriger Bedenkzeit hat sich das Bundesfinanzministerium6 dieser Auffassung angeschlossen. 9. Behalte- und Nachversteuerungsfristen Literatur: Crezelius, Nachsteuertatbestände und Umwandlungssteuerrecht, FR 2011, 401; ders., UmwStG und ErbStG, DStZ 2015, 399; ders., Besteuerung aus Drittverhalten?, FR 2002, 805; Geck, Versteckte Gefahren bei der vorweggenommenen Erbfolge aufgrund nachgelagerter Besteuerungstatbestände, FS Spiegelberger 2009, 128; Korn/Fuhrmann, Checkliste Steuerlicher Behalte- und Nachversteuerungsfristen mit Gestaltungshinweisen, KÖSDI 2010, 17077.
a) Behaltensfristen in Erbfällen
1.167 Zahlreiche Gesetzesbestimmungen wurden in den letzten Jahren verstärkt mit Sperrund Behaltefristen in der Weise versehen, dass die Veräußerung eines Wirtschafts1 2 3 4 5 6
Anm. 3 der Red. DStR 2001, 1885 zu BFH v. 18.7.2001 – I R 48/97, DStR 2001, 1883. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 – 14/05, BStBl. I 2005, 458 Rz. 7, 15. BFH v. 25.11.2009 – I R 72/08, MittBayNot 2011, 82 m. Anm. Spiegelberger. BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, DStR 2012, 2118. BMF v. 3.3.2005 – IV B 2 - S 2241 – 14/05, BStBl. I 2005, 458. BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 - S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291 Rz. 10.
54 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.170 Kap. 1
gutes oder Umgestaltungen innerhalb einer bestimmten Frist zu einem Wegfall gewährter Steuervergünstigungen, also zu einer Nachversteuerung führen. Insbesondere im Erbschaftsteuerrecht sind zahlreiche Fristen für die Testaments- und Vertragsgestaltung, aber auch für die Veräußerung ererbten Vermögens zu beachten.
1.168
Beispiel: Ehefrau E hat von ihrem verstorbenen Ehemann das selbstbewohnte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG) geerbt. Im neunten Jahr nach dem Versterben ihres Ehemannes überträgt sie das Familienheim unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter T. Gestaltungsvorschlag: Den Beteiligten ist anzuraten, mit der Beurkundung der Eigentumsübertragung noch ein Jahr zu warten, damit die Zehn-Jahres-Frist des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG gewahrt ist1. Denn die Befreiung der Ehefrau von der Erbschaftsteuer gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG entfällt, wenn das Familienheim innerhalb von zehn Jahren übertragen wird, dies gilt auch, wenn der Übertragende die Selbstnutzung lebenslang aufgrund eines vorbehaltenen Nießbrauchs fortsetzt2.
b) Haltefristen bei Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) aa) Veräußerungsgeschäfte im Privatvermögen
1.169
Haltefristen sind zu beachten bei – privaten Veräußerungsgeschäften über Grundstücke und gleichstehende Rechte, z.B. Erbbaurechte, bei denen die Frist (d.h. der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung) zehn Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; s. Rz. 12.1 ff.), – privaten Veräußerungsgeschäften mit anderen Wirtschaftsgütern, z.B. Schmuck, Gemälde, Briefmarken, bei denen die Frist ein Jahr beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; zum Mobilheim [„Tiny House“] s. Rz. 12.3). Zu selbstbewohntem Wohnraum s. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (s. Rz. 12.91). bb) (Private) Veräußerungsgeschäfte mit betrieblichem Bezug Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe (§ 23 Abs. 1 Satz 2 EStG). Als Veräußerung gilt auch – die Einlage eines Wirtschaftsgutes in das Betriebsvermögen, wenn die Veräußerung aus dem Betriebsvermögen innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren seit Anschaffung des Wirtschaftsgutes erfolgt (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG) und – die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG).
1 Vgl. BFH v. 5.10.2016 – II R 32/15, ErbStB 2017, 31. 2 Vgl. BFH v. 11.7.2019 – II R 38/16, DStR 2019, 2520.
Spiegelberger
55
1.170
Kap. 1 Rz. 1.171 Steuerorientierte Immobilienübertragung
c) Sonstige fristgebundene Dispositionen aa) Zwei-Jahres-Frist
1.171 Aufgrund der zum 1.1.2016 eingetretenen Erbschaftsteuerreform wurde der Umfang des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens erheblich erweitert und damit auch die steuerliche Begünstigung für Erwerbe bis zu 26 Mio. EUR gem. §§ 13a und 13b ErbStG entsprechend eingeschränkt. Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen war – junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel – sind gem. § 13b Abs. 7 Satz 2 EStG nicht begünstigt. Sofern beim Erwerb von Todes wegen innerhalb von zwei Jahren Investitionen in begünstigungsfähiges Vermögen aufgrund eines vom Erblasser vorgefassten Plans erfolgen, kann gem. § 13 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 ErbStG Verwaltungsvermögen in begünstigtes Betriebsvermögen umgewandelt werden. bb) Drei-Jahres-Frist
1.172 § 6 Abs. 5 EStG erlaubt bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen die Buchwertfortführung. Bei Veräußerung oder Entnahme des übertragenen Wirtschaftsgutes durch den Übernehmer innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum der Übertragung erfolgt gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG die Nachversteuerung; dasselbe gilt, wenn innerhalb von sieben Jahren seit der Übertragung des Wirtschaftsgutes der Anteil einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut begründet oder erhöht wird (§ 6 Abs. 5 Satz 5 EStG)1. cc) Fünf-Jahres-Frist
1.173 Eine Fünf-Jahres-Frist gilt bei Umwandlungen gem. §§ 15 Abs. 2 Satz 4, 18 Abs. 3 UmwStG, bei der Spaltung gem. § 15 Abs. 2 Satz 3 UmwStG sowie bei der Verschmelzung und beim Formwechsel gem. §§ 3, 9 UmwStG. dd) Fünf- bzw. Sieben-Jahres-Frist
1.174 Gemäß §§ 13a Abs. 6, 19a Abs. 5 ErbStG gelten bei der Veräußerung und der Aufgabe unentgeltlich erworbenen Betriebsvermögens eine Fünf- bzw. Sieben-Jahres-Frist. ee) Nach sieben Jahren
1.175 Eine Sieben-Jahres-Frist gilt bei der Beteiligungsänderung gem. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG nach Buchwerterwerb sowie bei der Veräußerung von im Rahmen einer Realteilung zu Buchwerten erworbenen Anteilen an einer Körperschaft gem. § 16 Abs. 5 EStG2. 1 Weitere Beispiele s. Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 366 ff. 2 Weitere Beispiele s. Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 363.
56 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.250 Kap. 1
ff) Fünf bis zehn Jahre Das Verhalten des Steuerpflichtigen innerhalb eines Fünf- bzw. Zehn-Jahres-Be- 1.176 trachtungszeitraums kann Indiz für den Beginn des gewerblichen Grundstückshandels sein (s. Rz. 11.52).
1.177–1.249
Einstweilen frei. VII. Vertragsgegenstand bei Immobilienübertragungen
Literatur: Becker, Erhöhtes Risikopotential bei der Gestaltung von Grundstückskaufverträgen, MwStR 2016, 525; Böttcher, Die Entwicklung des Grundbuch- und Grundstücksrechts bis Juni 2016, NJW 2016, 2782; Brandenberg, Steuerrechtliche Behandlung der Realteilung von Personengesellschaften, FS für Spiegelberger (2009), 33; Falkner, Vorkaufsrechte im Grundstücksverkehr, MittBayNot 2016, 378; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen, notar 2015, 144; Günther, Unentgeltlicher und teilentgeltlicher Erwerb von Immobilien des Privatvermögens, EStB 2013, 464; Herrler, Formularmäßige Bindungsfristen beim Immobilienkaufvertrag, DNotZ 2013, 887; Ihle, Das Familienheim in der notariellen Praxis, RNotZ 2011, 471; Kiesow, Zur entgeltlichen Übertragung von Mietimmobilien zwischen Ehegatten – Vermögenstransaktionen im Spannungsfeld zwischen Steuergestaltung und Steuerumgehung, DStR 2013, 2252; Kiesel/Joch, Steuerliche Implikationen beim Kauf von Immobilien von Immobilien-Sondervermögen, BB 2015, 2973; Krauß, Immobilienkaufvertrag, notar 2016, 300; Michael, Immobilienübertragung, notar 2016, 332; von Proff, Neue Vorgaben der Pflichtteilsergänzung für die Gestaltung von Übertragungen unter Nutzungsvorbehalt, ZEV 2016, 681; Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993; Schimpfky Steuerorientierte Gestaltung der Nachfolge bei privaten Immobilienvermögen, ZEV 2013, 662; Schmitz, Notar und Steuern – nichts geht mehr ohne Steuerrecht, BWNotZ 2010, 218; Söffing, Gewerblicher Grundstückshandel und private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, 4. Aufl. 2014; Sontheimer/Kollmar, Vertragsgestaltung und Steuerrecht, 3. Aufl. 2017; Stanglmayr, Grundsätze zur Bewertung von Immobilien – Der neue IDW Standard ES 10, StB 2013, 318.
1. Grund und Boden: Grundstücksbegriff Literatur: A. Bergermann, Auswirkungen unbewusster Falschbezeichnungen auf Grundstücksverträge und deren Vollzug – falsa demonstratio non nocet? RNotZ 2002, 557; Böhmer, Zur bestimmten Bezeichnung einer noch nicht vermessenen Grundstücksteilfläche, MittBayNot 1998, 329.
a) Zivilrecht aa) Allgemeines Sowohl für die zivilrechtliche als auch für die steuerliche Beurteilung von Grund- 1.250 stücksübertragungen ist die genaue und vollständige Erfassung des Vertragsgegenstandes von besonderer Bedeutung. Der Grundstücksbegriff ist weder im BGB noch in der GBO definiert. Nach der Rechtsprechung ist unter einem Grundstück im Rechtssinn ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der auf einem besonderen Grundbuchblatt Spiegelberger
57
Kap. 1 Rz. 1.250 Steuerorientierte Immobilienübertragung
allein oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist1.
1.251 Bei den Vermessungsämtern wird ein Liegenschaftskataster geführt, das ein Verzeichnis einzelner Flurstücke darstellt und neben einer Beschreibung auch eine kartenmäßige Darstellung der als Flurstücke erfassten Bodenflächen enthält. Bei Änderung der Grundstücksflächen, z.B. durch eine Zumessung oder Wegmessung einer Teilfläche, erstellt das Vermessungsamt eine Fortführungsmitteilung, für die sich die Bezeichnung „Veränderungsnachweis“ oder „Fortführungsnachweis“ eingebürgert hat. Zur Übereinstimmung zwischen dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster übernimmt der zuständige Grundbuchbeamte den einen Verwaltungsakt darstellenden Veränderungsnachweis des Vermessungsamtes, an den das Grundbuch grundsätzlich gebunden ist2. Zivilrechtlich können mehrere Grundstücke zu einer rechtlichen Einheit zusammengeführt werden.
1.252 Dies geschieht durch Vereinigung mehrerer Parzellen zu einem Buchgrundstück oder durch Zuschreibung eines Grundstücks als Bestandteil eines anderen Grundstücks gem. § 890 BGB. In beiden Fällen können die Flurstücke innerhalb der Grenzen des Grundbuch-Grundstücks erhalten bleiben3. 1.253 Sofern ein Hausgarten eine eigene Flurstücknummer aufweist und die erbschaftsteuerliche Vergünstigung des § 13 Abs. 1 Nr. 4a–c ErbStG erreicht werden soll, ist die katastermäßige Verschmelzung der beiden Grundstücke durch Einschaltung des Vermessungsamtes erforderlich, da das Hausgartengrundstück dann jegliche Eigenständigkeit verliert und auch katastermäßig Bestandteil des Eigenheimgrundstückes ist, vgl. auch Rz. 1.258. Die Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht zeigt sich an der Differenzierung zwischen Rz. 1.252 und 1.253 am deutlichsten. 1.254 Einstweilen frei. bb) Wesentliche Grundstücksbestandteile
1.255 Gemäß § 94 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen, insbesondere Bodenschätze wie Kies und Sand. Auch Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, insbesondere Grunddienstbarkeiten, gelten gem. § 96 BGB als Bestandteile des Grundstücks. Sofern jedoch ein Gebäude gem. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück errichtet wurde, z.B. aufgrund eines Dauerwohn- oder -nutzungsrechtes gem. 1 RGZ 84, 270; BayObLG, Rpfleger 1981, 190. 2 BayObLG v. 25.9.1981 – BReg 2 Z 22/81, Rpfleger 1982, 19. 3 Bauer/von Oefele4, GBO, Einl. 16 zu „Buchgrundstücken“.
58 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.258 Kap. 1
§ 31 WEG, handelt es sich bei dem Gebäude um einen Scheinbestandteil, der bei der Veräußerung des Grundstückes im Eigentum des Herstellers verbleibt, es sei denn, dass der Hersteller seinerseits das Gebäude durch Einigung und Übergabe gem. § 929 BGB veräußert. Auch Bestandteile, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, verbleiben im Eigentum des Herstellers, z.B. eine von einem Mieter errichtete Lagerhalle. Der Mieter aktiviert die Halle und schreibt sie über den Zeitraum des Mietvertrags ab. Für die Verpflichtung, die Halle abzureißen, muss eine Rückstellung gebildet werden1. cc) Zubehör Die Mitübertragung des Zubehörs muss ausdrücklich vereinbart sein. Das OLG 1.256 Düsseldorf 2 betrachtet eine Einbauküche weder als Bestandteil noch als Zubehör eines Einfamilienhauses, so dass die ausdrückliche Erwähnung in der Kaufurkunde erforderlich ist, wenn die Übertragung auf den Erwerber verabredet war. Als beweglicher Gegenstand unterliegt der Kaufpreisanteil für die Einbauküche nicht der Grunderwerbsteuer. b) Einkommensteuer Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung stellt der Grund und Boden ein 1.257 selbständiges Wirtschaftsgut dar, das isoliert vom Gebäude und von den sonstigen Grundstücksbestandteilen betrachtet wird. Grund und Boden unterliegt grundsätzlich keinem Wertverzehr, so dass periodische Absetzungen für Abnutzung ausscheiden. In Ausnahmefällen, etwa wenn eine Kontaminierung entdeckt wird, kann bei Betriebsgrundstücken eine Teilwertabschreibung oder eine Rückstellung gebildet werden3. 2. Gebäude
1.258
Beispiel: Hausgartenbesteuerung Ehemann E will das selbstbewohnte Familienwohnheim schenkungsteuerfrei gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG seiner Ehefrau übertragen. Grundbuchtechnisch wurde das Gebäude ohne Umgriff als Flurstück unter einer eigenen Flurstücksnummer im Liegenschaftskataster erfasst. Der angrenzende Hausgarten weist eine eigene Flurstücksnummer auf. Beide Flurstücke sind im Grundbuch als Grundbucheinheit vorgetragen und werden von beiden Ehegatten als Bestandteil des Familienheims genutzt.
Die Finanzverwaltung hat nach dem Erlass des Wohneigentumsförderungsgesetzes in einem BMF-Schreiben verfügt4, dass nach dem Wegfall der Nutzungswertbesteue-
1 2 3 4
Vgl. Eggert/Schorr/Kasanmascheff, LEXinform 2016, Heft 37, 15. OLG Düsseldorf v. 19.1.1994 – 11 U 45/93, NJW-RR 1994, 1039. Vgl. Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 273. BMF v. 4.6.1997 – V B 9 – S 2135 – 7/97, BStBl. I 1997, 630.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.258 Steuerorientierte Immobilienübertragung
rung nicht nur das Wohnhaus eines Landwirtes, sondern auch der an das Wohnhaus angrenzende Hausgarten in „ortsüblichem Umfang“ als steuerneutral entnommen gilt. Eine derartige einkommensteuerliche Betrachtung gilt grds. nicht für ein privates Wohnhaus mit einem Gartengrundstück, das eine eigene Flurstücksnummer aufweist. Dem Steuerpflichtigen ist daher vor der Übertragung auf den Ehegatten zu empfehlen, nicht etwa eine Vereinigung zu einem Buchgrundstück im Grundbuch zu veranlassen, sondern beim Vermessungsamt eine Verschmelzung beider Flurstücke durchführen zu lassen. Nach der Änderung des Liegenschaftskatasters besteht dann ein einheitliches Wohnheimgrundstück, das auch den Hausgarten umfasst, so dass auch dieser schenkungsteuerbefreit bleibt. Ganz vorsichtige Steuerbürger werden vor der Übertragung auf den Ehegatten eine Schamfrist abwarten, um dem evtl. Einwand missbräuchlicher Gestaltung (§ 42 AO) vorzubeugen.
1.259–1.269 Einstweilen frei. 3. Gebäudeerrichtung a) Beurkundungspflicht aa) Bauvertrag
1.270 Sofern ein Bauvertrag mit der Verpflichtung verbunden ist, dem Erwerber auch das Eigentum an einem Grundstück zu verschaffen, bedürfen beide Verpflichtungen der notariellen Beurkundung, auch wenn Grundstückseigentümer und Werkvertragsverpflichteter nicht dieselbe Person sind1. bb) Architektenbindung
1.271 Sofern mit dem Grundstück nur die (genehmigten) Baupläne veräußert werden, erstreckt sich die Beurkundungspflicht des § 311b Abs. 1 BGB ebenfalls auf beide Leistungsgegenstände, wobei das auf die Baupläne entfallende Entgelt nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt2. Die Umsatzsteuer ist i.d.R. vom Unternehmer abzuführen und in der vereinbarten Vergütung enthalten3; die Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Abführung der Bauabzugssteuer (§§ 48 ff. EStG; s. Rz. 1.1031 ff.) bleibt unberührt. Die mit dem Grundstückskaufvertrag verbundene Architektenbindung führt gem. Art. 10 § 3 MRVerbG zur Unwirksamkeit des Architektenvertrages.
1 Vgl. BGH v. 7.12.1989 – VII ZR 343/88, MDR 1990, 615 = NJW-RR 1990, 340. 2 Vgl. BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152 = NJW-RR 1992, 656 = MittRhNotK 1991, 328; v. 9.11.1999 – II R 54/98, BStBl. II 2000, 143 = DStR 2000, 151 = ZfIR 2000, 221 = MittRhNotK 2000, 262. 3 Grüneberg/Retzlaff81, § 632 BGB Rz. 14.
60 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.280 Kap. 1
b) Mehrere Anbieter
1.272
Beispiel: In der Tagespresse werden Grundstücke mit zu errichtenden Neubauten angeboten. Die Vertragsdurchführung erfolgt in der Weise, dass der Landwirt L jeweils die Bauparzelle verkauft und der Bauunternehmer B das Bauwerk liefert.
Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und den zur Errichtung eines Gebäudes abgeschlossenen Verträgen ist zu bejahen, wenn dem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer oder ggf. finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann1. Die Beurkundungspflicht beider Verträge hängt davon ab, ob sie miteinander „stehen und fallen“ (s. Rz. 2.12 ff.). Ist ein Bauvertrag von einem Grundstückskaufvertrag abhängig, dieser aber nicht von ihm, so ist er nicht gem. § 311b Abs. 1 BGB zu beurkunden2 (s. Rz. 2.17 f.).
1.273–1.279
Einstweilen frei. c) Einheitlicher Vertragsgegenstand
Literatur: DNotI-Dokumentennr. 11071R „Einheitlicher Erwerbsgegenstand“ im Grunderwerbsteuerrecht; Doppelbelastung mit Grunderwerb- und Umsatzsteuer.
Während bei einem einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück Be- 1.280 messungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist und damit gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG eine zusätzliche Umsatzsteuerbelastung ausscheidet (zur Option gem. § 9 UStG s. Rz. 1.1213 ff.), werden bei der Erbringung von Leistungen durch mehrere Leistungserbringer die ausgeführten Werklieferungen nicht mit den Umsätzen des Grundstücksverkäufers oder des Initiators eines Bauvorhabens „gebündelt“. Die umsatzsteuerrechtliche und die grunderwerbsteuerliche Beurteilung laufen nicht konform. Eine steuerlich verbindliche Bündelung von Leistungen durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zur Vermeidung zweier Verkehrssteuern (Grunderwerbund Umsatzsteuer) scheidet im Ergebnis aus3.
1 Vgl. BFH v. 10.8.1994 – II R 33/91, BFH/NV 1995, 337. 2 Vgl. BGH v. 26.11.1999 – V Z R 251/98, MDR 2000, 260 = NJW 2000, 951; v. 13.6.2002 – VII ZR 321/00, MDR 2002, 1187 = ZNotP 2002, 432. 3 BFH v. 7.2.1991 – V R 53/85, BStBl. II 1991, 737 = UR 1991, 260 und v. 25.1.1996 – V R 42/95, BStBl. II 1996, 338 = UR 1997, 106; v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86 = ZfIR 2013, 148.
Spiegelberger
61
Kap. 1 Rz. 1.281 Steuerorientierte Immobilienübertragung
4. Inventar und Zubehör Literatur: Schulte-Thoma, Zubehörveräußerung bei Grundstückskaufverträgen, RNotZ 2004, 61.
a) Inventar
1.281 Sofern Gegenstand des Immobilienkaufvertrages auch Inventar ist, müssen die einzelnen Gegenstände entweder in der Urkunde selbst oder in einer als Anlage beigefügten Inventarliste aufgeführt sein, auf die in der Niederschrift verwiesen werden kann, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG i.V.m. § 14 BeurkG. Während bei einem Verbrauchsgüterkaufvertrag gem. § 475 Abs. 1 BGB die Mängelhaftung grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, ist der Haftungsausschluss bei Kaufverträgen zwischen Verbrauchern für mitverkaufte bewegliche Sachen üblich. Klargestellt werden muss, dass bei einer Sachmängelhaftung der Bestand des Grundstückskaufvertrages nicht tangiert wird. Die mitverkauften beweglichen Gegenstände scheiden aus der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer aus, insbesondere auch Betriebsvorrichtungen und Maschinen1, selbst wenn sie fest mit dem Grund und Boden verbunden sind. Die von den Vertragsteilen vorgenommene Bewertung des Grundstücks einerseits und für das Inventar andererseits ist für die Finanzverwaltung nicht bindend. b) Zubehör
1.282 Gemäß § 311c BGB erstreckt sich im Zweifel die Veräußerungsverpflichtung auch auf das Zubehör, also auf die beweglichen Sachen, die, ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (vgl. § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). 5. Übernahme von Verpflichtungen a) Mit dem Vertragsgegenstand verbundene Verpflichtungen
1.283 Sofern der Erwerber bestehende schuldrechtliche Verpflichtungen, z.B. bestehende Mietverträge, übernimmt, sind diese ein weiterer Bestandteil des Vertragsgegenstandes. Der Eintritt in bereits bestehende Schuldverhältnisse bedarf nur der Erwähnung im Kaufvertrag, ohne dass der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag mitbeurkundet werden müsste. Es kann sich jedoch empfehlen, zum Zwecke der Beweissicherung eine Abschrift des betreffenden Vertrages mit der Kaufurkunde zu verbinden, ohne dass diese Anlage verlesen werden muss.
1 Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 87.
62 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.291 Kap. 1
b) Zusätzliche Leistungspflichten des Verkäufers
1.284
Übernimmt der Verkäufer noch zusätzliche Leistungspflichten, z.B. – Betreuungsgebühren für die technische oder wirtschaftliche Baubetreuung oder – die Vermittlung der Zwischenfinanzierung, so unterliegen die dafür erhobenen Kosten der Grunderwerbsteuer1. Hingegen sind – Gebühren für übernommene Vermietungsgarantien und – für die Vermittlung der Endfinanzierung Aufwendungen, die nicht mehr den Zustand des veräußerten Grundstücks betreffen und daher grunderwerbsteuerfrei2 bleiben.
1.285–1.289
Einstweilen frei. 6. Übernahme von Grundpfandrechten: Verbraucherkreditvorschriften? a) Schuldübernahme
Fraglich ist, ob die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB auf eine Schuld- 1.290 übernahmeerklärung zwischen Altschuldner und Neuschuldner und die gem. § 415 BGB erforderliche Schuldübernahmegenehmigung des Darlehensgläubigers anwendbar sind. Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf 3 finden die Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes auf die zwischen Privatpersonen vereinbarte Schuldübernahme keine Anwendung, da es an einem Verbrauchervertrag fehlt4; Amann5 vertritt mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH6 die Auffassung, § 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB sei anwendbar und empfiehlt daher, nur eine Erfüllungsübernahme zu vereinbaren. Vorsorglich sollte eine Erfüllungsübernahme in jedem Fall subsidiär vereinbart werden, da bei einer Verweigerung der Schuldübernahmegenehmigung gem. § 415 BGB durch den Gläubiger der Vertrag insgesamt unwirksam wäre. b) Änderung der Sicherungsvereinbarung Um die Neuvalutierung der übernommenen Grundschuld zu gewährleisten, muss 1.291 sich der Käufer für den Eingang des Grundschuldbetrages der sofortigen Zwangs-
1 BFH v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685 = DB 1989, 1807 = MittRhNotK 1990, 141; v. 24.7.1991 – II R 104/88, BFH/NV 1992, 553. 2 BFH v. 19.1.1994 – II R 52/90, BStBl. II 1994, 409. 3 OLG Düsseldorf v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641 = MittBayNot 2001, 313. 4 Ebenso Münchener Kommentar/Schürnbrand8, § 491 BGB Rz. 32 m.w.H. 5 Amann, MittBayNot 2002, 246. 6 Vgl. EuGH v. 13.12.2001 – Rs. C-481/99 – „Heininger“, DB 2001, 2710 = NJW 2002, 281 = ZfIR 2002, 15 = MittBayNot 2002, 276.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.291 Steuerorientierte Immobilienübertragung
vollstreckung unterwerfen. Darüber hinaus muss die Sicherungsvereinbarung entsprechend geändert werden. c) Dingliche Haftung
1.292 Die Übernahme der dinglichen Haftung ist eine sonstige Leistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Sofern die Rückgriffsansprüche des Käufers gegenüber dem Verkäufer uneinbringlich sind, ist die zu schätzende Inanspruchnahme grunderwerbsteuerpflichtig1. d) Nachträgliche Schuldzinsen
1.293 Gelingt es dem Verkäufer nicht, mit dem Veräußerungserlös die für die veräußerte Immobilie aufgenommenen Kredite zu tilgen, so dass er für die verbleibende Restschuld weiterhin sog. „nachträgliche“ Schuldzinsen zu entrichten hat, können diese als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein (näher s. Rz. 1.939 ff.). 1.294–1.299 Einstweilen frei. 7. Erschließungs- und Anliegerkosten BMF-Schreiben und Literatur: BMF-Schreiben v. 7.6.2012, BStBl. I 2012, 621: Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen; DNotI-Dokumentennr. 11071R „Einheitlicher Erwerbsgegenstand“ im Grunderwerbsteuerrecht; Grziwotz, Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge in Bayern: Regelung im Grundstückskauf und Grunderwerbsteuer, MittBayNot 2003, 200; Grziwotz, Öffentlich- und zivilrechtliche Regelungen über Erschließungskosten als Vorgaben für die Grunderwerbsteuer, DStR 1994, 1014; Kupfer, Erschließungsbeiträge im Ertrags-, Umsatz- und Grunderwerbsteuerrecht, KÖSDI 2001, 12914; Nieskoven, Neue Grundsätze zum Vorsteuerabzug bei Erschließungsmaßnahmen, GStB 2012, 392; Thebille, Erschließungsverträge in der notariellen Praxis, RNotZ 2014, 333.
a) Vertragliche Regelung
1.300 Entgegen der im Rahmen der Schuldrechtsreform geschaffenen, missglückten gesetzlichen Regelung in § 436 BGB, wonach der Verkäufer noch die Erschließungs- und Anliegerbeiträge für bautechnisch begonnene Maßnahmen tragen soll, wird in der Praxis regelmäßig auf den Zeitpunkt des Zugangs der Beitragsbescheide abgestellt (vgl. Rz. 2.282); denn nach der Rechtsprechung muss selbst ein zwölf Jahre nach der Beurkundung ergehender Beitragsbescheid vom Verkäufer beglichen werden, wenn die Erschließungsmaßnahme bereits durchgeführt war2. 1.301 Lediglich bei Bauträgerkaufverträgen, in denen ein schlüsselfertiges Objekt Vertragsgegenstand ist, werden alle Erschließungs- und Anliegerbeiträge, die zur schlüs1 BFH v. 13.7.1960 – II 173/58 U, BStBl. III 1960, 412. 2 Vgl. OLG Saarbrücken v. 4.4.2006 – 4 U 377/05, DNotZ 2007, 35 = MittBayNot 2007, 123 = DNotI-Report 2006, 178.
64 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.306 Kap. 1
selfertigen Nutzung erforderlich sind oder beschlossene Maßnahmen betreffen, dem Verkäufer zugeordnet. Dem Versuch, die 10%ige Eigenbeteiligung der Gemeinde durch Abschluss eines Erschließungsvertrages mit einer sog. Eigengesellschaft gem. § 124 Abs. 2 Satz 3 BauGB zu umgehen, ist das BVerwG1 entgegengetreten. Danach sind Eigengesellschaften keine Dritte i.S.d. § 124 Abs. 1 BauGB, so dass der Erschließungsvertrag nichtig ist und es bei der 10%igen Eigenbeteiligung der Gemeinde verbleibt. b) Einkommensteuer Einkommensteuerlich werden die erstmaligen Erschließungskosten als Anschaf- 1.302 fungskosten des Grund und Bodens beurteilt (s. Rz. 1.964); nachträgliche Erschließungskosten können demgegenüber sofort abziehbare Werbungskosten sein (s. Rz. 1.965 ff.). c) Grunderwerbsteuer Die Finanzverwaltung zählt zu den Erschließungsanlagen nicht nur die Verkehrs- 1.303 und Grünanlagen, sondern auch die Anlagen zur Ableitung von Abwässern und zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser2. Gegenleistung für den Erwerb eines erschlossenen Grundstücks ist auch der auf die Erschließung entfallende Betrag, unabhängig davon, ob er im Kaufpreis enthalten ist oder neben dem Kaufpreis gesondert ausgewiesen wird. Dies gilt nicht, wenn die Kommune eigene erschlossene Grundstücke veräußert und den Erschließungsbeitrag abgabenrechtlich geltend macht. d) Unerschlossenes Grundstück Wird ein im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht 1.304 erschlossenes Grundstück Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung, ist die vom Käufer eingegangene Verpflichtung, die zukünftige Erschließung zu bezahlen, nicht als Teil der Gegenleistung anzusehen3. e) Umsatzsteuer Soweit die Gemeinde die Erschließungsmaßnahmen in eigener Regie durchführt, 1.305 wird sie hoheitlich tätig. Mangels wirtschaftlicher Tätigkeit erbringt die Gemeinde hinsichtlich der Erschließung keine steuerpflichtigen Ausgangsumsätze. Sofern die Gemeinde eine Erschließungsgesellschaft als Erfüllungsgehilfen einschal- 1.306 tet, darf die Erschließungsgesellschaft in ihren Abrechnungen gegenüber den Bau1 Vgl. BVerwG v. 1.12.2010 – 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244 = ZfIR 2011, 326 m. Anm. Grziwotz = MittBayNot 2011, 523. 2 Vgl. FinMin. Baden-Württemberg v. 25.7.2002 – 3-S 4521/13. 3 Vgl. BFH v. 15.3.2001 – II R 39/99, BStBl. II 2002, 93; ebenso BFH v. 21.3.2007 – II R 67/05, BStBl. II 2007, 614.
Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.306 Steuerorientierte Immobilienübertragung
willigen keine Umsatzsteuer gesondert ausweisen. Soweit die Gemeinde jedoch einen Betrieb gewerblicher Art unterhält, z.B. für die Wasserversorgung, sind nach Auffassung der Finanzverwaltung1 die hierauf entfallenden Anschlussbeiträge Entgelte für die steuerpflichtige Anschlussleistung; in dem zitierten BMF-Schreiben ist auch die umsatzsteuerliche Behandlung bei der Einschaltung von Erschließungsträgern geregelt.
1.307–1.319 Einstweilen frei. 8. Kaufpreisaufteilung auf Grundstück und Gebäude sowie auf einzelne Objekte innerhalb eines Gebäudes Literatur: Behringer, Ertragswertverfahren zur Bewertung von Immobilien: Umsetzung an einem Praxisfall, BC 2013, 442; Esser, Wie sind Immobilien des Anlagevermögens zu bewerten?, WPg 2015, 1077; Kaponig, Anschaffung von bebautem Grundbesitz: Bilanzierung und Besteuerung – Ermittlung des Gebäudewerts anhand der Verkehrswertmethode, BC 2014, 408; Mende/Strnad, Bewertung von Immobilien unter Berücksichtigung des IDW ES 10, BB 2012, 2295; Sprengnetter, Zur Kaufpreis- und Verkehrswertaufteilung in die Gebäude- und Bodenanteile, DB 2003, 525; Zimmermann, Die Verkehrswertbestimmung bei Grundstücken, NZM 2012, 599.
a) Vertragliche Bestimmung; AfA-Bemessungsgrundlage
1.320 Bei der Übertragung eines bebauten Grundstücks oder einer Eigentumswohnung mittels notariell beurkundetem Kaufvertrag wird von den Vertragsteilen in der Regel zunächst ein einheitlicher Kaufpreis ausgehandelt. Es kann jedoch aus steuerlichen Gründen sinnvoll sein, den Kaufpreis in einen Anteil für die Gebäude und den Grund und Boden oder auch auf einzelne Objekte, die jeweils einen eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang aufweisen, aufzuteilen. Eine dahin gehende Kaufpreisaufteilung muss grundsätzlich vom Finanzamt akzeptiert werden, solange die Vereinbarung nicht nur zum Schein getroffen wurde (§ 41 Abs. 2 AO) sowie keinen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) darstellt und zum anderen die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse nicht in grundsätzlicher Weise verfehlt oder wirtschaftlich nicht haltbar erscheint2. Auf diese Art und Weise kann in den Grenzen des Angemessenen3 bspw. festgelegt werden, welcher Kaufpreisanteil als Grund und Boden keinen Absetzungen für Abnutzung (AfA) zugänglich ist und welcher Anteil über die AfA auf die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt werden kann. 1 Vgl. BMF v. 31.5.2002 – IV B 7-S 7100 – 167/02, DB 2002, 244. 2 BFH v. 15.1.1985 – IX R 81/83, BStBl. II 1985, 252 = BB 1985, 906; v. 26.5.1992 – IX R 190/87, BFH/NV 1993, 92 (Erbbaugrundstück); v. 10.10.2000 – IX R 86/97, BStBl. II 2001, 183; v. 31.7.2001 – IX R 15/98, BFH/NV 2002, 324; v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397 = FR 2016, 228 = NJW 2016, 591; v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl. II 2021, 372 = DStR 2020, 2658 = NJW 2021, 413 = NotBZ 2021, 276. 3 Zu den Rechtsfolgen einer falschen Angabe der Kaufpreiszusammensetzung in der Absicht der Steuerhinterziehung vgl. BGH v. 5.7.2002 – V Z R 229/01, DNotZ 2003, 123.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.323 Kap. 1
b) Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) Sind entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich einer Kaufpreisaufteilung auf Ge- 1.321 bäude und Grund und Boden nicht getroffen worden, kann für die Schätzung des Wert des Grund- und Bodenanteils sowie des Gebäudeanteils die Immobilienwertermittlungsverordnung1 herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken2. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV kann der Verkehrswert von Immobilien mit Hilfe des Vergleichswert-, des Ertragswert- oder des Sachwertverfahrens ermittelt werden. Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung 1.322 der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Halbs. 1 ImmoWertV3). Welches dieser – fiktiv gleichwertigen – tatsächlich zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen führenden Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden; die Wahl ist zu begründen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ImmoWertV). c) Wohnungen Bei selbstgenutzten und bei vermieteten Eigentumswohnungen im Privatvermögen 1.323 und Mehrfamilienhäusern ist grundsätzlich eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens (§ 35 ff. ImmoWertV) angebracht. Aber auch eine Bewertung anhand des Ertragswertverfahrens (§ 27 ff. ImmoWertV) ist möglich, wenn dieses zum zutreffenderen Wert führt und die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abbildet4. Das Vergleichswertverfahren (§ 24 ImmoWertV) ist demgegenüber bei solchen Immobilien regelmäßig keine geeignete Schätzungsmethode5.
1 Für Verkehrswertgutachten, die ab dem 1.1.2022 erstellt werden, ist – unabhängig vom Wertermittlungsstichtag – die VO über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) v. 14.7.2021, BGBl. I 2021, 2805 anzuwenden (s. § 53 Abs. 1 ImmoWertV); zur Rechtslage vor dem 1.1.2022 s. die Vorgängerregelung: ImmoWertV v. 19.5.2010, BGBl. I 2010, 639. 2 BFH v. 25.5.2005 – IX R 46/04, BFH/NV 2006, 261; v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397; v. 23.6.2005 – IX B 132/04, BFH/NV 2005, 1798; v. 15.11.2016 – IX B 98/16, BFH/NV 2017, 292. Die Arbeitshilfe des BMF ist dagegen – auch in der aktualisierten Neufassung v. 28.6.2022 (https://www.bundesfinanzministerium.de/Datenportal/Daten/freinutzbare-produkte/Anwendungen/Kaufpreisaufteilung-Grundstuecke/KaufpreisaufteilungGrundstuecke.html) – nur mit Bedacht anzuwenden, vgl. BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl. II 2021, 372 = DStR 2020, 2658 = NJW 2021, 413 = NotBZ 2021, 276, zur älteren Fassung. 3 ImmoWertV v. 14.7.2021, BGBl. I 2021, 2805. 4 BFH v. 11.2.2003 – IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769; v. 29.5.2008 – IX R 36/06, BFH/NV 2008, 1668; v. 15.11.2016 – IX B 98/16, BFH/NV 2017, 292. 5 BFH v. 15.1.1985 – IX R 81/83, BStBl. II 1985, 252; v. 10.10.2000 – IX R 86/97, BStBl. II 2001, 183.
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Kap. 1 Rz. 1.324 Steuerorientierte Immobilienübertragung
d) Zuordnung von Schuldzinsen
1.324 Schuldzinsen können gezielt einem der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zugeordnet werden. Sind entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich einer Schuldzinsenzuordnung auf einzelne der Einkünfteerzielung dienende Gebäudeteile nicht getroffen worden, ist eine schätzungsweise Aufteilung der Schuldzinsen nach dem Verhältnis der Wohnflächen/Nutzflächen vorzunehmen (s. Rz. 1.934)1. 1.325–1.329 Einstweilen frei. 9. Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten Literatur: Armbruster, Der Übergang von Versicherungen beim Immobilienerwerb, Liber amicorum für Mock (2009), 1; D. Schmidt, Beschaffenheitsvereinbarung, Garantie und Haftungsausschluss, Liber amicorum für Mock (2009), 245; Schmitz, Regelungen zum Übergang von Besitz, Nutzungen, Lasten etc. in Grundstückskaufverträgen, RNotZ 2001, 365.
a) Kaufvertragliche Regelung
1.330 In der notariellen Praxis erstellt der Notar regelmäßig nach Eintragung der Auflassungsvormerkung an der vereinbarten Rangstelle, dem Vorliegen der Lasten- und Freigabeerklärungen sowie der Bestätigung über die Nichtausübung gesetzlicher Vorkaufsrechte eine Fälligkeitsmitteilung (Rz. 2.233). Leistet der Käufer innerhalb der vereinbarten angemessenen Frist nicht, gerät der Käufer ohne Mahnung gem. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verzug. Für den notariellen Kaufvertrag empfiehlt sich die Regelung, dass mit der Kaufpreiszahlung Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen. Bei vermieteten Objekten tritt der Käufer erst mit dem Zeitpunkt, zu dem die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgt, in die Rechte und Pflichten aus den Mietverhältnissen gem. § 566 BGB ein2.
1.331 Somit ist eine evtl. gewünschte Abtretung von Mietansprüchen im Vertrag ausdrücklich zu regeln, da allein die Abrede über den Übergang von Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr regelmäßig keine Abtretung der Mietansprüche beinhaltet3. 1.332 Da der BGH4 die Klausel, wonach Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren mit Besitzübergang übergehen, eng auslegt und eine Einbeziehung der Streupflicht des Anliegereigentümers verneint hat, wird in der Literatur5 empfohlen, auch den Übergang der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten ausdrücklich mit dem Besitzübergang anzuordnen.
1 2 3 4 5
BFH v. 1.4.2009 – IX R 35/08, BStBl. II 2009, 663. Vgl. Grüneberg/Weidenkaff81, § 566 BGB Rz. 8. Vgl. Schmitz, RNotZ 2001, 373. BGH v. 3.10.1989 – VI ZR 310/88, MDR 1990, 231 = DNotZ 1991, 590. Vgl. Jerschke, Anm. zu BGH v. 3.10.1989 – VI ZR 310/88, MDR 1990, 231 = DNotZ 1991, 591.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.349 Kap. 1
b) Grundsteuer und Gebäudebrandversicherung Trotz des Übergangs von Besitz, Nutzungen und Lasten wird die Grundsteuer wei- 1.333 terhin vom Verkäufer erhoben, bis die bewertungsrechtliche Umschreibung, regelmäßig zum 1. Januar des Folgejahres, erfolgt. Der Verkäufer ist berechtigt, von dem Käufer insoweit die Freistellung von der Zahlungsverpflichtung zu verlangen. Im Zuge der Grundsteuerreform (näher s. Rz. 1.1330 ff.) ist zu beachten, dass in den Fällen eines Eigentumswechsels nach dem 1.1.2022 (aber noch vor Abgabe der bis zum 31.10.2022 einzureichenden Grundsteuererklärung) die Steuererklärungspflicht denjenigen trifft, der am zum Hauptfeststellungszeitpunkt am 1.1.2022 Eigentümer des Grundstücks war; dies ist im Zweifel der Verkäufer1 (s. Rz. 1.1336). Eine etwaige Mahnung zur Zahlung der Gebäudebrandversicherungsprämie erhält 1.334 vor Eigentumsumschreibung der Verkäufer, so dass vorsorglich eine vertragliche Haftungsregelung getroffen werden sollte.2 c) Grunderwerbsteuer Mit dem Erwerb des Eigenbesitzes wird der Grundbesitz gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 1.335 AO dem Käufer zugerechnet (wirtschaftliches Eigentum), auch wenn der Verkäufer noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Sofern dem Verkäufer trotz des Besitzübergangs noch Nutzungen aus dem Vertragsgegenstand verbleiben, liegt darin eine zusätzliche Leistung des Käufers, so dass sich bei einer fortbestehenden Eigennutzung des Verkäufers die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entsprechend erhöht3, da vorbehaltene Nutzungen i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegen.
1.336–1.348
Einstweilen frei. 10. Vertragsmuster mit Anmerkungen a) Bauplatz
1.349
M1 Bauplatzkauf: Verkauf einer unbebauten Teilfläche mit Versorgungsdienstbarkeiten Beurkundet am […] in […]
I. Grundbuchstand Im Grundbuch des AG […] für […] Blatt […] sind die Eheleute […] [Name] als Eigentümer des Grundstückes der Gemarkung […] 1 Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. DNotI-Report 11/2022, 81 (82 ff.). 2 OLG Jena v. 17.1.2007 – 4 U 574/06, DNotI-Report 2007, 144. 3 BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186; Viskorf/Loose20, § 9 GrEStG Rz. 235.
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Kap. 1 Rz. 1.349 Steuerorientierte Immobilienübertragung Flurstück Nr. […], […] [Beschrieb], Wohnhaus, Garten, Hofraum, zu 0,1000 ha eingetragen. Der Grundbesitz ist belastet wie folgt: Abteilung II: Starkstromleitungsrecht für […] Abteilung III: 200.000 b Grundschuld für die Sparkasse. […]
II. Vertragsgegenstand Vertragsgegenstand ist eine noch zu vermessende Teilfläche von ca. 500 qm aus dem vorbezeichneten Grundstück, die den Vertragsteilen nach Lage und Umfang genau bekannt ist und in dem dieser Urkunde als wesentlichen Bestandteil beigefügten Lageplan farbig dargestellt wurde. Die Nord-, Ost- und Südgrenzen der Teilfläche sind durch die bestehenden Grenzen vorgegeben. Die Westgrenze ist parallel zur Ostgrenze in der Weise zu bilden, dass sich das angegebene Flächenmaß ergibt. Der Vermessungsantrag soll durch den Notar gestellt werden. Das Bestimmungsrecht nach § 315 BGB steht dem Verkäufer zu.
III. Kauf Herr […] und Frau […] – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkaufen hiermit an die Eheleute […] – als Miteigentümer zu je 1/2 – – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – aus dem unter Abschnitt I bezeichneten Grundbesitz eine Teilfläche von ca. 500 qm mit allen Rechten und Bestandteilen.
IV. Auflassungsvormerkung gem. § 883 BGB Zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruches bewilligen die Verkäufer zugunsten der Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB im Rang nach den in Abschnitt I bezeichneten Rechten, auf Antrag des Notars auch an nächstoffener Rangstelle. Die Vertragsteile bewilligen ferner mit Vollzug des Fortführungsnachweises die Löschung dieser Vormerkung an der dem Verkäufer verbleibenden Restfläche des Stammgrundstückes und Zug um Zug mit Eigentumsumschreibung an der Vertragsfläche, vorausgesetzt, dass keine Zwischeneintragungen ohne Zustimmung der Käufer im Grundbuch eingetragen oder zur Eintragung angemeldet wurden. Die Vertragsteile verpflichten sich, nach dem Vorliegen des amtlichen Fortführungsnachweises und nach Zahlung des geschuldeten vorläufigen Kaufpreises ihre Erklärungen zu dem Vermessungsergebnis abzugeben und nach Anerkennung der Vermessung die Auflassung zu erklären und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewil70 Spiegelberger
A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.349 Kap. 1
ligen sowie alle Erklärungen abzugeben, die zum Vollzug dieser Urkunde erforderlich oder zweckdienlich sind.
V. Besitz, Nutzungen und Lasten Besitz, Nutzungen und Lasten sowie die Gefahr der Verschlechterung und die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten gehen mit vollständiger Kaufpreiszahlung auf den Käufer über.
VI. Haftung Die in Abteilung II des Grundbuches eingetragene, in Abschnitt I näher bezeichnete Dienstbarkeit, wird zur weiteren Duldung und Erfüllung übernommen. Im Übrigen ist der Grundbesitz lastenfrei zu übertragen. Der Verkäufer verpflichtet sich, die Vertragsfläche unverzüglich von dem vorbezeichneten Grundpfandrecht der Sparkasse […] i.H.v. … b auf eigene Kosten freizustellen. Der Verkäufer haftet für fahrlässig herbeigeführte Körper- oder Gesundheitsverletzungen sowie für arglistig verschwiegene Mängel, nicht jedoch für die Größe, Beschaffenheit, Bebau- und Benutzbarkeit des Grundstücks. Der Verkäufer versichert, dass ihm ökologische Altlasten und Abstandsflächenübernahmen nicht bekannt sind. Der Käufer hat sich nach seiner Erklärung bei der Gemeindeverwaltung über die Bebaubarkeit des Grundstückes unterrichtet. Der Verkäufer schließt jegliche Haftung für die Bebaubarkeit aus.
VII. Erschließungskosten Alle auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erschließungskosten gem. §§ 127 ff. BauGB und alle Anliegerbeiträge nach dem Kommunalen Abgabengesetz hat der Käufer zu tragen mit Ausnahme der Kosten für Bescheide, die dem Erwerber oder dessen Rechtsvorgängern bis heute zugegangen sind. Etwaige Erstattungsansprüche werden an den Käufer abgetreten.
VIII. Zugang und Zufahrt Der Verkäufer räumt hiermit dem jeweiligen Eigentümer der heutigen Vertragsfläche mit sofortiger Wirkung das dauernde und unentgeltliche Geh- und Fahrtrecht über sein Restgrundstück für die rein wohnwirtschaftliche Nutzung ein, in der Ausübung beschränkt auf einen 3 m breiten Grundstücksstreifen entlang der Ostgrenze des Stammgrundstückes nach Maßgabe der näheren Darstellung im beigefügten Lageplan. Im Bereich der Ausübungsfläche dieses Geh- und Fahrtrechtes ist das Abstellen und Parken von Fahrzeugen jeder Art nicht gestattet. Um ein ungehindertes Ein- und Ausfahren zu gewährleisten, dürfen auch sonst keinerlei Materialien oder andere das Recht beeinträchtigende Gegenstände gelagert werden. Bedingung für die Ausübung des Rechtes ist, dass sich der jeweilige Eigentümer des berechtigten Grundstückes dem jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstückes geSpiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.349 Steuerorientierte Immobilienübertragung genüber verpflichtet, den Zuletztgenannten von allen möglichen Haftungsfällen aus einer Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht freizustellen. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks ist zur Mitbenutzung des Geh- und Fahrtweges zum angegebenen Zweck berechtigt. Die Kosten der Unterhaltung des bezeichneten Weges tragen der Grunddienstbarkeitsberechtigte sowie der Grundstückseigentümer je zur Hälfte. Eine Befestigung des Fahrtweges durch Aufbringung von Asphalt oder in ähnlicher Weise darf der Berechtigte nur im Einvernehmen mit dem Grundstückseigentümer vornehmen. Letzterer ist jedoch zur Zustimmung verpflichtet, falls eine fachgerechte und den landschaftlichen Gegebenheiten entsprechende Staubfreimachung des Fahrtweges gewährleistet ist. Das voreingeräumte Recht wird am dienenden Grundstück durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des berechtigten Grundstückes und einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde […] dinglich gesichert. Die Eintragung dieser Dienstbarkeiten im Rang nach der in Abteilung II bereits eingetragenen Dienstbarkeit im Grundbuch, im Gleichrang untereinander, wird bewilligt. Der Eintragungsantrag wird in der Nachtragsurkunde gestellt.
IX. Versorgungsdienstbarkeiten Der Verkäufer räumt hiermit dem jeweiligen Eigentümer der Vertragsfläche mit sofortiger Wirkung das dauernde und unentgeltliche Recht ein, a) auf seinem Restgrundstück Ver- und Entsorgungsleitungen jeder Art einschließlich sämtlicher Zugehörungen einzulegen, zu belassen, zu betreiben, instandzuhalten und zu erneuern, b) das dienende Grundstück zum Zwecke der Vornahme von Arbeiten an den bezeichneten Einrichtungen und Anlagen, insbesondere zur erstmaligen Einbringung und künftigen Unterhaltung, jederzeit zu betreten oder durch Dritte betreten zu lassen, sowie c) auf dem dienenden Grundstück zur Einbringung dieser Ver- und Entsorgungsleitungen samt Zugehörungen und auch zur künftigen Unterhaltung Aufgrabungen gegen Wiederherstellung des früheren Zustandes vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen. Sämtliche Herstellungskosten treffen ausschließlich den Berechtigten, dem auch die Verkehrssicherungspflicht obliegt und der verpflichtet ist, die Anlage in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten sowie dem Eigentümer des dienenden Grundstückes vollen Schadensersatz für alle Schäden am dienenden Grundstück zu leisten, die durch die Ausübung des Rechts, z.B. durch Grabungsarbeiten oder Undichtigkeiten auch unverschuldet entstehen, nach Wahl des dienenden Grundstückseigentümers durch Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Dieses Recht, welches in der Ausübung beschränkt ist auf den in Abschnitt VIII näher bezeichneten Grundstücksstreifen nach Maßgabe der schematischen Darstellung im beigefügten Lageplan, wird durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit zugunsten des 72 Spiegelberger
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Rz. 1.349 Kap. 1
jeweiligen Eigentümers des berechtigten Grundstückes und einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde […] im Grundbuch dinglich gesichert. Die Eintragung dieser Dienstbarkeiten im Grundbuch im Rang nach den in Abschnitt VIII bestellten Dienstbarkeiten, im Gleichrang untereinander, wird bewilligt. Der Eintragungsantrag wird in der Nachtragsurkunde gestellt.
X. Kaufpreis Der Kaufpreis beträgt 200 b/qm, somit vorläufig für die geschätzte Vertragsfläche 100.000 b. Der vorläufige Kaufpreis ist bis zu seiner Fälligkeit unverzinslich und zur Zahlung fällig innerhalb von zehn Tagen nach Absendung einer Mitteilung des Notars an die zuletzt bekannt gegebene Anschrift des Käufers, dass a) die Auflassungsvormerkung für den Käufer rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde, b) die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen, die im Rang vor der zur Eintragung gelangenden Auflassungsvormerkung des Käufers stehen, gesichert ist, also diesbezüglich dem Notar eine Löschungsbewilligung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, und c) seitens der zuständigen Gemeinde die Bestätigung erteilt wurde, wonach für diesen Verkaufsfall ein gesetzliches Vorkaufsrecht entweder nicht besteht oder jedenfalls nicht ausgeübt wird. Der Notar wird zur Erteilung einer Fälligkeitsbestätigung beauftragt. Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis ausschließlich Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten. Sofern im Zuge der Lastenfreistellung nicht anderweitige Zahlungsauflagen der Gläubiger ergehen, ist der Kaufpreis zu bezahlen auf das Konto des Verkäufers Nr. […] (IBAN […]) bei der […] (BIC […]). Der Notar hat darauf hingewiesen, dass der Verzug ohne Mahnung eintritt. Differenzflächen, die sich aufgrund des Messungsergebnisses gegenüber der gegenwärtigen Flächenschätzung ergeben, sind mit dem vereinbarten Quadratmeterpreis ohne Beilage von Zinsen bei Beurkundung der Messungsanerkennung und Auflassung auszugleichen.
XI. Hinweise1 Die Beteiligten wurden auf Folgendes hingewiesen: – alle getroffenen Vereinbarungen bedürfen der notariellen Beurkundung, 1 Gemäß § 19 BeurkG hat der Notar über das Erfordernis der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung zu belehren und auf in Frage kommende gesetzliche Vorkaufsrechte (§ 20 BeurkG) hinzuweisen.
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Kap. 1 Rz. 1.349 Steuerorientierte Immobilienübertragung – die Eigentumsumschreibung im Grundbuch kann erst nach Vermessung, Erklärung der Auflassung und Entrichtung der Grunderwerbsteuer erfolgen, – die Frage der Bebaubarkeit der Vertragsfläche kann nur durch eine Bauvoranfrage bei der Baugenehmigungsbehörde geklärt werden und – bis zur Durchführung der Vermessung und dem Vorliegen des Fortführungsnachweises kann eine Sicherung der Finanzierungsgläubiger nur durch Verpfändung der Auflassungsvormerkung erfolgen.
XII. Kosten, Ausfertigungen, Abschriften Die Kosten dieser Urkunde und der Nachtragsurkunde, der Vermessung und Vermarkung, der Katasterfortschreibung sowie die anfallende Grunderwerbsteuer hat der Käufer zu tragen. Die Kosten der Lastenfreistellung trägt der Verkäufer. Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: die Vertragsteile beglaubigte Abschriften: das Grundbuchamt einfache Abschriften: jeder Vertragsteil sofort das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – der Gutachterausschuss zur Kaufpreissammlung die Gemeinde auf Verlangen bei dem Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts die Grundpfandrechtsgläubigerin
1.350 Einstweilen frei. Anmerkungen zu M1 (Bauplatzkauf)
1.351 1. Teilflächenkauf: Der Kauf eines Bauplatzes erfolgt häufig als Teilflächenkauf, so dass erst durch die Vermessung und Grundbucheintragung ein selbständiges Grundstück entsteht. Die Teilflächenkonkretisierung ist wesentlicher Vertragsinhalt. Wenn dem Kaufvertrag lediglich eine Planskizze mit der zu vermessenden Teilfläche beigefügt ist, auf die in der Urkunde verwiesen wird, aber keine genaue Beschreibung der neuen Grenzlinien im Urkundentext enthalten ist, kann bei Abweichungen, die nicht mehr als unerheblich bezeichnet werden können, nicht auf die Auflassung geklagt werden. Der Käufer hat nur einen Anspruch auf Übereignung des ursprünglich ver-
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Rz. 1.355 Kap. 1
kauften Grundstücks1. Nach Ansicht des BGH2 kann der Vertrag sogar wegen Unbestimmtheit unwirksam sein. Die Auflassungsvormerkung entfaltet in diesem Fall keine Sicherungswirkung – 1.352 auch nicht bei Insolvenz des Verkäufers. Sofern eine genaue Abgrenzung und Bezeichnung der Fläche nicht möglich ist, sollte die Grenzziehung entweder einem Vertragsteil nach § 315 BGB oder einem neutralen Dritten als Schiedsgutachter gem. § 317 BGB übertragen werden. Dem Bestimmungsberechtigten steht nicht das Recht zur Abänderung des Vertrages zu: Er kann nur die Unbestimmtheit nach Treu und Glauben ausfüllen, indem er das Unbestimmte aber Gewollte endgültig festlegt. Durch Zuweisung des Bestimmungsrechts nach § 315 BGB oder § 317 BGB kann 1.353 die Gefahr der Nichtigkeit wegen fehlender Bestimmtheit sicher gebannt werden. Dies hat vor allem bei Einzeichnungen in nicht maßstabsgerechte Pläne besondere Bedeutung. Ist bei dem Verkauf einer noch zu vermessenden Grundstücksfläche der Kaufgegenstand in der notariellen Urkunde sowohl durch eine bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, kommt die Anpassung oder Auflösung des Vertrags nach den Grundsätzen vom Fehlen der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgingen, dass die Größe der zeichnerisch dargestellten Fläche in etwa der bezifferten Flächengröße entspricht und das Ergebnis der Vermessung davon wesentlich abweicht3. 2. Neues Grundbuchblatt: Eine reibungslose Beleihung ist im Allgemeinen nur 1.354 möglich, wenn für das Bauplatzgrundstück ein eigenes Grundbuchblatt angelegt wird. Dies ist beim Verkauf einer Teilfläche erst nach der Vermessung und/oder Erklärung der Messungsanerkennung und Auflassung der Fall. Damit eröffnet sich erst die Möglichkeit der Eintragung von Grundpfandrechten, ohne dass die Verkäufer einer Haftung ausgesetzt sind. In der Zwischenzeit ist nur eine Beleihung durch Verpfändung des durch die Auflassungsvormerkung gesicherten Übereignungsanspruchs möglich. Dies sollte der Käufer vorab mit seiner Bank abklären, da manche Banken dieses Verfahren nicht akzeptieren. 3. Kaufpreisfinanzierung: Zur Kaufpreisfinanzierung muss der Verkäufer in der 1.355 Regel durch die Erteilung einer Belastungsvollmacht mitwirken, wobei die Grundschuldsumme nur zur Kaufpreiszahlung verwendet werden darf und an den Verkäufer abgetreten wird.
1 BGH v. 11.11.1994 – V ZR 149/93, MDR 1995, 247 = NJW 1995, 957 = MittBayNot 1995, 31. 2 BGH v. 23.4.1999 – V ZR 54/98, NJW-RR 1999, 1030 = ZfIR 1999, 818 = DNotZ 2000, 121; v. 30.1.2004 – V ZR 92/03, MDR 2004, 680 = ZfIR 2004, 812 = DNotZ 2004, 916; v. 19.4.2002 – V ZR 90/01, BGHZ 150, 334 = MDR 2002, 1001 = NJW 2002, 2249; v. 23.11.2001 – V ZR 282/00, MDR 2002, 390 = ZfIR 2002, 194 = ZNotP 2002, 111. 3 BGH v. 30.1.2004 – V ZR 92/03, MDR 2004, 680 = ZfIR 2004, 812 = DNotZ 2004, 916.
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Kap. 1 Rz. 1.356 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.356 4. Erschließung: Wesentlicher Vertragsinhalt ist auch die Sicherung und Kostenzahlung der Erschließung, d.h. der Anschluss der Bauparzelle an das Straßennetz sowie die Versorgung der Immobilie mit Wasser, Gas, Strom und sonstigen Versorgungsleitungen einschließlich der Einleitung des Abwassers in die Kanalisation (s. Rz. 1.700 ff.). 1.357 5. Auflassungsvormerkung: Eine Auflassungsvormerkung gem. § 883 BGB ist für den Kaufvertrag das übliche Sicherungsmittel. Da die Vermessung und Anlegung eines eigenen Grundbuchblattes lange Zeit in Anspruch nehmen können, ist die Auflassungsvormerkung von besonderer Bedeutung. Ferner ist die Verpfändung des Auflassungsanspruches und deren Eintragung im Grundbuch oft das einzige Sicherungsmittel für Grundpfandrechtsgläubiger, so dass die Bestellung einer Auflassungsvormerkung zur Finanzierung des Baukörpers zweckmäßig ist und regelmäßig benötigt wird. 1.358 6. Auflassung: Einzelne Autoren1 empfehlen, auch bei dem Kaufvertrag über eine unvermessene Teilfläche im Hinblick auf die Bindungswirkung gem. § 873 Abs. 2 BGB sofort die Auflassung zu erklären. Zu der für den grundbuchamtlichen Vollzug erforderlichen Ergänzungsurkunde, nämlich die sog. Identitätserklärung, könnte der Urkundsnotar bevollmächtigt werden. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Auflassung zivilrechtlich nur wirksam ist, wenn tatsächlich das beurkundete Grundstück mit dem katastermäßig abgegrenzten Grundstück genau übereinstimmt. Dies ist in der Regel nicht der Fall, so dass überwiegend in der Notarpraxis die Beurkundung der Auflassung bei unvermessenen Grundstücken abgelehnt wird, es sei denn, dass steuerliche Gründe dafür sprechen. 1.359 Aus steuerlichen Gründen kann jedoch die Beurkundung der Auflassung unvermessener Grundstücke erforderlich sein. Eine Grundstücksschenkung gilt als ausgeführt, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken2, um beispielsweise bei anstehenden Änderungen des BewG oder ErbStG die Anwendung der bisherigen Grundstücksbewertung zu sichern. Entgegenkommend erlaubt die Finanzverwaltung3 bei Schenkung einer Grundstücksteilfläche den Vollzug anzunehmen, auch wenn das Vermessungsverfahren zur Bildung einer eigenen Flurnummer noch nicht abgeschlossen wurde. Eine Ersatzlösung bestünde darin, dass bei Teilflächenübertragungen nur ein Miteigentumsanteil am Gesamtgrundstück, der wertmäßig der Teilfläche entspricht, mit der Verpflichtung übertragen wird, nach der Vermessung einer wertentsprechenden Aufteilung des Grundstückes zuzustimmen. In diesem Fall liegt bereits im Vollzug der Übertra-
1 Z.B. Beck’sches Notarhandbuch/Krauß7, § 1 Rz. 608. 2 R E 9.1 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2019; Spiegelberger, DStR 1995, 1702. 3 H E 9.1 ErbStH 2019.
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gung des Miteigentumsanteiles die Durchführung der Schenkung i.S.d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes1. 7. Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten: Der an die vollständige Kauf- 1.360 preiszahlung gekoppelte Besitzübergang schützt den Verkäufer. 8. Eingeschränkte Sachmängelhaftung: Die Formulierung für die Sachmängelhaf- 1.361 tung berücksichtigt die Anforderungen an einen Verbrauchervertrag. Eine zusätzliche Belehrung über die Risiken bei einer geplanten Bebauung, insbesondere wegen eines hohen Grundwasserstandes oder wegen Gründungsschwierigkeiten, ist zu empfehlen. 9. Zugang und Zufahrt: Sowohl zur Erlangung der Baugenehmigung als auch zur 1.362 langfristigen Funktionssicherung sind der Zugang und die Zufahrt durch Grunddienstbarkeiten zu sichern. Zur Absicherung für den Fall der Insolvenz des Verkäufers während des Zeitraums bis zur endgültigen Eigentumsumschreibung kann bereits eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden. Diese Vormerkung schützt dann auch für den Fall des Verlustes der Verfügungsbefugnis durch den Verkäufer. Insbesondere bei dem Erwerb von Teilflächen aus einem Grundstück ergibt sich das Erfordernis, Versorgungsdienstbarkeiten zu bestellen, in jedem Fall, wenn das Kaufgrundstück nicht selbst unmittelbar an eine öffentliche Straße angrenzt. 10. Kaufpreis: Der Kaufpreis richtet sich beim Teilflächenverkauf meist nach einem 1.363 vereinbarten Quadratmeterpreis. Der vor der Vermessung vereinbarte Kaufpreis ist daher regelmäßig ein vorläufiger Kaufpreis. Nach der endgültigen Vermessung soll der Kaufpreis daher in der Regel entsprechend der tatsächlichen Größe des Vertragsgegenstandes mit dem vereinbarten Quadratmeterpreis ausgeglichen werden. Sicherungen werden für diesen Restausgleich in der Praxis meist nicht vorgesehen. Dies kann jedoch problemlos herbeigeführt werden durch die Notaranweisung im Rahmen der Messungsanerkennung und Auflassung, dass erst nach Bestätigung der Restkaufpreiszahlung die Auflassung dem Grundbuchamt vorgelegt werden darf. Ferner kann bei der Messungsanerkennung und Auflassung eine Zwangsvollstre- 1.364 ckungsunterwerfung des Käufers beurkundet werden. Diese weiteren Sicherungen erübrigen sich, wenn der Käufer die Kaufpreisdifferenz bei der Messungsanerkennung und Auflassung bar bezahlt oder bereits gezahlt hat. Für den Fall der Überzahlung durch den Käufer ist dieser im Fall der Insolvenz des Verkäufers zwar durch die Auflassungsvormerkung gesichert. Diese sichert aber nur den Übereignungsanspruch und nicht den Kaufpreisteilerstattungsanspruch. Insoweit könnte mit einer Bürgschaft gearbeitet werden, deren Kosten die Beteiligten meist scheuen. 11. Teilungsgenehmigung gem. § 19 BauGB: Für die Teilung eines Grundstückes 1.365 zum Zwecke der Bebauung war früher eine Teilungsgenehmigung gem. § 19 BauGB
1 Spiegelberger, DStR 1995, 1702.
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durch die zuständige Gemeinde erforderlich. Dieses zusätzliche Erfordernis für die Durchführung eines Teilflächenverkaufs ist weggefallen. Beim Verkauf von Teilflächen findet daher auch keine Kontrolle mehr statt, ob durch die Vermessung baurechtswidrige Zustände entstehen. Die Beteiligten sollten daher darauf hingewiesen werden, dass sie sich vor dem Abschluss des Kaufvertrages bei der Baugenehmigungsbehörde darüber informieren sollten, ob durch die vorgesehene Vermessung baurechtswidrige Zustände entstehen, insbesondere erforderliche Abstandsflächen eingehalten werden. In einzelnen Bundesländern führen die Gemeinden Baulastenverzeichnisse, in die baurechtliche Beschränkungen eingetragen sind, die sich nicht aus dem Grundbuch ergeben. In diesen Bundesländern ist die vorherige Einsicht des Baulastenverzeichnisses zu empfehlen (aus einer Dienstbarkeit kann sich die Pflicht ergeben, eine inhaltsgleiche Baulast zu bestellen)1.
1.366 12. Kosten: Abweichend von § 448 Abs. 1 BGB, wonach der Verkäufer die Kosten der Übergabe der Sache trägt und somit grundsätzlich auch die Vermessungskosten zu tragen hätte, wird in der Praxis diese Zahlungspflicht regelmäßig dem Käufer auferlegt. 1.367–1.370 Einstweilen frei. b) Mietshaus Literatur: Hertel, Energieausweis für Bestandsgebäude, DNotZ 2007, 486; Krauß, Energieeinsparverordnung 2007, ZNotP 2007, 202.
1.371 M2 Kauf eines Mietshauses 1. Beurkundet am […]
I. Grundbuchstand und Kaufgegenstand Laut Vortrag im Grundbuch des AG […] für […] Blatt […] ist Herr […] Alleineigentümer des nachfolgend bezeichneten Grundstücks der Gemarkung […] Flurstück Nr. 1 zu 1000 qm. Der Grundbesitz ist belastet: In Abteilung II: – lfd. Nr. 1: Grunddienstbarkeit In Abteilung III: – lfd. Nr. 1: 100.000 DM Grundschuld für die Raiffeisenbank […], – lfd. Nr. 2: 500.000 b Grundschuld für die Sparkasse. […]
1 BGH v. 18.3.1994 – V ZR 159/92, MDR 1994, 686 = NJW 1994, 2757 = DNotZ 1994, 885; Beck’sches Notarhandbuch/Herrler7, § 1 Rz. 15.
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II. Verkauf Herr […] – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkauft den in Abschnitt I. bezeichneten Grundbesitz mit allen damit verbundenen Rechten, Pflichten, Bestandteilen und dem Zubehör, an Herrn […] – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – – zu Alleineigentum –.
III. Kaufpreis Der Kaufpreis beträgt 2.000.000 b – in Worten: zwei Millionen Euro –. (1) Der gesamte Kaufpreis ist innerhalb von vier Wochen nach Absendung einer Mitteilung des Notars an den Käufer zur Zahlung fällig, wonach a) zugunsten des Käufers die nachstehend beantragte Eigentumsverschaffungsvormerkung rangrichtig im Grundbuch eingetragen ist, b) für das gesetzliche Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch ein Negativattest erteilt wurde und c) die Löschungsbewilligungen für die vorbezeichneten Grundpfandrechte mit aus dem Kaufpreis erfüllbaren Auflagen vorliegen. (2) Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten. (3) Soweit keine Zahlungsauflagen ergehen, ist der Kaufpreis auf das Konto des Verkäufers Nr. […] bei der […] (IBAN/BIC […]) zu überweisen. (4) Zahlt der Käufer bei Fälligkeit nicht, kommt er auch ohne Mahnung in Verzug.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung (1) Wegen des Kaufpreises nebst 5 % p.a. Zinsen über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit unterwirft sich der Käufer der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
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Kap. 1 Rz. 1.371 Steuerorientierte Immobilienübertragung Dem Verkäufer kann jederzeit ohne Nachweis der die Fälligkeit der Forderung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden. Eine Umkehr der Beweislast ist damit jedoch nicht verbunden. (2) Der Verkäufer unterwirft sich wegen seiner Verpflichtung zur Übergabe des Kaufgegenstandes der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Der Notar kann gegen Nachweis der Kaufpreiszahlung dem Käufer eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilen.
V. Übergabe (1) Die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt an dem auf die Kaufpreiszahlung folgenden Tag. Besitz, Nutzungen und Lasten sowie die Gefahr der Verschlechterung und die Verkehrssicherungspflicht gehen mit der Übergabe auf den Käufer über. (2) Für die in der Anlage I beigefügte Mieteraufstellung übernimmt der Verkäufer die Garantie. Er versichert insbesondere, dass – die Mietverhältnisse ungekündigt Bestand haben, – keine Mieten rückständig sind, – Mietvorauszahlungen oder abzugeltende Investitionen der Mieter nicht bestehen, – keine Rechtsstreitigkeiten aus den Mietverhältnissen anhängig sind oder drohen sowie – seitens der Mieter keine Beanstandungen im Rahmen durchgeführter Betriebskostenabrechnungen vorliegen. Die Aufstellung wurde den Erschienenen vorgelegt und von ihnen unterzeichnet. Auf das Verlesen wurde verzichtet. Der Notar weist die Erschienenen darauf hin, dass der Käufer erst nach Eigentumsumschreibung in die laufenden Mietverhältnisse gem. §§ 566 ff. BGB eintritt. Der Verkäufer tritt sämtliche Ansprüche aus den Mietverhältnissen gegenüber den Mietern ab der Besitzübergabe bis zur Eigentumsumschreibung an den Käufer ab, der die Abtretung annimmt. Etwaige vor der Besitzübergabe eintretende Mietrückstände einzelner Mieter werden weiterhin vom Verkäufer im eigenen Namen geltend gemacht. (3) Der Verkäufer bevollmächtigt hiermit unwiderruflich den Käufer, bereits ab Übergabetag neue Mietverhältnisse zu schließen und im Zusammenhang mit bestehenden Mietverhältnissen sämtliche erforderlichen Willenserklärungen, insbesondere Kündigungen und Mietänderungserklärungen abzugeben und in Empfang zu nehmen und Prozesse zu führen. 80 Spiegelberger
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Der Verkäufer wird die Mieter über die vertragsgegenständliche Veräußerung informieren. Der Käufer wird die Mieter anweisen, dass die Mieten ab Besitzübergang an ihn zu zahlen sind. Mieten, die ab Besitzübergang noch beim Verkäufer eingehen, wird der Verkäufer unverzüglich nach Zahlungseingang an den Käufer abführen. Der Verkäufer verpflichtet sich, mit Zustandekommen dieses Vertrages ohne Mitwirkung des Käufers keine Miet- oder Pachtverträge zu schließen oder zu ändern. (4) Bestehende Sach- und Betriebshaftpflichtversicherungen, insbesondere auch eine etwaige Brandversicherung, gehen kraft Gesetzes auf den Käufer über, sofern dieser nicht innerhalb eines Monats nach Eigentumsumschreibung kündigt. Etwaige nach Besitzantritt bis zur Eigentumsumschreibung entstehende Ansprüche des Verkäufers gegen Versicherer des veräußerten Grundstücks werden hiermit an den Käufer abgetreten, der die Abtretung annimmt. Ab diesem Zeitpunkt trifft ihn auch die Pflicht zur Prämienzahlung und zur Anzeige an den Versicherer. Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Versicherungsschutz erlöschen kann, wenn die Anzeige nicht unverzüglich erfolgt. In den Heizungswartungsvertrag und den Heizkostenabrechnungsvertrag tritt der Käufer ab Besitzübergang an Stelle des Verkäufers ein. (5) Der Verkäufer verpflichtet sich mit der Besitzübergabe zur Herausgabe sämtlicher Grundstücks- und Mietvertragsunterlagen. Soweit Mietkautionen geleistet sind, sind diese einschließlich erzielter Zinseinnahmen unverzüglich nach Besitzübergang von dem Verkäufer auf den Käufer zu übertragen. Etwaige Bürgschaften sind zu übergeben. Auf § 566a BGB wurde hingewiesen. Der Verkäufer versichert, dass die Mieter nur die in den Mietverträgen bezeichnete Sicherheit geleistet haben. (6) Der Käufer erklärt sich unabhängig von dem Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung bereit, die Nebenkostenabrechnung für das laufende Kalenderjahr anzufertigen. Alle Verbrauchskosten werden gleichmäßig auf alle Monate des Abrechnungszeitraumes verteilt. Soweit den Mietern Erstattungen gebühren sollten, hat der Verkäufer die auf den Zeitraum bis zum Besitzübergang erforderlichen Erstattungen nach Maßgabe der Nebenkostenabrechnung den Mietern unmittelbar zu überweisen.
VI. Haftungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel (1) Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes sind ausgeschlossen. Hiervon ausgenommen sind Ansprüche auf Schadensersatz aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, und auf Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen. Einer Pflichtverletzung des Verkäufers steht die eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich. (2) Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Sachmängel nicht bekannt sind. Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.371 Steuerorientierte Immobilienübertragung Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt. Er kauft es im gegenwärtigen Zustand. Veränderungen des Vertragsgegenstandes bis zur Besitzübergabe hat der Verkäufer nur zu vertreten, wenn sie über das übliche Maß der Abnutzung hinausgehen. (3) Der Verkäufer ist verpflichtet, den verkauften Grundbesitz frei von im Grundbuch in Abteilung II und III eingetragenen Belastungen und Beschränkungen zu verschaffen, soweit sie nicht vom Käufer übernommen worden sind. Der Verkäufer versichert, dass behördliche Auflagen nicht vorliegen oder angekündigt sind und ihm auch nicht bekannt ist, dass solche bevorstehen. Der Verkäufer versichert ferner, dass Rückstände an öffentlichen Abgaben für das Grundstück nicht bestehen und dass ihm von eingetragenen Baulasten nichts bekannt ist.
VII. Erschließungskosten Die Erschließungsbeiträge gem. §§ 127 ff. BauGB und die einmaligen Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz trägt der Verkäufer, soweit hierüber ein Bescheid bis heute zugegangen ist. Beitragsbescheide, die ab morgen zugehen, hat der Käufer zu bezahlen, auch soweit sie Maßnahmen betreffen, die vor dem heutigen Tage durchgeführt worden sind. Vorausleistungen werden an den Käufer abgetreten und sind mit dessen endgültiger Beitragsschuld zu verrechnen.
VIII. Auflassung Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Eigentum an dem Kaufgegenstand von dem Verkäufer auf den Käufer zu Alleineigentum übergehen soll und bewilligen und beantragen die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch. Der beurkundende Notar wird angewiesen, den Antrag auf Umschreibung des Eigentums erst zu stellen, wenn der Kaufpreis auf das Konto des Verkäufers gutgeschrieben ist und die erforderlichen Genehmigungen vorliegen. Vorher soll der Notar dem Käufer und dem Grundbuchamt keine Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften dieser Urkunde erteilen, die die Auflassungserklärung enthalten.
IX. Auflassungsvormerkung Die Erschienenen bewilligen und beantragen, für den Käufer im angegebenen Erwerbsverhältnis eine Vormerkung zur Sicherung seines Eigentumsverschaffungsanspruchs in das Grundbuch einzutragen, ferner die Löschung dieser Vormerkung gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung, vorausgesetzt, dass zwischenzeitlich keine belastenden Eintragungen ohne Mitwirkung des Käufers beantragt wurden oder erfolgt sind.
X. Leistungsstörung Auch für den Fall einer Leistungsstörung bewilligt der Käufer die Löschung dieser Vormerkung. Die Vertragsparteien ermächtigen den Notar unwiderruflich, diesen Löschungsantrag auf einseitige Anweisung des Verkäufers beim Grundbuchamt zu stellen, sobald
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a) der Notar die Bestätigung über die Fälligkeit des Kaufpreises an den Käufer zu der im Urkundeneingang aufgeführten Anschrift versandt hat, b) der Verkäufer wegen nicht rechtzeitiger Zahlung des Kaufpreises von dem Kaufvertrag zurückgetreten ist oder nach erfolgloser Setzung einer Frist von zwei Wochen zur Leistung oder Nacherfüllung Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat und c) der Käufer dem Notar auf schriftliche Anforderung hin nicht innerhalb von 14 Tagen nachgewiesen hat, dass der Kaufpreis bezahlt ist. Weist der Käufer nach, dass ein Teil des Kaufpreises gezahlt ist, darf die Löschung der Vormerkung nur Zug um Zug gegen Erstattung des bereits gezahlten Betrages erfolgen. Der Notar ist nicht verpflichtet, die Löschung der Vormerkung zu veranlassen, wenn der Käufer Gründe vorträgt, wonach ihm eine Einrede gegen den Kaufpreisanspruch zusteht.
XI. Löschungen Die in Abteilung II unter lfd. Nr. 1 des Grundbuchs eingetragene Grunddienstbarkeit wird vom Käufer als nicht wertmindernd übernommen. Die Parteien bewilligen und beantragen die Löschung aller übrigen vom Käufer nicht übernommenen Belastungen in Abteilung II und III des Grundbuchs. Der amtierende Notar wird bevollmächtigt, die Löschungsunterlagen einzuholen und entgegenzunehmen.
XII. Kosten und Steuern Die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzugs, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer trägt der Käufer. Dies gilt auch für den Fall des Rücktritts des Verkäufers wegen Zahlungsverzuges des Käufers. Die Lastenfreistellungskosten treffen den Verkäufer.
XIII. Vertragsdurchführung (1) Die Parteien beauftragen und bevollmächtigen den Notar mit der Durchführung dieses Vertrages und der Einholung und Empfangnahme aller erforderlichen Genehmigungen und Bescheinigungen. Genehmigungen sollen mit ihrem Eingang beim Notar wirksam werden. (2) Die Vertragschließenden verzichten bezüglich aller Anträge, welche aus diesem Vertrag und der in diesem Vertrag enthaltenen Vollmacht resultieren, unwiderruflich auf ihr eigenes Antragsrecht gegenüber dem Grundbuchamt. Sämtliche Anträge beim Grundbuchamt dürfen nur durch den amtierenden Notar, seinen Vertreter oder Nachfolger im Amt gestellt werden. Der Notar wird von den Beteiligten bevollmächtigt, alle in der Form des § 29 GBO eventuell erforderlichen Erklärungen für die Parteien abzugeben.
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XIV. Hinweise Die Beteiligten wurden von dem amtierenden Notar auf die Folgen unrichtiger und unvollständiger Angaben, insbesondere hinsichtlich des Kaufpreises, hingewiesen. Sie versichern die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben. Die Vertragsparteien wurden von dem amtierenden Notar weiterhin darauf hingewiesen, dass – Nebenabreden außerhalb dieses Vertrages die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge haben können, – die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst nach Zahlung der Grunderwerbsteuer erfolgen kann, – zugunsten der zuständigen Gemeinde gesetzliche Vorkaufsrechte, insbesondere nach dem Baugesetzbuch, bestehen können, – die Parteien als Gesamtschuldner für die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung sowie für die Grunderwerbsteuer haften und – die Veräußerung von Grundbesitz der Einkommensteuer unterliegen kann. Der Notar erläuterte den Erschienenen die einschlägigen Bestimmungen. Auf die Bestimmung der EnEV zum Energieausweis und die daraus folgende Vorlagepflicht hat der Notar hingewiesen.
XV. Belastungsvollmacht (1) Um dem Käufer die Finanzierung des Kaufpreises zu erleichtern, verpflichtet sich der Verkäufer, bei der Bestellung vollstreckbarer (§ 800 ZPO) Grundschulden oder Hypotheken bis zur Höhe des Kaufpreises mit Zinsen und Nebenleistungen zugunsten von Geldinstituten im Euroraum als derzeitiger Eigentümer mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht besteht nur, wenn in den Grundpfandrechtsbestellungsurkunden folgende von den Beteiligten bereits jetzt getroffene Bestimmungen wiedergegeben werden: a) Sicherungsabrede Die Gläubiger dürfen die Grundpfandrechte nur insoweit als Sicherheit verwerten oder behalten, als sie tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld des Käufers geleistet haben. Alle weiteren Zweckbestimmungserklärungen, Sicherungsund Verwertungsvereinbarungen innerhalb oder außerhalb dieser Urkunde gelten erst, nachdem der Kaufpreis vollständig gezahlt ist, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung. Ab dann gelten sie für und gegen den Käufer als neuen Sicherungsgeber. b) Zahlungsanweisung Aus der Belastungsvollmacht resultierende Zahlungsansprüche werden mit der Maßgabe, dass sie zur Bezahlung des Kaufpreises gemäß den Regelungen in diesem Vertrag zu verwenden sind, bereits jetzt an den Verkäufer abgetreten, soweit der Kaufpreis nicht anderweitig zur Freistellung des verkauften Grundbesitzes von eingetragenen Belastun-
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Rz. 1.371 Kap. 1
gen zu verwenden ist. Sofern eine Abtretung ausgeschlossen ist, wird hierdurch ein unwiderruflicher Zahlungsauftrag erteilt. c) Persönliche Zahlungspflichten Der Verkäufer übernimmt im Zusammenhang mit den Grundpfandrechtsbestellungen keinerlei persönliche Zahlungsverpflichtungen. Der Käufer verpflichtet sich, den Verkäufer von allen Kosten und sonstigen Folgen der Grundpfandrechtsbestellung freizustellen. d) Fortbestand der Grundpfandrechte Die bestellten Grundpfandrechte dürfen auch nach der Eigentumsumschreibung auf den Käufer bestehen bleiben. Alle entstandenen Eigentümerrechte und Rückgewährsansprüche werden hiermit mit Wirkung ab Bezahlung des Kaufpreises, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung auf den Käufer übertragen. Entsprechende Grundbucheintragung wird bewilligt. (2) Der Verkäufer erteilt dem Käufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht, ihn bei allen vorstehenden Rechtshandlungen zu vertreten. Diese Vollmacht gilt nur dann, wenn in der Grundschuldbestellungsurkunde die vorstehend unter Abs. 1a–d getroffenen Bestimmungen wiedergegeben werden. Von der vorstehenden Vollmacht kann, soweit notarielle Beurkundung oder Beglaubigung erforderlich ist, nur durch Erklärung vor dem amtierenden Notar, seinem Vertreter oder Nachfolger im Amt Gebrauch gemacht werden. Der Notar soll Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften der Grundschuldbestellungsurkunden erst erteilen und die Eintragung im Grundbuch beantragen, wenn die Finanzierung des gesamten Kaufpreises durch eine Bankbestätigung nachgewiesen ist. (3) Die aufgrund der vorstehenden Vollmacht einzutragenden Grundpfandrechte erhalten Rang vor der Eigentumsverschaffungsvormerkung. Der Käufer bewilligt rein vorsorglich den Rangrücktritt der zu seinen Gunsten einzutragenden Eigentumsverschaffungsvormerkung zugunsten sämtlicher aufgrund dieser Belastungsvollmacht zu bestellenden Grundpfandrechte. (4) Das Grundbuchamt hat bei der Eintragung entsprechender Grundpfandrechte die vorstehenden Voraussetzungen nicht zu prüfen.
XVI. Abtretung, Verpfändung Rechte und Ansprüche des Käufers aus diesem Vertrag können vor Zahlung des gesamten Kaufpreises nur mit schriftlicher Zustimmung des Verkäufers an dritte Personen abgetreten oder verpfändet werden. Dies gilt insbesondere für den Auflassungsanspruch.
XVII. Salvatorische Klausel Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so soll die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt werden. Die unwirksame Spiegelberger
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Kap. 1 Rz. 1.371 Steuerorientierte Immobilienübertragung Bestimmung ist vielmehr durch eine solche zu ersetzen, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, am nächsten kommt. Vorgelesen vom Notar, […] Anlage: Mieteraufstellung
Anmerkungen zu M2
1.372 1. Wohnungsbauförderung: Das im Jahr 1950 verabschiedete Erste Wohnungsbauförderungsgesetz hatte das Ziel, breite Schichten des Volkes mit Wohnraum zu tragbaren Mieten zu versorgen. Durch das im Jahr 1956 erlassene Zweite Wohnungsbauförderungsgesetz wurde die Zielsetzung auf die Eigentumsförderung ausgedehnt1. Gemäß § 8 des Wohnungsbindungsgesetzes war mit der öffentlichen Förderung eine Mietpreisbindung und eine Belegungsbindung verbunden. Durch das Gesetz zur Reform des Wohnungsbauförderungsrechts vom 13.9.20012 wurde das Recht der öffentlichen Wohnungsbauförderung einer grundlegenden Neugestaltung unterworen. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur der Eigenschaft „öffentlich gefördert“ treffen die Bindungen des Wohnungsbindungsgesetzes den Erwerber einer öffentlich geförderten Wohnung, unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen. Auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ist ausgeschlossen. Der öffentliche Glaube der §§ 892 und 893 BGB bezieht sich nicht auf die Tatsache der öffentlichen Förderung und die hieraus folgenden Beschränkungen, da diese nicht eintragungsfähig sind3. 1.373 Das Wohnungsbindungsgesetz, die II. Berechnungsverordnung und die Neubaumietenverordnung gelten aber für Mittel, die vor dem 1.1.2002 bewilligt worden sind, unverändert fort. Zentrales Element der Reform ist die Abschaffung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und die gleichzeitige Einführung des Wohnraumförderungsgesetzes. Die nunmehrige Mietpreisbindung ist nicht mehr an das Prinzip der Kostenmiete gebunden. 1.374 Regelmäßig ist die Begründung von Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz ausgeschlossen. Voraussetzung der Auszahlung öffentlicher Mittel ist, dass der Darlehensnehmer ein abstraktes Schuldversprechen abgibt und zu dessen Sicherung eine Hypothek in das Grundbuch eintragen lässt. Wegen der öffentlichrechtlichen Natur der Eigenschaft „öffentlich gefördert“ kann diese durch vertragliche Vereinbarung – insbesondere auch durch Vereinbarung mit der Bewilligungsbehörde – weder aufgehoben noch inhaltlich geändert werden. Die Rechtsprechung
1 Vgl. Heimsoeth, RNotZ 2002, 88. 2 BGBl. I 2001, 2376. 3 Vgl. Heimsoeth, RNotZ 2002, 104.
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behandelt den Verkauf einer öffentlich geförderten Immobilie nach Gewährleistungsrecht und stuft die Wohnungsbindung als Rechtsmangel ein1. 2. Sachmängelhaftung: Der formelhafte Ausschluss der Gewährleistung für Sach- 1.375 mängel ist individualvertraglich bei Altbauten und ähnlichen Objekten grundsätzlich zulässig und rechtlich unbedenklich. Anderes gilt für eine Individualvereinbarung über den Erwerb neu errichteter Häuser2. 3. Energieausweis: § 16 Abs. 2 EnEV wurde zum 1.5.2014 geändert. Zur Neurege- 1.376 lung vgl. Rz. 2.195 ff. 4. Kaufpreis: Die Fälligkeitsbestätigung des Notars hat sich in der Praxis bewährt. 1.377 Eine schuldhafte Verzögerung der Fälligkeitsanzeige führt jedoch zur Haftung des Notars für den Verzugsschaden. Nach der gewählten Formulierung schuldet der Notar nur die rechtzeitige Absendung der Fälligkeitsmitteilung, die in Abschrift auch dem Verkäufer zugesandt wird. Der vom Käufer behauptete fehlende Zugang der Fälligkeitsmitteilung führt dennoch zum Verzug, zumal sich der Käufer auch durch regelmäßige Rückfrage im Notariat über den Sachstand informieren kann. 5. Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die beiderseitige Zwangsvollstreckungs- 1.378 unterwerfung zu notarieller Urkunde ermöglicht einen raschen Vollzug des Kaufvertrages. Etwaige Einwendungen können im Wege einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. 6. Übergabe: Der Notar wird im Allgemeinen den Übergang von Nutzungen und Lasten mit Kaufpreiszahlung empfehlen.
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Gemäß § 566 BGB gehen die bestehenden Mietverhältnisse erst mit der Eigentumsumschreibung auf den Käufer über, so dass für den Zeitraum ab Besitzübergang bis zum Eigentumswechsel die Mietzinsabtretung für den Käufer vorzusehen ist. 7. Erschließungskosten: Bei der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber in § 436 1.380 BGB trotz der Einwendungen der BNotK eine Kostenabgrenzung zwischen den Beteiligten vorgenommen, die in der Praxis größte Probleme aufwirft und deswegen auch in aller Regel vermieden wird. Nach der gesetzlichen Regelung soll der Verkäufer noch die Kosten für begonnene Erschließungsmaßnahmen tragen, so dass bei einer erst nach Jahren erfolgenden Abrechnung der Verkäufer noch Kosten für ein längst verkauftes Objekt tragen müsste. Zudem bestünde die Notwendigkeit, für diese hypothetische Kostenschuld Sicherheiten zugunsten des Käufers zu bestellen. Die gewählte Abgrenzung, wonach es auf den Zugang von Erschließungskostenbescheiden ankommt, dient dem Rechtsfrieden und wird in aller Regel in der Praxis bevorzugt. Der Käufer muss sich danach selbst vor dem Kaufvertragsabschluss bei der zuständigen Gemeinde erkundigen, ob er für den Fall des Abschlusses des Kaufvertrages mit Erschließungskosten oder sonstigen Anliegerbeiträgen rechnen muss. 1 BGH v. 7.9.1976 – V ZR 256/75, NJW 1976, 1888; OLG Hamm v. 15.2.2001 – 22 U 105/00, RNotZ 2001, 585. 2 OLG Köln v. 23.2.2011 – 11 U 70/10, MittBayNot 2011, 480.
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Kap. 1 Rz. 1.381 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.381 8. Leistungsstörung: Die im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung stellt für den Fall, dass der Käufer seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Kaufvertrag nicht erfüllt, eine enorme wirtschaftliche Belastung für den Verkäufer dar, da auch die anderweitige Verwertung des Grundbesitzes, insbesondere der erneute Verkauf an einen solventen Käufer, faktisch unmöglich ist. Die vom Verkäufer bereits bewilligte Löschung der Auflassungsvormerkung, die der Notar nur unter den angegebenen Treuhandauflagen verwenden darf, ist ein wirksamer Schutz gegen eine Verkaufsblockade bei Zahlungsverzug oder gar bei Insolvenz des Käufers. 1.382–1.398 Einstweilen frei. VIII. Verbindliche Auskunft des Finanzamtes Verwaltungsschreiben und Literatur: BMF-Schreiben und Oberste Finanzbehörden der Länder: Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 3–5 AO, BStBl. I. 2007, 227; dies., Verbindliche Auskunft nach § 89 II AO; Zuständigkeit für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft, BStBl. I 2007, 470; dies., Verbindliche Auskünfte der Finanzämter und des Bundeszentralamts für Steuern, BStBl. I 2008, 2; Verordnung zur Durchführung von § 89 II der AO – StAuskV, BGBl. I 2007, 2783; Bergan/Martin, Rechtsschutz gegen eine Negativauskunft nach § 89 Abs. 2 AO, DStR 2012, 2164; Bruns, Die verbindliche Auskunft aus Perspektive der Finanzverwaltung – zügige Bearbeitung und aktuelle Gebührenanfragen, DStR 2017, 2360; Dalichau, Auskünfte und Zusagen der Finanzverwaltung, (Diss.) Berlin 2003; Golombek, Zum Umfang der richterlichen Inhaltskontrolle einer verbindlichen Auskunft – ein Rettungsversuch, BB 2015, 1946; Grotherr, Anonymisierte Veröffentlichung von verbindlichen Auskünften und elektronischen Auskunftsverfahren, BB 2015, 471; Joisten/Bergmann, Wann darf das Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ablehnen?, FR 2014, 923; Kowanda, Die erbschaft-/schenkungsteuerliche verbindliche Auskunft unter Berücksichtigung der neuen ErbStVa v. 7.12.2017, DStR 2018, 1902; Kener/Zugmaier, Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte – Einspruch einlegen!, DStR 2007, 2307; Krumm, Verbindliche Auskunft und gerichtliche Kontrolle, DStR 2011, 2429; Olgemüller, Steuerplanung und verbindliche Auskunft, AG 2015, 393; Roser, Die verbindliche Auskunft in der GmbH-Beratung, GmbH-StB 2016, 244; Rüsken, Steuerlicher Dispositionsschutz durch verbindliche Auskunft?, in FS für Haarmann, 2015, 809; Spilker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine gesetzliche Regelung der verbindlichen Auskunft, StuW 2013, 19; Stemplewski, Kooperation im Steuerverfahren am Beispiel der verbindlichen Auskunft, BB 2012, 2220; Werder/Dannecker, Entwicklungen bei der verbindlichen Auskunft, BB 2015, 1687.
1. Allgemeines
1.399 Das Steuerrecht kennt keinen allgemeinen Anspruch auf Auskunft; § 89 Abs. 1 Satz 2 AO gewährt nur ein eingeschränktes Recht auf Auskunft (sog. nicht gebührenpflichtiges Auskunftsersuchen)1. Der Steuerpflichtige hat aber die Möglichkeit, eine (gebührenpflichtige) verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO), eine (nicht gebührenpflichtige) verbindliche
1 Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 143.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.400 Kap. 1
Zusage nach einer Außenprüfung (§ 204 ff. AO) oder eine (nicht gebührenpflichtige) Anrufungsauskunft nach § 42e EStG zu beantragen. 2. Antrag auf verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO) Verbindliche Auskünfte i. S. des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO werden nur auf Antrag er- 1.400 teilt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 StAuskV1 muss der Antrag schriftlich oder elektronisch bei der nach § 89 Absatz 2 Satz 2 oder Satz 3 der Abgabenordnung zuständigen Finanzbehörde2 gestellt werden und folgende Angaben enthalten: – Die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, bei natürlichen Personen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt, bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, soweit vorhanden Steuernummer), – eine umfassende und in sich geschlossene Darstellung des zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalts (keine unvollständige, alternativ gestaltete oder auf Annahme beruhende Darstellung; Verweisung auf Anlagen nur als Beleg), – die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers, – eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes, – die Formulierung konkreter Rechtsfragen (wobei globale Fragen nach den eintretenden Rechtsfolgen nicht ausreichen), – die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen der in § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Abgabenordnung genannten Finanzbehörden (Finanzämter oder Bundeszentralamt für Steuern) eine verbindliche Auskunft beantragt wurde, sowie – die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen. Eine von der zuständigen Finanzbehörde erteilte verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung des Antragstellers, der den Sachverhalt verwirklicht hat, bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV). Dies gilt nicht, wenn sie zuungunsten des Steuerpflichtigen dem geltenden Recht widerspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StAuskV).
1 Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (Steuer-Auskunftsverordnung), zul. i. d. F. v. 12.7.2017, BGBl. I 2017, 2360. 2 Siehe hierzu Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 206 ff.
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Kap. 1 Rz. 1.401 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Gebührenpflicht
1.401 Die Gebührenpflicht1 knüpft an die Bearbeitung eines Auskunftsantrags an und gilt folglich nicht nur für die Erteilung der beantragten Auskunft, sondern auch, wenn die Finanzbehörde die Erteilung einer Auskunft ablehnt oder eine sog. Negativauskunft erteilt. Die Gebührenpflicht entsteht im Zeitpunkt des Beginns der Bearbeitung; sie wird durch Verwaltungsakt festgesetzt ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten (§ 89 Abs. 3 Satz 3 AO). Das FA kann die Entscheidung über den Auskunftsantrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen (§ 89 Abs. 3 Satz 4 AO). 4. Rechtsschutz
1.402 Lehnt die zuständige Finanzbehörde die Erteilung einer Auskunft ab, kann dies – bei der Ablehnung handelt es sich um einen Verwaltungsakt – mit Einspruch (§ 347 AO) und Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) durchgesetzt werden. Grds. besteht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neuverbescheidung eines abgelehnten Antrags; typischerweise liegt aber eine Ermessensreduzierung auf null vor, wenn der Auskunftsanspruch materiell-rechtlich begründet ist2. 1.403 Die Aufhebung, die Änderung, die Rücknahme und der Widerruf einer erteilten Auskunft sind Verwaltungsakte, die mit dem Einspruch (§ 347 AO) angefochten werden können. Bei Erfolglosigkeit des Einspruchs ist Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegeben mit dem Ziel einer gerichtlichen Kassation der Aufhebung, der Änderung, der Rücknahme oder des Widerrufs der verbindlichen Auskunft. Als vorläufiger Rechtsschutz kommt eine Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) in Betracht3. Nach einer Kassation im Rechtsmittelverfahren lebt der ursprüngliche Verwaltungsakt (d.h. die verbindliche Auskunft) wieder auf. Entsprechendes gilt, wenn die Finanzbehörde die Aufhebung/die Änderung/die Rücknahme oder den Widerruf einer verbindlichen Auskunft zurücknimmt oder widerruft4.
1.404–1.408 Einstweilen frei. IX. Steuerhaftung der Anwälte und Notare Literatur: Borgmann/Junk/Schwaiger, Anwaltshaftung, 6. Aufl. 2020; Frenz/Miermeister, Bundesnotarordnung, Beurkundungsgesetz, 5. Aufl. 2020; Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl. 2018; Mats/Hörnig, (Keine) Entlastung von (Haftungs-)Risiken für Steuerberater nach Inkrafttreten des COVInsAG, DStR 2020, 1642; Nacke, Ungeklärte Rechtsfragen des steuerlichen Haftungsrechts, DStR 2013, 335; Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche
1 Zur Rechtfertigung der Kostenpflicht s. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 317 ff. 2 Siehe Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 307. 3 Siehe Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 308a. 4 Siehe Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 89 AO Rz. 308b.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.410 Kap. 1
und notarielle Vertragsgestaltung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, FS Spiegelberger 2009, 1457; Scheuch, Rechtskenntnis als Voraussetzung des Verjährungsbeginns bei der Beraterhaftung, DStR 2021, 820; Spatscheck/Sbilker, Sorgfaltspflichten, Haftungsrisiken und Steuerstrafrechtliche Aspekte bei der elektronischen Kommunikation mit dem Finanzamt, DStR 2021, 2161; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 13. Aufl. 2022; Wacker, Beraterhaftung trotz Behördenverschuldens, DStR 2021, 749; Wachter, Haftungsfalle „Spekulationssteuer“, ZNotP 2021, 293.
1. Allgemeines Ein großer Teil der Juristen hat eine distanzierte Haltung zum Steuerrecht. Dies be- 1.409 ruht auch darauf, dass in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Bayern – im zweiten Staatsexamen Steuerrecht nur Prüfungsfach ist, wenn dies ausdrücklich gewählt wurde. Langenfeld1 beurteilt das Steuerrecht wie folgt: „Insbesondere der zivilrechtlich ausgerichtete Jurist empfindet für dieses aus vielen technischen Einzelvorschriften bestehende, weitgehend unsystematische, in der Praxis der Finanzbehörden von Amtmännern gehandhabte und ständigen politisch motivierten Änderungen ausgesetzte Gebiet wenig Neigung, wenn nicht Geringschätzung. Der Notar betrachtet das Steuerrecht traditionell als Quelle unerwünschter Haftung, also eher als Bedrohung denn als willkommenen Gestaltungsfaktor.“ 2. Rechtsanwälte und Anwaltsnotare Rechtsanwälte sind – wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – gem. § 3 Nr. 1 1.410 StBerG zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen. Rehbinder2 vertrat in diesem Zusammenhang bereits 1993 die Auffassung, dass der Rechtsanwalt zu einer umfassenden Beratung verpflichtet sei; da die Belehrung über steuerliche Rechtsfolgen sich als Teil des umfassenden Mandats darstelle, treffe ihn auch eine generelle Belehrungspflicht über steuerliche Rechtsfolgen. Als Grundsatz kann heute gelten: Ein Rechtsanwalt, der einen Mandanten – bspw. im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung – berät, hat auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich bei sachgerechte Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist3. Ist beim Mandanten ein (Steuer-)Schaden eingetreten, gilt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht, wenn der vernünftigerweise einzuschlagende Weg die Mitwirkung eines Dritten (bspw. des in Scheidung lebenden Ehemannes) voraussetzt.
1 Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2004, Rz. 235. 2 Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993, 58. 3 BGH v. 9.1.2020 – IX ZR 61/19, DStR 2020, 893 = MDR 2020, 314 = NJW 2020, 1139; s. hierzu Wachter, ZNotP 2021, 293, 294.
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Kap. 1 Rz. 1.411 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.411 Mit der Erweiterung der Berufsausübungsmöglichkeiten der Anwaltsnotare1 haben sich hauptberufliches Notariat und Anwaltsnotariat auseinanderentwickelt2. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Zulassung der Anwaltsnotare zum Amt des Wirtschaftsprüfers, dem das Bundesverfassungsgericht3 ursprünglich noch ablehnend gegenüberstand. Im Jahr 1998 hat das BVerfG sodann aber in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung eine Differenzierung zwischen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 angesehen, weil „die Unterschiede zwischen einem Steuerberater und einem Wirtschaftsprüfer“ nicht von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie „die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten4. Der Anwaltsnotar hat zwei eigenständige juristische Berufe5. Trotz der generellen Zulassung zur Steuerberatung ist der Rechtsanwalt – trotz der im Einzelfall bestehenden Notwendigkeit zu einer umfassenden Beratung (s. Rz. 1.410) – nicht verpflichtet, bei einem übernommenen Mandat sowohl die zivilrechtliche (anwaltliche oder notarielle) als auch die steuerliche Beratung zu übernehmen. Eine dahin gehende Einschränkung des Mandats (und die dadurch ggf. bestehende Notwendigkeit der Einschaltung eines steuerlichen Beraters) ist aber dem Mandanten tunlichst kundzutun, um eine Steuerhaftung auszuschließen6. 3. (Nur-)Notare
1.412 Nach § 1 BNotO werden Notare als unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege bestellt. Gemäß § 4 Abs. 1 StBerG sind Notare im Rahmen ihrer Befugnisse nach der Bundesnotarordnung zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Diese Einschränkung bedeutet, dass z.B. die geschäftsmäßige Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen nicht zu den Befugnissen des (Nur-)Notars gehört7.
1 Gem. § 3 Abs. 2 BNotO werden in den Gerichtsbezirken, in denen am 1.4.1961 das Amt des Notars nur im Nebenberuf ausgeübt worden ist, weiterhin ausschließlich Rechtsanwälte für die Dauer ihrer Zulassung bei einem bestimmten Gericht als Notare zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts bestellt (sog. Anwaltsnotare). 2 Vgl. BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 = DB 1998, 1328 = MDR 1998, 864 = NJW 1998, 2269 = DNotZ 1998, 754 = ZNotP 1998, 295, zur Verfassungswidrigkeit des Sozietätsverbots zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern. 3 BVerfG v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87, BVerfGE 80, 269 = NJW 1989, 2611 = DNotZ 1989, 627, zur Verfassungsmäßigkeit von Sozietätsverboten für Anwaltsnotare. 4 BVerfG v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 = DB 1998, 1328 = MDR 1998, 864 = NJW 1998, 2269 = DNotZ 1998, 754 = ZNotP 1998, 295. 5 BVerfGE v. 1.7.1980 – 1 BvR 247/75, BVerfGE 54, 237 = MDR 1980, 823 = NJW 1980, 2123 = DNotZ 1980, 556; BGH v. 18.9.1995 – NotZ 45/94, NJW 1996, 392 = DNotZ 1996, 900. 6 Vgl. BGH v. 9.1.2020 – IX ZR 61/19, DStR 2020, 893 = MDR 2020, 314 = NJW 2020, 1139, zur Rechtsanwaltshaftung; s. hierzu Wachter, ZNotP 2021, 293, 294. 7 OLG Stuttgart v. 24.9.1984 – 2 Ss (24) 444/84, DNotZ 1985, 242.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.414 Kap. 1
Notare sind auch von der Vertretung in Steuersachen vor dem BFH ausgeschlossen, vgl. § 62 Abs. 4 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO. Demgegenüber gibt es vor den Finanzgerichten keinen Vertretungszwang, so dass ein Notar grds. auch in Rechtsstreitigkeiten, die bspw. von ihm errichtete Urkunden betreffen, vor dem Finanzgericht auftreten darf („Annex zur Beurkundungskompetenz“). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts1 konnte der Notar davon ausgehen, 1.413 dass der rechtsgeschäftliche Wille der an der Beurkundung Beteiligten unabhängig von den steuerlichen Folgen bestehe2. Die Haftungsrechtsprechung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass diese These des Reichsgerichts längst überholt ist. Der Staat hat mit einer Fülle von Subventions- und Lenkungsnormen und auch durch hohe Steuersätze, die zu einer Steuerquote von über 50 % führen können, die Besteuerung nicht nur zur Nebensache, sondern häufig zum eigentlichen Kern des Rechtsgeschäftes gemacht. Vielfach ermöglicht nur der Blick auf die steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts die Rechtsgestaltung, die die Beteiligten auf Dauer zufriedenstellt3. Nach Auffassung des BGH4 konnte schon vor Erlass des Lastenausgleichsgesetzes u.U. für den Notar, der den Vertrag über die Veräußerung eines Geschäfts beurkundete, die Verpflichtung bestehen, die Beteiligten auf die Rechtslage bezüglich der Soforthilfelasten und der zu erwartenden Lastenausgleichsabgabe zu belehren und für eine Erörterung der Frage zu sorgen, ob eine Vereinbarung darüber getroffen werden soll, wer diese Abgaben endgültig zu tragen hat. Als Rechtsgrundlage für diese Haftung kommt § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG i.V.m. §§ 14 und 24 BNotO in Betracht. Ausnahmsweise könne sich aufgrund der allgemeinen Betreuungspflicht eine Verpflichtung des Notars ergeben, auf die Gefahr einer Steuerpflicht hinzuweisen. Dies ist der Fall, wenn der Notar aufgrund besonderer Umstände Anlass zu einer Besorgnis haben muss, einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage oder von Sachumständen, welche die Bedeutung des zu beurkundenden Rechtsgeschäftes für seine Vermögensinteressen beeinflussen, einer Gefährdung seiner Interessen nicht bewusst ist5. Die sich in der Folgezeit sukzessive verschärfende Rechtsprechung des BGH kann 1.414 an folgender Zeittabelle nachvollzogen werden: – BGH v. 10.4.19706: Die Klausel in einem Grundstückskaufvertrag, wonach der Käufer u.a. alle durch die Beurkundung des Vertrages und seiner Durchführung entstehenden Steuern tragen soll, kann dahingehend ausgelegt werden, dass darunter auch die auf einen Veräußerungsgewinn zu entrichtenden Mehrbeträge an Ertragssteuern fallen. 1 2 3 4 5
RG JW 1935, 1483. Knur, DNotZ 1966, 711. Spiegelberger in Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 63. BGH v. 11.7.1957 – III ZR 28/56, BB 1957, 838 = DNotZ 1958, 23. Vgl. BGH v. 2.5.1972 – VI ZR 193/70, BGHZ 58, 343 = NJW 1972, 1422; BGH v. 5.11.1982 – V ZR 217/81, VersR 1983, 181; v. 14.5.1992 – IX ZR 262/91, DB 1992, 1819 = MDR 1992, 1090 = NJW-RR 1992, 1178 = DNotZ 1992, 813, 815. 6 BGH v. 10.4.1970 – V ZR 92/67, DNotZ 1970, 538.
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Kap. 1 Rz. 1.414 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– BGH v. 20.4.19711: Die Belehrungspflicht des Notars, der ein Vertragsangebot beurkundet, erstreckt sich jedenfalls dann nicht auf die umsatzsteuerlichen Folgen des auf der Grundlage des Angebots zustande kommenden Vertrags, wenn es sich bei den Partnern um geschäftsgewandte und einschlägig beratene Personen handelt. – BGH v. 21.11.19782: Der Notar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit der Entstehung von Grunderwerbsteuer hinzuweisen. Etwas anderes kann aber gelten, wenn bei einer vom Notar vorgeschlagenen ungewöhnlichen Konstruktion eines Grundstückskaufvertrages ein unerfahrener Beteiligter nicht erkennt, dass eine Steuerpflicht begründet wird. – BGH v. 22.4.19803: Der Notar kann ausnahmsweise zu einer Belehrung über die Voraussetzungen einer Grunderwerbsteuerbefreiung verpflichtet sein, wenn er aufgrund der besonderen Umstände des Falles Anlass zu der Besorgnis haben muss, einem der Vertragsbeteiligten drohe ein Schaden, da dieser sich aufgrund mangelnder Kenntnis der Rechts- oder Sachlage einer Gefährdung seiner Vermögensinteressen nicht bewusst ist. – BGH v. 2.6.19814: Ein Notar ist allenfalls dann verpflichtet, auf die Gefahr eines steuerpflichtigen Spekulationsgewinns hinzuweisen, wenn er vor oder während der Beurkundung des Kaufvertrages erfahren hat, dass der Verkäufer das Grundstück vor weniger als zwei (jetzt nach aktueller Rechtslage: zehn) Jahren erworben hat und für ihn zugleich erkennbar war, dass die steuerlichen Auswirkungen des Geschäfts für den Verkäufer von Bedeutung sind. – BGH v. 5.11.19825: Ein Notar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Vertragsbeteiligten steuerliche Belehrungen zu erteilen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn eine aufgrund besonderer Umstände bestehende Betreuungspflicht dem Notar gebietet, auf eine mögliche Steuerpflicht hinzuweisen. Eine geschädigte Vertragspartei kann ein Mitverschulden treffen, wenn sie die Möglichkeit versäumt, eine entstandene Einkommensteuerschuld durch Rückgängigmachen des steuerpflichtigen Geschäfts zu beseitigen. – BGH v. 14.3.19856: Haftung eines Notars wegen unrichtiger, steuerrechtlich nachteiliger Beratung im Zusammenhang mit der Übertragung eines Grundstücks aus einem Betriebsvermögen. – BGH v. 10.11.19887: Ein Notar, der vor oder während der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages davon Kenntnis erhält, dass der Verkäufer das Grund1 BGH v. 20.4.1971 – VI ZR 225/69, BB 1971, 724 = VersR 1971, 740. 2 BGH v. 21.11.1978 – VI ZR 227/77, DB 1979, 445 = MDR 1979, 301 = DNotZ 1979, 228. 3 BGH v. 22.4.1980 – VI ZR 96/79, DB 1980, 1936 = MDR 1980, 926 = NJW 1980, 2472 = DNotZ 1980, 563. 4 BGH v. 2.6.1981 – VI ZR 148/79, BB 1981, 1545 = DNotZ 1981, 775. 5 BGH v. 5.11.1982 – V ZR 217/81, HFR 1983, 536 = VersR 1983, 181. 6 BGH v. 14.3.1985 – IX ZR 26/84, DB 1985, 1939 = MDR 1985, 577 = NJW 1986, 1329. 7 BGH v. 10.11.1988 – IX ZR 31/88, BB 1989, 24 = MDR 1989, 251 = NJW 1989, 586 = DNotZ 1989, 452.
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A. Interdependenz von Zivil- und Steuerrecht
Rz. 1.414 Kap. 1
stück vor weniger als zwei (nach aktueller Rechtslage: zehn) Jahren erworben hat und die Anschaffungskosten unter dem Verkaufspreis liegen, hat den Verkäufer grundsätzlich auf die Gefahr der Versteuerung eines Spekulationsgewinns hinzuweisen. – BGH v. 8.2.19901: Haben die Parteien einen beurkundeten Grundstückskaufvertrag wegen sich daraus ergebender steuerlicher Nachteile aufgehoben und denselben Notar mit der Beurkundung des diese Nachteile vermeidenden geänderten Vertrages beauftragt, dürfen sie grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Notar den ihm erklärten Willen der Vertragsteile in rechtlich einwandfreier Form wiedergegeben hat. – BGH v. 14.5.19922: Zur Frage, unter welchen Umständen ein Notar beim Kettenverkauf eines Grundstücks über die grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen belehren muss. – BGH v. 18.11.19993: Haftung eines Notars für den Steuerschaden einer GmbH wegen unwirksamer Befreiung eines GmbH-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB. – BGH v. 22.5.20034: Hat ein Steuerberater den Entwurf eines zu beurkundenden Hofübergabevertrags erstellt, kann der Notar, wenn einer der Beteiligten in der Beurkundung Änderungen des Vertrages anregt, gehalten sein, den Beteiligten zu empfehlen, die Tragweite der Änderung vor der Beurkundung durch den Steuerberater überprüfen zu lassen. – BGH v. 20.9.20075: Der Notar ist aufgrund seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung oder seiner allgemeinen Betreuungspflicht regelmäßig nicht gehalten, auf steuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts hinzuweisen. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer. Korrigiert der Notar einen Teilaspekt einer ihm von den Beteiligten vorgegebenen steuerlichen Gestaltung eines Rechtsgeschäfts, so beschränkt sich seine Prüfungs- und Belehrungspflicht regelmäßig auf diesen Teilaspekt. Ein Hinweis auf die steuerliche Haftung des Betriebsübernehmers kann erforderlich sein, wenn in einem Unternehmenskaufvertrag die handelsrechtliche Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung durch eine entsprechende Eintragung ins Handelsregister ausgeschlossen wird.
1 BGH v. 8.2.1990 – IX ZR 273/88, MDR 1990, 713 = NJW 1990, 1484 = DNotZ 1991, 314. 2 BGH v. 14.5.1992 – IX ZR 262/91, DB 1992, 1819 = MDR 1992, 1090 = DNotZ 1992, 813. 3 BGH v. 18.11.1999 – IX ZR 402/97, DStR 2000, 164 = MDR 2000, 236 = NJW 2000, 664 = GmbHR 2000, 136 = DNotZ 2001, 483. 4 BGH v. 22.5.2003 – IX ZR 201/01, DStRE 2003, 1123 = NJW-RR 2003, 1498 = DNotZ 2003, 845. 5 BGH v. 20.9.2007 – III ZR 33/07, DB 2007, 2423 = MDR 2008, 52 = NJW 2008, 1085 = DNotZ 2008, 370.
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Kap. 1 Rz. 1.415 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.415 Die erstinstanzlichen Zivilgerichte sind auf die mittlerweile strengere Linie des BGH eingeschwenkt. So hat bspw. das LG Köln1 entschieden, es liegt eine Amtspflichtverletzung des Notars vor, wenn dieser im Beurkundungstermin erklärt, auf die Käuferin treffe die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus privaten Grundstücksgeschäften nicht zu. Der Notar sei zwar aufgrund seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung oder seiner allgemeinen Betreuungspflicht nicht gehalten, auf steuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts hinzuweisen, aber auch ohne eine allgemeine Pflicht zur Belehrung über steuerrechtliche Folgen könne sich eine Pflichtverletzung daraus ergeben, dass der Notar im Zusammenhang mit dem beurkundeten Geschäft über steuerrechtliche Fragen berät und dabei eine unrichtige, unklare oder nicht erkennbar unvollständige Auskunft erteilt (ferner s. Rz. 1.544). 1.416 Als Grundsatz kann daher heute gelten: Ein Notar ist aufgrund seiner allgemeinen Pflicht zur Rechtsbelehrung und zur Betreuung grds. nicht verpflichtet, auf die steuerlichen Folgen seines Rechtsgeschäfts hinzuweisen2. Etwas anderes kann gelten, wenn der Notar aufgrund der besonderen Umstände des Falles Anlass zu der Vermutung haben muss, dass einem Beteiligten ein steuerlicher Schaden drohe, dessen er sich nicht bewusst ist3. Der Notar ist aber regelmäßig nicht verpflichtet, die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anlass zu einer betreuenden Belehrung – insbesondere im Hinblick auf die steuerrechtlichen Folgen des beurkundeten Geschäfts – selbst erst zu ermitteln4 (ferner s. Rz. 1.543). 1.417–1.499 Einstweilen frei.
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels I. Überblick Literatur: Behrens, Kein Wechsel vom Anlage- in das Umlaufvermögen bei Grundstücksverkäufen durch Kapitalgesellschaften, DStR 2013, 1458; Blum/Weiss/Abele, Die Aufteilung von Grundstückskaufpreisen in Ertragsteuerrecht, StBP 2007, 231; Eisele, Aktuelle Finanzrechtsprechung zur Frage der Abgrenzung von Gebäuden und Betriebsvorrichtungen, INF 2005, 944; Ewald, Ausgewählte ertragssteuerliche Aspekte bei Investment-Kommanditgesellschaften, DStR 2016, 1784; Fahlenbach, Behandlung von Erhaltungsaufwand, der mit anderen Aufwandsarten in zeitlicher Nähe zur Anschaffung eines Gebäudes anfällt, DStR 2010, 2066; Goetze, Der lebzeitige Nießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens im Steuerrecht,
1 LG Köln v. 29.09.2020 – 5 O 171/19, BWNotZ 2021, 34; s. hierzu Wachter, ZNotP 2021, 293, 294. 2 BGH v. 20.9.2007 – III ZR 33/07, DB 2007, 2423 = MDR 2008, 52 = NJW 2008, 1085 = DNotZ 2008, 370; s. hierzu Wachter, ZNotP 2021, 293, 294. 3 Vgl. BGH v. 23.8.2018 – III ZR 506/16 MDR 2018, 1241 = NJW-RR 2018, 1531 = DNotZ 2019, 37 Tz. 30, zur Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist bei der Beurkundung von Verbraucherverträgen und zum unterlassenen Hinweis auf einen wieder gelöschten Zwangsversteigerungsvermerk. 4 BGH v. 13.6.1995 – IX ZR 203/94, DB 1995, 2065 = MDR 1995, 1170 = NJW 1995, 2794 = DNotZ 1996, 116.
96 Spiegelberger und Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.501 Kap. 1
RNotZ 2013, 147; Hohage/Kraft, Gestaltungsüberlegungen beim Verkauf von Anteilen an grundstücksverwaltende Gesellschaften, IStR 2014, 605; Hoppenz, Die latente Einkommensteuer im Zugewinnausgleich: Ein Rettungsversuch, FamRZ 2012, 1618; Jacobsen, Ertragsteuerliche Zuordnung geleaster Wirtschaftsgüter, SteuerStud 2006, 148; Kröner, Kauf und Verkauf von Kapital- und Personengesellschaften – Ein Überblick über die ertragssteuerlichen Folgen, BB 2012, 2403; Meyer/Ball, Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – Trennwände des BFH, DStR 2012, 2260; Schallmoser, Praxisprobleme im Rahmen der Aufteilung von Anschaffungskosten bei gemischt genutzten Grundstücken, DStR 2009, 1685; ders. Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, SteuK 2013, 115; Schäffler, Finanzielle Effekte des Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus, DStR 2016, 688; Schmitt/Lenz, Kurzfristiger Wiederkauf im Fokus der BFH-Rechtsprechung, DStR 2010, 735; Weber/Kroh, Erbschaft- und einkommensteuerliche Optimierung der Nutzungsentscheidung von Immobilienvermögen im Erbfall, DStR 2014, 1459; Zwirner/Künkele, Steuerliche Herstellungskosten – Rechtsunsicherheit und Anwendungsempfehlungen, DStR 2012, 319.
1. Einkunftsarten Bei der entgeltlichen Übertragung einer Immobilie kann – je nach Sachverhaltsge- 1.500 staltung – jede der sieben in § 2 EStG aufgeführten Einkunftsarten betroffen sein. Um festzustellen, ob eine Grundstücksübertragung der Einkommensteuer unterliegt, empfiehlt sich folgendes Prüfungsschema:
1.501
Übersicht: Prüfungsschema Land- und Forstwirtschaft
§ 14 EStG (s. Rz. 1.550 ff.)
Q Nein Gewerbebetrieb
§ 15 EStG (s. Rz. 1.570 ff.)
Q Nein Gewerblicher Grundstückshandel
§ 15 EStG (s. Rz. 1.590 ff.)
Q Nein Freiberufliche Tätigkeit
§ 18 EStG (s. Rz. 1.640 ff.)
Q Nein Lohnsteuerpflichtiger Erwerb
§ 19 EStG (s. Rz. 1.660 ff.)
Q Nein Kapitalvermögenseinkünfte
§ 20 EStG (s. Rz. 1.670 ff.)
Q Nein Ausbeutegrundstück
§ 21 EStG (s. Rz. 1.680 ff.)
Q Nein Privates Veräußerungsgeschäft
§ 23 EStG (s. Rz. 1.710 ff.)
Q Nein nicht steuerbar
Schallmoser 97
Kap. 1 Rz. 1.502 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.502 – Die Veräußerung eines betrieblich genutzten oder bilanzierten Grundstückes durch einen Land- und Forstwirt, einen Gewerbetreibenden oder einen Freiberufler kann zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit führen, also zu betrieblichen Einkünften (s. Rz. 1.800). – Auch der private Grundstückseigentümer kann durch wiederholte Grundstücksveräußerungen (vgl. dazu ausführlich Rz. 1.590 ff. und Kap. 11) gewerbliche Einkünfte erzielen. – Der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer verbilligt Grundbesitz, z.B. eine Werkswohnung, verkauft, muss für den in dem Veräußerungsgeschäft liegenden Sachbezug Lohnsteuer einbehalten und abführen. – Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer, der ein Gesellschaftsgrundstück unter dem Verkehrswert erwirbt, tätigt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vgl. Rz. 1.671 ff.) in Höhe des gewährten Preisbonus, so dass die GmbH die verdeckt ausgeschüttete Dividende nachversteuern muss und der Gesellschafter Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG im Teileinkünfteverfahren zu versteuern hat. – Die Veräußerung eines Grundstücks mit einem Kies- oder Sandvorkommen kann einen Ausbeutevertrag darstellen, der als Pachtvertrag zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG führt. – Wird ein Grundstück im steuerlichen Privatvermögen innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 EStG angeschafft und veräußert, wird der Tatbestand eines steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäfts verwirklicht (s. Rz. 12.1 ff.).
1.503 Aus der Sicht des Erwerbers ergeben sich andere Perspektiven. Der Kapitalanleger, der eine Immobilie erwirbt, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wird darauf achten, dass er seine Aufwendungen zumindest teilweise als Werbungskosten, ggf. im Wege der Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend machen kann. Die im Rahmen von sog. Bauherrenmodellen als Werbungskosten bezeichneten Aufwendungen hat die Rechtsprechung weitgehend als Anschaffungskosten gewertet1. Auch Renovierungsaufwendungen, die nach dem Erwerb innerhalb von drei Jahren („anschaffungsnah“) aufgewendet werden und den Erwerbspreis ohne Umsatzsteuer um 15 % übersteigen, stellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und keine Werbungskosten dar (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG; s. Rz. 1.960 ff.).
1 BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299 = FR 1990, 145.
98 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.504 Kap. 1
2. Gebäude im Einkommensteuerrecht
1.504
Selbständige Wirtschaftsgüter sind – Zubehör gem. § 97 BGB; – Scheinbestandteile1 gem. § 95 BGB; – Betriebsvorrichtungen gem. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG in der bis 31.12.2024 weitergeltenden Fassung2; – Laden- und Schaufensteranlagen3; – Anbauten (soweit kein einheitliches Gebäude entsteht); – in einem gemischt genutzten Gebäude4 diejenigen Gebäudeteile, die einen eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang (eigene Wohnzwecke; fremde Wohnzwecke; eigenbetriebliche Zwecke; fremdbetriebliche Zwecke) aufweisen; – Gebäude auf fremdem Grund und Boden5; – Mietereinbauten (bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie Betriebsvorrichtung oder wirtschaftliches Eigentum des Mieters sind, bspw. die Photovoltaikanlage des Mieters auf dem Dach des Vermieters, s. Rz. 10.5); andernfalls handelt es sich um unbewegliche Wirtschaftsgüter; der BMF6 erlaubt regelmäßig eine Verteilung der AfA auf die Mietdauer. Keine selbständigen Wirtschaftsgüter sind – thermische Solaranlagen zur Wassererwärmung für den sanitären Bereich oder zur Raumheizung; sie sind regelmäßig Gebäudebestandteil7. – Photovoltaikanlagen für den Eigenbedarf; sie sind Gebäudebestandteil8, während bei Lieferung des erzeugten Stromes an Energieversorger ein Gewerbebetrieb vorliegt (s. Rz. 10.4 und Rz. 10.16 ff.)9. 1 Aus einem echten Bestandteil kann durch bloße Willensänderung des Eigentümers und eines nach außen tretenden Manifestationsaktes ein Scheinbestandteil entstehen, so dass für die Übertragung keine notarielle Beurkundung erforderlich ist, vgl. BGH v. 2.12.2005 – V ZR 35/05, MDR 2006, 921 = DNotZ 2006, 252; OLG Celle v. 22.5.2007 – 4 U 41/07, ZNotP 2007, 343; kritisch Kesseler, ZNotP 2007, 330. 2 Siehe Art. 2 Nr. 6 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. 3 BMF v. 30.5.1996 – IV A 8-S 1551-35/96, BStBl. I 1996, 643. 4 BFH v. 29.9.1994 – III R 80/92, BStBl. II 1995, 72 (74). 5 Zum Mobilheim (sog. „Tiny House“) s. Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, EFG 2021, 1820, n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21; s. hierzu Heine, NWB 2021, 3160. 6 BMF v. 15.1.1976 – IV B 2-S 2133-1/76, BStBl. I 1976, 66 Tz. 10. 7 BFH v. 14.7.2004 – IX R 52/02, BStBl. II 2004, 949 = DB 2004, 2022. 8 Der entsprechende Kaufpreisanteil gehört damit zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage. 9 Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern v. 12.2.2008 – S 4503-4/St 35N, juris.
Schallmoser 99
Kap. 1 Rz. 1.505 Steuerorientierte Immobilienübertragung
a) Aufteilung in einzelne Wirtschaftsgüter
1.505 Der sachenrechtliche Grundsatz gem. § 94 Abs. 1 BGB, wonach zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere die Gebäude, gehören, gilt nicht in derselben Weise für die steuerrechtliche Betrachtung. Vielmehr sind je nach Steuerart Grundstücke und Gebäude getrennt zu erfassen und zu bewerten. 1.506 Einkommensteuerrechtlich wird der Kaufpreis in einen Grundstücks- und Gebäudeanteil aufgeteilt (zur Aufteilungsmethode vgl. Rz. 1.320 ff.). Absetzungen für Abnutzung werden nur für das Gebäude, nicht jedoch für das Grundstück gewährt. Selbst die einzelnen Gebäudeteile können unterschiedlich beurteilt werden. 1.507 Lastenaufzüge, Kräne, Kühlvorrichtungen (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG), Laderampen und die Kinobestuhlung sind Betriebsvorrichtungen und werden somit wie bewegliche Gegenstände behandelt. 1.508 Auch die Schaufensteranlage ist ein vom übrigen Gebäude getrennt zu bewertendes Wirtschaftsgut1, der Personenaufzug ein unselbständiger Teil des Gebäudes. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf 2 ist eine Einbauküche kein Bestandteil eines Einfamilienhauses und daher als Inventar und somit als beweglicher Gegenstand zu betrachten. Wird bei einem Grundstückskaufvertrag die mitverkaufte Einbauküche betragsmäßig ausgeschieden, tritt gem. BFH3 insoweit eine Minderung der Grunderwerbsteuer ein; gleichzeitig wird die Bemessungsgrundlage für die AfA des Gebäudes vermindert, da die Einbauküche der AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter unterliegt. Die (anteilige) Reparatur- oder Instandhaltungsrücklage bei einer Eigentumswohnanlage ist ebenfalls nicht Bestandteil des Gebäudes, so dass dieser Anteil weder bei der AfA-Bemessung noch bei der Berechnung der Grunderwerbsteuer angesetzt wird4. b) Zuordnung eines Gebäudes zum Betriebs- oder Privatvermögen
1.509 Beispiel: Tante Emma ist Alleineigentümerin eines bebauten Grundstückes, auf dem sie im Erdgeschoss ein Milchgeschäft betreibt. Die Büroräume der E befinden sich im Obergeschoss. Die zweite Obergeschosswohnung wird von der Eigentümerin zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Wohnung im dritten Obergeschoss ist fremdvermietet.
1 2 3 4
Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 138. OLG Düsseldorf v. 19.1.1994 – 11 U 45/93, MittRhNotK 1994, 145. BFH v. 29.10.1976 – VI R 127/73, BStBl. II 1977, 152. Vgl. BFH v. 9.10.1991 – II R 20/89, BStBl. II 1992, 152 = NJW-RR 1992, 656 = MittRhNotK 1991, 328; v. 5.10.2011 – I R 94/10, BStBl. II 2012, 244.
100 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.512 Kap. 1
fremdvermietet
gewillkürtes Betriebsvermögen oder Privatvermögen
selbstbewohnt
notwendiges Privatvermögen
eigengenutzte Büroräume
notwendiges Betriebsvermögen
eigenbetriebliche Räume
notwendiges Betriebsvermögen
aa) Funktionsbetrachtung Als Gebäude ist ein Bauwerk anzusehen, das durch räumliche Umschließung Schutz 1.510 gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist. Bauwerke, die sämtliche dieser Begriffsmerkmale aufweisen, sind als Gebäude zu behandeln. Der Gebäudebegriff erfordert andererseits nicht, dass ein Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist1. Bei einem gemischt genutzten Gebäude sind, wie das vorstehende Beispiel zeigt, vier selbständige Wirtschaftsgüter zu unterscheiden, die nach ihrem jeweiligen Nutzungs- und Funktionszusammenhang (eigenbetriebliche Zwecke, fremdbetriebliche Zwecke, eigene Wohnzwecke, fremde Wohnzwecke) beurteilt werden: (1) Notwendiges Privatvermögen Zum notwendigen Privatvermögen zählen Wirtschaftsgüter, die in einem privaten 1.511 Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen und nicht als gewillkürtes BV ausgewiesen werden. (2) Notwendiges Betriebsvermögen Dient ein Wirtschaftsgut dem Unternehmen eines Einzelunternehmers, handelt es 1.512 sich um notwendiges Betriebsvermögen. Sofern ein Gesellschafter Eigentümer des der Personengesellschaft zur Nutzung überlassenen Grundstückes ist, liegt Sonder-
1 Vgl. BFH v. 15.6.2005 – II R 67/04, INF 2005, 944 (945).
Schallmoser 101
Kap. 1 Rz. 1.512 Steuerorientierte Immobilienübertragung
betriebsvermögen vor. Einer Kapitalgesellschaft zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter werden Betriebsvermögen, wenn es sich um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt und eine einheitliche Willensbildung bei der Betriebskapitalgesellschaft und dem Besitzunternehmen besteht (sachliche und personelle Verflechtung als Betriebsaufspaltung)1. (3) Gewillkürtes Betriebsvermögen
1.513 Nach Ansicht des BFH2 ist die Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen für das gesamte Objekt zulässig, wenn das Grundstück zu mindestens 10 % auch eigenbetrieblich genutzt wird, auch wenn die Restfläche durch Vermietung genutzt wird oder eigenen Wohnzwecken dient. Voraussetzung ist weiter, dass der Grundbesitz in einem objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb des Vermieters steht oder ihn zu fördern bestimmt oder geeignet ist. In der Bilanzierung eines Grundstückes ist grundsätzlich eine Widmung zum Betriebsvermögen zu sehen3. (4) Abgrenzung Privatvermögen – Betriebsvermögen
1.514 Nutzt ein Gesellschafter eine im Eigentum einer Personengesellschaft stehende Wohnung, kommt es darauf an, ob das Nutzungsverhältnis auf einem Mietvertrag beruht oder ob die Nutzung aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung erfolgt. Die vom Gesellschafter (oder ihm nahestehenden Personen) unentgeltlich auf Dauer bewohnten Wohnräume des Gesellschaftsvermögens stellen notwendiges Privatvermögen dar. Wird eine (nicht notwendig ortsübliche) Miete entrichtet, zählt die Wohnung indes weiter steuerlich zum Betriebsvermögen4 (s. auch Rz. 1.809). Hingegen stellt die Wohnung im Eigentum einer Kapitalgesellschaft immer Betriebsvermögen dar, auch wenn sie ein Gesellschafter bewohnt, da eine Kapitalgesellschaft nur über eine betriebliche Sphäre verfügt. Die Nutzung zu einer nicht ortsüblichen (verbilligten) Miete stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar5.
1.515–1.520 Einstweilen frei.
1 Kritisch zu Recht mit vielen Hinweisen auf weitere Kritiker Carlé, Die Betriebsaufspaltung 2003, Rz. 3. 2 BFH v. 2.10.2003 – IV R 13/03, BStBl. II 2004, 985 = FR 2004, 90 = DStR 2003, 2156 m. Anm. Bischoff, DStR 2004, 1280. 3 Vgl. BFH v. 5.3.2002 – IV B 22/01, BStBl. II 2002, 690 = FR 2002, 678 m. Anm. Seeger. 4 Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 496 a.E., für den Fall einer Nutzungsüberlassung i.H.v. zumindest 10 % des ortsüblichen Entgelts, mit Verweis auf BFH v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692 = DStRE 2011, 923 = ZNotP 2011, 339, zur Vereinbarung eines verbilligten Erbbauzinses zwischen einem Landwirt und seinem Kind; s.a. BFH v. 23.11.2000 – IV R 82/99, BStBl. II 2001, 232 = FR 2001, 299. 5 Vgl. BFH v. 26.8.1993 – I R 44/92, BFH/NV 1994, 318 (Hapimag-Urteil).
102 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.524 Kap. 1
bb) Anlage- und Umlaufvermögen Bei Grundstücken im Betriebsvermögen ist zwischen Anlage- und Umlaufvermö- 1.521 gen zu unterscheiden1. Bei Grundstücken im Umlaufvermögen2, z.B. bei Musterhäusern eines Bauträgers, wird keine AfA für den Gebäudeanteil gewährt; dasselbe gilt für Gebäude, die in einen gewerblichen Grundstückshandel verstrickt sind. c) Gebäude auf fremdem Grund und Boden DerHersteller eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden wird gem. § 95 Abs. 1 1.522 Satz 2 BGB bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des Gebäudes, wenn es in Ausübung eines dinglichen Rechts, z.B. eines Nießbrauchs, errichtet wird3. Sofern dem Hersteller ein schuldrechtliches oder dingliches Nutzungsrecht nach Errichtung des Gebäudes auf dessen Standzeit eingeräumt wird, steht dem Nutzungsberechtigten das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude zu4. aa) Ehegattengrundstücke Literatur: Kiesow, Zur entgeltlichen Übertragung von Mietimmobilien zwischen Ehegatten, DStR 2013, 2252; Schoor, Gestaltungsmöglichkeiten bei Bauten auf Ehegatten-Grundstücken, INF 2005, 705.
1.523
Beispiel5: Ehemann M und Ehefrau F sind zu gleichen Teilen Eigentümer einer Immobilie, wobei M alle Herstellungskosten des Gebäudes getragen hat. Gesonderte Vereinbarungen existieren unter den Ehegatten nicht. Das Objekt nutzt M betrieblich. Er erhält die AfA für alle von ihm getragenen Gebäudeaufwendungen. Viele Jahre nach der Errichtung des Gebäudes erfolgt eine Betriebsaufgabe. Sind im Betriebsaufgabegewinn auch die stillen Reserven des Grundstücks- bzw. Gebäudeteils zu erfassen, der im Eigentum der nicht am Betrieb beteiligten F steht?
Nach der Rechtsprechung des BFH6 besteht bei Bauten auf fremdem Grund und 1.524 Boden wirtschaftliches Eigentum des Unternehmers an dem im zivilrechtlichen Eigentum des Ehegatten stehenden Gebäudeteil, wenn ein Wertersatzanspruch nach §§ 951, 812 BGB besteht oder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Verpflichtung zum Wertausgleich getroffen wurde. Bei Bauten im eigenen Interesse für eigene betriebliche Zwecke spricht – bei dem Fehlen einer Entschädigungsvereinbarung – keine tatsächliche Vermutung für eine Zuwendungsabsicht. Die von dem Ehemann 1 Vgl. Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 7. 2 BFH v. 12.9.1995 – X B 83/95, BFH/NV 1996, 206. 3 Vgl. Staudinger/Stieper, § 95 BGB Rz. 17 ff.; Spiegelberger in FS Bärmann und Weitnauer, 1990, 647 (650). 4 Vgl. BFH v. 27.11.1996 – X R 92/92, BStBl. II 1998, 97 = FR 1997, 261 m. Anm. WeberGrellet = MittBayNot 1997, 314. 5 Nach BFH v. 19.12.2012 – IV R 29/09, BStBl. II 2013, 387 = FR 2013, 764 m. Anm. Kanzler = GmbHR 2013, 554 m. Anm. Suchanek. 6 BFH v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741 = FR 2002, 1119 m. Anm. Kanzler.
Schallmoser 103
Kap. 1 Rz. 1.524 Steuerorientierte Immobilienübertragung
gebildete Bilanzposition ist nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH1 als Posten für die Verteilung eigenen Aufwands anzusehen, die lediglich aus bilanztechnischen Gründen „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu behandeln ist.
1.525 Folgt man der Rechtsprechung des BGH2, spricht bei Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, einiges dafür, dass bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche gem. §§ 951, 812 BGB durch die Regelungen über den güterrechtlichen Ausgleich verdrängt werden. In diesem Fall besteht von vornherein kein realisierbarer Wertersatzanspruch der Ehegatten untereinander. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat der X. Senat des BFH3 einen Ausgleichsanspruch zwischen Ehegatten im Zusammenhang mit einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus abgelehnt. Wirtschaftliches Eigentum des M ist im Beispielsfall mithin nicht gegeben. Er kann F nicht für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen.
1.526 Die Behandlung „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ darf aber nicht dazu führen, dass Gewinne aus der Realisierung von stillen Reserven in eigenen Wirtschaftsgütern auf den Bilanzposten für den Aufwand auf ein fremdes Wirtschaftsgut übertragen werden. Mit Ende der Nutzungsbefugnis ist der verbliebene Aufwand dem Eigentümer als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zuzurechnen und ein verbliebener bilanzieller Ansatz beim Unternehmerehegatten erfolgsneutral auszubuchen. bb) Baumaßnahmen auf Grundstücken der Eltern
1.527 Errichtet ein Kind auf dem Grundstück der Eltern mit deren Zustimmung ein Gebäude zu eigenen Wohnzwecken, steht das Gebäude nach der Rechtsprechung des BFH4 im wirtschaftlichen Eigentum des Kindes, wenn diesem für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des Gebäudes zusteht. Ein derartiger Anspruch besteht nach der Rechtsprechung des BGH5, wenn die Erwartung, später Eigentümer des Grundstücks zu werden, enttäuscht wird. Dieser gesetzliche Anspruch auf vollen Wertersatz hat zur Folge, dass der zivilrechtliche Eigentümer wirtschaftlich nicht über sein Eigentum verfügen kann, weil er im Falle einer Verfügung dem Nutzungsberechtigten Wertersatz leisten muss. Substanz und Ertrag des Gebäudes stehen daher wirtschaftlich nicht den Eltern, sondern dem das Bauwerk errichtenden Kind zu.
1 BFH v. 30.1.1995 – GrS 4/92, BStBl. II 1995, 281 = FR 1995, 268 m. Anm. Kanzler; v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 = FR 1999, 1167 m. Anm. Fischer. 2 BGH v. 6.12.1965 – II ZR 137/63, NJW 1966, 542; v. 17.5.1983 – IX ZR 14/82, BGHZ 87, 265, 269 = MDR 1983, 748 m.w.N. 3 BFH v. 18.7.2001 – X R 39/97, BStBl. II 2002, 284 = DStR 2001, 1971. 4 BFH v. 18.7.2001 – X R 23/99, BStBl. II 2002, 281 = DStR 2001, 1971. 5 BGH v. 12.7.1989 – VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256 = MDR 1989, 1096 = NJW 1989, 2745.
104 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.540 Kap. 1
cc) Wirtschaftliches Eigentum durch Nutzungsrechte Literatur: Spiegelberger, Wirtschaftliches Eigentum durch schuldrechtliche und dingliche Nutzungsrechte, MittBayNot 1997, 278.
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist wirtschaftlicher Eigentümer derjenige, der die 1.528 tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Wird dem Erbauer eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden ein schuldrechtliches oder dingliches Nutzungsrecht auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eingeräumt, steht dem Nutzungsberechtigten gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO in der Regel (mindestens) das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude zu, da er den Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann1. Nach der Rechtsprechung des BFH sind dem Nutzungsberechtigten Substanz und Ertrag des Gebäudes nicht nur zuzurechnen, wenn das Gebäude nach Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist, sondern auch dann, wenn zwar die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes die Dauer der Nutzungsbefugnis überschreitet, der Nutzungsberechtigte, der die Kosten des Gebäudes getragen hat, bei Beendigung der Nutzung aber einen Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des Gebäudes hat2. Wirtschaftliches Eigentum ist auch an ideellen Miteigentumsanteilen möglich; es 1.529 kann bspw. durch eine Nutzungsregelung zwischen Miteigentümern gem. § 1010 BGB im Zuge einer Erbauseinandersetzung geschaffen werden: Beispiel3: Die Miterben A und B setzen sich über ein bebautes Grundstück in der Weise auseinander, dass beide je hälftiges Bruchteilsmiteigentum erhalten. Für die in einem Lageplan gekennzeichneten Grundstücksteile mit aufstehenden Gebäuden werden alleinige und ausschließliche Nutzungsrechte von A und B vereinbart. Das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, wird für immer ausgeschlossen und gem. § 1010 BGB im Grundbuch eingetragen. Die Miteigentümer A und B werden aufgrund der Nutzungsregelung wirtschaftliche Eigentümer der ihnen räumlich zugeteilten Grundstücksteile samt den jeweiligen Gebäuden, weil durch die Benutzungsregelung und den Ausschluss der Teilungsversteigerungsmöglichkeit der „andere“ zivilrechtlichen Miteigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausgeschlossen wird.
Einstweilen frei.
1.530–1.540
1 Vgl. BFH v. 27.11.1996 – X R 92/92, BStBl. II 1998, 97 = FR 1997, 261 m. Anm. WeberGrellet = MittBayNot 1997, 314. 2 Vgl. BFH v. 7.3.2001 – X R 92/95, BStBl. II 2001, 481; Sauer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, B.III Rz. 72. 3 Siehe hierzu FG München v. 19.7.2007 – 5 K 87/06, MittBayNot 2008, 77.
Schallmoser 105
Kap. 1 Rz. 1.541 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Sachverhaltsermittlung Literatur: Jungk/Chab/Grams, Pflichten und Haftung des Anwalts – Eine Rechtsprechungsübersicht, BRAK-Mitt. 2020, 81; Wachter, Haftungsfalle „Spekulationssteuer“, ZnotP 2021, 293.
1.541 Die geschilderten Beispiele zeigen, dass der Berater bei der Erstellung eines Vertragsentwurfes für eine Immobilienübertragung die bisherige Verwendung des Vertragsgegenstandes seitens des Verkäufers und die geplante Nutzung des Erwerbers kennen und berücksichtigen muss. Somit ist eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Die Beteiligten schildern den zu regelnden Sachverhalt häufig unvollständig, insbesondere hinsichtlich erwarteter oder zu vermeidender Steuerfolgen. 1.542 Bei Rechtsgeschäften wie Grundstückserwerb, Schenkung, Veräußerung mit Gewinnrealisierung, verdeckten Einlagen, Ausschüttungen oder Spekulationsgeschäften obliegt einem Rechtsanwalt eine steuerliche Belehrungspflicht, da er zu einer umfassenden Beratung verpflichtet ist und die Belehrung über steuerliche Rechtsfolgen sich als Teil des umfassenden Mandats darstellt1 (s. Rz. 1.410); ggf. hat er den Mandanten auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich bei sachgerechter Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist2. 1.543 Den Notar trifft im Allgemeinen keine steuerliche Ermittlungspflicht im Rahmen des § 17 BeurkG3 (allg. zur Notarhaftung s. Rz. 1.412 ff.). Der Notar muss daher nicht Tatbestände ermitteln, die für das evtl. Eingreifen von Steuertatbeständen von Bedeutung sein können4 (s. Rz. 1.416). Sofern allerdings die Beteiligten auf die Klärung steuerrechtlicher Folgen entscheidendes Gewicht legen und den Notar um eine solche Aufklärung ersuchen, darf er dies nicht außer Acht lassen5. In diesem Fall wird der Notar die Steuerberater der Beteiligten beiziehen oder den Beteiligten empfehlen, eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes zu beantragen (zu Einzelheiten s. Rz. 1.400 ff.). Ausnahmsweise kann sich im Einzelfall mit Blick auf die allgemeine Betreuungspflicht gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG eine Verpflichtung des Notars ergeben, auf die Gefahr einer Steuerpflicht hinzuweisen6. Dies ist der Fall, wenn der Notar aufgrund besonderer Umstände Anlass zu der Besorgnis haben muss, einem Beteiligten drohe ein Schaden, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage oder von Sachumständen, welche die Bedeutung des zu beurkun-
1 Vgl. Rehbinder, Vertragsgestaltung, S. 58. 2 BGH v. 9.1.2020 – IX ZR 61/19, DStR 2020, 893 = DB 2020, 446 = MDR 2020, 314 = NJW 2020, 1139. 3 Vgl. Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 71; Haug, DNotZ 1972, 479. 4 Vgl. BFH v. 5.2.1985 – IX ZR 248/83, MittBayNot 1985, 143; v. 13.6.1995 – IX ZR 203/94, DNotZ 1996, 116; Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 66. 5 Vgl. OLG Oldenburg v. 9.7.1969 – 2 U 167/68, VersR 1971, 380; Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 74. 6 Vgl. Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 72.
106 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.547 Kap. 1
denden Rechtsgeschäfts für seine Vermögensinteressen beeinflussen, einer Gefährdung seiner Interessen nicht bewusst ist1. Berät der Notar in Steuerfragen selbst, haftet er für jede Fahrlässigkeit2. Für den Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte besteht eine verschärfte Haf- 1.544 tungsrechtsprechung. Ein Notar, der vor oder während der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages davon Kenntnis erhält, dass der Verkäufer das Grundstück vor Ablauf der Spekulationsfrist erworben hat und die Anschaffungskosten unter dem Verkaufspreis liegen, hat er den Verkäufer grundsätzlich auf die Gefahr der Besteuerung eines Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft gem. § 23 EStG hinzuweisen3. Aus § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG ergibt sich darüber hinaus, dass der Notar unklare 1.545 Formulierungen, die zu ungewollten Steuernachteilen führen, vermeiden muss. Haben die Vertragsteile einen beurkundeten Vertrag wegen sich daraus ergebender steuerlicher Nachteile aufgehoben und denselben Notar mit der Beurkundung des diese Nachteile vermeidenden geänderten Vertrags beauftragt, dürfen sie darauf vertrauen, dass der Notar den ihm erklärten Willen der Vertragsschließenden in rechtlich einwandfreier Form wiedergegeben hat4. Die Steuerrelevanz kann sich auch aus den äußeren Umständen ergeben. Ist dem 1.546 Notar bekannt, dass der Entwurf, den er der Beurkundung eines Hofübergabevertrages zugrunde legen soll, von einem Steuerberater5 stammt, kann er, wenn einer der Beteiligten eine Änderung des Vertrags anregt, gehalten sein, den Beteiligten zu empfehlen, dass sie die Tragweite der Änderung durch den Steuerberater überprüfen lassen, bevor der Vertrag in der geänderten Form beurkundet wird6. 4. Entstehung des Einkommensteueranspruches Gemäß § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sobald der 1.547 Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Feststellung dieses Zeitpunktes ist von erheblicher Bedeutung, da die Vertragsteile nach dem Entstehen des Steueranspruches über diesen, etwa durch Vereinbarung von Nachtragsurkunden, nicht mehr rückwirkend disponieren können. Ein Grundstückskaufvertrag ist mit der Abgabe der notariell beurkundeten (schuldrechtlichen) Ver-
1 Vgl. BGH v. 2.5.1972 – VI ZR 193/70, BGHZ 58, 348; v. 5.11.1982 – V ZR 217/81 (Celle), VersR 1983, 182; Wachter, ZNotP 2021, 293. 2 Vgl. BGH v. 5.2.1985 – IX ZR 83/84, MDR 1985, 577 = DNotZ 1985, 636. 3 Vgl. BGH v. 10.11.1988 – IX ZR 31/88, DNotZ 1989, 452 für den Fall der zweijährigen Spekulationsfrist; LG Köln v. 29.9.2020 – 5 O 171/19, BWNotZ 2021, 34, ausführlich hierzu: Wachter, ZNotP 2021, 293; s.a. Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 65. 4 Vgl. BGH v. 8.2.1990 – IX ZR 273/88, MDR 1990, 713 (Hamm), NJW 1990, 1484. 5 Vgl. BGH v. 22.5.2003 – IX ZR 201/01, DNotZ 2003, 845. 6 Zu den Hinweispflichten des Notars vgl. Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 64 ff.
Schallmoser 107
Kap. 1 Rz. 1.547 Steuerorientierte Immobilienübertragung
tragserklärungen abgeschlossen, sofern eine Bindung der Vertragspartner besteht1. Auch ein Vorvertrag kann eine Veräußerung gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen (s. näher Rz. 12.13)2. Bei einem Grundstückskaufvertrag wird die Einkommensteuerschuld mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber „im Keim“ begründet3.
1.548 Eine definitive irreversible Steuerbelastung entsteht bei der Veräußerung von Betriebsgrundstücken oder freiberuflich genutztem Betriebsvermögen, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Käufer übergegangen sind und damit das Grundstück aus dem Betriebsvermögen des Verkäufers ausscheidet, selbst dann, wenn der Kaufvertrag vor der Eigentumsumschreibung aufgehoben wird und eine Bilanzierung dieses Rechtsgeschäfts unterbleibt4. 1.549 Einstweilen frei. II. Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke Literatur: BMF-Schreiben v. 20.5.2008 – IV C 2-S 2230/08/0001: Zurückbehalt unwesentlicher Flächen im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe: Anwendung des BFH-Urt. v. 24.2.2005 (BFH/NV 2005, 1062); Forchhammer, Der entgeltliche und unentgeltliche Erwerb eines Waldes im Einkommensteuerrecht, DStR 2015, 977; Führ, Der Nachabfindungsanspruch weichender Erben gem. § 13 HöfeO und seine Ausstrahlungswirkung auf Nachabfindungsklauseln in notariellen Grundstücksverträgen, RnotZ 2012, 303; Graß, Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Vermögensnachfolge in den Jahren 2017 und 2018, ZEV 2019, 399; Hiller/Horn, Verpachtung und Übergabe landwirtschaftlicher Betriebe, 2003; Hutmacher, Die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs, ZnotP 2011, 211; Hutmacher, Ertragsteuerliche Behandlung der Bestellung von Erbbaurechten an Grundstücken des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens; keine Zwangsentnahme der belasteten Grundstücke, ZnotP 2011, 336; Kanzler, Landwirtschaftliche Klein- und Restbetriebe zwischen Liebhaberei, Eigenbewirtschaftung und Erwerbsbetrieb, FR 2011, 910; Kanzler, Zum gewerblichen Grundstückshandel der Land- und Forstwirte – ein vermeidbares Übel, DStZ 2013, 822; von Oertzen/Blüm, Aktuelle Gestaltungsfragen der Vermögensnachfolgeplanung von Traditionsvermögen, ZEV 2016, 71; Raude, Der Hofübergabevertrag in der notariellen Praxis, RnotZ 2016, 69; v. Twickel, Drum prüfe, wer sich wenig bindet – Mitunternehmerschaft bei Landwirtsehegatten, DStR 2009, 411.
1 Vgl. BFH v. 2.2.1982 – VIII R 59/81, BStBl. II 1982, 390 = FR 1982, 333; v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487 = FR 2015, 658 m. Anm. Bode = DStR 2015, 742 = NJW 2015, 2367 = MittBayNot 2015, 345 = DNotZ 2015, 769. 2 Vgl. BFH v. 13.12.1983 – VIII R 16/83, BStBl. II 1984, 311 = FR 1984, 343. 3 Vgl. BFH v. 13.10.1983 – I R 155/79, BStBl. II 1984, 286 = GmbHR 1984, 189. 4 Vgl. BFH v. 28.2.1974 – VI R 60/69, BStBl. II 1974, 481.
108 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.551 Kap. 1
1. Land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen Durch das Zweite Steueränderungsgesetz 19711 wurden auch die land- und forst- 1.550 wirtschaftlichen Grundstücke der Bodengewinnbesteuerung unterworfen.2 Da das Grundbuch keine Auskunft über die steuerliche Erfassung eines Grundstückes gibt, kann der Einheitswert ein Indiz ergeben, ob das Grundstück zum land- oder forstwirtschaftlichen Vermögen gehört. Bei Landwirten mit Gewinnermittlung nach Vollschätzung, durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG wurden land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, die vor dem 1.7.1979 fremdverpachtet waren, gewinnneutral aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entnommen, es sei denn, dass die Grundstücke nach der Nutzungsänderung zum notwendigen Privatvermögen gehörten3. Zu beachten ist auch, dass die bewertungsrechtliche Einstufung nicht vollständig mit der einkommensteuerlichen Beurteilung übereinstimmt. Gemäß § 48 BewG in der bis 31.12.2024 weitergeltenden Fassung4 setzt sich der Einheitswert des Betriebes aus dem Wirtschaftswert und dem Wohnungswert zusammen. Der Wohnteil des landwirtschaftlichen Anwesens mit dem dazugehörigen Grund und Boden ist aufgrund des Wohneigentumsförderungsgesetzes5 spätestens am 31.12.1998 gewinnneutral aus dem einkommensteuerlichen landwirtschaftlichen Betriebsvermögen ausgeschieden und wurde notwendiges Privatvermögen. Gemäß § 13 Abs. 5 EStG kann weiterhin ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück steuerfrei in das Privatvermögen überführt werden, wenn darauf die Wohnung des Steuerpflichtigen oder eine Altenteilerwohnung errichtet wird. Der Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft umfasst die Gebäude und Gebäudeteile, soweit sie dem Inhaber des Betriebs, den zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen und den Altenteilern zu Wohnzwecken dienen und stellt einkommensteuerlich Privatvermögen dar. Hingegen zählen Betriebswohnungen zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen. Auch ohne Hofstelle können Grundstücke landwirtschaftliches Betriebsvermögen 1.551 darstellen. Der Betrieb der Forstwirtschaft ergibt sich automatisch durch die Bewirtschaftung einer kleinen Privatwaldung mit einem Ausmaß von 3,1889 ha6. Einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden gem. § 34 Abs. 7 BewG auch Stücklän1 Ges. zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und anderer steuerrechtlicher Vorschriften (Zweites Steueränderungsgesetz 1971) v. 10.8.1971, BStBl. I 1971, 373. 2 Die Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke bedarf gem. § 2 Abs. 1 GrdStVG der Genehmigung; vgl. OLG Schleswig-Holstein v. 12.9.2006 – 3 WLw 39/06, MittBayNot 2007, 432 m. Anm. Grziwotz. 3 BMF v. 15.3.1979 – IV B 2-S 2135-2/79, BStBl. I 1979, 162. 4 Siehe Art. 2 Nr. 6 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. 5 BGBl. I 1986, 730. 6 Vgl. BFH v. 13.4.1989 – VI R 30/87, BStBl. II 1989, 718 = FR 1989, 554; der BFH v. 20.1.2005 – IV R 6/03, BFH/NV 2005, 1511, hat aber selbst einen Forstbetrieb mit 90 ha als Liebhaberei beurteilt, weil in 22 Jahren nur Verluste in Höhe von ca. 2,5 Mio. DM erwirtschaftet wurden, die durch hohe anderweitige Einkünfte ausgeglichen werden konnten.
Schallmoser 109
Kap. 1 Rz. 1.551 Steuerorientierte Immobilienübertragung
dereien. Das sind einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören. 2. Vertragsgestaltung a) Entnahme Literatur: Wittwer, Zur steuerfreien Entnahme des Grund und Bodens im Zusammenhang mit der Abwahl der Nutzungswertbesteuerung, DStR 2009, 414.
1.552 Bei der Vertragsgestaltung ist der Vermeidung von ungewollten Gewinnrealisierungen uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu widmen. Werden bei der Hofübergabe mit Erbbaurechten belastete Grundstücke des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens nicht mitübergeben, so findet insoweit eine Entnahme aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen statt. Der Notar, der auf Verlangen der Beteiligten den Vertragsentwurf eines Steuerberaters abänderte, in dem bei der Beurkundung die beiden mit Erbbaurechten belasteten Grundstücke von der Übergabe ausgenommen wurden und beim Übergeber verblieben, wurde vom BGH1 zu Schadensersatz verurteilt, weil er aufgrund der erweiterten notariellen Belehrungspflicht die vorherige Konsultation durch einen Steuerberater hätte empfehlen müssen. Auch die Konzeption des Steuerberaters, die Erbbaurechtsgrundstücke mit zu übertragen, aber zugunsten des Übergebers an diesen Grundstücken einen Nießbrauch zu bestellen, hätte eine Entnahme aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen in Höhe des kapitalisierten Erbbauzinses dargestellt2. Ein Landwirt beendet seine bisherige Tätigkeit grundsätzlich nicht, wenn er bei der Hofübergabe kleinere Flächen zurückbehält und diese weiter bewirtschaftet; diese Flächen bleiben Betriebsvermögen, eine Betriebsaufgabe kommt nicht in Betracht3. Eine Übergabe, bei der mehr 18 % der landwirtschaftlichen Fläche beim Übergeber verbleiben, ist indes als Betriebsaufgabe (unter Aufdeckung der stillen Reserven des Betriebes) zu werten, da wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten werden4. Demgegenüber ist Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG möglich, wenn mindestens 90 % der bisherigen Flächen des Übergebers eigentumsmäßig übertragen werden5. Der Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen e.V. vertritt insoweit die Auffassung, dass die zurückbehaltene Teilfläche, die nicht kleiner als 3.000 qm sein darf, einen landwirtschaftlichen Kleinbetrieb darstellt, der an den Hofübernehmer verpachtet werden kann6. Eine spätere steuerneutrale Weiterübertragung des zurückbehaltenen Kleinbetriebes auf andere Kinder
1 Vgl. BGH v. 22.5.2003 – IX ZR 201/01, DNotZ 2003, 845 = DStRE 2003, 1123. 2 BGH v. 22.5.2003 – IX ZR 201/01, DNotZ 2003, 845 = DStRE 2003, 1123. 3 BFH v. 29.10.1992 – IV R 117/91, BFH/NV 1994, 533, zum Zurückbehalt von zwei Flurstücken von zusammen 0,8 ha. 4 BFH v. 1.2.1990 – IV R 8/89, BStBl. II 1990, 428 = FR 1990, 367. 5 BFH v. 24.2.2005 – IV R 28/00, BFH/NV 2005, 1062. 6 Steuerinfo L 5, 2008.
110 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.555 Kap. 1
(weichende Erben) sei möglich, ebenso die spätere steuerbegünstigte Betriebsaufgabe gem. §§ 16, 34 EStG. Zur Vermeidung einer Gewinnrealisierung kommen folgende Gestaltungen in Be- 1.553 tracht: – Reinvestition gem. § 6b EStG bei der Gewinnermittlung gem. §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG oder gem. § 6c EStG bei der Gewinnermittlung gem. §§ 4 Abs. 3 und 13a EStG; bei der Verwendung der Reinvestitionsrücklage für den Erwerb von abschreibbaren Wirtschaftsgütern verbleibt ein AfA-Verlust, da in Höhe der Rücklage keine Abschreibung statthaft ist; – Zurückbehaltung von forstwirtschaftlichen anstelle von landwirtschaftlichen Grundstücken, da auch ein Bauernwald einen forstwirtschaftlichen Betrieb darstellen kann1; – Errichtung einer Wohnung des Steuerpflichtigen oder einer Altenteilerwohnung gem. § 13 Abs. 5 EStG; – Bestellung eines entgeltlichen Erbbaurechtes oder eines entgeltlichen Dauernutzungsrechtes gem. § 31 WEG; – Einbringung des gesamten Betriebes in eine (gewerblich geprägte) GmbH & Co. KG.
1.554
Beispiel: Die Gemeinde G will einen Bebauungsplan beschließen und zwei Hektar des landwirtschaftlichen Areals des Landwirts L als Bauland ausweisen. Ein Bauträger interessiert sich für den Grundstückserwerb, wobei auch die Bestellung von Erbbaurechten diskutiert wird.
Im Beispielsfall bewirkt die Ausweisung des landwirtschaftlichen Areals als Bauland im gemeindlichen Flächennutzungs- oder Bebauungsplan noch keine Entnahme aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen, solange die Bewirtschaftung fortgeführt wird. Hingegen würde die Veräußerung zahlreicher Einzelparzellen nicht nur zur einkommensteuerlichen Gewinnrealisierung führen, sondern ggf. auch zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels (s. eingehend Kap. 11) mit der Folge, dass der Landwirt insoweit der Gewerbesteuer unterliegt. Allerdings wird durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gem. § 35 EStG die Belastung durch die Gewerbesteuer relativiert. Die in der Praxis häufig anzutreffende Gestaltung, Grundstücke, die in den nächsten 1.555 Jahren zur Baulandausweisung anstehen, zum landwirtschaftlichen Verkehrswert zu entnehmen, ist im Hinblick auf § 23 EStG zu überdenken: Die Entnahme aus dem Betriebsvermögen stellt eine Anschaffung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG dar, so dass eine Veräußerung innerhalb des Zehnjahreszeitraums seit der Entnahme zu einem Veräußerungsgewinn führt, da die Differenz zwischen dem Entnahmewert und dem Veräußerungspreis der Besteuerung unterliegt2 (s. näher Rz. 12.64). 1 Vgl. Martin, MittBayNot 1980, 145; Ochs, MittBayNot 1985, 174. 2 Vgl. OFD Koblenz, DStR 2003, 1880.
Schallmoser 111
Kap. 1 Rz. 1.556 Steuerorientierte Immobilienübertragung
b) Bestellung von Erbbaurechten
1.556 Räumt ein Landwirt Bauwilligen Erbbaurechte gegen einen angemessenen Erbbauzins ein, bleibt das bebaute Areal geduldetes landwirtschaftliches Betriebsvermögen, solange die originären Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Vordergrund stehen. Sofern jedoch mehr als 50 % der Einkünfte aus den Erbbauzinszahlungen resultieren oder mehr als 10 % des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens mit Erbbaurechten belastet wird, führt dies zur Beendigung der Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft1. c) Einbringung in eine GmbH & Co. KG
1.557 Um eine Betriebsbeendigung zu vermeiden, kann der Landwirt den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb unter Buchwertfortführung in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG einbringen und anschließend Erbbaurechte in beliebiger Anzahl bestellen, ohne dass diese Grundstücke aus dem Betriebsvermögen ausscheiden würden. Auch die Gestaltung, nur die als Bauland ausgewiesenen Grundstücke in eine GmbH & Co. KG unter Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG einzubringen, kommt nach der Rechtsprechung des BFH2 in Betracht. d) Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
1.558 Häufig gestatten Landwirte ihren Kindern als weichenden Erben auf einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück ein Wohngebäude zur Nutzung als Eigenheim zu errichten. Um auch in diesen Fällen die Entnahme aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zu vermeiden, empfiehlt sich die Bestellung eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechtes gem. § 31 WEG gegen Entrichtung eines angemessenen Nutzungsentgeltes3. Sofern die mit einem Erbbauzins vergleichbaren monatlich zu entrichtenden Nutzungsentgelte unangemessen niedrig sind, liegt insoweit eine – kapitalisiert zu errechnende – Schenkung vor. Auch die Entnahme aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen kommt in Betracht. 1.559–1.569 Einstweilen frei.
1 BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. 1993 II 342, 344; der verbilligte Erbbauzins führt nicht zu einer Entnahme im Rahmen der Geringfügigkeitsgrenze von 10 % des ortsüblichen vollen Erbbauzinses, BFH v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692 = FR 2011, 769 m. Anm. Kanzler = ErbStB 2011, 244. 2 BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, BFHE 239, 76; die Finanzverwaltung hat die Anwendung dieser Entscheidung abgelehnt, vgl. BMF v. 12.9.2013 – IV C 6-S 2241/10/10002, DStR 2013, 2002 (2003). 3 Vgl. Staudinger/Rapp, Vorbem. zu § 31 ff. WEG Rz. 34 ff.
112 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.571 Kap. 1
III. Grundstücke im gewerblichen Betriebsvermögen Literatur: Bäuml, Kein anschaffungsnaher Herstellungsaufwand gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei „§ 4 Abs. 3-Rechnern“, FR 2010, 924; Böhringer, Neue Amtspflichten des Notars bei Verbraucherverträgen, BWNotZ 2003, 6; Demleitner, Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung im Zusammenhang mit Grundstücksverkäufen, SteuK 2014, 401; El Mourabit, Aufdeckung stiller Reserven bei unentgeltlicher Übertragung von Einzelunternehmen und Mitunternehmeranteilen unter Nießbrauchsvorbehalt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge?, ZEV 2016, 14; Götzenberger, Steuern auf stille Reserven vermeiden – durch Reinvestition in einen § 6b-Fonds, BB 2010, 806; Hutmacher, Übertragung stiller Reserven auf Reinvestitionswirtschaftsgüter, ZnotP 2013, 14; Klein, Steuerliche Haftungsrisiken beim Immobilienerwerb, DStR 2005, 1753; Krämer, Offene Fragen im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 EStG, EStB 2014, 33; Levedag, Gewinnrealisation bei mitunternehmerischen Übertragungsvorgängen, GmbHR 2014, 337; Pauli, Die Bewertung von unternehmensverbundenen Immobilien, ZEV 2011, 277; Prinz/Hütig, Ende der Trennungstheorie bei § 6 Abs. 5 EStG, DB 2012, 2597; SchäferEllmayer/Lehr, Steuerliche und bilanzielle Auswirkungen von Sale-and-lease-back-Transaktionen mit Immobilien, SteuK 2012, 153; Schulze zur Wiesche, Die Einmann-GmbH & Co. KG als übernehmender Rechtsträger im Fall einer Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und einer Einbringung nach § 24 UmwStG, DStZ 2014, 108; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen aufgrund des IV. Rentenerlasses: Die Übertragung von Unternehmensvermögen und Gesellschaftsanteilen, DStR 2010, 1822; Struck, Der Verbraucher-/Unternehmerbegriff im BGB, MittBayNot 2003, 259.
1. Verbraucherverträge Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucher- 1.570 verträge) finden gem. § 310 Abs. 3 BGB die Vorschriften der §§ 305–310 BGB Anwendung, soweit es sich nicht um Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie um Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen handelt. Bei der Übertragung von Grundstücken aus dem gewerblichen Betriebsvermögen müssen daher sowohl die materiell-rechtlichen als auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Verbraucherverträge Berücksichtigung finden. Verfahrensrechtlich hat der Notar gem. § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG den Kaufvertragsentwurf mit dem beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts rechtzeitig, im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung, zur Verfügung zu stellen. Die materiell-rechtlichen Vorschriften des Verbrauchervertrages werden in Rz. 2.43 ff. dargestellt. 2. Vorhandener Gewerbebetrieb oder Mitunternehmeranteil a) Allgemeines Die Zugehörigkeit eines Grundstückes zum Betriebsvermögen lässt sich nur dann 1.571 aus dem Grundbuch entnehmen, wenn der Betrieb als Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Sofern in Abteilung I des Grundbuches eine natürliche Person als Grundstückseigentümer ausgewiesen ist, muss durch Rückfrage bei den Beteiligten, besser bei deren Steuerberater, festgestellt werden, ob der Grundstückseigentümer
Schallmoser 113
Kap. 1 Rz. 1.571 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– Einzelunternehmer ist, – als Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft das Grundstück dem jeweiligen Betrieb zur Nutzung überlässt oder ob – durch Bilanzierung des Grundstückes eine Widmung zum Betriebsvermögen eingetreten ist1.
1.572 Soweit der Grundstückseigentümer Mitunternehmer oder atypisch stiller Beteiligter des Gewerbebetriebs ist, der das Grundstück zu Betriebszwecken nutzt, stellt der Grundbesitz Sonderbetriebsvermögen dar und ist somit steuerlich verstrickt. Bei der Verpachtung oder Vermietung an eine Kapitalgesellschaft ist das Grundstück Betriebsvermögen, wenn eine Betriebsaufspaltung vorliegt, also durch sachliche und personelle Verflechtung die Betriebsvermögenseigenschaft begründet wurde. Alle Veräußerungs- und Entnahmevorgänge unterliegen in diesen Fällen der Einkommensteuer. Darüber hinaus haftet der Erwerber des Grundstückes gem. § 75 AO, wenn ein Grundstück bei einem Unternehmenskauf oder bei dem Erwerb eines gesondert geführten Betriebes (Teilbetriebes) übereignet wird, also ein gewerbliches, freiberufliches oder landwirtschaftliches Unternehmen – auch in der Rechtsform eines Asset Deals – übertragen wird, für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Da nach h.M. auch vermietete Grundstücke, mit denen aus ertragsteuerlicher Sicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden, unter die Haftungsvorschrift des § 75 AO fallen2, besteht die Haftungsgefahr auch bei steuerlichem Privatvermögen. Der Erwerb eines lebenden Unternehmens ist bei Immobilien jedenfalls dann gegeben, wenn es zu einer Übereignung eines vollständig oder zumindest weitgehend vermieteten Grundstücks kommt und der Erwerber den (umsatzsteuerlichen) Vermietungsbetrieb des Veräußerers fortführt, so dass der Erwerber für die Umsatzsteuerschuld des Veräußerers haftet. 1.573 Einstweilen frei. b) Betriebsvorrichtungen Literatur: Gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen (AbgrE 2013), BStBl. I 2013, 734; Halaczinsky, Die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen, ErbStB 2013, 324; Schumann, Der Abgrenzungserlass 2013: Gebäude oder Betriebsvorrichtung?, EStB 2013, 468.
1.574 Einzelne Gebäudebestandteile sind selbständige Wirtschaftsgüter, wenn sie in einem eigenständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen3. Dies gilt insbesondere für Betriebsvorrichtungen gem. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG, z.B. Lastenaufzüge, Kräne, Kühleinrichtungen (s. Rz. 1.507). Die Entscheidung, ob die einzelnen Be1 Vgl. BFH v. 5.3.2002 – IV B 22/01, BStBl. II 2002, 690 = FR 2002, 678 m. Anm. Seeger. 2 Vgl. BFH v. 7.3.1996 – VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726 und v. 11.5.1993 – VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700; Klein/Rüsken15, § 75 AO Rz. 8. 3 Vgl. Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 135.
114 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.577 Kap. 1
standteile i.S.d. bürgerlichen Rechts nach Bewertungsrecht Teile von Gebäuden oder Betriebsvorrichtungen sind, hängt davon ab, ob sie der Benutzung des Gebäudes ohne Rücksicht auf den gegenwärtig ausgeübten Betrieb dienen oder ob sie in einer besonderen Beziehung zu diesem Betrieb stehen1. Absetzungen für Abnutzung sind nicht nach den Grundsätzen der Gebäudeabschreibung gem. § 7 Abs. 4 EStG, sondern gem. § 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Im Erwerbsfall muss für diese als bewegliche Gegenstände geltenden Wirtschaftsgüter der auf diese entfallende Kaufpreisteil gesondert ausgewiesen werden, da diese Gegenstände keiner Grunderwerbsteuer unterliegen. Sofern es sich bei dem Veräußerer um einen Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn handelt, fällt Umsatzsteuer an. c) Anlage- und Umlaufvermögen Grund und Boden zählt i.d.R. zum Anlagevermögen. Bei Bauträgerunternehmen und 1.575 im Falle des gewerblichen Grundstückshandels stellen Grundstücke Umlaufvermögen2 dar, so dass insbesondere die Bildung einer Rücklage gem. § 6b EStG und Abschreibungen gem. § 7 EStG ausgeschlossen sind. d) Geringwertige Grundstücksteile und Arbeitszimmer im Wohngebäude Eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteile brauchen gem. § 8 EStDV nicht als Be- 1.576 triebsvermögen behandelt zu werden, wenn ihr Wert nicht mehr als ein Fünftel des gemeinen Werts des gesamten Grundstücks und nicht mehr als 20.500 t beträgt. Gemäß R 4.2 Abs. 8 Satz 7 EStH 2013 besteht in diesem Fall ein Wahlrecht, den Grundstücksteil weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln oder zum Teilwert zu entnehmen. e) Gewinnrealisierung Neben der Veräußerung führt auch die sonstige Beendigung der betrieblichen Nut- 1.577 zung, insbesondere die Entnahme eines Grundstückes aus dem Betriebsvermögen zur Gewinnrealisierung. Im Unterschied zur Entnahme können bei der entgeltlichen Veräußerung eines Betriebsgrundstückes des Anlagevermögens Rücklagen gem. § 6b EStG gebildet und auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden. Nach Auffassung der FinVerw. können begünstigte Wirtschaftsgüter nach §§ 6b, 6c EStG zwischen Mitunternehmerschaften veräußert und (gleichzeitig) ein dabei realisierter Gewinn bei der erwerbenden Mitunternehmerschaft im Rahmen der Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter übertragen werden, soweit die Anschaffungsoder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter anteilig dem Mitunternehmer der anschaffenden Gesellschaft zuzurechnen sind und soweit der begünstigte Gewinn anteilig auf diesen Mitunternehmer entfällt3. Das veräußerte Wirtschaftsgut und 1 Vgl. gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen v. 15.3.2006, BStBl. I 2006, 314 Tz. 3.1. 2 Vgl. BFH v. 25.10.2001 – IV R 47, 48/00, BStBl. II 2002, 289. 3 R 6b.2 Absatz 7 EStH 2021.
Schallmoser 115
Kap. 1 Rz. 1.577 Steuerorientierte Immobilienübertragung
das angeschaffte/hergestellte Wirtschaftsgut, auf das die stillen Reserven übertragen werden sollen, kann hierbei identisch sein, so dass §§ 6b, 6c EStG auch bei „Veräußerungen an sich selbst“ (bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise) anwendbar sind1. Die Gewinnrealisierung lässt sich auch durch die Übertragung gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in das Betriebsvermögen einer GmbH & Co. KG oder durch Bildung von Sonderbetriebsvermögen vermeiden2. f) Anliegerbeiträge als Anschaffungskosten
1.578 Anschaffungskosten sind gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Dazu gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB3. Zu den Anschaffungskosten zählen auch die Aufwendungen des Erwerbers, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen, somit Beiträge zur erstmaligen Erschließung eines Grundstücks4, s. Rz. 1.964. Hingegen sind Ergänzungsbeiträge, die die Eigentümer bereits erschlossener Grundstücke zur Errichtung öffentlicher Anlagen zu leisten haben, als Erhaltungsaufwand zu behandeln5 (s. Rz. 1.966 ff.). g) Rückstellung für Rückabwicklung
1.579 Ein Verkäufer darf wegen seiner Verpflichtung zur Rückerstattung des Kaufpreises keine Rückstellung bilden, wenn er am Bilanzstichtag mit dem Rücktritt des Käufers nicht rechnen muss; dies gilt auch dann, wenn die Wandlung noch vor der Aufstellung der Bilanz erklärt wird. Ist jedoch bereits am Bilanzstichtag eine Vertragsauflösung durch Rücktritt oder Wandlung wahrscheinlich, so ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen des Risikos der drohenden Vertragsauflösung zu bilden6. 3. Kaufvertrag eines Betriebsgrundstücks Anmerkungen zu diesem Muster unter Rz. 1.581 ff.
1 Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz v. 5.8.2019 – S 2139-St 31 1, FMNR3c7470019, juris. 2 Vgl. Spiegelberger, ZEV 2003, 392 ff. 3 Vgl. BFH v. 19.12.2000 – IX R 100/97, BStBl. II 2001, 345 = FR 2001, 543 m. Anm. Fischer; v. 17.10.2001 – I R 32/00, BStBl. II 2002, 349 = FR 2002, 575. 4 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – III R 114/95, BStBl. II 1997, 811 = FR 1997, 902 m. Anm. Glanegger. 5 Vgl. BFH v. 13.9.1984 – IV R 101/82, BStBl. II 1985, 49 = FR 1985, 131; v. 2.5.1990 – VIII R 198/85, BStBl. II 1991, 448; v. 3.8.2005 – I R 36/04, BStBl. II 2006, 369 = FR 2006, 280. 6 BMF v. 21.2.2002 – IV A 6-S 2137-14/02, BStBl. I 2002, 335.
116 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.580 Kap. 1
1.580
M3 Kaufvertrag über Betriebsvermögen Beurkundet am […]
I. Sachstand Herr C ist als Alleineigentümer des im Grundbuch des AG […] vorgetragenen Grundstücks der Gemarkung R Flst. […] zu 1.000 qm eingetragen. An diesem Grundbesitz lastet nur eine Buchgrundschuld über […] Euro zugunsten der […] Bank. Auf dem Grundstück betreibt Herr C ein Hotel. Der Käufer, die Firma X Bauträger GmbH wird nach Abbruch des Gebäudes auf dem Grundstück eine Wohnanlage errichten.
II. Verkauf Herr C – nachstehend als „der Verkäufer“ bezeichnet – verkauft an die Firma X Bauträger GmbH – nachstehend als „der Käufer“ bezeichnet – a) zum Alleineigentum das in Abschnitt I. näher bezeichnete Grundstück und b) die vorhandenen Betriebsvorrichtungen samt dem Inventar laut Anlage samt allen Rechten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör.
III. Kaufpreis 1. Der Kaufpreis beträgt für a) das in Abschnitt II.a) bezeichnete Grundstück b) die in Abschnitt II.b) verkauften Betriebsvorrichtungen und das Inventar zzgl. 19 % Mehrwertsteuer i.H.v. 2. Der Gesamtkaufpreis i.H.v.
900.000 b 100.000 b 19.000 b. 1.019.000 b
ist 14 Tage nach Absendung einer Bestätigung des Notars an den Käufer zur Zahlung fällig, wonach a) die Auflassungsvormerkung für den Käufer rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde, b) die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen gesichert ist, also diesbezüglich dem Notar eine Löschungsbewilligung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt, oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, und c) die Gemeinde erklärt hat, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht nicht besteht. Schallmoser 117
Kap. 1 Rz. 1.580 Steuerorientierte Immobilienübertragung Der Notar wird beauftragt, den Beteiligten die Erfüllung der vorstehend vereinbarten Fälligkeitsvoraussetzungen schriftlich anzuzeigen. 3. Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer berechtigt und verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten. 4. Sofern im Zuge der Lastenfreistellung nicht anderweitige Zahlungsauflagen der Gläubiger ergehen, ist der Kaufpreis zu bezahlen auf das Konto des Verkäufers Nr. […] bei der […] Der Kaufpreis muss zum vereinbarten Fälligkeitstermin dem Empfängerkonto gutgeschrieben sein. 5. Der Kaufpreis ist bis zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt nicht zu verzinsen. 6. Der Notar hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass ein Verzug auch ohne Mahnung mit Ablauf der vereinbarten Zahlungsfrist eintritt.
IV. Allgemeine Vertragsbestimmungen 1. Besitzübergang Besitz, Nutzungen, Lasten und Abgaben aller Art sowie die Gefahr einer vom Verkäufer nicht verschuldeten Verschlechterung und die Verkehrssicherungspflicht gehen mit vollständiger Kaufpreiszahlung auf den Käufer über.
2. Räumung Nach Versicherung des Verkäufers bestehen keine Miet-/Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisse am Vertragsgegenstand. Der Verkäufer verpflichtet sich gegenüber dem Käufer, das Vertragsobjekt im derzeitigen Zustand besenrein zu übergeben.
3. Mängelhaftung a) Der Verkäufer schuldet den vereinbarten lastenfreien Besitz- und Eigentumsübergang des Vertragsgegenstandes, soweit nicht Rechte ausdrücklich in diesem Vertrag übernommen werden. b) Der Käufer hat den Vertragsgegenstand genau besichtigt und übernimmt ihn wie er liegt und steht, also im derzeitigen Zustand. Der Verkäufer schuldet weder ein bestimmtes Flächenmaß noch die Verwendbarkeit des Vertragsgegenstandes für bestimmte Zwecke, soweit dies nicht ausdrücklich in diesem Vertrag vereinbart ist. c) Sämtliche Ansprüche und Rechte wegen Sachmängeln am Vertragsgegenstand, insbesondere wegen des Bauzustandes bestehender Gebäude, werden hiermit ausdrücklich ausgeschlossen. Der Verkäufer erklärt, dass ihm nicht erkennbare Mängel, insbesondere auch ökologische Altlasten sowie Baulasten am Vertragsgegenstand nicht bekannt sind. Garantien werden nicht abgegeben. d) Hinsichtlich von Schadenersatzansprüchen bleibt die Haftung für vorsätzliche oder grob fahrlässig verursachte Schäden und für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des ande118 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.580 Kap. 1
ren Vertragsteils beruhen, unberührt. Einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung des anderen Vertragsteils steht diejenige seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich.
4. Gesetzliches Vorkaufsrecht Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes steht dem Käufer kein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz gegen den Verkäufer zu.
5. Abtretung/Verpfändung Die Abtretung und Verpfändung von Rechten des Käufers aus diesem Vertrag bedarf bis zur vollen Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen gemäß den näheren Bestimmungen unter Abschnitt III. dieser Urkunde der schriftlichen Einwilligung des Verkäufers.
V. Erschließungskosten Alle Erschließungskosten und Herstellungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz hat ausschließlich der Käufer zu tragen, es sei denn, dass hierüber bereits ein Bescheid dem Verkäufer zugegangen ist. Der Verkäufer versichert, dass derzeit unerledigte Erschließungskosten- und Herstellerbescheide nicht vorliegen.
VI. Grundbucherklärungen 1. Auflassung Die Vertragsteile sind über den Eigentumsübergang einig und bewilligen und beantragen die Eintragung des Käufers als Alleineigentümer im Grundbuch. Die Vertragsteile weisen den amtierenden Notar an, diese Urkunde dem Grundbuchamt erst dann zur Eigentumsumschreibung einzureichen, wenn der Verkäufer bestätigt oder der Käufer nachgewiesen hat, dass der gesamte Kaufpreis, nicht gerechnet etwaige Verzugszinsen, bezahlt ist. Der Verkäufer verpflichtet sich, dem amtierenden Notar den Eingang des Kaufpreises schriftlich zu bestätigen.
2. Lastenfreistellung Der Vollzug sämtlicher Erklärungen, die zur Freistellung des Vertragsbesitzes von nicht übernommenen Belastungen erforderlich sind, wird bewilligt und beantragt.
3. Auflassungsvormerkung Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Grundstücks bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB für den Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis im Grundbuch im Rang nach den unter Abschnitt I. dieser Urkunde aufgeführten Belastungen. Der Käufer bewilligt und beantragt schon heute die Löschung dieser Vormerkungen Zug um Zug mit Eigentumsumschreibung, sofern keine Zwischeneintragungen bestehen bleiben, die ohne Zustimmung des Käufers erfolgt sind. Die Vormerkung kann an nächstoffener Rangstelle eingetragen werden, wenn der Notar dies ausdrücklich beantragt. Schallmoser 119
Kap. 1 Rz. 1.580 Steuerorientierte Immobilienübertragung
VII. Belastungsvollmacht Der Verkäufer verpflichtet sich, bei der Bestellung von Grundpfandrechten für ein Kreditinstitut im EU-Raum mitzuwirken, die zur Finanzierung des Kaufpreises dienen. In den Urkunden über die Bestellung solcher Grundpfandrechte muss als Zweck bis zur Zahlung des Kaufpreises bestimmt werden, dass sie nur Beträge sichern, welche auf den Kaufpreis bezahlt werden. Der Käufer tritt schon heute seine Ansprüche auf Auszahlung der durch diese Grundpfandrechte abgesicherten Darlehen/Kredite zahlungshalber zur Deckung des Kaufpreises an den Verkäufer ab, welcher die Abtretung annimmt. Soweit eine Abtretung nicht statthaft ist, wird hiermit entsprechende unwiderrufliche Anweisung an die Grundpfandrechtsgläubiger erteilt. Alle übrigen Rechte und Pflichten aus dem Darlehensverhältnis bleiben beim Käufer, der auch allein zur Abrufung der auszuzahlenden Beträge befugt ist. Der Notar wird beauftragt, der Grundschuldgläubigerin vorstehende Abtretung durch Übersendung einer beglaubigten Vertragsabschrift anzuzeigen. Der Verkäufer erteilt hiermit dem Käufer Vollmacht, Grundpfandrechte bis zur Höhe des Kaufpreises mit Zinsen bis zu 18 % und einmaligen Nebenleistungen bis zu 5 %, für die vorbezeichneten Kreditinstitute und vollstreckbar nach § 800 ZPO gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer am Vertragsgegenstand zu bestellen, die in den Vordrucken und Aufträgen der Kreditgeber vorgesehenen Bedingungen anzuerkennen, Erklärungen, Bewilligungen und sonstige Anträge abzugeben und entgegenzunehmen, je gebunden an die Voraussetzung, dass die vorstehenden Vereinbarungen eingehalten werden und den Verkäufer keine Kosten treffen. Diese Vollmacht kann nur beim amtierenden Notar oder dessen amtlichen Vertreter oder Amtsnachfolger ausgeübt und nur diesen gegenüber widerrufen werden.
VIII. Hinweise Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere hingewiesen a) auf den Zeitpunkt und die Voraussetzungen des Eigentums- bzw. Rechtsüberganges; b) auf das Erfordernis einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes über die entrichtete Grunderwerbsteuer; c) darauf, dass alle Vertragsabreden vollständig und richtig beurkundet sein müssen; d) auf die erforderliche Lastenfreistellung; e) auf eine etwaige Einkommensteuerpflicht bei privaten oder betrieblichen Veräußerungen.
IX. Schlussbestimmungen 1. Kosten Unbeschadet der gesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten für Kosten und Steuern trägt der Käufer die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzuges, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer. Die Lastenfreistellungskosten treffen den Verkäufer. 120 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.589 Kap. 1
2. Ausfertigungen und Abschriften Von dieser Urkunde erhalten Ausfertigungen: die Vertragsteile nach grundbuchamtlichem Vollzug, beglaubigte Abschriften: die Vertragsteile sofort, das Grundbuchamt, die Grundpfandrechtsgläubiger, einfache Abschriften: das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle –. Vorgelesen vom Notar samt Anlage
4. Anmerkungen zum Muster
1.581
zu III: Umsatzsteuer Da das Bauträgerunternehmen nicht den Hotelbetrieb des Verkäufers fortführt, handelt es sich nicht eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG, die nicht umsatzsteuerbar wäre, sondern vielmehr um die Veräußerung beweglicher Gegenstände (Betriebsvorrichtungen und Inventar), so dass für das bewegliche Vermögen Umsatzsteuer anfällt, während wegen der grunderwerbsteuerpflichtigen Veräußerung des Grund und Bodens gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG für das Grundstück keine Umsatzsteuer erhoben wird. Sofern der Veräußerer z.B. fünf Jahre vor der Veräußerung Herstellungs- oder Anschaffungskosten für das Gebäude getragen hat, geht für den restlichen Vorsteuerzeitraum von fünf Jahren der Vorsteuerabzug verloren, so dass es gem. § 15a Abs. 1 UStG zu einer Nachversteuerung kommt.
1.582
zu VIII: Einkommensteuer Der Verkäufer hat den Kaufpreisteil, der den Buchwert des Grundstückes samt Gebäude, der Betriebsvorrichtungen und des Inventars übersteigt, als Veräußerungsgewinn zu versteuern. Der ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG kommt in Betracht, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet und diese Vergünstigung bisher nicht in Anspruch genommen hat. Einstweilen frei.
1.583–1.589
5. Drohender gewerblicher Grundstückshandel Literatur: Dorn/Langeloh, Gewerblicher Grundstückshandel durch Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft in mehrstufigen Strukturen?, DStRE 2016, 1455; Figgener/ von der Tann, Gewerblicher Grundstückshandel allein durch Zurechnung der Verkäufe von Personengesellschaften und Gemeinschaften – Anmerkungen zum BFH-Urt. v. 22.8.2012 –
Schallmoser 121
Kap. 1 Rz. 1.590 Steuerorientierte Immobilienübertragung X R 24/11, DStR 2012, 2579; Haug/Figgener/Kiesel, Immobilienveräußerungen auf Druck der Bank: Immer gewerblicher Grundstückshandel?, DStR 2010, 1324; Mörchen, Gewerblicher Grundstückshandel, RnotZ 2020, 309. Siehe ferner die Literaturnachweise vor Rz. 11.1.
a) Sachverhaltsermittlung und Gestaltungsüberlegungen
1.590 Beispiel: Rentner R erscheint Jahr für Jahr bei Notar N, um jeweils eine Eigentumswohnung zu verkaufen. Beim Verkauf der vierten Eigentumswohnung äußert sich Notar N anerkennend über die Geschäftstüchtigkeit von R.
1.591 Die Veräußerung mehrerer Immobilien in einem Zeitraum von fünf Jahren kann einkommensteuerfrei sein, wenn sich der Vorgang als Beendigung einer langjährigen Vermögensverwaltung darstellt, ist aber als gewerblicher Grundstückshandel gem. § 15 Abs. 2 EStG steuerpflichtig, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, gegeben ist, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Auf die systematische Darstellung in Kap. 11 wird verwiesen. 1.592 Vorab ist auf das Erfordernis der Sachverhaltsermittlung und auf Gestaltungsüberlegungen1 hinzuweisen, mit deren Hilfe sich die negativen Folgen des gewerblichen Grundstückshandels vermeiden oder zumindest mildern, bzw. dessen Vorteile nutzen lassen. Als Indizien für einen einkommen- und gewerbesteuerpflichtigen Grundstückshandel kommen insbesondere folgende Aktivitäten in Betracht: – Aufschließung und Parzellierung von Grundstücken2, – Ankauf, Bebauung und zeitnahe Veräußerung3, – Erwerb und Veräußerung mehrerer Immobilien innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs4, es sei denn, dass sich die Veräußerung als Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellt, so dass der Besitzzeit entscheidende Bedeutung zukommt5, – Beteiligung an einer Personengesellschaft, die mehrere Immobilien innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs veräußert.
1 Vgl. dazu ausführlich Tiedtke/Wälzholz, DB 2002, 652 ff.; Mörchen, RNotZ 2020, 309. 2 BFH v. 29.8.1973 – I R 214/71, BStBl. II 1974, 6 (Behandlung als Baulanderschließungsunternehmer). 3 BFH v. 15.12.1971 – I R 49/70, BStBl. II 1972, 291. 4 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492. 5 BFH v. 29.3.1973 – I R 153/71, BStBl. II 1973, 661; v. 10.8.1983 – I R 120/80, BStBl. II 1984, 137 = FR 1984, 74; v. 28.9.1987 – VIII R 46/84, BStBl. II 1988, 65 = FR 1988, 25.
122 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.595 Kap. 1
1.593
Übersicht: Gewerblicher Grundstückshandel
Eigentümer veräußert innerhalb von fünf Jahren
Nicht mehr als drei Objekte
Mehr als drei Objekte nach zehnjähriger Vermietung
Kein gewerblicher Grundstückshandel
Mehr als drei Objekte nach kurzfristiger Vermietung
Gewerblicher Grundstückshandel
b) Verteilung der Grundstücksaktivitäten auf mehrere Personen
1.594
Beispiel: Eine Erbengemeinschaft, bestehend aus sechs Personen, errichtet auf dem ererbten Grundstück ein Zwölffamilienhaus unter Aufteilung in Wohnungseigentum. Sechs Wohnungen werden verkauft, jeder Miterbe behält für sich eine Wohnung zur Selbstnutzung1.
Die Gefahr des gewerblichen Grundstückshandels kann wesentlich verringert wer- 1.595 den, wenn die Aktivitäten von vornherein auf mehrere Personen verteilt werden. Am sichersten ist es, bereits bei dem Erwerb eine Verteilung beispielsweise auf Ehegatten oder Kinder vorzunehmen. Ist auf der Beschaffungsseite nicht bereits dieser Weg beschritten worden, befindet sich der Großteil der in Zukunft zu veräußernden Objekte mithin in einer Hand, so empfiehlt es sich, den Grundbesitz langfristig vor einer Veräußerung an Ehegatten und Kinder unentgeltlich oder teilentgeltlich zu übertragen. Kurzfristige Gestaltungen können gem. § 42 AO einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen, mit denen das Steuerrecht nicht umgangen werden kann2. 1 BFH v. 22.3.1990 – IV R 23/88, BStBl. II 1990, 637 = FR 1990, 460; die bloße Veräußerung von Grundstücken, die durch Erbschaft oder unentgeltlich erworben wurden, bleibt beim gewerblichen Grundstückshandel unberücksichtigt, vgl. BFH v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375 = FR 2007, 247 = DStR 2006, 2209 = ZfIR 2007, 589. 2 Vgl. FG Münster v. 7.5.2002 – 1 K 2106/00 E, rkr., DStRE 2002, 1273; dem Urteil des BFH v. 15.3.2005 – X R 39/03, BStBl. II 2005, 817 = FR 2005, 943 m. Anm. Fischer = DStR
Schallmoser 123
Kap. 1 Rz. 1.596 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.596 Der BFH1 prüft derartige Fälle – nach den Grundsätzen über die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, – nach den Grundsätzen über sog. Strohmanngeschäfte bzw. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO), – unter dem Aspekt des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO).
1.597 Der BMF will sogar Veräußerungen des Erwerbers beim Veräußerer mitzählen2. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen und ist von der Rechtsprechung des BFH nicht gedeckt. 1.598 Es ist darauf zu achten, dass die von Ehegatten oder Kindern realisierten Gewinne bei diesen verbleiben. Andernfalls könnte wiederum entweder § 42 AO eingreifen oder aber die Finanzverwaltung eine Mitunternehmerschaft aufgrund eines stillschweigend abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages annehmen. Auf diese Art und Weise würden wiederum die Immobiliengeschäfte aller Familienangehöriger zusammengerechnet! 1.599 Beispiel: Die Grundstücksgesellschaft ABCDE-GbR verfügt über fünfzehn Immobilien und will zehn davon verkaufen. Sie ist bisher noch rein vermögensverwaltend tätig gewesen. Einige der Gesellschafter haben in der Vergangenheit auch außerhalb der Gesellschaft in geringem Umfang Immobiliengeschäfte getätigt. Sie befürchten nun die nachträgliche Infektion dieser bisher als privat behandelten Geschäfte.
1.600 Bei einem Verkauf der Immobilien durch die Gesellschaft würden jedem Gesellschafter alle zehn Verkäufe in vollem Umfang zugerechnet. Die Gewerblichkeit der Einkünfte wäre gewiss. Auch die anderen Grundstücksaktivitäten der Beteiligten würden infiziert. Hier bietet sich eine vorherige Teilauseinandersetzung der Gesellschaft an3. Werden je zwei Immobilien im Wege der Teilauseinandersetzung – nicht im Wege eines Verkaufs wie unter fremden Dritten! – auf je einen Gesellschafter übertragen und verkaufen diese später selbständig, so realisiert jeder Gesellschafter nur zwei weitere Objektverkäufe. Allerdings ist darauf zu achten, dass § 42 AO nicht eingreift und keine verdeckte Mitunternehmerschaft angenommen wird. Somit sollten erhebliche „Schamfristen“ eingehalten und keine wechselseitigen Gewinnbetei-
2005, 1127 lag der Sachverhalt zugrunde, dass die beschenkten Söhne den Grundbesitz am Tag der Schenkung an eine GmbH weiterveräußerten. Der BFH stützte seine Entscheidung jedoch nicht auf § 42 AO, sondern auf den Grundsatz, dass die private Überlassung einer betrieblichen Erwerbschance eine Verfügung über bezogenes Einkommen darstelle. 1 BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann = DNotI-Report 2003, 51 = NJW 2003, 1141. 2 BMF v. 26.3.2004 (DE CD) – IV A 6-S 2240-46/04, BStBl. I 2004, 434 Tz. 9. 3 Vgl. auch Obermeier, NWB Fach 3, 10017 (10042).
124 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.602 Kap. 1
ligungen vereinbart werden. Eine lediglich interne Zuordnung von Grundbesitz zu einzelnen Gesellschaftern ohne Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen genügt nicht1. Übersicht: Drei-Objekt-Grenze bei Personengesellschaft/-gemeinschaft
1.601
Drei-Objekt-Grenze bei Beteiligung an einer Personengesellschaft (-gemeinschaft)
Ebene der Gesellschaft
Ebene des Gesellschafters
Die Gesellschaft ist nicht gewerblich tätig
Die Gesellschaft ist gewerblich tätig
Beteiligung des Beteiligung des Gesellschafters von Gesellschafters von mindestens 10 % weniger als 10 %
Der Gesellschaft werden die Eigengeschäfte des Gesellschafters nicht zugerechnet
Die Grundstücksgeschäfte der Gesellschaft sind Objekte des Gesellschafters
Die Grundstücksgeschäfte der Gesellschaft sind nicht Objekte des Gesellschafters
Die Grundstücksgeschäfte sind dem Gesellschafter zuzurechnen
1.602
Einstweilen frei.
1 Obermeier, NWB Fach 3, 10017 (10042) m.w.N.
Schallmoser 125
Kap. 1 Rz. 1.603 Steuerorientierte Immobilienübertragung
c) Abschirmwirkung gewerblicher Tätigkeiten durch Einschaltung einer GmbH aa) Allgemeines
1.603 Im Grundsatz ist von einer Abschirmwirkung einer GmbH auszugehen. Immobilienveräußerungen von Kapitalgesellschaften, an denen ein Steuerpflichtiger beteiligt ist, sind weder ganz noch anteilig dem Gesellschafter zuzurechnen. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von der bei Personengesellschaften. 1.604 Eine Durchbrechung der Abschirmwirkung, wonach Verkäufe einer GmbH einem Gesellschafter zugerechnet werden, hat die Rechtsprechung allerdings in Ausnahmefällen1 angenommen. Dies ist zunächst der Fall, wenn ein Gesellschafter bzw. Mitgesellschafter ein Angebot über mehrere Objekte – an durch seine GmbH zu benennende Dritte – abgegeben hat. In diesem Fall rechtfertigt bereits § 164 BGB eine Zurechnung beim Gesellschafter. Im Übrigen hat die Rechtsprechung auch dann einen gewerblichen Grundstückshandel bejaht, wenn mehrere Objekte in eine GmbH eingebracht oder an diese verkauft und kurze Zeit später von der GmbH weiterverkauft wurden. In diesen Fällen planmäßigen Handelns entsteht durch die Zwischenschaltung einer GmbH keine Abschirmwirkung2 (s. hierzu auch Rz. 11.54). Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Gestaltungsmöglichkeiten: 1.605 Beispiel: Der Steuerpflichtige S hat bereits zwei Objekte innerhalb von fünf Jahren angeschafft und verkauft. Nun möchte er ein unbebautes Grundstück kaufen, selbst mit drei Eigentumswohnungen bebauen und anschließend verkaufen.
1.606 Hier besteht die Gefahr einer Infizierung der beiden vorangegangenen Objektverkäufe durch die später hinzukommenden drei errichteten und weiterverkauften Objekte. Um eine Infizierung der bisher getätigten Verkäufe zu vermeiden, kann es sich anbieten, eine GmbH zu gründen und den Ankauf, die Errichtung und den Weiterverkauf durch die GmbH durchführen zu lassen. Auf diese Art und Weise werden die gewerbliche Sphäre und die nicht gewerbliche Sphäre voneinander getrennt3.
1 Grundstücksaktivitäten unter Zwischenschaltung einer GmbH können nach dem BFH-Urteil v. 18.3.2004 – III R 25/02, BStBl. II 2004, 787 = GmbHR 2004, 958 m. Anm. Mildner = GmbH-StB 2004, 195 dem handelnden Alleingesellschafter-Geschäftsführer im Falle eines Gestaltungsmissbrauchs zugerechnet werden; für die Annahme einer Missbrauchsgestaltung kann sprechen, dass die Mittel für den an den Gesellschafter zu entrichtenden Kaufpreis zu einem erheblichen Teil erst aus den Weiterverkaufserlösen zu erbringen sind. 2 Vgl. BFH v. 19.9.2002 – X R 51/98, BStBl. II 2003, 394 = FR 2003, 508 = GmbHR 2003, 600 = DStR 2003, 682. 3 Ebenso Hofer, DStR 2000, 1635 (1638) m.w.N.; Obermeier, NWB Fach 3, 10017 (10037) m.w.N.; a.A. aber Weber-Grellet, DStR 1995, 1341 (1342).
126 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.611 Kap. 1
bb) Überlegungen aus Verkäufersicht
1.607
Abwandlung: Der Steuerpflichtige überlegt, Gesellschaftsanteile an der neu gegründeten GmbH, die den Ankauf, die Errichtung und den Weiterverkauf der Objekte übernimmt, zu verkaufen.
Aus Verkäufersicht hat das in der Abwandlung skizzierte Vorgehen erhebliche Vorteile:
1.608
(1) GmbH-Anteile im Betriebsvermögen Ist der steuerpflichtige Veräußerer zu 100 % an seiner GmbH beteiligt, so waren die 1.609 erzielten Gewinne aus der Veräußerung seiner GmbH-Beteiligung bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 nach § 16 Abs. 1, Abs. 4 EStG (tarif-)begünstigt1. Seit dem Veranlagungszeitraum 2002 unterliegt der Verkauf von Kapitalgesellschaftsanteilen dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (s. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG bei fortbestehendem Betrieb; § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b EStG bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe). Anschaffungskosten und Veräußerungserlös werden daher nach aktueller Rechtslage jeweils nur zu 60 % berücksichtigt. Faktisch sind damit nur 60 % des erzielten Gewinnes steuerpflichtig. Der ermäßigte Steuersatz bzw. die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG werden hingegen nicht (mehr) gewährt. Die Möglichkeit einer Reinvestitionsrücklage auch für Anteile an Kapitalgesellschaften gem. § 6b Abs. 10 EStG2 wird in solchen Fällen regelmäßig ausscheiden. (2) GmbH-Anteile im Privatvermögen Sind die Anteile an der Gesellschaft nicht, wie vorstehend unterstellt, Betriebsver- 1.610 mögen, sondern Privatvermögen, so gilt § 17 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. c, § 3c Abs. 2 EStG. Unter Umständen kann bei großer Häufigkeit und hohem Einsatz auf diese Weise jedoch ein gewerblicher „GmbH-Anteils-Handel“ entstehen3. (3) Anteilstausch Angesichts der Aussicht, Veräußerungsgewinne nur nach dem Teileinkünfteverfah- 1.611 ren der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG versteuern zu müssen, liegt grds. der Gedanke nahe, einen als Einzelunternehmen betriebenen gewerblichen Grundstückshandel vor einer geplanten Veräußerung im Ganzen nach § 21 UmwStG steuerneutral in eine GmbH einzubringen und anschließend die Geschäftsanteile an der GmbH zu 1 Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 138 m.w.N. 2 In der Regel werden die GmbH-Anteile schon kein Anlage-, sondern Umlaufvermögen sein, vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2002, 105 (107); Melchior, DStR 2002, 1 (3 f.). 3 BFH v. 25.7.2001 – X R 55/97, BStBl. II 2001, 809 = FR 2002, 31 m. Anm. Wendt = GmbHR 2001, 1061 m. Anm. Wiese = NJW 2001, 390 f.; einschränkend hingegen BFH v. 20.12.2000 – X R 1/97, BStBl. II 2001, 706 ff. = FR 2001, 655 = DStR 2001, 888 = NJW 2001, 3214 f. (zum Handel mit Optionskontrakten); vgl. zum Ganzen Groh, DB 2001, 2569 ff.; Blumers/Witt, DB 2002, 60 ff.
Schallmoser 127
Kap. 1 Rz. 1.611 Steuerorientierte Immobilienübertragung
veräußern. Dazu ist jedoch auf § 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG hinzuweisen, wonach bei einer Veräußerung des durch Anteilstausch erworbenen GmbH-Anteils innerhalb von sieben Jahren der Einbringungsgewinn, vermindert um jeweils ein Siebtel für jedes abgelaufene Zeitjahr, zu versteuern ist1, und der Veräußerungsgewinn. (4) Grunderwerbsteuer
1.612 Werden bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen mehr als 10 %2 der Geschäftsanteile zurückbehalten oder von einem weiteren Erwerber gekauft, kann sogar das Entstehen von Grunderwerbsteuer vermieden werden3. Der Verkauf von Anteilen an einer GmbH, die Grundbesitz hält, erfüllt nicht die Grundstücksdefinition des § 2 GrEStG. § 1 Abs. 3 GrEStG4 setzt einen Anteilsübergang oder eine Anteilsvereinigung von mindestens 90 % voraus (s. Rz. 1.1108). Beides wird durch die Zurückbehaltung von mehr als 10 % der Geschäftsanteile verhindert. Eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG setzt stets eine rechtliche Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an der Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, voraus; eine bloß wirtschaftliche Vereinigung – bspw. eine Zurechnung von Anteilen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (§ 39 Abs. 2 AO) – genügt nicht5. Die Vereinbarung von Treuhandverhältnissen wurde in (seltenen) Ausnahmefällen jedoch als schädlich angesehen6. Soll später der fehlende Geschäftsanteil noch erworben werden, darf dies nicht durch den Erwerber selbst, sondern nur durch eine andere Person wie z.B. den Ehegatten oder ein (volljähriges) Kind des ursprünglichen Erwerbers geschehen, da anderenfalls durch den Hinzuerwerb der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt wird7. cc) Überlegungen aus Käufersicht
1.613 Den geschilderten Vorteilen für den Verkäufer steht allerdings der Nachteil auf Seiten des Käufers gegenüber, dass der erworbene Grund und Boden Betriebsvermögen darstellt, so dass ein Erwerb im Allgemeinen nur für Gewerbetreibende, z.B. Bauträger, in Betracht kommt, bei denen sich der Grundbesitz immer im Betriebs-
1 Vgl. hierzu und zu den parallelen Problemen bei § 8b Abs. 2, 4 KStG Haritz, DStR 2000, 1537 (1542 ff.); Neufang, BB 2000, 1913 (1922); Töben, FR 2000, 905 (906); Hörger/Scheipers, DB 2000, 1988 ff. 2 § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. des Art. 1 des Ges. zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 m.W.v. 1.7.2021. Zur subsidiären Weitergeltung der 5 %-Grenze des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. s. § 23 Abs. 21 GrEStG. 3 Vgl. hierzu Gottwald, MittBayNot 2000, 511 ff.; Gottwald, MittBayNot 1999, 338 ff. 4 § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. des Art. 1 des Ges. zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 m.W.v. 1.7.2021. Zur subsidiären Weitergeltung des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. s. § 23 Abs. 21 GrEStG. 5 Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 708, m.w.N. 6 BFH v. 22.1.2019 – II B 98/17, GmbHR 2019, 424 = BB 2019, 1637; s.a. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 329. 7 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 329 ff.
128 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.617 Kap. 1
vermögen befindet. Die fehlende Abschreibungsmöglichkeit auf GmbH-Anteile fällt wohl nicht ins Gewicht, zumal Grund und Boden ohnehin nicht abgeschrieben werden kann. Sofern ein in der Rechtsform der GmbH operierender Bauträger die erworbenen GmbH-Anteile weiterveräußern will, könnte er dies gem. § 8b Abs. 2 und 5 KStG mit einer nur fünfprozentigen Gewinnbesteuerung vornehmen. d) Aufhebung von Wohnungseigentum Wurde ein Objekt bereits vor einiger Zeit nach dem Wohnungseigentumsgesetz auf- 1.614 geteilt und steht nun ein Verkauf an, durch den möglicherweise der gewerbliche Grundstückshandel begründet wird, so kann es sich anbieten, das Wohnungseigentum zunächst aufzuheben, um normales Grundstückseigentum zu erhalten. Wird anschließend das Grundstück als Ganzes verkauft, so wird dies nach der neuen Rechtsprechung des BFH lediglich als ein Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze gezählt. Der Einwand des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) ist in diesem Zusammenhang 1.615 u.E. nicht zu befürchten, ist doch inzwischen uneingeschränkt anerkannt1, dass auch (nicht in Wohnungseigentum aufgeteilte) Mehrfamilienhäuser als nur ein Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze zählen2. e) Vermeidung von Zusatztätigkeiten Da Erschließungstätigkeiten3, Initiativen im Rahmen der Bauplanung oder gar de- 1.616 ren Erstellung und eigene Bautätigkeit sowie der Abschluss städtebaulicher Verträge auf eigene Initiative auch bei nur geringer Verkaufstätigkeit zum gewerblichen Grundstückshandel führen können, sollten Aktivitäten dieser Art vermieden werden. f) Beteiligung an Immobilien-Personengesellschaften unter 10 % Die Veräußerung eines Kommanditanteils an einer gewerblich geprägten Grund- 1.617 stücksgesellschaft ist steuerrechtlich als – anteilige – Übertragung so vieler Objekte i.S.d. Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel (Indizwirkung der sog. Drei-Objekt-Grenze) zu werten, als sich im Gesamthandseigentum der Personengesellschaft befinden4.
1 BFH v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530 = FR 2000, 820 m. Anm. Weber-Grellet = DStR 2000, 1131 = MittBayNot 2000; v. 18.5.1999 – I R 118/97, BStBl. II 2000, 28 = FR 1999, 944 m. Anm. Fischer = GmbHR 1999, 930 = DStR 1999, 1263; Hofer, DStR 2000, 1635 (1636); FinMin. Sachsen v. 12.1.2001, DStR 2001, 215. 2 Ein ungeteiltes Grundstück mit fünf (!) freistehenden Mehrfamilienhäusern ist nur ein Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze, BFH v. 5.5.2011 – IV R 34/08, BStBl. II 2011, 787 = FR 2011, 807 m. Anm. Kanzler = DStR 2011, 1370. 3 FinMin. Bayern v. 4.1.2000 – 31-S 2240-1/182-1 005, DStR 2000, 554. 4 Vgl. BFH v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250.
Schallmoser 129
Kap. 1 Rz. 1.618 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.618 Da nach Auffassung der Finanzverwaltung1 Immobilienverkäufe von Personengesellschaften nur dann ihren Gesellschaftern zugerechnet werden, wenn die Gesellschafter zu mindestens 10 % an der Personengesellschaft beteiligt sind oder der anteilige Wert des Grundbesitzes über 250.000 t liegt, ist es steuergünstiger, das Engagement an der Gesellschaft auf möglichst viele Köpfe zu verteilen. Dies sollte jedoch nur durch unentgeltliche Übertragungen innerhalb der Familie erfolgen, da sonst ein echtes Veräußerungsgeschäft vorliegen könnte, das zu einem gewerblichen Grundstückshandel führen würde. g) Bestellung von Erbbaurechten und Dauerwohnrechten
1.619 Die Bestellung eines Erbbaurechtes2 gem. § 1 ErbbauRG oder Dauerwohnrechts gem. §§ 31 ff. WEG an unbebauten Grundstücken führt nicht zu einem Objektverbrauch i.S.d. gewerblichen Grundstückshandels. Allerdings ist hierbei darauf zu achten, dass alle ungewöhnlichen Nebenabreden zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erbbauberechtigten führen können und damit sowohl ein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 EStG als auch ein Objektverkauf i.S.d. DreiObjekt-Grenze realisiert werden könnte. Kurzfristige Ankaufsrechte sollten vermieden werden. Die gem. § 2 Nr. 7 ErbbauRG zum Inhalt eines Erbbaurechtes gehörende Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das Grundstück an den jeweiligen Erbbauberechtigten zu verkaufen, kann grundsätzlich nicht beanstandet werden. 1.620 Bei Bestellung eines Erbbaurechts an einem bebauten Grundstück geht mit der Bestellung des Erbbaurechts das Eigentum am Gebäude auf den Erbbauberechtigten über. Darin könnte eine Objektveräußerung zu sehen sein3. 1.621 Die Bestellung eines Erbbaurechts führt allerdings nicht zur völligen Steuerfreiheit von Gegenleistungen. Diese sind als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG steuerbar. Aufgrund der üblichen zeitlichen Streckung entstehen jedoch Progressionsvorteile. h) Aufrollung früherer Grundstücksveräußerungen
1.622 Durch später hinzutretende Umstände können rückwirkend auch bisher steuerfrei belassene Grundstücksgeschäfte aus einer ex post-Betrachtung das Gesamtbild eines Gewerbebetriebes ergeben mit der Möglichkeit der Berichtigung rechtskräftiger Veranlagungen gem. § 173 AO. Nach dem BMF-Schreiben vom 31.3.19884 sind bei der 1 BMF v. 26.3.2004 (DE CD) – IV A 6-S 2240-46/04, BStBl. I 2004, 434 Tz. 14. 2 Die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts ist kein Zählobjekt i.S.d. Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel, vgl. BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler; hingegen kommt ein bereits bestelltes Erbbaurecht bei der Weiterveräußerung als Zählobjekt in Betracht, vgl. BFH v. 3.7.2002 – XI R 31/99, BFH/NV 2002, 1559. 3 So Kirchhof/Seer/Krumm21, § 15 EStG Rz. 123 unter Hinweis auf BFH v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390 ff. = FR 1999, 307. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04, BStBl. I 2004, 434 Tz. 5.
130 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.627 Kap. 1
Abgrenzung alle Umstände des Einzelfalles in ihrer Gesamtheit zu würdigen, insbesondere auch ein Zusammenhang der Grundstücksgeschäfte mit einer sonstigen beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen1. Tatsachen, die anlässlich einer Außenprüfung für einen Zeitraum bekannt werden, 1.623 für den ein Verwertungsverbot besteht, können dennoch in Änderungsbescheiden gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berücksichtigt werden, wenn ohne sie die Steuerpflicht für einen den Zeitraum übergreifenden Gesamtkomplex nicht begründet werden könnte2. Nach Auffassung des BFH3 ist die Veräußerung eines vierten Objektes im Rahmen 1.624 seines gewerblichen Grundstückshandels kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, da aus der Veräußerung des vierten Objektes nicht geschlossen werden kann, dass die bedingte Veräußerungsabsicht auch bereits bei dem Erwerb des ersten Objektes vorhanden gewesen war4. i) Gewerblicher Grundstückshandel zur Verlustverwertung Sollten aus Immobiliengeschäften Verluste erwartet werden, so kann es sich an- 1.625 bieten, einen gewerblichen Grundstückshandel zu begründen. Ein gewerblicher Grundstückshandel unterliegt nicht der eingeschränkten Verlustberücksichtigung des § 23 Abs. 3 EStG. Allerdings ist auch hier zu vermeiden, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Liebhaberei mangels Gewinnerzielungsabsicht beurteilt wird. j) Steuerbegünstigte Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels Die Veräußerung sämtlicher Grundstücke an einen oder mehrere Erwerber zur Be- 1.626 endigung des gewerblichen Grundstückshandels ist nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigt und gewerbesteuerpflichtig. Günstiger ist dagegen eine Betriebsaufgabe durch Überführung der Grundstücke in das Privatvermögen. Insoweit sind die in Kap. 11 genannten Voraussetzungen zu beachten. Den Gestaltungsweg, die Gewerbesteuerfreiheit und die Vorteile der §§ 16 Abs. 4, 1.627 34 EStG durch steuerneutrale (§ 24 UmwStG) Einbringung des Betriebes in eine Mitunternehmerschaft und Veräußerung des Unternehmens durch Übertragung des Mitunternehmeranteils5 zu erreichen, hat der BFH6 versperrt. Bei der Veräußerung eines Personengesellschaftsanteils mit einem gewerblichen Grundstückshandel
1 Zur Veräußerung eines einzigen Immobilienobjektes durch eine von Branchenangehörigen gegründete Personengesellschaft als gewerbliche Tätigkeit vgl. Zacharias/Rinnewitz/Kleinjohann, FR 1985, 653. 2 Vgl. BFH v. 21.10.1986 – VIII R 243/83, BStBl. II 1987, 284. 3 BFH v. 6.7.1999 – VIII R 17/97, BStBl. II 2000, 306 = FR 1999, 1260 = DStR 1999, 1733. 4 Kritisch hierzu Söffing, DStR 2000, 916. 5 Vgl. auch Prinz, DStR 1996, 1145 (1149). 6 BFH v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BStBl. II 2007, 777 = FR 2007, 550 m. Anm. Wendt = GmbHR 2007, 269.
Schallmoser 131
Kap. 1 Rz. 1.627 Steuerorientierte Immobilienübertragung
entsteht hinsichtlich der Grundstücke immer ein laufender gewerblicher Gewinn. Erfolgt die Überführung des Grundbesitzes in eine Mitunternehmerschaft nicht nach § 24 UmwStG, sondern nach § 6 Abs. 5 EStG, so ist die dort genannte dreijährige Sperrfrist zu beachten1. k) Beratungsgefahren
1.628 Der gewerbliche Grundstückshandel ist eines der schwierigsten steuerlichen Beratungsfelder. Ein besonderes Augenmerk ist auf die exakte Sachverhaltsermittlung zu legen. Insbesondere ist auch zu erfragen, ob innerhalb der letzten fünf Jahre – eine Wohnung im Ausland verkauft, – eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds veräußert, – eine wesentliche Renovierungstätigkeit durchgeführt oder – ein Kaufvertrag rückabgewickelt wurde.
1.629 Die vorstehenden Beispiele belegen, dass bereits kleine Veränderungen des Sachverhalts, die die Beteiligten in der Regel für unwesentlich erachten, zur Umkehrung der steuerlichen Lage führen kann. Es ist daher äußerste Vorsicht geboten. In der Regel empfiehlt es sich, sämtliche grundstücksbezogenen Sachverhalte, die in den vergangenen zehn Jahren verwirklicht wurden, genau zu ermitteln und erst dann sich ein abschließendes Bild über die steuerliche Situation zu machen. 1.630 Darüber hinaus resultieren Risiken im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels daraus, dass feste Regeln hinsichtlich der Anzahl der Objekte und der Zeiträume der Veräußerung nicht bestehen. Während im Regelfall zwar nur Verkäufe innerhalb von fünf Jahren berücksichtigt werden, kann es, wie gezeigt, im Einzelfall doch zu einer Berücksichtigung von Veräußerungen außerhalb dieses Fünf-JahresZeitraumes kommen. 1.631 Die nachfolgende Checkliste mag bei der umfassenden Aufklärung des steuerlich relevanten Sachverhalts helfen. l) Checkliste gewerblicher Grundstückshandel
1.632 Sachverhaltsermittlung – Anzahl der Verkäufe im In- und Ausland Objekt
Zeitpunkt Ankauf
Zeitpunkt Verkauf
Besonderheiten
1 Vgl. dazu Melchior, DStR 2002, 1 (2 f.); Rödder/Schumacher, DStR 2002, 105 (106 f.); kritisch zum Grundsatz Reiß, BB 2001, 1225 (1228).
132 Schallmoser
Rz. 1.641 Kap. 1
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
– Parzellierung oder Aufteilung nach WEG – Beruf des Verkäufers (Branchennähe) – Mitwirkung bei Baureifmachung, Erschließung, Erstellung von Bebauungsplänen – Selbständiger Verkauf von Miteigentumsanteilen – Verkaufsannoncen weiterer Objekte – Bautätigkeiten durch Herstellung oder Renovierung – Teilentgeltliche Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – Beteiligung an Immobilienkapitalgesellschaften – Beteiligung an Immobilienpersonengesellschaften Gesellschaft, Höhe der Beteiligung
Anzahl der Verkäufe der Gesellschaft
Anzahl Immobilien Gesamthandsvermögen
Anteilsveräußerung
– Verkäufe an eigene Gesellschaften (einschließlich Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) – Rückabgewickelte Kaufverträge. Einstweilen frei.
1.633–1.639
IV. Grundstücke im freiberuflichen Betriebsvermögen Literatur: Gluth/Rund, Fallstricke in der Steuerberatungspraxis, StB-Sonderheft 2012/2013, 3; Korch, Haftungsrisiken in der PartG mbB – interdisziplinäre Partnerschaften und Fragen der Rechtsscheinhaftung, GmbHR 2016, 150; Levedag, Aufnahme neuer Gesellschafter in eine Sozietät nach dem Gewinnvorabmodell, NWB 2016, 534; Schoor, Unternehmensnachfolge bei Freiberuflern – Gestaltungsüberlegungen und Lösungen, NWB-EV Nr. 3.2016, 1; Römermann, Praxisverkauf und Praxisbewertung bei Freiberuflern – Ein (scheinbar) unlösbares Problem, NJW 2012, 1694.
1.640
Beispiel: Notar N verkauft nach 30-jähriger Berufstätigkeit drei Jahre vor Beendigung des Notardienstes seine Kanzleiräume an den Sozius. Welche steuerlichen Grundsätze hat N nicht beachtet? Gibt es noch eine Korrekturmöglichkeit?
1. Notwendiges Betriebsvermögen Der freiberuflich Tätige, der seine Berufstätigkeit in eigenen Räumen ausübt, schafft 1.641 damit notwendiges Betriebsvermögen. Die einkommensteuerrechtlichen Regelungen für Betriebsvermögen gelten auch für die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG enumerativ aufgeführten freiberuflich Tätigen, also Schallmoser 133
Kap. 1 Rz. 1.641 Steuerorientierte Immobilienübertragung
für Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Ingenieure, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. sowie für die in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesprochenen sonstigen selbständig Arbeitenden1, z.B. Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter und Aufsichtsratsmitglieder, jedoch mit dem Unterschied, dass Veräußerungsvorgänge nicht der Gewerbesteuer unterliegen. 2. Entnahme bei Beendigung der Berufstätigkeit
1.642 Nicht nur durch die Veräußerung, sondern auch durch die Pensionierung oder durch das sonstige Ausscheiden aus der Berufstätigkeit wird die Betriebsvermögenseigenschaft beendet, so dass alle freiberuflichen stillen Reserven der Einkommensbesteuerung unterliegen. 1.643 Gewerbetreibende können ihre Betriebe nach der Rechtsprechung des BFH2 unter Buchwertfortführung verpachten; ein früher bestehendes (berufsrechtliches) Verbot der Praxisverpachtung für freiberuflich Tätige3 ist mit der Neufassung der Berufsordnung der Steuerberater (BOStB) mit Wirkung vom 1.1.2011 aufgehoben worden; eine Verpachtung unter Buchwertfortführung ist danach auch für diese Berufe grds. möglich. Um eine Infizierung mit der Folge der Gewerbesteuerpflicht der Sozietät zu vermeiden, muss auch der Gesamtrechtsnachfolger, dem die berufsrechtlichen Voraussetzungen eines Freiberuflers fehlen, innerhalb von sechs Monaten den ererbten Sozietätsanteil auf die übrigen Sozietätsangehörigen übertragen4.
1.644 Hinweis: In dem Beispielsfall hat Notar N bei der Anschaffung oder Herstellung der Kanzleiräume offensichtlich nicht bedacht, dass bei seiner Pensionierung unausweichlich die im Laufe seiner Berufstätigkeit entstehenden stillen Reserven aufgedeckt werden müssen. In den meisten Fällen entschließen sich daher Freiberufler, ihre Ehegatten die Kanzleiräume erwerben zu lassen, so dass steuerliches Privatvermögen entsteht; die Absicherung für den Fall des Versterbens des Ehegatten oder der Ehescheidung wird sodann durch Ehe- und Erbvertrag geregelt. Bedingte Erwerbsrechte im Ehe- und Erbvertrag führen noch nicht zum wirtschaftlichen Eigentum des Freiberuflers.
1.645 Einstweilen frei. 3. Ermäßigter Steuersatz
1.646 Die weitere steuerliche Fehlgestaltung im Beispielsfall besteht darin, dass der ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG nur gewährt wird, wenn das gesamte Be-
1 Zum Begriff der sonstigen selbständigen Arbeit vgl. BFH v. 28.8.2003 – IV R 1/03, GmbHR 2004, 193 = GmbH-StB 2004, 38 = DB 2004, 233. 2 Grundlegend: BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124. 3 Vgl. § 59 Abs. 6 BOStB a.F. 4 Vgl. BMF v. 11.1.2006 – IV B 2-S 2242-2/04, BStBl. I 2006, 253 Tz. 8.
134 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.648 Kap. 1
triebsvermögen einschließlich des freiberuflichen Sonderbetriebsvermögens im engen zeitlichen Zusammenhang veräußert oder in das Privatvermögen überführt wird. Hierzu zählen auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie etwa der Mandantenstamm1. 4. Arbeitszimmer Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG unterliegen die Aufwendungen für ein 1.647 häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich einem Abzugsverbot als Betriebsausgaben oder Werbungskosten, es sei denn, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Unabhängig von den Abzugsbeschränkungen stellt das im Wohnhaus des Freiberuflers gelegene Arbeitszimmer Betriebsvermögen dar (vgl. Rz. 1.647 ff.), so dass sowohl die Beendigung der Berufstätigkeit als auch die Veräußerung des Wohngebäudes die Einkommensbesteuerung der stillen Reserven auslösen. Für die Berechnung des Gewinns aus der Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit (§ 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG) ist der sich nach Abzug der AfA ergebende Buchwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) des häuslichen Arbeitszimmers auch dann maßgeblich, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der Höhe nach beschränkt war. Eine Gewinnkorrektur im Hinblick auf den nicht abzugsfähigen Teil der AfA kommt nicht in Betracht2. Anders ist dies u.E., wenn sich das Wohngebäude im Eigentum des anderen, nicht freiberuflich tätigen Ehegatten befindet. Denn der BFH legt den Begriff der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entsprechend dem Normzweck sehr weit und eigenständig aus; danach genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um typisierend davon auszugehen, dass ein vom Freiberuflerehegatten genutztes häusliches Arbeitszimmer stets „auch“ zu eigenen Wohnzwecken (z.B. durch den anderen Ehegatten) genutzt wird. Wird daher eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte, im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehende Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn regelmäßig auch insoweit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein vom Freiberuflerehegatten zur Erzielung von Einkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt3. 5. Steuerneutrale Übertragung Die steuerpflichtige Aufdeckung der im freiberuflich genutzten Immobilienvermö- 1.648 gen enthaltenen stillen Reserven kann in der Weise vermieden werden, dass die Immobilie gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG auf eine vom Steuerpflichtigen gegründete
1 Vgl. Schmidt/Wacker41, § 18 EStG Rz. 223. 2 BFH v. 16.6.2020 – VIII R 15/17, BStBl. II 2020, 841 = DStR 2020, 2413. 3 Vgl. BFH v. 1.3.2021 – IX R 27/19, BStBl. II 2021, 680 = DStR 2021, 1692 = NJW 2021, 2535, entgegen BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383 Tz. 21.
Schallmoser 135
Kap. 1 Rz. 1.648 Steuerorientierte Immobilienübertragung
GmbH & Co. KG übertragen wird; auch die Bildung einer Rücklage gem. § 6b EStG kommt bei einer Veräußerung auf diesem Weg in Betracht1. 6. Gesellschafterein- und austritt bei Freiberufler-Personengesellschaften
1.649 Nach dem BFH2 stellt die Aufnahme eines Gesellschafters im Gewinnvorabmodell eine Teilanteilsveräußerung dar in Höhe der Differenz zwischen anteilig übertragenem Kapitalkonto und dem kapitalisierten Verzichtsbetrag abzgl. Der bei der Übertragung entstandenen Kosten. Der Erwerber hat in der Höhe des Verzichtsbetrages Anschaffungskosten, die in einer Ergänzungsbilanz auszuweisen sind, soweit sie das übernommene Kapitalkonto übersteigen. Die kapitalisierte Kaufpreisschuld bildet passives Sonderbetriebsvermögen und vermindert sich in den Folgejahren jeweils um die als Kaufpreisraten zu beurteilenden Gewinnverzichtsbeträge. Beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Wirtschaftsprüfer-, Steuerberaterund Rechtsanwaltssozietät unter Übertragung eines Teilbetriebs liegt zwar eine Sachwertabfindung vor. Nach Auffassung des BFH3 sind Realteilungsgrundsätze auch dann anzuwenden, wenn ein Mitunternehmer gegen Übernahme eines Teilbetriebes aus einer fortbestehenden Personengesellschaft ausscheidet. Die Buchwerte des Teilbetriebs seien von dem ausscheidenden Gesellschafter fortzuführen. Damit wird der bisher von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz, als Realteilung sei nur die Betriebsaufgabe der Mitunternehmerschaft zu verstehen, ausdrücklich aufgegeben. 7. Erbfall
1.650 Das Eigentum an Mietereinbauten in den Praxisräumen einer Steuerberatersozietät, deren Kosten ein Sozius allein getragen hat, und die als selbständiges Wirtschaftsgut zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörten, geht nach dem Tod dieses Gesellschafters auf den Erben über. Ist jener nicht an der Sozietät beteiligt, scheiden die Einbauten mit dem Tod des Gesellschafters aus dem Betriebsvermögen der Sozietät aus. Ist der Erbe zugleich Eigentümer des Grundstücks, hängt die Frage, ob der Einbau zu einem einheitlichen Wirtschaftsgut mit dem vorhandenen Gebäude „verschmilzt“, davon ab, ob der Einbau in einen mit dem Gebäude einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang überführt wird. Das ist bspw. der Fall, wenn die bisherige betriebliche Nutzung eingestellt wird. Ist das nicht der Fall, bleibt das Wirtschaftsgut „Einbau“ als selbstständiges Wirtschaftsgut bestehen4.
1.651–1.659 Einstweilen frei.
1 Vgl. Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (393). 2 BFH v. 27.10.2015 – VIII R 47/12, BStBl. II 2016, 600. 3 BFH v. 17.9.2015 – III R 49/13, GmbHR 2016, 370 m. Anm. Levedag = GmbH-StB 2016, 124 = DStR 2016, 377. 4 BFH v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 = DStR 2007, 855.
136 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.661 Kap. 1
V. Lohnsteuerpflichtige Überlassung von Grundstücken, Räumen und Gesellschaftsanteilen Literatur: Eisgruber, Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers aufgrund einer unterlassenen Anzeige nach § 38 Abs. 4 S. 2 EStG, DStR 2003, 141; Geserich, Haftungsschuldnerschaft: Bei vorsätzlicher Steuerstraftat ist Auswahlermessen vorgeprägt, HFR 2009, 577; Grune, Vorsteuerabzug bei Renovierung eines Homeoffice, AktStR 2020, 583; Hannes/Reich, Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn?, ZEV 2016, 693, 695; Heger, Sachzuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer im „ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse“, DB 2014, 1282; Thomas, Lohngegenstand und Zuflusszeitpunkt bei der Übertragung von Aktien, DStR 2015, 263. Beispiel: Die X-Maschinenbau GmbH teilt die vorhandenen, an die Mitarbeiter vermieteten Werkswohnungen in Eigentumswohnungen auf und verkauft die Wohnungen an Werksangehörige zu einem Vorzugspreis.
Sofern zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis besteht, ist zu prüfen, ob Leis- 1.660 tungen des Arbeitgebers ganz oder teilweise Arbeitslohn darstellen. Gemäß § 2 Abs. 1 LStDV sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Auch Sachbezüge können ganz oder teilweise Arbeitslohn darstellen. Wird dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Dienstverhältnisses ein Recht auf den späteren Erwerb von Gegenständen zu einem feststehenden Preis eingeräumt, kommt eine vermögenswerte Sachzuwendung im Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechtes in Betracht und zwar insoweit, als der Verkehrswert des Gegenstandes den dann feststehenden Preis übersteigt1. Die Übertragung eines Grundstückes unter dem Verkehrswert an einen Arbeitneh- 1.661 mer stellt eine Sachzuwendung in Höhe der Vergünstigung gegenüber dem Marktwert des Grundbesitzes dar. Da der Arbeitgeber gem. § 39b Abs. 2 Satz 1 EStG den Lohnsteuerabzug vorzunehmen hat und dafür haftet, muss die X-Maschinenbau GmbH die entstandene Lohnsteuer an den Fiskus abführen. Die Veräußerungsanzeige, die der Notar wegen der anfallenden Grunderwerbsteuer an das Finanzamt richtet, wird in Abschrift der Einkommensteuerstelle zugeleitet, so dass die Finanzverwaltung über den Kaufvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer informiert wird. Selbstverständlich werden nicht nur verbilligt vom Arbeitgeber abgegebene Immobilien, sondern auch alle anderen Preisvorteile einkommensteuerlich erfasst, z.B. die verbilligte Abgabe eines Firmen-Pkws2 oder die Gewährung von Arbeitnehmeraktien3.
1 Vgl. BFH v. 20.5.2010 – VI R 12/08, BStBl. II 2010, 1069 = FR 2011, 192 Rz. 24; Schmidt/ Krüger41, § 19 EStG Rz. 100 „Ankaufsrecht“. 2 BFH v. 17.6.2005 – VI R 84/04, BStBl. II 2005, 795 = FR 2005, 1163 m. Anm. Bergkemper = DStR 2005, 1437. 3 BFH v. 30.6.2011 – VI R 37/09, BStBl. II 2011, 923 = FR 2011, 1173 m. Anm. Bergkemper.
Schallmoser 137
Kap. 1 Rz. 1.662 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.662 Eine ähnliche Situation besteht, wenn ein Bauträgerunternehmen einem Angestellten eine Immobilie unter dem Listenpreis verkauft. Die Differenz zwischen dem Listenpreis und dem vereinbarten Kaufpreis wird als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen sein, es sei denn, dass es sich bei der Immobilie um einen Ladenhüter handelt, der wegen des überhöhten Preises keinen anderen Käufer gefunden hat. 1.663 Die sozialmotivierte Überlassung verbilligter Arbeitnehmerwohnungen kann zu einer erheblichen Inanspruchnahme für nicht abgeführte Lohnsteuer führen: Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen (§ 8 Abs. 2 EStG). Da der Arbeitgeber gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten hat, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gem. § 42d EStG Gesamtschuldner. Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.
1.664 Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus bzw. in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt (Homeoffice), so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn einerseits und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung andererseits danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt1. – Dient das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung in erster Linie dem Interesse des Arbeitnehmers, ist davon auszugehen, dass die Leistungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgen. Die Einnahmen sind als Arbeitslohn zu beurteilen. – Dient das Arbeitszimmer oder die als Homeoffice genutzte Wohnung in erster Linie dem Interesse des Arbeitgebers, können die Zahlungen auch zu Einkünften des Arbeitnehmers aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zu rechnen sein. Für das Vorliegen eines betrieblichen Interesses des Arbeitgebers spricht bspw., wenn für den Arbeitnehmer im Unternehmen kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist, der Arbeitgeber für andere Arbeitnehmer des Betriebs, die über keine für ein Arbeitszimmer geeignete Wohnung verfügen, entsprechende Räumlichkeiten bei fremden Dritten anmietet und eine ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung über die Bedingungen der Nutzung der überlassenen Räumlichkeiten abgeschlossen worden ist.
1 Vgl. BFH v. 16.9.2004 – VI R 25/02, BStBl. II 2006, 10 = FR 2005, 262 m. Anm. Bergkemper; v. 17.4.2018 – IX R 9/17, BStBl. II 2019, 219 = DStR 2018, 1758 = BB 2018, 2018; BMF v. 18.4.2019 – IV C 1-S 2211/16/10003:005, BStBl. I 2019, 461.
138 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.671 Kap. 1
Auch die verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen kann zu Arbeitslohn füh- 1.665 ren: Der BFH1 hatte sich mit der Konstellation zu beschäftigen, dass nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine vom Geschäftsführer des Arbeitgebers beherrschte GmbH verbilligt eine GmbH-Beteiligung erwarb. Veräußerer war auch nicht der Arbeitgeber selbst, sondern ein Gesellschafter des Arbeitgebers. Nach Auffassung des BFH ist indes auch bei Drittzuwendungen kein „eindeutiger“ Veranlassungszusammenhang erforderlich, vielmehr müsse sich der Vorteil gleichermaßen als Frucht der nichtselbständigen Arbeit darstellen. Der BFH sah im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine freigebige Zuwendung, gab allerdings dem FG auf zu prüfen, ob der beim Erwerb durch die vom Geschäftsführer beherrschte GmbH gewährte Preisnachlass möglicherweise statt aus dem Dienstverhältnis aus im Gesellschaftsverhältnis der GmbH wurzelnden Gründen gewährt wurde, so dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen könnte. Einstweilen frei.
1.666–1.669
VI. Einkünfte aus Kapitalvermögen Literatur: Binnewies/Wollweber, Private Feriendomizile in der Steuerfalle? – Zu den ertragssteuerlichen Fallstricken selbstgenutzter Auslandsimmobilien, DStR 2014, 628; Christ, Gestaltungsüberlegungen zur Kapitalgesellschaft als „Vehikel“ steuerfreier unentgeltlicher Vermögensübertragungen, ZEV 2011, 63; Haase, Nochmals: Besteuerung ohne Leistungsfähigkeit bei selbstgenutzten Ferienimmobilien?, DStR 2014, 1481; Paus, Vermieten einer Luxuswohnung an den Gesellschafter-Geschäftsführer, GmbHR 2005, 1600; Rindermann-Haugwitz, Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie als verdeckte Gewinnausschüttung nach Maßgabe der aktuellen Rechtslage, BB 2015, 2654.
1. Verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG)
1.670
Beispiel: Der Alleingesellschafter der G-GmbH erwirbt das Musterhaus zum Alleineigentum, wobei er sich gegenüber dem Listenpreis einen Bonus von 10 % gewährt.
Der BFH2 definiert die verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1.671 als eine Vermögensminderung (oder verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Die Minderung des Unterschiedsbetrages muss objektiv geeignet sein, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen3. Durch die Übertragung des Grundstückes der GmbH unter dem Listenpreis wird im Beispielsfall das Einkommen der GmbH aufgrund eines 1 BFH v. 1.9.2016 – VI R 67/14, BStBl. II 2017, 69 = GmbHR 2017, 47 = DStR 2016, 2638. 2 Grundlegend BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475 = FR 1989, 412; v. 1.12.1989 – I R 73/85, BStBl. II 1989, 522. 3 Ständige Rechtsprechung seit BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131 = GmbHR 2003, 118 m. Anm. Rohde = GmbH-StB 2003, 3.
Schallmoser 139
Kap. 1 Rz. 1.671 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Umstandes, der im Gesellschaftsverhältnis seinen Ursprung hat, geschmälert. Somit liegen hinsichtlich des Bonus i.H.v. 10 % sonstige Bezüge als verdeckte Gewinnausschüttung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vor.
1.672 Der körperschaftsteuerliche Gewinn erhöht sich um den gewährten Bonus, so dass Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nachzuentrichten sind. Die verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter wird gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfasst. 1.673 Verkauft eine GmbH an einen ausscheidenden Gesellschafter im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung auf Veranlassung des Anteilserwerbers ein Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis, gehört der sich daraus für den Anteilsveräußerer ergebende geldwerte Vorteil zum Veräußerungspreis für den Anteil und führt daher nicht zum Entstehen von Schenkungsteuer1. Nach Auffassung des BFH ist der Vorteil des aus einem verbilligten Erwerb des Grundbesitzes ausschließlich von ertragssteuerrechtlicher Bedeutung und nicht zusätzlich als Schenkung zu besteuern2. Die Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Grundstücks und dem für das Grundstück entrichteten Kaufpreis ist bei der Ermittlung des der Einkommensteuer unterliegenden Veräußerungsgewinns zu erfassen. Danach ist der auf Veranlassung des Anteilserwerbers erfolgte verbilligte Verkauf des Grundstücks gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG als vGA der GmbH zu erfassen.
1.674 Einstweilen frei. 2. Nicht kostendeckende Vermietung
1.675 Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft wird nur dann bereit sein, die laufenden Aufwendungen für den Ankauf, den Ausbau und die Unterhaltung eines Einfamilienhauses zu (privaten) Wohnzwecken – also im privaten Interesse – eines Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu tragen, wenn der Gesellschaft diese Aufwendungen nicht nur in voller Höhe erstattet werden, sondern sie zudem einen angemessenen Gewinnaufschlag erhält3. Eine Vermietung zu marktüblichen, aber nicht kostendeckenden Bedingungen würde er (ausnahmsweise) in Betracht ziehen, wenn er bezogen auf den jeweils zu beurteilenden Veranlagungszeitraum bereits von der Erzielbarkeit einer angemessenen Rendite ausgehen kann. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt für jedwede Immobilie und nicht nur für besonders aufwändig ausgestattete Einfamilienhäuser4.
1 BFH v. 27.8.2014 – II R 44/13, BStBl. II 2015, 249. 2 BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930; s.a. BFH v. 2.9.2015 – II B 146/14, BFH/ NV 2015, 1586, gegen Nichtanwendungserlass v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 1465. 3 BFH v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFHE 208, 519 = GmbHR 2005, 637 = GmbH-StB 2005, 127; v. 27.7.2016 – I R 12/15, BStBl. II 2017, 217. 4 BFH v. 27.7.2016 – I R 12/15 – I R 12/15, BStBl. II 2017, 217.
140 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.679 Kap. 1
Die Besonderheit der Entscheidung des BFH liegt darin, dass der Alleingesellschafter und Geschäftsführer für die Nutzung des von der GmbH in einem Zwangsversteigerungsverfahren kostengünstig erworbenen Einfamilienhauses den ortsüblichen monatlichen Mietzins i.H.v. 900 t (ohne Nebenkosten) entrichtete, die Betriebsprüfung aber eine jährliche Kostenmiete i.H.v. 27.092 t errechnete und somit zu einer verdeckten Gewinnausschüttung i.H.v. 21.692 t kam. Nach Auffassung des BFH würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bestrebt sein, die Gewinne der Kapitalgesellschaft zu maximieren und deshalb grundsätzlich kein Einfamilienhaus zur Weitervermietung anschaffen, wenn die Miete nicht die Kosten und einen angemessenen Gewinnaufschlag abdeckt. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter würde sich auch nicht damit zufriedengeben, dass seine Investition in ferner Zukunft einen Gewinn abwirft.
1.676
Einstweilen frei. 3. Auslandsferienimmobilien
Die Praxis, dass Interessenten einer Ferienimmobilie in Spanien diese nicht direkt 1.677 kaufen, sondern eine spanische Kapitalgesellschaft vorschalten, hat regelmäßig einen erbschaftsteuerlichen Hintergrund. Haben weder Erbe noch Erblasser ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien und gehen auf den Erben ausschließlich Anteile an einer immobilienhaltenden Kapitalgesellschaft über, fehlt in der Regel der Anknüpfungspunkt für eine auch nur beschränkte spanische Steuerpflicht. Der Vorgang unterliegt dann ausschließlich der deutschen Erbschaftsteuer1. Werden Feriendomizile über eine ausländische Kapitalgesellschaft gehalten, ergeben sich jedoch ertragsteuerliche Fallstricke. Offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen an inländische Gesellschafter stellen nämlich Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Die einschlägigen DBA weisen regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Besteuerungsrecht für die Besteuerung von offenen oder verdeckten Gewinnausschüttungen aus Kapitalvermögen zu2. Dass die unentgeltliche Überlassung einer Immobilie von einer beherrschten Kapitalgesellschaft an den beherrschenden Gesellschafter – ebenso wie z.B. die überhöhte Geschäftsführertantieme oder die Dienstwagennutzung durch die Ehefrau des Gesellschafter-Geschäftsführers – eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, ist unstreitig3. Einstweilen frei.
1.678–1.679
1 Binnewies/Wollweber, DStR 2014, 628. 2 Binnewies/Wollweber, DStR 2014, 628. 3 BFH v. 12.6.2013 – I R 109-111/10, BStBl. II 2013, 1024 = DStR 2013, 2100 = GmbHR 2013, 1227 = ZfIR 2013, 864; Haase, DStR 2014, 1481.
Schallmoser 141
Kap. 1 Rz. 1.680 Steuerorientierte Immobilienübertragung
VII. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Veräußerung von Ausbeutegrundstücken Literatur: BMF-Schreiben v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04, BStBl. I 2004, 933: Einkunftserzielung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Bayer. Landesamt für Steuern, Vfg. V. 20.1.2009 S 2134.1.1-3/5 St 32/St 33, DStR 2009, 324: Absetzung für Substanzverringerung – AfS – bei Veräußerung von Bodenschätzen an eine (eigene) Personengesellschaft, DStR 2009, 324; Kanzler, Kies im Einkünftedualismus – der Große Senat des BFH zur Einlage eines Bodenschatzes, DStR 2007, 1101; Hoffmann, Erschütterte Grundlagen der steuerlichen Bilanzierung durch den Kiesgrubenbeschluss des Großen BFH-Senats, DStR 2007, 1783; Kreft, Veräußerung von Kiesvorkommen als private Vermögensverwaltung eingestuft, GStB 2010, 183; Weber-Grellet, Entgegnung zu Hoffmann, DStR 2007, 1788; Paus, Die steuerliche Behandlung von Bodenschätzen – offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten, DStZ 2007, 523; Stahl, Die steuerliche Behandlung von Bodenschätzen, FS für Streck (2011), 233.
1. Allgemeines
1.680 Die Nutzung von Immobilien durch Abschluss von Miet- und Pachtverträgen führt zu laufenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG, die in den Rz. 1.807 ff. im Einzelnen dargestellt werden. Aber auch die Veräußerung von Grund und Boden kann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, wenn nicht die Grundstücksveräußerung, sondern die Nutzung der darin vorhandenen Bodenschätze im Vordergrund steht. 1.681 Beispiel: E veräußert sein Grundstück an den Kiesabbauunternehmer K, der sich in einer weiteren Urkunde zur Auskiesung, Rekultivierung und Rückübertragung mit folgender Steuerklausel verpflichtet1: „Sollte das Bestehen dieser Rückübertragungsverpflichtung aus steuerlichen Gründen zur Versteuerung des im Kaufvertrag festgelegten Kaufpreises führen – im Hinblick auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung –, so gilt diese Rückübertragungsverpflichtung als nicht geschlossen. Eine Pflicht zur Rückübertragung des Grundbesitzes besteht alsdann von Anfang an nicht.“
2. Umfang des Bodeneigentums
1.682 Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 BbergG2 umfasst das Eigentum am Grundstück auch die „grundeigenen“ Bodenschätze, wie z.B. Sand und Kies, während Metalle und Erdöl vom Grundeigentum losgelöst sind und bergfreie Bodenschätze darstellen, auf die sich das Grundeigentum nicht erstreckt3. Auch der Abbau der nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätze, also z.B. von Kies und Sand, bedarf in der Regel behördlicher Genehmigungen nach landesrechtlichen Vorschriften. Ein unter der Erdoberfläche liegender und noch nicht erschlossener Bodenschatz stellt kein 1 Vgl. BFH v. 24.11.1992 – IX R 30/88, BStBl. II 1993, 296 = FR 1993, 642 = DStR 1993, 432. 2 Bundesberggesetz v. 13.8.1980, BGBl. I 1980, 1310, zuletzt geändert durch Ges. v. 14.6.2021, BGBl. I 2021, 1760. 3 Vgl. Handzik, FR 1995, 494.
142 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.685 Kap. 1
selbständiges Wirtschaftsgut, sondern einen unselbständigen Bestandteil des Grund und Bodens i.S.v. § 94 Abs. 1 BGB dar1. 3. Ausbeutevertrag Wenn bei einem Grundstückskaufvertrag die Gewinnung von Bodenschätzen im 1.683 Vordergrund steht und der Kaufpreis nach der Mächtigkeit des Bodenschatzes bemessen wird, liegt bereits bürgerlich-rechtlich kein Kaufvertrag, sondern ein Pachtvertrag vor, da die Bodenschätze Früchte i.S.d. § 99 Abs. 1 BGB darstellen. Nach dieser Bestimmung sind Früchte einer Sache die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. 4. Grundstückskaufvertrag Sofern der Eigentümer eines in seinem Privatvermögen stehenden Grundstückes 1.684 mit einem Dritten einen Pachtvertrag über die Gewinnung von Bodenschätzen abschließt, stellen die erzielten Einnahmen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar (Mineralgewinnungsrecht). Diese Rechtsfolge lässt sich vermeiden, wenn z.B. durch vorherige Bodenbohrungen die Mächtigkeit des Bodenschatzes festgestellt und das Grundstück mit den Bodenschätzen en bloc zu einem festen Kaufpreis veräußert wird. Weitergehende Nebenabreden, z.B. – Rückübertragungsverpflichtungen, – Rekultivierungsverpflichtungen oder – ratenweise Zahlung des Kaufpreises nach Maßgabe des jeweiligen an der Fündigkeit bemessenen Bodenschatzabbaues, führen wieder zu dem Ergebnis, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beim Verkäufer vorliegen2. 5. Einkommensteuerpflicht a) Kaufvertrag Der Verkauf eines im steuerlichen Privatvermögen befindlichen Grundstückes, in 1.685 dem sich Bodenschätze befinden, bleibt auch steuerlich ein Kaufvertrag, wenn keine für einen Ausbeutevertrag typischen Nebenvereinbarungen getroffen werden. Außerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt dann ein steuerfreier Veräußerungserlös vor.
1 Vgl. BFH v. 6.12.1990 – IV R 3/89, BStBl. II 1991, 346 (347) = FR 1991, 357. 2 Vgl. BFH v. 24.11.1992 – IX R 30/88, BStBl. II 1993, 296 = FR 1993, 642 = DStR 1993, 432.
Schallmoser 143
Kap. 1 Rz. 1.686 Steuerorientierte Immobilienübertragung
b) Abgrenzung zu Ausbeuteverträgen
1.686 Ausbeuteverträge sind einkommensteuerlich Pachtverträge, so dass der Abbau von Bodenbestandteilen auch dann der Einkommensteuer unterliegt, wenn der Grund und Boden sich im steuerlichen Privatvermögen befindet. Räumt der Grundstückseigentümer einem Dritten das Recht zum Abbau von Bodenschätzen ein, liegen bei diesem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG vor1. 1.687 Einen Abbauvertrag beurteilt der BFH2 nur ausnahmsweise als Kaufvertrag, wenn Gegenstand des Vertrages die einmalige Lieferung einer fest begrenzten Substanzmenge ist. Wird diese festbegrenzte Menge nicht in einem „Einmalakt“, sondern in einem, wenn auch kurzfristigen Zeitraum entnommen, qualifiziert der BFH diesen Vorgang als steuerpflichtigen Pachtvertrag3. Die Qualifizierung als Abbauvertrag wäre für den Eigentümer eines im steuerlichen Privatvermögen befindlichen Grundstückes weniger gravierend, wenn der Substanzverzehr des Grundstücks zu Absetzungen für Substanzverringerungen (AfS) gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 1 EStG berechtigt wäre. Dies ist aber im Hinblick auf § 11 Abs. 2 EStDV unzulässig bei Bodenschätzen, die der Steuerpflichtige auf einem ihm gehörenden Grundstück entdeckt hat. c) Dienstbarkeiten
1.688 Nutzungsentschädigungen für die Einräumung von Dienstbarkeiten, z.B. zum Überspannen des Grundstücks mit Hochspannungsleitungen, zählen zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung4. Es ist zu prüfen, ob die Entschädigung bei nicht endgültigem Rechtsverlust von ihrem wirtschaftlichen Gehalt Gegenleistung für die Nutzung des Wirtschaftsgutes ist (dann Einnahme aus Vermietung und Verpachtung) oder ob sie nur für eine Gebrauchsminderung des Wirtschaftsgutes hingegeben wird und nicht steuerbar ist5 oder ob sie einen Mischtatbestand darstellt6.
1 Vgl. Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 19. 2 BFH v. 12.12.1969 – VI R 197/67, BStBl. II 1970, 210; v. 21.7.1993 – IX R 9/89, BStBl. II 1994, 231 = FR 1994, 299; v. 6.5.2003 – IX R 64/98, BFH/NV 2003, 1175; v. 11.2.2014 – IX R 25/13, BStBl. II 2014, 566. 3 Vgl. BFH v. 1.4.1966 – VI 26/65, BStBl. III 1966, 364. 4 Vgl. BFH v. 19.4.1994 – IX R 19/90, BStBl. II 1994, 640, betr. eine einmalige Nutzungsentschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit Hochspannungsfreileitungen für eine Dauer von 30 Jahren gezahlt wird, und der Grundstückseigentümer durch die mit einer Grunddienstbarkeit gesicherten vertraglichen Vereinbarungen nicht endgültig und nicht in vollem Umfang das wirtschaftliche Eigentum an seinem privaten Grundbesitz verliert. 5 Vgl. BFH v. 2.7.2018 – IX R 31/16, BStBl. II 2018, 759, betr. eine einmalige Entschädigung, die für das mit einer immerwährenden Dienstbarkeit gesicherte und zeitlich nicht begrenzte Recht auf Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird. 6 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – X R 64/92, BStBl. II 1995, 640 = FR 1995, 665; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 7, 14.
144 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.691 Kap. 1
d) Landwirtschaftliche Grundstücke Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, das zu Ausbeutezwecken verkauft wer- 1.689 den soll, noch bevor sich der Bodenschatz zu einem Wirtschaftsgut des Privatvermögens verfestigt hat, muss vor Abschluss des Kaufvertrages nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen und in das Privatvermögen des Grundstückseigentümers überführt werden. Denn zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zählt nur die Bodenkrume, das darunter liegende Kiesvorkommen stellt stets steuerliches Privatvermögen dar1. Würde man die landwirtschaftliche Krume mit dem Kiesvorkommen als entnommen betrachten, müsste gerade durch die Entnahme das unter der Bodenkrume liegende Kiesvorkommen zum Teilwert entnommen werden. e) Gewerbliches Betriebsvermögen Nach ständiger Rechtsprechung des BFH2 ist ein unter der Erdoberfläche liegender 1.690 und noch nicht erschlossener Bodenschatz grundsätzlich kein Wirtschaftsgut, sondern ein unselbständiger Bestandteil des Grund und Bodens i.S.d. § 94 Abs. 1 BGB. Grund und Boden einschließlich Bodenschatz bilden insoweit auch steuerlich eine Einheit3. Ein Bodenschatz erlangt die Eigenschaft eines selbständigen Wirtschaftsgutes erst, wenn er zur nachhaltigen Nutzung in den Verkehr gebracht worden ist. Dies ist der Fall, wenn mit der Erschließung begonnen oder mit einer alsbaldigen Erschließung zu rechnen ist4. Während früher zur Konkretisierung des Wirtschaftsgutes „Bodenschatz“ es ausreichte, dass ein Abbauunternehmer für den unter der Erdoberfläche lagernden Bodenschatz einen Kaufpreis zu zahlen bereit war5, entsteht nach der nunmehrigen BFH-Rechtsprechung ein selbständiges Wirtschaftsgut, z.B. ein Kiesvorkommen als Bodenschatz, nicht bereits mit Abschluss des Kaufvertrages, sondern erst im Zeitpunkt der Erteilung der erforderlichen Abbaugenehmigung6. Ist der Abbau eines Bodenschatzes vom Eigentümer nicht beabsichtigt oder aus Rechtsgründen nicht möglich, weil z.B. das Grundstück in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, wird ein vom Grundstückskäufer mit Rücksicht auf den Bodenschatz gezahlter höherer Kaufpreis steuerlich als Entschädigung für eine entgangene Nutzungsmöglichkeit und nicht als Teilkaufpreis für einen Bodenschatz angesehen. f) Einlage des Bodenschatzes in ein Betriebsvermögen Nach einem Urteil des VIII. Senats7 waren Absetzungen für Substanzverringerung 1.691 (AfS) nicht zulässig bei Bodenschätzen, die der Steuerpflichtige auf einem ihm ge1 Unzutreffend Rabe, Steuerrecht für Vertragsjuristen und Notare, 1996, § 3 Rz. 25. 2 BFH v. 7.12.1989 – IV R 1/88, BStBl. II 1990, 317 (319); v. 26.11.1993 – III R 58/89, BStBl. II 1994, 293. 3 Vgl. BFH v. 6.12.1990 – IV R 3/89, BStBl. II 1991, 346 (347). 4 Vgl. BFH v. 7.12.1989 – IV R 1/88, BStBl. II 1990, 317 (319). 5 BFH v. 28.5.1979 – I R 66/76, BStBl. II 1979, 624; v. 18.3.1980 – VIII R 148/78, BStBl. II 1981, 794. 6 BFH v. 7.12.1989 – IV R 1/88, BStBl. II 1990, 317 (319). 7 BFH v. 19.7.1994 – VIII R 75/91, BStBl. II 1994, 846 = FR 1994, 712.
Schallmoser 145
Kap. 1 Rz. 1.691 Steuerorientierte Immobilienübertragung
hörenden Grundstück entdeckt und in sein Betriebsvermögen eingelegt hat. Ein unentgeltliches Nutzungsrecht könne nicht mit dem Teilwert in ein Betriebsvermögen eingelegt werden. Dieser Entscheidung hatte sich der I. BFH-Senat1 angeschlossen. Im Gegensatz hierzu sollte nach Auffassung des III. BFH-Senats2 ein Steuerpflichtiger einen Bodenschatz, der sich in seinem Privatvermögen zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert hat, mit dem Teilwert in sein Betriebsvermögen einlegen und hiervon AfS vornehmen können. Aufgrund dieses abweichenden Votums hatte der III. Senat3 diese Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt.
1.692 Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH4 ist ein im Privatvermögen entdecktes Kiesvorkommen bei Zuführung zum Betriebsvermögen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen. Bei dem Abbau des Kiesvorkommens dürfen Absetzungen für Substanzverringerung nicht vorgenommen werden. Die Entscheidung des Großen Senats erlaubt – gesetzeskonform und folgerichtig – die Ausweichgestaltung, den im Privatvermögen entdeckten Bodenschatz in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG unter Gewährung von Gesellschaftsrechten – also entgeltlich – zum Teilwert einzubringen und anschließend AfS vorzunehmen5. Da der Bodenschatz kein Grundstück oder Mineralgewinnungsrecht i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellt, greift auch nicht die Zehnjahressperrfrist, so dass ein der Einbringung vorangegangener Erwerb des Bodenschatzes im Privatvermögen nur innerhalb Jahresfrist zur Erfassung des Veräußerungsgewinns führen würde6. Einbringung in GmbH
⎫ ⎬ ⎭ Buchwert gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG
Kaufvertrag § 16 EStG Bodenkrume Ausbeutevertrag Kies Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG
GmbH & Co. KG gegen Gesellschaftsrechte AfS gem. § 7 Abs. 6 EStG Kaufvertrag steuerfrei weil Privatvermögen auch nicht § 23 EStG
1 2 3 4 5
BFH v. 16.3.1994 – I ER-S-1/94, n.v. BFH v. 16.12.2004 – III R 8/98, DStRE 2005, 311. BFH v. 16.12.2004 – III R 8/98, DStRE 2005, 311. BFH v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. Kanzler, DStR 2007, 1101 (1107); Weber-Grellet, DStR 2007, 1788; Hoffmann, DStR 2007, 1783 (1788). 6 Kanzler, DStR 2007, 1101 (1107).
146 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.695 Kap. 1
g) Aktuelle Rechtsprechung des BFH zu Ausbeutegrundstücken Überträgt der Kommanditist einer KG dieser ein Wirtschaftsgut, dessen Gegenwert 1.693 allein seinem Kapitalkonto II gutgeschrieben wird, liegt keine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern eine Einlage vor, wenn sich nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag der KG die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten1. Legt der Kommanditist ein in seinem Privatvermögen entdecktes Kiesvorkommen 1.694 in die KG ein, hat diese das Kiesvorkommen mit dem Teilwert anzusetzen2. Absetzungen für Substanzverringerung und Teilwertabschreibungen sind auch dann nicht zulässig, wenn die KG das Kiesvorkommen nicht selbst abbaut, sondern einem Dritten zur Substanzausbeute verpachtet. h) BMF-Schreiben vom 26.7.2016 Mit Schreiben vom 11.7.20113 hatte das BMF zur Behandlung der Einbringung zum 1.695 Privatvermögen gehörender Wirtschaftsgüter in das betriebliche Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft Stellung genommen. Unter II. 2. A) enthielt dieses BMF-Schreiben den Hinweis, dass bei einer Buchung auf dem Kapitalkonto I oder auf einem variablen Kapitalkonto (z.B. Kapitalkonto II) stets ein in vollem Umfang entgeltlicher Übertragungsvorgang vorliege. Mit seiner Entscheidung vom 29.7.20154 hat der BFH diese Ausführungen zu Recht kritisiert, so dass das BMF mit Schreiben vom 26.7.20165 seine dahin gehende Auffassung sowie Tz. 24.07 des Umwandlungssteuererlasses6 insoweit korrigierte, als danach sowohl eine Buchung, die ausschließlich auf einem variablen Kapitalkonto (insbesondere dem Kapitalkonto II) erfolgt, als auch eine Buchung, die teilweise auf einem variablen Kapitalkonto (insbesondere dem Kapitalkonto II) und teilweise auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto erfolgt, nicht zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten und damit zu einem entgeltlichen Vorgang führt. Somit beinhaltet die ausschließliche Buchung auf dem Kapitalkonto II keinen entgeltlichen Vorgang, sondern ist als Einlage zu behandeln, wenn sich nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten7.
1 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = GmbHR 2016, 228 m. Anm. Levedag = DStR 2016, 217 gegen BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713. 2 BFH v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607 = FR 2016, 896 m. Anm. Wendt = DStR 2016, 662. 3 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950. 4 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = FR 2016, 513. 5 BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314. 7 Siehe BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = FR 2016, 513; s.a. BFH v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607.
Schallmoser 147
Kap. 1 Rz. 1.695 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Der BFH ist an BMF-Schreiben nicht gebunden, so dass nach dem Inhalt des BMFSchreibens vom 11.7.2011 die gewählte Gestaltung möglich gewesen wäre, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag die unrichtige Regelung enthalten hätte, wonach die maßgeblichen Gesellschaftsrechte sich nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten. Dem BFH-Urteil vom 4.2.20161 lag ebenfalls die unrichtige Regelung im Gesellschaftsvertrag zugrunde, dass das feste Kapitalkonto die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und an den Gesellschaftsrechten widerspiegelt. Die gesellschaftsrechtliche Praxis besteht regelmäßig darin, bei einer Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten sowohl eine Buchung auf Kapitalkonto I und ergänzend auf Kapitalkonto II vorzunehmen. Das BMF beanstandet diese Praxis nicht. Der BFH hat es dahingestellt sein lassen, ob diese Praxis zutreffend ist. Vorsorglich sollte somit die Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ausschließlich auf Kapitalkonto I durchgeführt werden. Eine Erhöhung der Hafteinlage im Handelsregister ist damit nicht zwingend verbunden. i) Konten der GmbH & Co. KG
1.696 Aufgrund der BMF-Schreiben vom 11.7.2011 und vom 26.7.20162 ist eine Änderung in der gesellschaftsrechtlichen Praxis erforderlich, wonach die Beteiligungsquote eines Gesellschafters sich aus der Summe von Kapitalkonto I und Kapitalkonto II ergibt, so dass sich folgende Formulierung im Gesellschaftsvertrag empfiehlt: „(1) Für den persönlich haftenden Gesellschafter wird ein Verrechnungskonto geführt. (2) Für jeden Kommanditisten werden zwei Kapitalkonten, ein Privatkonto und ein Verlustvortragskonto geführt. a) Das Kapitalkonto I ist fest; auf ihm wird die Pflichteinlage des jeweiligen Kommanditisten verbucht. b) Das Kapitalkonto II ist beweglich; auf ihm wird der nichtentnahmefähige Gewinn verbucht. c) Auf dem Privatkonto werden der entnahmefähige Gewinn sowie alle sonstigen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verbucht; der entnahmefähige Gewinn jedoch nur, soweit dieser nicht zum Ausgleich des Verlustvortragskontos benötigt wird. d) Auf dem Verlustvortragskonto werden die Verlustanteile eines Gesellschafters gebucht, bis dieses ausgeglichen ist (Unterkonto von Kapitalkonto II). (3) Die Gesellschaft kann ein gemeinsames Rücklagenkonto einrichten.
1 BFH v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607 = FR 2016, 896 m. Anm. Wendt = DStR 2016, 662. 2 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950; v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684.
148 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.698 Kap. 1
(4) Die Summe von Kapitalkonto I und Kapitalkonto II stellt die Beteiligungsquote dar.“
1.697
Einstweilen frei. j) Formulierungsvorschlag: Bodenschatzveräußerung als Grundstückskaufvertrag
1.698
M4 Grundstückskaufvertrag (Bodenschatzveräußerung) Beurkundet am […]
I. Grundbuchstand Laut Vortrag im Grundbuch des AG […] von […] Blatt […] sind die Ehegatten […] Eigentümer in Gütergemeinschaft des dort unbelastet vorgetragenen Grundstückes der Gemarkung […] Flurstück Nr. […]
II. Verkauf Die Landwirtschaftseheleute […] – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkaufen hiermit an […] – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – – zum Alleineigentum – den in Abschnitt I dieser Urkunde näher bezeichneten Grundbesitz mit allen Rechten und Bestandteilen.
III. Kaufpreis (1) Der Kaufpreis beträgt fest […] Euro. Von dem Gesamtkaufpreis entfällt ein Teilbetrag von […] Euro auf das auf dem Vertragsgrundstück befindliche Kiesvorkommen. (2) Der Gesamtkaufpreis ist zur Zahlung fällig innerhalb von zehn Tagen nach Erteilung der Bestätigung des Notars (maßgebend ist das Datum dieses Schreibens), dass a) die Auflassungsvormerkung für den Käufer rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde,
Schallmoser 149
Kap. 1 Rz. 1.698 Steuerorientierte Immobilienübertragung b) die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen gesichert ist, also diesbezüglich dem Notar eine Pfandfreigabeerklärung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt, oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, c) seitens der Stadt […] die Bestätigung vorliegt, wonach für diesen Verkaufsfall ein gesetzliches Vorkaufsrecht entweder nicht besteht oder jedenfalls nicht ausgeübt wird, d) seitens der Stadt […] die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt wurde, wobei es ausdrücklich nicht auf die Rechtskraft dieses Genehmigungsbescheides und etwa im Genehmigungsverfahren ergehende Auflagen ankommt. (3) Der Notar wird beauftragt, den Beteiligten die Erfüllung vorstehender Fälligkeitsvoraussetzungen schriftlich anzuzeigen. (4) Sofern im Zuge der Lastenfreistellung nicht anderweitige Zahlungsauflagen der Gläubiger ergehen, ist der Kaufpreis zu bezahlen auf das Konto des Verkäufers Nr. […] bei […]
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Käufer unterwirft sich wegen aller in Abschnitt III dieser Urkunde in Haupt- und Nebensache eingegangenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mehrere Käufer haften als Gesamtschuldner. Zur Erteilung der Vollstreckungsklausel bedarf es nicht des Nachweises der die Fälligkeit begründenden Tatsachen.
V. Besitzübergang Besitz, Nutzungen und Lasten gehen ab dem Tag der Kaufpreiszahlung auf den Käufer über. Miet-, Pacht- oder sonstige Nutzungsvereinbarungen mit Dritten bestehen nach Versicherung des Verkäufers am Vertragsbesitz nicht.
VI. Gewährleistung Der Verkäufer haftet für ungehinderten Besitz- und Eigentumsübergang und für Freiheit des Grundbesitzes von Belastungen jeder Art. Der Vertragsbesitz wurde vom Käufer vor Kaufabschluss besichtigt und wird im derzeitigen Zustand veräußert. Der Verkäufer haftet somit ausdrücklich nicht für Flächenmaß, Beschaffenheit und für Freiheit von Sachmängeln aller Art, mögen sie offen oder verborgen sein. Der Verkäufer versichert, dass ihm wesentliche, dem Käufer nicht erkennbare Mängel des Vertragsbesitzes nicht bekannt sind.
VII. Auflassung und Vormerkung (1) Die Erklärung der Auflassung ist in der einen wesentlichen Bestandteil dieser Urkunde bildenden Anlage enthalten, auf die ausdrücklich verwiesen wird. 150 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.698 Kap. 1
(2) Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums am Vertragsgegenstand bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB für den Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis an erster Rangstelle im Grundbuch und schon heute wiederum die Löschung dieser Vormerkung Zug um Zug gegen Eigentumsumschreibung im Grundbuch, vorausgesetzt, dass weder Zwischeneintragungen ohne Zustimmung des Käufers erfolgt sind noch deren Eintragung beantragt ist. Die Vormerkung kann an nächstoffener Rangstelle eingetragen werden, wenn der Notar dies ausdrücklich beantragt.
VIII. Notaranweisung Die Vertragsteile weisen den Notar an, diese Urkunde dem Grundbuchamt erst dann zur Eigentumsumschreibung einzureichen, wenn der Verkäufer bestätigt oder der Käufer nachgewiesen hat, dass der gesamte Kaufpreis, nicht gerechnet etwaige Verzugszinsen, bezahlt ist. Der Käufer verzichtet insoweit auf sein eigenes Antragsrecht. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften dieses Vertrages nur ohne die erklärte Auflassung erteilt werden. Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Notar den Eingang des Kaufpreises schriftlich zu bestätigen.
IX. Grundstücksverkehrsgesetz Der Verkäufer versichert, dass er innerhalb der letzten drei Jahre – den gegenwärtigen Vertragsbesitz eingerechnet – zusammen nicht mehr als 2 ha land- bzw. forstwirtschaftlichen Grundbesitz genehmigungsfrei nach dem Grundstücksverkehrsgesetz veräußert hat und dass der Grundbesitz nicht mit Gebäuden einer Hofstelle bebaut ist. Eine entsprechende behördliche Genehmigung ist deshalb zu diesem Vertrag nicht erforderlich. Jedoch beantragen die Beteiligten die Erteilung eines Negativzeugnisses durch die Genehmigungsbehörde.
X. Zugang und Zufahrt Zugang und Zufahrt zum Vertragsbesitz sind nach Versicherung des Verkäufers über eine unmittelbar angrenzende öffentliche Straße gewährleistet.
XI. Notarermächtigung Der Notar wird zur Erwirkung und Entgegennahme der erforderlichen Genehmigungen, zur Einholung der Stellungnahme hinsichtlich bestehender öffentlich-rechtlicher Vorkaufsrechte sowie zur Abgabe von Erklärungen, Stellung, Änderung und Zurücknahme von Anträgen, die zum Vollzug des Vertrages erforderlich oder zweckdienlich sind, ermächtigt. Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes steht dem Käufer kein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz gegen den Verkäufer zu. Alle noch ausstehenden Genehmigungen sollen mit dem Eingang beim Notar den Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein. Schallmoser 151
Kap. 1 Rz. 1.698 Steuerorientierte Immobilienübertragung
XII. Hinweise Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere hingewiesen auf – den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges und die Eintragungsvoraussetzungen; – die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten für Kosten und Steuern, sowie auf die Haftung des Grundbesitzes für Rückstände an öffentlichen Lasten und Abgaben und für Erschließungsbeiträge; – die Einkommensteuerpflicht bei privaten und betrieblichen Veräußerungsgeschäften und – die anfallende Grunderwerbsteuer. Die Beteiligten versichern, dass alle Vertragsabreden vollständig und richtig beurkundet wurden.
XIII. Schlussbestimmungen (1) Die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzuges, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer, trägt der Käufer. Etwaige Lastenfreistellungskosten treffen den Verkäufer. (2) Es erhalten: Ausfertigungen: die Vertragsteile beglaubigte Abschriften: das Grundbuchamt einfache Abschriften: das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – der Gutachterausschuss Samt Anlage vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben wie folgt: Anlage zum Kaufvertrag vom … des Notars … Die Beteiligten des vorgenannten Kaufvertrages sind darüber einig, dass das Eigentum am Vertragsobjekt gem. Abschnitt II des Kaufvertrages auf den Käufer entsprechend dem im Bezugsabschnitt genannten Anteilsverhältnis übergeht und bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. 152 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.702 Kap. 1
k) Anmerkungen zum Formulierungsvorschlag Bodenschatzveräußerung Dienstbarkeit statt Kaufvertrag: Sofern auf dem Grundstück ein Vorkaufsrecht zu- 1.699 gunsten eines Dritten lastet, stellt die Bestellung einer 99-jährigen Dienstbarkeit zur Nutzung als Steinbruch kein Umgehungsgeschäft dar1. Wenn ein Abbaurecht im Wege einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gewährt wird2, liegen wiederum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor. Steuerschädliche Nebenabreden: Aus einkommensteuerlicher Sicht liegt kein Kauf- 1.700 vertrag, sondern ein zur Einkommensteuerpflicht führender Ausbeutevertrag vor, wenn Nebenabreden folgender Art vereinbart werden: Rückübertragungsverpflichtungen, Rekultivierungsverpflichtungen oder ratenweise Zahlung des Kaufpreises nach Maßgabe des jeweiligen an der Fündigkeit bemessenen Bodenschatzabbaus. Eine Steuerklausel, wonach die – steuerschädliche – Rückübertragungsverpflichtung entfalle, sofern sie zur Versteuerung des Kaufpreises führe, hat der BFH3 als unbeachtlich angesehen, da das Finanzamt erst durch eine Außenprüfung hiervon Kenntnis erlangt habe und damit die Steuerklausel nicht rechtzeitig offenbart wurde. Abgrenzung der Bodenkrumme von dem Kiesvorkommen: Bei landwirtschaftli- 1.701 chen Grundstücken gehört nur die Bodenkrumme zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen, während der darunter liegende Bodenschatz steuerliches Privatvermögen darstellt. Landwirten wird vom Bauernverband regelmäßig empfohlen, in der Notarurkunde den Gesamtkaufpreis auf die Bodenkrumme und den Bodenschatz aufzuteilen, um dem Finanzamt gegenüber eine feste Argumentationsbasis für die steuerfreie Veräußerung des Bodenschatzes zu haben. Das Grunderwerbsteuergesetz knüpft an den bürgerlich-rechtlichen Grundstücks- 1.702 begriff an. Gemäß §§ 93 bis 96 BGB gehören auch Bodensubstanzen zu den Bestandteilen des Grundstücks. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG klammert allerdings Mineralgewinnungsrechte aus dem grunderwerbsteuerlichen Grundstücksbegriff aus. Hierzu vertritt die OFD Koblenz4 die Auffassung, dass unter Mineralgewinnungsrechten nur die bergfreien Bodenschätze (z.B. Metalle, Kohle und Erdöl) zu verstehen sind. Demgegenüber sollen grundeigene Bodenschätze, wie Kies, Lehm, Sand, Ton, Torf (vgl. § 3 Abs. 4 BbergG) im Eigentum des Grundstückseigentümers sein und damit in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen werden. Damit bleibt die Übertragung dieser Bodenschätze gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Wird die Grunderwerbsteuer gem. § 8 Abs. 2 GrEStG bemessen, ist Bemessungsgrundlage der Bedarfswert i.S.d. § 138 Abs. 2 oder 3 BewG in der bis 31.12.2024 weitergeltenden Fassung5. Durch die Verweisung des § 138 1 BGH v. 26.9.2003 – V ZR 70/03, MDR 2004, 24 = NJW 2003, 3769 = DNotZ 2004, 448 = MittBayNot 2004, 187. 2 Groh, BB 1982, 139. 3 BFH v. 24.11.1992 – IX R 30/88, BStBl. II 1993, 296 = FR 1993, 642 = DStR 1993, 432. 4 OFD Koblenz v. 9.1.2006 – S 4520 A, DStR 2006, 327. 5 Siehe Art. 2 Nr. 9 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794.
Schallmoser 153
Kap. 1 Rz. 1.702 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Abs. 3 BewG auf § 68 Abs. 2 Nr. 1 BewG in der bis 31.12.2024 weitergeltenden Fassung1 werden die grundeigenen Bodenschätze ausgeklammert. Ein gesonderter Ansatz dieser grundeigenen Bodenschätze mit dem gemeinen Wert neben dem Bedarfswert kommt nicht in Betracht.
1.703–1.709 Einstweilen frei. VIII. Gestaltungsüberlegungen bei privaten Veräußerungsgeschäften Literatur: Becker, Erhöhtes Risikopotential bei der Gestaltung von Grundstückskaufverträgen, MwStR 2016, 525; Bergschneider/Engels, Leibrente statt Unterhalt, FamRZ 2014, 436; Böttcher, Die Entwicklung des Grundbuch- und Grundstücksrechts bis Juni 2016, NJW 2016, 2782; Brambring, Vereinbarungen zum Familienheim bei Scheidung, für 2013, 289; Carlé, Hinweise und Empfehlungen zu privaten Veräußerungsgeschäften, KÖSDI 2003, 13983; Demleitner, Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung im Zusammenhang mit Grundstücksverkäufen, SteuK 2014, 401; Deutschländer, Private Vermögensübertragungen gegen dauernde Lasten, NWB 2013, 3636; ders., Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, NWB 2014, 1019; Gunsenheimer, Besteuerung der Renten, NWB 2011, 1634; Hermanns, Strategien zur Vermeidung eines privaten Veräußerungsgeschäfts bei der Vermögensauseinandersetzung, DStR 2002, 1065; Höhmann, Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG), NWB Fach 3, S. 12925 (Juni 2004); Hutmacher, Einkünfte aus sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, ZNotP 2013, 253; Ihle, Das Familienheim in der notariellen Praxis, RNotZ 2011, 471; Korves/Walter, Der merkantile Minderwert beim Immobilienkauf, NJW 2016, 1985; Krauß, Immobilienkaufvertrag, notar 2016, 300; Mensching, Ausweichgestaltungen zur Umgehung der verschärften Besteuerung von Immobilien nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz, DB 2003, 235; Paus, Übertragung privater Grundstücke gegen wiederkehrende Bezüge, NWB 2014, 992; Perleberg-Kölbel, Steuervermeidungsstrategien bei Übertragung von selbstgenutzten Immobilien anlässlich von Trennung und Scheidung, FuR 2012, 530; ders., Steuerfalle Scheidungsimmobilien, FuR 2016, 94; Riedel, „Verkauf“ innerhalb der Familie, GmbH-StB 2012, 382; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen bei Immobilienübertragungen aufgrund des IV. Rentenerlasses, DStR 2010, 1880; Tiedtke/Wälzholz, Private Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 EStG bei ausstehenden Genehmigungen, Stbg 2002, 209.
1. Allgemeines
1.710 Die allgemeinen Grundsätze der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG werden in Kap. 11 gesondert dargestellt. An dieser Stelle sollen vor allem die Möglichkeiten einer steuersparenden Vertragsgestaltung ausgelotet werden. 1.711 Beispiel: E hat im Jahr 01 günstig ein Grundstück für 10.000 t erworben und veräußert dieses im Jahr 2017 gegen eine Barzahlung i.H.v. 10.000 t und Entrichtung einer lebenslang zu entrichtenden jährlichen Rente i.H.v. 590 t, erstmals zahlbar ein Jahr nach Beurkundung des Kaufvertrages.
1 Siehe Art. 2 Nr. 6 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 des GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794.
154 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.715 Kap. 1
1.712
Lösung: Wegen des jährlichen Freibetrages i.H.v. 600 t gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG bleibt die Veräußerung steuerfrei.
Ursprünglich wurden gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG Grundstücksveräußerungen, bei 1.713 denen Anschaffung und die Weiterveräußerung innerhalb von zwei Jahren erfolgten, als „Spekulationsgeschäfte“ besteuert. Aufgrund des StMBG 1994 wurden ab 1994 auch unmittelbare oder mittelbare Beteiligungen an Personengesellschaften tatbestandsmäßig erfasst. In der seit 1.1.1999 geltenden, erheblich verschärften Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 wurde nicht nur die Zweijahresfrist für Grundstücke auf zehn Jahre verlängert, sondern auch der sog. „Identitätsgrundsatz“ aufgegeben. Damit wird auch der Wert der während der Zehnjahresfrist hergestellten Gebäude als Gewinn aus „privaten Veräußerungsgeschäften“ erfasst. Der unentgeltliche Erwerb von Grundstücken wurde der konzeptionell vergleichbaren Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG1 angeglichen.
1.714
Weitere Verschärfungen bestehen darin, dass – bei der Einlage in ein Betriebsvermögen und der späteren Veräußerung innerhalb der Zehnjahresfrist seit der Anschaffung der im Privatvermögen eingetretene Wertzuwachs (nicht nur der im Betriebsvermögen erzielte) der Besteuerung (§ 23 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 Satz 2 EStG) unterliegt; – die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft mit oder ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten erfasst wird2; – auch die Entnahme aus dem Betriebsvermögen einen Anschaffungsvorgang darstellt, der bei einer Veräußerung innerhalb von zehn Jahren wiederum zur Belastung mit Einkommensteuer führt und – gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG bei der Ermittlung des Gewinnes die Anschaffungskosten um AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen zu kürzen sind. Diese für Erwerbe ab 1.8.1995 geltende Regelung wird angesichts der Zehnjahresfrist in zahlreichen Fällen zu einem Veräußerungsgewinn führen, insbesondere wenn in der Vergangenheit Sonderabschreibungen geltend gemacht wurden, wobei durch die Einbeziehung teilentgeltlicher Rechtsgeschäfte, also insbesondere durch den Erwerb im Rahmen einer Erbauseinandersetzung oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, auch Rechtsgeschäfte einbezogen werden, bei denen der Gedanke eines „privaten Veräußerungsgeschäftes“ fern liegt.
Ein Notar ist zwar aufgrund seiner Pflicht zur Rechtsbelehrung oder seiner allge- 1.715 meinen Betreuungspflicht nicht gehalten, auf steuerrechtliche Folgen des beurkundeten Geschäfts nach § 23 EStG hinzuweisen; erhält ein Notar indes vor oder während der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages davon Kenntnis, dass der Verkäufer das Grundstück innerhalb der Haltefrist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG: 1 Herzig/Lutterbach, DStR 1999, 521 (523). 2 Zur Einbringung in ausländische Personen- oder Kapitalgesellschaften vgl. Höhmann, NWB Fach 3, S. 12925 (Juni 2004).
Schallmoser 155
Kap. 1 Rz. 1.715 Steuerorientierte Immobilienübertragung
zehn Jahre) erworben hat und die Anschaffungskosten unter dem Verkaufspreis liegen, hat er den Verkäufer grundsätzlich auf die Gefahr der Besteuerung des Gewinns gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG hinzuweisen1. Der Notar hat aber nicht die Pflicht Tatsachen zu ermitteln, die für das evtl. Eingreifen einer Besteuerung gem. § 23 EStG von Bedeutung sein können. Eine Amtspflichtverletzung des Notars kann auch vorliegen, wenn dieser im Beurkundungstermin erklärt, auf die Käuferin treffe die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus privaten Grundstücksgeschäften nicht zu, und dieser Hinweis sich als unzutreffend erweist2 (näher s. Rz. 1.412 ff., insbes. s. Rz. 1.416).
1.716 Einstweilen frei. 2. Progressionsmilderung durch zeitliche Streckung des Veräußerungserlöses
1.717 Soll ein Verkauf innerhalb der Veräußerungsfrist stattfinden, sind die Veräußerer jedoch nicht auf den sofortigen Erhalt der gesamten Gegenleistung angewiesen, können die steuerlichen Wirkungen durch Ratenzahlungen gemildert werden. Ausgangspunkt dieser Erwägungen ist das Zuflussprinzip des § 11 EStG. Danach entsteht der Gewinn steuerrechtlich erst mit Zufluss des Geldes beim Veräußerer3. 1.718 Nach § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG ist ein Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften steuerbefreit, wenn der saldierte Gesamtgewinn aus sämtlichen Spekulationsgeschäften eines Jahres weniger als 600 v beträgt. Liegt der Gesamtgewinn höher, entfällt die Begünstigung (sog. Freigrenze). Nach allgemeiner Ansicht4 lässt sich die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG bei Zufluss des Entgelts aus einem Veräußerungsgeschäft in mehreren Veranlagungszeiträumen auch mehrfach ausnutzen. Dem stimmte auch die Finanzverwaltung in den früheren Einkommensteuerrichtlinien5 zu. Allerdings sind die aus der Stundung resultierenden (fiktiven) Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerbar. Auf die zivilrechtliche Sicherung der ausstehenden Raten ist zu achten. 1.719 Beispiel: Der 62-jährige A will das für 500.000 t angeschaffte Grundstück mit einem Gewinn vom 50.000 t verkaufen. Derzeit hat er als Alleinstehender ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 65.000 t. In drei Jahren geht er in den Ruhestand und erzielt dann lediglich ein zu ver-
1 Vgl. BGH v. 10.11.1988 – IX ZR 31/88, WM 1988, 1853, zu § 23 EStG a.F. (Spekulationsfrist: zwei Jahre). 2 LG Köln v. 29.9.2020 – 5 O 171/19, BWNotZ 2021, 34; s. ausführlich hierzu: Wachter, ZNotP 2021, 293; s. ferner Beck’sches Notar-Handbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 65. 3 BFH v. 17.7.1991 – X R 6/91, BStBl. II 1991, 916 ff. = FR 1991, 660. m.w.N. 4 Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 90; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 316 m.w.N.; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. E 2; a.A. Ratschow in Heuermann/Brandis, § 23 EStG Rz. 230. 5 Vgl. R 169 Abs. 4 der bis zum Jahre 2000 geltenden EStR 1995. Die aktuellen Einkommensteuerrichtlinien behandeln diese Frage nicht. Auch im Erlass v. 5.10.2000 (DE CD), MittBayNot 2000, 581 ff. nimmt das BMF zu dieser Frage keine Stellung.
156 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.723 Kap. 1
steuerndes Einkommen i.H.v. 15.000 t. Wie ist A zu helfen, wenn er jetzt nicht dringend auf das Geld aus der Grundstücksveräußerung angewiesen ist?
Der gesamte Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft unterläge bei einer Aus- 1.720 zahlung in einem Betrag (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) einer Steuerbelastung bis nahezu 50 %. A bliebe nur ein Gewinn von rund 25.000 t nach Steuern. Dieser Progressionsnachteil lässt sich durch eine zeitliche Streckung der Gewinnrealisierung vermeiden1. Ein Gewinn entsteht erstmals in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Summe der Zahlungen die maßgeblichen Anschaffungskosten überschreitet2. Ab diesem Zeitpunkt ist in jedem Jahr ein Teilgewinn in Höhe des in dem Jahr erfolgten Zuflusses zu versteuern (s. Rz. 12.108). Daraus folgt: Im Jahr der Veräußerung sollte nach Vorliegen der allgemeinen Fällig- 1.721 keitsvoraussetzungen ein Betrag von 500.599 t fällig werden. Für die darauffolgenden drei Jahre bis zum Eintritt in den Ruhestand könnten die Vertragspartner Raten i.H.v. 599 t vereinbaren. Bis zur Beendigung der beruflichen Tätigkeit wäre kein Gewinn zu versteuern, § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG. Danach kann der fehlende Betrag in mehreren Jahresraten fällig gestellt werden, die dann statt mit 50 % Einkommensteuer nur mit rund 25 % belastet wären. Der Steuervorteil lässt sich durch Absenkung der Raten noch vergrößern. Die durch die zeitliche Streckung entstehenden Zins-/Ertragsanteile sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern. 3. Angebot und Annahme
1.722
Beispiel: A hat 2008 ein Grundstück gekauft, das er im Jahre 2017 mit Gewinn weiterverkaufen will. Er überlegt, ob und inwieweit er dem Käufer K ein bindendes Angebot unterbreiten soll, das dieser nach Ablauf der zehnjährigen Frist gem. § 23 EStG annehmen kann.
Die Steuerpflicht nach § 23 EStG entsteht nur, wenn innerhalb der Veräußerungsfrist 1.723 ein beiderseits bindendes schuldrechtliches Veräußerungsgeschäft zustande kommt3 (s. Rz. 12.13). Ein bloßes Angebot des Käufers oder des Verkäufers löst die Steuerpflicht noch nicht aus4. Ein Angebot, das frühestens nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist angenommen werden kann, führt mithin nicht zur Steuerbarkeit. Allerdings ist Voraussetzung, dass die Bindung einseitig ist, d.h. der Angebotsempfänger keinerlei Bindungen unterliegt. Eine derartige Gestaltung wird den Interessen der Beteiligten indes häufig nicht gerecht, weshalb sie geneigt sein werden, Ge-
1 Vgl. BFH v. 3.6.1992 – X R 91/90, BStBl. II 1992, 1017 ff. = FR 1992, 656; BMF v. 23.12.1996 – IV B 3-S 2257-54/96, BStBl. I 1996, 1508 Rz. 48 f. 2 BFH v. 13.4.1962 – VI 194/61 U, BStBl. III 1962, 306; BMF v. 25.10.2004 – IV C 3-S 2256-238/04, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 50. 3 BFH v. 25.3.2021 – IX R 10/20, DStR 2021, 1746; v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487 = FR 2015, 658 m. Anm. Bode = DNotZ 2015, 769 = MittBayNot 2015, 345. 4 Vgl. BFH v. 7.8.1970 – VI R 166/67, BStBl. II 1970, 806; N. Mayer, MittBayNot 1997, 78 (83); Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 66; Reich, ZNotP 2000, 375 (382).
Schallmoser 157
Kap. 1 Rz. 1.723 Steuerorientierte Immobilienübertragung
staltungen zu wählen, die den Angebotsempfänger dennoch in irgendeiner Weise binden sollen. Dahingehende Versuche führen in der Praxis regelmäßig zur Steuerpflicht.
1.724 Beispiel: Der Verkäufer gibt ein bindendes Angebot ab. Die (zukünftigen) Vertragsparteien kombinieren diese Abrede mit einem Kredit des Käufers an den Verkäufer in Höhe des Kaufpreises. Der Darlehensanspruch wird nach den Bestimmungen des Kreditvertrages mit dem später fälligen Kaufpreis verrechnet. Der Käufer darf den Grundbesitz bereits mit Grundpfandrechten belasten. Ferner wird ein begleitender Mietvertrag abgeschlossen (oder alternativ ein Nießbrauch oder Erbbaurecht) eingeräumt, so dass der Käufer zur Nutzung und/oder Bebauung des Grundbesitzes befugt ist. Für den Fall der Nichtannahme des Angebotes wird eine Vertragsstrafe i.H.v. einem Viertel des Kaufpreises vereinbart.
1.725 Eine Anschaffung oder Veräußerung liegt bereits vor, wenn die Beteiligten „Verhältnisse schaffen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen, vor allem, wenn (wie hier) besondere Umstände hinzutreten, die dem Käufer wirtschaftliches Eigentum verschaffen“1. Im geschilderten Beispiel lässt sich die Besteuerung nach § 23 EStG daher nicht vermeiden. In ähnlich gelagerten Fällen ist der BFH2 stets von einem die Veräußerung vorwegnehmenden Rechtsgeschäft ausgegangen, das zur Steuerpflicht führte (s. näher Rz. 12.13). 1.726 Als nicht steuerbar hat der BFH3 aber folgenden Sachverhalt eingestuft: Ein Steuerpflichtiger verpachtete ein Grundstück und räumte gleichzeitig dem Pächter ein persönliches, durch Auflassungsvormerkung gesichertes Vorkaufsrecht mit festgelegtem Kaufpreis ein. Der Pächter durfte das Grundstück bereits bebauen und mit Grundpfandrechten belasten und gab dem Eigentümer kurze Zeit später ein bindendes Angebot auf Erwerb des Grundstückes ab. Wechselseitige Angebote, wonach der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein Verkaufsangebot unterbreitet und der Kaufinteressent seinerseits zu getrennter Urkunde, meist von einem anderen Notar beurkundet, den Erwerb des Grundstückes anbietet, sind u.E. wegen der faktischen wechselseitigen Bindung wie ein abgeschlossener Kaufvertrag zu beurteilen. Bei fehlender Personenidentität, wenn also z.B. das
1 Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 37; vgl. auch BFH v. 15.1.1974 – VIII R 63/68, BStBl. II 74, 606 = DStR 1974, 351, zur Abgabe eines Verkaufsangebots zusammen mit einer Darlehensgewährung in Höhe des späteren Kaufpreises und dem Abschluss eines auf eine Eigentumsverschaffung am Grundstück gerichteten „Erbbauvertrags“; v. 15.12.1993 – X R 49/91, BStBl. II 1994, 687 = DB 1994, 510 = NJW-RR 1995, 148, zum unvollständig beurkundeten und deshalb nach § 313 Satz 1, § 125 BGB formunwirksamen Kaufvertrag über ein Grundstück; Reich, ZNotP 2000, 375 (382). 2 Vgl. hierzu die Beispiele aus der Rechtsprechung BFH v. 15.1.1974 – VIII R 63/68, BStBl. II 1974, 606; v. 7.8.1970 – VI R 166/67, BStBl. II 1970, 806; v. 23.1.1992 – IV R 95/90, BStBl. II 1992, 553 (Angebot mit Vormerkung, zinslosem Darlehen, Duldungsvereinbarung und Vertragsstrafe); v. 23.9.1966 – VI 147/65, BStBl. III 1967, 73; abweichend FG Hamburg v. 10.1.1985 – I 182/81, EFG 1985, 501. 3 BFH v. 19.10.1971 – VIII R 84/71, BStBl. II 1972, 452 ff.
158 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.729 Kap. 1
Erwerbsangebot von dem Ehegatten des Kaufinteressenten abgegeben wird, kann in der Regel kein Kaufvertrag unterstellt werden. 4. Erbbaurechte, Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte Die erstmalige Einräumung eines Erbbaurechts innerhalb von zehn Jahren nach 1.727 der Anschaffung eines Grundstücks fällt grds. nicht unter § 23 EStG1, da das ursprünglich angeschaffte Wirtschaftsgut (Grundstück) und das Erbbaurecht nicht identisch sind2 (allg. zum Erfordernis der Nämlichkeit s. Rz. 12.17 ff.; zu Einzelheiten betr. das Erbbaurecht s.a. Rz. 5.62 ff., insbes. Rz. 5.68). Soweit die frühere Rechtsprechung in der Bestellung des Erbbaurechts durch den Eigentümer eine Anschaffung i.S.d. § 23 EStG zugunsten des Erbbauberechtigten gesehen hat3, ist diese durch die Entscheidung des BFH vom 23.9.20034 überholt, in der der IX. Senat klargestellt hat, dass Erbbauzinsen keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks sind und daher zu Einkünften nach § 21 EStG führen. Die Annahme eines Anschaffungsvorgangs setzt daher voraus, dass der Steuerpflichtige das Erbbaurecht von demjenigen, zu dessen Gunsten der Eigentümer das Recht bestellt hat, kauft oder in anderer Weise entgeltlich erwirbt5.
1.728
Hinweis: Es muss in diesem Zusammenhang allerdings darauf geachtet werden, dass nicht schon im Zuge der Bestellung eines Erbbaurechtes durch den Eigentümer das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück übergeht, da in diesem Fall eine Veräußerung des Grundstücks selbst vorläge (zu Grenzfällen s. Rz. 5.68).
Die Veräußerung eines bebauten Erbbaurechtsgrundstücks kann den Tatbestand 1.729 eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG verwirklichen (s. hierzu Rz. 5.111)6. Die Steuerpflicht lässt sich wohl vermeiden, indem ein Untererbbaurecht bestellt wird. Damit wird zwar das Eigentum an dem Gebäude übertragen. Dies allein ist jedoch nicht steuerbar. Und wiederum wird etwas hingegeben, was nicht vorher angeschafft wurde. Es fehlt daher an der erforderlichen Identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut. Diese Gestaltung ist jedoch, soweit ersichtlich, weder von der Finanzverwaltung noch von der Rechtsprechung ausdrücklich entschieden. Eine Gestaltung ohne steuerliche Risiken wäre die Einräu-
1 So wohl auch BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14; ebenso im Ergebnis Schmidt-Liebig, FR 1998, 177 (181); Sauren, DStR 2000, 60 (61); FG Bremen v. 13.12.1974 – I 98/73, EFG 1975, 158 (159); vgl. auch BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342 f. 2 FG Baden-Württemberg v. 30.9.1992 – 14 K 81/91, EFG 1993, 233. 3 BFH v. 30.11.1976 – VIII R 202/72, BStBl. II 1977, 384. 4 BFH v. 23.9.2003 – IX R 65/02, BStBl. II 2005, 159 = FR 2004, 167 m. Anm. Fischer = ErbStB 2004, 33; zustimmend Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89 „Erbbaurecht“. 5 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89 „Erbbaurecht“. 6 So auch BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD) – IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14.
Schallmoser 159
Kap. 1 Rz. 1.729 Steuerorientierte Immobilienübertragung
mung eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechtes gem. § 31 WEG, da eine derartige Gestaltung nicht mit einem Eigentumswechsel verbunden ist, sondern nur ein vom Erbbaurecht abgeleitetes Nutzungsrecht beinhaltet (s. Rz. 6.20 ff.).
1.730 Im Hinblick auf § 17 BeurkG sollten die Beteiligten allerdings auf die Unterschiede zwischen einem Erbbaurecht und einem Untererbbaurecht sowie die damit verbundenen Risiken hingewiesen werden. 1.731 Grundstück und Gebäude können gesondert Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sein. Wird ein Gebäude in Ausübung eines Erbbaurechts errichtet und der Grund und Boden nach Fertigstellung des Gebäudes erworben, ist bei einer späteren Veräußerung des bebauten Grundstücks das Gebäude nicht in das private Veräußerungsgeschäft einzubeziehen1. Dem Erfordernis der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut ist für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts aber zumindest teilweise genügt, wenn ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und nach Löschung des Erbbaurechts kurzfristig lastenfrei weiterveräußert wird2 (s. Rz. 12.19). 1.732 Die Weiterveräußerung eines Erbbaurechtes, das ein Beteiligter binnen zehn Jahren vor der Weiterveräußerung selbst angeschafft hatte, fällt ebenfalls unter § 23 EStG3. Denn ein Erbbaurecht ist ein grundstücksgleiches Recht i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (s. Rz. 12.4). Die Anschaffung und Weiterveräußerung von Erbbaurechten kann zudem den Tatbestand eines gewerblichen Grundstückshandels begründen (s. Rz. 5.113 und Rz. 11.11). 1.733 Sowohl einmalige als auch laufende Erbbauzinsen unterliegen beim Grundstückseigentümer der Besteuerung nach § 21 EStG (s. Rz. 5.65 ff.). 1.734–1.750 Einstweilen frei. 5. Abschluss von Vorverträgen
1.751 Äußerste Vorsicht ist beim Abschluss von Vorverträgen geboten4. Wird in dem Vorvertrag das Bestreben deutlich, möglichst verbindlich bereits den Weg für die spätere Veräußerung zu ebnen, so werden Finanzverwaltung und Rechtsprechung den Vorvertrag bereits als Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ansehen. Das Gleiche gilt für einen aufschiebend befristeten oder bedingten Kaufvertrag. Sofern ein Kaufvertrag mit Bindungswirkung abgeschlossen und die zur Wirksamkeit erforderliche Geneh1 BMF v. 5.10.2000 (DE CD) – IV C 3 - S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14. 2 BFH v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = DStR 2013, 1937 = DB 2013, 2306; zustimmend Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 111. 3 BFH v. 30.11.1976 – VIII R 202/72, BStBl. II 1977, 384. Vgl. allgemein zu Erbbaurechten und § 23 EStG sowie Paus, NWB Fach 3, 12083 ff. 4 Vgl. dazu BFH v. 13.12.1983 – VIII R 16/83, BStBl. II 1984, 311 = FR 1984, 343 für einen Fall mit Bewilligung einer Auflassungsvormerkung und Sicherungshypothek zur Sicherung des Kaufpreises.
160 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.753 Kap. 1
migung erst nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist erteilt wird, führt die Bindungswirkung zur Steuerpflicht1. Hingegen ist für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung anerkannt, dass ein Vorvertrag, aus dem lediglich auf den Abschluss des Kaufvertrages, nicht jedoch auf Erklärung der Auflassung geklagt werden kann, keine Grunderwerbsteuer auslöst2. 6. Nachträgliche Vertragsaufhebung Fraglich ist, welche Auswirkungen eine nachträgliche Aufhebung eines Vertrages im 1.752 Rahmen des § 23 EStG hat. Wird der Vertrag im Wege des Vergleiches aufgehoben, um die Folgen eines mangelbedingten Rücktritts gem. § 323 BGB zu regeln, oder wird der Rücktritt oder die Minderung erklärt, lässt dies die Folgen des § 23 EStG entfallen oder modifiziert sie. U.E. handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO3, das steuerlich auf den ursprünglich verwirklichten Tatbestand einwirkt. Dem hat die OFD Frankfurt/M.4 widersprochen. Sie wendet nicht § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO an, sondern behandelt auch die mängelbedingte Rückabwicklung eines Kaufvertrages als neuerliches Veräußerungsgeschäft. Der Gewinn des Käufers besteht in diesen Fällen in der bisher geltend gemachten AfA, die dann im Rahmen des § 23 EStG zu versteuern ist. Auf die entgegenstehende Rechtsprechung des BFH geht die OFD allerdings nicht ein. Wie ist aber eine Vertragsaufhebung zu beurteilen, die nur zur Vermeidung der 1.753 steuerlichen Folgen des § 23 EStG vorgenommen wird? Diese Frage ist für § 23 EStG höchstrichterlich noch nicht geklärt. Der BFH5 hat die Vertragsaufhebung im Rahmen des § 16 EStG, anders als eine Wandlung (Rücktritt), als unbeachtlich angesehen. Die gleiche Ansicht vertritt auch das FG Brandenburg6 zu § 23 EStG unter Hinweis darauf, dass die tatsächliche Verwirklichung des Steuertatbestandes nicht aufgrund schuldrechtlich rückwirkender Vereinbarungen beseitigt werden 1 BFH v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. 2015 II 487 = ErbStB 2015, 127. 2 Vgl. Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 1 GrEStG Rz. 258. 3 Grundsätzlich wendet der BFH die Grundsätze zu Einmaltatbeständen im Rahmen des § 175 AO auch für § 23 EStG an, vgl. BFH v. 3.6.1992 – X R 91/90, BStBl. II 1992, 1017 ff. = FR 1992, 656; zustimmend Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 57; anders noch BFH v. 2.4.1974 – VIII R 76/69, BStBl. II 1974, 540; offen gelassen in BFH v. 4.10.2016 – IX R 8/15, BStBl. II 2017, 316; zur Rückgängigmachung der Veräußerung oder Aufgabe von Betriebsvermögen vgl. Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 337 f. 4 OFD Frankfurt/Main v. 12.7.2001 – S 2256 A-19-St II 27, DStR 2001, 1753 f. 5 BFH v. 21.4.1994 – IV R 70/92, BStBl. II 1994, 745 = GmbHR 1994, 818 zu 1, eher beiläufig; das Urteil zu § 17 EStG, BFH v. 21.10.1999 – I R 43,44/98, GmbHR 2000, 336 = DStR 2000, 374 ff., lässt sich nicht auf das hier fragliche Problem übertragen. Wenig weiterführend ist wohl auch der Vergleich zur Behandlung des Wiederkaufes, BFH v. 2.2.1982 – VIII R 3/79, BStBl. II 1982, 459 = FR 1982, 386. 6 FG Brandenburg v. 23.7.1998 – 3 V 1031/98 E, EFG 1998, 1585 (1586); a.A. Hessisches FG v. 1.3.1988 – 4 K 37/85, EFG 1988, 366, rkr.: Kein Spekulationsgeschäft bei Aufhebung einer bindenden Verpflichtungserklärung und nachfolgendem (erneutem) Kaufvertrag außerhalb der Haltefrist; in diesem Sinne wohl auch Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 122.
Schallmoser 161
Kap. 1 Rz. 1.753 Steuerorientierte Immobilienübertragung
könne. Selbst unter Zugrundelegung dieser Ansicht müsste eine Vertragsaufhebung steuerwirksam möglich sein, solange der gesamte oder der die Anschaffungskosten übersteigende Teil des Kaufpreises noch nicht zugeflossen ist. Insoweit ist der Steuertatbestand mangels Zuflusses der Gegenleistung noch nicht erfüllt1. Ähnlich hat der BFH2 für einen Fall entschieden, in dem allerdings der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten noch nicht erfolgt war. Insoweit handelt es sich sicher um keine neue Anschaffung für den bisherigen Eigentümer. Eine neue zehnjährige Veräußerungsfrist wird nicht ausgelöst. 7. Vereinbarung eines Rücktrittsrechts
1.754 Die Anerkennung sog. Steuerklauseln, wonach ein Rechtsgeschäft nicht gelten soll, wenn bestimmte steuerliche Folgen ungewollt eintreten, ist umstritten3. Etwas anders liegen die Dinge bei einem vorbehaltenen Rücktrittsrecht. Hier wird von der wohl überwiegenden Ansicht4 zu Recht vertreten, die Ausübung des Rücktrittsrechtes lasse das Veräußerungsgeschäft entfallen. Dies gilt nach Ansicht des BFH5 zumindest, wenn das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück, also Besitz, Nutzen und Lasten bis zur Ausübung des Rücktritts noch nicht übergegangen sind, u.E. jedoch auch noch danach6. Der Fall ist ebenso zu beurteilen wie ein gesetzliches Rücktrittsrecht gem. §§ 323 f. BGB oder eine Minderung, die auch steuerlich beachtlich sind. Die OFD Frankfurt/M.7 sieht hingegen in der mangelbedingten Rückabwicklung eines Kaufvertrages ein neues Veräußerungsgeschäft und unterwirft so zwischenzeitlich vorgenommene Absetzungen für Abnutzung der Einkommensteuer. Es spricht viel dafür, dass die Finanzverwaltung die Rückabwicklung eines Vertrages aufgrund eines vorbehaltenen rechtsgeschäftlichen Rücktrittsrechtes ebenso behandeln würde. Dem ist schon deshalb nicht zuzustimmen, weil die Rückabwicklung des ursprünglichen Anschaffungsgeschäfts zivilrechtlich (und mithin auch steuerrechtlich) vom Rückkauf (d.h. von einer erneuten Rückveräußerung 1 BFH v. 2.4.1974 – VIII R 76/69, BStBl. II 1974, 540; Schmidt/Levedag40, § 23 EStG Rz. 92; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 140 ff. 2 BFH v. 20.1.1987 – IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428. 3 Vgl. Schmidt/Weber-Grellet41, § 2 EStG Rz. 45 m.w.N.; s.a. BFH v. 24.11.1992 – IX R 30/88, BStBl. II 1993, 296 = FR 1993, 642, wonach Steuerklauseln in jedem Fall dann keine Wirkung entfalten, wenn sie dem Finanzamt nicht sofort aufgedeckt werden. Allgemein ist die Wirkung von Steuerklauseln immer noch nicht geklärt. Im Schiffverkaufsfall BFH v. 24.8.1961 – IV 352/59 U, BStBl. III 1962, 112 hat der BFH jedoch eine Steuerklausel anerkannt, vgl. hierzu Beck’sches Notarhandbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 402. 4 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 57; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 122; Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 49 m.w.N.; BFH v. 14.12.1982 – VIII R 54/81, BStBl. II 1983, 315 = FR 1983, 229 zu § 7b EStG; vgl. auch BFH v. 20.1.1987 – IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428; Hessisches FG v. 1.3.1988 – 4 K 37/85, EFG 1988, 366, rkr., für einen Fall der steuerwirksamen nachträglichen Vertragsaufhebung. 5 BFH v. 20.1.1987 – IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428. 6 Ebenso BFH v. 27.6.2006 – IX R 47/04, BStBl. II 2007, 162. 7 OFD Frankfurt/Main v. 12.7.2001 – S 2256 A-19-St II 27, DStR 2001, 1753 f.; ebenso SenFin. Berlin v. 14.5.2007, DStR 2007, 1820.
162 Schallmoser
Rz. 1.757 Kap. 1
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
durch den Erwerber) zu unterscheiden (und nicht diesem gleichzusetzen) ist1. Der einem vorbehaltenen Rücktrittsrecht ausgestaltete Vertrag war von Anfang an mit der Unsicherheit des Rücktritts behaftet; der erzielte Erlös stand von Anfang an unter dem Vorbehalt der Nichtausübung des Rücktrittsrechtes. Daher handelt es sich nicht um eine neue (Rück-)Veräußerung, sondern nur um die Beseitigung der Folgen des ursprünglichen Vertrages. Will man diesen Weg trotz der vorstehend beschriebenen Unsicherheit beschreiten, 1.755 empfiehlt sich eine an den „Schiffverkaufsfall“2 angelehnte Gestaltung, wonach bereits die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäftes von der Bestätigung des Finanzamtes über die Steuerfreiheit des Veräußerungsgeschäfts abhängig gemacht wird und Besitz, Nutzungen und Lasten noch beim Veräußerer verbleiben. Von mehreren FG3 wird die Auffassung vertreten, die Steuer entstehe später dennoch, 1.756 wenn nach Ablauf der Spekulationsfrist das ursprüngliche Rechtsgeschäft erneut abgeschlossen und, wie ursprünglich geplant, durchgeführt werde. 8. Vertragsgestaltung Anmerkungen zu diesem Muster finden Sie unter Rz. 1.758 ff. a) Kauf mit wiederkehrenden Zahlungen Literatur: Amann, Durchsetzung der Reallast ohne Verlust der Reallast auch nach dem Beschluss des BGH v. 2.10.2003, DNotZ 2004, 599; G. Kirchhoff, Das Verbot von Wertsicherungsklauseln im neuen Preisklauselgesetz, DNotZ 2007, 913; Koehnen, Die Verrentung von Kaufpreisen, MittRhNotK 1994, 329; Reul, Aufhebung der Genehmigungspflicht bei Wertsicherungsklauseln – das neue Preisklauselgesetz (PreisklauselG), MittBayNot 2007, 445; Salzig, Der Miet- und Ratenzahlungskauf in der notariellen Praxis, MittBayNot 2008, 341 und 446.
1.757
M5 Kauf auf Leibrente Beurkundet am […]
I. Grundbuchstand Laut Vortrag im Grundbuch des AG […] für […] Blatt […] ist Herr […] Eigentümer des nachstehend bezeichneten Grundstücks der Gemarkung […]Flurstück Nr. […] Der Grundbesitz ist in Abteilung II und III des Grundbuches unbelastet. 1 Vgl. hierzu etwa FG Münster v. 13.12.2012 – 6 K 2989/10 E, EFG 2013, 356. 2 BFH v. 24.8.1961 – IV 352/59 U, BStBl. III 1962, 112. 3 FG Brandenburg v. 23.7.1998 – 3 V 1031/98 E, EFG 1998, 1585 (1586) unter Hinweis auf § 41 AO; zustimmend Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 49; FG Münster v. 30.3.1981 – I-VI 5447/78 E, EFG 1982, 81 f.; a.A. Hessisches FG v. 1.3.1988 – 4 K 37/85, EFG 1988, 366, rkr.
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Kap. 1 Rz. 1.757 Steuerorientierte Immobilienübertragung
II. Verkauf Herr […] – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkauft hiermit an Herrn […] – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – – zu Alleineigentum – den in Abschnitt I dieser Urkunde näher bezeichneten Grundbesitz samt allen Rechten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör.
III. Kaufpreis (1) Der Barkaufpreis beträgt 200.000 b – in Worten: zweihunderttausend Euro – und ist zur Zahlung fällig am […], nicht jedoch vor Absendung einer Bestätigung des amtierenden Notars, wonach a) die Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde, b) die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen gesichert ist, also diesbezüglich dem Notar eine Löschungsbewilligung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, und c) die Stadt […] bestätigt hat, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht nicht besteht oder nicht ausgeübt wird. (2) Der Notar wird beauftragt, den Beteiligten die Erfüllung vorstehender Fälligkeitsvoraussetzungen schriftlich anzuzeigen. Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer berechtigt und verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten. Sofern im Zuge der Lastenfreistellung nicht anderweitige Zahlungsauflagen der Gläubiger ergehen, sind alle dem Verkäufer zu leistenden Beträge zu bezahlen auf das Konto des Verkäufers Nr. […] (IBAN: […]) bei der […], BIC: […]. (3) Neben dem Barkaufpreis wird als Restkaufpreis eine lebenslange Leibrente geschuldet. Danach hat der Käufer auf Lebenszeit des Verkäufers jeweils monatlich im Voraus, erst164 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.757 Kap. 1
mals für den auf diese Beurkundung folgenden Monatsersten, wiederkehrende Zahlungen i.H.v. 2.000 b – in Worten: zweitausend Euro – zu entrichten. Der als Leibrente jeweils zu zahlende Betrag soll wertbeständig sein. Er erhöht oder vermindert sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für jeden Monat festgestellte und veröffentlichte Verbraucherpreisindex für Deutschland auf der Basis 2010 = 100 gegenüber dem für den ersten Fälligkeitsmonat festzustellenden Index erhöht oder vermindert. Eine Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages tritt jedoch erst dann ein, wenn die Indexveränderung zu einer Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages um mindestens 10 % – zehn vom Hundert – führt. Die aufgrund der Wertsicherungsklausel erhöhte oder ermäßigte Leibrente ist erstmals für den Monat zu entrichten, für den eine Indexänderung um mindestens 10 % festgestellt wird, ohne dass es einer Aufforderung durch die begünstigte Vertragspartei bedarf. Differenzbeträge für die bis zur Indexveröffentlichung verstrichene Zeit sind unverzüglich nach Bekanntgabe des maßgeblichen Indexes ohne Beilage von Zinsen auszugleichen. (4) Zur Sicherung obiger Rentenzahlungsverpflichtung wird die Eintragung einer Reallast an Flurstück Nr. […]Gemarkung […] zugunsten des Verkäufers in ihrer wertgesicherten Form bewilligt und beantragt mit dem Vermerk, dass zur Löschung der Nachweis des Todes des Berechtigten genügt. Für den Inhalt der Reallast wird bestimmt: a) Die Zahlungen aus der schuldrechtlichen Rentenverpflichtung und den dinglichen Ansprüchen aus der Reallast sind jeweils gegeneinander anzurechnen. b) Die Reallast ist nicht vererblich. c) Der Reallastberechtigte kann die Ablösung der Reallast durch Zahlung einer Ablösesumme verlangen, wenn der Reallastschuldner (Eigentümer) mit Leistungen aus der Reallast mit mindestens drei Monatsraten in Verzug gerät. Die Ablösesumme errechnet sich aus der versicherungsmathematischen Kapitalisierung der rückständigen und künftig fällig werdenden Reallastzahlungen unter Zugrundelegung eines Jahreszinses i.H.v. […]. Die Reallast erhält Rang nach der Vormerkung gem. Abschnitt XI.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Käufer unterwirft sich hinsichtlich des geschuldeten Betrages i.H.v. 200.000 b samt etwaiger Zinsen sowie wegen der dinglichen und wegen der persönlichen Ansprüche aus der Reallast und wegen der persönlichen Leibrentenverpflichtung in Höhe des Ausgangsbetrages und in Höhe des wertgesicherten Erhöhungsbetrages der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckungsunterwerfung hinsichtlich des Ausgangsbetrages ist unabhängig von der Unterwerfung hinsichtlich des Erhöhungsbetrages.
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Kap. 1 Rz. 1.757 Steuerorientierte Immobilienübertragung Vollstreckbare Ausfertigung darf ohne weitere Nachweise der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erteilt werden, nachdem der Notar die vereinbarte Fälligkeitsbestätigung an den Käufer abgesandt hat.
V. Erschließungskosten Alle auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erschließungskosten im weitesten Sinne einschließlich Anlieger- und Herstellungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz hat ausschließlich der Käufer zu tragen, es sei denn, dass hierüber bereits ein Bescheid dem Verkäufer oder dessen Rechtsvorgänger zugegangen ist. Diese Vereinbarung gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt in der Natur eine zugrunde liegende kostenpflichtige Maßnahme ausgeführt wurde. Der Verkäufer versichert, dass unerledigte Erschließungskostenbescheide nicht vorliegen.
VI. Besitzübergang Der Besitz, die Nutzungen und Lasten sowie die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung gehen mit Zahlung des in Abschnitt III ausgewiesenen Barkaufpreises auf den Käufer über.
VII. Gewährleistung (1) Der Verkäufer haftet für ungehinderten Besitz- und Eigentumsübergang und für Freiheit des Grundbesitzes von Belastungen jeder Art, soweit sie nicht ausdrücklich übernommen werden. (2) Der Käufer hat den Vertragsgegenstand eingehend besichtigt und übernimmt ihn, wie er liegt und steht, also im derzeitigen Zustand. Jede Sachmängelhaftung des Verkäufers wird hiermit abweichend vom Gesetz im Wege einzeln und ausdrücklich unter den Beteiligten ausgehandelter Vereinbarungen ausgeschlossen. (3) Der Verkäufer versichert, dass ihm wesentliche, dem Käufer nicht erkennbare Mängel des Vertragsgegenstandes nicht bekannt sind. Zustandsveränderungen am Vertragsgegenstand bis zum Tage des vereinbarten Besitzüberganges hat der Verkäufer nur dann zu vertreten, wenn sie über das gewöhnliche Maß der Abnutzung hinausgehen. (4) Die Vertragsteile verzichten übereinstimmend auf die Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe des Rentenbarwerts, der sich aus der vereinbarten Leibrente ergibt.
VIII. Notarermächtigung Der Notar wird zur Erwirkung und Entgegennahme der erforderlichen Genehmigungen, zur Einholung der Stellungnahme hinsichtlich bestehender öffentlich-rechtlicher Vor166 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.757 Kap. 1
kaufsrechte sowie zur Abgabe von Erklärungen, Stellung, Änderung und Zurücknahme von Anträgen, die zum Vollzug des Vertrages erforderlich oder zweckdienlich sind, ermächtigt. Im Falle der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes steht dem Käufer kein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz gegen den Verkäufer zu. Alle noch ausstehenden Genehmigungen sollen mit dem Eingang beim Notar den Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein.
IX. Hinweise Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere hingewiesen auf – den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges und die Eintragungsvoraussetzungen; – die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten für Kosten und Steuern, sowie auf die Haftung des Grundbesitzes für Rückstände an öffentlichen Lasten und Abgaben und für Erschließungsbeiträge; – die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts; – etwa bestehende öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte und – darauf, dass private Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 EStG einkommensteuerpflichtig sein können. Die Vertragsteile versichern, dass alle Vertragsabreden vollständig und richtig beurkundet wurden.
X. Auflassung Die Erklärung der Auflassung ist in der einen wesentlichen Bestandteil dieser Urkunde bildenden Anlage enthalten, auf die ausdrücklich verwiesen wird. Der Notar wird beauftragt, die Eigentumsumschreibung erst zu beantragen, wenn die Zahlung des baren Kaufpreisteiles gem. Abschnitt III Nr. 1 vom Verkäufer bestätigt oder vom Käufer nachgewiesen wurde und die Reallast Rang nach der Vormerkung erhalten hat. Der Käufer verzichtet auf sein eigenes Antragsrecht. Vollständige Abschriften mit Auflassung sind erst zu erteilen, wenn die vorstehend genannten Zahlungen nachgewiesen sind.
XI. Vormerkung gem. § 883 BGB Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums am Vertragsgegenstand bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB für den Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis an erster Rangstelle im Grundbuch. Die Löschung dieser Vormerkung wird Zug um Zug gegen Eigentumsumschreibung im Grundbuch bewilligt und beantragt, vorausgesetzt, dass weder Zwischeneintragungen ohne Zustimmung des Käufers erfolgt sind noch deren Eintragung beantragt wurde. Die Vormerkung kann an nächstoffener Rangstelle eingetragen werden, wenn der Notar dies ausdrücklich beantragt.
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Kap. 1 Rz. 1.757 Steuerorientierte Immobilienübertragung
XII. Kosten und Ausfertigungen Die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzuges, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer trägt der Käufer. Von dieser Urkunde erhalten Ausfertigungen: die Vertragsteile beglaubigte Abschriften: das Grundbuchamt einfache Abschriften: das Finanzamt (Grunderwerbsteuerstelle) der Gutachterausschuss Anlage zum Kaufvertrag vom […] URNr. […] Die Vertragsteile sind über den Eigentumsübergang einig und bewilligen und beantragen, den Käufer als Alleineigentümer an Flurstück Nr. […] und […] im Grundbuch einzutragen.
b) Anmerkungen zum Kauf auf Leibrente
1.758 Gesetzliche Regelung: Die Verpflichtung zur Zahlung einer Leibrente ist in § 759 BGB geregelt. Danach ist im Zweifel anzunehmen, dass die Rente für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten ist. Die Leibrentenverpflichtung führt zur Bestellung eines Rentenstammrechts, aus dem die einzelnen Ansprüche auf periodische Rentenzahlung fließen1. Die Sicherung der Rentenzahlungen erfolgt regelmäßig in der Bestellung einer Reallast gem. § 1105 BGB, wonach ein Grundstück in der Weise belastet werden kann, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind (Reallast).
1.759 Verrentung des Kaufpreises: Der Formulierungsvorschlag enthält nur die Angabe des Barkaufpreises und die monatliche Rentenzahlung, nicht jedoch eine Bezifferung des „Gesamtkaufpreises“. Bei der Vereinbarung eines „Gesamtkaufpreises“ ist für die Verrentung der nach Abzug des Barkaufpreises zu zahlenden Leibrente ein versicherungsmathematisches Gutachten erforderlich. Die Verrentung nach Anlage 9a des Bewertungsgesetzes geht von dem steuerlichen Rentenbarwert aus und weicht daher von einer Verkehrswertberechnung ab. Wegen der gestiegenen Lebenserwartung müssen jeweils die neuesten versicherungsmathematischen Tabellen zugrunde gelegt werden, wobei auch die vorschüssige oder nachschüssige monatliche Zahlung zu entsprechenden Veränderungen führt. Sofern ein kostenpflichtiges ver1 Grüneberg/Sprau81, § 759 BGB Rz. 3.
168 Schallmoser
B. Einkommensteuer aufgrund Rechtsträgerwechsels
Rz. 1.762 Kap. 1
sicherungsmathematisches Gutachten nicht zeitnah zur Verfügung steht, können Streitigkeiten zwischen den Parteien dadurch vermieden werden, dass von vornherein nicht eine Verrentung eines fiktiven Gesamtkaufpreises vereinbart wird, sondern nur die Zahlungsbeträge, die die Vertragsteile im Auge haben, in die Urkunde übernommen werden, also der zu entrichtende Barkaufpreis und die monatliche Rente. Vorsorglich sollte der beiderseitige Verzicht auf die Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens ausdrücklich in der Urkunde erklärt werden. Durch das PreisklauselG vom 7.9.20071 wurde das frühere Genehmigungserforder- 1.760 nis für Ausnahmen vom gesetzlichen Verbot automatisch wirkender Wertsicherungsklauseln durch unmittelbar im Gesetz geregelte Legalausnahmen aufgehoben. Bei Wertsicherungsklauseln ist keine Genehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle mehr erforderlich. Die zuvor in der PrKV enthaltenen Ausnahmeregelungen wurden weitgehend unverändert in das PreisklauselG übernommen. Die Betroffenen haben selbst zu prüfen, ob die vereinbarten Preisklauseln rechtmäßig sind. Die Unwirksamkeit einer Preisklausel wirkt prinzipiell erst vom Zeitpunkt des durch ein Gericht rechtskräftig feststellten Verstoßes gegen die Regelungen des Preisklauselgesetzes2. Die im Grundbuch gem. § 1105 BGB einzutragende Reallast bringt drei Anspruchs- 1.761 grundlagen mit sich: (1) Dinglicher Anspruch auf Entrichtung der wiederkehrenden Leistungen gem. § 1105 Abs. 1 Satz 1 BGB, (2) der dem dinglichen Recht zugrunde liegende schuldrechtliche Anspruch gem. § 759 BGB und (3) die persönliche Haftung des Eigentümers während der Dauer seines Eigentums gem. § 1108 BGB. Es ist daher anzuraten, dass Zahlungen aus einem Rechtsgrund auf die anderen Anspruchsgrundlagen anzurechnen sind3. Eine Verfallklausel, nach der der Berechtigte unter bestimmten Voraussetzungen an- 1.762 stelle wiederkehrender Leistungen ihre Ablösung durch eine einmalige Leistung verlangen kann, ist nach Auffassung des OLG Köln4 nicht Inhalt einer Reallast. Nach dem Wortlaut von § 1105 BGB seien nur wiederkehrende Leistungen Inhalt einer Reallast, nicht jedoch einmalige Leistungen5. Reymann6 schlägt vor, ein Ablösungsrecht des Gläubigers in der Weise grundbuchmäßig zu sichern, dass im Rang vor der Reallast ein Grundpfandrecht in Höhe des zu vereinbarenden Ablösungsbetrages eingetragen wird. Eine weitere Beleihung des erworbenen Grundbesitzes ist mit einer derartigen Grundschuld i.d.R. ausgeschlossen, so dass ein Rangvorbehalt vorgesehen werden sollte, um dem Eigentümer z.B. auch die Finanzierung des Renovierungsaufwandes zu ermöglichen. Die Ablösbarkeit selbst kann wie eine auflösende Bedingung in das Grundbuch eingetragen werden7. Betreibt der Gläubiger 1 2 3 4 5 6 7
BGBl. I 2007, 2246. Reul, MittBayNot 2007, 445 (450). Langenfeld, Grundstückszuwendungen, Kap. 5 Rz. 16. OLG Köln v. 19.12.1990 – 2 Wx 23/90, MDR 1991, 868 = DNotZ 1991, 807. Wie hier Münchener Kommentar/Mohr8, § 1105 BGB Rz. 23. Staudinger/Reymann, Einl. zu §§ 1105–1112 BGB Rz. 47. Staudinger/Reymann, § 1105 BGB Rz. 46.
Schallmoser 169
Kap. 1 Rz. 1.762 Steuerorientierte Immobilienübertragung
der Reallast wegen rückständiger Leistungen aus seinem dinglichen Anspruch die Zwangsversteigerung, fällt die Reallast nicht in das geringste Gebot und erlischt mit dem Zuschlag gem. § 52 Abs. 1 Satz 2 und § 91 Abs. 1 ZVG. Für die Bestellung einer Ersatzreallast kann eine Vormerkung gem. § 883 BGB bestellt werden1.
1.763 Häufig werden Leibrentenkaufverträge auch mit einem Wohnungsrecht verbunden, wenn der Verkäufer weiterhin im verkauften Anwesen verbleiben will. Derartige Wohnungsrechte sollten durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gem. § 1093 BGB gesichert werden. Selbstverständlich ist bei der Bemessung der Gesamtleistungen der Wert des Wohnungsrechtes zu berücksichtigen. 1.764–1.799 Einstweilen frei.
C. Laufende Einkommensbesteuerung I. Betriebliche und freiberufliche Einkünfte Literatur: Bruschke, Ertragsteuerliche Auswirkungen der Zuordnung einer selbstgenutzten Wohnung zum Unternehmensvermögen, StB 2004, 371; Geck/Messner, Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, ZEV 2004, 220; Hartrott, Gewerblicher Grundstückshandel – ein Kurzrepetitorium unter kritischer Würdigung der aktuellen Rechtsprechung des BFH, BB 2010, 2271; Heuermann, Die Grenzziehung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung (im Rahmen der §§ 21, 23 EStG, § 14 AO) am Beispiel des gewerblichen Grundstückshandels, in: Einkommen aus Kapital (DStJG 31, 2006), 121; Jahn, Steuerliche Abgrenzung gewerblicher Tätigkeit von freiberuflicher und sonstiger Tätigkeit, DB 2012, 1947; Schoor, Steuerentlastende Gestaltungsmöglichkeiten bei „Umwidmung“ von Darlehen, StuB 2004, 864.
1. Einkünftetatbestand
1.800 Bei den Gewinneinkünften, nämlich aus Land und Forstwirtschaft (§§ 13–14a EStG), aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), gehören die unmittelbar eigenbetrieblich genutzten Grundstücke zum (notwendigen) Betriebsvermögen2 (s. Rz. 1.512, 1.550, 1.570 ff. und 1.642). Gehören Grundstücke zu einem Betriebsvermögen, werden die erzielten Nutzungen und Erträge als betriebliche Einkünfte und nicht etwa als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst (s. näher Rz. 1.801 ff.). Absetzungen für Abnutzung auf Gebäude und Einrichtungen dürfen vorgenommen werden. Auch Teilwertabschreibungen sind zulässig, soweit dauerhafte Wertminderungen an Grundstücken oder Grundstücksteilen des Betriebsvermögens während der Besitzdauer eintreten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Veräußerung betrieblicher Grundstücke oder Grundstücksteile oder die
1 Vgl. BGH v. 2.10.2003 – V ZB 38/02, MDR 2004, 390 = DNotZ 2004, 615 (616); OLG München v. 30.1.2007 – 32 Wx 9/07, DNotZ 2007, 296 m. Anm. Amann. 2 BFH v. 15.4.1981 – IV R 129/78, BStBl. II 1981, 618 = FR 1981, 442; v. 10.11.2004 – XI R 32/01, BStBl. II 2005, 431 = DStR 2005, 683.
170 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.802 Kap. 1
Entnahme derselben aus dem Betriebsvermögen führt zu Betriebseinnahmen; während der Besitzdauer eingetretene Wertsteigerungen wirken sich mithin einkommenserhöhend aus. Die Abgrenzung zwischen betrieblichen und vermögensverwaltenden Einkünf- 1.801 ten kann im Einzelfall insbesondere zwischen einer gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 EStG und einer Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit i.S.d. § 21 EStG schwerfallen1. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der „Verkehrsauffassung“ einen Gewerbebetrieb ausmacht oder eher einer Vermögensverwaltung entspricht2. Grundsätzlich stellt die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Grundvermögen Vermögensverwaltung und keine gewerbliche Tätigkeit dar3. Das gilt auch dann, wenn – das vermietete oder verpachtete Grundvermögen bisher betrieblich genutzt wurde und weiterhin in der Bilanz des Steuerpflichtigen ausgewiesen ist4; – das vermietete oder verpachtete (private) Grundvermögen sehr umfangreich ist, dafür erhebliche Fremdmittel eingesetzt werden, die Verwaltung erheblichen Aufwand erfordert oder die Vermieter als tätige Architekten und Bauunternehmer besondere Sachkunde ausnutzen5. Die Vermietung von unbeweglichem Vermögen stellt indes gewerbliche Tätigkeit 1.802 dar, wenn „im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, hinter welche die Nutzung des Vermögens zurücktritt“6. Dies ist etwa der Fall, wenn – zur Vermietungstätigkeit ins Gewicht fallende Sonderleistungen des Vermieters oder Verpächters hinzukommen (Reinigung; Instandhaltung; hotelmäßige Beherbergung mit Halb- oder Vollpension)7;
1 Vgl. BFH v. 11.7.1968 – IV 139/63, BStBl. II 1968, 775. 2 Vgl. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492 – Gewerblicher Grundstückshandel; v. 24.1.1996 – X R 255/93, BStBl. II 1996, 303 = FR 1996, 416 – Gewerblicher Grundstückshandel; v. 14.7.2004 – IX R 69/02, BFH/NV 2004, 1640 – Ferienwohnungen; v. 4.3.2008 – IX R 11/07, BFH/NV 2008, 1462 – Messezimmer; s.a. Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 112. 3 BFH v. 21.12.1976 – VIII R 27/72, BStBl. II 1977, 244 = DB 1977, 525; v. 1.10.1986 – I R 96/83, BStBl. II 1987, 113 = FR 1987, 10. 4 In diesem Fall kann aber eine Entnahme des Grundstücks vorliegen, wenn eine spätere Verwendung zu betrieblichen Zwecken ausgeschlossen erscheint, vgl. BFH v. 1.10.1986 – I R 96/83, BStBl. II 1987, 113 = FR 1987, 10. 5 BFH v. 12.3.1964 – IV 136/61 S, BStBl. III 1964, 364; Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 113. 6 Z.B. BFH v. 18.1.1973 – IV R 196/71, BStBl. II 1973, 561 = DB 1973, 1331; v. 21.12.1976 – VIII R 27/72, BStBl. II 1977, 244 = DB 1977, 525. 7 Z.B. BFH v. 28.6.1984 – IV R 150/82, BStBl. II 1985, 211 = FR 1984, 593; v. 14.7.2004 – IX R 69/02, BFH/NV 2004, 1640; v. 23.7.2003 – IX B 23/03, BFH/NV 2003, 1425.
Schallmoser 171
Kap. 1 Rz. 1.802 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– die Räumlichkeiten für die jederzeitige, auch kurzfristige Überlassung an Gäste vorgehalten werden, insbesondere sachliche und personelle Vorkehrungen getroffen werden, die es gestatten, auch Gäste ohne vorherige Buchung aufzunehmen1; – eine Ferienwohnung in einem Feriengebiet im Verbund mit einer Vielzahl gleichartig genutzter Wohnungen einer einheitlichen Wohnanlage liegt und die Verwaltung einschließlich der Werbung für eine kurzfristige Vermietung an laufend wechselnde Mieter einer Feriendienstorganisation übertragen sind2; – der Inhaber eines Reisebüros Räume an Kunden seines Unternehmens vermietet3. Die Räume gehören dann zum notwendigen Betriebsvermögen des Reisebürounternehmens. Gleiches gilt für Ferienwohnungen eines gewerbl. Vermittlers von Ferienobjekten4. Gewerblich ist regelmäßig auch die ständig wechselnde kurzfristige Vermietung von Sälen und Nebenräumen für Veranstaltungen (Vorträge, Konzerte, Versammlungen)5, die stundenweise Vermietung von Tennisplätzen6 oder die Unterhaltung eines Campingplatzes, wenn wesentliche Nebenleistungen (Zurverfügungstellung sanitärer Anlagen und ihre Reinigung, Stromversorgung, Instandhaltung, Pflege und Überwachung des Platzes) erbracht werden7. Zu den gewerbesteuerlichen Rechtsfolgen s. Rz. 1.1063 ff.
1.803 Aufgrund der mit dem Wohneigentumsförderungsgesetz8 eingeführten „Konsumgutlösung“ wird die selbstbewohnte Wohnung einkommensteuerlich nicht mehr erfasst. Soweit sich die Wohnung im steuerlichen Betriebsvermögen befand, ist sie spätestens 1998 ertragsteuerneutral aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Sofern nach diesem Zeitpunkt eine im Betriebsvermögen befindliche Wohnung von dem Eigentümer selbstgenutzt wird, ist diese Nutzung regelmäßig nicht als Substanzentnahme, sondern als Nutzungsentnahme zu bewerten (wegen der Nutzung einer im Betriebsvermögen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft befindlichen Wohnung durch einen Gesellschafter vgl. Rz. 1.511; zur – ausgelaufenen – Eigenheimförderung durch das EigZulG s. Rz. 1.1041 ff.). 2. Einkünfteermittlung
1.804 Aus betrieblich genutzten Grundstücken oder Grundstücksteilen fließende Erträge sind als betriebliche Einkünfte der jeweiligen Einkunftsart (s. Rz. 1.800) zu erfassen; sie werden durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4, 5 EStG) oder durch Einnah-
1 2 3 4 5 6 7 8
Z.B. BFH v. 14.1.2004 – X R 7/02, BFH/NV 2004, 945. Z.B. BFH v. 14.1.2004 – X R 7/02, BFH/NV 2004, 945. BFH v. 27.3.1974 – I R 44/73, BStBl. II 1974, 488. BFH v. 13.11.1996 – XI R 31/95, BStBl. II 1997, 247 = FR 1997, 264. Gl.A. Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 119. BFH v. 25.10.1988 – VIII R 262/80, BStBl. II 1989, 291 = FR 1989, 83. BFH v. 6.10.1982 – I R 7/79, BStBl. II 1983, 80 = FR 1983, 101. Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums – Wohneigentumsförderungsgesetz – v. 15.5.1986, BGBl. I 1986, 730.
172 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.806 Kap. 1
menüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt. Aufwendungen für solche Wirtschaftsgüter sind stets Betriebsausgaben; zu den Aufwendungen im Einzelnen vgl. die Ausführungen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Rz. 1.869 ff. Zu den als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähigen Aufwendungen zählen ins- 1.805 besondere auch Schuldzinsen. Für die Zuordnung einer Schuld zum Betriebs- oder Privatvermögen kommt es auf den Zweck der Schuldaufnahme an. Der auf diese Weise einmal entstandene wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit einer bestimmten Einkunftsart (oder mit der privaten Sphäre) kann nicht durch die bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen hergestellt oder geändert werden1. Für die Anerkennung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben ist grundsätzlich auf den ursprünglichen mit der Darlehensaufnahme verfolgten Verwendungszweck und damit auf die erstmalige tatsächliche Verwendung der Darlehensvaluta abzustellen. Allerdings hat der BFH auch die Möglichkeit einer „Umwidmung“ anerkannt (sog. Surrogationsbetrachtung; s. hierzu auch Rz. 1.939)2. Voraussetzung für eine derartige steuerrechtlich anzuerkennende Umwidmung eines Kredits ist, dass – die durch die erstmalige tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel eingetretene Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart oder ggf. zur privaten Vermögenssphäre eindeutig beendet ist, – der Steuerpflichtige eine neue ebenfalls kreditfinanzierte Anlageentscheidung trifft, durch die das Objekt der Darlehensaufnahme ausgewechselt wird und – diese Änderung nach außen hin an objektiven Beweisanzeichen feststellbar in Erscheinung tritt3. Eine Umwidmung kann auch durch Wechsel des Darlehenszwecks erfolgen, wenn nämlich der Erlös aus der Veräußerung eines bislang zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendeten Wirtschaftsgutes in Folge einer neuen Anlageentscheidung des Steuerpflichtigen zum Erwerb einer anderen Einkunftsquelle eingesetzt wird4. Entnimmt ein Steuerpflichtiger seinem Betriebsvermögen ein Grundstück, um es 1.806 fortan zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 1 Vgl. BFH v. 29.7.1997 – IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 = DStR 1997, 1757 = NJW 1998, 926; v. 19.8.1998 – X R 96/95, BStBl. II 1999, 353 = NJW 1999, 598 = ZfIR 1999, 146; v. 9.7.2002 – IX R 40/01, BFH/NV 2003, 23 = HFR 2003, 342. 2 Vgl. BFH v. 23.1.1991 – X R 37/86, BStBl. II 1991, 398 = DB 1991, 949; v. 13.2.1996 – VIII R 18/92, BStBl. II 1996, 291 = DB 1996, 1014 = GmbHR 1996, 544; v. 1.10.1996 – VIII R 68/94, BStBl. II 1997, 454 = DB 1997, 1372; v. 7.7.1998 – VIII R 5/96, BStBl. II 1999, 209 = DB 1999, 359; v. 22.1.2003 – X R 60/99, BFH/NV 2003, 900; v. 8.4.2003 – IX R 36/00, BStBl. II 2003, 706 = DB 2003, 1552 = DStR 2003, 1248 = NJW 2003, 2855 = ZfIR 2003, 784; v. 17.8.2005 – IX R 23/03, BStBl. II 2006, 248 = DB 2005, 2498; s. hierzu auch Carlé, BeSt 2009, 6. 3 Vgl. Schoor, StuB 2004, 864 (865). 4 Vgl. BFH v. 7.3.1995 – VIII R 9/94, BStBl. II 1995, 697; v. 17.8.2005 – IX R 23/03, BStBl. II 2006, 248 = DB 2005, 2498.
Schallmoser 173
Kap. 1 Rz. 1.806 Steuerorientierte Immobilienübertragung
EStG zu verwenden, dient ein zu seiner Anschaffung oder zur Herstellung des aufstehenden Gebäudes aufgenommenes Darlehen nunmehr dieser neuen Verwendung, so dass die künftig entstehenden Schuldzinsen Werbungskosten bei diesen Einkünften darstellen. Umgekehrt wird ein Darlehen, das dem Erwerb eines zunächst privatgenutzten Wirtschaftsgutes diente, mit der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen zu einer Betriebsschuld mit der Folge, dass die fortan anfallenden Schuldzinsen Betriebsausgaben darstellen. II. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1. Einkünftetatbestand a) Objektiver Einkünftetatbestand Literatur: Fuhrmann/Demuth, Vermögensverwaltende Personengesellschaft als Mittel der Nachfolgeplanung, ErbStB 2006, 127; Geck, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, KÖSDI 2010, 16842; Wacker, Vermögensverwaltende Gesamthand und Bruchteilsbetrachtung – eine Zwischenbilanz, DStR 2005, 2014. Verwaltungsanweisungen: Bayerisches Landesamt für Steuern, Vfg. v. 31.10.2006 – S 2253.26, DStR 2006, 2212: Grundstücksgemeinschaften; Zurechnung von Mieteinkünften bei Wohnungsüberlassung an Miteigentümer.
1.807 Die Vorschrift des § 21 EStG erfasst u.a. Einkünfte aus der zeitlich begrenzten Überlassung unbeweglicher Gegenstände des Privatvermögens zur Nutzung. Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angesprochenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht), werden nicht durch Bilanzierung, sondern durch Überschussrechnung in der Weise ermittelt, dass von den jährlichen Einnahmen (§ 8 EStG; s. Rz. 1.866 ff.) die Werbungskosten (§ 9 EStG; s. Rz. 1.869 ff.) in Abzug gebracht werden. Es gilt das Zuflussprinzip gem. § 11 EStG: die Einnahmen und Ausgaben sind bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr zu ermitteln (s. Rz. 1.868; allg. zur Zuordnung von Aufwand s. Rz. 1.973 ff.). 1.808 Die Frage nach dem objektiven Tatbestand des § 21 EStG ist vordringlich eine Frage der Zurechnung: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der sie „erzielt“. Das ist derjenige, der einem anderen ein in § 21 Abs. 1 EStG genanntes Wirtschaftsgut entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt und in diesem Zusammenhang Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag (d.h. dem „Rechtsverhältnis“ i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG) ist. Maßgeblich ist danach eine wirtschaftliche Sicht auf das „Außenverhältnis“, vor allem in Bezug auf Mehrpersonenverhältnisse, Treuhandverhältnisse, Nießbrauchsverhältnisse (s. Rz. 7.71 ff.) oder in den Fällen der Rechtsnachfolge (§§ 566, 567 BGB): Vermieter ist, wer die wirtschaftlichen Dispositionsbefugnisse über das Mietobjekt hat und damit eine Vermietertätigkeit selbst oder durch einen gesetzlichen
174 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.809 Kap. 1
Vertreter bzw. Verwalter wirtschaftlich ausübt1. Hierfür kann beim lediglich obligatorisch Nutzungsberechtigten (z.B. schuldrechtlicher Nießbrauch – s. Rz. 7.9 – oder anderweitige Nutzungsrechte) eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, d.h. eine (ggf. auch nur konkludente2) Vereinbarung unter Zustimmung der Mieter erforderlich sein3. Demgegenüber ist weder die Berechtigung zur Vermietung noch das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum (§ 39 AO)4 Voraussetzung einer steuerlichen Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (zur Zurechnung beim Nießbraucher s.a. Rz. 7.72). Verwirklichen mehrere Personen zusammen den Tatbestand des § 21 EStG, indem 1.809 sie gemeinschaftlich vermieten, sind den Gemeinschaftern auch die Einkünfte zuzurechnen. Allerdings ist die Prüfung, wer den (objektiven) Tatbestand der jeweiligen Einkunftsart erfüllt hat, stets vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte; denn die Zurechnungsfrage stellt sich nicht, wenn nur ein Gemeinschafter (z.B. ein Miteigentümer) den Einkunftstatbestand allein erfüllt5. Vermieten die Miteigentümer einer Wohn- und Geschäftsimmobilie (als Gemeinschaft) Wohnungen oder Gebäudeteile an einzelne Miteigentümer, werden die Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaft und Gemeinschafter nach der sog. Bruchteilsbetrachtung beurteilt: das Mietverhältnis betreffend den eigenen (ideellen) Miteigentumsanteil an der vom Miteigentümer selbst genutzten Wohnung wird steuerrechtlich nicht anerkannt, denn der die Wohnung nutzende Miteigentümer hat hinsichtlich seiner aus fremdem Recht (des anderen Miteigentümers) abgeleiteten Nutzung eine mieterähnliche Stellung und kann insoweit selbst keine Vermietungseinkünfte erzielen. Insoweit bleiben dann Einnahmen und Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte außer Ansatz. Übersteigt hingegen die überlassene Fläche den eigenen Miteigentumsanteil, ist hinsichtlich des übersteigenden Teils das Mietverhältnis auch steuerlich anzuerkennen6; der andere, nicht selbst nutzende Miteigentümer erzielt dann anteilig Einkünfte aus der Vermietung. Anders ist die Rechtslage, wenn der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft von dieser eine Immobilie anmietet oder nutzt. Da das Einkommensteuerrecht nicht durch die Kapitalgesellschaft auf die dahinterstehenden Gesellschafter durchgreift, liegt ein Nutzungsverhältnis hinsichtlich der gesamten Immobilie vor, so dass für das gesamte Mietobjekt die ortsübliche Miete zu entrichten ist. Andern-
1 Vgl. BFH v. 6.9.2006 – IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406; v. 15.12.2009 – IX R 55/08, BFH/ NV 10, 863. 2 Vgl. BFH v. 29.9.2021 – IX R 2/21, BFH/NV 2022, 228 = BB 2022, 992; v. 16.1.2007 – IX R 69/04, BStBl. II 2007, 579 = DStRE 2007, 948 = DB 2007, 1059 = ZEV 2007, 400. 3 Vgl. BFH v. 26.4.2006 – IX R 22/04, BFH/NV 2006, 2046; s.a. BFH v. 22.2.1994 – IX R 141/90, BFH/NV 1994, 866. 4 Diese Frage ist etwa von Bedeutung, wenn zu entscheiden ist, wem z.B. Anschaffungskosten oder Herstellungskosten (§ 255 HGB) zuzurechnen sind, vgl. Brandis/Heuermann/ Schallmoser, § 21 EStG Rz. 42. 5 BFH v. 15.12.2009 – IX R 55/08, BFH/NV 2010, 863 m.w.N. 6 BFH v. 26.1.1999 – IX R 17/95, BStBl. II 1999, 360 = FR 1999, 707 m. Anm. Paus; OFD Karlsruhe, DStR 2003, 419; OFD Münster v. 21.1.2005, DStR 2005, 380.
Schallmoser 175
Kap. 1 Rz. 1.809 Steuerorientierte Immobilienübertragung
falls liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor1. Noch nicht eindeutig geklärt ist die Rechtslage, wenn eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaft ihre Immobilie einem Gesellschafter zur Nutzung überlässt. Während bei einem Einzelkaufmann die selbstbewohnte Wohnung immer notwendiges Privatvermögen darstellt, wird in der Literatur für eine gewerbliche Personengesellschaft die Auffassung vertreten, dass bei einer (die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % des ortsüblichen Nutzungsentgelts nicht unterschreitenden) entgeltlichen Nutzung durch einen Gesellschafter die Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen bleiben2 (s. auch Rz. 1.514). b) Subjektiver Einkünftetatbestand (Einkünfteerzielungsabsicht) Literatur (Auswahl): Credo, Zur Bedeutung der Finanzierungsart für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung von Immobilien, DStZ 2005, 741; Credo, Die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei verbilligter Vermietung an Angehörige, DStZ 2005, 295; Günther, Einkünfteerzielung bei unbebauten Grundstücken, EStB 2016, 186; Heuermann, Vermietung auf bestimmte Zeit, Überschusserzielungsabsicht und in die Prognose einzubeziehende Besteuerungsmerkmale, DB 2002, 2011; Heuermann, Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung, StuW 2003, 101; Heuermann, Objektivierung eines subjektiven Tatbestandsmerkmals: Die Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung in der deutschen und österreichischen Rechtsordnung, DStZ 2004, 9; Heuermann, Die Erwerbsgerichtetheit von Einkünften aus Vermietung und sonstigen Leistungen, DStR 2005, 1338; Heuermann, Beweisanzeichen als bipolare Elemente zur Prüfung innerer Tatsachen, StuW 2009, 356; Heuermann, Können wir auf die Überschusserzielungsabsicht verzichten? DStZ 2010, 825; Heuermann, Steuervereinfachung bei verbilligtem Vermieten, DStR 2011, 2082; Kaligin, Probleme bei der Dokumentation der Gewinnerzielungsabsicht bei sog. Leerstandsimmobilien, StBp 2016, 76; Nacke, Einkünfteerzielungsabsicht und Leerstand: Darauf muss der Vermieter achten! GStB 2013, 230; Paus, Liebhaberei bei verbilligter Wohnungsvermietung, DStZ 2003, 189; Pezzer, Die Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – ein Mysterium als Folge des Einkünftedualismus, StuW 2000, 457; Pieske-Kontny, Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung, StBp 2020, 327; Schallmoser, Neues zu Immobilien im Einkommensteuerrecht, DStR 2013, 501; Schallmoser, Aktuelle Rechtsprechung zum Leerstand von Wohnimmobilien, SteuK 2013, 353; Schallmoser, Ein paar Gedanken zu nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, FS Wolfgang Spindler, 2011, 739; Schießl, Ausgewählte Zweifelsfragen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), StW 2011, 17; Spindler, Zur steuerrechtlichen Bedeutung von Rück und Verkaufsgarantien bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, DB 1995, 894; Spindler, Zur Bedeutung von Indizien in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, StbJb. 2002/2003, 61; Spindler, Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, FS Klaus Korn, 2005, S. 165; Spindler, Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung, DB 2007, 185; Stein, Keine Liebhaberei bei Vermietung auf Dauer?, DStZ 2004, 189; Stein, Die Totalüberschussprognose bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, INF 2006, 860; Stein, Einkunftserzielungsabsicht bei Wohnraumvermietung, Stbg
1 Vgl. BFH v. 26.8.1993 – I R 44/92, BFH/NV 1994, 318 (Hapimag-Urteil). 2 Vgl. Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 496; BFH v. 23.11.2000 – IV R 82/99, BStBl. II 2001, 232 = FR 2001, 299; v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692 = DStRE 2011, 923 = ZNotP 2011, 339.
176 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.811 Kap. 1
2010, 217; Stein, Zur Feststellung ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsabsicht bei Leerstand von Wohn und Gewerberäumen sowie bei unbebauten Grundstücken, StBp 2012, 225; Stein, Einige Gedanken zur Einkunftserzielungsabsicht bei der Vermietung von Immobilien, DStZ 2013, 33; Stuhrmann, Der Prognosezeitraum im Rahmen der Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietungseinkünften, INF 2005, 61; Thürmer, Einkünfteermittlung beim Vermieten von Ferienwohnungen, DB 2002, 444. Verwaltungsanweisungen: BMF-Schreiben v. 8.10.2004 – IV C 3S 225391/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933: Einkunftserzielung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
aa) Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche po- 1.810 sitiven und negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Für diese Einkunftsarten ist kennzeichnend, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten und Vermögensnutzungen über einen größeren Zeitraum gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, handelt es sich um nicht steuerbares Verhalten (sog. „Liebhaberei“)1. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist „bereichsspezifisch“ ausgestaltet2. Ihrer Überprüfung als subjektives Tatbestandsmerkmal3 kommt im Rahmen des § 21 EStG besondere Bedeutung zu, denn diese Einkunftsart ist jedenfalls in einer Anlaufphase von Verlusten (Werbungskostenüberschüssen) geprägt. Vor diesem Hintergrund ist eine Vermietertätigkeit – als „einkommensteuerrechtlich bedeutsame Vermögensnutzung“ – nur dann gegeben, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf die (voraussichtliche) Nutzungsdauer des jeweiligen Objekts4 einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen; Wertsteigerungen in der Vermögenssubstanz bleiben dabei unberücksichtigt, weil bei den Überschusseinkünften Veräußerungsgewinne nicht erfasst werden5. Die Absicht, Einkünfte zu erzielen, ist eine innere Tatsache, die, wie alle sich in der 1.811 Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge, nur anhand äußerlicher Merk-
1 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355 = NJW 1985, 93, unter C IV 3c aa (1). 2 BFH v. 9.3.2011 – IX R 50/10, BStBl. II 2011, 704 = FR 2011, 615 m. Anm. Bode; Heuermann, DStZ 2010, 825; a.A. Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 790. 3 Die Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Tatbestandsmerkmal des § 21 EStG erschließt sich aber nicht aus dieser Norm selbst, sondern aus dem Tatbestandsmerkmal „erzielt“ in § 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG, vgl. BFH v. 28.11.2007 – IX R 9/06, BStBl. II 2008, 515 = FR 2008, 670 m. Anm. Bode; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 150. 4 Die Einkünfteerzielungsabsicht ist objektbezogen, also hinsichtlich jeder Immobilie (Einfamilienhaus, Wohnung, untervermietetes Zimmer) einzeln zu prüfen, vgl. BFH v. 19.12.2007 – IX R 50/07, BFH/NV 08, 1111; v. 12.12.2011 – IX B 132/11, BFH/NV 2012, 727. 5 Grds. hierzu BFH v. 31.3.1987 – IX R 111/86, BStBl. II 1987, 668 = FR 1987, 507; s.a. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355 = NJW 1985, 93.
Schallmoser 177
Kap. 1 Rz. 1.811 Steuerorientierte Immobilienübertragung
male (Hilfstatsachen) beurteilt werden kann1. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) liefern oder Beweisanzeichen (Indizien) darstellen können, die vom Steuerpflichtigen entkräftet werden können2. In diesem Fall bleibt es bei der objektiven Beweislast des Finanzamtes3.
1.812 Erforderlich ist eine in die Zukunft gerichtete, langfristige Beurteilung, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt; hierbei können sowohl die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums als auch Hilfstatsachen, die nach dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung entstanden sind, Anhaltspunkte liefern4. Ferner ist zu beachten, dass bei einer Tätigkeit die Einkünfteerzielungsabsicht später einsetzen oder (wieder) wegfallen kann5. bb) Einkünfteerzielungsabsicht bei auf Dauer angelegter Vermietung
1.813 Bei einer auf Dauer angelegten Vermietung6 von Wohngebäuden7 ist – sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände gegen das Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht sprechen, wie z.B. bei Ferienwohnungen (s. Rz. 1.817 ff.), bei Mietkaufmodellen8 (s. Rz. 1.825) oder bei Bauherrenmodellen mit Rückkaufangebot oder Verkaufsgarantie9 (s. Rz. 1.826 ff.) – grds. davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben10; einer gesonderten Überprüfung durch eine langfristige Prognose bedarf es nicht. In der Tat erscheint es „schwer vorstellbar, dass jemand Gebäude oder Räume in Gebäuden ohne Überschusserzielungsabsicht lediglich aus persönlicher Neigung an Fremde vermietet“11. Die Rechtsprechung führt dies auf den Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zurück; die Norm beruhe auf der typisierenden Annahme, dass die langfristige 1 BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620 = DB 1978, 2296; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355 = NJW 1985, 93; v. 24.3.1992 – VIII R 12/89, BStBl. II 1993, 18 m.w.N.; s.a. Heuermann, StuW 2009, 356. 2 Hierzu ausführlich Spindler, StbJb. 2002/2003, S. 61. 3 BFH v. 13.11.1979 – VIII R 93/73, BStBl. II 1980, 69 = FR 1980, 74. 4 BFH v. 6.12.1994 – IX R 11/91, BStBl. II 1995, 192 = FR 1995, 510. 5 Vgl. BFH v. 23.3.1982 – VIII R 132/80, BStBl. II 1982, 463 = FR 1982, 335. 6 Eine Vermietungstätigkeit ist stets auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt, vgl. BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 4. 7 BFH v. 20.7.2010 – IX R 49/09, BStBl. II 2010, 1038 = DB 2010, 2142 = FR 2010, 1087 m. Anm. Bode; v. 25.3.2003 – IX B 2/03, BStBl. II 2003, 479 = FR 2003, 669. 8 BFH v. 9.2.1993 – IX R 42/90, BStBl. II 1993, 658 = FR 1993, 641. 9 BFH v. 14.9.1994 – IX R 71/93, BStBl. II 1995, 116 = FR 1995, 57; v. 14.9.1994 – IX B 97/93, BFHE 175, 541; v. 22.4.1997 – IX R 17/96, BStBl. II 1997, 650 = FR 1997, 610. 10 BFH v. 30.9.1997 – IX R 80/94, BStBl. II 1998, 771 = FR 1998, 97; s.a. Heuermann, DStZ 2004, 9. 11 So schon BFH v. 21.10.1980 – VIII R 81/79, BStBl. II 1981, 452 = FR 1981, 282; s. auch BFH v. 21.1.1986 – IX R 7/79, BStBl. II 1986, 394 = FR 1986, 303; v. 24.9.1985 – IX R 32/80, BFH/NV 1986, 449.
178 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.815 Kap. 1
Vermietung und Verpachtung von Wohnimmobilien trotz über einen längeren Zeitraum anfallender Werbungskostenüberschüsse in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führe; diese typisierende Annahme beschränkt sich auf Wohngebäude (zwar auch dann, wenn der Mieter die Immobilien zu anderen als Wohnzwecken verwendet1); sie gilt nicht für die dauerhafte Verpachtung von Gewerbeobjekten2 und von unbebautem Grundbesitz3. Gewerbeobjekte in diesem Sinne meint nicht „gewerblich genutzte“ Immobilien (aus denen der Stpfl. nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern gem. § 21 Abs. 3, § 15 EStG solche aus Gewerbebetrieb erzielt), sondern vielmehr solche, die nicht Wohnzwecken dienen (bspw. Fabrikgebäude, Büro- oder Verwaltungsgebäude, Werk- oder Montagehalle4; Sportoder Reithalle, Stallungen, Werkstatt5; Home-Office6). Die Finanzverwaltung hat die Grundsätze dieser Rechtsprechung übernommen7. Die bei auf Dauer angelegter Vermietung typisierend vermutete Überschusserzie- 1.814 lungsabsicht wird nicht allein dadurch in Zweifel gezogen, dass an Angehörige vermietet wird. Ob ein Mietverhältnis unter Angehörigen der Besteuerung zugrunde zu legen ist, entscheidet sich, sofern kein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO) oder eine missbräuchliche Gestaltung i.S.v. § 42 AO vorliegt, nach dem sog. Fremdvergleich, d.h. danach, ob das Mietverhältnis bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (s. dazu im Einzelnen Rz. 13.67 ff.). Wenn die vereinbarte Miete die Marktmiete unterschreitet, kann dies nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG allenfalls zur Kürzung der Werbungskosten führen (s. Rz. 1.836 f.), ist jedoch für den Fremdvergleich unerheblich8. Die Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht bei auf Dauer angelegter Vermie- 1.815 tung gilt im Übrigen auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermietungsobjekts sowie anfallende Schuldzinsen mittels Darlehen finanziert, die zwar nicht getilgt, indes bei Fälligkeit durch den Einsatz von parallel laufenden Lebensversicherungen abgelöst werden sollen; denn dem Steuerpflichtigen ist es im Rahmen seiner Finanzierungsfreiheit freigestellt, eine solche,
1 BFH v. 1.4.2009 – IX R 39/08, BStBl. II 2009, 776 = DStR 2009, 1360; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 226. 2 BFH v. 20.7.2010 – IX R 49/09, BStBl. II 2010, 1038 = DB 2010, 2142 = FR 2010, 1087 m. Anm. Bode. 3 BFH v. 25.3.2003 – IX B 2/03, BStBl. II 2003, 479 = FR 2003, 669; v. 28.11.2007 – IX R 9/06, BStBl. II 2008, 515 = FR 2008, 670 m. Anm. Bode = DB 2008, 556 = DStR 2008, 496; BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 29. 4 BFH v. 1.4.2009 – IX R 39/08, BStBl. II 2009, 776; v. 20.7.2010 – IX R 49/09, BStBl. II 2010, 1038 = DStRE 2010, 1226. 5 BFH v. 16.9.2015 – IX R 31/14, BFH/NV 2016, 188. 6 BFH v. 17.4.2018 – IX R 9/17, BStBl. II 2019, 219 = DStR 2018, 1758 = BB 2018, 2018. 7 BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933. 8 BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214 = FR 1996, 391; v. 5.11.2002 – IX R 48/01, BStBl. II 2003, 646.
Schallmoser 179
Kap. 1 Rz. 1.815 Steuerorientierte Immobilienübertragung
marktübliche Finanzierungsform zu wählen1. In Abgrenzung hierzu hat der BFH2 entschieden, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bei einer langfristigen Vermietung ausnahmsweise zu prüfen ist, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermietungsobjektes sowie anfallende Schuldzinsen fremdfinanziert und dabei hohe Zinslasten auflaufen lässt, ohne dass mittels eines Finanzierungskonzepts von vornherein deren Kompensation durch spätere positive Ergebnisse vorgesehen ist. cc) Fälle fehlender oder zweifelhafter Einkünfteerzielungsabsicht
1.816 Im Einzelnen zu überprüfen ist die Einkünfteerzielungsabsicht in „Sonderfällen“ der Vermietung und Verpachtung, sei es, dass es sich um auch privat genutzte Immobilien handelt, sei es, dass die Vermietungstätigkeit Besonderheiten aufweist. Auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats vom 25.6.19843 hat die Rechtsprechung hierzu verschiedene Fallgruppen gebildet: (1) Vermietung von Ferienwohnungen
1.817 Bei der Beurteilung, ob eine Ferienwohnung mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet wird, hat der BFH grds. danach unterschieden, ob das Objekt – ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten wird (s. Rz. 1.818 f.) oder – ob sie von dem Steuerpflichtigen (auch) selbst genutzt wird bzw. er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat (s. Rz. 1.820 ff.).
1.818 Steht fest, dass der Steuerpflichtige die Ferienwohnung ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereit hält und sie im Übrigen nicht selbst nutzt (etwa weil er an dem betreffenden Ferienort noch eine zweite, von ihm zu Erholungszwecken selbst genutzte Ferienwohnung besitzt), ist typisierend – d.h. ohne weitere Prüfung – vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen4. Damit gelten die im BFH-Urteil vom 30.9.19975 aufgestellten Grundsätze für eine auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit (s. Rz. 1.813) auch für die Nutzung einer ausschließlich fremd vermieteten Ferienwohnung. Unerheblich ist es insoweit, ob die Ferienwohnung in Eigenregie vermietet oder mit der Vermietung ein Dritter beauftragt wird. Die Finanzverwaltung folgt den Grundsätzen dieser Rechtsprechung6. 1 BFH v. 19.4.2005 – IX R 10/04, BStBl. II 2005, 692 = FR 2005, 1205; v. 19.4.2005 – IX R 15/04, BStBl. II 2005, 754 = FR 2005, 1207. 2 BFH v. 10.4.2007 – IX R 7/07, BStBl. II 2007, 873 = DB 2007, 2233 = ZfIR 2008, 148. 3 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 = FR 1984, 619 = GmbHR 1984, 355 = NJW 1985, 93. 4 BFH v. 21.11.2000 – IX R 37/98, BStBl. II 2001, 705; v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726. 5 BFH v. 30.9.1997 – IX R 80/94, BStBl. II 1998, 771 = FR 1998, 97. 6 BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 16.
180 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.820 Kap. 1
Eine Einschränkung von diesem Grundsatz gilt dann, wenn das Vermieten einer – 1.819 ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereit gehaltenen – Ferienwohnung die ortsübliche Vermietungszeit – ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind – erheblich unterschreitet, wenn also die maßgebliche Wohnung deutlich schlechter „ausgelastet“ ist als andere Ferienwohnungen am Ort; hiervon ist bei einem Unterschreiten der ortsüblichen Vermietungszeit von mindestens 25 v.H. auszugehen1. In diesem Fall ist die Einkünfteerzielungsabsicht ausnahmsweise anhand einer Überschussprognose (s. dazu Rz. 1.822 ff.) vorzunehmen. Bei der Prüfung der Auslastung einer Ferienwohnung müssen die individuellen Vermietungszeiten des jeweiligen Objekts an Feriengäste mit denen verglichen werden, die bezogen auf den gesamten Ort im Durchschnitt erzielt werden2. Dabei ist „Ort“ nicht identisch mit dem Gebiet einer Gemeinde; er kann, je nach Struktur des lokalen Ferienwohnungsmarktes, das Gebiet einer oder mehrerer (vergleichbarer) Gemeinden oder aber auch lediglich Teile einer Gemeinde oder gar nur den Bereich eines Ferienkomplexes umfassen3. Die bei der Auslastungsprüfung heranzuziehenden durchschnittlichen Vermietungszeiten des jeweiligen „Ortes“ müssen repräsentativ sein (z.B. Vergleichsdaten eines Statistikamtes)4. Individuelle Vermietungszeiten einzelner anderer Vermieter von Ferienwohnungen in demselben „Ort“ genügen insoweit nicht5. Wird hingegen eine – in Eigenregie oder über einen gewerblichen Anbieter vermie- 1.820 tete – Ferienwohnung tatsächlich (auch) selbst genutzt (d.h. teils an wechselnde Feriengäste vermietet und teils zu Ferienzwecken selbst bewohnt oder unentgeltlich an Dritte zur entsprechenden Nutzung überlassen), ist im Einzelfall anhand einer Überschussprognose (zu Einzelheiten s. Rz. 1.822) zu prüfen, ob der Steuerpflichtige mit der notwendigen Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat; denn diese Art der Nutzung der Immobilie ist schon für sich allein Beweisanzeichen für eine (auch) private, nicht mit der Erzielung von Einkünften zusammenhängende Veranlassung der Aufwendungen. Keine Selbstnutzung in diesem Sinne stellen kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung anlässlich eines Mieterwechsels (z.B. Endreinigung; Schlüsselübergabe), zur Erhaltung der Mietsache (z.B. zur Beseitigung von 1 BFH v. 26.10.2004 – IX R 57/02, BStBl. II 2005, 388; vgl. auch BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 17. 2 BFH v. 24.6.2008 – IX R 12/07, BFH/NV 2008, 1484; v. 31.1.2017 – IX R 23/16, BFH/NV 2017, 897; v. 26.5.2020 – IX R 33/19, BStBl. II 2020, 548. 3 BFH v. 8.1.2019 – IX R 37/17, BFH/NV 2019, 390; v. 19.8.2008 – IX R 39/07, BStBl. II 2009, 138; s. ferner BFH v. 2.7.2019 – IX R 18/18, BFH/NV 2020, 9, zur Prüfung der Auslastung eines dauerhaft im Rahmen eines Zwischenmietverhältnisses überlassenen Hotelappartements. 4 BFH v. 26.5.2020 – IX R 33/19, BStBl. II 2020, 548. Dabei kann auf Vergleichsdaten eines Statistikamtes auch dann zurückgegriffen werden, wenn diese Werte für den betreffenden Ort nicht allgemein veröffentlicht, sondern nur auf Nachfrage zugänglich gemacht werden. 5 BFH v. 19.8.2008 – IX R 39/07, BStBl. II 2009, 138: Werte von ein bis zwei Vermietern unzureichend.
Schallmoser 181
Kap. 1 Rz. 1.820 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Schäden, die Mieter verursacht haben bzw. zum Durchführen von Schönheitsreparaturen) oder zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen dar1. Ob und in welchem Umfang der Steuerpflichtige die Ferienwohnung tatsächlich selbst genutzt oder zur Vermietung angeboten und bereitgehalten hat, ist Sache der Tatsachenund Beweiswürdigung durch das FG. Der Steuerpflichtige trägt für das Anbieten und Bereithalten zur Vermietung die Feststellungslast2.
1.821 Eine Überschussprognose ist ferner stets dann anzustellen, wenn der Steuerpflichtige seine Ferienwohnung von einem gewerblichen Anbieter von Ferienimmobilien vermarkten lässt und er sich dabei – im Rahmen der vertraglichen Regelungen (s. hierzu auch Rz. 13.112) – eine Zeit der (bzw. ein Recht zur) Selbstnutzung vorbehalten hat, wobei es der BFH3 als unerheblich ansieht, – ob sich der Vorbehalt der Selbstnutzung aus einer einzelvertraglich vereinbarten Vertragsbedingung oder aus einem formularmäßigen Mustervertrag ergibt; – ob, wann und in welchem Umfang der Steuerpflichtige von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht; – ob die Möglichkeit der Selbstnutzung innerhalb oder außerhalb der allgemeinen Ferienzeiten liegt; – zu welchem Zweck die vertraglich vorbehaltene Selbstnutzung erfolgt; – wie hoch die durchschnittlich erreichte Anzahl an Vermietungstagen liegt.
1.822 Ist in den vorgenannten Fällen der Selbstnutzung bzw. der Selbstnutzungsmöglichkeit eine Überschussprognose durchzuführen, kann die Einkünfteerzielungsabsicht nur dann bejaht werden, wenn sich für einen prognostischen Zeitraum von regelmäßig4 30 Jahren ein sog. Totalüberschuss der geschätzten Einnahmen über die Ausgaben ergibt. Bei der Festlegung auf diesen Prognosezeitraum hat sich der BFH von der Erwägung leiten lassen, dass bei einer üblichen Fremdfinanzierung zu Standardkonditionen die Kredite regelmäßig innerhalb einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren getilgt werden und der Steuerpflichtige daher über einen solchen Zeitraum seine Investition in eine auch selbst genutzte Ferienimmobilie im Regelfall planen kann. 1.823 Im Rahmen der Überschussprognose sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: – Die Prüfung ist objektbezogen, d.h. hinsichtlich jeder Ferienwohnung einzeln durchzuführen. 1 So auch BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 19. 2 So auch BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 17. 3 BFH v. 16.4.2013 – IX R 26/11, BStBl. II 2013, 613 = FR 2013, 999 m. Anm. Bode (a.A. noch die Vorinstanz: FG Köln v. 30.6.2011 – 10 K 4965/07, EFG 2011, 1882); v. 16.4.2013 – IX R 22/12, BFH/NV 2013, 1552 (a.A. noch die Vorinstanz: Nds. FG v. 7.3.2012 – 9 K 180/09, EFG 2012, 1259). 4 Ist von vornherein von einer zeitlich befristeten Vermietungstätigkeit auszugehen, umfasst die Prognose lediglich diesen verkürzten Zeitraum, vgl. BFH v. 9.7.2002 – IX R 47/99, BStBl. II 2003, 580; BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 36.
182 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.823 Kap. 1
– Einnahmen und Werbungskosten sind zu schätzen. Soweit der Steuerpflichtige für diese Schätzung keine ausreichenden objektiven Umstände über eine bereits im Veranlagungszeitraum ersichtliche zukünftige Entwicklung der Mieteinnahmen und Werbungskosten vorträgt, sind die zukünftig zu erwartenden Einnahmen und Werbungskosten anhand des Durchschnitts der in der Vergangenheit in einem bestimmten Zeitraum (in der Regel in den fünf letzten Veranlagungszeiträumen) angefallenen Einnahmen und Werbungskosten zu schätzen. – Bei der Gesamtsumme der geschätzten Einnahmen wird ein Sicherheitszuschlag von 10 v.H. vorgenommen1. – Den voraussichtlichen Mieteinnahmen sind als Werbungskosten diejenigen Aufwendungen entgegenzustellen, die (ausschließlich oder anteilig) auf Zeiträume entfallen, in denen die Ferienwohnung an Feriengäste tatsächlich vermietet oder zur Vermietung angeboten und bereitgehalten worden ist. Dies sind zunächst die ausschließlich auf die Vermietung entfallenden Werbungskosten, z.B. Reinigungskosten, Entgelte für die Aufnahme in das Gastgeberverzeichnis und Anschaffungs- und Reparaturkosten für Wirtschaftsgüter, die ausschließlich der Vermietung dienen. Auf Leerstandszeiten entfallende Aufwendungen sind zu berücksichtigen, soweit diese Zeiten der Vermietungsphase zuzurechnen sind2. Ist eine Selbstnutzung jederzeit möglich, sind im Rahmen der Prognose die auf die Leerstandszeiten entfallenden Aufwendungen entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen3. Lässt sich – etwa wegen unzureichender Angaben des Steuerpflichtigen – der Umfang der Selbstnutzung nicht feststellen, so sind die nicht auf die Vermietung entfallenden Aufwendungen zu je 50 v.H. der Selbstnutzung und der Vermietung zuzuordnen4. – Bei der Gesamtsumme der geschätzten Ausgaben wird ein Sicherheitsabschlag von 10 v.H. vorgenommen5. – Da der voraussichtliche „Totalüberschuss“ aus Vermietung und Verpachtung nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu ermitteln ist, ist die Gebäudeabnutzung in der Prognose mit der gem. § 7 Abs. 4 EStG in Betracht kommenden „Normal-AfA“ zu berücksichtigen6; negative Einkünfte aufgrund von steuerlichen Subventions- und Lenkungsnormen sind außer Ansatz zu lassen.
1 BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726. 2 Das ist stets der Fall bei jenen Zeiträumen, in denen die Ferienwohnung zur Vermietung angeboten und bereitgehalten worden ist. 3 BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726; v. 6.11.2001 – IX R 35/00, BFH/NV 2002, 765. 4 BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726; v. 14.1.2003 – IX R 74/00, BFH/NV 2003, 752. 5 BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726. 6 BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726; s.a. BFH v. 30.9.1997 – IX R 80/94, BStBl. II 1998, 771 = FR 1998, 97.
Schallmoser 183
Kap. 1 Rz. 1.824 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.824 Lässt sich nach der Prognoserechnung kein sog. Totalüberschuss absehen, bleibt es dem Steuerpflichtigen unbenommen nachzuweisen, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt, etwa bei Beginn der Vermietung, die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet hat, zunächst angefallene Werbungskostenüberschüsse würden im Laufe der Tätigkeit durch Einnahmeüberschüsse ausgeglichen und insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt. Allerdings muss der Steuerpflichtige, der insoweit die Feststellungslast trägt, in diesem Fall hierzu konkrete objektive Umstände vortragen, aufgrund derer er im Beurteilungszeitraum erwarten konnte, einen – wenn auch nur „bescheidenen“ – Gesamtüberschuss zu erzielen. Ferner ist im Einzelfall im Rahmen der Prognoserechnung zu berücksichtigen, dass ein Steuerpflichtiger ggf. darlegt, auf die in der Vergangenheit entstandenen Werbungskostenüberschüsse reagiert und die Art und Weise der Vermietung geändert zu haben. In diesem Fall ist der Schätzung der Durchschnitt der Einnahmen und Ausgaben der zukünftigen Veranlagungszeiträume zugrunde zu legen, in denen sich die im (jeweiligen) Streitjahr objektiv erkennbar angelegten Maßnahmen erstmals ausgewirkt haben1. (2) Beteiligung an einem Mietkaufmodell
1.825 Bei der Beteiligung an einem Mietkaufmodell spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen die Absicht des Steuerpflichtigen, einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen2. Der Steuerpflichtige kann den Anscheinsbeweis nur entkräften, wenn er substantiiert darlegt, dass er im Streitjahr keine Verkaufsabsicht hatte. Bei der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht ist auf den Zeitraum der voraussichtlichen Nutzung durch den Beteiligten abzustellen; hat er einem Mietkäufer gegenüber ein ihn für einen bestimmten Zeitraum bindendes Verkaufsangebot abgegeben, so ist dieser Zeitraum maßgebend3. Dem Teilnehmer an einem Mietkaufmodell fehlt auch dann die Überschusserzielungsabsicht, wenn noch kein Optionsvertrag zustande gekommen oder noch kein Optionsangebot abgegeben worden ist, weil im Zeitpunkt der Beteiligung an dem Modell das zu vermietende Objekt erst noch hergestellt werden muss oder noch kein Mieter gefunden worden ist, dem der Abschluss eines Optionsvertrages hätte angeboten werden können4. Schließlich verneint der BFH bei Beteiligung an einem Mietkaufmodell die Einkünfteerzielungsabsicht solange, als der Steuerpflichtige sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück kurzfristig verkaufen oder langfristig vermieten will5. (3) Immobilienerwerb mit Rück- oder Verkaufsgarantie
1.826 Als ein Beweisanzeichen (Indiz) gegen das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht wertet es der BFH, wenn sich ein Steuerpflichtiger an einem Bauherren- oder 1 2 3 4 5
BFH v. 6.11.2001 – IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726 = FR 2002, 385. BFH v. 11.8.1987 – IX R 143/86, BFH/NV 1988, 292. BFH v. 31.3.1987 – IX R 111/86, BStBl. II 1987, 668 = FR 1987, 507. BFH v. 31.3.1987 – IX R 112/83, BStBl. II 1987, 774 = FR 1987, 509. BFH v. 15.9.1992 – IX R 15/91, BFH/NV 1994, 301; v. 9.2.1993 – IX R 42/90, BStBl. II 1993, 658 = FR 1993, 641.
184 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.828 Kap. 1
Erwerbermodell beteiligt, bei dem einer der Initiatoren oder ein Dritter dem Anleger verspricht, das Mietobjekt innerhalb einer bestimmten Frist, in der planmäßig nur ein Werbungskostenüberschuss erzielt werden kann, zu einem Kaufpreis, der in etwa den Gesamtkosten des Anlegers entspricht, zurückzukaufen (Rückkaufgarantie) oder zu entsprechenden Bedingungen den Weiterverkauf zu vermitteln und entsprechende Mindererlöse auszugleichen (Verkaufsgarantie). Ein Rückkaufangebot oder eine Verkaufsgarantie spreche indiziell dafür, dass sich der Steuerpflichtige noch nicht endgültig entschlossen habe, ein Mietobjekt langfristig zu vermieten; denn auf diesem Wege werde einem Anleger die Möglichkeit eröffnet, sich ohne Schwierigkeiten und ohne Vermögensverluste unter Mitnahme der durch das Modell bedingten Steuervorteile von der Immobilie zu trennen, sobald ein Einnahmeüberschuss anfalle und damit die Einkommensteuerbelastung aufgrund der Vermietungstätigkeit einsetze1. Eine solche Indizwirkung kommt Rück- und Verkaufsgarantien allerdings nur dann 1.827 zu, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Erwerber der Immobilie mindestens erwogen hat, von der Garantie oder Zusage Gebrauch zu machen. Daher ist zwingende Voraussetzung der Indizwirkung zunächst, dass der Erwerber das Angebot des Veräußerers oder eines Dritten, die Immobilie zurück- oder weiterzuverkaufen, im Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung auch kennt2. Ferner muss sich im Einzelfall – z.B. aus Verhandlungen über die Modalitäten sowie die Absicherung oder Beurkundung der Garantie oder der Zusage – ergeben, dass diese für die Investitionsentscheidung des Anlegers von Bedeutung war. Von einer solchen Bedeutsamkeit eines Rückkaufangebotes oder einer Verkaufsgarantie(zusage) für die Investitionsentscheidung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Anleger hierfür ein Entgelt entrichtet3. Da entsprechende Rück- und Verkaufsgarantien lediglich im Hinblick auf die Ein- 1.828 künfteerzielungsabsicht als innere Tatsache herangezogen werden, schließt die zivilrechtliche Unwirksamkeit einer solchen Garantie die Wertung als Indiz gegen die Einkünfteerzielungsabsicht nicht aus4. Wird eine Verkaufsgarantie unter einer aufschiebenden Bedingung eingeräumt, entfaltet sie auch hinsichtlich des Zeitraums vor ihrem Wirksamwerden eine für das Bestehen der Einkünfteerzielungsabsicht nachteilige Indizwirkung5.
1 BFH v. 14.9.1994 – IX R 71/93, BStBl. II 1995, 116 = FR 1995, 57 und IX B 97/93, BFHE 175, 541. 2 BFH v. 14.9.1994 – IX B 142/93, BStBl. II 1995, 778 = FR 1995, 58 m. Anm. Drenseck; v. 24.1.1995 – IX R 70/93, BStBl. I.1995, 460. 3 BFH v. 14.2.1995 – IX R 95/93, BStBl. II 1995, 462 = FR 1995, 511. Zur steuerrechtlichen Bedeutung von Rück- und Verkaufsgarantien bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Einzelnen s. auch Spindler, DB 1995, 894. 4 BFH v. 14.9.1994 – IX B 97/93, BFHE 175, 541, 544. 5 BFH v. 10.10.2000 – IX R 52/97, BFH/NV 2001, 587.
Schallmoser 185
Kap. 1 Rz. 1.829 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.829 Rück- und Verkaufsgarantien schließen im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht aus, wenn feststeht, dass der Berechtigte von dem Recht nur Gebrauch machen will, falls äußere Umstände ihn dazu zwingen1. 1.830 Im Gegensatz dazu ist im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen, wenn erkennbar ist, dass der Steuerpflichtige bereits beim Erwerb des Objekts ernsthaft in Betracht gezogen hat, sich mit Rücksicht auf diese Garantie von dem Objekt wieder zu trennen. Ein Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige sich die Entscheidung zur Veräußerung des Objekts unabhängig von einer Zwangslage offen halten will, ist es, wenn die beim Erwerb getroffene Vereinbarung eines Rückkaufsrechts, einer Rückkaufsgarantie oder einer Wiederverkaufsgarantie gerade für den Zeitraum gilt, in dem planmäßig nur Werbungskostenüberschüsse erwirtschaftet werden oder der vereinbarte Preis in etwa den Gesamtkosten entspricht oder sie sogar übersteigt2. 1.831 Die Gerichte haben im Rahmen der Würdigung des Einzelfalls zu berücksichtigen, wenn eine Rück- oder Verkaufsgarantie tatsächlich nicht in Anspruch genommen worden ist3. (4) Verbilligte Vermietung Literatur: Mayr, Die Neuregelung verbilligter Wohnungsüberlassung nach dem Steuervereinfachungsgesetz 2011, SteuK 2011, 467.
1.832 Problematisch kann die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht auch bei einer gegenüber dem Marktniveau deutlich herabgesetzten Miete sein. Dem Grunde nach bildet eine verbilligte Vermietung ein Beweisanzeichen (Indiz) gegen die Einkünfteerzielungsabsicht des Vermieters; denn dieser verzichtet auf einen Teil seiner Einnahmen, die er bei marktgerechtem Verhalten erzielen könnte. Da § 21 Abs. 2 EStG a.F. zunächst lediglich ein Aufteilungsgebot für den Fall vorsah, dass das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 56 v.H. der ortsüblichen Marktmiete beträgt, hatte die Rechtsprechung Grundsätze zur Reichweite der Indizwirkung bei verbilligten Vermietungen aufgestellt; in diesem Zusammenhang war in bestimmten Fallkonstellationen eine prognostische Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich. Mit dem StVereinfG 20114 regelte § 21 Abs. 2 EStG das verbilligte Vermieten ab 2012 sodann in einer Weise, nach der es nicht mehr zu einer solchen indiziellen Wirkung kommt: die maßgebende Grenze von 56 v.H. wurde auf 66 v.H. heraufgesetzt und in Satz 2 die Wohnungsvermietung zu mindestens 66 v.H. der ortsüblichen Miete als entgeltlich typisiert. Durch das JStG 20205 wurde § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG m.W.v. 1.1.2021 dahin geändert, dass die Grenze für die generelle Aufteilung der Vermietungstätigkeit in einen entgeltli1 BFH v. 22.4.1997 – IX R 17/96, BStBl. II 1997, 650 = FR 1997, 610. 2 BFH v. 14.9.1999 – IX R 59/96, BStBl. II 2000, 67 = FR 2000, 103. 3 BFH v. 25.3.2003 – IX R 21/99, BFH/NV 2003, 1168 und IX R 56/00, BFH/NV 2003, 1170. 4 StVereinfG 2011 v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, 2131. 5 JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096.
186 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.833 Kap. 1
chen und in einen unentgeltlichen vermieteten Teil auf (weniger als) 50 v.H. der ortsüblichen Miete herabgesetzt wird, während die Grenze der fingierten Vollentgeltlichkeit bei (mindestens) 66 v.H. verblieb. Beträgt das Entgelt 50 v.H. und mehr, jedoch weniger als 66 v.H. der ortsüblichen Miete, ist nunmehr (wieder) eine prognostische Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich. Zu unterscheiden sind die aktuelle Rechtslage ab dem VZ 2021 (s. Rz. 1.835), die noch für offene Steuerfälle maßgebliche Rechtslage in den VZ 2012 bis einschließlich VZ 2020 (s. Rz. 1.834) und die Rechtslage bis VZ 2011 (s. Rz. 1.833). Zum besseren Verständnis werden die unterschiedlichen Rechtslagen in umgekehrter Reihenfolge entsprechend ihrer historischen Entwicklung dargestellt. Zur Rechtslage bis einschließlich VZ 2011: § 21 Abs. 2 EStG a.F. sah bis einschließ- 1.833 lich VZ 2011 ein Aufteilungsgebot für den Fall vor, dass das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 56 v.H.1 der ortsüblichen Marktmiete betrug. Mit seiner (zur bis einschließlich 2003 geltenden Rechtslage ergangenen) Entscheidung vom 5.11.20022 hat der BFH – die Finanzverwaltung3 war der Rechtsprechung gefolgt – Grundsätze zur steuerrechtlichen Behandlung verbilligter Vermietungen4 aufgestellt, die eine dreistufige Prüfungsfolge beinhaltete: – Bei einer langfristigen Vermietung war grds. von dem Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen, solange der Mietzins nicht weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete betrug5. Die Rechtsprechung ging insoweit von einer „Toleranzgrenze“ von 25 v.H. aus. Lag die Vertragsmiete lediglich bis zu einem Viertel unter der ortsüblichen Miete, war die Wohnungsüberlassung als vollentgeltlich zu beurteilen („Typisierung“). – Betrug der Mietzins 56 v.H. (bis einschl. 2003: 50 v.H.) und mehr, jedoch weniger als 75 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, war die Einkunftserzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose (zu Einzelheiten s. Rz. 1.822 ff.) zu prüfen. War die Überschussprognose positiv, waren die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abziehbar. War die Überschussprognose negativ, war die Vermietungstätigkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen; die Werbungskosten waren entsprechend dem Einnahmeverzicht zu kürzen, d.h. nur die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Werbungskosten waren abziehbar. – Betrug der Mietzins weniger als 56 v.H. (bis einschl. 2003: 50 v.H.) der ortsüblichen Marktmiete, waren die mit der Vermietungstätigkeit zusammenhängenden Werbungskosten gem. § 21 Abs. 2 EStG insoweit abziehbar, als sie anteilig auf den entgeltlichen Teil der Vermietung entfallen („Aufteilung“). 1 Bis einschließlich VZ 2003 lag die Grenze bei 50 v.H. 2 BFH v. 5.11.2002 – IX R 48/01, BStBl. II 2003, 646 = FR 2003, 239 m. Anm. Kanzler. 3 BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933, Tz. 11 ff.; kritisch Credo, DStZ 2005, 295. 4 Eingehend hierzu Heuermann, DB 2003, 112; Paus, DStZ 2003, 189. 5 Abweichung von den Urteilen BFH v. 15.12.1992 – IX R 13/90, BStBl. II 1993, 490 und v. 27.7.1999 – IX R 64/96, BStBl. II 1999, 826.
Schallmoser 187
Kap. 1 Rz. 1.833 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Unter „ortsüblicher Miete“ für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Bruttomiete (d.h. die Kaltmiete zzgl. der nach der II. Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten) zu verstehen1.
1.834 Zur Rechtslage ab VZ 2012 bis einschließlich VZ 2020: Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen, wenn das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 v.H. der ortsüblichen Miete beträgt; nach Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift wird die Wohnungsvermietung zu einem Entgelt von mindestens 66 v.H. der ortsüblichen Miete als entgeltlich fingiert. Nach dieser gesetzlichen Grundentscheidung bildet die gegenüber der ortsüblichen Marktmiete verbilligte Vermietung ab dem VZ 2012 kein Beweisanzeichen mehr gegen die Einkünfteerzielungsabsicht des Vermieters. In den VZ 2012 bis einschließlich VZ 2020 gilt mithin nur noch eine zweistufige Prüfungsfolge; denn es existiert nur noch die Alternative zwischen – Aufteilung (Mietentgelt weniger als 66 v.H. der ortsüblichen Miete) und – Typisierung als entgeltlich (Mietentgelt mindestens 66 v.H. der ortsüblichen Miete). Für eine Zwischenstufe zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht mittels Überschussprognose ist kein Raum mehr. Soweit der Steuerpflichtige danach unentgeltlich nutzen lässt, ist seine Tätigkeit nicht steuerbar; die damit zusammenhängenden Aufwendungen sind nicht als Werbungskosten abziehbar. Soweit er entgeltlich und auf Dauer vermietet, typisiert das Gesetz die Einkünfteerzielungsabsicht. Denn für den nach der Aufteilung verbliebenen steuerbaren Teil der Nutzungsüberlassung entspricht das Entgelt der ortsüblichen Marktmiete2.
1.835 Zur Rechtslage ab VZ 2021: Mit dem JStG 20203 beabsichtigte der Gesetzgeber, die steuerrechtliche Berücksichtigung von Aufwendungen bei der verbilligten Wohnraumvermietung zu erweitern, da die (bis einschließlich VZ 2020) geltende 66 v.H.Grenze als „ein verheerendes Signal an Vermieter günstiger Wohnungen“ anzusehen sei4. Danach gilt nun ab VZ 2021 wieder eine dreistufige Prüfungsfolge: – Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken mindestens 66 v.H. der ortsüblichen Miete, wird die Vermietungstätigkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG als entgeltlich fingiert (Typisierung). Der Steuerpflichtige kann die mit der Vermietung verbundenen Aufwendungen in voller Höhe abziehen. – Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Miete, ist die (zivilrechtlich einheitliche) Ver1 H.M., s. BFH v. 10.5.2016 – IX R 44/15, BStBl. II 2016, 835; v. 25.7.2000 – IX R 6/97, BFH/ NV 2001, 305; FinVerw. R 21.3 EStR 2008; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 543; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 160; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 206. 2 Siehe Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 194. 3 JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 4 BR-Drucks. 503/20, 3.
188 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.851 Kap. 1
mietungstätigkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 1 in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil aufzuspalten (Aufteilung). Soweit der Stpfl. unentgeltlich nutzen lässt, ist seine Tätigkeit nicht steuerbar und seine damit zusammenhängenden Aufwendungen sind nicht als Werbungskosten abziehbar. Soweit er entgeltlich und auf Dauer vermietet, typisiert das Gesetz die Einkünfteerzielungsabsicht, und die Aufwendungen sind (anteilig) abziehbar. – Im Schwellenbereich zwischen 50 v.H. und 65,9 v.H. der Marktmiete gibt es keine gesetzliche Fiktion mehr; es gelten die (von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten) allgemeinen Regeln (s. Rz. 1.833). Danach ist die Einkünfteerzielungsabsicht des Stpfl. mit Hilfe einer Überschussprognose (s. Rz. 1.822 ff.) zu prüfen. Ist die Prognose positiv, ist die Vermietungstätigkeit als (voll) entgeltlich anzusehen; die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Aufwendungen sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar. Ist die Prognose negativ, ist die Vermietungstätigkeit in eine entgeltliche und in eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung aufzuteilen; die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Aufwendungen sind als Werbungskosten abziehbar. Kommt es unter den dargestellten Voraussetzungen zu einer Aufteilung der Vermie- 1.836 tung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil, so ist das in der verbilligten Vermietung liegende, nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen für die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des entgeltlichen Teils ebenso wenig bedeutsam wie für den Fremdvergleich1. Das bedeutet, dass das Mietverhältnis insoweit nicht zusätzlich einem Fremdvergleich zu unterziehen ist; in Übereinstimmung damit hat der BFH auch bisher in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass es für den Fremdvergleich unerheblich ist, wenn die vereinbarte Miete die Marktmiete unterschreitet2. Etwas anderes kann gelten, wenn die typisierende Annahme, dass eine langfristige Vermietung in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führt, ausnahmsweise nicht gerechtfertigt ist; das kann z.B. bei einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohngebäude der Fall sein3.
1.837–1.850
Einstweilen frei. (5) Befristete Vermietung vor geplanter Selbstnutzung oder Veräußerung
In Frage steht das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht auch in den Fällen der 1.851 befristeten Vermietung vor geplanter Selbstnutzung oder Veräußerung. Die Rechtsprechung4 betrachtet es als ein Beweisanzeichen für das Fehlen der Einkünfte-
1 BFH v. 22.7.2003 – IX R 59/02, BStBl. II 2003, 806. 2 Vgl. BFH v. 25.7.2000 – IX R 6/97, BFH/NV 2001, 305; v. 30.9.1997 – IX R 80/94, BStBl. II 1998, 771 = FR 1998, 97, jeweils m.w.N. 3 BFH v. 6.10.2004 – IX R 30/03, BStBl. II 2005, 386 = FR 2005, 432. 4 BFH v. 9.7.2002 – IX R 47/99, BStBl. II 2003, 580; v. 9.7.2002 – IX R 57/00, BStBl. II 2003, 695; v. 9.7.2002 – IX R 99/00, BFH/NV 2002, 1563; FG Brandenburg v. 25.11.1999 – 4 K 2014/98 E, P, F, EFG 2000, 1184; s.a. Heuermann, DB 2002, 2011 sowie die Anm. v. Thürmer in DStR 2002, 1611.
Schallmoser 189
Kap. 1 Rz. 1.851 Steuerorientierte Immobilienübertragung
erzielungsabsicht, wenn ein Steuerpflichtiger ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel bis zu fünf Jahren seit seiner Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert und innerhalb dieser Zeit insgesamt nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt. Entspricht der zeitnahe Verkauf der bereits bei der Anschaffung oder Herstellung bestehenden Absicht des Steuerpflichtigen, verhält sich dieser nicht „normtypisch“, weil seine Vermietungstätigkeit nicht auf Dauer angelegt ist; mithin kann seine Einkünfteerzielungsabsicht auch nicht ohne weiteres unterstellt werden1. Gleiches gilt, wenn ein Steuerpflichtiger die Vermietung eines bebauten Grundstücks in engem zeitlichen Zusammenhang beendet, um das Grundstück anschließend nicht steuerbar (z.B. zu eigenen Wohnzwecken) zu nutzen, nachdem er bis dahin lediglich einen Werbungskostenüberschuss erwirtschaftet hat2. Eine „Befristung“ in dem genannten Sinne kann (vertrags-)rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Eine tatsächliche („faktische“) Befristung hat die Rechtsprechung bspw. angenommen, wenn für das Mietobjekt nur eine begrenzte Anzahl möglicher Mieter – bspw. Angehörigen des Steuerpflichtigen – in Betracht kommen und/oder diese Personen nur ein zeitlich begrenztes Interesse an der Anmietung haben (etwa weil die mögliche Mietdauer wegen einer tödlichen Erkrankung des Mieters eng begrenzt ist)3.
1.852 Mit Urteil vom 14.12.20044 hat der BFH allerdings klargestellt, dass nicht allein der Abschluss eines Mietvertrages auf eine bestimmte Zeit den Schluss rechtfertigt, dass auch die Vermietungstätigkeit nicht auf Dauer ausgerichtet sei. Überdies kann der Steuerpflichtige die von einem zeitnahen Verkauf oder von einer zeitnahen Eigennutzung ausgehende Indizwirkung entkräften, in dem er darlegt und ggf. nachweist, dass die Beendigung der Vermietung auf einem neuen Entschluss beruht5. Für einen solchen neuen Entschluss kann es verschiedene Gründe gegen: sei es, dass sich die Anschaffung oder Herstellung als „Fehlinvestment“ herausgestellt hat, sei es, dass der Steuerpflichtige aus sich von seinem Willen unabhängigen Umständen zum vorzeitigen Verkauf gezwungen wird, oder sei es z.B., dass er finanzielle Mittel für eine anderweitige Investition benötigt. Gelingt es dem Steuerpflichtige nicht, die gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechenden Indizien zu entkräften, so muss ggf. eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermietungstätigkeit angestellt werden, um die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht abschließend beurteilen zu können. Zu den Modalitäten einer solchen Prognose s. Rz. 1.822 ff.). 1.853 Die Finanzverwaltung hat sich mit Schreiben vom 15.8.20036 und vom 8.10.20047 diesen Rechtsgrundsätzen angeschlossen und sie für Mietverträge für anwendbar erklärt, die nach dem 31.12.2003 abgeschlossen werden.
1 2 3 4 5 6 7
Ausführlich dazu Heuermann, DB 2002, 2011. BFH v. 9.7.2002 – IX R 57/00, BStBl. II 2003, 695 = FR 2002, 1182. FG Hamburg v. 26.9.2013 – 3 K 181/11, juris, rkr. BFH v. 14.12.2004 – IX R 1/04, BStBl. II 2005, 211 = FR 2005, 431. Siehe auch BFH v. 9.7.2002 – IX R 33/01, BFH/NV 2002, 1565. BMF v. 15.8.2003, BStBl. I 2003, 427 (außer Kraft). BMF v. 8.10.2004 – IV C 3-S 2253-91/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 933 Rz. 36.
190 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.856 Kap. 1
(6) Einkünfteerzielungsabsicht bei Wohnungsleerstand Auch der Abzug von Aufwendungen für leerstehende Wohnimmobilien als (vorab 1.854 entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige mit Einkünfteerzielungsabsicht handelt. Die Rechtsprechung unterscheidet drei Fallgruppen: – Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer nach Anschaffung, Herstellung und Selbstnutzung leerstehenden Immobilie (s. Rz. 1.855 ff.) – Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht nach vorangegangener dauerhafter Vermietung der Wohnimmobilie (s. Rz. 1.858 f.) – Verlust der Einkünfteerzielungsabsicht bei strukturell bedingtem Leerstand der Wohnimmobilie (s. Rz. 1.860). Aufwendungen für eine nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leer- 1.855 stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen (und sie später nicht aufgegeben) hat. Mit anderen Worten: Ein Werbungskostenabzug ist in dieser Fallgruppe nicht möglich, solange die Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht durch den Steuerpflichtigen nicht festgestellt werden kann. Die Einzelfallumstände, aus denen sich die Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht 1.856 ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen; hierfür gilt1: – Grundsätzlich steht es dem Steuerpflichtigen frei, die im Einzelfall geeignete Art und Weise der Platzierung des von ihm angebotenen Mietobjekts am Wohnungsmarkt und ihrer Bewerbung selbst zu bestimmen. – Auch die Reaktion auf „Mietgesuche“ (d.h. die Kontaktaufnahme seitens des Steuerpflichtigen mit etwaigen Mietinteressenten) oder die Bewerbung von Mietobjekten in geschlossenen Foren (etwa in Unternehmenspublikationen oder am „Schwarzen Brett“) kann schon als ernsthafte Vermietungsbemühung anzusehen sein; in diesen Fällen sind jedoch an die Nachhaltigkeit solcher Bemühungen erhöhte Anforderungen zu stellen2. – Sind die vom Steuerpflichtigen selbst unternommenen Bemühungen erkennbar nicht erfolgreich, ist er gehalten, sein Verhalten anzupassen und sowohl geeignetere Wege der Vermarktung zu suchen als auch seine Vermietungsbemühungen (bspw. durch Einschaltung eines Maklers oder durch Nutzung alternativer Bewerbungsmöglichkeiten) zu intensivieren. – Für die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall unternommene Vermietungsbemühungen (ggf. weiterhin) als erfolgversprechend angesehen werden können oder ob diese nach Art und Intensität anzupassen sind, steht dem Steuerpflichtigen 1 Siehe insbesondere BFH v. 11.12.2012 – IX R 14/12, BStBl. II 2013, 279. 2 BFH v. 11.12.2012 – IX R 68/10, BStBl. II 2013, 367, SteuK 2013, 231 m. Anm. Ettlich.
Schallmoser 191
Kap. 1 Rz. 1.856 Steuerorientierte Immobilienübertragung
ein inhaltlich angemessener, zeitlich jedoch begrenzter Beurteilungsspielraum zu. Ferner kann es dem Steuerpflichtigen im Einzelfall zuzumuten sein, durch entsprechende Zugeständnisse bei der Ausgestaltung des Mietverhältnisses (etwa der Vertragslaufzeit oder dem Vertragsgegenstand), bei der Höhe des Mietzinses oder im Hinblick auf die für den Steuerpflichtigen aus persönlichen Gründen als Mieter akzeptablen Personen die Attraktivität des Objektes zu erhöhen. Vorab entstandene Aufwendungen für eine im Eigentum einer Erbengesamthandsgemeinschaft stehende, bislang eigengenutzte (d.h. noch nicht vermietete) Wohnimmobilie können nur dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn die Erbengemeinschaft die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Immobilienobjekts – nach Maßgabe der Bestimmungen in § 2038 BGB „gemeinschaftlich“ – erkennbar aufgenommen und insoweit ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen entfaltet hat. Denn eine Erbengemeinschaft erzielt gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, solange sie nicht auseinandergesetzt ist1. Beabsichtigt der Steuerpflichtige hingegen, die Anteile der übrigen Miterben (sowie gegebenenfalls weitere Miteigentumsanteile) hinzuzuerwerben und anschließend zu vermieten, kann (nur) dann von einer Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden, wenn ihr nachweislich zudem eine konkrete Erwerbsabsicht zugrunde liegt, deren Durchsetzung auch wirtschaftlich möglich erscheint2.
1.857 Für die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden; im Rahmen der Gesamtbeurteilung sind überdies spätere Tatsachen und Ereignisse zu berücksichtigen. Ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich eines leerstehenden Objektes aufgenommen hat, können mithin rückblickend der zeitliche Zusammenhang zwischen Beginn der Vermietungsbemühungen und späterer (tatsächlicher) Vermietung, die (u.U. fehlende) Absehbarkeit, ob und ggf. wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen oder auch die Dauer einer vom Steuerpflichtigen ggf. auch selbst durchgeführten Renovierung zur Vorbereitung einer Vermietung3 als Indizien herangezogen werden. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit von Vermietungsbemühungen, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast4. 1.858 Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leer steht, sind auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht 1 BFH v. 9.7.2013 – IX R 43/11, BStBl. II 2014, 878 = FR 2013, 993 = ZfIR 2013, 861; v. 9.5.2017 – IX R 45/15, BeckRS 2017, 112837. 2 BFH v. 9.5.2017 – IX R 45/15, BeckRS 2017, 112837. 3 Z.B. BFH v. 11.8.2010 – IX R 3/10, BStBl. II 2011, 166 m. Anm. Heine, SteuK 2011, 12. 4 Zu Einzelproblemen bei der Dokumentation der Einkünfteerzielungsabsicht durch den Steuerpflichtigen s. Kaligin, StBp 2016, 76.
192 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.860 Kap. 1
endgültig aufgegeben hat. Das Besondere an dieser Fallgruppe ist, dass eine nachweislich aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht (zu den Voraussetzungen s. Rz. 1.855 ff.) in der Leerstandszeit zunächst indiziell weiterbesteht, d.h. es wird unterstellt, dass der Steuerpflichtige weiterhin vermieten möchte, solange nicht aus objektiven Umständen darauf geschlossen werden muss, dass er seine Vermietungsabsicht aufgegeben hat1. Mit anderen Worten: Ein Werbungskostenabzug ist in dieser Fallgruppe weiterhin möglich, solange eine Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht nicht festgestellt werden kann. In der Praxis wird die Finanzverwaltung eine gewisse Leerstandszeit akzeptieren, 1.859 bevor sie Nachweise verlangt, aus denen sich ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen ergeben; für den Nachweis im Einzelfall – der Steuerpflichtige trägt insoweit die Feststellungslast – gelten die unter Rz. 1.856 genannten Kriterien entsprechend. Kann der Steuerpflichtige belegen, dass er sich in der Leerstandszeit um eine Vermietung bemüht hat, kann er den in dieser Zeit angefallenen Aufwand als vorab entstandene Werbungskosten anziehen. Sind solche Bemühungen nicht festzustellen, kann daraus der Schluss gezogen werden, der Steuerpflichtige habe seine Einkünfteerzielungsabsicht – von Anfang an oder zu einem späteren Zeitpunkt – aufgegeben2. Etwas anderes gilt, wenn der Steuerpflichtige seine – zu einem früheren Zeitpunkt bereits vermietete, nunmehr aber in einem völlig maroden Zustand befindliche und daher leerstehende – Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen – etwa wegen des Widerstands anderer Mitglieder der Eigentümergemeinschaft – dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen kann; in diesem Fall ist von einem Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen3. Grundsätzlich besteht eine nachweislich aufgenommene Einkünfteerzielungsab- 1.860 sicht auch im Falle eines langfristigen, strukturell bedingten Leerstands – wie in der zweiten Fallgruppe – zunächst indiziell weiter. Allerdings kann ein besonders lang andauernder Leerstand nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung dazu führen, dass eine vom Steuerpflichtigen aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht – trotz ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsbemühungen – ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt; von einem solchen Verlust der Einkünfteerzielungsabsicht kann im Einzelfall aber nur ausgegangen werden, wenn absehbar ist, dass das maßgebliche (dem Grunde nach betriebsbereite, d.h. vermietbare) Objekt entweder wegen fehlender (und unter zumutbaren Umständen auch nicht herbeizuführender) Marktgängigkeit oder aufgrund anderweitiger struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit nicht wieder vermietet werden kann, wenn also ein objektives
1 BFH v. 11.12.2012 – IX R 14/12, BStBl. II 2013, 279; v. 11.12.2012 – IX R 39/11, BFH/NV 2013, 540; v. 11.12.2012 – IX R 9/12, BFH/NV 2013, 718; v. 11.12.2012 – IX R 15/12, BFH/ NV 2013, 720. 2 Siehe im Einzelnen Schallmoser, SteuK 2013, 353. 3 BFH v 31.1.2017 – IX R 17/16, BStBl. II 2017, 633 = DB 2017, 1001 = DStRE 2017, 654.
Schallmoser 193
Kap. 1 Rz. 1.860 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Vermietungshindernis besteht1. Im Ergebnis ist ein Werbungskostenabzug in dieser Fallgruppe nur solange möglich, bis der Verlust der Einkünfteerzielungsabsicht festgestellt wird. (7) Besonders aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnungen
1.861 Ein Ausnahmefall von der grundsätzlichen Annahme, dass eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit letztlich zu einem Einnahmeüberschuss führt, liegt nach der Rechtsprechung auch dann vor, wenn bei einer Wohnung in einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohngebäude die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete den besonderen Wohnwert offensichtlich nicht angemessen widerspiegelt2. Die Frage, ob ein Gebäude in der Weise besonders gestaltet oder ausgestattet ist, ist im Lichte der Rechtsprechung zum Ansatz der sog. Kostenmiete bei dem (früheren) Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus zu klären; die Kostenmiete war danach anzusetzen, wenn zu dem Wohnhaus eine Schwimmhalle gehört, die privat genutzte Wohnfläche mehr als 250 qm beträgt oder wenn andere besonders gewichtige Ausgestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale gegeben sind, die dem besonderen persönlichen Wohnbedürfnis des Wohnungsinhabers Rechnung tragen3. Allein die historische Bausubstanz eines denkmalgeschützten Wohngebäudes (bspw. einer alten Mühle) schließt es nicht aus, dass die am Wohnungsmarkt erzielbare Miete den besonderen Wohnwert angemessen widerspiegelt4. (8) Krasses Missverhältnis zwischen Mieteinnahmen und Schuldzinsen bei Fehlen jeglichen Finanzierungskonzeptes
1.862 Die Einkünfteerzielungsabsicht ist bei einer langfristigen Vermietung grds. auch dann ausnahmsweise zu prüfen, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermietungsobjektes sowie anfallende Schuldzinsen fremdfinanziert und dabei hohe Zinslasten auflaufen lässt, ohne dass mittels eines Finanzierungskonzepts von vornherein deren Kompensation durch spätere positive Ergebnisse vorgesehen ist5. dd) Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht und Verlustverrechnungsbeschränkungen bei geschlossenen Immobilienfonds
1.863 Auch bei der Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds kann sich im Einzelfall die Frage nach der Einkünfteerzielungsabsicht stellen; sie muss sowohl auf der Ebe-
1 BFH v. 9.7.2013 – IX R 48/12, BStBl. II 2013, 693 = FR 2014, 73. 2 BFH v. 6.10.2004 – IX R 30/03, BStBl. II 2005, 386 = FR 2005, 432. 3 BFH v. 22.10.1993 – IX R 35/92, BStBl. II 1995, 98 = FR 1994, 473 m. Anm. Drenseck; s. auch OFD München und Nürnberg v. 27.10.2004, DStR 2005, 331. 4 BFH v. 19.4.2005 – IX R 10/04, BStBl. II 2005, 692. 5 BFH v. 10.5.2007 – IX R 7/07, BStBl. II 2007, 873 = DB 2007, 2233 = ZfIR 2008, 148; s. aber auch BFH v. 19.4.2005 – IX R 15/04, BStBl. II 2005, 754 = DB 2005, 2002.
194 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.864 Kap. 1
ne der Gesellschaft als auch auf der Ebene der Gesellschafter vorliegen1. Ein Fonds ist ein Sondervermögen zur Finanzierung bestimmter Zwecke; erreicht der Fonds die angestrebte Investitionshöhe, etwa den Kaufpreis der Fondsimmobilie, wird der Platzierungszeitraum beendet und keine weiteren Gelder mehr eingeworben. Der Anlegerkreis ist damit definiert („geschlossen“)2. (1) Immobilienfonds als Verlustzuweisungsgesellschaft Von einer gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechenden Vermutung ist nach 1.864 der Rechtsprechung des BFH bei einer Beteiligung an einer sog. Verlustzuweisungsgesellschaft auszugehen, die interessierte Kapitalanleger mit dem Versprechen von Einkommensteuerminderungen durch Verlustzuweisungen wirbt3. Allerdings sind die betreffenden Entscheidungen zu risikobehafteten Gesellschaften mit gewerblichen Einkünften (z.B. Explorationsgesellschaften) ergangen. Auch wenn Einigkeit darüber besteht, dass die dort entwickelten Grundsätze auch auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Anwendung finden4, hat der IX. Senat des BFH zunächst gezögert, auch einen geschlossenen Immobilienfonds als Verlustzuweisungsgesellschaft zu behandeln5. Mit Urteil vom 21.11.20006 hat er jedoch erstmals einen Immobilienfonds als Verlustzuweisungsgesellschaft beurteilt mit der Folge, dass die Anleger die ihnen zugewiesenen Verluste nicht als negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abziehen durften. In der Entscheidung ging der BFH davon aus, dass ein geschlossener Immobilienfonds, für den interessierte Kapitalanleger mit dem Versprechen von Einkommensteuerminderungen durch Verlustzuweisungen geworben und nach dessen Ergebnisvorschau die Kapitaleinlagen im Wesentlichen durch Steuerersparnisse finanziert werden, jedenfalls dann als Verlustzuweisungsgesellschaft zu beurteilen ist, wenn der Fonds aufgrund einer absehbaren maßgebenden Überschuldung nicht dauerhaft überlebensfähig ist und (daher) mit einem Ausscheiden seiner Gesellschafter aufgrund einer diesen eingeräumten Verkaufsoption zu einem Zeitpunkt rechnen muss, zu dem nach der Konzeption des Fonds kein Gesamtüberschuss erzielt werden kann.
1 BFH v. 8.12.1998 – IX R 49/95, BStBl. II 1999, 468 = FR 1999, 610; v. 5.9.2000 – IX R 33/97, BStBl. II 2000, 676; v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BStBl. II 2001, 789; v. 2.7.2008 – IX B 46/08, BStBl. II 2008, 815. 2 BGH v. 21.1.2002 – II ZR 2/00, BGHZ 150, 1 = MDR 2002, 766 = NJW 2002, 1642 = DB 2002, 1042 = DStR 2002, 816 = DNotZ 2002, 805; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 420. 3 BFH v. 21.8.1990 – VIII R 25/86, BStBl. II 1991, 564 = FR 1991, 321; v. 10.9.1991 – VIII R 39/86, BStBl. II 1992, 328 = FR 1991, 749; v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BStBl. II 1996, 219 = FR 1996, 317. 4 Vgl. u.a. BMF v. 23.7.1992 – IV B 3-S 2253-29/92, BStBl. I 1992, 434 (inzwischen außer Kraft); s. auch BFH v. 4.2.1992 – IX B 39/91, BStBl. II 1992, 883, unter III. 5 BFH v. 4.2.1992 – IX B 39/91, BStBl. II 1992, 883; v. 27.1.1993 – IX R 269/87, BStBl. II 1994, 615 = FR 1993, 582 unter IV. 6 BFH v. 21.11.2000 – IX R 2/96, BStBl. II 2001, 789 = FR 2001, 415.
Schallmoser 195
Kap. 1 Rz. 1.865 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.865 Auch in verschiedenen weiteren Einzelfällen hat der BFH zur Frage der Einkünfteerzielungsabsicht bei geschlossenen Immobilienfonds Stellung bezogen, wobei die zu beurteilenden Sachverhalte teilweise sehr ungewöhnliche Gestaltungen aufwiesen: – In seinem Urteil vom 8.12.19981 hat der BFH entschieden: Hat sich ein Immobilienfonds der Möglichkeit begeben, ein Grundstück zeitlich unbegrenzt zu nutzen, weil er einem Dritten rechtswirksam ein Ankaufsrecht eingeräumt hat, und steht fest, dass nach der Konzeption des Fonds bis zum Zeitpunkt der möglichen Ausübung des Ankaufsrechts ausschließlich Werbungskostenüberschüsse erzielt werden können, so fehlt sowohl auf der Ebene der Gesellschaft wie auch derjenigen der Gesellschafter die Einkünfteerzielungsabsicht. – Mit Urteil vom 5.9.20002 hat der BFH ausgesprochen, dass die Anleger eines mit sog. Verlustzuweisungen werbenden geschlossenen Immobilienfonds die ihnen zugeordneten Verluste dann nicht als negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abziehen dürfen, wenn aufgrund der besonderen Konzeption des Fonds die Beurteilung gerechtfertigt ist, dass die Anleger sich vorrangig wegen der Mitnahme von Steuervorteilen beteiligt haben. Die Besonderheit der Konzeption des Immobilienfonds lag im Streitfall in Folgendem: Die bei der Gründung des Fonds getroffenen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen sahen zwar eine langfristige Vermietung zweier Immobilienobjekte vor, räumten jedoch gleichzeitig den Anlegern das Recht ein, ihre Fondsanteile an die Gründungsgesellschafter zurück zu übertragen. Die Rückübertragung sollte bei mehrheitlicher Zustimmung der Anleger erfolgen; dabei stand fest, dass bis zur möglichen Ausübung dieses Verkaufsrechts ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben (noch) nicht erzielt werden konnte. Die Finanzverwaltung und ihr folgend das FG Rheinland-Pfalz3 hatten hierzu die Ansicht vertreten, aufgrund der Vertragsgestaltung seien den Anlegern mangels Einkünfteerzielungsabsicht keine negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen. Der BFH hat diese Auffassung bestätigt. Er hat es als Beweisanzeichen für das Fehlen einer Einkünfteerzielungsabsicht gewertet, wenn sich ein Steuerpflichtiger entweder vertraglich die Möglichkeit verschafft, ein Immobilienobjekt innerhalb einer Frist zu verkaufen, in der ein Einnahmeüberschuss nicht zu erzielen ist, oder er sich noch nicht endgültig entschieden hat, ob er das Objekt kurzfristig verkaufen oder langfristig vermieten will. Im Urteilsfall sei den Anlegern nicht nur bereits bei Vertragsabschluss eine (mehrheitlich auszuübende) Option zum Verkauf der Fondsanteile an die Gründungsgesellschafter eingeräumt worden; darüber hinaus seien die Verträge hinsichtlich der Finanzierung und der gegebenen Garantien auch so gestaltet gewesen, dass die Beurteilung des FG, es sei mit der Ausübung der Option zu rechnen gewesen, nicht beanstandet werden könne.
1 BFH v. 8.12.1998 – IX R 49/95, BStBl. II 1999, 468 = FR 1999, 610. 2 BFH v. 5.9.2000 – IX R 33/97, BStBl. II 2000, 676 = FR 2000, 1342. 3 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 20.11.1995 – 3 K 2335/90, EFG 1997, 749.
196 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.867 Kap. 1
– In seiner Entscheidung vom 15.10.20021 hat der BFH schließlich betont, dass die gegen das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Indizwirkung, die sich aus einem Angebot auf Rückübertragung von Gesellschaftsanteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds ergibt, im Einzelfall aufgrund bestimmter, auch erst nach der Anlageentscheidung eintretender Umstände als widerlegt erachtet werden kann. So hat er z.B. die Würdigung des FG im Streitfall, aus der Tatsache, dass ein Gesellschafter – statt eine bestehende Rückkaufgarantie in Anspruch zu nehmen – Kapital in die Gesellschaft nachgeschossen habe, könne auf eine langfristige Anlageentscheidung geschlossen werden, bestätigt. (2) Immobilienfonds als Steuerstundungsmodell Der in der Rechtsprechung des BFH zur fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht bei der 1.866 Beteiligung an einer Verlustzuweisungsgesellschaft zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke wird ergänzt durch den mit dem „Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen“ vom 22.12.20052 eingefügten Verweis in § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG, der die entsprechende Anwendung von § 15b EStG anordnet. Danach dürfen Verluste, welche im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell entstehen, nur die Einkünfte mindern, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. Die Vorschrift setzt als Regelung der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte voraus, dass Einkunftserzielungsabsicht gegeben ist; § 15b EStG ist mithin erst anzuwenden, wenn nach der eingangs dargestellten Rechtsprechung des BFH (s. Rz. 1.864) die Absicht der Einkünfteerzielung grundsätzlich bejaht werden kann3. § 15b EStG ist seiner Struktur nach auf geschlossene Fonds in Form der Personen- 1.867 gesellschaft zugeschnitten, die gewerblich tätig sind4. Ob eine modellhafte Investitionskonzeption im Einzelfall ein Steuerstundungsmodell im Sinne von § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG darstellt, hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung – welche zu betriebliche Einkünfte erzielenden Fondsgesellschaften ergangen ist – entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab; diese Frage ist anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen5. Das bedeutet: Das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells ist in Bezug auf jeden einzelnen Anleger (Gesellschafter) und mit Blick auf dessen Anteil an den gemeinsam erzielten Einkünften zu entscheiden und kann daher nicht für alle Anleger einheitlich beantwortet werden. Nach § 15b Abs. 2 Satz 1
1 BFH v. 15.10.2002 – IX R 29/99, BFH/NV 2003, 462. 2 BGBl. I 2005, 3683. § 15b EStG ist erstmals sinngemäß anwendbar auf negative Einkünfte aus Steuerstundungsmodellen, denen der Steuerpflichtige nach dem 10.11.2005 beigetreten ist oder mit deren Außenvertrieb nach dem 10.11.2005 begonnen wurde (§ 52 Abs. 25 Satz 1 EStG). 3 Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 521. 4 BT-Drucks. 16/107, 6. 5 Vgl. BFH v. 6.6.2019 – IV R 7/16, BStBl. II 2019, 513 = DStRE 2019, 1136 = GmbHR 2020, 42.
Schallmoser 197
Kap. 1 Rz. 1.867 Steuerorientierte Immobilienübertragung
EStG ist es zur Annahme eines Steuerstundungsmodells u.a. erforderlich, dass auf Grund der modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Das ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund des vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG)1. Dazu muss der Initiator das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, so dass der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut; im Vordergrund stehen muss die Erzielung negativer Einkünfte allerdings nicht. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt2.
1.868 Die sinngemäße Anwendung der Norm auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass die Vermietungstätigkeit sich als Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell darstellt, das nach der Definition des § 15b Abs. 2 EStG durch eine modellhafte Gestaltung der Vermietungstätigkeit zur Erzielung steuerlicher Vorteile gekennzeichnet ist. Nach § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG erlaubt das Vorliegen eines vorgefertigten Konzepts, das die Möglichkeit bietet, zumindest in der Anfangsphase negative Einkünfte zu erzielen, den Schluss auf die Modellhaftigkeit. Typischerweise wird das Konzept mittels eines vorgefertigten Anlageprospekts vertrieben3. Charakteristisch ist des Weiteren eine Bündelung von Leistungen (Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen) durch den Anbieter, wobei dem Anleger kein Einfluss auf die Geschäftsführung zusteht, weil die Anlage von Kapital im Vordergrund steht4. Dagegen verlangt § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG nicht, dass das Konzept auf gleichgerichtete Leistungsbeziehungen ausgerichtet sein muss, die im Wesentlichen identisch sind5. Geschlossene Immobilienfonds – insbesondere solche, die in Objekte des Denkmalschutzes oder in Sanierungsgebieten investieren, um erhöhte Absetzungen (§ 7h EStG, s. Rz. 1.887 ff.; § 7i EStG, s. Rz. 1.896 ff.) anteilig zu vermitteln – werden regelmäßig von § 15b EStG erfasst. Aber auch Einzelinvestitionen mit modellhaftem Charakter außerhalb einer gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Bindung können betroffen sein. Einem Immobilienkauf vom Bauträger kommt dann noch kein modellhafter Charakter zu, wenn das Objekt – das im Sanierungsgebiet liegt oder dem eine Denkmaleigenschaft zukommt – saniert wird und der Verkauf vor Beginn der Sanierung außerhalb einer Fondskonstruktion erfolgt6. Demgegenüber kann ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG vorliegen, wenn neben Sanierung und
1 BFH v. 6.6.2019 – IV R 7/16, BStBl. II 2019, 513 = DStRE 2019, 1136 = GmbHR 2020, 42; v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DStR 2014, 688 = DB 2014, 748. 2 BFH v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DStR 2014, 688 = DB 2014, 748. 3 BFH v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DB 2014, 748. 4 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Tz. 10. 5 BFH v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DB 2014, 748; a.A. BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Tz. 8. 6 BT-Drucks. 16/107, 7.
198 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.870 Kap. 1
Verkauf Zusatzleistungen wie Vermietungs- oder Mietgarantien, Finanzierungsvermittlung und ähnliche Leistungen erbracht werden und der Modellerfolg mittels einer zwingenden Verknüpfung der verschiedenen Verträge sichergestellt wird. Rechtsfolge einer entsprechenden Anwendung des § 15b EStG ist, dass negative 1.869 Einkünfte (Werbungskostenüberschüsse) unbeschränkt nur bis zur Höhe der positiven Einkünfte aus derselben Einkunftsquelle zu verrechnen sind. Das Abstellen auf „dieselbe“ Einkunftsquelle schließt die Verrechnung mit positiven Einkünften aus anderen Steuerstundungsmodellen i.S.d. § 15b EStG aus. Zu den „modellhaften negativen Einkünften“, die nicht zur Verrechnung mit den übrigen positiven Einkünften führen dürfen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG), gehören nur solche, auf denen das Steuerstundungsmodell beruht (etwa weil sie durch Werbungskostenabzug oder AfA veranlasst sind). Typische Verlustsituationen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung außerhalb modellhafter Gestaltungen – etwa negative Einkünfte, die nicht absehbar waren (Mietausfälle, Beschädigung des Anlageobjekts) – können u.E. unbeschränkt mit anderen positiven Einkünften, auch aus derselben Einkunftsart, ausgeglichen bzw. nach § 10d EStG abgezogen werden1. 2. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind alle Güter, die in Geld oder Gel- 1.870 deswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen dieser Einkunftsart zufließen (§ 8 Abs. 1 EStG); maßgeblich ist das Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs. 4 EStG analog). Einnahmen sind danach ganz allgemein Gegenleistungen für das zeitlich begrenzte entgeltliche Überlassen unbeweglichen Vermögens zum Gebrauch oder zur Nutzung2. Hierzu zählen: – die Miete, – Mietzuschüsse3, – Nebenentgelte (Nebenkosten), die der Mieter oder Pächter – auch in Übernahme von Kosten (etwa öffentl. Abgaben und Gebühren), welche eigentlich der Vermieter oder Verpächter schuldet – an den Vermieter leistet, z.B. für Wasser. Elektrizität, Heizung, Grundsteuer, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Kanalbenutzung, Aufzug4,
1 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/107, 6; ebenso Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 524. Die ohne stichhaltige Begründung abweichende Auffassung der FinVerw. (BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Tz. 19) widerspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers. 2 BFH v. 20.9.2006 – IX R 17/04, BStBl. II 2007, 112 = DStR 2006, 2246 = DB 2006, 2786 = ErbStB 2007, 34. 3 BFH v. 12.7.2016 – IX R 56/13, BStBl. II 2017, 253 = DB 2016, 2881 = DStR 2016, 2850, betr. ein Mietzuschussdarlehen, bei dem nicht nur der Zeitpunkt der Rückzahlung, sondern auch die Verpflichtung zur Rückgewähr überhaupt ungewiss war und der Darlehensgeber das insoweit bestehende wirtschaftliche Risiko alleine trug. 4 Siehe auch Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 232.
Schallmoser 199
Kap. 1 Rz. 1.870 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– das Entgelt für die Benutzung der Zentralheizung, für die Ausstattung der Wohnung mit Elektrogeräten1 oder aus der Überlassung eines Schwimmbeckens an die Mieter eines Mehrfamilienhauses2, – Dienstleistungen, z.B. eines Hausmeisters, der aus diesem Grunde weniger Barmiete zahlt3, – Sachleistungen, z.B. die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten4 und – ersetzte Aufwendungen, die vorher als Werbungskosten bei den Einkünften abgezogen worden waren5.
1.871 Zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zählen nicht: – Zahlungen, die für die Vermögenssubstanz geleistet werden, typischerweise das Entgelt für die Veräußerung eines Gegenstandes, – die Vergütung für den Verzicht auf den gesetzlichen Grenzabstand zum Nachbargrundstück6 oder – die Entschädigung aus einer Brandversicherung, soweit sie für die Bausubstanz gezahlt wird.
1.872 Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie zufließen (Zuflussprinzip). Das Entgelt für eine Nutzungsüberlassung ist auch dann nach § 21 EStG steuerbar, wenn es in einem Einmalbetrag gezahlt wird. Allerdings kann der Steuerpflichtige nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG Einnahmen, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. 3. Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung
1.873 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Zu den Werbungskosten zählen danach insbesondere 1 BFH v. 30.9.2003 – IX R 9/03, BStBl. II 2004, 225 = DB 2003, 2745 = NJW 2004, 533; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 232. 2 BFH v. 18.8.1978 – VIII R 17/74, BStBl. II 1979, 14; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 232. 3 Siehe auch Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 232. 4 Siehe auch Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 232. 5 BFH v. 23.11.1993 – IX R 101/92, BStBl. II 1994, 348; dies gilt unabhängig davon, ob sie der ursprüngliche Gläubiger oder ein Dritter erstattet, vgl. BFH v. 1.12.1992 – IX R 333/87, BStBl. II 1994, 12 = FR 1993, 503 m. Anm. Drenseck. 6 BFH v. 5.8.1976 – VIII R 97/73, BStBl. II 1977, 26. Die Vergütung für den Verzicht auf den gesetzlichen Grenzabstand zum Nachbargrundstück ist jedoch nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuern.
200 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.882 Kap. 1
– Absetzungen für Abnutzung (s. Rz. 1.881 ff.), – alle mit der Finanzierung zusammenhängenden Aufwendungen, etwa Zinsen, Auszahlungsverluste, Finanzierungsvermittlungsprovisionen sowie Notar und Grundbuchkosten im Rahmen der Finanzierung (s. Rz. 1.931 ff.), – ein Damnum in marktüblicher Höhe (s. Rz. 1.943 f.)1, – Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung (sog. Erhaltungsaufwendungen) und Erschließungsbeiträge, soweit sie nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu rechnen sind (s. Rz. 1.945 ff.), – Steuern und Gebühren, insbesondere Grundsteuer, Zweitwohnungssteuer (s. allg. Rz. 1.1343 ff.; zur anteiligen Behandlung der Zweitwohnungssteuer bei Ferienwohnungen als Werbungskosten s. Rz. 1.972) Kaminkehrergebühren und gemeindliche Gebühren für Müllabfuhr, Wasser, Kanal, Straßenreinigung und Strom, soweit diese Kosten nicht unmittelbar vom Mieter an die gemeindlichen Versorgungsträger entrichtet werden, – Betriebskosten, insbesondere die Kosten für Verwaltung, Hausmeister und Reinigung, – Versicherungsprämien sowie – ggf. auch Aufwendungen für die Beseitigung von Schäden (s. Rz. 1.970) und Abrisskosten (s. Rz. 1.971) Einstweilen frei.
1.874–1.880
a) Absetzungen für Abnutzung (AfA) aa) Allgemeines Während nach der Wertverzehrthese die AfA eine Form von Wertverzehr darstellt, 1.881 der aus dem Einsatz eines mehrjährig genutzten abnutzbaren Wirtschaftsgutes zur Einkunftserzielung resultiert, ist die AfA nach u.E. zutreffender Auffassung ein Aufwand, der periodengerecht auf die gewöhnliche Dauer der Nutzung des Wirtschaftsgutes verteilt wird2. Bei teilentgeltlichem Erwerb laufen verschiedene AfA-Reihen, da der unentgeltlich erworbene Teil des Wirtschaftsgutes gem. § 11d EStDV an die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers anknüpft. Die AfA-Bemessungsgrundlage errechnet sich aus den Anschaffungskosten. Notar, 1.882 Grundbuch und Maklergebühren sowie die Grunderwerbsteuer stellen Anschaffungsnebenkosten dar, die den Anschaffungskosten zugeschlagen werden, also nicht sofort abzugsfähig sind. Dagegen stellen die Notar- und Grundbuchamtsgebühren für die Eintragung von Grundpfandrechten im Grundbuch zur Finanzierung des
1 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546. 2 Vgl. Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 1.
Schallmoser 201
Kap. 1 Rz. 1.882 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Kaufpreises Finanzierungskosten und damit sofort abziehbare Werbungskosten dar, wenn das Objekt zur Erzielung von Einkünften verwendet wird.
1.883 Im Falle der Herstellung errechnet sich die AfA-Bemessungsgrundlage aus den Herstellungskosten. Sofern der Hersteller ein durch Kaufvertrag erworbenes Gebäude abreißt und durch einen Neubau ersetzt, zählen die Abbruchkosten einschließlich des Gebäuderestwertes ggf. zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens (allg. zu Abrisskosten als Werbungskosten s. Rz. 1.971)1. bb) Lineare AfA
1.884 Die lineare AfA beträgt bei nach dem 31.12.1924 fertiggestellten Gebäuden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, jährlich 2 % (bei vor dem 1.1.1925 fertiggestellten Gebäuden jährlich 2,5 %) der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungsund Herstellungskosten ohne Berücksichtigung der auf den Grundstückserwerb entfallenden Kosten (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b EStG)2. Bei Gebäuden, die zu einem Betriebsvermögen gehören, nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31.3.1985 gestellt worden ist, beträgt die lineare AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG jährlich 3 %. cc) Degressive AfA
1.885 Aufgrund des Gesetzes zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.20053 ist die degressive AfA ausgelaufen. Lediglich bei zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, die vom Steuerpflichtigen aufgrund eines nach dem 31.12.2003 und vor dem 1.1.2006 gestellten Bauantrags hergestellt oder aufgrund eines nach dem 31.12.2003 und vor dem 1.1.2006 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags angeschafft worden sind, kann degressive AfA noch gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c EStG geltend gemacht werden. Voraussetzung für die Geltendmachung der degressiven AfA ist in jedem Fall ein Neubau zu Wohnzwecken; das bedeutet, dass das Gebäude dazu geeignet und bestimmt ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Ein Gebäude dient nicht Wohnzwecken i.S.d. § 7 Abs. 5 EStG, wenn es – Ferienwohnungen enthält, die für kürzere Zeiträume an wechselnde Feriengäste vermietet werden4, – sich um ein Pflegegebäude handelt, in dem der Bewohner nicht die tatsächliche Sachherrschaft über seine Unterkunft ausübt, etwa weil die Eignung der betref-
1 Vgl. FG Brandenburg v. 12.11.2002 – 3 K 192/01, rkr., DStRE 2003, 966; zum Erwerb ohne Abbruchabsicht vgl. H 6.4 EStH 2014. 2 Zur Kaufpreisaufteilung in die Gebäude und Bodenanteile vgl. Sprengnetter, DB 2003, 525; FG Hamburg v. 9.9.2003 – III 268/03, rkr., DStRE 2004, 370. 3 Gesetz v. 22.12.2005, BStBl. I 2006, 79. 4 BFH v. 14.3.2000 – IX R 8/97, BStBl. II 2001, 66 = FR 2000, 995.
202 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.888 Kap. 1
fenden Räume zur eigenständigen Haushaltsführung fehlt1 oder der Bewohner sich mangels Kochgelegenheit nicht selbst verpflegen kann2. Nach dem BFH-Urteil v. 30.9.20033 dient eine Eigentumswohnung, die in der 1.886 Wohnform des „betreuten Wohnens“ genutzt wird, regelmäßig Wohnzwecken i.S.v. § 7 Abs. 5 EStG4. dd) Erhöhte Absetzungen gem. § 7h EStG bei Gebäuden in Sanierungsgebieten Literatur: Günther, Modernisierung und Instandsetzung. Erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG: Bindungswirkung der Bescheinigung jetzt geklärt (§ 7h EStG), GStB 2018, 119; Günther, Verfahrensaussetzung bei Remonstration des FA gegen Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG, AO-StB 2017, 10; Heuermann, Bindungswirkung einer Bescheinigung nach § 7h EStG, StW 2006, 926; Kaligin, Immobilieninvestitionen unter Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach §§ 7h, 7i EStG, DStR 2008, 1763; Krauß, Chancen und Fallstricke bei Immobilieninvestitionen in Sanierungsgebieten, DStR 2019, 1185; Neufang, AfA bei Baudenkmälern und in Sanierungsgebieten, StB 2018, 218; Neugebauer/Schneider, Alternative Mietimmobilien als Investitionsobjekt – Steuerliche Effekte von Sonderabschreibungen in Kombination mit nicht steuerbaren privaten Veräußerungsgewinnen, FR 2021, 60.
(1) Begünstigte Maßnahmen Für Herstellungskosten, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die 1.887 in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten (vgl. §§ 136 ff. BauGB) oder städtebaulichen Entwicklungsbereichen entstehen (vgl. §§ 165 ff. BauGB), kann der Steuerpflichtige im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren erhöhte Absetzungen gem. § 7h EStG (jeweils bis zu 9 % und in den folgenden vier Jahren jeweils 7 % der Herstellungskosten) in Anspruch nehmen5. Führt der Investor die Modernisierungsmaßnahmen nicht selbst durch, sondern 1.888 schafft er ein modernisierungsbedürftiges Objekt im Sanierungsgebiet an, können auch für Anschaffungskosten erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen werden, soweit sie auf Maßnahmen entfallen, die nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrages oder eines gleichstehenden Rechtsakts6 durchgeführt worden sind (§ 7h Abs. 1 Satz 3 EStG). 1 BFH v. 30.9.2003 – IX R 2/00, BStBl. II 2004, 221 = FR 2004, 219 = DStR 2003, 2158, zu einer Seniorenwohnanlage, in der sich der Betreiber die jederzeitige Verlegung der Heimbewohner vorbehalten hatte. 2 BFH v. 30.9.2003 – IX R 7/03, BStBl. II 2004, 223 = FR 2004, 220 – Pflegezimmer. 3 BFH v. 30.9.2003 – IX R 9/03, BStBl. II 2004, 225 = FR 2004, 222. 4 Zur Frage, ob „betreutes Wohnen“ auch „Wohnzwecken“ i.S.d. InvZulG dient, s. BFH v. 19.5.2004 – III R 12/03, BStBl. II 2004, 837. 5 Zu den Besonderheiten bei Baumaßnahmen i.S.d. § 7h EStG im Rahmen von Bauherrenmodellen s. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546, Tz. 10. 6 Zum Begriff des „gleichstehenden Rechtsakts“ s. BFH v. 19.2.2013 – IX R 32/12, BStBl. II 2013, 482.
Schallmoser 203
Kap. 1 Rz. 1.889 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.889 Gefördert werden Baumaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB; Voraussetzung ist danach, dass die Baumaßnahme entweder – vor Baubeginn von der Gemeinde angeordnet (§ 177 Abs. 1 Satz 1 BauGB) oder – mit dem Betroffenen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbart worden ist. Nicht ausreichend ist es in diesem Zusammenhang, wenn der Eigentümer freiwillig eine Baumaßnahme durchführt, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen des § 177 BauGB erfüllt sind. Nach § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG sind außerdem Baumaßnahmen an Gebäuden mit besonderer Bedeutung begünstigt, wenn der Eigentümer sich hierzu der Gemeinde gegenüber verpflichtet hat. Zu beachten ist, dass die Genehmigung der Modernisierung in der Regel mit der Auflage verbunden ist, eine bestimmte Mietobergrenze einzuhalten. Außerdem muss der Investor in Betracht ziehen, dass er nach Abschluss der Sanierung u.U. einen Ausgleichsbetrag bezahlen muss, durch den die mit der Sanierung erzielte Steigerung des Bodenwertes abgeschöpft werden soll (§ 154 BauGB). Nicht begünstigt ist die Herstellung eines Neubaus im bautechnischen Sinne; diese auch bisher1 schon geltende Einschränkung wird durch die Regelung in § 7h Abs. 1a Satz 1 EStG i.d.F. des E-MobFördG2 lediglich klargestellt. Ein Neubau liegt etwa vor, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben, insbesondere wenn verbrauchte substantielle Teile (bspw. Fundament, tragende Wände, Geschossdecken, Dachkonstruktion) ersetzt werden; ein Neubau liegt ferner vor bei der Wiederherstellung eines Gebäudes nach Vollverschleiß oder bei schweren Substanzschäden3. Die Prüfung, ob Maßnahmen zur Herstellung eines neuen Gebäudes führen, wird durch § 7h Abs. 1a Satz 2 EStG nunmehr der Finanzbehörde zugewiesen (s. Rz. 1.894).
1.890 Liegt nicht Herstellungs- oder Anschaffungsaufwand, sondern Erhaltungsaufwand vor, kann der Steuerpflichtige die durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen nicht gedeckten Aufwendungen nach § 11a EStG auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. 1.891 Hat eine Personengesellschaft von der Vorschrift erfasste Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt oder Anschaffungskosten getragen, ist nicht die Gesellschaft, sondern nur der Gesellschafter berechtigt, die erhöhten Absetzungen in Anspruch zu nehmen4.
1 Vgl. BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann = DNotI-Report 2003, 51 = NJW 2003, 1141; v. 2.9.2008 – X R 7/07, BStBl. II 2009, 596 = DStR 2009, 1305; s.a. Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7h EStG Rz. 9. 2 § 7h Abs. 1a Satz 1 EStG i.d.F. des Ges. zur weiteren Förderung der Elektromobilität und weiterer steuerlicher Vorschriften (E-MobFördG) vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451); die Bestimmung ist erstmals auf Baumaßnahmen anzuwenden, mit denen nach dem 31.12.2018 begonnen wurde (§ 52 Abs. 16a Satz 1 EStG). 3 Vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 7/07, BStBl. II 2009, 596 = DStR 2009, 1305 m. zahlreichen w.N.; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7h EStG Rz. 21. 4 BFH v. 17.7.2001 – IX R 50/98, BStBl. II 2001, 760 = FR 2001, 1182.
204 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.894 Kap. 1
Für selbstgenutzte Eigentumswohnungen in Sanierungsgebieten und städtebauli- 1.892 chen Entwicklungsbereichen besteht ein Sonderausgabenabzug gem. § 10f EStG (s. Rz. 1.906 und Rz. 4.278). (2) Bemessungsgrundlage Begünstigt werden nach 7h Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EStG die (nachträglichen) Her- 1.893 stellungskosten, in besonderen Fällen (7h Abs. 1 Satz 3 EStG) die Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen. Die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen ist um Zuschüsse aus Sanierungs- und Entwicklungsförderungsmitteln (bspw. nach § 177 Abs. 4 und 5 BauGB) zu kürzen, soweit diese Zuschüsse für begünstigte Baumaßnahmen gewährt werden. Die Zuordnung von Zuschüssen zu begünstigten und nicht begünstigten Aufwendungen richtet sich nach der Zweckbestimmung des Zuschussgebers; der Steuerpflichtige hat insoweit kein Wahlrecht zur Behandlung der Zuschüsse als Einnahmen1. (3) Bescheinigung Die nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene Bescheinigung der zuständigen Ge- 1.894 meindebehörde ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung2; sie kann nicht über § 86 Abs. 3 FGO erzwungen werden3. Die Bescheinigung ist Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO4; sie muss, um Bindungswirkung zu entfalten, eine eindeutige Aussage zu den Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG für die betroffene Maßnahme enthalten. Es ist objektbezogen5 – d.h. gesondert hinsichtlich jedes einzelnen Immobilienobjekts – zu bestätigen, – ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. maßgeblichen Vorschriften des BBauG oder Maßnahmen i.S.d. StBauFG durchgeführt worden sind, – ob das betreffende Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich liegt und
1 Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7h EStG Rz. 19. 2 St. Rspr., z.B. BFH v. 22.9.2005 IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373; v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 581; v. 22.10.2014 – X R 15/13, BStBl. II 2015, 367; v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523; v. 10.10.2017 – X R 6/16, BStBl. II 2018, 272. 3 BVerfG v. 19.12.2006 – 2 BvR 2357, 2389/06, BFH/NV, Beilage 4, 233. 4 BFH v. 22.9.2005 – IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373 = DB 2006, 2497; v. 2.9.2008 – X R 7/07, BStBl. II 2009, 596 = DStR 2009, 1305; v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 581; v. 22.10.2014 – X R 15/13, BStBl. II 2015, 367; v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523; v. 10.10.2017 – X R 6/16, BStBl. II 2018, 272. 5 BFH v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 581 = DStR 2014, 1910; v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523 = DStR 2017, 768 = DB 2017, 1068: Die Bescheinigung darf sich mithin nicht auf ein Gesamtgebäude beziehen, wenn darin mehrere Immobilienobjekte (d.h. Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, Eigentumswohnungen oder im Teileigentum stehende Räume, s. § 7h Abs. 3 EStG) enthalten sind. Kritisch hierzu Beck, DStR 2017, 1469.
Schallmoser 205
Kap. 1 Rz. 1.894 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– ob und in welcher Höhe für die Maßnahmen Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln gewährt worden sind. Nach diesen Grundsätzen prüft allein die Gemeinde, ob die in der Vorschrift angeführten Maßnahmen durchgeführt wurden1. Zu dieser Prüfung gehörte bislang auch, welchen Umfang die Baumaßnahme haben darf, um noch als (steuerbegünstigte) Sanierung und nicht als (nicht begünstigter) Neubau im bautechnischen Sinne (s. Rz. 1.889) zu gelten2. Dabei musste nach den Wertungen des BauGB (und nicht nach steuerrechtlichen Wertungen) entschieden werden, wie die Begriffe „Modernisierung“ und „Instandsetzung“ zu verstehen sind3; vor diesem Hintergrund konnten auch Aufwendungen für eine Eigentumswohnung, mit der neuer Wohnraum (etwa an Stelle des bislang ungenutzten Dachbodens) geschaffen wurde, (anteilig) materiell-rechtlich begünstigt sein4. Für Baumaßnahmen, die nach dem 31.12.2018 begonnen wurden5, ist – abweichend hiervon – die Regelung des § 7h Abs. 1a EStG anzuwenden, welche sicherstellen soll, dass der steuerrechtliche Neubaubegriff Anwendung findet6; danach ist die Prüfung, ob Maßnahmen zur Herstellung eines Neubaus im steuerrechtlichen Sinne führen, nunmehr der Finanzbehörde zugewiesen (§ 7h Abs. 1a Satz 2 EStG). Die Gemeindebehörde entscheidet nicht bindend über die persönliche Abzugsberechtigung, also nicht darüber, wer Herstellungskosten getragen hat und wem sie als Abzugsberechtigtem zuzurechnen sind7. Liegt eine diesen Maßstäben entsprechende Bescheinigung vor, entfaltet diese – unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit – Bindungswirkung, denn sie ist Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 Satz 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Das bedeutet: Auch eine rechtswidrige Bescheinigung ist bindend; hat die zuständige
1 Z.B. BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910; v. 4.5.2004 – XI R 38/01, BStBl. II 2005, 171; v. 22.10.2014 – X R 15/13, BStBl. II 2015, 367. 2 BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910 = DB 2001, 2578 = ZfIR 2002, 232; v. 22.9.2005 – IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373 = DB 2006, 2497; v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 581 = DStR 2014, 1910; v. 22.10.2014 – X R 15/13, BStBl. II 2015, 367. Siehe ferner BFH v. 17.12.1996 – IX R 91/94, BStBl. II 1997, 398 = FR 1997, 420; v. 4.5.2004 – XI R 38/01, BStBl. II 2005, 171 m. Anm. Fischer, FR 2005, 29, jew. zur Vorgängervorschrift des § 82g Abs. 1 Satz 3 EStDV 1986. Die Finanzverwaltung folgt der st. BFH-Rspr., s. R 7h Abs. 4 Satz 2 EStR. 3 BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910 = DB 2001, 2578 = ZfIR 2002, 232; v. 22.9.2005 – IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373; v. 22.10.2014 – X R 15/13, BStBl. II 2015, 367; v. 6.10.2016 – IX B 81/16, BStBl. II 2017, 196. 4 BFH v. 10.10.2017 – X R 6/16, BStBl. II 2018, 272. 5 Siehe § 52 Abs. 16a Satz 1 EStG. 6 Vgl. BT-Drucks. 19/13436, 94; ebenso Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7h EStG Rz. 21; a.A. Schmidt/Kulosa41, § 7h EStG Rz. 6, der darauf verweist, dass der Gesetzgeber nicht habe erkennen lassen, dass die Wertungen des Baurechts keine Geltung mehr beanspruchen könnten. 7 BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910 = DB 2001, 2578 = ZfIR 2002, 232; v. 22.9.2005 – IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373 = DB 2006, 2497.
206 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.894 Kap. 1
Gemeindebehörde eine solche bindende Entscheidung über die von ihr nach § 7h Abs. 1 EStG zu prüfenden Voraussetzungen getroffen, hat die Finanzbehörde diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, die Bescheinigung wird förmlich zurückgenommen, widerrufen oder ist nach § 44 VwVfG nichtig und deshalb unwirksam1. Auch die FinVerw. erkennt an, dass die Bescheinigung der Gemeindebehörde – soweit sie bindet – keiner Nachprüfung unterliegt2. Vertritt die Finanzbehörde gleichwohl eine von der bescheinigenden Gemeinde abweichende Auffassung und hält sie daher die Bescheinigung für rechtswidrig, hat sie nur die Möglichkeit, bei der Gemeinde darauf hinzuwirken, dass sie diese zurücknimmt oder ändert; nach Remonstration ist die Finanzbehörde auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen3. Remonstriert die Finanzbehörde bei der zuständigen Gemeindebehörde, führt dies weder zur Fortsetzung des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens über die Erteilung der Bescheinigung noch wird dadurch ein neues dahingehendes Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, über welches die Gemeindebehörde erneut förmlich zu entscheiden hat; die steuerrechtliche Bindungswirkung einer einmal erteilten Bescheinigung kann mithin durch die Remonstration nicht beseitigt werden4; ein vom FA angestrengtes Remonstrationsverfahren rechtfertigt auch keine Aussetzung eines laufenden Klageverfahrens nach § 74 FGO5. Keine Bindungswirkung soll nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG in der Neufassung des JStG 20206 einer „offensichtlich rechtswidrigen Bescheinigung“ zukommen; eine offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt (nur dann) vor, wenn bei Ergehen der Bescheinigung am Vorliegen eines Verstoßes gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb deren Rechtswidrigkeit regelrecht aufdrängt7. Dies ist bspw. der Fall, wenn offensichtlich eine Rechtsgrundlage für die Erteilung der Bescheinigung fehlt oder der Begünstigte die Bescheinigung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren8; denn in einem solchen Fall besteht nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1
1 BFH v. 17.4.2018 – IX R 27/17, BStBl. II 2018, 597; s.a. BFH v. 10.10.2017 – X R 1/17, BFH/NV 2018, 416; v. 10.10.2017 – X R 6/16, BStBl. II 2018, 272. 2 Siehe R 7h Abs. 4 Satz 2 EStR und H 7h „Bindungswirkung der Bescheinigung“ EStH. 3 BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910 = DB 2001, 2578 = ZfIR 2002, 232; v. 22.9.2005 – IX R 13/04, BStBl. II 2007, 373 = DB 2006, 2497; v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 581 = DStR 2014, 1910; v. 22.10.2014 X R 15/13, BStBl. II 2015, 367. 4 BFH v. 6.10.2016 – IX B 81/16, BStBl. II 2017, 196 = DStR 2016, 2644; v. 17.4.2018 IX R 27/17, BStBl. II 2018, 597. 5 BFH v. 6.10.2016 – IX B 81/16 BStBl. II 2017, 196. 6 § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 vom 21.12.2020 (BGBl. I 2019, 2451); die Bestimmung ist zum 29.12.2020 in Kraft getreten (Art. 50 Abs. 1 JStG 2020). 7 Vgl. BVerwG v. 17.1.2007 – 6 C 32/06, NVwZ 2007, 709; Schmidt/Kulosa41, § 7h EStG Rz. 15. 8 So die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 19/22850, 81.
Schallmoser 207
Kap. 1 Rz. 1.894 Steuerorientierte Immobilienübertragung
VwVfG auch ein Anspruch auf Rücknahme einer (bestandskräftigen) offensichtlich rechtswidrigen Bescheinigung. (4) Ausgleichsbeträge
1.895 Bei der Ausweisung eines Sanierungsgebietes kann die jeweilige Gemeinde das klassische oder das vereinfachte Verfahren wählen: – Beim vereinfachten Verfahren wird im Grundbuch kein Sanierungsvermerk eingetragen und die Verfügungsbefugnis in keiner Weise beschränkt. Für etwaige Bodenwerterhöhungen hat der betroffene Eigentümer oder Käufer keinen Ausgleichsbetrag an die Kommune zu entrichten. – Bei der Ausweisung eines Sanierungsgebietes im klassischen Verfahren wird bei den betroffenen Grundstücken ein Sanierungsvermerk im Grundbuch eingetragen. Die Gemeinde kann gem. § 154 Abs. 2 BauGB einen Ausgleichsbetrag für die Differenz zwischen dem Anfangswert (vor Beginn der Sanierung) und dem Endwert (bei Abschluss der Sanierung) erheben. Danach soll aus dem Mietspiegel die sanierungsbedingte Werterhöhung ermittelt werden1. Der BFH2 wendet auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge die Grundsätze über die steuerliche Behandlung von Erschließungsbeiträgen an (s. Rz. 1.964 ff.). ee) Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen gem. § 7i EStG Literatur (Auswahl): Beck, Inanspruchnahme der degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 EStG neben den erhöhten Absetzungen für Baudenkmale nach § 7i EStG, DStR 2004, 1951; Beck, Die Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG, DStR 2009, 1412; Büchner/ Fritzsch, Steuerliche Förderung von denkmalgeschütztem Eigentum, DStR 2004, 2169; Götz, Anschaffungsnaher Aufwand bei Baudenkmalen, DStR 2012, 1217; Götz, Anschaffungsnaher Aufwand vs. §§ 7i, 11b EStG, DStR 2011, 1016; Kaligin, Zur Problematik von rückwirkenden Kumulationsverboten bei Immobilieninvestitionen und Abschreibungsvergünstigungen, DStR 2007, 1112; Kaligin, Immobilieninvestitionen unter Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach §§ 7h, 7i EStG, DStR 2008, 1763; Kleeberg, Das Baudenkmal als Alt oder Neubau, FR 2005, 365; Marx/Noack, Verhältnis zwischen anschaffungsnahen Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG und Aufwendungen nach § 7i Abs. 1 Satz 1, § 11b Satz 1 EStG, DStR 2013, 173; Neufang, AfA bei Baudenkmälern und in Sanierungsgebieten, StB 2018, 218; Neugebauer/Schneider, Alternative Mietimmobilien als Investitionsobjekt – Steuerliche Effekte von Sonderabschreibungen in Kombination mit nicht steuerbaren privaten Veräußerungsgewinnen, FR 2021, 60; Pauly, Zur Problematik der erhöhten Absetzungen nach § 7i EStG – Denkmalschutz vs. Steuerrecht? ZfIR 2010, 824; Zabel/Mohr, Die Vermietung denkmalgeschützter Immobilien, ZfIR 2010, 5865.
1 Siehe Luckas/Jaeger, ZfIR 2007, 603 ff. 2 BFH v. 27.10.1993 – I R 65/92, BFH/NV 1994, 471; s.a. BFH v. 22.3.1994 – IX R 52/90, BStBl. II 1994, 842 = FR 1994, 824.
208 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.898 Kap. 1
(1) Begünstigte Maßnahmen Ziel des § 7i EStG ist die Erhaltung und Bewahrung schutzwürdiger Baudenkmäler, 1.896 die zur Einkünfteerzielung1 verwendet werden2. Begünstigt werden zunächst (nachträgliche) Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung eines Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Sofern das Gebäude kein Baudenkmal darstellt, aber Teil einer Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist (Ensembleschutz), kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für solche Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gesamtanlage erforderlich sind3. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzung sind nicht begünstigt die
1.897
– Gestaltung eines Innenhofs; – Gestaltung einer Außenanlage, eines Gartens oder eines Vorplatzes; – die Neuerrichtung einer Tiefgarage4. Nicht begünstigt ist überdies der Wiederaufbau oder eine völlige Neuerrichtung des Gebäudes. Der Zweck des § 7i EStG, kulturhistorisch wertvolle Gebäude zu erhalten und zu modernisieren, rechtfertigt jedoch die Auslegung, dass Herstellungskosten, die zur Erhaltung des Gebäudes i.S.d. § 7i EStG erforderlich sind, auch dann vorliegen, wenn nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen (z.B. bei Erneuerung tragender Teile) von einem Neubau in bautechnischer Sicht auszugehen ist5. Gemäß § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG können erhöhte Absetzungen auch für den Teil von 1.898 Anschaffungskosten in Anspruch genommen werden, die auf begünstigte Aufwendungen an einem Baudenkmal entfallen. Diese Regelung zielt auf den Investor, der 1 Soweit ein modernisiertes Baudenkmal nicht zur Erzielung von Einkünften, sondern zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, können gem. § 10f EStG sowohl Erhaltungsaufwand als auch nachträgliche Herstellungskosten im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme sowie in den folgenden neun Jahren jeweils in Höhe von 9 v.H. als Sonderausgaben abgezogen werden, soweit sie als begünstigt bescheinigt werden. Nutzt der Steuerpflichtige das Gebäude nicht im Rahmen einer der Einkunftsarten und auch nicht zu eigenen Wohnzwecken, kann er die begünstigten Aufwendungen in gleicher Weise gem. § 10g EStG als Sonderausgaben abziehen. 2 Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7i EStG Rz. 10. 3 Daher sind Baumaßnahmen im Innern des Gebäudes von der Begünstigung ausgeschlossen. 4 Vgl. BFH v. 15.10.1996 – IX R 47/92, BStBl. II 1997, 176. = FR 1997, 106. Hat die Denkmalbehörde die Herstellungskosten einer Tiefgarage indes in die erteilte denkmalschutzrechtliche Bescheinigung aufgenommen, ist diese denkmalrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend, wenn zwischen den Baulichkeiten ein einheitlicher Nutzungsund Funktionszusammenhang besteht und die Tiefgarage deshalb kein selbständiges Gebäude ist, vgl. BFH v. 14.1.2003 – IX R 72/00, BStBl. II 2003, 916 = DStR 2003, 774 = DB 2003, 971. 5 BFH v. 24.6.2009 – X R 8/08, BStBl. II 2009, 960 = DStR 2009, 1745.
Schallmoser 209
Kap. 1 Rz. 1.898 Steuerorientierte Immobilienübertragung
ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude erwirbt und mit dem Verkäufer vereinbart, dass dieser ihm das Gebäude modernisiert (Bauträgermodell); hier wird der Käufer steuerlich so behandelt als habe er ein bereits fertig modernisiertes Gebäude erworben. Der gesamte Aufwand des Investors wird, soweit er auf denkmalerhaltende Baumaßnahmen entfällt und nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrages durchgeführt wird, als (begünstigte) Anschaffungskosten behandelt. Im Rahmen von Bauträgermodellen berücksichtigen die Verkäufer denkmalgeschützter Immobilien im Rahmen ihrer Kostenkalkulation regelmäßig auch sog. Funktionsträgergebühren, die der Investor als Teil des Kaufpreises zu tragen hat. Der Begriff der Funktionsträgergebühren wurde erstmals in den jeweiligen Bescheinigungsrichtlinien der Bundesländer eingeführt1 und nimmt offenbar auf Rz. 9 ff. des BMFSchreibens vom 20.10.20032 Bezug, welches sich wiederum an den Gründen des BFH-Urteils vom 14.11.19893 orientiert. Danach sind Anleger in Bauherrenmodellen einkommensteuerrechtlich regelmäßig nicht als Bauherren, sondern als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen, und alle in diesem Zusammenhang an die Anbieterseite geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb des Grundstücks mit dem bezugsfertigen Gebäude gerichtet sind, stellen deshalb Anschaffungskosten dar. Hierzu gehören bspw. die Baukosten für die Errichtung oder Modernisierung des Gebäudes, Baubetreuungsgebühren, Treuhandgebühren, Finanzierungsvermittlungsgebühren etc. Die hinter dem Begriff der Funktionsträgergebühren stehenden einzelnen Aufwendungen sind entweder dem Grund und Boden oder den verschiedenen Baumaßnahmen (Altbausubstanz des Gebäudes, begünstigte Sanierungsaufwendungen i.S.d. § 7i EStG, übrige Baumaßnahmen) zuzuordnen. Soweit die Funktionsträgergebühren auf Maßnahmen entfallen bzw. mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, die zu den begünstigten (und von der Denkmalbehörde bescheinigten) Sanierungsaufwendungen gehören, erhöhen sie die Bemessungsgrundlage und damit die Abschreibungen i.S.d. § 7i Abs. 1 EStG4. Ist eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich, kommt schätzweise eine (ggf. anteilige) Zuordnung zu den verschiedenen Maßnahmen (Altbausubstanz des Gebäudes, begünstigte Sanierungsaufwendungen i.S.d. § 7i EStG, übrige Baumaßnahmen) in Betracht.
1.899 Soweit die Kosten für die Modernisierung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes Erhaltungsaufwand darstellen, können sie – wie sonst auch – sofort als Werbungskosten abgezogen werden. Gemäß § 11b EStG kann der Investor die betreffenden Aufwendungen aber auch auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Voraussetzung ist, dass ihm die landesrechtlich zuständige Stelle bescheinigt, dass die Maßnahmen erforderlich waren, um das Denkmal zu erhalten oder es sinnvoll nutzen zu können, und dass er die Maßnahmen vorher mit der zuständigen Behörde abgestimmt hat. 1 Zur Übersicht vgl. BMF v. 21.1.2020 – IV C 1-S 2198-a/19/10004:001, BStBl. I 2020, 169. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546. 3 BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299. 4 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546.
210 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.902 Kap. 1
(2) Bemessungsgrundlage Begünstigt werden nach 7i Abs. 1 Satz 1 EStG die Herstellungskosten, in besonderen 1.900 Fällen (7i Abs. 1 Satz 5 EStG) die Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen. Gemäß § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Investor bis zu 9 v.H. dieser Kosten im Jahr der Herstellung und in den sieben Folgejahren und bis zu 7 v.H. in den darauffolgenden vier Jahren geltend machen (für Baumaßnahmen bis zum 31.12.2003: zehn Jahre erhöhte Absetzungen von 10 v.H.), soweit ihm die landesrechtlich zuständige Denkmalschutzbehörde die nach Abs. 2 der Vorschrift (s. Rz. 1.901 ff.) erforderliche Bescheinigung ausstellt. Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen sind daher (nur) die Herstellungs- oder Anschaffungskosten, die die Behörde als begünstigt bescheinigt hat. Soweit die Eigentümer zusätzlich öffentliche Zuschüsse erhalten, begrenzt § 7i Satz 1 EStG die erhöhten Abschreibungen auf die Aufwendungen, die nicht durch Zuschüsse gedeckt sind. (3) Bescheinigung Bei der gem. § 7i Abs. 2 EStG erforderlichen Bescheinigung handelt es sich um eine 1.901 materiell-rechtliche Voraussetzung für die erhöhten Absetzungen; die Erfüllung der Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG muss von der zuständigen Denkmalbehörde objektbezogen bescheinigt werden1. Beschränken sich die Feststellungen der Denkmalbescheinigung nur auf einzelne Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG, hat das FA in Ermittlungen einzutreten, ob die nicht von der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids umfassten Tatbestandsmerkmale der Vorschrift erfüllt sind, und zwar auch dann, wenn die Bescheinigung der Denkmalbehörde erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids vorgelegt wird2. Das BMF hat die Anschriften der zuständigen Behörden3 sowie eine Übersicht über die länderspezifischen Bescheinigungsrichtlinien4 im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Die Bescheinigung stellt einen Grundlagenbescheid dar, an den die Finanzbehörde 1.902 – ungeachtet einer etwaigen Rechtswidrigkeit (s. Rz. 1.904) – gebunden ist. Die Bindungswirkung der Bescheinigung (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO) erstreckt sich allerdings grds. nur auf die der Bescheinigungsbehörde obliegenden Feststellungen, nicht dagegen auf die Prüfung steuerrechtlicher Voraussetzungen5. Erfasst die von einer Denkmalbehörde erteilte Bescheinigung hingegen Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung (z.B. zur Wiederherstellung eines eingestürzten Hauses) auch steuerrechtlich bin1 2 3 4
BFH v. 16.9.2014 – X R 29/12, BFH/NV 2015, 194. BFH v. 19.2.2019 – X R 17/18, BFH/NV 2019, 801. BMF v. 4.6.2015 – IV C 1-S 2198-b/08/10002, BStBl. I 2015, 506. BMF v. 10.11.2000 (DE CD) – IV C 3-S 2198a-20/00, BStBl. I 2000, 1513 und v. 8.11.2004 (DE CD) – IV C 3 -S 2198a–18/04, BStBl. I 2004, 1049. 5 Vgl. BFH v. 21.8.2001 – IX R 20/99, BStBl. II 2003, 910 = DB 2001, 2578 = ZfIR 2002, 232, zu § 7h EStG, betr. die Frage, ob der Aufwand des Investors steuerrechtlich als Herstellungs- oder Anschaffungskosten zu beurteilen ist.
Schallmoser 211
Kap. 1 Rz. 1.902 Steuerorientierte Immobilienübertragung
dend1, soweit nicht die Denkmalschutzbehörde die Prüfung steuerrechtlicher Voraussetzungen ausdrücklich der Finanzbehörde vorbehält2.
1.903 Die Bindungswirkung bezieht sich auf die Frage, – ob das Gebäude nach den landesrechtlichen Vorschriften ein Denkmal ist, – ob die Baumaßnahmen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung bei einem Gebäude, das Teil einer geschützten Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes erforderlich waren, – ob Baumaßnahmen an einer Baulichkeit (z.B. einer Tiefgarage) wegen Nutzungsund Funktionszusammenhanges als solche an einem Teil des Denkmals anzusehen sind3, – ob die Arbeiten vor Beginn mit der Bescheinigungsbehörde abgestimmt waren, – in welcher Höhe die Aufwendungen diese Voraussetzung erfüllen4, – ob und ggf. in welcher Höhe Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln durch eine für den Denkmalschutz zuständige Behörde gezahlt worden sind und – ob nach dem Ausstellen der Bescheinigung solche Zuschüsse gewährt worden sind. Die Finanzbehörden haben dagegen in eigener Zuständigkeit zu prüfen, – ob die Bescheinigung von der zuständigen Behörde ausgestellt worden ist, – ob es sich um einen Fall der Herstellung nach § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG oder der Anschaffung nach Satz 5 dieser Vorschrift handelt, – ob ein – jeweils nicht begünstigter – Neubau5 oder Wiederaufbau6 vorliegt, – ob – in den Fällen des § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG – Erhaltungsaufwand vorliegt, – inwieweit – in den Fällen des § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG – die Baumaßnahmen nach Abschluss des Kaufvertrages durchgeführt worden sind, – ob weitere Zuschüsse gezahlt worden sind, – wer die Aufwendungen getragen hat und wem sie als Abzugsberechtigten zuzurechnen sind7,
1 BFH v. 13.9.2001 – IX R 62/98, BStBl. II 2003, 912 = DB 2002, 248, zu § 82i Abs. 2 EStDV; v. 30.10.2002 – IX R 13/99, BFH/NV 2003, 744. 2 BFH v. 14.1.2004 – X R 19/02, BStBl. II 2004, 711 = DB 2004, 1187, zu § 10f EStG. 3 BFH v. 14.1.2003 – IX R 72/00, BStBl. II 2003, 916 = DStR 2003, 774 = DB 2003, 971. 4 BFH v. 11.6.2002 – IX R 79/97, BStBl. II 2003, 578 = FR 2002, 1002. 5 BFH v. 14.1.2003 – IX R 72/00, BStBl. II 2003, 916 = DStR 2003, 774 = DB 2003, 971; v. 14.1.2004 – X R 19/02, BStBl. II 2004, 711 = DB 2004, 1187, zu § 10f EStG. 6 BFH v. 13.9.2001 – IX R 62/98, BStBl. II 2003, 912 = DB 2002, 248, zu § 82i Abs. 2 EStDV. 7 BFH v. 6.3.2001 – IX R 64/97, BStBl. II 2001, 796 = DB 2001, 1592.
212 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.904 Kap. 1
– ob die Aufwendungen bei einer Einkunftsart oder – bei selbstgenutzten Wohnungen – als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind und in welchem Veranlagungszeitraum der Abzug erstmals in Anspruch genommen werden kann. Die bescheinigten Herstellungs- oder Anschaffungskosten kann der Steuerpflichtige 1.904 nach § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG in Form erhöhter Absetzungen in Anspruch nehmen. Ist für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum bereits ein Steuerbescheid (= Folgebescheid) erlassen, besteht im Übrigen auch dann eine Verpflichtung (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) zur Änderung dieses Bescheids, wenn sich die Bindungswirkung der Denkmalbescheinigung (= Grundlagenbescheid) nicht auf sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 7i EStG erstreckt1. Bescheinigt die Denkmalbehörde zu Unrecht das Vorliegen der Abzugsvoraussetzungen des § 7i EStG, ist die rechtswidrige Bescheinigung für die Finanzbehörde gleichwohl bindend, solange die Bescheinigung nicht nach § 44 VwVfG nichtig und deshalb unwirksam ist oder förmlich zurückgenommen oder widerrufen wurde2. Hält das Finanzamt eine bindende Denkmalbescheinigung für falsch, weil das sanierte Denkmal seiner Auffassung nach einen „Neubau“ darstellt, hat es lediglich das Recht, zu remonstrieren und auf eine Korrektur der Bescheinigung durch die betreffende Behörde hinzuwirken3; eine den Regelungen in § 7h Abs. 1a EStG (s. Rz. 1.894) vergleichbare Bestimmung zur Verlagerung der Prüfungskompetenz betreffend die Neubaueigenschaft des Denkmals auf die Finanzbehörde enthält § 7i EStG gerade nicht. Ein vom FA angestrengtes Remonstrationsverfahren rechtfertigt keine Aussetzung eines laufenden Klageverfahrens (§ 74 FGO)4. Keine Bindungswirkung kommt nach § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG in der Neufassung des JStG 20205 einer „offensichtlich rechtswidrigen“ Denkmalbescheinigung“ zu; eine offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn bei Ergehen der Bescheinigung am Vorliegen eines Verstoßes gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb deren Rechtswidrigkeit regelrecht aufdrängt6, etwa wenn die Rechtsgrundlage für die Erteilung der Bescheinigung offensichtlich fehlt oder der Begünstigte die Bescheinigung durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt hat7 (s. Rz. 1.894).
1 BFH v. 19.2.2019 – X R 17/18, BFH/NV 2019, 801. 2 Vgl. BFH v. 30.10.2002 – IX R 13/99, BFH/NV 2003, 744, zur Vorgängervorschrift des § 82i Abs. 2 EStDV sowie BFH v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523, zu § 7h EStG. 3 BFH v. 15.10.1996 – IX R 47/92, BStBl. II 1997, 176 = FR 1997, 106; v. 14.1.2003 – IX R 72/00, BStBl. II 2003, 916 = DStR 2003, 774 = DB 2003, 971. 4 Vgl. BFH v. 6.10.2016 – IX B 81/16 BStBl. II 2017, 196, zu § 7h EStG. 5 § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 v. 21.12.2020 (BGBl. I 2019, 2451); die Bestimmung ist zum 29.12.2020 in Kraft getreten (Art. 50 Abs. 1 JStG 2020). 6 Vgl. BVerwG v. 17.1.2007 – 6 C 32/06, NVwZ 2007, 709; Schmidt/Kulosa41, § 7i EStG Rz. 15. 7 So die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 19/22850, 82.
Schallmoser 213
Kap. 1 Rz. 1.905 Steuerorientierte Immobilienübertragung
(4) Begünstigung einzelner Baumaßnahmen
1.905 Erhöhte Absetzungen nach § 7i EStG können zwar nicht für Teilherstellungskosten oder Anzahlungen1, wohl aber für einzelne Baumaßnahmen in Anspruch genommen werden, wenn diese abgeschlossen sind2. Dies gilt auch, wenn die Baumaßnahme Teil einer einheitlichen Gesamtbaumaßnahme ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Baumaßnahme sachlich abgrenzbar ist3, wie dies etwa bei der Erneuerung der Dacheindeckung, der Fassade, der Heizungsanlage und der Wasserleitungen der Fall ist. Für Erwerbsfälle i.S.d. § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG kann dies allerdings nicht gelten, weil hier die Befugnis des Investors zur Vornahme der erhöhten Absetzungen erst mit dem Lastenwechsel beginnt. Dieser wird in der Regel erst für den Zeitpunkt vereinbart, in dem die Modernisierung insgesamt abgeschlossen ist. ff) Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale und Gebäude in Sanierungsgebieten (§ 10f EStG) Literatur: Krauß, Chancen und Fallstricke bei Immobilieninvestitionen in Sanierungsgebieten, DStR 2019, 1185.
1.906 Die Regelung in § 10f EStG ist nach dem Wegfall der Eigenheimzulage (s. Rz. 1.1041 ff.) die letzte Subventionsnorm4 im EStG, die einen Abzug von Aufwendungen für eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung gewährt. Anders als bei den Regelungen in §§ 7h, 7i EStG wird die steuerliche Begünstigung allerdings nicht im Wege des Werbungskostenabzugs, sondern in Form eines Sonderausgabenabzugs bewirkt. 1.907 Der Steuerpflichtige – abzugsberechtigt sind insoweit nur natürliche Personen, ggf. auch der die persönlichen Abzugsvoraussetzungen erfüllende Gesamtrechtsnachfolger5, nicht aber der Einzelrechtsnachfolger6 sowie Personenmehrheiten7 – kann nach § 10f Abs. 1 EStG – Aufwendungen (d.h. Herstellungs- oder Anschaffungskosten) – an einem eigenen Gebäude (der Steuerpflichtige muss dessen zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer sein8) 1 2 3 4 5
6 7 8
BFH v. 27.6.1995 – IX R 130/90, BStBl. II 1996, 215 = DB 1995, 2097. BFH v. 20.8.2002 – IX R 40/97, BStBl. II 2003, 582 = FR 2003, 72. Vgl. auch BFH v. 25.6.2002 – IX R 10/98, BStBl. II 2003, 690, zu § 14b BerlinFG. Zu den möglichen steuerlichen Entlastungseffekten bei einer nicht (nach § 23 EStG) steuerbaren späteren Immobilienveräußerung s. Krauß, DStR 2019, 1185. Str., bejahend Lüdemann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10f EStG Rz. B 12; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10f EStG Rz. 7; Kirchhof/Seer/Pfirrmann21, § 10f EStG Rz. 3; a.A. Schmidt/Kulosa41, § 10f EStG Rz. 7; Brandis/Heuermann/Schießl, § 10f EStG Rz. 11; Koller, DStR 1990, 128 (130). H.M., s. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10f EStG Rz. 7; Lüdemann in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, § 10f EStG Rz. B 12; Kirchhof/Seer/Pfirrmann21, § 10f EStG Rz. 3; Schmidt/Kulosa41, § 10f EStG Rz. 7; Brandis/Heuermann/Schießl, § 10f EStG Rz. 11. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10f EStG Rz. 3. Zum Gebäudebegriff s. BFH v. 23.9.2008 – I R 47/07, BStBl. II 2009, 986 = FR 2009, 622.
214 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.907 Kap. 1
– im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden neun Kalenderjahren – der Abzugszeitraum beträgt demnach zehn Jahre – – jeweils bis zu 9 % der Bemessungsgrundlage (d.h. es können in jedem Jahr des Abzugszeitraums zwischen 0 und 9 % der Aufwendungen für die begünstigte Baumaßnahme berücksichtigt werden; die Förderung umfasst daher insgesamt „nur“ maximal 90 % der Bemessungsgrundlage, während die restlichen 10 % des Aufwands steuerlich unberücksichtigt bleiben) – wie Sonderausgaben abziehen, – wenn die Voraussetzungen des § 7h oder § 7i EStG vorliegen, wenn es sich also um ein Gebäude in einem Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungsbereich (s. näher Rz. 1.887 ff.) bzw. um ein Baudenkmal (s. näher Rz. 1.896 ff.) handelt, die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen der Fördernormen durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde (Rz. 1.894 und Rz. 1.901) bescheinigt worden sind und – der Steuerpflichtige das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken1 nutzt (die unentgeltliche Überlassung von Teilen der eigengenutzten Wohnung ist nach § 10f Abs. 1 Satz 4 EStG unschädlich). Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, soweit der Stpfl. das Gebäude ganz oder teilweise zu gewerblichen (beruflichen) Zwecken – bspw. als häusliches Arbeitszimmer – nutzt2. Wechselt der Steuerpflichtige von der Selbstnutzung zur Einkunftserzielung, etwa indem er das Objekt fortan vermietet, entfällt ein weiterer Sonderausgabenabzug nach § 10f Abs. 1 EStG für die Folgejahre; der bis dahin noch nicht berücksichtigte Aufwand kann aber ggf. nach §§ 7h, 7i EStG unter den dort genannten Voraussetzungen abgezogen werden (s. Rz. 1.887 ff. und Rz. 1.896 ff.)3. Im Veranlagungszeitraum des Wechsels besteht u.E. ein Wahlrecht auf alternativen Sonderausgabenabzug oder auf die Sonder-AfA4. 1 Die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG steht dem Steuerpflichtigen im Hinblick auf die erforderliche „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ auch dann zu, wenn er eine Wohnung einem – einkommensteuerlich zu berücksichtigenden – Kind unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt. Die Überlassung an ein einkommensteuerlich nicht mehr zu berücksichtigendes Kind ist jedoch keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i.S.d. § 10f Abs. 1 EStG. Siehe hierzu BFH v. 18.1.2011 – X R 13/10, BFH/NV 2011, 974. 2 Gl.A. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10f EStG Rz. 14; Kirchhof/Seer/Pfirrmann21, § 10f EStG Rz. 2; Schmidt/Kulosa41, § 10f EStG Rz. 4. 3 Ein vorausgegangener Sonderausgabenabzug mindert im Fall des Wechsels zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Bemessungsgrundlage für die Absetzungen nach § 7i EStG nicht, vgl. BFH v. 14.2.1989 – IX R 109/84, BStBl. II 1989, 922 = FR 1989, 528. 4 In diesem Sinne auch Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10f EStG Rz. 16; Littmann/ Bitz/Pust, § 10f EStG Rz. 17; a.A. Schmidt/Kulosa41, § 10f EStG Rz. 4 sowie Brandis/Heuermann/Schießl, § 10f EStG Rz. 29: zeitanteilige Gewährung. Dagegen aber Nds. FG v. 6.5.2013, EFG 2013, 1321 = DStRE 2015, 135: Keine zeitanteilige Kürzung bei unterjährigem Wechsel von der Selbstnutzung zur unbeachtlichen vollständigen unentgeltlichen Überlassung an Angehörige.
Schallmoser 215
Kap. 1 Rz. 1.908 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.908 Der Steuerpflichtige kann nach § 10f Abs. 2 EStG ferner Erhaltungsaufwand (zur Abgrenzung von Herstellungskosten, Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwand s. Rz. 1.947 ff.), der für Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB oder für Maßnahmen zur Erhaltung oder sinnvollen Nutzung eines Gebäudes als Baudenkmal an einem „eigenen“ Gebäude entsteht und nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehört, binnen des zehnjährigen Abzugszeitraums mit jeweils bis zu 9 % der Bemessungsgrundlage wie Sonderausgaben abziehen. Wechselt der Steuerpflichtige zur Einkunftserzielung, können bis dahin noch nicht berücksichtigte Erhaltungsaufwendungen im Jahr des Wechsels in einer Summe wie Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10f Abs. 2 Satz 3 EStG). 1.909 Für den Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG gilt eine Objektbeschränkung: Der Steuerpflichtige kann die Abzugsbeträge nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift nur einmal im Leben in Anspruch nehmen. Zusammen veranlagte Ehegatten können Sonderausgaben für zwei Gebäude abziehen (§ 10f Abs. 3 Satz 2 EStG). gg) Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (§ 10g EStG)
1.910 Für schutzwürdige Kulturgüter im Privatvermögen, die weder zur Einkunftserzielung noch zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, kommt ebenfalls ein Sonderausgabenabzug für Herstellungs- und Erhaltungsmaßnahmen i.H.v. 9 % der Bemessungsgrundlage für den Abzugszeitraum von zehn Jahren in Betracht. Begünstigte Kulturgüter i.S.d. § 10g Abs. 1 Satz 2 EStG sind – Gebäude, Gebäudeteile und Ensembles; – gärtnerische, bauliche und sonstige unter Schutz gestellte Anlagen; – Mobiliar, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, die sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie des Steuerpflichtigen befinden oder in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes oder das Verzeichnis national wertvoller Archive eingetragen sind und deren Erhaltung wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt. Begünstigte Kulturgüter in diesem Sinne liegen nur vor, wenn sie in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang der wissenschaftlichen Forschung oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, es sei denn, dem Zugang stehen zwingende Gründe des Denkmal- oder Archivschutzes entgegen.
1.911 Über die Anerkennung als Kulturgut, die Erforderlichkeit der Maßnahme und die Höhe der begünstigten Aufwendungen sowie ggf. anzurechnender Zuschüsse ergeht eine Bescheinigung der zuständigen Stelle1; die Bescheinigung ist Grundlagenbe1 Eine Übersicht über die zuständigen Bescheinigungsbehörden enthält das BMF-Schreiben v. 4.6.2015 – IV C 1-S 2198-b/08/10002, BStBl. I 2015, 506.
216 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.914 Kap. 1
scheid für die steuerliche Anerkennung des Sonderausgabenabzug. Die Finanzbehörde kann aber bspw. überprüfen, ob der nach der Bescheinigung erforderliche Zugang vom Steuerpflichtigen tatsächlich gewährt wurde1. hh) Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung bei Gebäuden (AfaA) Eine Immobilie ist außergewöhnlich abgenutzt, wenn seine Nutzungsmöglichkeit 1.912 durch Einwirkungen im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung eingeschränkt wird2. Eine solche außergewöhnliche Abnutzung kommt in Betracht, wenn – ein Gebäude abgebrochen wird (s. näher Rz. 1.971), durch Brand, Abbruch oder ähnliche Ereignisse aus dem Betriebsvermögen ausscheidet3 oder bei einem Umbau bestimmte Teile eines Gebäudes ohne vorherige Abbruchabsicht entfernt werden4; – nach Ende der Mietzeit erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist5. In den genannten Fällen ist eine AfaA gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG anzusetzen6.
1.913
Demgegenüber ist eine AfaA nicht vorzunehmen, wenn – ein zum Privatvermögen gehörendes objektiv technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes Gebäude abgerissen wird, um ein unbebautes Grundstück veräußern zu können7, – ein Gebäude in der Absicht eines grundlegenden Umbaus erworben wird8 oder – ein Gebäude bereits im Zeitpunkt seiner Anschaffung Mängel aufweist, die zu einer eingeschränkten Nutzbarkeit führen9.
Die Geltendmachung der AfaA und der sofortige Abzug der Abbruchskosten als Be- 1.914 triebsausgaben (Werbungskosten) setzen mithin einen Erwerb ohne Abbruchsabsicht voraus. Wird mit dem Abbruch eines Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb begonnen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10g EStG Rz. 27. BFH v. 14.1.2004 – IX R 30/02, BStBl. II 2004, 592 = FR 2004, 883. BFH v. 7.5.1969 – I R 47/67, BStBl. II 1969, 464. BFH v. 15.10.1996 – IX R 2/93, BStBl. II 1997, 325 = FR 1997, 377. BFH v. 17.9.2008 – IX R 64/07, BStBl. II 2009, 301 = DB 2009, 206; G. Grube, FR 2011, 633 (637); G. Grube, FR 2011, 987. Vgl. H 7.4 EStH 2015. Vgl. BFH v. 6.3.1979 – VIII R 110/74, BStBl. II 1979, 551. BFH v. 4.12.1984 – IX R 5/79, BStBl. II 1985, 208 = FR 1985, 246; v. 20.4.1993 – IX R 122/88, BStBl. II 1993, 504 = FR 1993, 568. BFH vom 14.1.2004 – IX R 30/02, BStBl. II 2004, 592 = FR 2004, 883, zur Untersagung der Nutzung von erworbenen Gebäudeteilen als Wohnung im Verfahren nach dem WEG.
Schallmoser 217
Kap. 1 Rz. 1.914 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Erwerber das Gebäude in der Absicht erworben hat, es abzureißen. Die Differenzierung zwischen einem Erwerb des Gebäudes in Abbruchabsicht oder ohne Abbruchabsicht1 gilt i.Ü. nicht, wenn das später abgerissene Gebäude zuvor nicht zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde; in diesem Fall stehen die durch den Abbruch des Gebäudes veranlassten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus und bilden Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes2. ii) Maßnahmen zur AfA-Erhöhung
1.915 Die gesetzlichen AfA-Regelungen leiden unter dem Mangel, dass bei der Verteilung des Anschaffungsaufwandes auf 50 Jahre die Geldentwertung in diesem Zeitraum unberücksichtigt bleibt. Der Eigentümer, der jahrzehntelang nicht an die Veräußerung seiner Immobilie denkt, ist somit an Maßnahmen zur AfA-Erhöhung während seiner Besitzzeit interessiert. Folgende Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich an: (1) Einbringung in eine GmbH & Co. KG
1.916 Sofern die Gesellschaftsgründung nach den allgemeinen Grundsätzen der GmbH & Co. KG erfolgt, entsteht eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die steuerlich – unabhängig von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit – Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Das gesamte Vermögen dieser Gesellschaft wird damit Betriebsvermögen. Die Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt nach Auffassung des BFH3 einen tauschähnlichen Vorgang und damit ein Veräußerungsgeschäft dar. Die eingebrachten Wirtschaftsgüter sind mit dem gemeinen Wert in der Bilanz der GmbH & Co. KG anzusetzen, so dass sich gerade bei älteren Gebäuden eine signifikant höhere AfA-Bemessungsgrundlage ergibt. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG mit der darin angeordneten Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten findet nur bei Einlagen, nicht bei Veräußerungen Anwendung. Die Finanzverwaltung ist der Auffassung des BFH gefolgt4. Danach sind die Einlagevorschriften insoweit nicht mehr für Personengesellschaften anwendbar5. 1.917 Bei einer Übertragung auf eine vermögensverwaltende Gesellschaft, z.B. auf eine vermögensverwaltende KG, liegt in Höhe der dem Einbringenden verbleibenden Beteiligungsquote kein Veräußerungsvorgang vor, so dass eine AfA-Erhöhung insoweit ausscheidet6. 1 Vgl. BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620 = DB 1978, 2296. 2 BFH v. 16.4.2002 – IX R 50/00, BStBl. 2002 II 805 = FR 2002, 1073. 3 Vgl. BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229 und v. 29.5.2001 – VIII R 10/00, BStBl. II 2001, 747. 4 Vgl. BMF v. 29.3.2000 – IV C 2-S 2178-4/00, BStBl. I 2000, 462; s.a. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 – S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713. 5 Vgl. Tiedtke/Wälzholz, DStR 2001, 1501 (1505); Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (395); Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 599; a.A. Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2000, 1717. 6 Vgl. BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 = FR 2005, 194.
218 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.930 Kap. 1
(2) Vorweggenommene Erbfolge mit Versorgungsleistungen und Zeitrenten Das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen (§ 10 1.918 Abs. 1a Nr. 2 EStG) ist nicht mehr anzuwenden auf die Übergabe einer im Privatvermögen befindlichen Immobilie an die nächste Familiengeneration; denn mit dem JStG 2008 hat der Gesetzgeber die Regelungen über die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen auf den „Kernbereich“ der Übertragung betrieblichen Vermögens zurückgeführt (s. Rz. 1.1011). Hat der Übernehmer einer privaten Immobilie lebenslange Versorgungsleistungen an den Übergeber zu entrichtenden, liegt darin eine – beim Übergeber ggf. nach § 23 EStG steuerbare – (teil-)entgeltliche Vermögensübertragung. Dem Übernehmer entstehen dadurch in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen Anschaffungskosten, von denen er AfA vornehmen kann, soweit er das übergebene Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung einsetzt; den in den laufenden Zahlungen enthaltenen Zinsanteil kann er dann als laufenden Aufwand (Werbungskosten) abziehen (s. Rz. 1.1010; s. Rz. 12.103). Werden anstelle der lebenslangen Versorgungsleistungen Zeitrenten vereinbart, liegt nach der Rechtsprechung des BFH1 eine Veräußerungsrente vor, die zu einer Erhöhung der AfA führt. Sofern die Zeitrente am Verkehrswert der Immobilie bemessen wird, liegt ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft vor mit dem Rentenbarwert als neue Bemessungsgrundlage für die AfA, vermindert um den Grundstücksanteil. Bei teilentgeltlichem Erwerb wird in Höhe des unentgeltlichen Anteils die AfA des Rechtsvorgängers gem. § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV fortgeführt, während im Übrigen für die AfA wieder der Rentenbarwert maßgebend ist. Einstweilen frei.
1.919–1.930
b) Finanzierungsaufwendungen Literatur: Dötsch, Einkommensteuerrechtlicher Abzug der durch Refinanzierungsdarlehen verursachten Schuldzinsen, die nach der Veräußerung oder Aufgabe außerbetrieblicher Einkunftsquellen entstehen, Festgabe für Heinrich List zum 100. Geburtstag, 2015, 66; Dornheim, Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei privaten Veräußerungsgeschäften, DStZ 2012, 553; Eisgruber, Einkommensteuerobjekt und Bemessungsgrundlage, in: Leitgedanken des Rechts (Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag), 2013, 1837; Engelberth, Behandlung nachträglicher Schuldzinsen, NWB 2016, 20; Geserich, Nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, NWB 2012, 3304; Jachmann, Nachträgliche Schuldzinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, jurisPRSteuerR 41/2012 Anm. 3; Jachmann/Schallmoser, Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, DStR 2011, 1245; Jochum, Zur Zuordnung nachträglicher Schuldzinsen aus privaten Immobiliengeschäften, DStZ 2012, 728; Meyer/Ball, Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Trendwende des BFH, DStR 2012, 2260; Schallmoser, Ein paar Gedanken zu nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, in: Steuerrecht im 1 Vgl. BFH v. 26.1.1994 – X R 54/92, BStBl. II 1994, 633 = FR 1994, 327 m. Anm. Schmidt, v. 31.8.1994 – X R 44/93, BStBl. II 1996, 676 = FR 1995, 231 m. Anm. Weber-Grellet und v. 21.10.1999 – X R 75/97, BStBl. II 2002, 650; s.a. BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 77 ff.
Schallmoser 219
Kap. 1 Rz. 1.931 Steuerorientierte Immobilienübertragung Rechtsstaat (Festschrift für Wolfgang Spindler) 2011, 739; Schallmoser, Neues zu Immobilien im Einkommensteuerrecht, DStR 2013, 501; Schallmoser, Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, SteuK 2013, 115.
aa) Schuldzinsen
1.931 Schuldzinsen können gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sie mit Einkünften in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Bezogen auf die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben, wenn und soweit das betreffende Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und verwendet worden ist1. Ein bloßer rechtlicher Zusammenhang – etwa aufgrund einer Belastung des Grundstücks mit einer Hypothek – reicht hingegen nicht aus2. Der wirtschaftliche Zusammenhang kann auch nicht durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen, z.B. nicht lediglich durch eine anderweitige Zuordnung eines Darlehens, begründet werden3. 1.932 Schuldzinsen können nach einer Entscheidung des X. Senats des BFH4 auch dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn eine ursprüngliche Betriebsschuld in eine private Verbindlichkeit umgewidmet und zu dem Zweck fortgeführt wird, aus einem Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen; allerdings setzt die steuerrechtliche Berücksichtigung einer solchen Umwidmung eines Kredits voraus, dass die durch die erstmalige tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel eingetretene Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart oder ggf. zur privaten Vermögenssphäre eindeutig beendet wird, dass der Steuerpflichtige eine neue, gleichfalls kreditfinanzierte Anlageentscheidung trifft, durch welche das Objekt des Kreditbedarfs ausgewechselt wird, und dass diese Änderung in der Zweckbestimmung nach außen hin an objektiven Beweisanzeichen feststellbar in Erscheinung tritt5. bb) Schuldzinsen bei gemischt genutzten Grundstücken
1.933 Weil das den Schuldzinsen zugrundeliegende Darlehen tatsächlich zur Einkunftserzielung verwendet werden muss, entstehen ggf. Zuordnungsprobleme bei gemischt genutzten Grundstücken. Ein gemischt genutztes (bebautes) Grundstück umfasst bis zu acht unterschiedliche Wirtschaftsgüter (eigene Wohnzwecke, fremde Wohnzwecke, eigenbetriebliche Zwecke, fremdbetriebliche Zwecke, zzgl. des jeweiligen 1 Z.B. BFH v. 2.8.1994 – IX R 21/91, BFH/NV 1995, 203 und v. 29.7.1997 – IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 = DStR 1997, 1757 = NJW 1998, 926. 2 Vgl. BFH v. 29.7.1997 – IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 = DStR 1997, 1757 = NJW 1998, 926. 3 BFH v. 22.2.1994 – IX B 119/93, BFH/NV 1994, 778; v. 24.4.1997 – VIII R 53/95, BStBl. II 1997, 682 = FR 1997, 950 m. Anm. Kempermann, jeweils m.w.N. 4 BFH v. 19.8.1998 – X R 96/95, BStBl. II 1999, 353 = FR 1999, 91. 5 BFH v. 22.1.2003 – X R 60/99, BFH/NV 2003, 900 = DStRE 2003, 514.
220 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.934 Kap. 1
Grundanteils)1. Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit kann der Steuerpflichtige frei darüber entscheiden, ob und inwieweit er die verschiedenen Wirtschaftsgüter fremd oder eigenfinanziert. Es steht ihm insbesondere frei, wie er Eigen- und Fremdmittel verwendet2. Daher kann der Steuerpflichtige ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt 1.934 einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil dadurch zuordnen, dass er die Darlehensvaluta (und damit auch die für das Darlehen gezahlten Zinsen) tatsächlich zur Finanzierung der Herstellung dieses Gebäudeteils verwendet. Hiernach setzt der Werbungskostenabzug von Schuldzinsen in Herstellungsfällen zweierlei voraus: – Zunächst müssen die Herstellungskosten den eigenständige Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen zugeordnet werden. Hierzu müssen die in Rechnung gestellten Entgelte für Lieferungen und Leistungen, die ausschließlich einen bestimmten Gebäudeteil (z.B. die zur Vermietung vorgesehene Wohnung/Doppelhaushälfte) betreffen (z.B. für Verlegen von Fliesen und Bodenbelägen oder Sanitärinstallation in der einzelnen Wohnung), gesondert ausgewiesen werden. Dies kann nach der Auffassung des Senats sowohl durch entsprechende Abrechnungen des Unternehmers als auch durch eine gleichartige Aufstellung des Steuerpflichtigen geschehen. Stellt der Unternehmer die Kosten des Gesamtgebäudes nur einheitlich in Rechnung, kann der Steuerpflichtige die für die Zuordnung erforderliche Aufteilung im Verhältnis der selbstgenutzten Wohn/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen, selbst vornehmen3. Die das Gesamtgebäude betreffenden Kosten (z.B. für den Aushub der Baugrube, den Rohbau, das Dach u.Ä.) sind nach demselben Maßstab den einzelnen Gebäudeteilen jeweils anteilig zuzuordnen4. – In einem zweiten Schritt ist es erforderlich, dass die entsprechend gesondert zugeordneten Entgelte für Lieferungen und Leistungen auch tatsächlich mit Darlehensmitteln gezahlt werden. Dies kann zweckmäßigerweise z.B. dadurch geschehen, dass die betreffenden Zahlungen (auch Abschlagszahlungen) zu Lasten eines Kontos geleistet werden, dessen Guthaben nur aus Darlehensmitteln besteht. Bereits die Auszahlung der Darlehensvaluta auf ein privates Kontokorrentkonto kann insoweit problematisch sein, denn es findet eine Vermischung (§ 948 BGB) von Darlehensmitteln mit anderweitigen privaten Geldmitteln des Kontoinhabers statt. Auch in einem solchen Fall bleibt indes eine gesonderte Zuordnung von Darlehensmitteln anhand der tatsächlichen Verwendung noch möglich, etwa wenn die Darlehensmittel lediglich taggleich und betragsidentisch durch das pri-
1 BFH v. 8.12.1997 – GrS 2/95, BStBl. II 1998, 193 = DStR 1998, 159 = DB 1998, 288 = ZfIR 1998, 106. 2 BFH v. 8.12.1997 – GrS 2/95, BStBl. II 1998, 193 = DStR 1998, 159 = DB 1998, 288 = ZfIR 1998, 106. 3 BFH v. 25.3.2003 – IX R 22/01, BStBl. II 2004, 348 = FR 2003, 919. 4 So ausdrücklich auch BMF v. 16.4.2004 (DE CD) – IV C 3-S 2211-36/04, BStBl. I 2004, 464.
Schallmoser 221
Kap. 1 Rz. 1.934 Steuerorientierte Immobilienübertragung
vate Kontokorrentkonto des Steuerpflichtigen „durchgeleitet“ werden1; eine gesonderte Zuordnung erkennt die Rechtsprechung ausnahmsweise auch dann noch an, wenn der zur Finanzierung von Anschaffungskosten der maßgeblichen Immobilie verwendete (ausgezahlte) Betrag niedriger als der taggleich eingebuchte Darlehensbetrag ist2. Die tatsächliche Verwendung eines Darlehens wird allerdings nicht schon dadurch nachgewiesen, dass der Steuerpflichtige die insgesamt eingesetzten Eigen– und Fremdmittel gegenüberstellt und so die Notwendigkeit der Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Herstellungskosten des fremdgenutzten Gebäudeteils dem Grunde nach aufzeigt; denn hieraus ergibt sich nicht die konkrete Verwendung der Fremdmittel, sondern nur eine willentliche Zuordnung. Auch der in einem Darlehensvertrag angegebene Verwendungszweck und/oder die Absicherung des Darlehens auf dem der Einkünfteerzielung dienenden Grundstück oder Grundstücksanteil haben in diesem Zusammenhang für sich allein keine entscheidende Bedeutung; sie sind lediglich Beweisanzeichen, die zwar in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen sind, jedoch noch keinen zwingenden Schluss auf die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel zulassen. Ebenso wenig ist unter Anwendung des beim gemischten Kontokorrentkonto geltenden Grundsatzes der Aufspaltung des Kontos in einen privaten und einen die Einkunftssphäre betreffenden Teil davon auszugehen, dass die Darlehensmittel zur Einkünfteerzielung verwendet worden sind. Hinweis: Eine falsche Vertragsgestaltung oder eine nachlässige Durchführung des zutreffend Vereinbarten kann hier zur „Steuerfalle“ werden. Falls die Herstellungskosten den einzelnen Gebäudeteilen nicht gesondert zugeordnet worden sind und daher nur eine anteilige Zuordnung im Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen der unterschiedlich genutzten Gebäudeteile in Betracht kommt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Eigen- und Fremdmittel entsprechend dieser schätzungsweisen Aufteilung tatsächlich verwendet worden sind. Bei Aufwendungen für Baumaßnahmen, die zwar den einzelnen, unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen zugeordnet, aber nicht entsprechend getrennt mit Eigen-/Fremdmitteln finanziert worden sind, ist für die schätzungsweise Aufteilung der Schuldzinsen grds. das Verhältnis der Baukosten der einzelnen Gebäudeteile zueinander maßgebend, weil mit den tatsächlich ermittelten anteiligen Baukosten ein zutreffender Aufteilungsmaßstab als das Wohn-/Nutzflächenverhältnis vorliegt.
1.935 Die unter Rz. 1.934 aufgezeigten Grundsätze finden in gleicher Weise auch bei der Anschaffung von Gebäuden Anwendung, deren einzelne Teile für eine unterschiedliche Nutzung vorgesehen sind3. Auch bei Anschaffungsgeschäften kann (und muss) der Steuerpflichtige ggf. eine Zuordnung der anteiligen Anschaffungskosten zu den 1 Vgl. BFH v. 25.1.2001 – IX R 27/97, BStBl. II 2001, 573. 2 BFH v. 9.5.2017 – IX R 45/15, BeckRS 2017, 112837. 3 BFH v. 9.7.2002 – IX R 65/00, BStBl. II 2003, 389 = DB 2002, 2413 = NJW 2003, 463 = ZfIR 2003, 35 = RNotZ 2002, 596; v. 9.7.2002 – IX R 40/01, BFH/NV 2003, 23; v. 1.3.2005 – IX R 58/03, BStBl. II 2005, 597 = DB 2005, 1361; ausführlich hierzu Heuermann, ZfIR 2003, 13. Vgl. auch Brandis/Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz. 600, Stichwort „Zinsen“; Pezzer, FR 2000, 650; Schoor, INF 2003, 26; Tiedtke/Wälzholz, FR 2001, 225; gl.A. BMF v. 24.4.2003 (DE CD) – IV C 3-S 2211- 55/03, BStBl. I 2003, 287.
222 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.937 Kap. 1
unterschiedliche Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen vornehmen. Hierzu erscheint es zunächst notwendig, dass er die beabsichtigte unterschiedliche Nutzung objektiv erkennbar festlegt. Hinweis: „Objektiv erkennbar festlegt“ werden kann die Nutzung bspw. in einer Vorbemerkung des notariell beurkundeten Kaufvertrages (s. Rz. 1.320). Vorzugsweise sollte den unterschiedlichen Wirtschaftsgütern im Kaufvertrag ein Kaufpreisanteil zugewiesen werden; ist (z.B. auf Wunsch des Verkäufers) „nur“ ein einheitlicher Kaufpreis vereinbart, ist dieser – ggf. im Wege der Schätzung – aufzuteilen.
Finanziert der Steuerpflichtige sodann den auf den zur Vermietung vorgesehenen Gebäudeteil entfallenden Kaufpreisanteil nachweisbar ausschließlich mit Darlehen, sind die hierfür zu zahlenden Zinsen in vollem Umfang als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Die Finanzverwaltung hat die Rechtsprechungsgrundsätze zur Berücksichtigung von Schuldzinsen bei gemischt genutzten Grundstücken übernommen1. cc) Darlehensaufnahmen von Eheleuten zur Finanzierung einer Immobilie eines Ehegatten In verschiedenen Entscheidungen hat sich der BFH mit der Frage des Schuldzinsen- 1.936 abzugs bei einem finanzierten Immobilienerwerb durch Eheleute zu befassen. Den Fallgestaltungen liegen ein bei Unternehmern beliebtes „Steuersparmodell“ zugrunde: Aus Gründen der Steuerersparnis und der Begrenzung des Haftungsrisikos werden Immobilien nicht dem Betriebs-, sondern dem Privatvermögen zugeordnet. Die Ehefrau wird – zumindest formell – Eigentümerin der von dem Ehemann maßgebend fremdfinanzierten Immobilie. Wenn nach dem Ablauf der Spekulationsfrist das Objekt verkauft wird, bleibt der Veräußerungsgewinn steuerfrei. Im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats zum sog. Drittaufwand vom 23.8.19992, mit dem Aufwendungen zum Abzug zugelassen worden sind, die von den Ehegatten für eine Immobilie „aus einem Topf“ finanziert werden, hat der IX. Senat des BFH zunächst klargestellt, dass die betreffenden Schuldzinsen dann in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Eigentümer-Ehegatten abziehbar sind, wenn die Ehegatten das jeweilige Darlehen gemeinsam als gesamtschuldnerisches Darlehen aufgenommen haben, und zwar unabhängig davon, aus wessen Mitteln die Zinsen im Einzelfall gezahlt werden3. Anders ist die Frage der Abziehbarkeit der Zinsen jedoch grds. dann zu beurteilen, 1.937 wenn ein Ehegatte allein ein Darlehen zur Finanzierung eines vermieteten Gebäudes aufnimmt, das dem anderen Ehegatten gehört, und er – der NichteigentümerEhegatte – die Zinsen bezahlt. In diesem Fall sind die Zinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Eigentümer-Ehegatten aus Vermietung und Verpach1 BMF v. 16.4.2004 (DE CD) – IV C 3-S 2211- 36/04, BStBl. I 2004, 464. 2 BFH v. 23.8.1999 – GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782 = FR 1999, 1173 m. Anm. Fischer. 3 BFH v. 2.12.1999 – IX R 45/95, BStBl. II 2000, 310 = FR 2000, 661 m. Anm. Fischer.
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Kap. 1 Rz. 1.937 Steuerorientierte Immobilienübertragung
tung abziehbar, weil der Nicht-Eigentümer-Ehegatte die Zinsen als alleiniger Schuldner der Zinsverpflichtung für eine bürgerlich-rechtlich allein ihn treffende Verbindlichkeit leistet. Dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer-Ehegatte für das von dem anderen Ehegatten aufgenommene Darlehen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen und die auf seiner Immobilie lastenden Grundpfandrechte als Sicherheit eingesetzt hat, weil sich auch dadurch an der alleinigen Schuldnerstellung des Nichteigentümer-Ehegatten nichts ändert1.
1.938 Eine Ausnahme hiervon hat der IX. Senat des BFH allerdings – wiederum mit Blick auf die Entscheidungen des Großen Senats vom 23.8.19992 – dann zugelassen, wenn der Eigentümer-Ehegatte die Schuldzinsen für das von dem anderen Ehegatten aufgenommene Darlehen aus eigenen Mitteln bezahlt hat; dies ist z.B. der Fall, wenn er seine Mieteinnahmen mit der Maßgabe auf das Konto des anderen Ehegatten überweist, dass dieser daraus die Schuldzinsen entrichten soll; denn in diesem Fall hat der Eigentümer-Ehegatte die Zinsen für das zur Finanzierung seiner Immobilie aufgenommene und verwendete Darlehen tatsächlich selbst getragen3. dd) Nachträgliche Schuldzinsen
1.939 Auch nachträgliche Schuldzinsen können als Werbungskosten abziehbar sein. Der einmal begründete wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang des Darlehens mit der Erzielung von Einkünften entfällt auch dann grds. nicht, wenn die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird4. Wird eine vermietete Immobilie veräußert, setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und der Einkünfteerzielung aus der Vermietung – als Folge der sog. „Surrogationsbetrachtung“5 – am Veräußerungspreis fort6. Das Darlehen „finanziert“ nun gewissermaßen den Verkaufserlös. Auf die Frage der Steuerbarkeit der Veräußerung kommt es insoweit nicht an7. Vielmehr ist entscheidend, was mit dem Veräußerungspreis geschieht: – Wird damit ein neues vermietetes Objekt angeschafft, besteht der Zusammenhang auch am neuen Objekt (ggf. auch anteilig) fort (sog. fortgeführtes Darle1 BFH v. 2.12.1999 – IX R 21/96, BStBl. II 1999, 312. 2 BFH v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 und GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782 = FR 1999, 1173 m. Anm. Fischer. 3 BFH v. 2.12.1999 – IX R 21/96, BStBl. II 1999, 312 = FR 2000, 659. 4 Vgl. BFH v. 20.6.2012 – IX R 67/10, BStBl. II 2013, 275 = DB 2012, 2023 = NJW 2012, 3470, zu einer nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung; Heuermann, StBP 2012, 327 (329); Schmidt/Krüger41, § 9 EStG Rz. 151; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz. 372. 5 Vgl. hierzu BFH v. 8.4.2003 – IX R 36/00, BStBl. II 2003, 706 = DB 2003, 1552 = DStR 2003, 1248 = NJW 2003, 2855 = ZfIR 2003, 784. 6 A.A. Eisgruber in Leitgedanken des Rechts 2013, S. 1837; Dornheim, DStZ 2012, 553; Jochum, DStZ 2012, 728, die diese Werbungskosten (allenfalls) § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG zuordnen. Kritisch auch Dötsch, Festgabe für Heinrich List zum 100. Geburtstag, 66. 7 Grundlegend BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl. II 2015, 635 = DStR 2014, 996 m. Anm. US = DB 2014, 1112.
224 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.939 Kap. 1
hen)1; gleiches gilt, wenn alternativ eine andere steuerrechtlich bedeutsame Erwerbsgrundlage (z.B. eine Kapitalanlage) angeschafft wird2. Denn in beiden Fällen bleibt das Darlehen mit einer Einkunftsart verstrickt: Es finanziert nun die Anschaffungskosten des neuen Objekts oder der anderweitigen Erwerbsgrundlage. In beiden Fällen können daher nachträgliche Schuldzinsen auch weiter abgezogen werden3. – Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Erwerbsgrundlage angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen4: – Ist das der Fall, endet der Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, gleich, ob der Steuerpflichtige wirklich das Darlehen ablöst, oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt. Diese Folgerung ist Ausfluss des sog. Überlagerungsgedankens: Denn die Entscheidung über die Ablösung des Darlehens oder über eine anderweitige Verwendung des Verkaufserlöses geschieht stets aus einer privaten Motivation heraus5. – Veräußert der Steuerpflichtige die vermietete Immobilie, reicht der Verkaufspreis aber nicht aus, das Darlehen abzulösen, bleibt (nur) der nicht ablösbare Teil des Darlehens im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so dass der Steuerpflichtige die nachträglichen Schuldzinsen grds. weiter als Werbungskosten abziehen kann. – Der sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung ist zu beachten, d.h. die Schuldentilgung hat bei der Verwendung des Veräußerungspreises Vorrang vor der „privaten Bedürfnisbefriedigung“ des Steuerpflichtigen: Daher muss der Steuerpflichtige den aus der Veräußerung einer bislang vermieteten Immobilie erzielten Erlös stets und in vollem Umfang zur Ablösung des im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung aufgenommenen Darlehens verwenden. Zu dem aus einer Veräußerung erzielten „Erlös“ zählt grundsätzlich auch eine vom Steuerpflichtigen vereinnahmte Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung, wenn
1 Vgl. hierzu BFH v. 8.4.2003 – IX R 36/00, BStBl. II 2003, 706 = DB 2003, 1552 = DStR 2003, 1248 = NJW 2003, 2855 = ZfIR 2003, 784. 2 So schon BFH v. 1.10.1996 – VIII R 68/94, BStBl. II 1997, 454 = DB 1997, 1372, zur Verwendung des Veräußerungserlöses für eine Festgeldanlage; s. ferner BFH v. 8.4.2003 – IX R 36/00, BStBl. II 2003, 706, zur teilweisen Verwendung des Veräußerungserlöses zur Anschaffung einer neuen Immobilie; v. 17.8.2005 – IX R 23/03, BStBl. II 2006, 248, zur Verwendung des Darlehens für die Finanzierung einer Rente, wenn die Rentenbeträge wiederum einkunftsrelevant verwendet werden; v. 12.9.2019 – IX B 41/19, BFH/NV 2020, 210, zur verzinslichen Stundung des Veräußerungserlöses. 3 BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl. II 2015, 635 = DStR 2014, 996 m. Anm. US = DB 2014, 1112. 4 BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl. II 2015, 635 = DStR 2014, 996 m. Anm. US = DB 2014, 1112. 5 Siehe Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz. 372; Jachmann/Schallmoser, DStR 2011, 1245 (1249).
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Kap. 1 Rz. 1.939 Steuerorientierte Immobilienübertragung
diese in die Finanzierung der Anschaffungskosten einer fremdvermieteten Immobilie einbezogen und damit wesentlicher Bestandteil der Darlehensvereinbarung geworden ist1. Eine den Umständen entsprechende fortlaufende Tilgung ist daher sowohl bei dem nach der Veräußerung verbleibenden Restdarlehen als auch im Falle einer „Umfinanzierung“ erforderlich2. Nur rechtliche oder tatsächliche Tilgungshindernisse können den Vorrang der Schuldentilgung außer Kraft setzen; Wirtschaftlichkeitserwägungen des Steuerpflichtigen sind insoweit nicht zu berücksichtigen3. – Für die Berücksichtigung von nachträglichem Zinsaufwand als Werbungskosten ist es nicht von Bedeutung, wenn dieser nicht aufgrund der ursprünglichen darlehensvertraglichen Verpflichtung (oder einer damit einhergehenden vertraglichen Haftung), sondern aufgrund einer gesetzlich geregelten Gesellschafterhaftung geleistet wird4. ee) Vorfälligkeitsentschädigung
1.940 Bei der Veräußerung von Immobilien fordern die finanzierenden Banken regelmäßig Vorfälligkeitsentschädigungen, wenn der Verkäufer einen Kredit vorzeitig ablöst, um die lastenfreie Übertragung auf den Käufer zu ermöglichen. Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital5. Demgemäß unterfallen Vorfälligkeitsentschädigungen auch dem ertragsteuerrechtlichen Schuldzinsenbegriff mit der weiteren Folge, dass sie nur dann als Werbungskosten anzuerkennen sind, wenn sie i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, d.h. durch die Erzielung steuerbarer Einnahmen veranlasst sind6. Daher ist die Vorfälligkeitsentschädigung zwar Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals; sie beruht – ebenso wie die Zinsen – auf dem Darlehensvertrag als Rechtsgrund und ist das Ergebnis einer auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Kreditvertrags. Allerdings steht dem Darlehensgeber erst mit dieser Modifizierung des Vertragsinhalts eine seine Interessen wahrende Vorfälligkeitsentschädigung zu. Diese vertragliche Vereinbarung ist auch steu-
1 Der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung verpflichtet den Steuerpflichtigen allerdings nicht, die Beendigung des Kapitallebensversicherungsvertrages von sich aus herbeizuführen, wenn die Versicherung weiterhin die Rückführung des verbliebenen Darlehensrestbetrages absichert, vgl. BFH v. 16.9.2015 – IX R 40/14, BStBl. II 2016, 78 = DB 2016, 148. 2 BFH v. 8.4.2014 – IX R 45/13, BStBl. II 2015, 635 = DStR 2014, 996 m. Anm. US = DB 2014, 1112. 3 Schallmoser, DStR 2013, 501; Schallmoser, SteuK 2013, 115; a.A. Meyer/Ball, DStR 2012, 2260. 4 BFH v. 1.12.2015 – IX R 42/14, BStBl. II 2016, 332 = DStR 2016, 731 = DB 2016, 989. 5 Vgl. BFH v. 25.2.1999 – IV R 55/97, BStBl. II 1999, 473 = FR 1999, 821 m. Anm. Wendt. 6 Vgl. BFH v. 14.1.2004 – IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091; v. 11.2.2014 – IX R 42/13, BStBl. II 2015, 633 = FR 2014, 858 m. Anm. Bode = DStR 2014, 1272.
226 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.941 Kap. 1
errechtlich das „auslösende Moment“ für die Zahlung. Sie hängt mit der Veräußerung des Grundstücks zusammen; denn die Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen, besteht gerade dann, wenn für eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung eine Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist. Bei der Veräußerung von Immobilien wird daher die Vermietungstätigkeit bzw. die 1.941 bisherige Vermietungsabsicht (als subjektives Element) in der Regel durch eine neue Veranlassung – nämlich die Veräußerung – ersetzt oder zumindest überlagert werden. Demnach ist danach zu differenzieren, wie die Vorfälligkeitsentschädigung den einzelnen Einkunftsarten des EStG zugeordnet werden kann. – Gehört die Vermögensumschichtung der steuerbaren Sphäre an, z.B. im Falle einer Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (s. näher Kap. 12), ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten in die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes oder -verlustes einzustellen1. – Ist der erzielte Veräußerungsgewinn nicht steuerbar, z.B. bei der Veräußerung eines Grundstückes aus dem Privatvermögen außerhalb der Veräußerungsfristen (s. näher Rz. 12.37 ff.), kann die Vorfälligkeitsentschädigung nicht „ersatzweise“ als Werbungskosten im Zusammenhang mit der bisherigen steuerbaren Tätigkeit (Vermietung) geltend gemacht werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige seine Schuld vorzeitig ablöst, um ein lastenfreies Grundstück übereignen zu können; in diesem Fall tritt der Zusammenhang der Kreditkündigung mit der einkommensteuerrechtlich unerheblichen Vermögensumschichtung durch Veräußerung an die Stelle der Veranlassung der Kreditaufnahme durch die frühere Einkunftsart (Vermietung)2. – Eine Ausnahme vom Abzugsverbot hatte der IX. Senat des BFH noch anerkannt, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung als Finanzierungskosten eines neu erworbenen, dem Erzielen von Vermietungseinkünften dienenden Objektes zu beurteilen sei3. Der hierfür notwendige wirtschaftliche Zusammenhang sei (ggf. anteilig) gegeben, wenn und soweit der nach der Darlehenstilgung verbleibende Restkaufpreis zur Finanzierung des neuen Objektes tatsächlich verwendet werde. Einer aktuellen Entscheidung vom 11.2.20144 ist jedoch zu entnehmen, dass der IX. Senat an dieser Auffassung mit Blick auf die Entscheidung des VIII. Senats vom
1 Vgl. BFH v. 25.1.2000 – VIII R 55/97, BStBl. II 2000, 458; v. 6.12.2005 – VIII R 34/04, BStBl. II 2006, 265. 2 BFH v. 11.2.2014 – IX R 42/13, BStBl. II 2015, 633 = FR 2014, 858 m. Anm. Bode = DStR 2014, 1272. 3 BFH v. 23.4.1996 – IX R 5/94, BStBl. II 1996, 595 = FR 1996, 632; v. 14.1.2004 – IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091; kritisch hierzu Schießl, DStZ 2007, 466. 4 BFH v. 11.2.2014 – IX R 42/13, BStBl. II 2015, 633 = FR 2014, 858 m. Anm. Bode = DStR 2014, 1272.
Schallmoser 227
Kap. 1 Rz. 1.941 Steuerorientierte Immobilienübertragung
6.12.20051 nicht länger festhalten wird. Auch der VIII. Senat geht davon aus, dass die durch die Verpflichtung zur lastenfreien Veräußerung von Grundbesitz veranlassten Vorfälligkeitsentschädigungen auch dann – als Veräußerungskosten – dem Vorgang der Veräußerung zuzurechnen sind, wenn der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn nicht steuerbar ist. Die Vorfälligkeitsentschädigungen könnten deshalb auch nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit den aus dem Veräußerungserlös finanzierten (neuen) Einkunftsquellen (hier: Kapitalanlagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) berücksichtigt werden. Die Argumentation des BFH ist schlüssig: denn die Surrogationsbetrachtung (s. Rz. 1.939) greift hier nicht. Sie besagt, dass sich der wirtschaftliche Zusammenhang des Darlehens zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Grundstücks mit der Einkunftsart am Veräußerungserlös und darüber hinaus an dem Vermögensgegenstand fortsetzt, der mit dem Veräußerungserlös erworben wird, wenn dieses Wirtschaftsgut wiederum steuerrechtlich bedeutsam genutzt (z.B. das neu erworbene Grundstück ebenfalls vermietet oder der Veräußerungserlös als Kapital angelegt wird) und das Darlehen zur Finanzierung dieses Wirtschaftsguts fortgeführt wird. Vorliegend wird das Darlehen aber gerade nicht zur Finanzierung des neuen Wirtschaftsguts fortgeführt, sondern gekündigt2. – U.E. kann daher der Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach den neuen Rechtsprechungsgrundsätzen allenfalls noch in Fällen in Betracht kommen, in denen der Steuerpflichtige seine Immobilie nicht veräußert (sondern weitervermietet) und – in Absprache mit der finanzierenden Bank – einzelne Darlehensverbindlichkeiten gegen Entschädigung abgelöst – d.h. „umfinanziert“ – werden. ff) Gebühren der Finanzierung
1.942 Die Abschlussgebühren eines Bausparvertrages, der bestimmungsgemäß der Ablösung eines Darlehens dient, mit dem der Erwerb einer vermieteten Immobilie finanziert wurde, stellen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbare Schuldzinsen dar3. Auch Notargebühren zur Sicherung eines Darlehens sind Schuldzinsen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG4. Bei bestimmten „modellhaften“ Investitionen in Immobilien und sog. „Gesamtobjekte“ ist die Frage, welche Kosten (insbesondere sog. „Dienstleistungsgebühren“ und „Eigenkapitalvermittlungsprovisionen“) als Werbungskosten sofort abgezogen werden können und welche als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten verteilt über die Nutzungsdauer der Investition abgesetzt werden müssen, im sog. Bauherren- und Fondserlass der Finanzverwaltung geregelt5.
1 BFH v. 6.12.2005 – VIII R 34/04, BStBl. II 2006, 265 = FR 2006, 415 m. Anm. Kempermann. 2 Schießl, DStZ 2007, 466; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 279. 3 BFH v. 1.10.2002 – IX R 12/00, BStBl. II 2003, 398 = FR 2003, 613. 4 Vgl. BFH v. 1.10.2002 – IX R 72/99, BStBl. II 2003, 399 = FR 2003, 612. 5 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546 = DStR 2003, 1974; s. hierzu auch Fleischmann/Meyer-Scharenberg, DStR 2004, 20.
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C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.945 Kap. 1
c) Damnum Ein Damnum, also der Auszahlungsverlust bei der Aufnahme eines Darlehens, kann 1.943 in einem marktüblichen Umfang als Werbungskosten geltend gemacht werden. Wird eine Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit1. Die Abzugsbeschränkung des § 11 Abs. 2 EStG ist auf ein – marktübliches – Dam- 1.944 num nicht anwendbar (§ 11 Abs. 2 Satz 4 EStG). Eine Beschränkung der Abziehbarkeit des Damnums kann sich indes in Fällen einer missbräuchlichen Gestaltung (§ 42 AO) ergeben (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 5 EStG). Eine solche kann – ausnahmsweise – dann gegeben sein, wenn die Vorausleistung eines Damnums von keinen sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird. d) Erhaltungsaufwand Literatur (Auswahl): Beck, Anschaffungsnaher Aufwand und § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, BTR 2004, 279; Beck, Anschaffungsnaher Aufwand und das BMF-Schreiben vom 18.7.2003, DStR 2003, 1462; Hergarten, Die gesetzliche Kodifizierung des „anschaffungsnahen Aufwandes?, DStR 2003, 397; Hiller, Anschaffungsnaher Aufwand, INF 2004, 663; Neufang, Anschaffungsund Herstellungskosten von Gebäuden – Ein Vergleich der Rechtsprechung des BFH und der Verwaltungsauffassung, BB 2004, 78; Pannen, Bestandsaufnahme zur Abgrenzung von Anschaffungskosten, Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand bei Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden, DB 2003, 2729; Pezzer, Die Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH, DB 1996, 849; Spindler, Wie geht es weiter mit dem anschaffungsnahen Aufwand?, DB 2004, 507; Spindler, Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand bei Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen an Gebäuden, DStR 1996, 765, Stapelfeld, Die Folgerechtsprechung des BFH zum sog. Anschaffungsnahen Aufwand, INF 2003, 506; Vogelgesang, Der Anwendungsbereich der BFH-Urteile v. 12.9.2001 zum anschaffungsnahen Aufwand nach der geplanten Wiedereinführung der 15 %Grenze durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz, DB 2003, 65; WolffDiepenbrock, Anschaffungsnahe Aufwendungen, DB 2002, 1286.
aa) Allgemeines Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung 1.945 und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG) und der Erneuerung von bereits vorhandenen Teilen eines Gebäudes, von Einrichtungen oder Anlagen dienen, sind regelmäßig Erhaltungsaufwand und zählen damit zu den sofort abziehbaren Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG)2. Solche Aufwendungen sind nur dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich um aktivierungspflichtige Aufwendungen 1 BFH v. 8.3.2016 – IX R 38/14, BStBl. II 2016, 646 = DB 2016, 1410 = DStR 2016, 1408 = NJW 2016, 2687; die Rechtsprechung ist insoweit nicht der Verwaltungsregelung (BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a – 48/03, BStBl. I 2003, 546 = DStR 2003, 1974, Tz. 15), wonach nur dann von einer Marktüblichkeit ausgegangen werden kann, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Disagio in Höhe von bis zu 5 % vereinbart worden ist, gefolgt. 2 Vgl. R 21.1 Abs. 1 Satz 1 EStH 2015.
Schallmoser 229
Kap. 1 Rz. 1.945 Steuerorientierte Immobilienübertragung
in Form von Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Die Grenze zwischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten einerseits und Erhaltungsaufwendungen andererseits ist fließend und war wiederholt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der IX. Senat des BFH hat sich – teilweise unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – für die Abgrenzung zwischen Anschaffungskosten, (nachträglichen) Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen in seinen Urteilen vom Mai 19951 (für die Fälle sog. Generalüberholungen) und vom 12.9.20012 (für die steuerrechtliche Beurteilung sog. anschaffungsnaher Aufwendungen) an den gesetzlichen Merkmalen des § 255 HGB orientiert. Hierauf hat die Finanzverwaltung zunächst mit einem Anwendungsschreiben vom 18.7.20033 reagiert und seine bisherige abweichende Auffassung zum sog. anschaffungsnahen Aufwand aufgegeben; für Baumaßnahmen nach dem 31.12.2003 hat der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz 20034 in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG den sog. anschaffungsnahen Aufwand – durch eine gegenüber der bisherigen Verwaltungspraxis verschärfte Rechtslage – kodifiziert. bb) Begriff
1.946 Unter sofort abziehbarem Erhaltungsaufwand5 sind Aufwendungen zu verstehen, die dazu dienen, ein Gebäude in ordnungsgemäßem Zustand zu halten, seine Wesensart und Nutzungsdauer jedoch nicht verändern und die regelmäßig wiederkehren. § 82b EStDV erlaubt es Steuerpflichtigen, größeren Erhaltungsaufwand an Wohngebäuden des Privatvermögens auf zwei bis fünf Jahre zu verteilen; dies gilt gem. §§ 11a und 11b EStG auch für Erhaltungsaufwendungen an Baudenkmalen und Gebäuden in Sanierungsgebieten und im städtebaulichen Entwicklungsbereichen (s. Rz. 1.896, 1.887). cc) Negativabgrenzung von Erhaltungsaufwand zu Herstellungskosten
1.947 Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen (und damit nicht sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand darstellen), bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB6. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung (s. Rz. 1.948) eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung (s. Rz. 1.950) oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung (s. Rz. 1.953) entstehen.
1 Vgl. die Leitentscheidung BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck. 2 BFH v. 12.9.2001 – IX R 39/97, BStBl. II 2003, 569 = DB 2002, 1297 = NJW 2002, 2268 = ZfIR 2002, 569 und IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574 = FR 2002, 779 m. Anm. Fischer; ausführlich dazu Wolff-Diepenbrock, DB 2002, 1286. 3 BMF v. 18.7.2003 (DE CD) – IV C 3 - S 2211 – 94/03, BStBl. I 2003, 386. 4 Gesetz v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645 = BStBl. I 2003, 710. 5 Siehe R 21.1 Abs. 1 Satz 1 EStH 2015. 6 BFH v. 14.7.2004 – IX R 52/02, BStBl. II 2004, 949 = DB 2004, 2022; v. 25.9.2007 – IX R 43/06, BFH/NV 2008, 208; s.a. R 21.1 Abs. 1 Satz 1 EStH 2014.
230 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.949 Kap. 1
Entsprechend diesen unterschiedlichen Tatbestandsmerkmalen des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB können Aufwendungen für die Instandsetzung oder Modernisierung eines Gebäudes aus nachfolgend beschriebenen Gründen als Herstellungskosten zu beurteilen sein. (1) Herstellen eines neuen Gebäudes Zum einen führen Instandsetzungsarbeiten dann zu Herstellungskosten, wenn ein 1.948 Gebäude in allen seinen wesentlichen Teilen so sehr abgenutzt oder zerstört ist, dass es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), und daher – unter Verwendung der noch nutzbaren Teile – ein neues Wirtschaftsgut hergestellt wird (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 HGB)1. Diese Voraussetzung ist noch nicht gegeben, wenn ein Gebäude wegen Abnutzung und Verwahrlosung lediglich nicht mehr zeitgemäßen Wohnvorstellungen entspricht und deshalb nicht mehr vermietbar ist2. Von einem Vollverschleiß ist erst bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen auszugehen3, z.B. wenn ein Gebäude wegen Verfalls oder Zerstörung unbewohnbar4 geworden ist oder wenn es infolge Entkernung nicht mehr nutzbar ist5. Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten führen darüber hinaus auch dann 1.949 zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes und sind mithin gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB als Herstellungskosten zu qualifizieren, wenn das Gebäude durch die Arbeiten umgestaltet wird und hierdurch eine Funktions- oder Nutzungsveränderung (Änderung der Zweckbestimmung) erfährt6. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Mühle zu einem Wohnhaus7, Geschäftsräume zu Wohnräumen8 oder Wohnräume zu Arztpraxen9 umgebaut oder auch ein Einfamilienhaus durch erstmalige Schaffung eines Wohnraumabschlusses zu einem Zweifamilienhaus umgestaltet wird10. Keine Funktions- (und damit auch keine Wesens-)veränderung ist mit dem Umbau eines Großraumbüros in vier Einzelbüros unter Verwendung von Rigips-Ständerwerk verbunden; da eine solche Umbaumaßnahme (einschließlich der Erneuerung der Elektroinstallation im hierdurch notwendigen Umfang) auch weder zu einer Erweiterung des Gebäudes (-teiles) noch zu einer wesentlichen Verbesserung führt, sind die betreffenden Aufwendungen sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung11. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Siehe hierzu BFH v. 14.5.2003 – X R 32/00, BFH/NV 2003, 1178 – Fachwerkhaus. BFH v. 13.10.1998 – IX R 61/95, BStBl. II 1999, 282 = FR 1999, 460. BFH v. 13.10.1998 – IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603. Z.B. FG Hamburg v. 10.12.1981 – VI 190/78, EFG 1982, 340, rkr. Vgl. BFH v. 24.10.1990 – II R 9/88, BStBl. II 1991, 60. BFH v. 31.3.1992 – IX R 175/87, BStBl. II 1992, 808 = FR 1992, 582; vgl. auch Beck’scher Bilanzkommentar/Schubert/Hutzler, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 322. BFH v. 31.3.1992 – IX R 175/87, BStBl. II 1992, 808 = FR 1992, 582. BFH v. 29.6.1965 – VI 236/64 U, BStBl. III 1965, 507. BFH v. 23.9.2004 – IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543. Vgl. FG Bremen v. 11.6.1991 – II 162/89 K, EFG 1992, 180, rkr. BFH v. 16.1.2007 – IX R 39/05, BStBl. II 2007, 922.
Schallmoser 231
Kap. 1 Rz. 1.950 Steuerorientierte Immobilienübertragung
(2) Erweiterung eines Gebäudes
1.950 Zum anderen führen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen dann zu – nachträglichen – Herstellungskosten, wenn sie für eine Erweiterung i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 HGB entstehen. Eine solche Erweiterung liegt z.B. vor, wenn – ein Gebäude aufgestockt oder daran ein Anbau errichtet wird1; – eine Dachterrasse zu einem ganzjährig als Wohnraum nutzbaren Wintergarten umgestaltet wird2; – es in seiner Substanz vermehrt wird, ohne dass zugleich die Nutzfläche des Hauses vergrößert wird3. Eine solche Substanzvermehrung könnte beispielsweise bei einer nachträglichen Verklinkerung oder Verblendung eines Hauses4 sowie der Errichtung einer Stützmauer5 vorliegen; – seine nutzbare Fläche vergrößert wird6, und zwar auch dann, wenn die Vergrößerung im Verhältnis zur gesamten Nutzfläche nur geringfügig ist7; so ist z.B. der unter Errichtung von Dachgauben vorgenommene Ausbau eines bislang nur teilweise genutzten Dachgeschosses zu zwei zusätzlichen abgeschlossenen Wohnungen als Erweiterung eines Mietwohnhauses beurteilt worden8. – wenn nachträglich zusätzliche Bestandteile eingebaut oder angefügt werden, die bislang nicht vorhanden waren, z.B. eine Alarmanlage9, eine Sonnenmarkise10, ein Kachelofen11 oder ein Kamin12 sowie eine Außentreppe13.
1 Vgl. BFH v. 27.1.1993 – IX R 97/88, BStBl. II 1993, 601 = FR 1993, 506. 2 BFH v. 13.10.1998 – IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605. 3 BFH v. 1.12.1992 – IX R 333/87, BStBl. II 1994, 12 = FR 1993, 503 m. Anm. Drenseck; vgl. auch Kleinjohann, Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand in der Steuerbilanz, S. 54, mit Rechtsprechungsnachweisen. 4 BFH v. 27.9.2001 – X R 55/98, BFH/NV 2002, 627. Hingegen ist eine zusätzliche Fassadenverkleidung, z.B. zu Werbezwecken oder zur Wärmedämmung mit Eternitplatten, noch als Erhaltungsaufwand zu beurteilen (BFH v. 13.3.1979 – VIII R 83/77, BStBl. II 1979, 435, und in BFH/NV 2002, 627). 5 Vgl. Kleinjohann, Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand in der Steuerbilanz, S. 54. 6 Z.B. BFH v. 19.6.1991 – IX R 1/87, BStBl. II 1992, 73 = FR 1992, 270 m. Anm. Drenseck, und v. 19.7.1985 – III R 170/80, BFH/NV 1986, 24. 7 BFH v. 9.5.1995 – IX R 88/90, BStBl. II 1996, 628 = FR 1995, 857, und IX R 69/92, BStBl. II 1996, 630 = FR 1995, 859. 8 BFH v. 9.5.1995 – IX R 2/94, BStBl. II 1996, 637 = FR 1995, 858. 9 BFH v. 16.2.1993 – IX R 85/88, BStBl. II 1993, 544. 10 BFH v. 29.8.1989 – IX R 176/84, BStBl. II 1990, 430. 11 BFH v. 27.7.2000 – X R 26/97, BFH/NV 2001, 306, und zwar auch dann, wenn er einen offenen Kamin ersetzt. 12 BFH v. 9.5.1995 – IX R 17/93, BFH/NV 1996, 114. 13 BFH v. 9.5.1995 – IX R 2/94, BStBl. II 1996, 637.
232 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.954 Kap. 1
Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Maßnahme einen hohen Aufwand erfor- 1.951 dert; es genügt, dass dem Gebäude etwas Neues ein- oder angefügt wird1. Aufwendungen für eine derartige – auch geringfügige – Erweiterung eines Gebäudes führen stets zu – nachträglichen – Herstellungskosten, ohne dass es auf das Vorliegen weiterer Voraussetzungen ankommt2. Die Finanzverwaltung3 nimmt – insoweit entgegen dem BFH-Urteil v. 10.5.19954 1.952 – keine Substanzvermehrung und damit keine Herstellungskosten i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB an, wenn einem Gebäude ein neuer Bestandteil hinzugefügt wird, um bereits eingetretene Schäden zu beseitigen oder einen konkret drohenden Schaden abzuwenden; z.B. das Errichten einer sog. Betonvorsatzschale zur Trockenlegung der durchfeuchteten Fundamente oder das Überdachen von Wohnungszugängen oder einer Dachterrasse mit einem Glasdach zum Schutz vor Wasserschäden. (3) Wesentliche Verbesserung eines Gebäudes Schließlich sind Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen gem. § 255 1.953 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 HGB dann als (nachträgliche) Herstellungskosten zu behandeln, wenn sie zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen. Bei dem hiernach notwendigen Vergleich wird auf den Zustand des Gebäudes zu dem Zeitpunkt abgestellt, in dem der Steuerpflichtige es in sein Vermögen aufgenommen hat5, mithin auf den Zeitpunkt der Herstellung oder der Anschaffung6. Der weitergehenden Ansicht, wonach es stets auf den Zustand nach der ursprünglichen Herstellung ankommen soll7, ist die Rechtsprechung nicht gefolgt. Sind die ursprünglichen Herstellungs- oder Anschaffungskosten zwischenzeitlich jedoch durch anderweitige nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten oder durch AfaA gem. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG verändert worden, so ist für den nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB notwendigen Vergleich auf den für die geänderte AfA-Bemessungsgrundlage maßgebenden Zustand abzustellen8. Bei dem Erwerb eines Wohngebäudes durch Schenkung oder Erbfall ist der Zustand zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung durch den Schenker/Erblasser maßgebend9. Eine wesentliche Verbesserung i.S.v. § 255 Abs. 2 HGB liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Gebäude – sei es durch die Ersetzung einzelner Bestandteile, sei es durch
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BFH v. 9.5.1995 – IX R 88/90, BStBl. II 1996, 628. BFH v. 9.5.1995 – IX R 69/92, BStBl. II 1996, 630. BMF v. 18.7.2003 (DE CD) – IV C 3-S 2211-94/03, BStBl. I 2003, 386. BFH v. 10.5.1995 – IX R 62/94, BStBl. II 1996, 639. BFH v. 11.8.1989 – IX R 44/86, BStBl. II 1990, 53; v. 30.7.1991 – IX R 123/90, BStBl. II 1992, 30 = FR 1992, 138; vgl. a. BFH v. 22.8.1966 – GrS 2/66, BStBl. III 1966, 672. Vgl. auch Mathiak, JDStJG 1984, 97 (132). So noch Beck’scher Bilanzkommentar/Ellrott/Schmidt-Wendt, 3. Aufl. 1995, § 255 HGB Rz. 384 (inzwischen jedoch aufgegeben, zur Aktuellen Rechtslage vgl. Beck’scher Bilanzkommentar/Schubert/Hutzler, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 327). BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck. BFH v. 3.12.2002 – IX R 64/99, BStBl. II 2003, 590.
Schallmoser 233
1.954
Kap. 1 Rz. 1.954 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen an dem Gebäude als Ganzem – lediglich in ordnungsgemäßem Zustand entsprechend seinem ursprünglichen Zustand erhalten oder dieser in zeitgemäßer Form wiederhergestellt wird; solche Maßnahmen führen vielmehr zu Erhaltungsaufwand. Der BFH hat in diesem Zusammenhang von einer zeitgemäßen substanzerhaltenden (Bestandteil-)Erneuerung gesprochen, die dem Gebäude den zeitgemäßen Wohnkomfort wiedergibt, den es ursprünglich besessen, aber durch den technischen Fortschritt und die Veränderung der Lebensgewohnheiten verloren hat1. Eine solche zeitgemäße, substanzerhaltende Erneuerung führt auch dann noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung, wenn damit eine Werterhöhung des Gebäudes verbunden ist. Unmaßgeblich ist auch, ob die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen objektiv oder subjektiv erforderlich und ob hierfür hohe Aufwendungen notwendig sind; denn auch das Wiederherstellen des ursprünglichen Zustandes kann hohe Aufwendungen erfordern. Entgegen der früheren Rechtsprechung2 liegen mithin nicht schon dann nachträgliche Herstellungskosten vor, wenn Aufwendungen, die für sich genommen als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, in ungewöhnlicher Höhe zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen.
1.955 Eine wesentliche Verbesserung und damit Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind vielmehr erst dann gegeben, wenn die Maßnahmen zur Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes in ihrer Gesamtheit über eine zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinausgehen und den Gebrauchswert des Hauses insgesamt deutlich erhöhen3; denn nach dem Gebrauchswert entscheidet sich, ob für die Zukunft ein höheres „Nutzungspotential“ geschaffen worden ist. Der Gebrauchswert eines Gebäudes wird bspw. dann deutlich erhöht, wenn durch die betreffende Baumaßnahme – sein Wohnstandard maßgebend gesteigert und damit eine andere Wohnungskategorie erreicht wird4. Die Rechtsprechung hebt dabei auf drei unterschiedliche Standardkategorien ab: sehr einfacher, mittlerer und sehr anspruchsvoller Standard. Eine wesentliche Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB ist vor diesem Hintergrund (nur) gegeben, wenn ein Gebäude von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird. Der Standard eines Wohngebäudes wird – abgesehen von seinem architektonischen Zuschnitt – insbesondere durch die Einrichtungen bestimmt, die den Nutzungswert eines Gebäudes im Wesentlichen prägen: Das sind die Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie die Fenster. Sind sie im Zeitpunkt der Anschaffung nur im nötigen Umfang und/oder in einem technisch überholten Zustand vorhanden, handelt es sich um einen sehr einfachen Wohnungsstandard; entsprechen sie in Umfang und Ausführung durchschnittlichen und selbst höheren Ansprüchen, liegt ein mittlerer Standard vor; ist
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BFH v. 9.5.1995 – IX R 69/92, BStBl. II 1996, 630 = FR 1995, 859. Z.B. BFH v. 15.1.1991 – IX R 21/89, BFH/NV 1991, 533. BFH v. 25.9.2007 – IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218 = DB 2008, 100 = FR 2008, 372. So z.B. zutreffend Korn, NWB, Blickpunkt Steuern, 10/95, S. 2.
234 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.956 Kap. 1
nicht nur das Zweckmäßige, sondern sogar das Mögliche vorhanden und das vor allem unter Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien, handelt es sich um einen sehr anspruchsvollen Standard. Werden im Zuge einer Baumaßnahme diese Einrichtungen nicht nur in zeitgemäßer Form ersetzt, sondern darüber hinaus in ihrer Funktion deutlich erweitert und ergänzt und wird dadurch der Wohnkomfort des Hauses insgesamt deutlich gesteigert, liegt eine wesentliche Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vor1. Soweit einzelne komfortverbessernde Maßnahmen (etwa der Austausch von Ofenheizungen gegen Gas-Etagenheizungen2, die Modernisierung der Bäder3 und der Austausch von einfachverglasten Fenstern gegen Isolierglasfenster4) isoliert gesehen noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung führen würden, kann auch ein „Bündel“ derartiger Baumaßnahmen, bei dem mindestens drei der oben genannten wesentlichen Bereiche betroffen sind, ein Gebäude gegenüber seinem Zustand bei Erwerb in seinem Standard heben und es damit i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wesentlich verbessern5; – die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer deutlich verlängert wird. Da die Gesamtnutzungsdauer sich nicht schon durch eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung von Bestandteilen verlängert, deren gewöhnliche Nutzungsdauer von vornherein kürzer als die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes war, liegen diese Voraussetzungen in der Regel nur bei solchen Maßnahmen vor, die die Substanz des Gebäudes, die im Wesentlichen die Lebensdauer bestimmt, verändern. Im Einzelfall sind zu einer Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer konkrete Feststellungen erforderlich. Ein Indiz für einen deutlich gesteigerten Gebrauchswert kann sich ferner aus einem 1.956 deutlichen Anstieg der erzielbaren Miete im Vergleich zu der Miete ergeben, die bei einer Neuvermietung unmittelbar vor den Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten erzielbar gewesen wäre. Hierbei sind Mietsteigerungen, die lediglich auf zeitgemäßen bestandserhaltenden Erneuerungen beruhen, nicht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Bei der Prüfung, ob eine Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand führt, darf dann nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb mehrere Wirtschaftsgüter umfasst6.
1 Vgl. BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck, unter I. 3. b bb, m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 24.7.1979 – VIII R 162/78, BStBl. II 1980, 7; BMF v. 18.7.2003 (DE CD) – IV C 3 - S 2211 – 94/03, BStBl. I 2003, 386, Tz. 27 ff. 3 BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck, unter II. 4 Vgl. BFH v. 28.4.1998 – IX R 66/95, BStBl. II 1998, 515 = FR 1998, 957. 5 Vgl. dazu BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck, unter I. 2. c. und II. 6 BFH v. 25.9.2007 – IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218 = DB 2008, 100 = FR 2008, 372.
Schallmoser 235
Kap. 1 Rz. 1.957 Steuerorientierte Immobilienübertragung
(4) Getrennte und einheitliche Beurteilung einzelner Aufwendungen
1.957 Auch im Rahmen einer umfassenden Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes sind die einzelnen Aufwendungen grds. getrennt danach zu beurteilen, ob sie (lediglich) einer zeitgemäßen substanzerhaltenden Erneuerung gedient (dann: Erhaltungsaufwand) oder ob sie zu einer Erweiterung oder zu einer deutlichen Erhöhung des Gebrauchswertes des Gebäudes geführt haben (dann: Herstellungskosten). Werden bei einer umfassenden Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme sowohl normale substanzerhaltende wie auch die zeitgemäße Erneuerung übersteigende Arbeiten durchgeführt, so sind die hierauf jeweils entfallenden Kosten grds. – ggf. im Wege der Schätzung – aufzuteilen1, und zwar auch dann, wenn sie einheitlich in Rechnung gestellt worden sind2. 1.958 Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn Aufwendungen für eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung, die sich auch über mehrere Jahre erstrecken kann3, mit anderen, zu Herstellungskosten führenden Maßnahmen deswegen in sachlichem Zusammenhang stehen, weil sie bautechnisch ineinandergreifen. In einem solchen Fall sind die Aufwendungen nicht in Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen aufzuteilen, sondern einheitlich als Herstellungskosten zu beurteilen4. Dies gilt auch, wenn die Instandsetzungsaufwendungen deutlich überwiegen5. So hat der BFH mit Urteil vom 16.7.19966 entschieden, dass Kosten einer Dachinstandsetzung sofort abziehbare Werbungskosten sein können, wenn anlässlich eines Dachgeschossausbaus das gesamte Dach erneuert wird; soweit sie jedoch durch den Dachgeschossausbau (Herstellung einer Dachterrasse und neuer Dachgauben) bedingt sind, stellen sie – nachträgliche – Herstellungskosten dar. Greifen also zu Herstellungskosten führende Maßnahmen und gleichzeitig vorgenommene Instandsetzungsmaßnahmen nicht bautechnisch ineinander7, sind die betreffenden Aufwendungen – wie in Rz. 1.957 dargestellt – aufzuteilen. (5) „Anschaffungsnahe“ Aufwendungen als Herstellungs- oder Anschaffungskosten Literatur: Carlé, Der anschaffungsnahe Aufwand – Metamorphose im Steuerrecht, in: Gestaltung und Abwehr im Steuerrecht (Festschrift für Klaus Korn), 2005, 41; Rubaker, Anschaffungsnahe Herstellungskosten, NWB 2016, 3476; Schießl, Neues zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, StuB 2016, 719 Spindler, Wie geht es
1 Vgl. BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck unter I. 3. b. cc) sowie IX R 2/94, BStBl. II 1996, 637 = FR 1995, 858, unter 1. 2 Vgl. BFH v. 14.10.1960 – VI 100/59, BStBl. III 1960, 493. 3 BFH v. 19.12.1995 – IX R 88/93, BFH/NV 1996, 537. 4 BFH v. 9.5.1995 – IX R 88/90, BStBl. II 1996, 628 = FR 1995, 857, und IX R 2/94, BStBl. II 1996, 637 = FR 1995, 858. 5 BFH v. 9.5.1995 – IX R 2/94, BStBl. II 1996, 637 = FR 1995, 858. 6 BFH v. 16.7.1996 – IX R 34/94, BStBl. II 1996, 649 = FR 1996, 747 m. Anm. Drenseck. 7 Siehe hierzu die vom FG des Saarlandes v. 15.12.1993 – 1 K 137/93, EFG 1994, 618 entschiedene Fallgestaltung.
236 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.959 Kap. 1
weiter mit dem anschaffungsnahen Aufwand? DB 2004, 507; Wendt, Die gesetzliche Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten, EStB 2004, 329.
(a) Rechtsprechungsentwicklung Die frühere Rechtsprechung hat bei erheblichen Instandsetzungs- und Modernisie- 1.959 rungsarbeiten im Einzelfall unter Berücksichtigung von Anschaffungsnähe und Höhe der Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis eine wesentliche Verbesserung gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vermutet (sog. „anschaffungsnaher Herstellungsaufwand“)1. Nachdem der BFH aber schon die Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen bei der Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden allein am Maßstab des § 255 Abs. 2 HGB vorgenommen hatte2, wurde auch das „Institut“ des anschaffungsnahen Aufwands auf den Prüfstand des § 255 HGB gestellt und mit Urteil vom 12.9.20013 dahin modifiziert, dass für die steuerrechtliche Beurteilung solcher Aufwendungen nicht (mehr) deren Höhe oder zeitliche Nähe zur Anschaffung maßgebend ist. Andererseits hat er aber auch klargestellt, dass solche, zeitnah nach dem Erwerb vorgenommene Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten Aufwendungen ggf. als Anschaffungskosten i.S.v. § 255 Abs. 1 HGB zu qualifizieren sind, und zwar dann, – wenn sie dazu dienen, die Betriebsbereitschaft des Gebäudes herbeizuführen4; – wenn funktionsuntüchtige Teile des Gebäudes, die für seine Nutzung z.B. als Wohnung unerlässlich sind, wieder hergestellt würden, z.B. bei einer defekten Heizung, bei die Bewohnbarkeit ausschließenden Wasserschäden, bei einer durch Brand verwüsteten Wohnung5; – wenn Renovierungs- oder Modernisierungsarbeiten gleichzeitig mit dem Kaufvertrag (einheitlicher Vorgang trotz mehrerer Verträge) über eine Eigentumswohnung in einem Altbau in Auftrag gegeben und alsbald durchgeführt würden (sog. „Modernisierungsmodell“)6. Waren die Aufwendungen aber weder nach den soeben genannten Kriterien als Anschaffungskosten noch nach den unter Rz. 1.948 bis 1.955 genannten Kriterien als Herstellungskosten einzustufen, konnten sie als sofort abziehbare Erhaltungsauf-
1 Z.B. BFH v. 29.10.1991 – IX R 117/90, BStBl. II 1992, 285 = FR 1992, 293, unter 2.; v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck, unter 3. a; v. 16.12.1998 – X R 89/95, BFH/NV 1999, 776. 2 Siehe hierzu die Leitentscheidung BFH v. 9.5.1995 – IX R 116/92, BStBl. II 1996, 632 = FR 1995, 741 m. Anm. Drenseck sowie erläuternd Pezzer, DB 1996, 849; Spindler, DStR 1996, 765. 3 BFH v. 12.9.2001 – IX R 39/97, BStBl. II 2003, 569 = DB 2002, 1297 = NJW 2002, 2268 = ZfIR 2002, 569; zur Rechtsprechungsentwicklung s. Spindler, BB 2002, 2041. 4 BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574 = FR 2002, 779 m. Anm. Fischer; ausführlich dazu Wolff-Diepenbrock, DB 2002, 1286. 5 Vgl. BFH v. 20.8.2002 – IX R 70/00, BStBl. II 2003, 585 = FR 2003, 302 m. Anm. Fischer. 6 Z.B. BFH v. 17.12.1996 – IX R 47/95, BStBl. II 1997, 348 = FR 1997, 384 m.w.N.
Schallmoser 237
Kap. 1 Rz. 1.959 Steuerorientierte Immobilienübertragung
wendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden1. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst mit Anwendungsschreiben vom 18.7.20032 im Wesentlichen angeschlossen. Aufwendungen im Rahmen von Baumaßnahmen, mit denen bis zum 31.12.2003 begonnen worden ist, sind nach den genannten Rechtsprechungsgrundsätzen entweder als Anschaffungskosten, Herstellungskosten oder als Erhaltungsaufwendungen einzustufen. (b) Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des StÄndG 2003
1.960 Die Beurteilung von Aufwendungen im Rahmen von Baumaßnahmen, die nach dem 31.12.2003 begonnen worden sind (vgl. § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG), ist nach der gesetzlichen Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes vom 15.12.20033 vorzunehmen. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG qualifiziert Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die – innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden und – 15 v.H. seiner Anschaffungskosten übersteigen, einheitlich als (fiktive) Herstellungskosten; die – nun legaldefinierten – „anschaffungsnahen Herstellungskosten“ treten zusätzlich neben die bereits in § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgesehenen drei Varianten der Herstellungskosten (Herstellung – Erweiterung – wesentliche Verbesserung). (c) Rechtsanwendungsfragen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
1.961 § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG beschränkt sich auf die Beurteilung sog. anschaffungsnaher Aufwendungen als (fiktive) Herstellungskosten; hierzu gehören Aufwendungen für „Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen“, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Unter „Instandsetzung und Modernisierung“ eines Gebäudes im Sinne dieser Vorschrift sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird4. Liegen nach den Grundsätzen der unter Rz. 1.959 dargestellten Rechtsprechung des BFH Anschaffungskosten i.S.v. § 255 Abs. 1 HGB vor5, etwa weil der Aufwand der Herbeiführung der Bezugsfertigkeit des erworbenen Gebäudes dient, ist die steuer1 2 3 4 5
So BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574 = FR 2002, 779 m. Anm. Fischer. BMF v. 18.7.2003 (DE CD) – IV C 3-S 2211-94/03, BStBl. I 2003, 386. Gesetz v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645 = BStBl. I 2003, 710. BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 = DStR 2016, 2269 = ZfIR 2016, 792. Siehe hierzu im Einzelnen das Urteil BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574.
238 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.963 Kap. 1
rechtliche Beurteilung unbeschadet der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (und damit unabhängig von der Höhe des Aufwands!) nach den in das BMF-Schreiben vom 18.7.2003 aufgenommenen Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH zu treffen1; in diesem Zusammenhang wird auch die Frage, ob die betreffenden Baumaßnahmen das Gebäude auf einen höheren Standard gebracht haben, weiterhin von Bedeutung sein. Liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht vor, weil die Aufwen- 1.962 dungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten an Gebäuden innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung weniger als 15 v.H. der Anschaffungskosten des Gebäudes betragen, ist ebenfalls anhand der Rechtsprechungsgrundsätze des BFH (s. Rz. 1.948 ff.) zu prüfen, ob Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen. Gleiches gilt, wenn solche Aufwendungen nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb zu beurteilen sind. Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören unabhängig von 1.963 ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen und die nicht nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgenommen sind2. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um „verdeckte“, d.h. bei Anschaffung angelegte, aber zunächst unerkannt gebliebene Mängel handelt3. Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören danach – neben dem Katalog der „klassischen“ Instandsetzungs- und Modernisierungmaßnahmen (bspw. Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, Fußbodenbeläge, Fenster, Dacheindeckung, energetische Sanierung) und den Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes – auch Kosten für – Schönheitsreparaturen (Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster, vgl. § 28 Abs. 4 Satz 1 II. BVO)4; – die Herstellung der Betriebsbereitschaft5. Von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes kann im Regelfall ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden6. 1 Spindler, DB 2004, 507/509; Schindler in Kichhof/Seer20, § 6 EStG Rz. 69; OFD München/ Nürnberg v. 11.6.2004, DB 2004, 1464; a.A. Stuhrmann, NWB Fach 3, 12.767; Kahle/Heinstein, DStZ 2007, 99. 2 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 = DStR 2016, 2269 = ZfIR 2016, 792. 3 BFH v. 9.5.2017 – IX R 6/16, DStR 2017, 2161 = DB 2017, 2335. 4 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 = DStR 2016, 2269 = ZfIR 2016, 792; v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 = DStR 2016, 2274. 5 BFH v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996 = DStR 2016, 2278. 6 BFH v. 14.6.2016 – IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992 = DStR 2016, 2269 = ZfIR 2016, 792; v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 = DStR 2016, 2274; v. 14.6.2016 – IX R 15/15, BStBl. II 2016, 996 = DStR 2016, 2278.
Schallmoser 239
Kap. 1 Rz. 1.963 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Aufwendungen, die mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können jedoch als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein. Hierunter fallen insbesondere Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und daher nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich nicht zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehören. Zu den jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne zählen etwa Aufwendungen für regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen und -verkalkungen oder Ablesekosten1. Auch Aufwendungen zur Beseitigung von nach dem Gebäudeerwerb eingetretenen mutwilligen Beschädigungen des Gebäudes zählen nicht zu den Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG2. Gleiches gilt u.E. für Mieterabfindungen für eine vorzeitige Räumung der Wohnung geleistet werden, um ohne Einschränkung und Rücksichtnahme auf noch im Haus wohnende Mieter Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen schneller und einfacher durchführen zu können (und anschließend wieder vermieten)3. Nicht zu den anschaffungsnahen Aufwendungen zählen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG ferner Aufwendungen für Erweiterungen i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB. Auf Aufwendungen des Steuerpflichtigen vor Anschaffung findet § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG keine Anwendung; diese sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen4. e) Erschließungskosten Literatur (Auswahl): Spindler, Die steuerrechtliche Beurteilung nachträglicher Erschließungskosten durch den BFH, ZNotP 1998, 90; Spindler, Zur steuerlichen Behandlung nachträglicher Erschließungskosten, DB 1996, 444.
aa) Erstmals durchgeführte Erschließungsmaßnahme als Anschaffungskosten
1.964 Kosten einer erstmals durchgeführten Erschließungsmaßnahme sind regelmäßig den Anschaffungskosten von Grund und Boden zuzurechnen5; denn der erstmali-
1 BFH v. 14.6.2016 – IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 = DStR 2016, 2274. 2 BFH v. 9.5.2017 – IX R 6/16, DStR 2017, 2161 = DB 2017, 2335; s. hierzu auch Dürr, DB 2016, 2380; Günther, EStB 2016, 232. 3 A.A. (u.E. unzutreffend) FG Münster v. 12.11.2021 – 4 K 1941/20 F, EFG 2022, 152, n. rkr., Rev., Az. des BFH: IX R 29/21. 4 BFH v. 28.4.2020 – IX B 121/19, BFH/NV 2020, 870. 5 Z.B. BFH v. 18.9.1964 – VI 100/63 S, BStBl. III 1965, 85 zur erstmaligen Straßenanlage; v. 4.11.1986 – VIII R 322/83, BStBl. II 1987, 333 = FR 1987, 204, zum erstmaligen Anschluss an die Wasserversorgung; v. 14.3.1989 – IX R 138/88, BFH/NV 1989, 633 zum erstmaligen Anschluss an die Stromversorgung und v. 15.2.1989 – X R 6/86, BFH/NV 1989, 494 zum erstmaligen Anschluss an die Gasversorgung; v. 20.7.2010 – IX R 4/10, BStBl. II 2011, 35, zur Übernahme einer Zufahrtsbaulast, jeweils m.w.N. der umfangreichen Rechtsprechung.
240 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.965 Kap. 1
ge Anschluss an öffentliche Einrichtungen erhöht die bisherige (abstrakte) Nutzbarkeit des Grundstücks und damit dessen Wert. Voraussetzung der Zuordnung dieser Aufwendungen zu den Anschaffungskosten für Grund und Boden ist, dass die Erschließungsmaßnahme im Zusammenhang mit dem Grundstück und nicht mit dessen konkreter Nutzung1 steht. Maßgeblich ist danach, ob die Erschließungskosten dazu dienen, das Grundstück baureif zu machen und es damit i.S.v. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen2. Dies gilt sowohl für Beiträge zur Finanzierung öffentlicher Erschließungsanlagen als auch für Aufwendungen zur Durchführung einer privaten Erschließungsmaßnahme, z.B. der Anlage einer Privatstraße3. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Erschließungsmaßnahme erst im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung des Grundstücks durchgeführt wird oder ob die Erschließungsbeiträge erst bei der Bebauung des Grundstücks zu zahlen sind4. bb) Nachträgliche Erschließungskosten sind grds. sofort abziehbarer Aufwand Werden hingegen vorhandene Erschließungseinrichtungen lediglich ersetzt oder 1.965 modernisiert, führen die vom Grundstückseigentümer hierfür zu leistenden Beiträge (sog. „nachträgliche“ Erschließungskosten oder Ergänzungsbeiträge) nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, es sei denn, das Grundstück wird durch die Maßnahme in seiner Substanz und in seinem Wesen verändert5. Der Charakter eines Grundstücks wird durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese Merkmale unverändert bleiben, werden Substanz oder Wesen des Grundstücks nicht berührt, die Beiträge für die nachträglichen Erschließungsmaßnahmen stellen Erhaltungsaufwand und mithin sofort abziehbare Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) dar. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob die nachträgliche Erschließungsmaßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt hat6.
1 Hierzu zählen Beiträge, Gebühren oder Zuschüsse, die an einen Erschließungsträger für bestimmte, wegen der besonderen Nutzung eines Grundstücks notwendigen Ver- oder Entsorgungsmaßnahmen zu leisten sind. Zur steuerl. Berücksichtigung s. Rz. 1.569. 2 BFH v. 14.3.1989 – IX R 138/88, BFH/NV 1989, 633; v. 7.11.1995 – IX R 99/93, BStBl. II 1996, 89 und IX R 54/94, BStBl. II 1996, 190 = FR 1996, 384 m. Anm. Drenseck; v. 19.12.1995 – IX R 5/95, BStBl. II 1996, 134; v. 20.7.2010 – IX R 4/10, BStBl. II 2011, 35. Zur älteren Rechtsprechung, die die Grundstücksbezogenheit der Erschließungskosten teilweise aus der den Grundstückseigentümer oder den Erbbauberechtigten treffenden Beitragspflicht hergeleitet hat, s.a. BFH v. 22.2.1967 – VI 295/65, BStBl. II 1967, 417; vgl. aber auch BFH v. 12.1.1995 – IV R 3/93, BStBl. II 1995, 632 = FR 1995, 501. 3 Niedersächsisches FG v. 21.11.1989 – I 321/88, EFG 1990, 297, rkr. 4 BFH v. 14.3.1989 – IX R 138/88, BFH/NV 1989, 633. 5 BFH v. 2.5.1990 – VIII R 198/85, BStBl. II 1991, 448. 6 BFH v. 2.5.1990 – VIII R 198/85, BStBl. II 1991, 448; vgl. auch BFH v. 22.3.1994 – IX R 52/90, BStBl. II 1994, 842.
Schallmoser 241
Kap. 1 Rz. 1.966 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.966 Nach diesen Grundsätzen hat der BFH als Erhaltungsaufwand beurteilt: – Nachträgliche Straßenbaukostenbeiträge, die Gemeinden von den Eigentümern bereits erschlossener Grundstücke für die bauliche Umgestaltung vorhandener öffentlicher Erschließungsanlagen (bspw. für die Veränderung von Gehwegen oder des Straßenbelages zur Schaffung einer verkehrsberuhigten Zone1 oder eines Fußgängerbereichs2) oder für eine nachträglich (d.h. statt einer bestehenden öffentlichen Verbindung) errichtete öffentliche Straße3. Dies gilt auch dann, wenn der Anlieger ursprünglich zu den Kosten für die Herstellung der bisherigen Anbindung ihrer Grundstücke nicht herangezogen worden ist4; – Erschließungsbeiträge für den endgültigen Ausbau einer bislang provisorisch angelegten Straße5; – Erschließungsbeiträge für die (straßenbautechnisch identische) Anbindung eines schon bislang durch einen Privatweg erschlossenen Grundstücks an das öffentliche Straßennetz6 (s. aber auch Rz. 1.968). Maßgeblich war in allen Fällen, dass die Grundstücke durch die nachträglichen Erschließungsmaßnahmen weder in ihrer Substanz noch in ihrem Wesen verändert wurden.
1.967 Demgegenüber hat der BFH von einer Gemeinde (wenn auch erst nach Jahren) aufgrund einer Satzungsänderung nachgeforderte Erschließungsbeiträge als nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden gewertet, wenn die Gemeinde lediglich den Berechnungsmaßstab geändert hat, die Beitragspflicht als solche ihren Grund aber nach wie vor in einer erstmaligen Erschließungsmaßnahme hat7. cc) Nachträgliche Beiträge wegen Zweiterschließung
1.968 Erschließungskostenbeiträge der Gemeinden für eine sog. Zweiterschließung von Grundstücken werden erhoben für eine – insoweit regelmäßig erstmalig vorgenommene – Erschließungsmaßnahme, die neben eine bereits vorhandene öffentliche oder private Erschließungsanlage tritt, ohne diese zu ersetzen; das betreffende Grundstück wird durch die Zweiterschließung „zusätzlich erschlossen“, etwa durch – eine nachträglich errichtete öffentliche Straße, mit der ein bislang nur durch einen Privatweg an das öffentliche Straßennetz angebundenes Grundstück – zusätz-
1 BFH v. 22.3.1994 – IX R 52/90, BStBl. II 1994, 842; v. 22.3.1994 – IX R 120/92, BFH/NV 1995, 100. 2 BFH v. 22.3.1994 – IX R 109/90, DB 1994, 2113 = FR 1994, 824. 3 BFH v. 18.1.1995 – XI R 60/94, BFH/NV 1995, 770; v. 19.12.1995 – IX R 5/95, BStBl. II 1996, 134. 4 BFH v. 19.12.1995 – IX R 5/95, BStBl. II 1996, 134. 5 BFH v. 16.7.1996 – IX R 55/94, BFH/NV 1997, 178. 6 BFH v. 7.11.1995 – IX R 99/93, BStBl. II 1996, 89. 7 BFH v. 3.7.1997 – III R 114/95, BStBl. II 1997, 811 = FR 1997, 902 m. Anm. Glanegger.
242 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.969 Kap. 1
lich zu der schon bestehenden privaten Verbindung – angeschlossen wird1 (s. aber auch Rz. 1.966); – eine nachträglich errichtete weitere öffentliche Straße, mit der ein bislang nur durch eine öffentliche Straße an das öffentliche Straßennetz angebundenes Grundstück – zusätzlich zu der schon bestehenden (und auch künftig weiter vorhandenen) öffentlichen Verbindung – angeschlossen wird2. Beiträge für die Zweiterschließung eines Grundstücks durch eine weitere Straße stellen nur dann nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens dar, wenn sich der Wert des Grundstücks aufgrund einer Erweiterung der Nutzbarkeit oder einer günstigeren Lage erhöht. Angesichts einer in diesen Fällen bereits vorhandenen Erschließung liegen diese Voraussetzungen im Regelfall nicht vor3; allerdings kann die Werterhöhung eines Grundstücks – ausnahmsweise – dann eintreten, wenn mit der zweiten Erschließung eine erweiterte Bebaubarkeit verbunden ist4 oder wenn aufgrund einer besonderen (z.B. gewerblichen) Nutzung die besondere Lage des Grundstücks von Vorteil ist5. Gleiches gilt, wenn das Grundstück erstmals eine eigene, selbständige Zufahrtsmöglichkeit erhält6. dd) Nutzungsbezogene Beiträge Beiträge, die den Steuerpflichtigen aufgrund der besonderen Nutzung seines Grund- 1.969 stücks treffen, z.B. – freiwilliger Zuschuss zur Errichtung einer Fußgängerzone7, – betriebsbedingte Stromumstellungskosten8, – Mehrkosten einer gemeindlichen Kläranlage, – Herstellungskosten zur Ableitung von Abwässern9 sind Erhaltungsaufwand und mithin sofort abziehbare Werbungskosten (oder Betriebsausgaben).
1 2 3 4 5 6
BFH v. 7.11.1995 – IX R 54/94, BStBl. II 1996, 190 = FR 1996, 384 m. Anm. Drenseck. BFH v. 12.1.1995 – IV R 3/93, BStBl. II 1995, 632. BFH v. 7.11.1995 – IX R 59/93, n.v.; FG Köln v. 30.3.1993 – 3 K 1219/92, EFG 1994, 427. BFH v. 11.12.2003 – IV R 40/02, BStBl. II 2004, 282 = FR 2004, 410 m. Anm. Kanzler. BFH v. 12.1.1995 – IV R 3/93, BStBl. II 1995, 632. BFH v. 12.1.1995 – IV R 3/93, BStBl. II 1995, 632; v. 7.11.1995 – IX R 54/94, BStBl. II 1996, 190 = FR 1996, 384 m. Anm. Drenseck; FG Münster v. 26.4.1994 – 1 K 2998/93E, FG Münster v. 26.4.1994 – 1 K 2998/93 E, EFG 1994, 873. 7 BFH v. 12.4.1984 – IV R 137/80, BStBl. II 1984, 489. FG Düsseldorf v. 20.2.1990 – 12 K 504/86 E, EFG 1990, 347. 8 BFH v. 13.12.1984 – VIII R 249/80, BStBl. II 1985, 289, v. 22.10.1987 – IV R 4/85, BFH/NV 1988, 229: Verstärkung der Stromversorgung aus betrieblichen Gründen. 9 Vgl. Kupfer, KÖSDI 2001, 12918.
Schallmoser 243
Kap. 1 Rz. 1.970 Steuerorientierte Immobilienübertragung
f) Sonstige abziehbare Werbungskosten aa) Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden
1.970 Aufwendungen für Schönheitsreparaturen und zur Beseitigung kleinerer Schäden und Abnutzungserscheinungen trägt üblicherweise der Mieter, so dass sich für den steuerpflichtigen Vermieter die Frage der steuerlichen Berücksichtigung nicht stellt. Folgende Besonderheiten sind aber zu beachten: – Trägt der Vermieter die Kosten für die Beseitigung von Schäden, stellen solche Aufwendungen grds. Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar1. – Eine Ausnahme gilt für solche Reparaturaufwendungen, die ein Steuerpflichtiger hinsichtlich einer bisher vermieteten Wohnung vor deren eigenen Nutzung durchführt: In einem solchen Fall werden die Aufwendungen maßgebend mit Rücksicht auf die zukünftige private, nicht steuerbare Selbstnutzung des Gebäudes getätigt. Da diese private Veranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung ist, kommt eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten nicht in Betracht2. Gerade derartige Aufwendungen werden erfahrungsgemäß mit Rücksicht auf den persönlichen Geschmack und die Qualitätsanforderungen des Steuerpflichtigen gemacht. Zur Abgrenzung von den der Vermietungszeit einerseits und der nicht steuerbaren Selbstnutzung andererseits zuzuordnenden Aufwendungen stellt der BFH grds. auf den Zeitpunkt der betreffenden Maßnahme ab; ist diese noch während der Vermietungszeit durchgeführt worden, ist typisierend von einer Veranlassung durch die Vermietungstätigkeit auszugehen (s. Rz. 1.976 f.). Allerdings sind Aufwendungen für die im Rahmen einer Veräußerung eines Mietwohngrundstücks vom Verkäufer übernommene Instandsetzung auch dann nicht als Werbungskosten bei den bisherigen Vermietungseinkünften zu berücksichtigen, wenn die betreffenden Arbeiten noch während der Vermietungszeit durchgeführt werden (s. Rz. 1.978). – Hiervon lässt der BFH wiederum eine (Gegen-)Ausnahme zu, wenn Aufwendungen zur Beseitigung eines Schadens notwendig werden, der die mit dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache verbundene Abnutzung (vgl. § 538 BGB) deutlich übersteigt, insbesondere eines mutwillig verursachten Schadens; solche Aufwendungen können Werbungskosten darstellen. In diesen Fällen (z.B. Vandalismus) tritt die Veranlassung der Aufwendungen durch die Vermietung so offenkundig in den Vordergrund, dass die Mitveranlassung durch die zukünftige private Nutzung von untergeordneter Bedeutung ist. Wird z.B. eine funktionstüchtige Kücheneinrichtung vom Mieter so beschädigt, dass sie objektiv (d.h. nicht nur nach den Vorstellungen des Vermieters) nicht mehr genutzt werden kann, hat der Vermieter in Höhe des Wertes, den die Küche vor der Zerstörung hatte, 1 BFH v. 17.7.2007 – IX R 2/05, BStBl. II 2007, 941 = DB 2007, 2459 = NJW 2008, 176, hinsichtlich der Kosten für ein Schadstoffgutachten zur Feststellung der durch einen Mieter verursachten Bodenverunreinigungen. 2 Z.B. BFH v. 21.6.1994 – IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108; v. 7.11.1995 – IX R 81/93, BFH/ NV 1996, 533.
244 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.971 Kap. 1
einen Schaden, der als Werbungskosten zu berücksichtigen ist. Soweit nicht bei Schäden dieser Art Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung gem. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG in Anspruch genommen werden, kann der Steuerpflichtige allerdings nur Aufwendungen in Höhe der Reparaturaufwendungen geltend machen, selbst wenn er eine neue Kücheneinrichtung anschafft. Soweit die Aufwendungen des Steuerpflichtigen den Wert des zerstörten Wirtschaftsguts übersteigen, kommt eine Berücksichtigung als Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt der Schadensbeseitigung nicht in Betracht, auch wenn sie grds. deshalb Erhaltungsaufwendungen darstellen, weil sie den ursprünglichen Zustand lediglich in zeitgemäßer Form wiederherstellen1. – Werden Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden aus einer einbehaltenen Kaution geleistet, führt die Einbehaltung der Mieterkaution zu einer Einnahme im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; Reparaturen, die mit Mitteln der einbehaltenen Kaution durchgeführt werden, führen demgegenüber zu Werbungskosten2. bb) Abrisskosten Für eine Berücksichtigung von AfaA und Abrisskosten als Werbungskosten (statt 1.971 als Herstellungskosten eines neuen Gebäudes; s. hierzu Rz. 1.912) kommt es darauf an, dass das abgerissene Gebäude nicht in der Absicht erworben wurde, es abzureißen3. Die Unterscheidung der Fälle danach, ob das Gebäude mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, ist vor dem Hintergrund der bisherigen Nutzung des abgerissenen Gebäudes zu treffen: Diente die Anschaffung des abgebrochenen Gebäudes allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb oder durch Vermietung oder Verpachtung, ist es nicht gerechtfertigt, nachträglich einen steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang zwischen Anschaffung des später abgebrochenen Gebäudes und der Herstellung des neuen Gebäudes hervorzuheben4. Hieraus folgt: – Wurde das später abgebrochene Gebäude zuvor auf einkommensteuerrechtlich bedeutsame Weise genutzt, tritt der Zusammenhang des Abbruchvorgangs mit der Herstellung des neuen Gebäudes in den Hintergrund. Maßgeblich für die Abziehbarkeit bleibt die vorherige Nutzung des (abgebrochenen) Objekts. – Abrisskosten und die AfaA sind folgerichtig nicht als sofort abziehbare Aufwendungen zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige mit der bisherigen Nutzung des Gebäudes keinen Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht5. In diesem Fall bilden seine Aufwendungen zunächst Kosten der Lebensführung. Wird das Grundstück vom Steuerpflichtigen später – nach dem Abbruch des Altgebäu1 BFH v. 11.7.2000 – IX R 48/96, BStBl. II 2001, 784. 2 BFH v. 11.7.2000 – IX R 48/96, BStBl. II 2001, 784. 3 Vgl. BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620 = DB 1978, 2296; v. 6.12.1995 – X R 116/91, BStBl. II 1996, 358. 4 Vgl. BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620 = DB 1978, 2296, unter D. II.1. b der Gründe. 5 BFH v. 16.4.2002 – IX R 50/00, BStBl. II 2002, 805.
Schallmoser 245
Kap. 1 Rz. 1.971 Steuerorientierte Immobilienübertragung
des – neu bebaut, stehen die Abrisskosten und die AfaA ausschließlich im Zusammenhang mit dem Neubau und bilden Herstellungskosten des neuen Gebäudes1. cc) Zweitwohnungssteuer
1.972 Die vom Inhaber einer Ferienwohnung gezahlte Zweitwohnungssteuer ist mit dem auf die Vermietung der Wohnung an wechselnde Feriengäste entfallenden zeitlichen Anteil als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar2. g) Zuordnung von Aufwand aa) Zeitliche Zuordnung (1) Grundsatz: Abflussprinzip
1.973 Aufwand wird bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach dem Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) in dem Veranlagungszeitraum abgesetzt, in dem er geleistet wird. Hiervon abweichend kann der Steuerpflichtige – Erhaltungsaufwendungen in Sanierungsgebieten und bei Baudenkmälern auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen (§§ 11a, 11b EStG); – größeren Erhaltungsaufwand bei Gebäuden, die zu mehr als der Hälfte Wohnzwecken dienen, nach § 82b EStDV auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen; verstirbt der Steuerpflichtige innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Versterbens als Werbungskosten abzusetzen3. Ferner sind Ausgaben (insbesondere Erbbauzinsen), die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG). (2) Werbungskostenabzug in der Zeit und jenseits zufließender Einnahmen (a) Vorab entstandene Werbungskosten
1.974 Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt wer1 Vgl. auch BFH v. 20.6.2001 – IX R 22/98, BFH/NV 2002, 16. 2 BFH v. 15.10.2002 – IX R 58/01, BStBl. II 2003, 287 = DB 2003, 315 = ZfIR 2003, 298; s. auch BFH v. 30.10.2002 – IX R 103/00, BFH/NV 2003, 745. 3 BFH v. 10.11.2020 – IX R 31/19, BStBl. II 2021, 474. Die abweichende Rechtsauffassung der FinVerw. (R 21.1 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStR 2012) ist damit überholt.
246 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.976 Kap. 1
den, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird1. Maßgeblich ist daher, dass die Aufwendungen in einer Zeit anfallen, in der der Steuerpflichtige den Entschluss zur Einkünfteerzielung endgültig gefasst (und nicht wieder aufgegeben) hat, namentlich dadurch, dass er das betreffende Immobilienobjekt vermieten will. Vorab entstandener Aufwand steht dann aber nicht mit einer künftigen Vermietung in einem ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang, wenn bereits ein anderer, zeitlich und inhaltlich vorrangiger Veranlassungszusammenhang gegeben ist. Veräußert etwa der Steuerpflichtige eine im Privatvermögen befindliche, zuvor nicht vermietete (sondern selbstgenutzte) Immobilie, um sich die nötigen Geldmittel für die Anschaffung eines künftigen Vermietungsobjekts zu beschaffen, sind die für die Veräußerung der privaten Immobilie angefallenen Kosten grundsätzlich keine vorab entstandenen Werbungskosten bei den späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der noch zu erwerbenden Immobilie. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Steuerpflichtige ohne wirtschaftlichen oder rechtlichen Zwang zur Veräußerung der privaten Immobilie entschlossen hat und er auch über die Verwendung des Veräußerungserlöses frei disponieren kann2. (b) Nachträgliche Werbungskosten Nachträgliche Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie mit früheren steuerba- 1.975 ren Einnahmen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Sie gehören nach § 24 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, weil sie mit einem früheren „Rechtsverhältnis“ (Vermietungstätigkeit) zusammenhängen. Das Problem nachträglicher Werbungskosten stellt sich insbesondere – bei nachträglichen Schuldzinsen (s. Rz. 1.939) und – bei der Frage nach dem (zeitlichen) Veranlassungszusammenhang von Reparaturaufwendungen für eine bislang zur Einkünfteerzielung genutzte (d.h. vermietete) bzw. eine später zur Einkünfteerzielung vorgesehene Wohnung. Hier nimmt die Rechtsprechung eine typisierende Betrachtung vor (s. Rz. 1.976). (3) Typisierung bei Renovierungs- oder Erhaltungsaufwand Bei den während der Vermietungszeit durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen ist 1.976 typisierend anzunehmen, dass sie noch der Einkünfteerzielung dienen und die dadurch entstandenen Aufwendungen – unabhängig vom Zahlungszeitpunkt (§ 11 Abs. 2 EStG) – grds. als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Eine Aufteilung
1 BFH v. 4.7.1990 – GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830; v. 11.1.2005 – IX R 15/03, BStBl. II 2005, 477 = DB 2005, 1146; v. 28.10.2008 – IX R 1/07, BStBl. II 2009, 848 = DB 2008, 2741; v. 11.8.2010 – IX R 3/10 BStBl. II 2010, 166 = DB 2010, 2537 = NJW 2011, 1022; Brandis/ Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 266. 2 BFH v. 29.10.2019 – IX R 22/18, BFH/NV 2020, 194.
Schallmoser 247
Kap. 1 Rz. 1.976 Steuerorientierte Immobilienübertragung
der Aufwendungen auf den Zeitraum der Vermietung und auf den der Selbstnutzung im Wege der Schätzung scheidet mangels objektiver Abgrenzungskriterien aus. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt der Reparatur1.
1.977 Aufwendungen für vor Beginn oder nach dem Ende der Vermietungstätigkeit (bspw. in Zeiten der Selbstnutzung) anfallende Maßnahmen (Renovierung der Wohnung, Schönheitsreparaturen, Beseitigung von Abnutzungserscheinungen, Erneuerung der Heizung) sind – in gleicher Weise typisierend – nicht als Werbungskosten abziehbar2; dies gilt selbst dann, wenn sie der frühere Mieter hätte durchführen müssen3. Hiervon lässt die Rechtsprechung eine Ausnahme zu, wenn Aufwendungen zur Beseitigung eines Schadens notwendig werden, der die mit dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache verbundene Abnutzung (vgl. § 538 BGB) deutlich übersteigt, insbesondere eines mutwillig verursachten Schadens4 (z.B. Vandalismus; s. Rz. 1.970). 1.978 Übernimmt der Verkäufer im Rahmen der Veräußerung eines Mietwohngrundstücks die Instandsetzung, sind dadurch bedingte Aufwendungen durch die Veräußerung veranlasst und können auch dann nicht als Werbungskosten bei den bisherigen Vermietungseinkünften abgesetzt werden, wenn die betreffenden Arbeiten noch während der Vermietungszeit durchgeführt werden5. (4) Vergebliche Werbungskosten und Aufgabeaufwendungen
1.979 Bei vergeblichen Werbungskosten verwirklicht der Steuerpflichtige den subjektiven Tatbestand (die Einkünfteerzielungsabsicht, s. Rz. 1.810 ff.), der beabsichtigte Erfolg (in Form von Einnahmen durch Vermieten) stellt sich aber nicht ein. Vergebliche Werbungskosten sind immer auch „vorab entstanden“ (s. Rz. 1.974), weil der Steuerpflichtige den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG letztendlich nicht verwirklicht. Als vergebliche Werbungskosten abziehbar sind bspw. – Schadensersatzzahlungen, die der Käufer eines Mietobjektes an den Verkäufer infolge einer Vertragsaufhebung leistet, um sich von seiner gescheiterten Investition zu lösen6 sowie – damit zusammenhängende Rechtsanwalts-, Notarkosten und Gerichtskosten7.
1 BFH v. 10.10.2000 – IX R 15/96, BStBl. II 2001, 787; v. 20.2.2001 – IX R 49/98, BFH/NV 2001, 1022; v. 1.4.2009 – IX R 51/08, ErbStB 2009, 239 = BFH/NV 2009, 1259. 2 BFH v. 17.12.2002 – IX R 6/99, BFH/NV 2003, 610; v. 23.11.2006 – IX B 109/06, BFH/NV 2007, 680; v. 1.4.2009 – IX R 51/08, ErbStB 2009, 239 = BFH/NV 2009, 1259; Brandis/ Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 277. 3 BFH v. 17.12.2002 – IX R 6/99, BFH/NV 2003, 610. 4 BFH v. 11.7.2000 – IX R 48/96, BStBl. II 2001, 784. 5 BFH v. 14.12.2004 – IX R 34/03, BStBl. II 2005, 343 = DB 2005, 585; v. 25.2.2009 – IX R 80/07, BFH/NV 2009, 1414; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 278. 6 BFH v. 15.11.2005 – IX R 3/04, BStBl. II 2006, 258 = DB 2006, 195; v. 7.6.2006 – IX R 45/05, BStBl. II 2006, 803; v. 15.12.2009 – IX R 55/08, BFH/NV 2010, 863. 7 Vgl. BFH v. 15.11.2005 – IX R 3/04, BStBl. II 2006, 258 = DB 2006, 195.
248 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1002 Kap. 1
bb) Sachliche Zuordnung: Werbungskosten bei abgekürztem Vertragsweg Erhaltungsaufwendungen sind auch dann Werbungskosten des Steuerpflichtigen 1.980 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie auf einem von einem Dritten im eigenen Namen, aber im Interesse des Steuerpflichtigen abgeschlossenen Werkvertrag beruhen und der Dritte dem Steuerpflichtigen den Betrag zuwendet1. Der abgekürzte Vertragsweg führt nicht zu sog. „Drittaufwand“, den der Steuerpflichtige wegen der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit nicht geltend machen könnte, sondern zu eigenem Aufwand. Der Aufwand des Dritten – regelmäßig ein Angehöriger – liegt allein darin, dass er dem Steuerpflichtigen etwas zuwendet, indem er den in dessen Interesse geleisteten Betrag nicht zurückfordert. Einstweilen frei.
1.981–1.1000
4. Investitionszulagen Literatur: Bungenberg/Motzkus, Die Praxis des Subventions- und Beihilfenrechts in Deutschland, WiVerw 2013, 73; Eisolt, Praxisfragen der Investitionszulage für Erbbauberechtigte nach dem InvZulG 2010, BB 2010, 1703; Ludolph, Gewährung von Investitionszulage für Fotovoltaikanlagen, NWB 2009, 3564.
Die Investitionszulage ist – neben den Investitionszuschüssen aus Mitteln der Ge- 1.1001 meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA) i.S.v. Art. 91a GG – das wichtigste Instrument der Investitionsförderung im Rahmen der regionalen Strukturpolitik in Deutschland2. Gemäß § 1 Abs. 2 InvZulG 2010 werden im Fördergebiet (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen) sowie in Teilen des Landes Berlin (ohne D-Fördergebiete) betriebliche Investitionen im Zeitraum von Anfang 2010 bis Ende 2013 in der Weise gefördert, dass bei Erstinvestitionen eine Investitionszulage von bis zu 12,5 % und bei Investitionen in kleine und mittlere Betriebe von bis zu 25 % gewährt werden. Die Investitionszulage gehört nicht zu den Einkünften i.S.d. EStG. Sie mindert nicht die steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 13 InvZulG 2010). Begünstigte Investitionen sind gem. § 2 Abs. 1 InvZulG neue abnutzbare bewegliche 1.1002 Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie gem. § 2 Abs. 2 InvZulG 2010 die Anschaffung neuer Gebäude einschließlich von Eigentumswohnungen und Teileigentum sowie die Herstellung neuer Gebäude, vorausgesetzt, die Gebäude gehören zu einem Erstinvestitionsvorhaben i.S.v. § 2 Abs. 3 InvZulG 2010 und werden mindestens fünf Jahre nach dem Abschluss des Investitionsvorhabens in einem begünstigten Betrieb verwendet (Bindungszeitraum). Der Erwerb eines Grundstücks zählt in diesem Zusammenhang noch nicht als Beginn des Erstinvestitionsvorhabens. Be-
1 BFH v. 15.11.2005 – IX R 25/03, BStBl. II 2006, 623; v. 15.1.2008 – IX R 45/07, ErbStB 2008, 101 = DStR 2008, 495; zustimmend BMF v. 7.7.2008 – IV C 1 - S 221 1/07/10007, BStBl. I 2008, 717. 2 Uhlmann, DStR 2006, 1577.
Schallmoser 249
Kap. 1 Rz. 1.1002 Steuerorientierte Immobilienübertragung
triebe des Beherbergungsgewerbes, d.h. Betriebe der Hotellerie (Hotels, Hotels garni, Gasthöfe und Pensionen), Jugendherbergen und Hütten, Campingplätze sowie Erholungs- und Ferienheime wurden in die begünstigten Wirtschaftszweige einbezogen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 2010).
1.1003 Die Laufzeit des InvZulG 2010 umfasst den Zeitraum bis einschließlich 2013. Eine Fortsetzung der Investitionszulage ist nicht geplant. III. Wiederkehrende Bezüge und Leistungen Literatur: Barry, Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2014, 401; Bergschneider/ Engels, Leibrente statt Unterhalt, FamRZ 2014, 436; Dräger, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bei Privat- und Betriebsvermögen, StBW 2010, 124; Durst, Ablösung des Nießbrauchs durch Versorgungsleistungen, BeSt 2016, 7; Engelberth, Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen, NWB 2016, 1094; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen, notar 2015, 144; Geck, Der Rentenerlass IV zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Schwerpunkte und Bewertung aus Sicht der Beratungspraxis, ZEV 2010, 161; Geck, Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und das EU-Recht: Rückblick und Ausblick, ZEV 2011, 450; Geck, Nachträgliche Umschichtung von Vermögen bei vorweggenommener Erbfolge in sog. Altfällen, DStR 2011, 1215; Geck, Übergabe von Mitunternehmeranteilen gegen Versorgungsleistungen: Gestaltungsüberlegungen hinsichtlich der Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen, DStR 2011, 1303; Geck, Unionsrechtswidriger Abzugsausschluss für Versorgungsleistungen bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG, ZEV 2015, 597; Goetze, Der lebzeitige Nießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens im Steuerrecht, RNotZ 2013, 147; Günther, Nießbrauch und andere Nutzungsrechte bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, EStB 2013, 427; Günther, Unentgeltlicher und teilentgeltlicher Erwerb von Immobilien des Privatvermögens, EStB 2013, 464; Günther, Übertragung von GmbH-Anteilen gegen wiederkehrende Leistungen wird zur Steuerfalle, GStB 2011, 346; Halaczinsky, Sonderausgaben – Versorgungsleistungen für die Übertragung eines GmbH-Anteils, ErbStB 2016, 362; Hecht, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, Diss., Hamburg 2012; Kanzler, Versorgungsleistungen aufgrund eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags, NWB 2014, 2926; Kanzler, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gestern und heute, FR 2014, 899; Kanzler, Zur Wandlung des Wirtschaftsüberlassungsvertrags vom unentgeltlichen zum entgeltlichen Geschäft, FR 2014, 1090; Korn, Einkommensteuerliche Beurteilung von Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen zur vorweggenommenen Erbfolge im Lichte des „Vierten Rentenerlasses“, KÖSDI 2010, Nr. 4, 16920; Krogoll, Der Ertragsnießbrauch am Mitunternehmeranteil als Gestaltungsinstrument, ErbStB 2014, 314; Krumm, Die Übertragung von unternehmerischen Einheiten gegen Versorgungsleistungen: Überschreitung gleichheitsrechtlicher Gestaltungsspielräume anlässlich einer legitimen gesetzlichen Neukonzeption, StuW 2011, 159; Krumm, Bedeutung des „Korrespondenzprinzips“ für die unionsrechtliche Rechtfertigung des § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG, IWB 2014, 13; Lederle/Wanner, Die vorweggenommene Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neuen FGRechtsprechung, DStR 2015, 2270; Mayer, Zur Übertragung von Vermögenswerten und den diesbezüglich geltenden neuen Regelungen – Anmerkung zum Urteil des BFH vom 12.5.2015 (IX R 32/14), MittBayNot 2016, 450; Pauli/Kammerloher-Lis, Unternehmensnachfolge – Vorweggenommene Erbfolge gegen Versorgungsleistungen, SteuK 2011, 449; Paus, Übertragung privater Grundstücke gegen wiederkehrende Bezüge, NWB 2014, 992; Reddig, „Gleitende“ Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen umfassender Bestandsschutz für Altfälle!?
250 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1004 Kap. 1
NWB 2014, 2773; Schuster, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, in: Steuerrecht im Rechtsstaat (Festschrift für Wolfgang Spindler zum 65. Geburtstag) 2011, 749; Stinn, Vorweggenommene Erbfolge in die Familien-GmbH, NWB 2014, 2538; Wälzholz, Ausschlagung gegen Abfindung in der ertragsteuerlichen Gestaltungspraxis, in FS für Michael Streck zum 70. Geburtstag 2011, 245.
1. Rechtslage für bis zum 31.12.2007 vereinbarte Übertragungen Wurde eine Vermögensübertragung bis einschließlich VZ 2007 vertraglich verein- 1.1004 bart, sind darauf beruhende Versorgungsleistungen – auch künftig – nach den bisher geltenden Regeln des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der bis 31.12.2007 geltenden a.F.1 als Sonderausgabe abziehbar2. Die Übergangsregelung in § 52 Abs. 23e EStG a.F.3 sieht vor, dass alle bis zum 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragungen für die volle Laufzeit entsprechend der bisherigen Rechtslage beurteilt werden mit Ausnahme von Vermögen, das nur deshalb einen ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen – mit Ausnahme des Nutzungsvorteils – eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks zu den Erträgen des Vermögens gerechnet werden. Zur Ablösung eines Nießbrauchs und der Vereinbarung von Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der gleitenden Übergabe von Privatvermögen s. näher Rz. 7.169. Bei der Vereinbarung von wiederkehrenden Bezügen und Leistungen kommt nach altem Recht – je nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem Charakter des Vertragsverhältnisses – eine Beurteilung als – private Versorgungsrente4 (s. Rz. 1.1005 f.), – Veräußerungsrente5 (s. Rz. 1.1007), – betriebliche Versorgungsrente6 (s. Rz. 1.1008) oder – nicht abziehbare Unterhaltungszahlung (§ 12 Nr. 2 EStG; s. Rz. 1.1009)7 in Betracht8.
1 Die alte Rechtslage gilt für Verträge, die auf bis einschließlich 31.12.2007 vereinbarten Vermögenübertragungen beruhen, s. § 52 Abs. 23a Satz 1 EStG. 2 Siehe hierzu im Einzelnen Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 100 ff.; Brandis/Heuermann/Hutter, § 10 EStG Rz. 123 ff. 3 § 52 Abs. 18 EStG n.F. 4 BFH v. 12.5.2003 – GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95 = DB 2003, 2149 = ZEV 2003, 420 = ZNotP 2003, 432; v. 12.5.2003 – GrS 2/00, BStBl. II 2004, 100 = DB 2003, 2153 = ZEV 2003, 424 = MittBayNot 2004, 310. 5 BFH v. 4.5.1955 – IV 579/53 U, BStBl. III 1955, 302; BFH v. 25.7.1991 – XI R 9/85, BFH/ NV 1992, 30. 6 BFH v. 12.5.1966 – IV 80/63, BStBl. III 1966, 597; v. 27.6.1989 – VIII R 337/83, BStBl. II 1989, 888. 7 BFH v. 23.1.1964 – IV 8/62 U, BStBl. III 1964, 422. 8 Spiegelberger, StBg 1995, 493.
Schallmoser 251
Kap. 1 Rz. 1.1005 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1005 Private Versorgungsrenten wurden seit jeher in Leibrenten oder dauernde Lasten unterteilt1: – Wurden bei der Vermögensübergabe ausdrücklich gleichbleibende, unabänderbare lebenslange wiederkehrende Leistungen vereinbart, durfte der sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergebende Ertragsanteil der sog. Leibrente als Sonderausgabe gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG vom Zahlenden geltend gemacht werden; der Leibrentenbezieher musste korrespondierend den Ertragsanteil besteuern (Korrespondenzprinzip). – Soweit im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge keine gleichmäßigen Bezüge vereinbart wurden, sondern sich die Zahlungen nach dem Umsatz oder dem Gewinn eines Unternehmens richteten oder die jeweilige Höhe von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten oder Berechtigten abhing, im Übrigen aber der Charakter einer Leibrente gegeben war, handelte es sich um dauernde Lasten, die beim Empfänger in voller Höhe gem. als Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG erfasst wurden, während der Zahlende die dauernde Last in voller Höhe gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgabe geltend machen durfte (sog. Korrespondenzprinzip)2.
1.1006 Bei einer Rentenvereinbarung zwischen Familienangehörigen besteht die Vermutung, dass die wiederkehrenden Zahlungen der Versorgung des Übergebers dienen, so dass eine Versorgungsrente in der Form der dauernden Last anzunehmen ist, vorausgesetzt, dass die Rente aus den Erträgen des übernommenen Vermögens erwirtschaftet werden kann. Kann die Rente nicht aus dem Ertrag des vom Erwerber übernommenen Grundstückes aufgebracht werden, sind die wiederkehrenden Zahlungen als Gegenleistung zu beurteilen, also wie eine Veräußerungsrente. Übersteigt der Rentenbarwert den Wert des übertragenen Gegenstandes, liegt insoweit eine Unterhaltszahlung vor3. Veräußerungspreis ist der nach Rz. 51 des BMF-Schreibens vom 16.9.20044 zu ermittelnde Barwert der wiederkehrenden Leistungen. 1.1007 Bei Vereinbarungen unter fremden Dritten ist davon auszugehen, dass lebenslange Rentenzahlungen ein (Teil-)Entgelt für die Gegenleistung darstellen, so dass eine Veräußerungsrente vorliegt. Die Rechtsprechung legt folgende Grundsätze an5: – Beim Zahlenden führt die Veräußerungsrente nicht zum Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG; denn Zinsen als Entgelt für die Überlassung von Kapital stellen keine Aufwendungen dar.
1 BFH v. 15.7.1991 – GrS 1/90, BStBl. II 1992, 78 = FR 1991, 742 m. Anm. Schmidt; v. 23.11.2016 – X R 8/14, BStBl. II 2017, 512 = DStR 2017, 845. 2 BFH v. 15.7.1991 – GrS 1/90, BStBl. II 1992, 78 = FR 1991, 742 m. Anm. Schmidt. 3 Vgl. BMF v. 16.9.2004 – IV C 3-S 2255-354/04, BStBl. II 2004, 922 Tz. 56. 4 BMF v. 16.9.2004 – IV C 3-S 2255-354/04, BStBl. I 2004, 922 Tz. 3. 5 BFH v. 25.11.1992 – X R 91/89, BStBl. II 1996, 666 = DB 1993, 665 = FR 1993, 268; ebenso Fischer, Wiederkehrende Bezüge und Leistungen, Rz. 63 Fn. 87.
252 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1010 Kap. 1
– Der Zinsanteil von Veräußerungsrenten ist beim Bezieher der Rente als Einnahme zu erfassen; er ist entsprechend der Anwendung der Ertragsanteilstabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG i.V.m. § 55 Abs. 1 EStDV zu ermitteln1. – Eine auf festbestimmte Zeit gezahlte überhöhte Veräußerungsrente ist ggf. in der Weise zu korrigieren, dass der angemessene Teil der Zahlungen, also soweit die Rentenzahlungen dem Wert des übertragenen Vermögensgegenstandes entsprechen, als Anschaffungskosten zu werten sind mit der Folge, dass der Zahlende AfA geltend machen kann2. Steht bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft die 1.1008 betriebliche Fürsorge im Vordergrund und nicht die Entrichtung einer Gegenleistung für erworbene Wirtschafsgüter, soll also die Versorgung des ausscheidenden Gesellschafters oder dessen Ehegatte aus betrieblichen Gründen gewährleistet werden, handelt es sich um eine betriebliche Versorgungsrente, die gem. § 24 Nr. 2 EStG als nachträgliche betriebliche Einkünfte in voller Höhe zu erfassen ist3. Freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten 1.1009 Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten werden, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen, nach § 12 Nr. 2 EStG einkommensteuerrechtlich nicht erfasst; solche Zahlungen sind steuerlich irrelevant. 2. Rechtslage für nach dem 31.12.2007 vereinbarte Übertragungen Bei der Vereinbarung von wiederkehrenden Bezügen und Leistungen kommt nach 1.1010 aktuellem Recht4 – je nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem Charakter des Vertragsverhältnisses – eine Beurteilung als – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 1.1.2008 geltenden neuen Fassung durch das JStG 20085 steuerlich begünstigt ist, oder als – steuerrechtlich nicht (mehr) begünstigtes (ggf. anteiliges) Veräußerungsentgelt bzw. als – steuerrechtlich gem. § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Unterhaltszahlung in Betracht6. 1 Vgl. BMF v. 16.9.2004 – IV C 3-S 2255-354/04, BStBl. I 2004, 922, Tz. 53. 2 BFH v. 31.8.1994 – X R 44/93, BStBl. II 1996, 676 = FR 1995, 231 m. Anm. Weber-Grellet = DStR 1995, 408. 3 BFH v. 12.5.1966 – IV 80/63, BStBl. III 1966, 597 = BStBl. II 1999, 888. 4 Die aktuelle Rechtslage gilt für Verträge, die auf nach dem 31.12.2007 vereinbarten Vermögenübertragungen beruhen, s. § 52 Abs. 23a Satz 1 EStG a.F. = § 52 Abs. 18 Satz 1 EStG n.F. 5 Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Nunmehr § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG. 6 Siehe hierzu Fleischer, ZEV 2007, 475; Spiegelberger, DB 2008, 1063.
Schallmoser 253
Kap. 1 Rz. 1.1011 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1011 Durch das JStG 2008 wurden die Rechtsgrundsätze über die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (nunmehr § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) neu geregelt1. Hintergrund war eine Rechtsprechungsentwicklung, welche auch im Übergang von Grundstücken, Wertpapieren und Geldvermögen steuerbegünstigte Vermögensübertragungen gesehen hat2. Mit dem JStG 2008 hat der Gesetzgeber die Regelungen über die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen auf einen „Kernbereich“ zurückgeführt, nämlich auf die Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Gewerbebetrieben sowie von Betriebsvermögen selbständig Tätiger; diese bezwecken jetzt (nur noch) eine Erleichterung der Übergabe von Betrieben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge3. 1.1012 § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigt „Versorgungsleistungen“; die bisherige Unterscheidung zwischen Renten und dauernden Lasten entfällt4. Nach dieser Regelung wird für nach dem 31.12.2007 vereinbarte Vermögensübertragungen ein Sonderausgabenabzug gewährt auf lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen an einen unbeschränkt Steuerpflichtigen5, die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhen und im Zusammenhang stehen mit der Übertragung – eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine land- und forstwirtschaftliche, eine gewerbliche oder eine selbständige Tätigkeit ausübt (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG), – eines Betriebs oder Teilbetriebs (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG), – eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber Geschäftsführer war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG). Versorgungsleistungen i.S.d. Neuregelung sind in vollem Umfang abziehbar und vom Empfänger der Leistungen zu versteuern6. Abzugsfähig ist auch der Teil der Versorgungsleistungen, der auf den Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft – und damit insbesondere auf die von den Altenteilern genutzte Wohnung – entfällt (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 3 EStG).
1 Kritisch zur Einschränkung des seit über 100 Jahren ununterbrochen angewandten Rechtsinstituts der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen, insbesondere auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten: Spiegelberger, DB 2008, 1063: „nachträglicher Nichtanwendungserlass“. 2 BFH v. 12.5.2003 – GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95 = DB 2003, 2149 = ZEV 2003, 420 = ZNotP 2003, 432; v. 12.5.2003 – GrS 2/00, BStBl. II 2004, 100 = DB 2003, 2153 = ZEV 2003, 424 = MittBayNot 2004, 310. 3 Zustimmend Brandis/Heuermann/Hutter, § 10 EStG Rz. 90. 4 Die Unterscheidung zwischen (Leib-)Renten und dauernden Lasten ist mithin nur noch zivilrechtlich von Bedeutung, s. hierzu Spiegelberger, Steuerrecht in der Gestaltungspraxis, 190. 5 Zur Frage eines unionsrechtswidrigen Abzugsausschlusses für Versorgungsleistungen bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG s. Geck, ZEV 2011, 450; Krumm, IWB 2014, 13; Geck, ZEV 2015, 597. 6 Vgl. Wälzholz, DStR 2008, 273; Spiegelberger, DB 2008, 1063.
254 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1015 Kap. 1
Nicht mehr mit dem Sonderausgabenabzug begünstigt – da begrifflich keine „Ver- 1.1013 sorgungsleistung“ i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG – ist die Übertragung von im Privatvermögen befindlicher Immobilien (zur Ausnahme für die Altenteilerwohnung s. Rz. 1.553) und anderer Vermögenswerte, die nicht in der Vorschrift genannt sind, etwa Beteiligungen an Aktiengesellschaften und GmbH-Minderheitsbeteiligungen. Für in diesem Sinne nicht (mehr) begünstigte Übertragungen gelten ab 2008 grds. 1.1014 die allgemeinen Regeln1. Leistungen an den Übergeber eines nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigten Vermögens (etwa einer GmbH-Minderheitsbeteiligung) sind daher danach zu untersuchen, ob und ggf. inwieweit sie „Gegenleistungscharakter“ haben oder bloße Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG) darstellen2. Die Finanzverwaltung3 unterscheidet wie folgt:
1.1015
– Grundsätzlich sei von einem Veräußerungsvorgang auszugehen; dies gelte nicht nur bei der Übertragung von nicht begünstigtem Vermögen, sondern auch dann, wenn die erzielbaren Nettoerträge nicht ausreichten, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen4. Veräußerungsentgelte seien aufzuteilen in einen Tilgungsanteil und einen Zinsanteil5. Der Übernehmer hat hinsichtlich des Zinsanteils Finanzierungskosten, hinsichtlich des Tilgungsanteils (d.h. hinsichtlich des Kapitalwerts) Abschreibungspotential6. Der Übergeber erzielt in Höhe des Kapitalwerts einen Veräußerungserlös, der ggf. nach §§ 16, 17, 20 Abs. 2, 23 EStG steuerbar ist7; – ist der Wert des übertragenen Vermögens höher als der Kapitalwert der wiederkehrenden Leistungen, handelt es sich um eine teilentgeltliche Veräußerung8; – ist der Wert der wiederkehrenden Leistungen höher als Wert des übertragenen Vermögens, liegt in Höhe des angemessenen Kaufpreises ein Veräußerungsvorgang vor; die übersteigenden wiederkehrenden Leistungen sind Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG)9; – ist der Barwert der wiederkehrenden Leistungen mehr als doppelt so hoch wie der Wert des übertragenen Vermögens, liegt insgesamt eine (unentgeltliche) Zuwendung vor10. 1 Gl.A. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 97; zu Gestaltungmöglichkeiten s. Fleischer, ZEV 2007, 475; Spiegelberger, DB 2008, 1063; s. ferner Risthaus, DB 2007, 240; Röder, DB 2008, 151; Wälzholz, DStR 2008, 277. 2 Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. etwa Geck, ZEV 2010, 161; Geck, DStR 2011, 1303; Fleischer, notar 2015, 144. 3 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 57. 4 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 57. 5 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 65. 6 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 69 ff.; vgl. auch Spiegelberger, DB 2008, 1063; Reddig, DStZ 2010, 445 (450). 7 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 73 f. 8 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 66 Satz 4. 9 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 66 Satz 1. 10 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Tz. 66 Satz 3.
Schallmoser 255
Kap. 1 Rz. 1.1016 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1016 Der Auffassung der Finanzverwaltung ist der BFH – unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise – im Ergebnis gefolgt1; u.E. vermag die Begründung der Entscheidung systematisch nicht zu überzeugen (s. a. Rz. 7.283). Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge stellt dem Grunde nach (abgesehen bspw. von den Fällen der Übernahme privater Schulden oder der Vereinbarung von Abstands- und Gleichstellungsgeldern) eine unentgeltliche Übertragung dar; denn zivilrechtlich handelt es sich regelmäßig – maßgeblich ist naturgemäß die vertragliche Gestaltung im Einzelfall – um eine Auflagenschenkung2. Aus der Rechtsnatur der Auflage (§ 525 BGB) als einer der Schenkung beigefügten Beschwerung (nicht: Gegenleistung im steuerrechtlichen Sinne!) ergibt sich, dass die Auflagenschenkung zivilrechtlich eine nicht aufteilbare Vollschenkung ist3. Dieser Grundgedanke der von den Beteiligten gewollten Unentgeltlichkeit – für die unter Angehörigen überdies eine (widerlegbare) tatsächliche Vermutung spricht4 – wird nicht dadurch beseitigt, dass der Gesetzgeber das „Sonderrecht“ des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. aus fiskalischen Gründen eingeengt hat. Mit anderen Worten: Die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs ändert an der grundsätzlichen (zivilrechtlichen) Unentgeltlichkeit der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen5 nichts. Vor diesem Hintergrund vollzieht die Regelung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 EStG steuerrechtlich lediglich den zivilrechtlichen Befund der Unentgeltlichkeit6 nach, wenn es die Übertragung (bestimmter) Vermögen gegen Versorgungsleistungen als unentgeltlich fingiert („Dies gilt nur für …“) und mit dem Sonderausgabenabzug privilegiert. Warum aber die zivilrechtliche Wertung der Unentgeltlichkeit für die Übertragung von nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigtem Vermögen aus 1 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166; in diesem Sinne auch Risthaus, DB 2010, 744, 749; Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 97; Schmidt/Krüger41, § 10 EStG Rz. 112; a.A. Fleischer, ZEV 2007, 475; Spiegelberger, DB 2008, 1063; Spiegelberger, Steuerrecht in der Gestaltungspraxis, 191. 2 Vgl. BGH v 31.1.1970 – V ZR 41/67, FamRZ 1970, 185; v. 7.4.1989 – V ZR 252/87, BGHZ 107, 156 = MDR 1989, 803; s. hierzu a. Fleischer, ZEV 2007, 475 (478); Spiegelberger, DStR 2007, 1277 (1281). 3 Vgl. FG Köln v. 5.6.2009 – 9 K 4279/07, ErbStB 2009, 297; FG Düsseldorf v. 2.6.2009 – 16 V 896/09 A(E, AO), ZSt 2009, 131 = EFG 2009, 1931; OLG Düsseldorf v. 12.2.2007 – I-9 U 112/06, juris. 4 Zur Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Wertung s. etwa BFH v. 12.7.2017 – VI R 59/15, BStBl. II 2018, 461 = DStR 2017, 2164. 5 BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847 = FR 1990, 670 = DB 1990, 2196 = NJW 1991, 254 = MittRhNotK 1990, 233 = MittBayNot 1990, 372, unter c.II.1c. und d. der Entscheidungsgründe (= Tz. 68, 72): „Versorgungsleistungen, die anlässlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, stellen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten … dar. (…) Ein Steuerpflichtiger, der Vermögen unter der Zusage von Versorgungsleistungen übernimmt, erwirbt unentgeltlich … .“ 6 Vgl. etwa BFH v. 29.1.1992 – X R 193/87, BStBl. II 1992, 465; v. 9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47.
256 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1030 Kap. 1
dem Blickwinkel des Vermögensübergebers keine Bedeutung haben (und damit zu einem „Veräußerungsgeschäft“ führen) soll, vermag die Auffassung der Finanzverwaltung nicht tragfähig zu begründen. Sie berücksichtigt gerade nicht, dass die „Versorgungsleistung“ regelmäßig eine der Schenkung beigefügte Beschwerung und damit nicht notwendig „Gegenleistung“ ist (zu den möglichen steuerrechtlichen Rechtsfolgen einer „Teilentgeltlichkeit“ der Übergabe privaten Immobilienvermögens beim Vermögensübergeber s. Rz. 12.103). Wirtschaftlich betrachtet führt die Auffassung der Finanzverwaltung – auch im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip1 – lediglich für den Vermögensübernehmer zu einem sachgerechten Ergebnis. Soweit man mit der Finanzverwaltung annimmt, dass dieser für den Erwerb von Vermögen (etwa eine private Immobilie), das anschließend zur Einkunftserzielung (Vermietung) genutzt wird, eine „Gegenleistung“ in Form von Versorgungsleistungen an den Vermögensübergeber erbringt (sowie ggf. Aufwendungen zu deren Finanzierung hat), kann dieser Aufwand grundsätzlich bei der Einkünfteermittlung geltend gemacht werden2: Dem Übernehmer entstehen in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen Anschaffungskosten, von denen er AfA vornehmen kann; den in den laufenden Zahlungen enthaltenen Zinsanteil kann er dann als laufenden Aufwand (Werbungskosten) abziehen, ebenso wie einen etwaigen Finanzierungsaufwand (bspw. Bankspesen, Schuldzinsen etc.). Beim Vermögensübergeber führt die Auffassung der Finanzverwaltung dazu, dass ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften (§§ 16, 17, 20, 23 EStG) vorliegen kann. Ist dies der Fall, wird der Übernehmer auf alternative Gestaltungsmöglichkeiten (bspw. Nießbrauch) ausweichen. Liegt – etwa bei Übergabe einer im Privatvermögen gehaltenen Immobilie nach Ablauf der Haltefrist – kein Veräußerungsgeschäft vor, kann für den Übernehmer weiterhin die Gestaltung über eine Versorgungsrente attraktiv sein. Einstweilen frei.
1.1017–1.1030
IV. Bauabzugssteuer (§§ 48 ff. EStG) Literatur: Apitz, Steuerabzug bei Bauleistungen, FR 2002, 10; Balmes/Ambroziak, Vorschriften zum Steuerabzug bei Bauleistungen mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar?, BB 2009, 706; Bubeck/Stiegler, Update Bauabzugsteuer – Überblick über aktuelle Rechtsfragen, NWB 2021, 1034; Diebold, Der Bausteuerabzug – ein „Steuer“-Abzug ohne Steuer, DStZ 2002, 252; Diebold, Die Anrechnung des Bausteuerabzugs – Entstehung, Fälligkeit und Durchführung, DStZ 2002, 471; Diebold, Haftung für den Bausteuerabzug, DStR 2002, 1336; Diebold, Erstattung des Bausteuerabzugs – Entstehung, Fälligkeit, Durchführung, DStZ 2003, 413; Ebling, Der Steuerabzug bei Bauleistungen, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51–52; Eggers, Die Neuregelungen im BMF-Schreiben v. 27.12.2002 zur Bauabzugsbesteuerung, StuB 2003, 342; Gehm, Die Haftung des Leistungsempfängers für die Bauabzugsteuer gem. § 48a Abs. 3 EStG.
1 Siehe Reddig, DStZ 2010, 444 (450 f.); Paus, NWB 2014, 992 (995). 2 Siehe Stellungnahme des Bundesrates zum JStG 2008 vom 21.9.2007, BT-Drucks. 16/6739, 8.
Schallmoser 257
Kap. 1 Rz. 1.1031 Steuerorientierte Immobilienübertragung Risikoprofil in der Praxis, StBp 2018, 99; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf einen Freistellungsbescheid gem. § 48b EStG, DStR 2003, 823; Heister, Bauabzugssteuer nach § 48 EStG, StW 2011, 164; Hoor/Hübner, Bauabzugssteuer und Gewährleistungsvereinbarungen, BB 2003, 709; Lieber, Die neue Steuerabzugspflicht für Leistungen am Bau, DStR 2001, 1470; Schmitt/Seitz, Zweifelsfragen beim Steuerabzug von Vergütungen für Bauleistungen, Stbg. 2001, 669; Schroen, Steuerabzug für Bauleistungen ausländischer Unternehmer, IStR 2001, 714; Stickan/Martin, Die neue Bauabzugsbesteuerung, DB 2001, 1441; Schwenke, Steuerabzug im Baugewerbe: Viel Lärm um nichts? – Erste Bewertung des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe, BB 2001, 1553; Wübbelsmann, Die Bauabzugssteuer im grenzüberschreitenden Verkehr, IStR 2003, 802.
1. Allgemeines
1.1031 Unter den Voraussetzungen der §§ 48 ff. EStG1 trifft den Empfänger von Bauleistungen eine Verpflichtung zum Steuerabzug i.H.v. 15 % des zu zahlenden Betrages. Voraussetzung hierfür ist, dass – Bauleistungen (§ 48 Abs. 1 Satz 3 EStG) – von „jemandem“ (sog. Leistender) – an einen Unternehmer i.S.d. § 2 UStG oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (sog. Leistungsempfänger) – im Inland erbracht werden. 2. Tatbestandsmerkmale des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG
1.1032 Der Begriff der Bauleistungen ist in § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG legal definiert; umfasst sind „alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen“. 1.1033 Unter den Begriff des Leistenden (das Gesetz spricht insoweit lediglich von „jemand“) fallen sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personenvereinigungen (bspw. GbR, Arbeitsgemeinschaft), unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland ansässig, unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig und Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sind2. Als Leistender gilt auch derjenige, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie selbst erbracht zu haben. Mithin ist der Steuerabzug auch von der Vergütung vorzunehmen, die ein Generalunternehmer erhält, der selbst nicht als Bauunternehmer tätig wird, aber mit dem Leistungsempfänger die Leistungen der beauftragten Subunternehmer abrechnet. Dagegen ist die Abrechnung
1 Siehe BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399. 2 Kirchhof/Seer/Gosch21, § 48 EStG Rz. 8; BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 24 ff.; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13093; abw. Apitz in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 48 EStG Rz. 9 f.: teleologische Reduktion erforderlich; Stickan/Martin, DB 2001, 1441 (1444).
258 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1037 Kap. 1
einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit den Eigentümern keine Abrechnung i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG1. Schließt eine Arbeitsgemeinschaft Verträge über Bauleistungen mit Leistungsemp- 1.1034 fängern ab, ist die Arbeitsgemeinschaft Leistende i.S.d. § 48 Abs. 1 EStG. Erbringt ein Partner der Arbeitsgemeinschaft aufgrund eines eigenen Vertrages Bauleistungen gegenüber der Arbeitsgemeinschaft, ist der Partner Leistender und die Arbeitsgemeinschaft insoweit Leistungsempfängerin2. Der Begriff des abzugsverpflichteten Leistungsempfängers knüpft an den Unter- 1.1035 nehmerbegriff des § 2 UStG an3. Unternehmer in diesem Sinne ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird4. Als Leistungsempfänger gilt auch ein Generalunternehmer, der sich zur Erfüllung 1.1036 seiner Leistungspflicht eines Subunternehmers bedient. Der Generalunternehmer gilt im Verhältnis zum Auftraggeber als Leistender, auch wenn er selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern lediglich über solche Leistungen abrechnet (s. Rz. 1.1033). Im Verhältnis zu den Subunternehmern handelt es sich bei dem Generalunternehmer um einen Leistungsempfänger, der als Unternehmer zum Steuerabzug verpflichtet ist5. Leistungen von Bauträgern i.S.d. § 3 MaBV unterliegen demgegenüber nur dann dem Steuerabzug bei Bauleistungen, wenn der Abnehmer der von dem Bauträger erstellten oder zu erstellenden Bauwerke als „Bauherr“ anzusehen ist (s. Rz. 3.171). Auch private Vermieter können Leistungsempfänger i.S.d. § 48 EStG sein und müs- 1.1037 sen daher unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift bei Bauleistungen einen Steuerabzug vornehmen. Vermietet ein Leistungsempfänger allerdings nicht mehr als zwei Wohnungen, ist § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht auf Bauleistungen für diese Wohnungen anzuwenden (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die „Zwei-Objekt-Grenze“ wirkt wie eine Freigrenze. Unentgeltlich überlassene Wohnungen oder Wohnungen, die aufgrund eines Wohnrechts oder Nießbrauchs überlassen werden, sind insoweit nicht zu berücksichtigen, da in diesen Fällen keine „Vermietung“ vorliegt. Werden indes drei Wohnungen entgeltlich zur Nutzung überlassen, ist ein Steuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 EStG für alle Wohnungen vorzunehmen6. Zur Bagatellgrenze bei steuerfreien Vermietungsumsätzen s. Rz. 1.1038.
1 BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 25. 2 BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 26. 3 Kirchhof/Seer/Gosch21, § 48 EStG Rz. 8; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13093; abw. Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 48 EStG Rz. 9 f.; Stickan/Martin, DB 2001, 1441 (1444). 4 Bunjes/Korn20, § 2 UStG Rz. 5. 5 BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 17. 6 Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 48 EStG Rz. 13.
Schallmoser 259
Kap. 1 Rz. 1.1038 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Rechtsfolge des § 48 Abs. 1 EStG
1.1038 Sind die Tatbestandsmerkmale des § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt, hat der Leistungsempfänger einen Steuerabzug i.H.v. 15 % der Gegenleistung (d.h. des Entgelts zzgl. der USt, s. § 48 Abs. 3 EStG) für Rechnung des Leistenden vorzunehmen. Abweichend hiervon ist nach § 48b Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG ein Steuerabzug nicht vorzunehmen, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 vorlegt. Gleiches gilt, wenn die Bagatellgrenzen des § 48 Abs. 2 EStG (15.000 t, wenn der Leistungsempfänger ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG ausführt, 5.000 t in den übrigen Fällen) nicht überschritten sind. Insbesondere private Wohnungsvermieter müssen daher – soweit sie nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG steuerfreie Vermietungsumsätze ausführen – bis zu einer Höhe von 15.000 t keinen Steuerabzug vornehmen. 1.1039 Hat der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgeführt, kann er die durch die Bauleistung veranlassten Aufwendungen in vollem Umfang (und nicht nur anteilig) abziehen; § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sowie § 42d Abs. 6 und 8 und § 50a Abs. 7 EStG sind insoweit nicht anzuwenden (§ 48 Abs. 4 EStG). Hat der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag indes nicht angemeldet und abgeführt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 380 Abs. 2 AO). 1.1040 Das Verfahren zur Anmeldung und Abführung des Steuerabzugs, die Abrechnungspflicht des Leistungsempfängers, die Haftung des Leistungsempfängers für nicht oder zu niedrig abgeführte Abzugsbeträge sowie das besondere Prüfungsrecht der Finanzverwaltung ist in § 48a EStG geregelt1. V. Selbstnutzung zu Wohnzwecken: Eigenheimzulage Literatur: Everts, Die Eigenheimzulage geht – Probleme bleiben, ZNotP 2006, 48; Fischl, Übergabe einer Immobilie bei Eigenheimzulage, ZErb 2006, 268.
1. Auslaufen der Eigenheimförderung
1.1041 Durch das Gesetz vom 22.12.20052 wurde § 19 EigZulG folgender Abs. 9 angefügt: „(9) Dieses Gesetz ist letztmals anzuwenden, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall der Herstellung vor dem 1.1.2006 mit der Herstellung des Objekts begonnen oder im Fall der Anschaffung die Wohnung aufgrund eines vor diesem Zeitpunkt rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat oder vor diesem Zeitpunkt einer Genossenschaft beigetreten ist.“
Ab 1.1.2006 werden somit nur noch „Altfälle“ (d.h. Steuerpflichtige, die vor dem 1.1.2006 die Fördervoraussetzungen erfüllt haben) für den maximalen Förderzeitraum von acht Jahren gefördert.
1 Siehe im Einzelnen Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 48a EStG Rz. 1 ff. 2 Gesetz v. 22.12.2005, BGBl. I 2005, 3680.
260 Schallmoser
C. Laufende Einkommensbesteuerung
Rz. 1.1045 Kap. 1
2. Rechtswirksamer Erwerbsvertrag oder Herstellungsbeginn § 19 Abs. 9 EigZulG verlangt für den Fall der Anschaffung einer Wohnung den Ab- 1.1042 schluss eines rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrages vor dem 1.1.2006. Nach § 19 Abs. 5 EigZulG gilt als Beginn der Herstellung bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wurde; bei genehmigungsfreien Objekten, für die Bauunterlagen einzureichen waren, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht wurde. Eine Bauvoranfrage ist nicht ausreichend1. Bauträgerverträge, die noch bis zum 31.12.2005 abgeschlossen wurden, stellen ent- 1.1043 sprechend der Rechtsnatur des Bauträgerkaufvertrages Anschaffungsfälle dar, da Bauherr nicht der Erwerber, sondern der Verkäufer ist. Demnach sind alle noch im Jahr 2005 rechtswirksam abgeschlossenen Bauträgerkaufverträge förderungsfähig, unabhängig davon, ob mit der Herstellung des Bauvorhabens vor oder nach dem 31.12.2005 begonnen wurde2. Auch die fehlende Abgeschlossenheitsbescheinigung bei Abschluss des Kaufvertrages muss als unschädlich angesehen werden, auch wenn bewertungsrechtlich eine Eigentumswohnung erst mit dem Anlegen der Wohnungsgrundbücher entsteht3. 3. Gemeinschaftlicher Erwerb Erwerben mehrere Personen, z.B. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, 1.1044 eine Wohnung gemeinsam, erhalten beide gemeinschaftlich die Eigenheimzulage, jeder einzelne jedoch gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 EigZulG quotal gekürzt, während gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG bei Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung gem. § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, kein Objektverbrauch eintritt. 4. Eigentumsähnliches Dauerwohnrecht Gemäß § 2 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in 1.1045 einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung begünstigt. Die Vorschrift bezweckt die Eigentumsbildung beim Anspruchsberechtigten, so dass grds. nur der bürgerlich-rechtliche Eigentümer die Eigenheimzulage erhält. Ausreichend für die Förderung ist jedoch auch das wirtschaftliche Eigentum durch ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht gem. § 31 ff. WEG4. Das Dauerwohnrecht gem. § 31 WEG kann so ausgestaltet werden, dass der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlicher Eigentümer der diesem Recht un1 2 3 4
Brandis/Heuermann/Erhard, § 19 EigZulG Rz. 32. Überzeugend Everts, ZNotP 2006, 53. Vgl. BFH v. 24.7.1991 – II R 132/88, BStBl. II 1993, 87. Vgl. Staudinger/Spiegelberger, Anh. zu § 42 WEG Rz. 17; BMF v. 10.2.1998 – IV B 3-EZ 1010-11/98, BStBl. I 1998, 190, Tz. 8; nach BFH v. 27.11.1996 – X R 92/92, BStBl. II 1998, 97 = FR 1997, 261 m. Anm. Weber-Grellet = MittBayNot 1997, 314 vermittelt auch ein schuldrechtlicher Nutzungsvertrag auf die Dauer des Bestehens eines Gebäudes wirtschaftliches Eigentum, so dass die Eigenheimförderung gewährt werden muss.
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Kap. 1 Rz. 1.1045 Steuerorientierte Immobilienübertragung
terliegenden Räumlichkeiten wird. Ist dies der Fall, so kann auch demjenigen die Eigenheimzulage gewährt werden, dem die Immobilie nicht gehört, sondern der lediglich das veräußerliche und vererbliche Dauerwohnrecht hat. 5. Übertragungen während des achtjährigen Förderzeitraums
1.1046 Beispiel: Eltern E übertragen während des Förderzeitraums ihr Einfamilienhaus auf ihre Tochter unter Vorbehalt des Nießbrauchs.
Gemäß § 4 Satz 1 EigZulG besteht der Zulagenanspruch nur für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Zwar sieht Satz 2 dieser Vorschrift vor, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vorliegt, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i.S.d. § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird. Eine unentgeltliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt aber nur vor, wenn das Nutzungsrecht dem Angehörigen nicht aufgrund eines Nutzungsrechtes, sondern freiwillig überlassen wird. Der Nießbrauchsvorbehalt ist danach steuerschädlich. Zum anderen kann der erwerbenden Tochter die Eigenheimzulage nicht mehr gewährt werden, wenn der obligatorische Erwerbsakt nach dem 31.12.2005 stattgefunden hat. Auch die Eltern können die Eigenheimzulage nicht mehr in Anspruch nehmen, da sie das Eigentum an dem begünstigten Objekt aufgegeben haben. Während des Förderzeitraums sind daher Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steuerschädlich. Sofern die Eigenheimzulage weiterhin in Anspruch genommen wird, ein Kind jedoch einen gesicherten Anspruch auf Eigentumsverschaffung an einer Immobilie erhalten soll, erfolgt dies am besten durch Abschluss eines Erbvertrages, der den Todesfall absichert. Alternativ kommt auch ein Schenkungsversprechen gem. § 2301 BGB auf den Todesfall in Betracht, wobei nach Ablauf des achtjährigen Begünstigungszeitraums die Erfüllung des Schenkungsversprechens unter Lebenden gem. § 2301 Satz 2 BGB vorgenommen werden kann.
1.1047–1.1059 Einstweilen frei.
D. Gewerbesteuer Literatur: Boemke/Knoch, Solaranlagen auf Gewerbeimmobilien: Vermeidung steuerlicher Nachteile bei Verkauf des Gebäudes, REE 2013, 90; Dorn/Dibbert, Änderungen bei der erweiterten Kürzung für Grundbesitz i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG durch das „FoStoG“! DB 2021, 1300; Dornbusch, Die Liquidation der grundstücksverwaltenden GmbH – gewerbesteuerliche Aspekte, SAM 2013, 11; Hörle, Erweiterte Grundstückskürzung bei der Beteiligung an grundstücksverwaltenden Personengesellschaften. Analyse verschiedener Fallkonstellationen und Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Praxis, NWB 2021, 787; Kaligin, Steueroptimierung durch die vermögensverwaltende thesaurierende Immobilien-GmbH, BB 2013, 414; Lüdicke, Gewerbesteuer: Anteilsveräußerung bei Immobiliengesellschaften – weitere Klärung der Besteuerung des gewerblichen Grundstückshandels, WPg 2007, 700; Prinz, Erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei verbundenen Grundstückspersonenunterneh-
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D. Gewerbesteuer
Rz. 1.1061 Kap. 1
men – Gedanken zu BFH v. 27.6.2019 – IV R 44/16, FR 2019, 1061, FR 2020, 334; Sanna, Erweiterte Kürzung bei mittelbarem Grundbesitz, DStR 2012, 1365; Neu/Hamacher, Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung – Geklärte, ungeklärte und neue Fragen zum „Gewerbesteuerprivileg“ bei Grundstücksunternehmen – Der Konzern 2013, 583; Schöneborn, Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen von Zinsen, Mieten und Pachten, NWB 2012, 2250; Strunk, Die Sparschwein-GmbH als Gestaltungsmittel – vielleicht nur etwas für Risikobewusste, GStB 2009, 86; Wagner, Erweiterte Grundbesitzkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG bei unterjährigem An- und Verkauf von Objekten, Ubg 2014, 183; Wagner/Behrens, Bevorstehende Neuerungen bei der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG, Ubg 2021, 275; Wolf, Gewerbesteuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Immobilienvermietung zwischen verbundenen Unternehmen, StBp 2012, 149.
I. Steuerpflicht Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb im Inland der 1.1060 Gewerbesteuer. Die Ausübung der Land- und Forstwirtschaft und eines freien Berufes stellt keinen Gewerbebetrieb dar (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Sofern jedoch eine Personengesellschaft teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, ist die gesamte Tätigkeit gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerblich1. Bei der gewerbesteuerrechtlichen Beurteilung der Nutzung und Veräußerung von 1.1061 Grundstücken sind folgende grundsätzliche Differenzierungen zu beachten: – Nutzt der Eigentümer seinen Grundbesitz zu eigenen Wohnzwecken oder überlässt ihn unentgeltlich Dritten zur Nutzung, ist dies ertragsteuerlich irrelevant. – Vermietet oder verpachtet der Eigentümer das Immobilienobjekt auf Dauer (d.h. mit Einkünfteerzielungsabsicht), betreibt er private Vermögensverwaltung. Sofern das Immobilienobjekt nicht innerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung veräußert wird, ist die Eigentumsübertragung ertragsteuerlich irrelevant (s. Rz. 11.14 ff. sowie Rz. 12.81 ff.). Die Miet- oder Pachteinkünfte werden nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuert (s. Rz. 1.807 ff.). – Vermietet der Eigentümer das Immobilienobjekt unter Einschluss „hotelmäßiger“ Nebenleistungen (bspw. Beherbergung mit Halb- oder Vollpension, Reinigung, anderweitige Zusatzleistungen) kurzfristig (tageweise) an wechselnde Mieter (Hotelgäste, Kurzzeitmieter), kann die Betätigung im Einzelfall als gewerblich angesehen werden (s. Rz. 1.802). – Dient eine Immobilie dem gewerblichen Einzelunternehmen des Steuerpflichtigen, stellt der Grundbesitz Betriebsvermögen dar (s. Rz. 1.800), dessen Veräußerung unabhängig von der Haltedauer einkommen- und gewerbesteuerpflichtig ist. – Eine vermögensverwaltende Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG unterliegt als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG unabhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit der Ge1 Vgl. BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171 = FR 1995, 20 m. Anm. Kempermann.
Schallmoser 263
Kap. 1 Rz. 1.1061 Steuerorientierte Immobilienübertragung
werbesteuer1. Auch an die Gesellschaft vermietetes Sonderbetriebsvermögen unterliegt daher der Gewerbesteuer. – Überlässt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft seine Immobilie der Gesellschaft zur entgeltlichen („mietweisen“) Nutzung, wird der Grundbesitz im Wege der Betriebsaufspaltung zum Betriebsvermögen, wenn der Grundstückseigentümer die Mehrheit der Stimmen an der Kapitalgesellschaft innehat und das Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt (s. Rz. 1.512). – Überlässt ein Personengesellschafter sein Grundstück der Gesellschaft zur Nutzung, ergibt der Schluss aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, dass nicht nur das Nutzungsentgelt, sondern auch das Grundstück der gewerblichen Tätigkeit des Gesellschafters zuzurechnen ist, so dass der Grundbesitz Sonderbetriebsvermögen darstellt (s. Rz. 1.512). Daraus ergibt sich zugleich die gewerbesteuerliche Erfassung. – Veräußert der Personengesellschafter seinen Gesellschaftsanteil, ist die Veräußerung unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als anteilige Grundstücksveräußerung zu werten (s. näher Rz. 12.61 ff.). – Überlässt ein Personengesellschafter seine Immobilie der Personengesellschaft als Umlaufvermögen zur Nutzung, wird diese Immobilie als Zählobjekt bei der Prüfung eines gewerblichen Grundstückshandels erfasst (s. näher Rz. 11.47).
1.1062 Die Gewerbesteuer erfasst bei Einzelunternehmen und bei unmittelbarer Beteiligung natürlicher Personen an einer Personengesellschaft nur den laufenden Gewinn (Verlust) des „werbenden“ Betriebs, nicht Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung oder Aufgabe des ganzen Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils. Soweit jedoch Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind, gehören gem. § 7 Satz 2 GewStG sowohl der Gewinn aus der Veräußerung des Betriebs oder Teilbetriebs der Mitunternehmerschaft als auch aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile durch die Obergesellschaft zum Gewerbeertrag2. Bei der Veräußerung aller Grundstücke, die zu einem gewerblichen Grundstückshandel geführt haben, verbleibt es jedoch bei der Gewerbesteuerbelastung, da diese Grundstücke nicht zum Anlagevermögen, sondern zum Umlaufvermögen des Unternehmens zählen und daher als laufender Gewinn dem Gewerbeertrag zuzurechnen sind3. II. Vermietung und Verpachtung von Immobilien 1. Vermietung
1.1063 Die Vermietung von Wohnraum stellt grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit, sondern lediglich private Vermögensverwaltung dar; eine gewerbliche Betätigung ist 1 BFH v. 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl. II 2004, 464 = DB 2004, 1021 = GmbHR 2004, 685. 2 Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 17. 3 BFH v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BStBl. II 2007, 777 = GmbHR 2007, 269.
264 Schallmoser
D. Gewerbesteuer
Rz. 1.1066 Kap. 1
nur anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die auf eine selbständige, nachhaltige, von Gewinnstreben getragene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr hindeuten, hinter welche die Nutzung des Vermögens zurücktritt (zur Abgrenzung s. Rz. 1.801 f.). Betreibt eine gewerblich tätige Personengesellschaft neben ihrem Geschäftsbetrieb 1.1064 auch die Vermietung von Wohnungen, wird durch die gewerbliche Tätigkeit die Vermögensverwaltung infiziert. Um eine Infizierung zu vermeiden, empfiehlt sich die Gründung einer weiteren Gesellschaft (sog. Ausgliederungsmodell), die ausschließlich die gewerblichen Tätigkeiten wahrnimmt. Die Personenidentität der beiden Gesellschaften ist unschädlich1. 2. Verpachtung Die Verpachtung geht über die Vermietungstätigkeit hinaus und beinhaltet auch die 1.1065 Nutzungsüberlassung sonstiger Vermögensgegenstände, z.B. eines Betriebs oder eines Firmenwerts. Auch diese Tätigkeit ist keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, so dass selbst die Verpachtung eines Gewerbebetriebes nicht der Gewerbesteuer unterliegt2. 3. Erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG Grundsteuer und Gewerbesteuer, die beiden Realsteuern i.S.d. Grundgesetzes3, 1.1066 schließen sich gegenseitig aus. Bei Grundstücken im Betriebsvermögen wird eine Doppelbelastung durch Kürzung der Gewerbesteuer pauschaliert in der Weise vermieden, dass der Gewinn um 1,2 % des Einheitswertes des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden Grundbesitzes4 gekürzt wird (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG). Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, können den Gewinn um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kürzen; § 9 Nr. 1 Sätze 3–6 GewStG enthalten weitere diesbezügliche Bestimmungen5.
1 Vgl. Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 193. 2 BFH v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S, BStBl. III 1964, 124. 3 Vgl. Ritzer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, Kap. F I Rz. 1. 4 Ab dem Erhebungszeitraum 2025: 0,11 % des Grundsteuerwerts. 5 Zu den Änderungen des § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG durch das Ges. zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) v. 3.6.2021 (BGBl. I 2021, 1498), s. Dorn/Dibbert, DB 2021, 1300.
Schallmoser 265
Kap. 1 Rz. 1.1067 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1067 Die Regelungen des § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG über die erweiterte Kürzung gelten nicht, – wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG)1, – soweit der Gewerbeertrag Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG enthält (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG) oder – soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus dem Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stillen Reserven entfallen (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 3 GewStG). Eine Kürzung nach den Sätzen 2 und 3 ist auch ausgeschlossen für den Teil des Gewerbeertrags, der auf Veräußerungs- und Aufgabegewinne i.S.d. § 7 Satz 2 Nr. 2 und 3 GewStG entfällt.
1.1068 „Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz“ i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist im Wesentlichen gleichbedeutend mit privater Vermögensverwaltung einschließlich der Ausgabe von Erbbaurechten2 sowie der Land- und Forstwirtschaft3; maßgeblich ist die tatsächliche Geschäftsführung. Bei Vermietung und Verpachtung von Immobilien liegt grundsätzlich Vermögensverwaltung vor, und zwar auch dann, wenn sie in großem Umfang erfolgt und nach kaufmännischen Gesichtspunkten durchgeführt wird (s. Rz. 1.801). Hingegen steht das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, wonach nur eigener Grundbesitz und neben eigenem Grundbesitz nur eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt werden darf, einer erweiterten Kürzung entgegen, wenn – ein grundstücksverwaltendes Unternehmen eine Kommanditbeteiligung an einer gewerblich geprägten – ebenfalls grundstücksverwaltenden – Personengesellschaft hält4. Vor diesem Hintergrund sollten hintereinander geschaltete, geprägte Grundstückspersonengesellschaften vermieden werden;
1 § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist im Wege der teleologischen Reduktion in der Weise einzuschränken, dass dem Grundstücksunternehmen die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann zu gewähren ist, wenn das überlassene Grundstück zwar den Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient, dieses den Grundbesitz nutzende Unternehmen jedoch mit allen seinen (positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer befreit ist. Vgl. hierzu BFH v. 26.6.2007 – IV R 9/05, GmbHR 2007, 1170 = DStR 2007, 1716; Wischmann, GmbH-StB 2007, 334. 2 Vgl. BFH v. 17.1.1968 – I 5/65, BStBl. II 1968, 353. 3 Vgl. RFH RStBl. 1940, 909. 4 Vgl. BFH v. 30.11.2005 – I R 54/04, GmbH-StB 2006, 159; v. 27.6.2019 – IV R 44/16, BStBl. II 2020, 24, m. Anm. Prinz, FR 2020, 334.
266 Schallmoser
E. Grunderwerbsteuer
Kap. 1
– der Steuerpflichtige eine Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter an einer grundstücksverwaltenden Personalgesellschaft hält; dies gilt unabhängig vom Umfang der Beteiligung und der daraus erzielten Einkünfte1; – die Komplementär-GmbH einer grundstücksverwaltenden GmbH & Co. KG ihrerseits eigenen Grundbesitz verwaltet. Demgegenüber wahrt die auf Grundstücke bezogene unentgeltliche Bestellung von Sicherheiten die Grenzen der grundstücksbezogenen Vermögensverwaltung i.S.v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Bei der Veräußerung von Grundbesitz ist entscheidend, ob die Veräußerung noch 1.1069 Teil der auf Fruchtziehung zu erhaltender Substanz gerichteten Tätigkeit ist, so dass Vermögensverwaltung vorliegt2, oder ob die Substanzverwertung durch Umschichtung in den Vordergrund tritt, so dass keine Vermögensverwaltung mehr vorliegt3. Einstweilen frei.
1.1070–1.1099
E. Grunderwerbsteuer Literatur: Behrens, § 6a GrEStG – Anmerkungen zu den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2012, DStR 2012, 2149; Broemel/Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Bruschke, Grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Kaufangeboten, UVR 1994, 363; Everts, Das Kaufrechtsvermächtnis im Grunderwerbsteuerrecht, DB 2005, 1595; Geck/Messner, §§ 3, 5 GrEStG – Interpolierende Betrachtungsweise, ZEV 2004, 220; Gottwald, Aktuelle Entwicklungen im Grunderwerbsteuerrecht in den Jahren 2012/2013, MittBayNot 2014, 1; Gottwald, Grunderwerbsteuerbelastung bei Schenkungen unter Auflagen, ZErb 2006, 83; Gottwald/Steer, Neuabschluss von Verträgen bzw. Vertragsübernahmen im Grunderwerbsteuerrecht, MittBayNot 2004, 166; Grziwotz, Bedingte Kaufverträge und Grunderwerbsteuerpflicht, MittBayNot 2003, 343; Häger/Forst, Rückabwicklung von privaten Grundstücksveräußerungen, ErbStB 2002, 31; Heine, Die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG beim fingierten Grundstückserwerb durch Personengesellschaften nach § 1 Abs. 2a GrEStG, INF 2005, 63; Heine, Weiterentwicklung der allgemeinen Ausnahmen von der Besteuerung nach § 3 GrEStG, UVR 2011, 242; Holler/ Schmidt, Grunderwerbssteuer in Erbfällen und bei Schenkungen, ErbR 2016, 192; Klass/Möller, Umwandlungsprivileg für Konzerne bei der Grunderwerbsteuer – koordinierte Ländererlasse vom 1.12.2010, BB 2011, 413; Neitz/Hackstein/Lange, Neues zur Anwendung des § 6a GrEStG, GmbHR 2012, 998; Ruhwinkel, Grunderwerbsteuer bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen, DStR 2007, 1755; Schaflitzl/Schrade, Die geplante Anti-„RETT-Blocker“-Regelung im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2013, 343; Schanko, Gesetz zur Besteuerung von RETT-Blocker-Gestaltungen, UVR 2013, 215; Schuck, Vermeidung der Grunderwerbsteuer in Fällen der Erbauseinandersetzung, ZEV 2002, 102; Steger, Grunderwerbsteuer und Vermögensnachfolge, ZEV 2008, 505; Wagner/Lieber, Änderungen bei der GrESt: Vermeidung von RETT-Blockern und Erweiterung von § 6a GrEStG, DB 2013, 1387; Wischott/Schönweiß,
1 BFH v. 17.10.2002 – I R 24/01, BStBl. II 2003, 355 = GmbHR 2003, 51 = DB 2002, 2577 = ZfIR 2002, 1011. 2 Vgl. BFH v. 29.4.1987 – I R 10/86, BStBl. II 1987, 603 = FR 1987, 382. 3 Vgl. BFH v. 28.9.1987 – VIII R 46/84, BStBl. II 1988, 65 = FR 1988, 25.
Schallmoser und Gottwald 267
Kap. 1 Rz. 1.1100 Steuerorientierte Immobilienübertragung Wachstumsbeschleunigungsgesetz – Einführung einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Umwandlungsvorgänge, DStR 2009, 2642. Verwaltungsanweisungen: Gleichlautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger v. 12.10.2007, BStBl. I 2007, 757; Gleichlautende Erlasse der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 822, v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561, sowie v. 25.2.2010, BStBl. I 2010, 245; Gleichlautende Erlasse der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl. I 2013, 802 und v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029.
I. Steuerbare Rechtsvorgänge
1.1100 Übersicht: Steuerbare Rechtsvorgänge Grundstückserwerb
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 4–7, Abs. 5 GrEStG
Rechtsträgerwechsel ohne Auflassung
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
– Anwachsung – Erbteilsveräußerung – Verschmelzung – Spaltung Wesentliche Änderung des Gesellschaf- § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG terbestandes einer Personen- bzw. Kapitalgesellschaft Anteilsvereinigung
§ 1 Abs. 3, 3a GrEStG
Verwertungsbefugnis
§ 1 Abs. 2 GrEStG
1. Grundstücksumsätze
1.1101 Die Verpflichtung zu einem Grundstückserwerb unterliegt der Grunderwerbsteuer, so dass die Umsatzsteuer gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG insoweit zurücktritt. Der Grunderwerbsteuer unterliegen somit z.B. – der Kaufvertrag gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, – Einbringungs- und Auseinandersetzungsverträge, wobei bei einem Übergang auf eine Gesamthand oder von einer Gesamthand sowie bei Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum die Befreiungsvorschriften der §§ 5 bis 7 GrEStG zu beachten sind, – bei einem Grundstückstausch beide Grundstücksübertragungen gem. § 1 Abs. 5 GrEStG, – Schenkungen unter einer Auflage, soweit diese bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, vgl. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, – das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG, 268 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1104 Kap. 1
– die Abtretung eines Übereignungsanspruches oder die Verwertung eines Grundstückskaufangebotes gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 GrEStG1. 2. Erwerb ohne Auflassung a) Anwachsung Der Grunderwerbsteuer unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG auch der Übergang 1.1102 des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Scheidet z.B. aus einer zweigliedrigen Gesamthand ein Gesellschafter aus, so dass auf den verbleibenden Gesellschafter der gesamte Grundbesitz der Gesellschaft übergeht, unterliegt die Anwachsung der Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG2. Die anteilmäßige Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 6 Abs. 2 GrEStG ist zu gewähren3. Erwirbt ein Gesellschafter einer Personengesellschaft deren Gesamthandsvermögen durch Schenkung der Anteile der anderen Gesellschafter zu Alleineigentum, ist ein dabei erfolgender Übergang von Grundstücken aus dem Gesellschaftsvermögen in das Alleineigentum des Gesellschafters nach Maßgabe des § 3 Nr. 2 und des § 6 Abs. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Liegt in einem solchen Fall eine gemischte Schenkung an den Erwerber vor, sind als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die um den Anteil des Erwerbers am Gesellschaftsvermögen verminderten Grundbesitzwerte anzusetzen, soweit sie nach schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen dem entgeltlichen Teil des Erwerbs entsprechen4. b) Erbteilsveräußerung Auch die Erbteilsveräußerung unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grund- 1.1103 erwerbsteuer, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört5. Sofern ein Miterbe den Erbteil oder ein zum Nachlass gehörendes Grundstück erwirbt, greift die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 3 GrEStG ein. Miterben i.S.d. Befreiungsvorschrift sind auch Erbeserben6. c) Verschmelzung und Spaltung Auch der Übergang des Grundstückseigentums durch Verschmelzung oder Spaltung 1.1104 ist ein Rechtsträgerwechsel und damit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbar. Für Grundstücke, die bereits vor Wirksamwerden der Umwandlung oder Anwachsung durch den bisherigen Eigentümer schuldrechtlich an Dritte veräußert waren, ist kei1 Vgl. BFH v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411 = DStR 1997, 819 = MittBayNot 1997, 317. 2 Vgl. BFH v. 19.1.1977 – II R 161/74, BStBl. II 1977, 359 = DStR 1977, 290 = MittBayNot 1977, 83. 3 Vgl. BFH v. 11.12.1974 – II R 30/69, BStBl. II 1975, 417. 4 Vgl. BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59 = ZEV 2007, 43. 5 Vgl. BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159 = MittBayNot 1976, 45. 6 Vgl. Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 3 GrEStG Rz. 296.
Gottwald 269
Kap. 1 Rz. 1.1104 Steuerorientierte Immobilienübertragung
ne Grunderwerbsteuer festzusetzen1. Unter den engen Voraussetzungen des § 6a GrEStG können konzerninterne Umwandlungen von der Grunderwerbsteuer befreit sein. 3. Wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes a) Gesetzliche Regelung
1.1105 Bis 31.12.1996 waren der Wechsel im Personenstand einer Personengesellschaft sowie die Veränderung der Anteilsverhältnisse generell grunderwerbsteuerfrei2. Auch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung war in diesen Fällen nicht erforderlich3. Besteuert wurde früher nur der Rechtsträgerwechsel; zwischen Vorgesellschaft und der später entstehenden Rechtsperson bestand immer Identität. Durch das Jahressteuergesetz 1997 wurde § 1 Abs. 2a GrEStG eingefügt, der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 neu gefasst, durch das Steueränderungsgesetz 2015 ergänzt und im Rahmen der Grunderwerbsteuerreform 2021 erneut geändert wurde. Danach unterliegt die Vereinigung oder der Übergang von mindestens 90 % der Personengesellschaftsanteile auf einen neuen Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren der Grunderwerbsteuer4. Die Änderung der Beteiligungsverhältnisse unter den Altgesellschaftern ist nur innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist der §§ 5 Abs. 3 und 6 Abs. 4 GrEStG steuerpflichtig. Unentgeltliche Anteilsübertragungen sind gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nicht nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbar5.Durch das seit 1.7.2021 geltende Gesetz zur Änderung der Grunderwerbsteuer wurde mit § 1 Abs. 2b GrEStG ein für Kapitalgesellschaften geltender, dem § 1 Abs. 2a GrEStG vergleichbarer Ergänzungstatbestand eingefügt. Demnach unterliegen nunmehr auch Gesellschafterwechsel einer Kapitalgesellschaft der Besteuerung, sofern innerhalb einer Frist von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übertragen werden. b) Rechtsprechung
1.1106 Den vollständigen Wechsel aller Gesellschafter einer nur Grundbesitz haltenden Personengesellschaft beurteilte allerdings der BFH schon seit langem als einen der Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegenden Kaufvertrag über Grundstücke zwischen den Alt- und den Neugesellschaftern unter Berufung auf § 42
1 Vgl. FinMin. Baden-Württemberg v. 16.9.2003 – 3 S 4500/71, ZNotP 2004, 62 = DStR 2003, 1794. 2 Vgl. BFH v. 27.7.1962 – II 77/61 U, BStBl. III 1962, 478. 3 Vgl. LG Düsseldorf v. 19.11.1976 – 28 T 313/76, MittBayNot 1977, 69. 4 § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des Art. 1 des Ges. zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 m.W.v. 1.7.2021. Zur subsidiären Weitergeltung des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. (95 %-Grenze) s. § 23 Abs. 20 GrEStG. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG im Einzelnen s. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 310 ff. 5 BFH v. 13.9.2006 – II R 37/05, BStBl. II 2007, 59 = ZEV 2007, 43.
270 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1110 Kap. 1
Satz 1 AO1. Sofern ein Zwerganteil bei einem Altgesellschafter verblieb, waren die restlichen Anteilsübertragungen nicht steuerbar. Auch für die anteilige Befreiung gem. § 5 Abs. 2 GrEStG kam es schon immer da- 1.1107 rauf an, ob im Zeitpunkt der Einbringung des Grundstücks der Plan zur Verringerung der Beteiligung bereits bestand. Dem tatsächlichen Vollzug des Plans kam keine eigene tatbestandsbegründende Wirkung zu2. Das Gesetz enthält in § 5 Abs. 3 GrEStG nunmehr eine Zehnjahresfrist, wonach die Befreiung insoweit entfällt, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert. Für den Übergang von einer Gesamthand enthält § 6 Abs. 4 GrEStG eine entsprechende Regelung. 4. Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG Der Erwerb aller Anteile an einer Kapitalanlagegesellschaft, zu deren Vermögen in- 1.1108 ländische Grundstücke zählen, unterliegt nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer3. Die Übertragung eines Anteils an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die Grundbesitz innehat, ist grundsätzlich nicht grunderwerbsteuerbar. Eine steuerpflichtige Anwachsung bei einem Steuerpflichtigen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG konnte durch einen verbleibenden Zwerganteil vermieden werden. § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst alle Rechtsgeschäfte, die wirtschaftlich einem Grundstücksumsatz nahekommen, z.B. den Erwerb von mindestens 90 % der Gesellschaftsanteile einer grundbesitzhaltenden Personen- oder Kapitalgesellschaft durch einen Erwerber4. Die Grunderwerbsteuer kann selbst bei dem Austausch aller Anteile an einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft vermieden werden, wenn keiner der Erwerber Anteile von 90 % oder mehr erwirbt, sofern der Erwerb nicht gem. § 1 Abs. 2a bzw. § 1 Abs. 2b GrEStG steuerpflichtig ist. Der Tatbestand der Anteilsvereinigung ist auch dann erfüllt, wenn die zu 90 % Be- 1.1109 teiligung fehlenden Anteile durch Strohmänner, Treuhänder oder Organgesellschaften gehalten werden oder die restlichen Anteile eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind. Die Befreiung gem. § 6 GrEStG ist bei einer Anteilsvereinigung anwendbar5.
1 Vgl. BFH v. 31.7.1991 – II R 17/88, BStBl. II 1991, 891; v. 6.3.1996 – II R 38/93, BStBl. II 1996, 377; Mößlang, ZNotP 1997, 14. 2 Vgl. BFH v. 10.7.1996 – II R 33/94, BStBl. II 1996, 533. 3 BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148 = GmbHR 2004, 1546 = DStRE 2004, 1482. 4 § 1 Abs. 3 GrEStG i.d.F. des Art. 1 des Ges. zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 m.W.v. 1.7.2021. Zur subsidiären Weitergeltung des § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. (95 %-Grenze) s. § 23 Abs. 21 GrEStG. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG im Einzelnen s. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 752 ff. 5 Viskorf/Viskorf20, § 6 GrEStG Rz. 33.
Gottwald 271
1.1110
Kap. 1 Rz. 1.1111 Steuerorientierte Immobilienübertragung
5. Wirtschaftliche Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3a GrEStG
1.1111 Soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, Abs. 2b und Abs. 3 GrEStG nicht in Betracht kommt, gilt gem. § 1 Abs. 3a GrEStG als Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung i.H.v. mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat1. Die wirtschaftliche Beteiligung ergibt sich hierbei aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft. Für die Ermittlung der mittelbaren Beteiligungen sind die Vomhundertsätze am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft zu multiplizieren. Dieser Tatbestand2 führte eine wirtschaftliche Beteiligung in das Grunderwerbsteuerrecht ein. Er soll sog. RETT-Blocker-Gestaltungen besteuern, die bislang insbesondere unter Zwischenschaltung von Personengesellschaften grunderwerbsteuerfrei durchgeführt werden konnten und als Steuerschlupflöscher angesehen wurden3. 6. Zwischenerwerb: Vertragsangebot mit Benennungsrecht
1.1112 Sofern bei einem Kaufvertragsangebot dem Angebotsempfänger das Recht eingeräumt wird, einen Dritten als Annehmenden zu benennen, liegt in der Ausübung dieses Rechtes entweder ein Zwischenerwerb i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG oder der Übergang der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn der Benennende ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Benennung des Dritten hat; der Eintritt des angestrebten wirtschaftlichen Erfolges ist nicht erforderlich4. Dies gilt selbst dann, wenn das Selbstannahmerecht des Angebotsempfängers ausgeschlossen ist5. Keine grunderwerbsteuerlichen Bedenken bestehen, wenn ein Makler sich ein Kaufangebot über ein Grundstück geben lässt und aufgrund eines zugleich erteilten Vermittlungsauftrages das Grundstück im Namen des Eigentümers verkauft6; es ist aber zu prüfen, ob die Verwertungsbefugnis übergegangen ist. § 1 Abs. 2 GrEStG kann auch bei einem atypischen Maklervertrag erfüllt sein, wonach der Grundstückseigentümer zwar nicht dem Makler, aber einem Dritten eine Verkaufs-
1 § 1 Abs. 3a GrEStG i.d.F. des Art. 1 des Ges. zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021, BGBl. I 2021, 986 m.W.v. 1.7.2021. Zur subsidiären Weitergeltung des § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. (95 %-Grenze) s. § 23 Abs. 22 GrEStG. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3a GrEStG im Einzelnen s. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 901 ff. 2 Eingefügt durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BStBl. I 2013, 1809 ff. 3 Vgl. hierzu Schanko, UVR 2013, 216 ff.; Schaflitzl/Schrade, BB 2013, 343 ff.; Behrens, DStR 2013, 1405 ff. 4 Vgl. BFH v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 985. 5 Vgl. BFH v. 16.12.1981 – II R 109/80, BStBl. II 1982, 269 = DNotZ 1982, 521; Viskorf/ Meßbacher-Hönsch20, § 1 GrEStG Rz. 515. Bei einem Angebot ohne Selbstannahmerecht des Angebotsempfängers kann keine Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden, da der zu benennende Dritte noch nicht bekannt ist. 6 Vgl. BFH v. 28.4.1970 – II 144/64, BStBl. II 1970, 674.
272 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1115 Kap. 1
vollmacht erteilt hat und diese ohne Verletzung seiner Pflicht aus dem Maklervertrag nicht mehr widerrufen kann1. 7. Verwertungsbefugnis Literatur: Bruschke, Die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG, UVR 2006, 316.
Der Grunderwerbsteuer unterliegen gem. § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, 1.1113 die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten2.
1.1114
Beispiele: – Unwiderrufliche Veräußerungsvollmacht, wenn erzielter Mehrerlös im Wesentlichen dem Bevollmächtigten zufließen soll3; – langfristiges Kaufangebot, das den wirtschaftlichen Zweck eines Kaufvertrages erfüllt, z.B. auf die Dauer von 24 Jahren bindendes Verkaufsangebot zu einem festen Kaufpreis, Auflassungsvormerkung, Darlehensgewährung in Höhe des Kaufpreises, sofortige Nutzungsüberlassung mit der Befugnis zur Vermietung und Verpachtung4; – Verwertung eines fremden Grundstückes auf eigene Rechnung5; – Treuhandverhältnisse, also die Begründung oder Übertragung einer Treuhandstellung6. Die Aufhebung des Treuhandverhältnisses unterliegt gem. § 3 Nr. 8 GrEStG keiner Grunderwerbsteuer, wenn die Steuer für die Begründung des Treuhandverhältnisses entrichtet worden ist; – Abschluss eines Immobilien-Leasing-Vertrages7.
II. Grunderwerbsteuerlicher Grundstücksbegriff Der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff weicht erheblich von der Definiti- 1.1115 on des Grundstücks im zivilrechtlichen Sinn ab (vgl. Rz. 1.251). Zu den Grundstücken i.S.d. Grunderwerbsteuergesetzes gehören auch – Erbbaurechte, – Wohnungs- und Teileigentum, – Gebäude auf fremdem Grund und Boden und – Nutzungsrechte gem. § 1010 BGB und § 15 WEG. 1 Vgl. BFH v. 14.9.1988 – II R 116/85, BStBl. II 1989, 52. 2 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen s. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 215 ff. 3 S. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 278 ff. 4 Vgl. BFH v. 12.12.1973 – II R 29/69, BStBl. II 1974, 251. 5 S. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 278. 6 S. Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 253 ff. 7 FG Köln v. 19.3.2003 – 5 K 5873/98, DStRE 2003, 1248 = MittBayNot 2004, 70; Behrens in/ Wachter, § 1 GrEStG Rz. 232.
Gottwald 273
Kap. 1 Rz. 1.1116 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1116 Andererseits werden grunderwerbsteuerrechtlich aus dem zivilrechtlichen Grundstücksbegriff ausgeklammert – Betriebsvorrichtungen, – Mineralgewinnungsrechte und – Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte.
1.1117 Da Dauerwohn- und Dauernutzungsrechte erbbaurechtsähnlich ausgestaltet und als wirtschaftliches Eigentum1 begründet werden können, wird in der Praxis der Einräumung von Dauerwohn- und Dauernutzungsrechten wegen der damit verbundenen Grunderwerbsteuerfreiheit der Vorzug gegeben. III. Bemessungsgrundlage 1. Wert der Gegenleistung
1.1118 Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung, so dass neben dem Kaufpreis (unter Berücksichtigung einer etwaigen Abzinsung) auch alle übrigen Leistungen einbezogen werden, z.B. – Schuldübernahme, – Übernahme eines Altenteils, – Vermessungskosten2, – Erschließungskosten3, – Reallasten, z.B. auch die Übernahme von Bierbezugsverpflichtungen, – Nutzungen über den Zeitpunkt des Besitzüberganges hinaus4, – Vorleistungspflicht des Erwerbers5, z.B. Zahlung des Kaufpreises vor Besitzübergabe, – Übernahme der Maklerprovision des Verkäufers6. Verpflichtet sich der Grundstücksverkäufer, der gleichzeitig Erschließungsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB ist, gegenüber dem Erwerber zur Grundstückserschließung nach Maßgabe des mit der Gemeinde geschlossenen Erschließungsver-
1 2 3 4
Vgl. Staudinger/Spiegelberger, Vorbem. zu §§ 31 ff. WEG Rz. 14. BFH v. 21.11.1974 – II R 61/71, BStBl. II 1975, 362. Vgl. BFH v. 9.5.1979 – II R 56/74, BStBl. II 1979, 577 = MittBayNot 1979, 203. Gemäß FinMin. Baden-Württemberg v. 21.2.2003 – O 2124/17, DStR 2003, 739 sind Ermittlungen wegen des Werts vorbehaltener Nutzungen nicht durchzuführen, wenn der Wert dieser sonstigen Leistungen nicht mehr als 2.500 Euro beträgt. 5 BFH v. 5.7.2006 – II R 37/04, BFH/NV 2006, 2127; keine Vorleistungen sind Abschlagszahlungen nach der MaBV, vgl. FinMin. NRW v. 1.10.2003 – S 4521-22-VA 2, ZNotP 2004, 61. 6 FG Brandenburg v. 19.5.2005 – 3 K 1105/02, DStRE 2006, 945 = MittBayNot 2007, 252.
274 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1122 Kap. 1
trags, gehört das vom Erwerber zu zahlende Entgelt für die künftige Erschließung nicht zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung1. Abgrenzungskriterium ist stets die Frage, ob der Erwerber ein zusätzliches Entgelt 1.1119 für den Erwerb des Grundstücks aufzuwenden hat, so dass z.B. Betreuungsgebühren und Zwischenfinanzierungskosten2 zur Gegenleistung gehören, während – Rechts- und Steuerberatungsgebühren, – Gerichts- und Notarkosten, – Kosten der künftigen Hausverwaltung, – Mietgarantiegebühren und – Gebühren für die Vermittlung der Endfinanzierung keine Gegenleistung darstellen. Erwirbt eine politische Gemeinde einen Teil der von ihr durch Aufstellung eines Bebauungsplans und Sicherung der Erschließung baureif gemachten Grundflächen, ist der beim Grundstücksveräußerer für die ihm verbleibenden und nunmehr baureifen Teilflächen eintretende Wertzuwachs grundsätzlich keine Gegenleistung der erwerbenden Gemeinde für ihren Grundstückserwerb3. Sofern der Veräußerer sich verpflichtet, dem Erwerber die Erwerbsnebenkosten (z.B. 1.1120 Notarkosten, Grundschuldbestellungsgebühren) zu erstatten, reduziert dies nach Auffassung des BFH die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage um die entsprechenden Beträge4. Lediglich die Übernahme der Grunderwerbsteuer wirkt sich gem. § 9 Abs. 3 GrEStG nicht auf die Bemessungsgrundlage aus5. Auf dem Grundstück ruhende dauernde Lasten, wie z.B. Grunddienstbarkeiten, blei- 1.1121 ben unberücksichtigt. 2. Grundbesitzwert Bei Umwandlungen i.S.d. Umwandlungsgesetzes, Einbringungen sowie bei anderen 1.1122 Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage und in den Fällen des § 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG bemisst sich die Steuer gem. § 8 Abs. 2 GrEStG nach dem Grundbesitzwert gem. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. Das Gleiche gilt, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist.
1 BFH v. 21.3.2007 – II R 67/05, BStBl. II 2007, 614. 2 BFH v. 19.7.1989 – II R 95/87, BStBl. II 1989, 685 = DB 1989, 1807 = MittRhNotK 1990, 141; v. 24.7.1991 – II R 104/88, BFH/NV 1992, 553. 3 BFH v. 27.10.2004 – II R 22/03, BStBl. II 2005, 301 = DStRE 2005, 363 = MittBayNot 2006, 79. 4 Vgl. BFH v. 17.4.2013 – II R 1/12, BStBl. II 2013, 637 = DStR 2013, 1130 = ZfIR 2013, 699 = MittBayNot 2013, 423. 5 Vgl. BFH v. 17.4.2013 – II R 1/12, BStBl. II 2013, 637 = DStR 2013, 1130 = ZfIR 2013, 699 = MittBayNot 2013, 423.
Gottwald 275
Kap. 1 Rz. 1.1123 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1123 Die Finanzverwaltung beurteilte ursprünglich den Formwechsel als einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang. Nach der Rechtsprechung des BFH1 umfasst der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG den Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück unter der Voraussetzung, dass weder ein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist noch es einer Auflassung bedarf. Besteuert wird der Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern2. Bei einer formwechselnden Umwandlung ist aber nur ein Rechtsträger beteiligt, so dass es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge noch zu einer Übertragung einzelner Vermögensgegenstände kommt; der Formwechsel ist daher grds. grunderwerbsteuerfrei3. 3. Bewertung von Nutzungen
1.1124 Aufgrund der Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG findet § 16 BewG, der den Jahreswert von Nutzungen begrenzt, auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung. 4. Kauf- und Bauvertrag Verwaltungsanweisung: OFD Rheinland, Vfg. v. 15.5.2006, DB 2006, 1243: Einheitliches Vertragswerk bei der Grunderwerbsteuer.
1.1125 Wird auf einem unbebauten Grundstück von einem Dritten ein Gebäude errichtet, kann der Grundstückskaufpreis mit den Aufwendungen für das Gebäude Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sein, wenn ein einheitliches Vertragswerk vorliegt. Hierfür reicht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskauf und dem Bauvertrag aus, wenn im Übrigen ein tatsächliches einvernehmliches Zusammenwirken zwischen dem Verkäufer und dem Bauunternehmen vorliegt4 (s. auch Kap. 3). 1.1126 Übersicht: Bemessungsgrundlage Wert der Gegenleistung – Schuldübernahme – Übernahme eines Altenteils – Vermessungskosten – Reallasten – Erschließungskosten – Nutzungen über den Zeitpunkt des Besitzübergangs hinaus 1 BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661 = GmbHR 1997, 136 = DStR 1997, 112. 2 Vgl. BFH v. 1.4.1981 – II R 87/78, BStBl. II 1981, 488 = DB 1981, 2209. 3 Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 1 GrEStG Rz. 377 ff. mit Hinweisen zu Ausnahmefällen, in denen dennoch Grunderwerbsteuer anfällt, z.B. § 5 Abs. 3 GrEStG. 4 Vgl. BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269 = ZfIR 2006, 434.
276 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1143 Kap. 1
Grundbesitzwert – Verschmelzung – Spaltung – Einbringung aber: Formwechsel nicht steuerpflichtig.
1.1127–1.1140
Einstweilen frei. IV. Grunderwerbsteuerbefreiungen
Literatur: Fuhrmann/Demuth, Zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG bei Änderung des Gesellschafterbestandes gem. § 1 Abs. 2a GrEStG, UVR 2006, 26.
Auch bei Befreiung eines Rechtsgeschäftes von der Grunderwerbsteuer ist eine Un- 1.1141 bedenklichkeitsbescheinigung erforderlich, soweit keine landesrechtliche Befreiung eingreift, vgl. § 22 Abs. 1 GrEStG. Grundsätzlich ist für den Grundbuchvollzug die Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich; die landesrechtlichen Befreiungsvorschriften sind zu beachten1. Übersicht: Grunderwerbsteuerbefreiungen gem. § 3 GrEStG im Überblick
1.1142
– Freigrenze von 2.500 t (Nr. 1) – Grundstückserwerb von Todes wegen und reine Grundstücksschenkung (Nr. 2) – Teilung des Nachlasses (Nr. 3) – Ehegattenerwerb (Nr. 4) – Vermögensauseinandersetzung nach Scheidung (Nr. 5) – Verwandte in gerader Linie und deren Ehegatten (Nr. 6) – Teilung fortgesetzter Gütergemeinschaft (Nr. 7) – Treuhandauflösung (Nr. 8) 1. Befreiung gem. §§ 3 und 4 GrEStG a) Freigrenze Bei Überschreitung der Freigrenze von 2.500 t wird die gesamte Gegenleistung als 1.1143 Bemessungsgrundlage herangezogen.
1 Abdruck aller landesrechtlichen Befreiungsvorschriften u.a. bei Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer5, Anhang 2 (S. 559 ff.).
Gottwald 277
Kap. 1 Rz. 1.1144 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1144 Beispiel: Eine Erbengemeinschaft, bestehend aus den zu je 1/3 beteiligten Miterben A, B und C, veräußert ein Grundstück im Wert von 7.500 t gegen einen Kaufpreis i.H.v. 7.500 t.
1.1145 Die Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG wird überschritten, so dass keine Grunderwerbsteuerbefreiung gewährt wird, auch keine anteilige i.H.v. 2.500 t, da die Befreiungsvorschrift eine Freigrenze und nicht einen Freibetrag darstellt. 1.1146 Beispiel: Eheleute in Gütergemeinschaft tauschen ein Grundstück mit einem Ehepaar in Zugewinngemeinschaft zum Wertanschlag von 10.000 t.
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E3
E4
1.1147 Bei Tauschverträgen zwischen zwei Ehepaaren (unabhängig vom Güterstand) waren früher acht Erwerbsvorgänge anerkannt, so dass die geschilderten Übertragungen völlig grunderwerbsteuerfrei waren. Nach neuerer bundeseinheitlich abgestimmter Verwaltungsauffassung der Länder liegen nunmehr so viele Erwerbsvorgänge vor, wie Erwerber vorhanden sind; die Erwerbsgrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG könne für jeden Erwerber nur einmal berücksichtigt werden1; das Urteil des BFH2 gilt danach als überholt. Somit ist in dem vorstehenden Beispiel die Freigrenze beiderseits überschritten. 1.1148 Hinweis: Übertragen die Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile an einem Grundstück ausdrücklich jeweils durch gesonderte Rechtsgeschäfte, also in getrennten Urkunden, liegen mehrere selbständig zu beurteilende Erwerbsgeschäfte vor3.
1.1149 Da die Gütergemeinschaft im Gegensatz zu den anderen Gesamthandsgemeinschaften grunderwerbsteuerlich nicht verselbständigt ist, können nach übereinstimmenden Äußerungen in der Literatur Erwerbe von Grundstücken durch Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben, so behandelt werden, wie wenn Bruchteile erworben würden4.
1 2 3 4
Vgl. BayFinMin. v. 15.11.2002 – Gz. 36-S 4540-017-47604/02, MittBayNot 2003, 244. BFH v. 10.4.1957 – II 167/56 U, BStBl. III 1957, 213. Vgl. BayFinMin. v. 4.6.2002 – Gz. 36-S 4540-017-23871/02, MittBayNot 2002, 322. Vgl. Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 3 GrEStG Rz. 91 ff.
278 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1154 Kap. 1
b) Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkung unter Lebenden, § 3 Nr. 2 GrEStG In den Fällen des § 3 Nr. 2 GrEStG führt der Anfall von Todes wegen und der Er- 1.1150 werb unter Lebenden steuerlich zu unterschiedlichen Ergebnissen: Bei einem Grundstücksvermächtnis mit der Auflage, eine Hypothekenschuld zu übernehmen, fällt nur Erbschaftsteuer an, während eine Grundstücksübertragung unter Lebenden mit der Auflage, die Hypothekenschuld zu übernehmen, schenkungsteuer- und grunderwerbsteuerbar ist1. c) Erwerb eines Nachlassgrundstückes durch Miterben zur Teilung des Nachlasses, § 3 Nr. 3 GrEStG Sofern die „Miterbenstellung“ durch Erbteilsübertragung erworben wurde, besteht 1.1151 keine Privilegierung2.
1.1152
Beispiel: Eine zweigliedrige Erbengemeinschaft soll in der Weise auseinandergesetzt werden, dass gegen Abfindung eines Miterben die Ehefrau und die Schwiegereltern des verbleibenden Erben Miteigentümer werden.
Da gem. § 3 Nr. 3 GrEStG auch der Ehegatte oder Lebenspartner eines Miterben 1.1153 grunderwerbsteuerfrei bleibt, kann der Erbteil des ausscheidenden Miterben auf diese Angehörigen des Verbleibenden grunderwerbsteuerfrei übertragen werden. Diese können ihren Anteil grunderwerbsteuerfrei auf ihre Eltern übertragen. d) Befreiungen gem. § 3 Nr. 4 bis 8 GrEStG
1.1154
– Erwerb durch Ehegatten oder Lebenspartner, § 3 Nr. 4 GrEStG. – Erwerb durch früheren Ehegatten oder Lebenspartner im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach Scheidung bzw. Aufhebung der Lebenspartnerschaft, § 3 Nr. 5, 5a GrEStG. – Erwerb durch Verwandte in gerader Linie oder Personen, deren Verwandtschaft durch die Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist, § 3 Nr. 6 GrEStG. Die Privilegierung besteht sowohl in absteigender als auch in aufsteigender Linie. – Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, § 3 Nr. 7 GrEStG. – Auflösung eines Treuhandverhältnisses, § 3 Nr. 8 GrEStG.
1 Zur Doppelbelastung mit Erbschaft- und Grunderwerbsteuer vgl. Halaczinsky, ZEV 2003, 97. 2 Vgl. BFH v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159 = MittBayNot 1976, 45.
Gottwald 279
Kap. 1 Rz. 1.1155 Steuerorientierte Immobilienübertragung
e) Ausnahmen gem. § 4 GrEStG
1.1155 Besondere Ausnahmen von der Versteuerung enthält § 4 GrEStG, z.B. beim Grundstückserwerb im öffentlichen Interesse. 2. Befreiungen bei Miteigentümer- und Gesamthandsgemeinschaften a) Befreiungstatbestände
1.1156 Aufgrund der Transparenz der Personengesellschaften enthalten – § 5 GrEStG bei dem Übergang auf eine Gesamthand und – § 6 GrEStG beim Übergang von einer Gesamthand eine anteilige Befreiung, soweit wirtschaftlich kein Rechtsträgerwechsel stattfindet.
1.1157 Darüber hinaus wird aufgrund von § 7 GrEStG bei der Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum die Steuer insoweit nicht erhoben, als der Wert des Teilgrundstücks dem bisherigen Bruchteil entspricht. b) Zehnjährige Sperrfrist
1.1158 Zu beachten ist, dass gem. § 5 Abs. 3 GrEStG (bei Übergang auf eine Gesamthand) und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (bei Übergang von einer Gesamthand) die anteiligen Befreiungen bei einer Verminderung der Anteilsverhältnisse innerhalb von zehn Jahren rückwirkend versagt werden. 1.1159 Nach Auffassung des BFH1 ist die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG auch dann nicht zu gewähren, wenn in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die erwerbende Gesamthand diese – entsprechend einer zu diesem Zeitpunkt zwischen den an der Gesellschaft Beteiligten getroffenen Absprache – formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird, wobei die Zehnjahresfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG Anwendung findet2. Gleiches kann (ggf. anteilig) gelten, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird (sog. Anteilsminderung)3. c) Personenbezogenheit
1.1160 Über die quotale Zurechnung hinaus wird die Personenbezogenheit der Gesamthand4 anerkannt, so dass die Verwandtschaftsverhältnisse zu den einzelnen Gesellschaftern zu berücksichtigen sind. 1 BFH v. 18.12.2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358 = GmbHR 2003, 485 = DStRE 2003, 564 = ZEV 2003, 252 = MittBayNot 2003, 501. 2 Viskorf/Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 93 ff. 3 BFH v. 12.1.2022 – II R 4/20, DStR 2022, 1266; Schley in: Behrens/Wachter2, § 6 GrEStG Rz. 76 ff. 4 BFH v. 25.2.1969 – II 142/63, BStBl. II 1969, 400 = FR 1969, 307.
280 Gottwald
E. Grunderwerbsteuer
Rz. 1.1164 Kap. 1
1.1161
Beispiel: Vater und Sohn gründen im Jahr 00 eine OHG, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt sind. Im Jahr 02 scheidet der Vater aus, der Sohn führt das Unternehmen allein fort. Zu diesem Zeitpunkt ist aufgrund unterschiedlicher Entnahmen der Vater zu 1/3 und der Sohn zu 2/3 beteiligt.
Es tritt Anwachsung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein, die aber trotz Sperrvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG gem. § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei bleibt1.
1.1162
Beispiel:
1.1163
D will ein Mietshaus, das mit valutierten Grundpfandrechten belastet ist, seinem Sohn S und seinem Neffen N unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Der Steuerberater rät, das Grundstück in eine neu zu gründende GmbH & Co. KG einzubringen und S und N unentgeltlich Kommanditanteile zu übertragen.
D GmbH i.G. 100 % 50 % D Immo GmbH & Co. KG 50 %
S N
100 % D
Bei der Einbringung des Grundbesitzes in eine von D gegründete GmbH & Co. KG, 1.1164 bei der er als Kommanditist mit 100 % Gesellschaftsanteil beteiligt bleibt, fällt gem. § 5 Abs. 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer an. Sofern er innerhalb von zehn Jahren Gesellschaftsanteile an N unentgeltlich überträgt und sich eine Beteiligung von mehr als 10 % vorbehält, entsteht wiederum keine Grunderwerbsteuer, da Gegenstand der Übertragung Personengesellschaftsanteile sind und der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt ist. Allerdings wird gem. § 5 Abs. 3 GrEStG für die Einbringung des Grundbesitzes Grunderwerbsteuer nacherhoben, wenn die Übertragung der Gesellschaftsanteile innerhalb von zehn Jahren seit der Einbringung er-
1 Vgl. Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 3 GrEStG Rz. 52 ff.
Gottwald 281
Kap. 1 Rz. 1.1164 Steuerorientierte Immobilienübertragung
folgt. Da Übertragungen auf Verwandte in gerader Linie gem. § 3 Nr. 6 GrEStG immer grunderwerbsteuerfrei bleiben, findet hinsichtlich der KG-Anteilsübertragung auf S keine Nacherhebung von Grunderwerbsteuer gem. § 5 Abs. 3 GrEStG statt1. V. Vertragsaufhebung
1.1165 Beispiel: Ehemann E erwirbt von der Bauträgerfirma X eine Eigentumswohnung. Da die Ehefrau die von der Bank verlangte persönliche Haftung nur übernehmen will, wenn sie Miteigentümerin der Eigentumswohnung wird, vereinbart E mit X die Aufhebung des Kaufvertrages. Gleichzeitig wird der Abschluss eines neuen Kaufvertrages zwischen X und dem Ehepaar E vereinbart. Das Finanzamt will die Vertragsaufhebung nicht anerkennen und für beide Kaufverträge Grunderwerbsteuer erheben.
1. Grunderwerbsteuerliche Regelung
1.1166 Die einschlägige Vorschrift des § 16 GrEStG enthält drei Fallgruppen, nämlich – Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges, § 16 Abs. 1 GrEStG; – Rückauflassung § 16 Abs. 2 GrEStG; für die Zweijahresfrist gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sind nicht die Grundbucheintragung, sondern Auflassung und Eintragungsantrag maßgebend; – Herabsetzung der Gegenleistung, § 16 Abs. 3 GrEStG. 2. Zivilrechtliche Durchführung
1.1167 Bei einer Vertragsaufhebung sind die zivilrechtlichen Vorschriften zu beachten: Bei einem Kaufvertrag ohne Eintragung einer Auflassungsvormerkung kann die Vertragsaufhebung formfrei vorgenommen werden. Ist eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen, besteht für den Aufhebungsvertrag Beurkundungszwang2. 3. Vertragsübernahme oder Vertragsaufhebung?
1.1168 Bei einer Vertragsaufhebung muss der Veräußerer die ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangen3: Ein Erwerbsvorgang ist i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur dann rückgängig gemacht, wenn die Beteiligten durch die Aufhebung des Kaufvertrages über das Grundstück derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden4, dass die Verwertungsmöglichkeit nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Verkäufer des Grundstücks seine ursprüngliche Rechtstellung wiedererlangt. In Wirklichkeit liegt trotz der scheinbaren Vertragsaufhebung eine Abtretung des Anspru-
1 2 3 4
Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 3 GrEStG Rz. 428. Vgl. FinMin. Baden-Württemberg, ZNotP 2002, 430 = DStR 2002, 1765. Vgl. BFH v. 29.9.1976 – II R 163/71, BStBl. II 1977, 87 = MittBayNot 1977, 83. Vgl. BFH v. 21.2.2006 – II R 60/04, DStRE 2006, 1359.
282 Gottwald
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1201 Kap. 1
ches aus dem Kaufvertrag an den Zweiterwerber vor1. Tritt ein Dritter durch eine Vertragsübernahme als neuer Käufer in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, verwirklicht sich ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG. Dieser schließt bezüglich des nämlichen Grundstücks einen Rechtsträgerwechsel vom Verkäufer auf den neuen Käufer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus2. Tritt der Ersterwerber bei der Aufhebung eines Kaufvertrages bei der Beurkundung des Weiterveräußerungsvertrages als Vertreter einer Kapitalgesellschaft als Zweiterwerberin auf und ist er an dieser Gesellschaft maßgeblich beteiligt, spricht dies prima facie für ein Handeln im eigenen wirtschaftlichen Interesse3. Im Beispielsfall wäre die Weiterübertragung eines Hälftemiteigentumsanteils durch 1.1169 den Ehemann an die Ehefrau gem. § 3 Nr. 4 GrEStG grunderwerbsteuerfrei geblieben, während die steuerlich unwirksame Aufhebung des Kaufvertrages die entstandene Grunderwerbsteuerpflicht nicht beseitigen konnte, so dass der erneute Abschluss eines Kaufvertrages wiederum hinsichtlich des erstmals von der Ehefrau erworbenen Anteils der Grunderwerbsteuer unterliegt. 4. Rückabwicklung Bei der Rückabwicklung gilt die Befreiung auch für eine zwischenzeitliche Bebau- 1.1170 ung durch den Erwerber4.
1.1171–1.1199
Einstweilen frei.
F. Umsatzsteuer I. Steuerbefreiung von Grundstücksumsätzen – § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG Die Lieferung eines im Inland belegenen Grundstücks durch einen Unternehmer ist 1.1200 ein steuerbarer Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Bei der Lieferung fällt im Regelfall jedoch keine Umsatzsteuer an, da nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG alle Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit sind. 1. Umsätze, die unter das Grunderwerbssteuergesetz fallen Von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG werden die Umsätze erfasst, 1.1201 die unter § 1 GrEStG fallen5. Hierzu gehören insbesondere folgende Rechtsvorgänge:
1 Zum Formerfordernis bei der Rückgängigmachung vgl. BayFinMin., MittBayNot 2003, 173. 2 BFH v. 22.1.2003 – II R 32/01, BStBl. II 2003, 526 = DB 2003, 1308 = ZfIR 2003, 567. 3 BFH v. 25.4.2007 – II R 18/05, BStBl. II 2007, 726 = DB 2007, 1681 = ZfIR 2008, 307. 4 Vgl. BFH v. 14.1.1976 – II R 149/74, BStBl. II 1976, 347 = MittBayNot 1977, 31. 5 Es kommt nicht auf die Grunderwerbsteuerpflicht, sondern auf an die Steuerbarkeit nach GrEStG an, vgl. Umkehrschluss aus § 4 Nr. 9b Satz 2 UStG.
Gottwald und Küffner 283
Kap. 1 Rz. 1.1201 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– Verpflichtungsgeschäfte (Kaufverträge), die den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG); – die Auflassung, wenn kein anderes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG); – Eigentumsübertragung kraft Gesetz oder behördlicher oder gerichtlicher Anordnung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG); – das Meistgebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) im Zwangsversteigerungsverfahren; – die Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot, aus einem Kaufangebot, die Abtretung eines Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 5, 6, 7 GrEStG); – die Verschaffung der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG); – die Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten1; – die unentgeltliche Wertabgabe von Grundstücken (§ 3 Abs. 1b UStG)2; – die Veräußerung eines Miteigentumsanteils (s. Rz. 1.1202); – Lieferung von Bauten auf fremdem Grund und Boden (s. Rz. 1.1209). Die vom GrEStG erfassten Änderungen im Gesellschafterbestand von Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a, 3 GrEStG) fallen hingegen unter § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG3. Keine Bedeutung hat die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG im Falle einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, weil Umsätze im Rahmen einer solchen nach § 1 Abs. 1a UStG bereits nicht umsatzsteuerbar sind (s. Rz. 1841 ff.). Zu beachten ist, dass das Umsatzsteuergesetz grundsätzlich an die Übereignung (Erfüllungsgeschäft) anknüpft, wohingegen das GrEStG grundsätzlich auf das Verpflichtungsgeschäft abstellt. 2. Veräußerung eines Miteigentumsanteils
1.1202 Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben (Art. 14 sowie 15 MwStSystRL) und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH4 ist ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück als eigenständiges Lieferobjekt zu behandeln. Folglich kann die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück als Lieferung unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG fallen. Dieses Verständnis wird sowohl vom BFH5 als auch – nach Aufgabe der althergebrachten Verwaltungsansicht6 – nunmehr von der Finanzverwaltung7 geteilt. 1.1203 Einstweilen frei. 1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = UR 1989, 18 m. Anm. Giesberts. Vgl. BFH v. 2.10.1986 – V R 91/78, BStBl. II 1987, 44 = UR 1987, 14 m. Anm. Weiss. Für die Veräußerung von Miteigentumsanteilen s. Rz. 1.1202 ff. EuGH v. 15.12.2005 – Rs. C-63/04 – Centralan Property, UR 2006, 418. Vgl. BFH v. 6.9.2007 – V R 41/05, BStBl. II 2008, 65 = UR 2007, 858; v. 22.11.2007 – V R 5/06, BStBl. II 2008, 448 = UR 2008, 255. 6 Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE a.F. ist nunmehr weggefallen. 7 Vgl. Abschn. 4.9.1 Abs. 2 Nr. 2 UStAE.
284 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1207 Kap. 1
3. Grundstück i.S.d. UStG (Grund und Boden & Gebäude) Der Grundstücksbegriff nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bestimmt sich grundsätzlich 1.1204 nach § 2 GrEStG. Grundstücke sind hiernach Grundstücke i.S.d. Zivil- bzw. Grundbuchrechts, d.h. durch amtliche Vermessung bestimmte räumlich abgrenzbare Teile der Erdoberfläche1. Der umsatzsteuerrechtliche Grundstücksbegriff ist jedoch nicht identisch mit dem grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff. Denn das Umsatzsteuerrecht ist autonom i.S.d. Unionsrechts und nicht i.S.d. nationalen Gesetze auszulegen2. Geht man dennoch vom grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff aus, gilt als 1.1205 Grundstück, was auf einem gesonderten Grundbuchblatt geführt wird3. Einzelne Flurnummern bilden dagegen keine eigenen Grundstücke. Denn mehrere Flurnummern können auf einem Grundbuchblatt zu einem zivilrechtlichen Grundstück vereinigt werden. Da allerdings auch die Grundstücke mehrerer Grundbuchblätter auf einem Grundbuchblatt zu einem einzigen zivilrechtlichen Grundstück vereinigt werden können4, kann umsatzsteuerrechtlich auch dann von der Lieferung eines Grundstücks auszugehen sein, wenn zivilrechtlich mehrere Grundstücke (mehrere Grundbuchblätter) übertragen werden. Dies folgt insoweit auch aus dem unionsrechtlichen Grundsatz, dass einheitliche wirtschaftliche Vorgänge nicht künstlich in mehrere Leistungen aufgespalten werden dürfen5. Zum Grundstück gehören neben dem Grund und Boden auch die aufstehenden Ge- 1.1206 bäude und Bauwerke6. Das Gebäude umfasst dabei alle integralen Bestandteile, durch die das Gebäude unvollständig wäre7. Grund und Boden und Gebäude bilden einen einheitlichen Gegenstand8. Grund und Boden und aufstehende Gebäude teilen folglich das gleiche umsatzsteuerrechtliche Schicksal. Nur in Ausnahmefällen sind Grund und Boden und aufstehende Gebäude als getrennt voneinander zu betrachten9. Ausgehend vom grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff gelten umsatz- 1.1207 steuerrechtlich auch Erbbaurechte sowie Gebäude auf fremdem Grund und Boden als Grundstücke. Der Grundstücksbegriff umfasst ferner Bruchteils-, Wohn- und Teileigentum. Im Gegensatz zum Zivilrecht gehören das Zubehör, sog. Scheinbestandteile sowie Maschinen und Betriebsvorrichtungen10 nicht zu den Grundstü-
1 Vgl. in Münchener Kommentar/Kohler8, Vor §§ 873 ff. BGB Rz. 1. 2 Vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Rz. 570 – Lfg. Juli 2013; EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 – Auto Lease Holland, UR 2003, 137. 3 Vgl. Kohler in Münchener Kommentar8, Vor §§ 873 ff. BGB Rz. 3. 4 Vgl. Kohler in Münchener Kommentar8, Vor §§ 873 ff. BGB Rz. 3. 5 Vgl. EuGH v. 27.10.2005 – Rs. C-41/04 – Levob Verzekeringen und OV Bank, UR 2006, 20, Tz. 22; v. 27.6.2013 – Rs. C-155/12 – RR Donnelley, UR 2013, 708, Tz. 21. 6 Vgl. Art. 13b Buchst. b Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 v. 18.12.2012. 7 Vgl. Art. 13b Buchst. c Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 v. 18.12.2012. 8 Vgl. EuGH v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 – Breitsohl, BStBl. II 2003, 452, Tz. 50. 9 Vgl. Abschn. 15.2c Abs. 11 Satz 5 UStAE. 10 Vgl. zur Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen von Gebäudebestandteilen: Erlasse der obersten Finanzbehörden v. 15.3.2006, BStBl. I 2006, 314.
Küffner 285
Kap. 1 Rz. 1.1207 Steuerorientierte Immobilienübertragung
cken, es sei denn, die Maschinen und Anlagen sind derart mit dem Grundstück verbunden, dass sie nicht bewegt werden können, ohne dass das Gebäude zerstört oder verändert wird1. Ebenfalls nicht als Grundstück im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sind bestimmte, mit dem Grundstück verbundene Rechte2 anzusehen. Für diese Gegenstände und Rechte gilt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG somit nicht.
1.1208 Umsatzsteuerrechtliche Nebenleistungen teilen demgegenüber das Schicksal der Hauptleistung3, auch wenn sie grunderwerbsteuerrechtlich vom Grundstücksbegriff nicht erfasst werden. Nebenleistungen sind folglich Bestandteil der steuerfreien Grundstückslieferung i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG. Umgekehrt ist die Bebauungsverpflichtung nicht Bestandteil der steuerfreien Grundstückslieferung, wenn der Grundstücksverkäufer und der Bauunternehmer personenverschieden sind4. Grunderwerbsteuerrechtlich handelt es sich dagegen um den Verkauf eines bebauten Grundstücks5. Der umsatzsteuerrechtliche Grundstücksbegriff ist folglich nicht deckungsgleich mit dem grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff. 4. Bauten auf fremdem Grund und Boden
1.1209 Nach zivilrechtlichem Verständnis (§§ 946, 95 BGB) wird der Eigentümer eines Grundstücks stets auch Eigentümer eines auf seinem Grundstück errichteten Gebäudes. Umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger bei der Errichtung des Gebäudes ist hingegen der Besteller des Bauwerks, d.h. derjenige, der die den Leistungen zugrunde liegenden Aufträge im eigenen Namen erteilt hat und somit zivilrechtlich Vertragspartner der Leistenden ist6. Ist der Besteller nicht identisch mit dem Grundstückseigentümer, liegt ein sog. Gebäude auf fremdem Grund und Boden vor. Die Finanzverwaltung hat zu dieser Thematik ausführlich mit Schreiben vom 23.7.19867 Stellung genommen. Dieses Schreiben hat heute noch Gültigkeit8.
1 Vgl. Art. 13b Buchst. d und des Entwurfs zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 v. 18.12.2012 (COM(2012) 763 final). 2 U.a. Gewerbeberechtigungen, Brennrechte, das Recht auf Erbbauzins oder ein Anspruch auf Brandentschädigung. 3 Die Lieferung eines mit einem zum Abriss bestimmten Gebäude bebauten Grundstücks gilt umsatzsteuerrechtlich als Lieferung eines unbebauten Grundstücks, vgl. EuGH v. 19.11.2009 – Rs. C-461/08 – Don Bosco, UR 2010, 25. 4 Vgl. BFH v. 7.2.1991 – V R 53/85, BStBl. II 1991, 737 = UR 1991, 260; v. 10.9.1992 – V R 99/88, BStBl. II 1993, 316 = UR 1993, 55; v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34; ein einheitlicher steuerfreier Umsatz liegt hingegen bei Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vor, vgl. BFH v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 = GmbHR 2009, 163 = UR 2009, 344 m. Anm. Straub. 5 Vgl. BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34. 6 Vgl. BFH v. 13.9.1984 – V B 10/84, BStBl. II 1985, 21; BMF v. 23.7.1986 – IV A 2-S 7100-76/86. 7 BMF v. 23.7.1986 – IV A 2-S 7100-76/86, BStBl. I 1986, 432. 8 Vgl. Abschn. 4.9.1 Abs. 2 Nr. 3 UStAE.
286 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1213 Kap. 1
Liefert der Besteller eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden das Gebäude 1.1210 an den Grundstückseigentümer, kann diese Lieferung – entgegen dem Grundsatz, dass Grund und Boden und Gebäude einen einheitlichen Gegenstand bilden – nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei sein. Denn nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG sind Gebäude auf fremdem Grund und Boden den Grundstücken gleichgestellt. Zu beachten ist jedoch, dass eine Weiterlieferung des Gebäudes unmittelbar nach dessen Errichtung nicht grunderwerbsteuerbar und deshalb umsatzsteuerpflichtig ist1. Voraussetzung einer steuerfreien Lieferung eines Gebäudes auf fremdem Grund 1.1211 und Boden ist folglich, dass dem Besteller nach der Errichtung – zumindest zeitweise – Substanz, Wert und Ertrag am Gebäude zustehen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass es erst zu einer – ggf. steuerfreien – Lieferung an den Grundstückseigentümer kommt, wenn dieser die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die wirtschaftliche Substanz des Gebäudes erhält2. Auf den Übergang des zivilrechtlichen Eigentums nach §§ 946, 95 BGB oder des wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 Abs. 2 AO kommt es hingegen nicht an.
1.1212
Beispiel3: M mietet von V ein Grundstück für acht Jahre und lässt auf diesem eine Lagerhalle für sein Unternehmen errichten. Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Lagerhalle ist 30 Jahre. a) V ersetzt M die Kosten der Halle und berechnet M im Gegenzug eine angemessene Miete für die Nutzung der Halle. b) M ist verpflichtet die Halle nach Beendigung des Mietverhältnisses auf eigene Kosten abzureißen. c) Nach Ablauf der Mietzeit kann V die Lagerhalle gegen eine Entschädigung übernehmen oder auf deren Beseitigung bestehen. Während die umsatzsteuerliche Behandlung der Lieferung des Dritten an M keine Besonderheiten aufweist, ergeben sich hinsichtlich der Lieferung des M an V folgende umsatzsteuerrechtliche Ergebnisse: In Variante a) kommt es zur sofortigen Weiterlieferung der Halle, da sofort nach der Errichtung Substanz, Wert und Ertrag auf V übergehen. Die Lieferung ist nicht grunderwerbsteuerbar und daher umsatzsteuerpflichtig. In Variante b) kommt es nicht zur Lieferung des Gebäudes an V. Das Gebäude gilt aufgrund der Vereinbarung nach § 95 Abs. 2 BGB nur als vorübergehend mit dem Grundstück verbunden (Scheinbestandteil). In Variante c) kommt es nach Ablauf des Mietverhältnisses zu einer grunderwerbsteuerbaren und daher umsatzsteuerfreien Lieferung des Gebäudes an V, wenn dieser das Gebäude übernimmt.
II. Option Nach § 9 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer bei der Lieferung eines Grundstücks 1.1213 an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen auf die Steuerbefreiung für Grundstückslieferungen nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten (sog. Option). Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 UStG kommt nur bei der Bestellung und Über1 Vgl. BMF v. 23.7.1986 – IV A 2-S 7100-76/86, BStBl. I 1986, 432. 2 Vgl. BFH v. 6.12.1979 – V R 87/72, BStBl. II 1980, 279. 3 Beispiele nach BMF v. 23.7.1986 – IV A 2-S 7100 – 76/86.
Küffner 287
Kap. 1 Rz. 1.1213 Steuerorientierte Immobilienübertragung
tragung von Erbbauchrechten, nicht aber bei Grundstücksübertragungen, zur Anwendung. 1. Hintergrund
1.1214 Hintergrund der Option ist die Tatsache, dass die Steuerbefreiung im Umsatzsteuerrecht nicht in allen Fällen steuerlich vorteilhaft ist. Denn mit der Steuerbefreiung geht auch die Versagung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG einher. Bei Lieferungen an andere Unternehmer wirkt sich dies nachteilig aus, wie das nachfolgende Beispiel zeigt: 1.1215 Beispiel: V errichtet auf seinem Betriebsgrundstück im Jahr 2010 ein Gebäude für 1.000 zzgl. 190 Umsatzsteuer, das er ausschließlich für seinen Handwerksbetrieb nutzt. V macht in voller Höhe den Vorsteuerabzug geltend. Im Jahr 2014 veräußert V das Grundstück samt aufstehendem Gebäude an Unternehmer K für 1.500. K nutzt das Gebäude ebenfalls im Rahmen seines Handwerksbetriebs. Veräußert V das Grundstück steuerfrei an K, muss V den Vorsteuerabzug nach § 15a UStG für sechs Jahre (60 % = 114) rückgängig machen. V muss die Vorsteuern an das Finanzamt abführen, so dass die Vorsteuern bei V letztlich Aufwand darstellen. Diesen Aufwand wird V beim Verkaufspreis berücksichtigen. Der Verkaufspreis erhöht sich folglich um 114 auf 1.614. Optiert V dagegen zur Steuerpflicht, bleibt ihm der Vorsteuerabzug in voller Höhe erhalten. Der Verkaufspreis beträgt in diesem Fall 1.500. Zwar schuldet K hierauf nach § 13b UStG die Umsatzsteuer i.H.v. 285. Diese Steuer kann K jedoch in voller Höhe als Vorsteuer abziehen. Effektiv bleibt es für K somit bei einem Kaufpreis von 1.500. Durch die Option verringert sich der Kaufpreis für K um 114.
2. § 9 Abs. 1 UStG – Ausübung und Umfang der Option
1.1216 Die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG besteht für alle in- und ausländischen Unternehmer, mit Ausnahme der Kleinunternehmer, der Durchschnittssatzbesteuerer und der pauschalierenden Land- und Forstwirte. Die Option setzt weiter voraus, dass das Grundstück an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen geliefert wird (zur Frage, wann ein Gegenstand für das Unternehmen des Empfängers geliefert wird, siehe Rz. 1.1226 ff.). Empfangender Unternehmer kann auch ein Kleinunternehmer, Durchschnittssatzbesteuerer oder ein pauschalierender Landund Forstwirt sein. 1.1217 Der Verkäufer trägt bei der Option stets das Risiko, dass sich nachträglich herausstellt, dass der Abnehmer tatsächlich kein Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für sein Unternehmen verwendet. In diesem Fall droht beim Verkäufer eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG, die zu zusätzlichen Kosten beim Verkäufer führt. Aus diesem Grund empfiehlt sich die Aufnahme einer Garantieerklärung des Käufers in den notariellen Kaufvertrag, mit der dieser zusichert, Unternehmer zu sein und das Grundstück (anteilig) für sein Unternehmen zu erwerben (zur zivilvertraglichen Regelung siehe Rz. 1.1219, 1.1240). Sollte sich später herausstellen, 288 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1219 Kap. 1
dass der Käufer entgegen seiner Angabe kein Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Es empfiehlt sich zudem, dass auch die Höhe des Schadensersatzanspruchs und evtl. anfallender Zinsen bereits im Rahmen einer sog. Steuerklausel im notariellen Vertrag mitgeregelt werden. Der Umfang der Option bestimmt sich durch den Verweis auf die Steuerbefreiung 1.1218 für Grundstücksumsätze (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG; zum Umfang siehe Rz. 1.1204). Nur soweit die Grundstückslieferung grundsätzlich steuerfrei ist, bedarf es auch der Möglichkeit zur Option. Insoweit hat die Option keine Auswirkungen auf ggf. mitverkauftes Inventar, da dieses von der Steuerbefreiung nicht mit umfasst ist. 3. § 9 Abs. 3 UStG – Form und Zeitpunkt der Optionsausübung Die Option nach § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG muss durch ausdrückliche Erklärung in 1.1219 dem notariell zu beurkundenden Grundstückskaufvertrag i.S.d. § 311b Abs. 1 BGB erfolgen. Ausgenommen hiervon ist ein Verkauf im Zwangsversteigerungsverfahren. Hier ist nach § 9 Abs. 3 Satz 1 UStG die Option bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig. Eine bedingte Option ist unzulässig. Eine Verzichtserklärung erfolgt bedingt, wenn sie beispielsweise von Feststellungen der Finanzverwaltung abhängig gemacht wird. Besondere praktische Relevanz erlangt diese Voraussetzung in Fällen, in denen nicht rechtssicher ist, ob es sich um eine umsatzsteuerbare und damit der Option zugängliche Grundstückslieferung oder eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, bei welcher die Option von vornherein ausscheidet (s. Rz. 1.1213). Die umsatzsteuerliche Kernproblematik liegt dann darin begründet, dass im Fall der umsatzsteuerbaren Lieferung ohne Optionsausübung eine steuerfreie Veräußerung vorliegen und bei dem Veräußerer eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG resultieren kann. Eine gesonderte Erklärung gegenüber dem Finanzamt ist nicht erforderlich. Insoweit genügt grundsätzlich das schlüssige Verhalten der Beteiligten1. Aufgrund der Einführung des Übergangs der Steuerschuld auf den Grundstückserwerber nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG (zur Steuerschuldnerschaft siehe Rz. 1.1274 ff.), kann die Option für Umsätze nach dem 31.3.2004 jedoch nicht mehr durch offenen Ausweis der Umsatzsteuer ausgeübt werden. Der BFH hat in dem Urteil vom 21.10.20152 entschieden, dass bei Grundstückslieferungen aufgrund des Wortlautes des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG die Optionserklärung „in dem“ nach § 311b Abs. 1 BGB zu beurkundenden Vertrag zu erklären sei. Der Wortlaut beschränke damit die Optionsmöglichkeit auf deren Erklärung im originären Vertrag. Eine nachträgliche Optionsausübung ist nicht möglich. Selbst die zivilrechtliche Möglichkeit, diesen Vertrag anzupassen, führe nicht zu einer nachträglichen Optionsmöglichkeit. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzesbegründung folgend soll der Zeitpunkt des notariellen Kaufvertragsabschlusses der letztmögliche Zeitpunkt für die Optionserklärung sein3. Zudem sei 1 Vgl. BFH v. 11.7.2012 – XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266. 2 BFH v. 21.10.2015 – XI R 40/13, UR 2016, 107. 3 Siehe Haushaltsbegleitgesetz 2004, BR-Drucks. 583/10, 12.
Küffner 289
Kap. 1 Rz. 1.1219 Steuerorientierte Immobilienübertragung
der Leistungsempfänger wegen der Steuerschuld nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG schutzbedürftig. Eine wirksame Option zur Steuerpflicht ist nach Auffassung des BFH daher ausschließlich im originären notariellen Übertragungsvertrag möglich. Insofern hat der BFH auch entgegen der bisher durch die Finanzverwaltung vertretenen Ansicht entschieden1. Die Finanzverwaltung hat diese Entscheidung inzwischen veröffentlicht und schließt sich der Rechtsprechung des BFH an.2 Die Entscheidung des BFH vom 21.10.20153 bedeutet für Steuerpflichtige, die Immobilienverkäufe ausführen, eine Verschärfung. Ein dieser Anforderung entsprechendes Muster einer Optionserklärung findet sich unter Rz. 1.1240, das Muster einer vorsorglichen Option unter Rz. 1.1256.
1.1220 Der Verzicht muss grundsätzlich vom jeweiligen Unternehmer erklärt werden. Im Organschaftsfall muss die Option grundsätzlich vom Organträger als Unternehmer erklärt werden. Der Organträger kann aber auch die Organgesellschaft zum Verzicht ermächtigen. Im Falle von Miteigentümergemeinschaften, die selbst keine Unternehmer sind, muss jeder einzelne Eigentümer die Option erklären. Zu den teilrechtsfähigen Wohnungseigentumsgemeinschaften, die selbst Unternehmer sind, siehe Rz. 1.1284. 1.1221–1.1223 Einstweilen frei. 1.1224 Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des BFH4 steht fest, dass die Verzichtserklärung formlos widerrufen werden kann5. Dies ist jedenfalls bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft (Unabänderbarkeit) der Umsatzsteuerfestsetzung möglich. Der Leistende sollte selbstverständlich die Folgen des § 15a UStG der dann steuerfreien Veräußerung im Blick haben. 1.1225 Einstweilen frei. 4. Verwendungsabsicht
1.1226 Lieferung „für das Unternehmen“ i.S.d. § 9 Abs. 1 UStG bedeutet, dass der Leistungsempfänger das Grundstück seinem Unternehmen zuordnen (können) muss. Maßgeblich für die Zuordnungsentscheidung sind die Kriterien des § 15 Abs. 1 Nr. 1
1 Siehe BMF v. 31.3.2004 – IV D 1-S 7279-107/04, BStBl. I 2004, 453, Ziff. I Rz. 4: „Bei anderen – nach dem 31.12.2003 ausgeführten – Umsätzen, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, ist die Option zwingend im notariell zu beurkunden Vertrag [§ 311b BGB] oder einer notariell zu beurkundenden Vertragsergänzung oder -änderung zu erklären.“ 2 Siehe BMF v. 2.8.2017 – III C 3-S 7198/16/10001, BStBl. I 2017, 1240 mit weiteren Hinweisen zur zeitlichen Anwendbarkeit; Abschn. 9.2. Abs. 9 Satz 1 f. UStAE. 3 BFH v. 21.10.2015 – XI R 40/13, UR 2016, 107. 4 BFH v. 2.7.2021 – XI R 22/19, UR 2021, 899. 5 A.A. noch die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 2.8.2017 – III C 3-S 7198/16/10001, BStBl. I 2017, 1240 mit weiteren Hinweisen zur zeitlichen Anwendbarkeit; Abschn. 9.2. Abs. 9 Satz 3 UStAE.
290 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1229 Kap. 1
Satz 1 UStG1. Hiernach kommt es auf die Verwendungsabsicht des Leistungsempfängers im Bezugszeitpunkt an. Die Zuordnung setzt grundsätzlich eine unternehmerische Verwendung voraus2. 1.1227 Tritt neben die unternehmerische Nutzung auch eine nichtunternehmerische Nutzung, hängt die Zuordnungsmöglichkeit von der Art der nichtunternehmerischen Nutzung ab. Bei einer nichtunternehmerischen Nutzung i.e.S. (z.B. Bezug für den hoheitlichen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder für den ideellen Bereich eines gemeinnützig tätigen Vereins)3 ist nach Auffassung der Finanzverwaltung insoweit eine Zuordnung ausgeschlossen4. Bei teilweiser unternehmensfremder (privater) Nutzung (z.B. für den privaten Bedarf des Personals bzw. des Unternehmers)5 besteht hingegen ein Zuordnungswahlrecht. Der Gegenstand kann vollständig, oder anteilig in Höhe der unternehmerischen Nutzung zugeordnet werden6. Soweit das Grundstück dem Unternehmen nicht zugeordnet wird oder werden kann, ist eine Option ausgeschlossen (zur Teiloption s. Rz. 1.1230 ff.). Die Option ist vollständig ausgeschlossen, wenn der Gegenstand bei gemischter Nut- 1.1228 zung nicht mindestens zu 10 % unternehmerisch genutzt wird. In diesem Fall gilt die Lieferung gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nie als für das Unternehmen des Erwerbers ausgeführt7. Die Zuordnung erfordert eine nach außen gerichtete Dokumentation der Zuord- 1.1229 nungsentscheidung durch den Käufer. Die Zuordnung ergibt sich dabei regelmäßig aus der Höhe des vom Käufer geltend gemachten Vorsteuerabzugs8. Kann aus dem geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht auf den Anteil der Zuordnung geschlossen werden, muss der Käufer einer Immobilie eine schriftliche Erklärung über den Umfang der Zuordnung gegenüber dem Finanzamt abgeben9. Die Zuordnung muss der Käufer bis zum 1. Juli des Folgejahres (gesetzliche Abgabefrist für Steuererklä-
1 Vgl. zur Frage der Zuordnungsmöglichkeit BMF v. 2.1.2014 – IV D 2-S 7300/12/10002:001, BStBl. I 2014, 119. 2 Vgl. BFH v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 m. Anm. Küffner; v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 = UR 2012, 238. 3 Vgl. zum Begriff Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4 UStAE. 4 Vgl. BFH v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 m. Anm. Küffner; v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 = UR 2012, 238. Seit EuGH v. 25.7.2017 C-140/17 (Gmina Ryjewo, UR 2018, 687 m. Anm. Küffner/Kirchinger und Sterzinger) jedoch str., da bei sich erst später ergebender unternehmerischer Nutzung eines zunächst nichtunternehmerisch genutzten Objektes Berichtigung nach § 15a UStG analog denkbar ist („nachträgliche Zuordnung“). Dies gilt dem EuGH folgend jedenfalls, wenn eine erweiterte unternehmerische Nutzung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, vgl. Meurer, in MwStR 2018, 859 (863). 5 Vgl. zum Begriff Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 3 UStAE. 6 Vgl. BFH v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 m. Anm. Küffner; v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 = UR 2012, 238. 7 Vgl. BMF v. 2.1.2014 – IV D 2-S 7300/12/10002:001, BStBl. I 2014, 119. 8 Vgl. BMF v. 2.1.2014 – IV D 2-S 7300/12/10002:001, BStBl. I 2014, 119. 9 Vgl. BMF v. 2.1.2014 – IV D 2-S 7300/12/10002:001, BStBl. I 2014, 119.
Küffner 291
Kap. 1 Rz. 1.1229 Steuerorientierte Immobilienübertragung
rungen) dokumentieren, andernfalls kann nicht von einer Zuordnung zum Unternehmen ausgegangen werden1. Unterbleibt eine Zuordnung oder ist sie verspätet und damit nicht berücksichtigungsfähig2, entsteht bereits kein Unternehmensvermögen. Folge ist, dass der Vorsteuerabzug in Gänze zu versagen ist – und zwar auch für den tatsächlich unternehmerisch genutzten Teil des Grundstücks. Die vorgenannten Grundsätze zur Zuordnungsverpflichtung gelten nach der Rechtsprechung des BFH3 ebenso für in zeitlicher Hinsicht gestreckte Herstellungsvorgänge, so dass jedes Jahr eine rechtzeitige Zuordnung für die bereits entstandene Vorsteuer notwendig4 ist. Für die Zuordnung kommt es danach – wie im Allgemeinen – auf die beabsichtigen Nutzungen des Grundstücks an, wobei erkennbar sein muss, in welchem quotalen Umfang die Bildung von Unternehmensvermögen beabsichtigt ist. Ein Herausschieben der Zuordnungsentscheidung auf das Ende des Herstellungsvorgangs führe nach BFH5 zu einem unionsrechtlich unvertretbaren Schwebezustand hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug und scheide daher aus. Der EuGH hat das Erfordernis der zeitnahen Zuordnungsentscheidung als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich für vereinbar gehalten.6 Vor diesem Hintergrund ist es zu empfehlen, dass der Käufer bereits im notariellen Kaufvertrag die vollständige oder teilweise Zuordnung zu seinem Unternehmen erklärt. 5. Teiloption
1.1230 Dem Unternehmer steht es beim Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG frei, zu bestimmen, in welchem Umfang er sein Optionsrecht ausübt7. Wird die Option nicht für den gesamten Umsatz (sog. Gesamtoption) erklärt, sondern in ihrem Umfang begrenzt, spricht man von einer sog. Teiloption. Eine Teiloption wird im Normalfall erklärt, wenn der Erwerber aufgrund einer gemischten Nutzung des Grundstücks nur zum teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Eine gemischte Nutzung liegt vor, wenn der Erwerber das Grundstück nur teilweise für wirtschaftliche Tätigkeiten nutzt, oder wenn er sowohl Ausschluss- als auch Abzugsumsätze tätigt. Durch die Teiloption wird in diesen Fällen eine Belastung des Käufers mit Umsatzsteuer vermieden. 1.1231 Beispiel: Unternehmer U verkauft ein zu seinem Unternehmen gehörendes Haus mit zwei gleich großen Stockwerken an K. K beabsichtigt, das Erdgeschoss steuerpflichtig an eine Rechtsanwalts-
1 Vgl. BMF v. 2.1.2014 – IV D 2-S 7300/12/10002:001, BStBl. I 2014, 119. 2 Vgl. BFH v. 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798; v. 7.7.2011 – V R 21/20, BStBl. II 2014, 81; Abschn. 15.2c. Abs. 14 ff. UStAE. 3 Vgl. BFH v. 7.7.2011 – V R 21/20, BStBl. II 2014, 81. 4 Vgl. BFH v. 7.7.2011 – V R 21/20, BStBl. II 2014, 81; v. 25.11.2004 – V R 38/03, BStBl. II. 2005, 414 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 7.7.2011 – V R 21/20, BStBl. II 2014, 81. 6 Vgl. EuGH v. 14.10.2021 – C-45/20 und C-46/20, UR 2021, 867. 7 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – XI R 43/90, BStBl. II 1997, 98 = UR 1996, 425 m. Anm. Widmann.
292 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1236 Kap. 1
kanzlei und das OG steuerfrei an einen Arzt zu vermieten. Als Kaufpreis vereinbaren die Parteien netto 1.000. K erwirbt das Grundstück für sein Unternehmen und ordnet es vollständig seinem Unternehmen zu. U kann folglich im notariellen Kaufvertrag erklären, dass er auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG verzichtet. Verzichtet er für den gesamten Umsatz auf die Steuerbefreiung, schuldet K Umsatzsteuer i.H.v. 190. Hiervon kann er lediglich 95 (50 %) als Vorsteuer abziehen. Hinsichtlich der restlichen 95 bleibt K nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der Vorsteuer belastet. Optiert U hingegen nur zu 50 % zur Umsatzsteuer, kann K die geschuldete Umsatzsteuer i.H.v. 95 in voller Höhe als Vorsteuer abziehen. Zu einer endgültigen Belastung mit Umsatzsteuer kommt es bei K nicht. U muss seinerseits aber prüfen, inwiefern die Teiloption für ihn nachteilig sein könnte (§ 15a UStG).
Die Teiloption hat ihre Ursache zwar regelmäßig in den Nutzungsverhältnissen des 1.1232 Käufers bzw. Abnehmers. Gleichwohl kann der Leistende auch eine von den Nutzungsverhältnissen des Käufers unabhängige bzw. abweichende Teiloption erklären1. Im Beispiel könnte U folglich auch zu 30 % oder 70 % zur Umsatzsteuer optieren. Zu beachten ist jedoch, dass die Teiloption nach räumlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Inwieweit eine rein quotale Aufteilung zulässig ist, ist umstritten2. Einstweilen frei.
1.1233–1.1234
Unklar ist, ob eine Teiloption zudem auch dann zulässig ist, wenn im Zeitpunkt der 1.1235 Optionsausübung noch nicht eindeutig feststeht, für welche Flächen die Option erfolgt3. Steht beispielsweise im Zeitpunkt des Kaufvertrages fest, dass der Käufer das Grundstück teilweise steuerpflichtig und steuerfrei vermietet, sollte es zulässig sein, die Option auf die Flächen zu beschränken, die steuerpflichtig vermietet werden. Die Option hat grundsätzlich einheitlich für Gebäude oder Gebäudeteile und den 1.1236 zugehörigen Grund und Boden zu erfolgen (s.o. Rz. 1.1204). Denn Grund und Boden und aufstehende Gebäude sind grundsätzlich als Einheit zu betrachten. Das heißt, durch eine Teiloption besteht im Regelfall nicht die Möglichkeit nur hinsichtlich der gelieferten Gebäude oder nur hinsichtlich des gelieferten Grund und Bodens zur Umsatzsteuer zu optieren. Durch die Teiloption kommt es vielmehr zu einer anteiligen steuerpflichtigen Lieferung der Gebäude sowie des zugehörigen Grund und Bodens. Eine getrennte Option ist dann möglich, wenn nur der Grund und Boden, oder nur das aufstehende Gebäude geliefert wird4.
1 Vgl. BFH v. 26.6.1996 – XI R 43/90, BStBl. II 1997, 98 = UR 1996, 425 m. Anm. Widmann. 2 Ablehnend: vgl. Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 3 UStAE; Nieuwenhuis in Offerhaus/Söhn/Lange, § 9 UStG Rz. 40 – Lfg. Feb. 2014; zustimmend Küffner/Zugmaier in FS Spiegelberger zum 70. Geburtstag; Lippross, Umsatzsteuer24, S. 768; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, § 9 UStG Rz. 65 ff. – Lfg. Juli 2013; teilweise zustimmend Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, § 9 UStG Rz. 26.2 – Lfg. Okt. 2011. 3 Vgl. Küffner/Zugmaier in FS für Spiegelberger, 324. 4 Vgl. Lippross, Umsatzsteuer25, S. 767 f.
Küffner 293
Kap. 1 Rz. 1.1237 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1237 Keine Teiloption liegt vor, wenn der Verkäufer ein Grundstück verkauft, das nur teilweise seinem Unternehmen zugeordnet ist. Denn der Verkauf des nicht dem Unternehmen zugeordneten Grundstücksteils ist bereits kein steuerbarer Umsatz. Insoweit steht dem Verkäufer auch keine Optionsmöglichkeit zu. 1.1238 Bei ausgeübter Teiloption kommt § 15 Abs. 4 UStG regelmäßig nicht zur Anwendung1. Der Erwerber kann den steuerpflichtig veräußerten Teil direkt seinen vorsteuerunschädlichen Ausgangsleistungen zuordnen. Für den optierten Teil steht ihm folglich der volle Vorsteuerabzug zu. 6. Option gegenüber einer Bruchteilsgemeinschaft
1.1239 Eine Bruchteilsgemeinschaft kann nach Auffassung des V. Senats des BFH nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein2. Ist Veräußerer eines Grundstücks eine Bruchteilsgemeinschaft, erbringt sie die Leistung daher nicht selbst. Vielmehr liegen zivil- und umsatzsteuerrechtlich durch die Gemeinschafter als jeweilige Unternehmer anteilig erbrachte Leistungen vor. Dies gilt entsprechend für den Erwerb eines Grundstücks. Ist der Erwerber eine Bruchteilsgemeinschaft, so sind die hinter der Gemeinschaft stehenden Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen3. Demgegenüber soll eine Bruchteilsgemeinschaft aus Sicht der Finanzverwaltung durchaus Unternehmer sein können4. Insbesondere soll die Gemeinschaft Leistungsempfänger sein, wenn sie einem Gemeinschafter das Grundstück oder Teile des Grundstücks unentgeltlich zur Nutzung überlässt5. Gleichwohl steht auch aus Sicht der Finanzverwaltung dem jeweiligen Gemeinschafter anteilig der Vorsteuerabzug zu6. Um den Vorsteuerabzug vornehmen zu können, genügt es in diesem Fall, wenn nur der vollständige Name und die Anschrift der Gemeinschaft im Kaufvertrag bzw. der Rechnung angegeben sind7. Beispiel: V veräußert eine zu seinem Unternehmen gehörende Immobilie (Kanzleiräume) an Steuerberater S und Rechtsanwalt R. S und R erwerben Eigentum zu gleichen Teilen. S und R nut-
1 Vgl. Schäfer/Wiedeking, UStB 2008, 105; Radeisen, SteuK 2012, 261; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, § 9 UStG Rz. 67 – Lfg. Juni 2016; Flues, RNotZ 2012, 528. 2 BFH v. 22.1.2018 – V R 65/17, BFH/NV 2019, 359, vgl. auch Anm. Küffner/Kirchinger, UStB 2019, 93 f. 3 Vgl. BFH v. 1.10.1998 – V R 31/98, BStBl. II 2008, 497 = UR 1999, 36; v. 7.11.2000 – V R 49/99, BStBl. II 2008, 493 = UR 2001, 118; v. 1.2.2001 – V R 79/99, BStBl. II 2008, 495 = UR 2001, 251. 4 Vgl. Abschn. 2.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE; das Urteil des BFH v. 22.1.2018 – V R 65/17 ist noch nicht im BStBl. veröffentlicht. 5 Vgl. BMF v. 1.12.2006 – IV A 5-S 7300–90/06, BStBl. I 2007, 90; v. 9.5.2008, – IV A 5-S 7300/07/0017, 2008/0228963, BStBl. I 2008, 675. 6 Vgl. Abschn. 15.2b Abs. 1 Satz 8 UStAE. 7 Vgl. BFH v. 27.1.1994 – V R 31/91, BStBl. II 1994, 488 = UR 1994, 278 Rz. 17; v. 6.10.2005 – V R 40/01, BStBl. II 2007, 13 = UR 2003, 148 Rz. 33, 52; Abschn. 15.2a Abs. 3 Satz 8 UStAE.
294 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1240 Kap. 1
zen die Kanzleiräume jeweils für Besprechungen mit Mandanten. Als Kaufpreis vereinbaren die Parteien netto 1.000. Optiert V in voller Höhe zur Umsatzsteuer, schulden R und S jeweils anteilig 50 % der zu entrichtenden Umsatzsteuer von 190 nach weiterhin geltender Auffassung der Finanzverwaltung. Zugleich können R und S die anteilig geschuldete Steuer als Vorsteuer abziehen.
7. Musterklausel bei ausgeübter Option In Anlehnung an Zugmaier/Fietz, MittBayNot 2013, 427.
1.1240
M6 Musterklausel bei ausgeübter Option Der Kaufpreis für das Grundstück samt aufstehender Gebäude (zusammen im Folgenden die Vertragsimmobilie) beträgt 1.500.000 a. Beim Kaufpreis handelt es sich um einen Nettokaufpreis. Die Parteien kommen darin überein, dass der Veräußerer gem. § 9 Abs. 1 UStG in vollem Umfang (hinsichtlich der im Bebauungsplan gekennzeichneten Flächen) auf die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet. Der Veräußerer verpflichtet sich, den Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nicht ohne schriftliche Zustimmung des Erwerbers zurückzunehmen. Bei Zuwiderhandlung haftet der Veräußerer dem Erwerber für den hierdurch entstandenen Schaden. Der Erwerber versichert, dass er Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist. Der Erwerber ordnet hiermit die Vertragsimmobilie vollständig seinem Unternehmen i.S.d. § 2 UStG zu. Der maßgebliche Steuersatz für die Lieferung der Vertragsimmobilie beträgt 19 %. Steuerschuldner aus dem Verkauf der Vertragsimmobilie ist der Erwerber (Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers) gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 UStG. Der Erwerber hat daher die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Die Steuernummer des Veräußerers lautet: 123/456/7890 Der auf das mitverkaufte Inventar entfallende Nettokaufpreis beträgt 150.000 b zzgl. gesetzlich geschuldeter Umsatzsteuer i.H.v. 28.500 b (Steuersatz = 19 %). Der Kaufpreis für die Vertragsimmobilie erhöht sich somit um insgesamt 178.500 b. Die Parteien kommen überein, dass es sich bei diesem Vertrag um eine Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG handelt. Der Erwerber kann den Vorsteuerabzug aus diesem Vertrag unmittelbar geltend machen. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass dieser Vertrag nicht den Vorgaben der §§ 14, 14a UStG entspricht, verpflichtet sich der Veräußerer dem Erwerber außerhalb dieser Urkunde unverzüglich eine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung zu erteilen. Die Rechnung ist hinsichtlich der Lieferung des Grundstücks ohne Steuerausweis und hinsichtlich des mitgelieferten Inventars unter Ausweis von 19 % deutscher Umsatzsteuer auszustellen. Die Parteien gehen einvernehmlich davon aus, dass die Übertragung der Vertragsimmobilie samt Inventar keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ist. Sollte Küffner 295
Kap. 1 Rz. 1.1240 Steuerorientierte Immobilienübertragung später festgestellt werden, dass – entgegen der vorstehenden Annahme – eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, gilt das Folgende: Der Veräußerer wird gegenüber dem Erwerber die in § 15a Abs. 10 UStG vorgesehenen Angaben unverzüglich machen. Soweit diese Daten dem Erwerber nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Zugang der Mitteilung über die veränderte Beurteilung des Sachverhalts durch die Finanzverwaltung zugehen, stimmt der Verkäufer schon jetzt – unter Bezugnahme auf § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO – einer Offenlegung dieser Daten durch die Finanzverwaltung gegenüber dem Erwerber zu. Die auf das Inventar entfallende und im Kaufpreis enthaltende Umsatzsteuer hat der Veräußerer dem Erwerber zu erstatten. Einen etwaigen Zinsschaden hat der Veräußerer dem Erwerber nicht zu ersetzen. Zur Sicherung des Anspruchs des Erwerbers tritt der Veräußerer bereits heute seinen Anspruch gegen das Finanzamt auf Erstattung der unrichtig in Rechnung gestellten Umsatzsteuer an den Erwerber ab. Der Erwerber stellt den Veräußerer von einer Haftung für Betriebssteuern nach § 75 AO frei. Dem Erwerber ist bekannt, dass er den Vorsteuerberichtigungszeitraum i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG nach § 15a Abs. 10 UStG fortsetzt. Soweit es beim Erwerber oder beim Veräußerer aufgrund der geänderten Beurteilung zu einer anteiligen Rückforderung von Vorsteuerbeträgen nach § 15a UStG kommt, ist die jeweils andere Partei nicht zum Ausgleich des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet.
III. Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG
1.1241 Die voranstehend dargestellten Probleme ergeben sich nicht, wenn es sich bei der Grundstückslieferung um eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG handelt. Denn Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung sind nach § 1 Abs. 1a UStG nicht umsatzsteuerbar. Der Erwerbende tritt in diesem Fall nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an die (umsatzsteuerrechtliche) Stelle des Veräußerers. Das bedeutet, dass er den Vorsteuerberichtigungszeitraum des Veräußerers fortsetzt und der Berichtigungszeitraum durch die Veräußerung nicht unterbrochen wird (§ 15a Abs. 10 UStG). Infolgedessen kommt es beim Veräußerer zu keiner möglichen Vorsteuerberichtigung, wie sie ein steuerfreier Grundstücksverkauf nach sich ziehen würde (s.o. Rz. 1.1214). Zu beachten ist jedoch, dass es beim Erwerber zu Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG kommen kann. Nutzt der Erwerber das Grundstück nicht in gleicher Weise wie der Veräußerer, drohen dem Erwerber Vorsteuerberichtigungen, obwohl ihm der Vorsteuerabzug nicht zustand. 1.1242 Beispiel: Unternehmer U schafft zum 1.1.2015 ein Grundstück samt aufstehendem Gebäude an. U vermietet das Gebäude zu 100 % steuerpflichtig. U macht den Vorsteuerabzug in voller Höhe geltend. Zum 1.1.2019 veräußert U das Grundstück im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an den Unternehmer E. Dieser vermietet das Grundstück bis zum 31.12.2016 zu 100 % steuerpflichtig, ab dem 1.1.2022 jedoch ausschließlich steuerfrei.
296 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1244 Kap. 1
Infolge der Nutzungsänderung kommt es bei E zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG für den übrigen Vorsteuerberichtigungszeitraum von drei Jahren. E muss für jedes Jahr 10 % der ursprünglich von U geltend gemachten Vorsteuern an das Finanzamt zurückzahlen.
Es ist somit erforderlich, dass sich beide Parteien über das Vorliegen einer Geschäfts- 1.1243 veräußerung im Klaren sind, um die Folgen des Kaufs vollständig abschätzen zu können. 1. Voraussetzungen Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, wenn ein Unternehmer 1.1244 sein ganzes Unternehmen oder einen in der Gliederung seines Unternehmens gesondert geführten Betrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer überträgt. Zudem muss der Erwerber das Unternehmen oder den Betrieb des Veräußerers fortführen oder zumindest die Fortführung beabsichtigen1. Soweit der Erwerber das erworbene Unternehmen sofort abwickelt, liegt keine Geschäftsveräußerung vor2. Eine Fortführung des Unternehmens setzt dagegen nicht voraus, dass der Erwerber bereits vor dem Erwerb Unternehmer ist. Es genügt, wenn er im Zuge des Erwerbs seine unternehmerische Tätigkeit aufnimmt3. Auch setzt die Geschäftsveräußerung nicht voraus, dass die Tätigkeit des Veräußerers in identischer Form fortgeführt wird. Insoweit ist es unproblematisch, wenn der Erwerber das Unternehmen in seinem Zuschnitt ändert (z.B. indem er es in sein bestehendes Unternehmen integriert) oder modernisiert4. Entscheidend ist allein, dass sich die vom Veräußerer und Erwerber ausgeübten Tätigkeiten hinreichend ähneln5. Die Finanzverwaltung hat zwei BFH-Urteile aus 20056 und 20157 nunmehr in Abschn. 1.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses aufgenommen. Nach dem neuen Abschn. 1.5 Absatz 2 UStAE können auch Bauträger und Grundstückshändler Vermietungsunternehmen sein, wenn bei Veräußerung bereits eine nachhaltige Vermietungstätigkeit vorliegt. Der Unternehmer gilt dann für Zwecke der Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht (mehr) als Bauträger bzw. Grundstückshändler, sondern als Vermietungsunternehmen. Die für Bauträger und Grundstückshändler typische Absicht, das errichtete Objekt bzw. Grundstück weiter zu veräußern, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit nicht zwingend entgegen. Nach einer widerlegbaren Vermutung ist von einem Vermietungsunternehmen dann auszugehen, wenn die Vermietungsdauer mindestens sechs Monate betragen hat.
1 Vgl. BFH v. 18.9.2008 – V R 21/07, BStBl. II 2009, 254 = UR 2009, 15. 2 Vgl. EuGH v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01 – Zita Modes, UR 2004, 19; Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 2 UStAE. 3 Vgl. Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 1 UStAE. 4 Vgl. BFH v. 23.8.2007 – V R 14/05, BStBl. II 2008, 165. 5 Vgl. BFH v. 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873. 6 Vgl. BFH v. 24.2.2005 – V R 45/02, BStBl. 2007, 61. 7 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – V R 66/14, BStBl. II 2020, 793.
Küffner 297
Kap. 1 Rz. 1.1244 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Zudem erkennt die Finanzverwaltung an, dass die Fortführung der Unternehmenstätigkeit bei einer im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen muss. Im Grundsatz gilt damit bei einer Übertragung in der Kette, dass nur der Letzterwerber das Unternehmen des ersten Veräußerers in der Kette fortführen muss. Das BMF schränkt seine Grundaussage zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit in der Kette jedoch ein: Bei einer mehrfachen Übertragung liegt nur dann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auf jeder einzelnen Stufe vor, wenn auf jeder einzelnen Stufe der Übertragung der jeweilige Erwerber Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ist.
1.1245 Damit der Erwerber das Unternehmen fortführen kann, ist es im Normalfall erforderlich, dass alle wesentlichen Grundlagen des Unternehmens oder Betriebs auf den Erwerber übergehen1. Gehen nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber über, kann dennoch eine Geschäftsveräußerung vorliegen. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen dem Erwerber zumindest langfristig zur Nutzung überlassen werden2. Bei den wesentlichen Grundlagen kann es sich hierbei auch um bewegliche Wirtschaftsgüter (Inventar) handeln, selbst wenn der für das Unternehmen oder den Betrieb erforderliche Geschäftsraum nicht mit übergeht, sondern vom Veräußerer oder auch einem Dritten langfristig zur Nutzung überlassen wird oder der Erwerber selbst über eine eigene geeignete Immobilie verfügt3. Von einer langfristigen Überlassung ist bereits auszugehen, wenn das zum Betrieb gehörende Grundstück im Anschluss an die Geschäftsveräußerung für acht Jahre an den Erwerber vermietet oder verpachtet wird4. 1.1246 Entscheidend für die Annahme einer Geschäftsveräußerung ist folglich, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, das dem Erwerber die Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit ermöglicht. So liegt regelmäßig keine Geschäftsveräußerung vor, wenn nur einzelne Wirtschaftsgüter (wie z.B. ein Warenbestand) übertragen werden5. Denn insoweit kann vom Erwerber im Normalfall keine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit fortgesetzt werden. 1.1247 Ob im Einzelfall die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung vorliegen, lässt sich zumindest bei der Übertragung eines Unternehmens im Ganzen meist eindeutig feststellen. Schwieriger ist die Abgrenzung in den Fällen, in denen kein ganzes Unternehmen übertragen wird. Hier ist oftmals unklar, ob die übertragenen Wirtschaftsgüter bereits einen gesondert geführten Betrieb bilden, oder ob es sich nur um die Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern handelt. Von diesen Schwie-
1 Vgl. BFH v. 4.7.2002 – V R 10/01, BStBl. II 2004, 662 = UR 2003, 16. 2 Vgl. BFH v. 28.11.2002 – V R 3/01, BStBl. II 2004, 665 = UR 2003, 135 = ErbStB 2003, 77. 3 Vgl. BFH v. 29.8.2018 – XI R 37/17, BFH/NV 2018, 1352. 4 Vgl. BFH v. 23.8.2007 – V R 14/05, BStBl. II 2008, 165. 5 Vgl. EuGH v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01 – Zita Modes, UR 2004, 19.
298 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1250 Kap. 1
rigkeiten zeugt auch die Vielzahl an Einzelfallentscheidungen zur Frage der Geschäftsveräußerung1. 2. Übertragung von Grundstücken als Geschäftsveräußerung im Ganzen Ungeachtet der voranstehend aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob 1.1248 eine Übertragung von Wirtschaftsgütern den Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfüllt, haben Rechtsprechung und Finanzverwaltung zumindest für den Bereich der Grundstücksübertragungen praktikable Abgrenzungskriterien gefunden. Gleichwohl besteht auch für Grundstücksumsätze eine umfangreiche Kasuistik, die sich durch allgemeine Regeln und Ausnahmen für Sonderfälle auszeichnet. Generell gilt jedoch, dass die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten 1.1249 Grundstücks als Geschäftsveräußerung anzusehen ist, wenn der Erwerber in die Miet- oder Pachtverträge eintritt2. Der Erwerber übernimmt in diesem Fall ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen, das er ohne größeren Aufwand fortführen kann. Dies gilt in gleicher Weise für die Übertragung eines Erbbaurechts, wenn der Erwerber die bestehenden Miet- oder Pachtverträge über die aufstehenden Gebäude übernimmt3. Umgekehrt liegt bei der Übertragung eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks im Regelfall keine Geschäftsveräußerung vor4. Dies gilt auch für den Fall, das die bestehenden Miet- oder Pachtverhältnisse nicht auf den Erwerber übergehen5. In Ausnahmefällen liegt aber auch eine Geschäftsveräußerung vor, wenn die bestehenden Mietverträge nicht übernommen werden6. Denn entscheidend ist allein, ob der Veräußerer ein Vermietungsunternehmen betreibt, das der Erwerber fortführt oder fortzuführen beabsichtigt7. Aus diesem Grund liegt keine Geschäftsveräußerung vor, wenn der Erwerber des 1.1250 Grundstücks die Vermietungstätigkeit nicht fortsetzen kann. Veräußert z.B. der Eigentümer ein Grundstück an seinen Mieter, kann dieser die Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht fortführen. Denn der vormalige Mieter nutzt das Grundstück im Anschluss an die Veräußerung auf der Grundlage seines nun bestehenden Eigentums. Die Eigennutzung ist jedoch keine Fortführung der umsatzsteuerrechtlichen Vermietungstätigkeit8. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn der Erwerber mit 1 Vgl. hierzu die zitierte Rechtsprechung bei Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 1 UStG Rz. 1235 ff. – Lfg. Juli 2016; bei Bunjes/Robisch20, § 1 UStG Rz. 120 ff.; und bei Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 1 UStG Rz. 181 ff. – Lfg. April 2014. 2 Vgl. BFH v. 1.4.2004 – V B 112/03, BStBl. II 2003, 802 = UR 2004, 417; OFD Karlsruhe v. 28.2.2012 – S 7100b Karte 1. 3 Vgl. BFH v. 19.12.2012 – XI R 38/10, BStBl. II 2013, 1053 = UR 2013, 494. 4 Vgl. BFH v. 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447 = UR 2008, 182; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE. 5 Vgl. BFH v. 11.10.2007 – V R 57/06, BStBl. II 2008, 447 = UR 2008, 182. 6 Vgl. BFH v. 6.5.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873. 7 Vgl. BFH v. 6.5.2010 – V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114 = GmbHR 2010, 1221 = UR 2010, 902; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 2 UStAE. 8 Vgl. BFH v. 24.9.2009 – V R 6/08, BStBl. II 2010, 315 = UR 2010, 179; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 3 UStAE.
Küffner 299
Kap. 1 Rz. 1.1250 Steuerorientierte Immobilienübertragung
dem Mieter organschaftlich verbunden ist. Erwirbt z.B. ein Organträger das an seine Organgesellschaft vermietete Grundstück, kann es umsatzsteuerrechtlich zu keiner Fortführung des Vermietungsunternehmens kommen. Die Vermietung des Grundstücks an die Organgesellschaft führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG zu einem nicht steuerbaren Innenumsatz, der einer Eigennutzung gleichsteht1 Wird hingegen im Rahmen der Beendigung der Organschaft ein Betriebsgrundstück auf die bisherige Organgesellschaft übertragen, stellt dies eine Geschäftsveräußerung dar, wenn die Erwerberin die unternehmerische Tätigkeit des Organkreises fortführt und das übertragene Grundstück Teilvermögen i.S.d. Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL darstellt2. An einer Fortführung des Vermietungsunternehmens fehlt es grundsätzlich, wenn der Veräußerer kein Vermietungsunternehmer, sondern Bauträger ist, der ein selbst bebautes Grundstück vor der Veräußerung nur für einen kurzen Zeitraum vermietet. Denn die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers besteht in diesem Fall nicht in der Vermietungstätigkeit. Der Erwerber kann trotz Eintritts in die bestehenden Mietverhältnisse das Vermietungsunternehmen des Veräußerers nicht fortführen. Denn dessen Tätigkeit besteht in der Bebauung und Veräußerung von Grundstücken. Ein Vermietungsunternehmen unterhält der Veräußerer hingegen nicht3. Insoweit ist aber die Änderung der Ansicht der Finanzverwaltung zu beachten, welche in Umsetzung der BFH-Rechtsprechung4 auch in Bauträgerfällen ein Vermietungsunternehmen als Gegenstand einer Geschäftsveräußerung im Ganzen unter bestimmten Voraussetzungen anerkennen (s. unter Rz. 1.1244).
1.1251 Ist das übertragene Grundstück nur zum Teil vermietet, kann dennoch eine Geschäftsveräußerung vorliegen. Voraussetzung ist, dass auch die nicht vermieteten oder verpachteten Flächen zur Vermietung oder Verpachtung bereitstehen. Zudem muss der Erwerber in einen Teil der bestehenden Mietverhältnisse eintreten, wobei der Anteil der übernommenen Mietverhältnisse nicht von untergeordneter Bedeutung sein darf 5. Der BFH hat zudem jüngst entscheiden6, dass im Falle der Übertragung eines verpachteten Geschäftshauses eine Geschäftsveräußerung vorliegt, soweit der Erwerber die Verpachtung auch nur teilweise hinsichtlich eines Gebäudeteils fortsetzt. Dies gelte unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil „zivilrechtlich selbständig“ ist oder nicht. 3. Vorsorgliche Option
1.1252 Die voranstehenden Ausführungen zeigen, dass sich für den Großteil der Grundstücksübertragungen zumeist rechtssicher feststellen lässt, ob die Übertragung die 1 Vgl. BFH v. 6.5.2010 – V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114 = GmbHR 2010, 1221 = UR 2010, 902; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 4 UStAE. 2 Vgl. BFH v. 26.6.2019 – XI R 3/17, BFH/NV 2019, 1455. 3 Vgl. BFH v. 24.2.2005 – V R 45/02, BStBl. II 2007, 61 = UR 2005, 547; v. 18.9.2008 – V R 21/07, BStBl. II 2009, 254 = UR 2009, 15. 4 Vgl. BFH v. 25.11.2015 – V R 66/14, BStBl. II 2020, 793. 5 Vgl. BFH v. 30.4.2009 – V R 4/07, BStBl. II 2009, 863 = UR 2009, 797; Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 1 UStAE. 6 Vgl. BFH v. 6.7.2016 – XI R 1/15, BStBl. II 2016, 909.
300 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1255 Kap. 1
Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG erfüllt. In Einzelfällen kann aber auch bei Grundstücksübertragungen Unsicherheit darüber bestehen, ob die Grundstücksübertragung zugleich auch eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG darstellt. Problematisch ist dies insbesondere, wenn die Vertragsparteien vom Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ausgehen. Denn die Frage, ob die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung vorliegen, entscheiden die Finanzbehörden regelmäßig erst im Rahmen von Außenprüfungen. Die Prüfungen finden jedoch zumeist erst nach Ablauf der formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung statt. Eine nachträgliche Ausübung der Option nach § 9 UStG durch den Veräußerer ist dann nicht mehr möglich (s.o. Rz. 1.1221 und Rz. 1.1219). Erkennen die Finanzbehörden in einem solchen Fall die Geschäftsveräußerung nicht an, gilt der Verkauf rückwirkend als steuerbar und aufgrund nicht ausgeübter Option als steuerfrei. Infolgedessen kommt es beim Veräußerer zu einer Vorsteuerberichtigung innerhalb des Berichtigungszeitraums nach § 15a Abs. 1, 8 UStG, die er nicht im Kaufpreis einkalkuliert hat (s.o. Rz. 1.1214, 1.1225). Um diesem Risiko vorzubeugen, nehmen die Vertragsparteien regelmäßig eine Klau- 1.1253 sel in den notariell zu beurkundenden Kaufvertrag auf, durch die für den Versagensfall fristwahrend zur Umsatzsteuer optiert werden soll. Die Finanzverwaltung schränkt die Wirksamkeit solcher Klauseln jedoch ein1. Sie sollen nur Rückwirkung entfalten, wenn sie vorsorglich und im Übrigen unbedingt erklärt werden2. Bedingte Optionen wirken hingegen nicht auf den Zeitpunkt der Erklärung im Kaufvertrag zurück. Eine bedingte Option soll vorliegen, wenn der Veräußerer die Ausübung der Option 1.1254 im Kaufvertrag von der später ergehenden Entscheidung der Finanzverwaltung abhängig macht3. Als bedingt gilt folglich eine Option, die nur „für den Fall, dass die Finanzverwaltung das Vorliegen der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen […] endgültig verneinen sollte“4, erklärt wird. Eine solche Option soll erst mit Eintritt der Bedingung als erklärt gelten, d.h. im Zeitpunkt der Versagung durch die Finanzverwaltung. Unbedingte Optionen zeichnen sich hingegen durch folgende Voraussetzungen 1.1255 aus5: Beide Parteien stimmen darin überein, dass die Übertragung des Grundstücks die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG erfüllt. Infolgedessen behandeln Sie die Übertragung als nichtsteuerbar. Gleichzeitig erklären sie im notariellen Kaufvertrag die Ausübung der Option. Eine Bezugnahme auf die Entscheidung der Finanzverwaltung unterbleibt. Zudem legen die Parteien im Kaufvertrag alle Informationen offen, die zur Festsetzung der Umsatzsteuer im Versagensfall notwendig sind. 1 Vgl. BMF v. 23.10.2013 – IV D 3-S 7198/12/10002, BStBl. I 2013, 1304; Abschn. 9.1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 UStAE; vgl. zur Neuregelung Zugmaier/Fietz, MittBayNot 2013, 427. 2 Vgl. Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 3 UStAE. 3 Vgl. zur Kritik an der Auffassung der Finanzverwaltung, dass eine solche Option unter einer Bedingung steht Meyer-Burow/Connemann, MwStR 2013, 267; Full, DStR 2013, 881. 4 OFD Niedersachsen v. 14.2.2013 – S 7198-117-St 173. 5 In Anlehnung an Zugmaier/Fietz, NWB 2013, 3746.
Küffner 301
Kap. 1 Rz. 1.1256 Steuerorientierte Immobilienübertragung
4. Musterklausel für eine vorsorgliche Option In Anlehnung an Zugmaier/Fietz, MittBayNot 2013; Zugmaier/Fietz, NWB 2013, 3746.
1.1256 M7 Musterklausel für eine vorsorgliche Option Der Kaufpreis für das Grundstück samt aufstehender Gebäude (zusammen im Folgenden die Vertragsimmobilie) und das mitverkaufte Inventar beträgt insgesamt xxx Euro. Die Parteien kommen darin überein, dass der Verkauf der Vertragsimmobilie die Voraussetzung einer Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG erfüllt. Auch das mitverkaufte Inventar geht im Rahmen der Geschäftsveräußerung auf den Erwerber über. Der gesamte Vorgang ist nicht umsatzsteuerbar. Der Erwerber tritt gem. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG an die Stelle des Veräußerers. Er setzt die Vorsteuerberichtigungszeiträume des Verkäufers gem. § 15a Abs. 10 UStG fort. Die nach § 15a Abs. 10 UStG vom Veräußerer zu machenden Angaben sind diesem Vertrag als Anlage x beigefügt. Soweit einzelne Angaben fehlen, verpflichtet sich der Veräußerer, diese Angaben unverzüglich gegenüber dem Erwerber nachzuholen. Der Veräußerer stellt den Erwerber von einer Haftung für Betriebssteuern nach § 75 AO frei. Die Vertragsparteien kommen weiterhin darin überein, dass der Veräußerer vorsorglich und in vollem Umfang für die Lieferung der Vertragsimmobilie auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet. Die Ausübung der Option nach § 9 Abs. 1 UStG durch den Veräußerer erfolgt deshalb gleichzeitig und unbedingt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der Erwerber schuldet die Umsatzsteuer aus dem Verkauf der Vertragsimmobilie (Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers) gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 UStG. Die Steuer bemisst sich nach dem vereinbarten Kaufpreis für die Vertragsimmobilie i.H.v. xxx Euro, den die Vertragsparteien als Nettokaufpreis verstehen. Die Rücknahme des Verzichts auf die Steuerbefreiung kann nur in beiderseitigem Einverständnis durch Änderung dieses Vertrages erklärt werden. Nimmt der Veräußerer unter Missachtung dieser Vorschrift den Verzicht i.S.d. § 9 Abs. 1 UStG zurück, haftet er dem Erwerber für den hierdurch entstandenen Schaden. Veräußerer und Erwerber erklären, dass sie Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sind. Der Erwerber versichert dem Veräußerer, dass er die Vertragsimmobilie in vollem Umfang seinem Unternehmen i.S.d. § 2 UStG zuordnet. Die Steuernummer des Veräußerers lautet: 123/456/7890 Der auf das mitverkaufte Inventar entfallende Kaufpreis beträgt xxx Euro. Diesen Betrag verstehen die Parteien ebenfalls als Nettokaufpreis. Soweit das mitverkaufte Inventar nicht im Rahmen der Geschäftsveräußerung auf den Erwerber übergeht, erhöht sich folglich der Gesamtkaufpreis um die auf das Inventar entfallende Umsatzsteuer. Der maßgebliche Steuersatz für die Lieferung der Vertragsimmobilie und des mitverkauften Inventars beträgt 19 %. Der Veräußerer verpflichtet sich gegenüber dem Erwerber, soweit erforderlich, außerhalb der Urkunde zusätzlich und unverzüglich, nicht jedoch vor Besitzübergang, dem Erwerber eine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung mit Steuerausweisung über das mitgelieferte Inventar auszustellen. 302 Küffner
F. Umsatzsteuer
Einstweilen frei.
Rz. 1.1274 Kap. 1
1.1257–1.1270
IV. Bemessungsgrundlage Die Steuer bemisst sich bei der steuerpflichtigen Grundstückslieferung nach dem im 1.1271 Kaufvertrag bzw. in der Rechnung festgelegten Nettokaufpreis oder nach dem Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren. Bei der Teiloption gilt der entsprechende Anteil des Kaufpreises bzw. Meistgebots als Bemessungsgrundlage. Nicht zur Bemessungsgrundlage gehört die Grunderwerbsteuer. Dies gilt auch für 1.1272 den Fall, dass der Erwerber vereinbarungsgemäß die gesamte Grunderwerbsteuer trägt1. Denn Veräußerer und Erwerber sind regelmäßig Gesamtschuldner der Grunderwerbsteuer. Dies hat zur Folge, dass der Erwerber eine eigene Schuld tilgt, und nicht die hälftige Grunderwerbsteuerschuld des Veräußerers, wenn er vereinbarungsgemäß die gesamte Grunderwerbsteuer trägt. Seine anderslautende Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 20.12.20052 aufgegeben. Ebenfalls kein Teil der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage sind die Kosten i.S.d. § 448 Abs. 2 BGB für die Beurkundung des Kaufvertrags und die Auflassung, die Eintragung ins Grundbuch und die hierfür erforderlichen Erklärungen3. Umgekehrt gehört auch die Umsatzsteuer nicht (mehr) zur Bemessungsgrundlage 1.1273 der Grunderwerbsteuer, seitdem der Erwerber die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet. Denn bei der Umsatzsteuerschuld handelt es sich um eine originäre Schuld des Erwerbers gegenüber dem Fiskus. Die Umsatzsteuer ist nicht mehr Teil des Kaufpreises, und deshalb auch nicht mehr Teil der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage4. V. Steuerschuldnerschaft und Rechnung 1. Steuerschuldnerschaft Soweit der Veräußerer im notariellen Kaufvertrag zur Steuerpflicht der Grundstücks- 1.1274 lieferung optiert, schuldet der Erwerber gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 UStG die Umsatzsteuer aus der Lieferung. Die Option setzt voraus, dass der Erwerber Unternehmer ist und das Grundstück seinem Unternehmen zuordnet. Der Übergang der Steuerschuldnerschaft bei Leistungen an den nichtunternehmerischen Bereich des Erwerbers nach § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG läuft demzufolge bei Grundstückslieferungen ins Leere. Denn in diesen Fällen ist bereits keine Option nach § 9 Abs. 1 UStG möglich (s.o. Rz. 1.1226).
1 Vgl. BFH v. 20.12.2005 – V R 14/04, BStBl. II 2012, 424; v. 9.11.2006 – V R 9/04, BStBl. II 2007, 285 = UR 2007, 385 = GmbH-StB 2007, 135; Abschn. 10.1 Abs. 7 Satz 6 UStAE. 2 BFH v. 20.12.2005 – V R 14/04, BStBl. II 2012, 424. 3 Vgl. BFH v. 20.12.2005 – V R 14/04, BStBl. II 2012, 424; Abschn. 10.1 Abs. 7 Satz 7 UStAE. 4 Vgl. Leipold in Sölch/Ringleb, § 4 Nr. 9 UStG Rz. 35 – Lfg. Sept. 2015.
Küffner 303
Kap. 1 Rz. 1.1275 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1275 Demgegenüber ist es ohne Belang für den Übergang der Steuerschuld, ob der Veräußerer oder der Erwerber (oder beide) im Ausland ansässig sind1. Ist die Grundstückslieferung steuerpflichtig, schuldet stets der Erwerber die Umsatzsteuer in Deutschland. Dies gilt auch, wenn der Erwerber ausschließlich steuerfreie Ausgangsumsätze erbringt, oder wenn er Kleinunternehmer (§ 19 UStG) oder pauschalierender Land- und Forstwirt (§ 24 UStG) ist2. Diese Eigenschaften haben allein Einfluss darauf, inwieweit der Erwerber die von ihm geschuldete Steuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG abziehen kann. 2. Steuerentstehung
1.1276 Die Steuer aus der Grundstückslieferung entsteht beim Erwerber nach § 13b Abs. 2 UStG grundsätzlich mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Leistung folgenden Kalendermonats. Unter Ausstellung der Rechnung ist die tatsächliche physische oder elektronische „Generierung“ der Rechnung durch den Veräußerer zu verstehen. Auf den Zugang der Rechnung beim Erwerber kommt es hingegen nicht an3. Der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung ergibt sich somit im Normalfall anhand des Datums auf der Rechnung4. 1.1277 Um zu vermeiden, dass die Steuer nicht entsteht, weil der Erwerber keine Rechnung ausstellt, knüpft § 13b Abs. 2 UStG alternativ an die Leistungsausführung an. Als Leistungszeitpunkt gilt bei Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht am Liefergegenstand. Verschaffung der Verfügungsmacht ist dabei nicht gleichzusetzen mit dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang. Im Regelfall wird die Verfügungsmacht an einem Grundstück dennoch mit Eintragung ins Grundbuch verschafft5. Gehen Besitz, Nutzen und Lasten jedoch bereits vor der Eintragung auf den Erwerber über, ist dieser frühere Zeitpunkt maßgeblich6. Die Steuer entsteht dann mit Ablauf des auf die Lieferung folgenden Monats. 1.1278 Soweit der Erwerber bereits vor Ausführung der Leistung und vor Rechnungserstellung zahlt, entsteht die Steuer nach § 13b Abs. 4 UStG beim Erwerber bereits im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts durch den Veräußerer. Aus Vereinfachungsgründen kann der Erwerber auch auf den Zeitpunkt der Verausgabung abstellen7.
1 Vgl. für die Ansässigkeit des Erwerbers im Ausland BFH v. 6.4.2010 – XI B 1/09, BFH/NV 2010, 2131. 2 Vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, § 13b UStG Rz. 9 – Lfg. März 2016. 3 Vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, § 13b UStG Rz. 263 – Lfg. Apr. 2015. 4 Vgl. Walkenhorst in Küffner/Stöcker/Zugmaier, § 13b UStG Rz. 121 – Lfg. Feb. 2016. 5 Vgl. Bunjes/Leonard16, § 3 UStG Rz. 60; Martin in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rz. 84 – Lfg. Sept. 2016. 6 Vgl. BFH v. 14.3.2007 – V B 150/05, UR 2007, 538 = BFH/NV 2007, 1365. 7 Vgl. Abschn. 13b.12 Abs. 3 Satz 2 UStAE.
304 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1282 Kap. 1
1.1279
Beispiel1: Unternehmer V veräußert ein zu seinem Unternehmen gehörendes Grundstück steuerpflichtig an Unternehmer E. Besitz Nutzen und Lasten gehen mit der Eintragung ins Grundbuch am 1.4.2014 auf E über. a) V erteilt E eine Rechnung mit Datum vom 1.4.2014. b) V erteilt E eine Rechnung mit Datum vom 1.7.2014. c) E zahlt den Kaufpreis bereits am 26.2.2014 an V, der diesem am 3.3.2014 gutgeschrieben wird. V erteilt dem E daraufhin eine Rechnung mit Datum vom 1.4.2014. In Variante a) entsteht die Steuer mit Erteilung der Rechnung am 1.4.2014 und ist folglich in der Voranmeldung für April 2014 anzugeben. In Variante b) entsteht die Steuer grundsätzlich mit Ausstellung der Rechnung am 1.7.2014. Da die Lieferung bereits am 1.4.2014 erfolgt ist, entsteht die Steuer bereits mit Ablauf des auf die Lieferung folgenden Monats Mai. Die Steuer ist folglich in der Voranmeldung für Mai 2014 anzugeben. In Variante c) entsteht die Steuer aufgrund der Kaufpreiszahlung vor Leistungsausführung bereits im Zeitpunkt der Vereinnahmung (3.3.2014) und ist folglich in der Voranmeldung für März anzugeben. Aus Vereinfachungsgründen kann E auf den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung (26.2.2014) abstellen und den Umsatz bereits im Voranmeldungszeitraum Februar erfassen.
3. Rechnungsausstellung Optiert der Veräußerer bei der Lieferung eines Grundstücks zur Umsatzsteuer, ist 1.1280 er nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG dazu verpflichtet, dem Erwerber innerhalb von sechs Monaten eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen. Sofern der notarielle Grundstückskaufvertrag alle nach §§ 14, 14a UStG erforderlichen Angaben enthält, gilt dieser nach § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG als Rechnung2. Insoweit kann auch die im Kaufvertrag gesondert ausgewiesene Steuer zu einer Steuerschuld nach § 14c UStG führen. Seit 30.6.20133 hat der Veräußerer in der Rechnung durch den verpflichtenden Hin- 1.1281 weis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ auf den Übergang der Steuerschuld auf den Erwerber hinzuweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG). Der Veräußerer darf in der Rechnung die Umsatzsteuer nicht gesondert ausweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG). Weist der Veräußerer dennoch Steuer in der Rechnung aus, schuldet er diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG solange, bis er den unrichtigen Steuerausweis gegenüber dem Erwerber berichtigt4. Der Erwerber kann die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dagegen nicht als Vorsteuer abziehen5. Weist der Veräußerer in der Rechnung nicht auf die Steuerschuldnerschaft des Leis- 1.1282 tungsempfängers hin, schuldet der Erwerber dennoch die Steuer aus der steuerpflichtigen Grundstückslieferung6. Denn die Steuerentstehung knüpft nicht an den Be1 2 3 4 5 6
Beispiel nach Abschn. 13b.12 Abs. 1 UStAE. Vgl. BFH v. 4.3.1982 – V R 55/80, BStBl. II 1982, 317 = UR 1982, 101 m. Anm. Löwe. Vgl. Art. 10 Nr. 8 Buchst. c, Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG, BGBl. I 2013, 1809. Vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE. Vgl. BFH v. 6.12.2007 – V R 3/06, BStBl. II 2009, 203 = UR 2008, 588. Vgl. § 13b.14 Abs. 1 Satz 4 UStAE.
Küffner 305
Kap. 1 Rz. 1.1282 Steuerorientierte Immobilienübertragung
sitz einer ordnungsgemäßen Rechnung an. Der Erwerber kann in diesem Fall auch nicht mit befreiender Wirkung an den Veräußerer leisten1. Umgekehrt ist der Vorsteuerabzug beim Erwerber aber auch nicht an den Besitz einer (ordnungsgemäßen) Rechnung geknüpft2. Dies folgt insoweit auch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG. Der Erwerber kann den Vorsteuerabzug folglich stets im Zeitpunkt der Steuerentstehung geltend machen. Die Option führt deshalb bei einem zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Erwerber zu keinem Liquiditätsabfluss. Ein solcher ergäbe sich nur dann, wenn der Erwerber nach § 15 Abs. 2 UStG sog. Ausschlussumsätze ausführt. VI. Wohnungs- und Teileigentum 1. Veräußerung von Wohnungs- und Teileigentum
1.1283 Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 1 und 3 WoEigG sind Wohnungs- und Teileigentum grunderwerbsteuerrechtlich den Grundstücken gleichgestellt. Die Veräußerung oder Übertragung von Wohnungs- oder Teileigentum ist somit grunderwerbsteuerpflichtig und fällt zugleich unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG. Die allgemeinen Ausführungen zur Steuerfreiheit, Option und Geschäftsveräußerung bei der Veräußerung von Grundstücken gelten somit auch für Wohnungs- und Teileigentum. 2. Leistungen zwischen Eigentümergemeinschaft und Eigentümer
1.1284 Besonderheiten ergeben sich im Bereich des Wohnungs- und Teileigentums daraus, dass die teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft i.S.d. WoEigG umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ist. 1.1285 Die Gemeinschaft ist gem. § 21 Abs. 1 WoEigG zuständig für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Hierbei kann sich die Gemeinschaft auch durch einen Verwalter vertreten lassen. Im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums erbringt die Gemeinschaft regelmäßig steuerbare Leistungen an die einzelnen Eigentümer. Die Kosten für die Verwaltung haben die Eigentümer anteilig zu tragen (§ 16 Abs. 2 WoEigG). Zur Kostendeckung erhebt die Gemeinschaft deshalb regelmäßig Umlagen von den Eigentümern. Diese Umlagen stellen das Entgelt für die Verwaltungsleistungen dar3. Umlagen werden u.a. für die Nutzung von Gemeinschaftsräumen (Waschküche, Fahrradkeller, Garage), Kosten des Hausverwalters, Hausmeisterkosten, Flurbeleuchtung und Reinigung, Müllabfuhr, Feuer- und Haftpflichtversicherung, Straßenreinigung, Entwässerung oder die Lieferung von Wärme und Wasser erhoben4.
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Vgl. EuGH v. 6.2.2014 – Rs. C-424/12 – Fatorie, MwStR 2014, 125. Vgl. EuGH v. 1.4.2004 – Rs. C-90/02 – Bockemühl, UR 2004, 367. Vgl. Abschn. 4.13.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE. Vgl. Abschn. 4.13.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE.
306 Küffner
F. Umsatzsteuer
Rz. 1.1288 Kap. 1
Soweit es sich bei den Leistungen der Gemeinschaft an die Eigentümer um Leistun- 1.1286 gen im Bereich der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung handelt, sind diese Leistungen gem. § 4 Nr. 13 UStG steuerfrei1. Steuerpflichtig sind hingegen die Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Sondereigentum der einzelnen Eigentümer stehen (z.B. Reparaturen in den einzelnen Wohnungen). Ebenfalls steuerfrei sind nach § 4 Nr. 13 UStG die im Zusammenhang mit dem Sondereigentum stehenden Lieferungen von Wärme, Strom und Wasser an die Eigentümer durch die Gemeinschaft. Derartige Lieferungen erfolgen jedoch nur, wenn die Versorgungsunternehmen nicht unmittelbar mit den Eigentümern abrechnen2. Die Gemeinschaft kann gem. § 9 Abs. 1 UStG auch gegenüber den Eigentümern auf 1.1287 die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 13 UStG verzichten. Eine Option ist hierbei auch gegenüber einzelnen Eigentümern möglich. Voraussetzung ist auch hier, dass der Eigentümer das Eigentum für sein Unternehmen nutzt. Eine Option ist damit bei Leistungen an Eigentümer, die Nichtunternehmer sind, oder bei Leistungen an Unternehmer für deren nichtunternehmerischen Bereich nicht möglich. Gleichzeitig ist die Gemeinschaft insoweit zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen berechtigt. Die Gemeinschaft kann die Option dabei für jede einzelne Leistung gesondert ausüben. Hintergrund ist, dass die Option nur bei den Leistungen zu einem wirtschaftlichen Vorteil beim unternehmerischen Eigentümer führt, die der Gemeinschaft auch inklusive Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden3. Eine Teiloption ist damit gegenüber einzelnen Eigentümern, aber auch hinsichtlich einzelner Leistungen möglich. Unklar ist jedoch, inwieweit § 4 Nr. 13 UStG unionsrechtskonform ist. Mit Urteil vom 17.12.2020 entschied der EuGH, dass die Steuerbefreiung von Wärmelieferungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft an ihre Gemeinschafter mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht vereinbar ist.4 Der Gesetzgeber wird hier zwangsläufig tätig werden müssen. Bis dahin können sich Wohnungseigentümergemeinschaften jedenfalls hinsichtlich etwaiger Wärmelieferungen an die Gemeinschafter auf die Nichtanwendbarkeit des § 4 Nr. 13 UStG berufen und die Leistungen an die Gemeinschafter als steuerpflichtig behandeln. Ob dies auch für die weiteren von § 4 Nr. 13 UStG erfassten Leistungen gilt, bleibt abzuwarten. Die Option ist von der Eigentümergemeinschaft auszuüben. Hierfür ist ein wirksa- 1.1288 mer Beschluss der Eigentümerversammlung notwendig5, da diese unmittelbar die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betrifft. Hierbei genügt ein einfacher
1 Vgl. zu den steuerfreien Leistungen Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 4 Nr. 13 UStG Rz. 27 ff. – Lfg. Feb. 2009. 2 Vgl. Huschens in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 4 Nr. 13 UStG Rz. 32 – Lfg. Feb. 2009. 3 Vgl. Kulmsee in Reiß/Kräusel/Langer, § 4 Nr. 13 UStG Rz. 46 – Lfg. Juni 2012. 4 EuGH v. 17.12.2020 – C-449/19, UR 2021, 103–111 m. Anm. Küffner/Wernthaler und Widmann. 5 Vgl. OLG Hamm v. 12.5.1992 – 15 W 33/92, UR 1993, 22.
Küffner 307
Kap. 1 Rz. 1.1288 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Mehrheitsbeschluss. Ob ein Anspruch auf eine solche Beschlussfassung besteht, ist Frage des WEG-Rechts. Sofern diese Frage in der Teilungserklärung nicht gesondert geregelt ist, ist maßgeblich, ob ein solcher Beschluss dem Interesse der Gesamtheit aller Wohnungseigentümer und damit ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 4 WEG entspricht. Hierbei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen1. Es entspricht regelmäßig dem Interesse der Eigentümer, ihre steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bestmöglich ausschöpfen zu können. Dem steht wiederum das Interesse der Gemeinschaft entgegen, administrativen Mehraufwand und damit verbundene Mehrkosten möglichst gering zu halten. Letztlich kommt es aber auf den konkreten Einzelfall an. VII. Erbbaurechte
1.1289 Die Bestellung oder auch die Veräußerung eines Erbbaurechts sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbar2 und unterliegen folglich der Umsatzsteuer3. Dabei gilt das Erbbaurecht umsatzsteuerrechtlich gem. Art. 15 Abs. 2 MwStSystRL als körperlicher Gegenstand. Die Übertragung eines Erbbaurechts gilt folglich als Lieferung eines Gegenstandes i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG4. Die Bestellung eines Erbbaurechts ist demgegenüber als Dauerleistung – und demzufolge als sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG – anzusehen5. Sowohl die Bestellung als auch die Veräußerung eines Erbbaurechts sind grundsätzlich nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG vor, können auch die Veräußerung bzw. Bestellung eines Erbbaurechts als Geschäftsveräußerung anzusehen sein6. 1.1290 Der Grundstückseigentümer kann bei der Einräumung oder Übertragung eines Erbbaurechts gem. § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten. Die Optionsmöglichkeit wird bei Erbbaurechten jedoch durch § 9 Abs. 2 UStG begrenzt. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist hiernach nur zulässig, soweit der Erbbauberechtigte (Erwerber) das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens für vorsteuerunschädliche Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt. Diese Voraussetzungen hat der Leistende nachzuweisen. Die Nachweise umfassen bei Leistungsketten stets alle Leistungen bis zum Endnutzer. 1.1291 Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Einstufung der Bestellung (sonstige Leistung) und der Veräußerung (Lieferung) eines Erbbaurechts, wirkt sich die Einschränkung des § 9 Abs. 2 UStG auf diese Vorgänge unterschiedlich aus. Bei der Veräußerung kommt es allein auf den Zeitpunkt der Veräußerung an. Hat der Erwerber im 1 Diese Grundsätze lassen sich für die Wohnungseigentümergemeinschaft auf sämtliche umsatzsteuerrechtlichen Optionsmöglichkeiten übertragen. 2 Vgl. BFH v. 28.7.1976 – II R 85/70, BStBl. II 1977, 85; v. 24.2.1982 – II R 4/81, BStBl. II 1982, 625. 3 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = UR 1989, 18 m. Anm. Giesberts. 4 Vgl. BFH v. 29.4.1993 – V R 93/89 – BFH/NV 1994, 510. 5 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = UR 1989, 18 m. Anm. Giesberts. 6 Vgl. Flues, RNotZ 2012, 528 (552).
308 Küffner
G. Gemeindliche Steuern
Kap. 1
Zeitpunkt der Veräußerung die Absicht, das Grundstück vorsteuerunschädlich zu nutzen, ist die Option zulässig. Eine nachträgliche vorsteuerschädliche Nutzung ändert nichts an der Zulässigkeit der Option. Demgegenüber ist bei der Bestellung des Erbbaurechts aufgrund des Charakters als Dauerleistung fortlaufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Option noch vorliegen. Verwendet der Erbbauberechtigte das Grundstück später für vorsteuerschädliche Umsätze, fällt die Option mit Wirkung ex nunc weg1. Im Fall der Option schuldet der Erbbauberechtigte die Umsatzsteuer nach § 13b 1.1292 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 UStG. Bei der Veräußerung des Erbbaurechts bildet der Kaufpreis die Bemessungsgrundlage. Bei der Bestellung eines Erbbaurechts bemisst sich die Steuer nach dem zeitanteiligen (monatlich/jährlich) Erbbauzins2. Einstweilen frei.
1.1293–1.1329
G. Gemeindliche Steuern I. Grundsteuer Literatur: Altemeier, Grundsteuerreform – Lösung der Probleme aus Sicht eines Bewertungspraktikers, DStZ 2021, 382; Bräutigam, Grundsteuerreform – von der künftigen Diversität einer Steuerart, DStR 2021, 1330; Drasdo, Der Erlass von Grundsteuer bei verminderten Mieteinnahmen, NJW-Spezial 2014, 161; Eisele, Die Grundsteuer auf verfassungsrechtlichem Prüfstand, DStR 2005, 1971; Eichholz, Novellierung der Grundsteuer. Überblick über die wesentlichen Änderungen und Konsequenzen der Grundsteuer-Reform sowie kritische Beurteilung ausgewählter Aspekte, DStR 2020, 1158, 1217; Englert/Alex, Grundsteuererlass oder Wertfortschreibung im Falle dauerhaften Leerstands, DStR 2007, 95; Grootens, Umsetzung der Grundsteuerreform in den Ländern. Der Flickenteppich kommt! ErbStB 2021, 80; Hey, Grundsteuerreform 2019. Gibt der Gesetzgeber die richtigen Antworten auf das Grundsteuerurteil des BVerfG vom 10.4.2018? ZG 2019, 297; Kirchhof, Die grundgesetzlichen Grenzen der Grundsteuerreform, DStR 2018, 2661; Kruhl, Neues zur Reform der Grundsteuer, Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz im parlamentarischen Verfahren, AStW 2021, 490; Kußmaul/Schmeer, Einordnung und Würdigung der Grundsteuerreform, StB 2021, 121; Löhr, Beschlussmodell der Länderfinanzminister zur Grundsteuerreform: Der große Wurf? DStR 2016, 1497; Löhr, Entwurf zum Grundsteuer-Reformgesetz: Die große Unvollendete, DStR 2019, 1433; Marx, Grundsteuerreform: Fragwürdiges Bewertungsziel mit administrativ aufwendiger Lösung, DB 2016, Heft 49, M5; Pondelik, Grundsteuererlass bei ausbleibenden Mieterträgen, SteuK 2013, 228; Ritzer, Erlass von Grundsteuer für Opfer von Unwettern, NWB 2013, 4047; Stöckel, Bundesratsinitiative zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer, NWB 2016, 2870; Stephany, Grundsteuerreform 2019 – neue Bewertungsregeln für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, AUR 2020, 134; Stöckel, Grundsteuerreform: Auswirkungen der Einführung einer Öffnungsklausel, NWB 2020, 850; Wehrheim/ Hohensträter, Problembereiche der Anzeigepflicht nach § 19 GrStG bei Eigentümerwechsel, BB 2005, 2665; Wünnemann/Koller, Die Grundsteuerreform – ein Resümee aus Sicht der Industrie, BB 2020, 215.
1 Vgl. Flues, RNotZ 2012, 528 (552 ff.). 2 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = UR 1989, 18 m. Anm. Giesberts.
Küffner und Schallmoser 309
Kap. 1 Rz. 1.1330 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1. Allgemeines
1.1330 Als originäre Steuerquelle der Kommunen kommt der Grundsteuer mit einem Aufkommen von derzeit knapp 14,3 Milliarden Euro (2020) jährlich neben der Gewerbesteuer eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, zumal die Gemeinden als Steuergläubiger über die Hebesatzautonomie (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) unmittelbaren Einfluss auf diesen Einnahmeposten ausüben können1. Die Erhebung der Grundsteuer entspricht dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung; es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Grundsteuer als Objektsteuer geschuldet und daher grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Grundbesitzers erhoben wird2. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen überdies nicht gehalten, das selbstgenutzte Einfamilienhaus von der Grundsteuer auszunehmen3. Schon in seinen Beschlüssen vom 22.6.19954 hat das BVerfG die unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen bei der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer als mit dem Gleichheitssatz unvereinbar erklärt, da es wegen der Belastung von einheitswertgebundenem Vermögen nach Vergangenheitswerten einerseits und von nicht einheitswertgebundenem Vermögen nach Gegenwartswerten andererseits zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen komme. Für die Erhebung der Grundsteuer wurde die Einheitsbewertung zunächst fortgeführt. Mit Beschluss vom 10.4.20185 hat das BVerfG die „realitätsfernen“ Bewertungsregeln, insbesondere die seit 1935 (ostdeutsche Bundesländer) bzw. 1964 (westdeutsche Bundesländer) nicht mehr aktualisierten Einheitswerte nunmehr auch für die Bemessung der Grundsteuer (§§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76 Abs. 1, 2, § 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG; Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BewÄndG i.d.F. vom 22.7.1970) als gleichheitswidrig (Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG) und mit der Verfassung unvereinbar angesehen. Mit Blick auf anderenfalls drohende Vollzugsprobleme sowie die erhebliche finanzielle Bedeutung der Grundsteuer wurde die Fortgeltung der beanstandeten Regelungen zunächst bis zum Ergehen einer Neuregelung, längstens bis zum 31.12.2019, angeordnet; aufgrund der besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer, insbesondere dem Umsetzungsaufwand einer Neubewertung, wurde zudem eine „weitere Fortgeltung“ der beanstandeten Normen für fünf Jahre nach Verkündung der Neuregelung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angeordnet. Der Gesetzgeber hat die vom BVerfG angemahnte Neuregelung mit der Verabschiedung des Grundsteuer-Reformgesetzes6 und dem Gesetz zur Einführung einer besonde-
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Eisele, DStR 2005, 1971. BVerfG v. 18.2.2009 – 1 BvR 1334/07, DB 2009, 773 = NJW 2009, 1868. BFH v. 19.7.2006 – II R 81/05, BStBl. II 2006, 767 = ZfIR 2007, 325. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 und 671. BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, BGBl. I 2018, 531 = BVerfGE 148, 147 = DStR 2018, 791. 6 Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetzes – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. Zu Verfassungsfragen s. Kirchhof, DStR 2018, 2661.
310 Schallmoser
G. Gemeindliche Steuern
Rz. 1.1330 Kap. 1
ren Grundsteuer für baureife Grundstücke1 (s. Rz. 1.1335) fristgerecht geschaffen; (erst) ab dem 1.1.2025 gelten mithin geänderte Bewertungsmaßstäbe für die Berechnung der Grundsteuer. Zur leichteren Umsetzung der Reform der Grundsteuer hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 16.7.2021 ferner das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz2 beschlossen. Mit der im Zuge der Reform eingeführten Öffnungsklausel (Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG)3 können die Bundesländer eigene Bewertungsvorschriften erlassen und dabei von den bundesgesetzlich geregelten Grundsteuerwerten abweichen. Hiervon haben einige Länder Gebrauch gemacht: – Baden-Württemberg: Nach § 24 LGrStG ist der Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Ertragswert (§§ 26 bis 36 LGrStG), der Bewertung von Grundvermögen der Bodenwert gem. § 38 LGrStG zugrunde zu legen. – Bayern: Der Regierungsentwurf 4 für ein Bayerisches Grundsteuergesetz (BayGrStG) sieht für Grundstücke des Grundvermögens einen Flächenmaßstab auf Basis des Äquivalenzprinzips vor. – Hamburg hat sich für eine von der Bürgerschaft am 18.8.2021 mehrheitlich gebilligte landeseigene Regelung zur Berechnung der Grundsteuer entschieden, bei der neben der Fläche des Grundstücks und der genutzten Fläche der Gebäude auch die Wohnlage der Immobilie berücksichtigt werden soll5. – In Niedersachsen wird die Grundsteuer anhand der Fläche, ergänzt um einen Lage-Faktor, bemessen6. – In Hessen werden sich künftig Größe, Lage und Nutzung der Immobilien auf die Steuerhöhe auswirken (sog. „Flächen-Faktor-Verfahren“), ferner wird es eine Grundsteuer C für baureife Grundstücke geben7. Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen8, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben die bundesgesetzlichen Regelungen übernommen. 1 Ges. zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 (BGBl. I 2019, 1875). 2 Ges. zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2931. 3 Ges. zur Änderung des Grundgesetzes v. 15.11.2019 (BGBl. I 2019, 1546). 4 https://www.stmfh.bayern.de/service/gesetzentwuerfe/Bayerisches%20Grundsteuergesetz%20 Regierungsentwurf%2010.5.2021.pdf. 5 https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/grundsteuer-reform-nicht-am-zielaber-eckpunkte-stehen_84342_483246.html. 6 Niedersächsisches Grundsteuergesetz (NGrStG) v. 7.7.2021, Nds. GVBl. 2021, 502. 7 Siehe. den Gesetzentwurf eines Hessischen Grundsteuergesetzes (HGrStG) v. 7.6.2021, https://finanzen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdf/regierungsentwurf_hessisches_ grundsteuergesetz_07062021.pdf. 8 In Sachsen wird es für die Nutzungsarten „Wohnen“, „Gewerbe“ und „unbebaut“ unterschiedliche Steuermesszahlen geben, s. Sächsisches Gesetz zur Umsetzung der Grundsteuerreform v. 3.2.2021, SächsGVBl. 2021, 242.
Schallmoser 311
Kap. 1 Rz. 1.1331 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1331 Grundsteuer und Gewerbesteuer schließen sich gegenseitig aus. Bei Grundbesitz, der zu einem Gewerbebetrieb gehört und mithin „Betriebsgrundstück“ ist, wird eine Doppelbelastung durch Kürzungen bei der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag vermieden (s. Rz. 1.1066 ff.). 2. Steuerpflicht und Steuerbefreiungen
1.1332 Inländischer, d.h. der im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland belegener Grundbesitz unterliegt der Grundsteuer (§ 2 Nr. 1 GrStG). Das Grundsteuergesetz knüpft an die Definition für inländischen Grundbesitz des Bewertungsgesetzes an (§§ 232 bis 234, 240 BewG sowie §§ 243, 244 BewG, §§ 218 Satz 2 und 3 BewG). Aus dem Objektsteuercharakter der Regelung folgt, dass die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers des Grundbesitzes unbeachtlich sind. Von Verfassungs wegen ist es daher auch nicht zu beanstanden, dass für kinderreiche Familien keine Grundsteuervergünstigungen vorgesehen sind1. Der für steuerbegünstigte Zwecke genutzte Grundbesitz bestimmter Rechtsträger (bspw. von Religionsgemeinschaften) ist nach § 3 GrStG von der Grundsteuer befreit; eine entsprechende Befreiung gilt nach § 4 GrStG auch für bestimmte Grundstücke privater Grundstückseigentümer. Die Befreiungsvorschriften werden durch die Regelungen in §§ 5 bis 8 GrStG begrenzt. 3. Grundsteuerwerte
1.1333 Nach § 219 BewG i.d.F. ab 1.1.2022 werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der zum Betrieb gehörenden Grundstücke (§§ 234, 240, 218 Satz 2 BewG n.F., § 2 Nr. 1 GrStG n.F.) sowie für private Grundstücke und Betriebsgrundstücke (§§ 243, 244, 218 Satz 3 BewG n.F., § 2 Nr. 2 GrStG n.F.) Grundsteuerwerte gesondert (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) festgestellt2; die Bedarfsbewertung von Erbbaurechten richtet sich nach § 261 BewG n.F. (s.a. Rz. 5.210 ff.). Im Feststellungsbescheid sind nach § 219 Abs. 2 BewG n.F. u.a. Feststellungen zu treffen über die Vermögensart, beim Grundvermögen auch über die Grundstücksart (§ 249 BewG n.F.) sowie die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe ihrer Anteile. Die erstmalige Neubewertung von Betrieben (§ 232 ff. BewG n.F.) und Grundstücken (§§ 243 ff. BewG n.F.) für Zwecke der Grundsteuer nach dem neuen Bewertungsregime findet im Rahmen einer Hauptfeststellung zum 1.1.2022 statt (§§ 221 Abs. 1, 266 Abs. 1 BewG n.F.); die hierbei festgestellten Grundsteuerwerte werden im Rahmen der Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 der Grundsteuer-Festsetzung zugrunde gelegt (§ 266 Abs. 1 BewG, § 36 GrStG). Sodann werden die Grundsteuerwerte in Zeitabständen von je sieben Jahren – nach Maßgabe der Verhältnisse zu 1 BFH v. 20.12.2002 – II B 44/02, BFH/NV 2003, 508; Marx in Stenger/Loose, § 2 GrStG Rz. 3. 2 Zu Sonderfällen wie Grundstücken im Zustand der Bebauung und Erbbaurechen s. Ritzer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, Kap. F II Rz. 5 ff.
312 Schallmoser
G. Gemeindliche Steuern
Rz. 1.1335 Kap. 1
Beginn des jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkts – neu festgestellt (§ 221 Abs. 1, 2 BewG n.F.).
1.1334
Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zählen – Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende und umlaufende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 232 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BewG n.F.) sowie Kleingartenland (§ 240 BewG n.F.). Die (regelmäßig an Energieerzeuger verpachteten) Standortflächen von Windenergieanlagen sind zwar dem Grunde nach dem Grundvermögen zuzurechnen; denn sie dienen dauerhaft einer anderen als der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (s. § 232 Abs. 4 Nr. 1 BewG n.F.). Abweichend von diesem Grundsatz sind die „abgegrenzten“ Standortflächen der Windenergieanlage (d.h. die Standfläche des Windrades einschließlich der dazugehörenden Betriebsvorrichtungen) nach § 233 Abs. 1 BewG in der für die Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 geltenden (und im Rahmen der Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 anzuwendenden) n.F. (s. § 266 BewG) dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen, wenn die umliegenden Flächen (d.h. der sog. „Umgriff“) land- und forstwirtschaftlich genutzt werden; – nicht aber Grund und Boden sowie Gebäude und Gebäudeteile, die Wohnzwecken oder anderen nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, Tierbestände oder Zweige des Tierbestands und die hiermit zusammenhängenden Wirtschaftsgüter, wenn die Tiere nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören, Zahlungsmittel, Geldforderungen, Geschäftsguthaben, Wertpapiere und Beteiligungen sowie Geldschulden und Pensionsverpflichtungen (§ 232 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 BewG n.F.). Die Summe der Reinerträge des Betriebs einschließlich der Zuschläge (§§ 237, 238 BewG n.F.) ist zur Ermittlung des Ertragswerts mit dem Faktor 18,6 zu kapitalisieren und ergibt den Grundsteuerwert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (§§ 239 BewG n.F.).
1.1335
Zum Grundvermögen zählen – Grund und Boden, Gebäude, sonstige Bestandteile und Zubehör (§ 243 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BewG n.F.) sowie – das Erbbaurecht, das Wohnungs- und Teileigentum sowie das Wohnungs- und Teilerbbaurecht, – nicht aber Bodenschätze und Betriebsvorrichtungen (§ 243 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BewG n.F.). Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein eigens zu bewertendes Grundstück (§ 244 Abs. 1 BewG n.F.). Ein Anteil des Eigentümers eines Grundstücks an anderem Grundvermögen (zum Beispiel an gemeinschaftlichen Hofflächen oder Garagen) ist in die wirtschaftliche Einheit Grundstück einzubeziehen, wenn der Anteil zusammen mit dem Grundstück genutzt wird. Das gilt nicht, wenn das gemeinschaftliche Grundvermögen nach den Anschauungen des Verkehrs als selbständige wirtschaftliche Einheit anzusehen ist (§ 244 Abs. 2 BewG n.F.). Schallmoser 313
Kap. 1 Rz. 1.1335 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Der Grundsteuerwert – unbebauter Grundstücke ermittelt sich gem. § 247 Abs. 1 BewG n.F. regelmäßig durch Multiplikation ihrer Fläche mit dem jeweiligen von den Gutachterausschüssen veröffentlichten Bodenrichtwert (§ 196 BauGB); – bebauter Grundstücke ist nach dem Ertragswertverfahren (§§ 252 ff. BewG n.F.) oder dem Sachwertverfahren (§§ 258 ff. BewG n.F.) zu ermitteln1. Nach dem Ertragswertverfahren sind gem. § 247 Abs. 2 BewG n.F. Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum zu bewerten, nach dem Sachwertverfahren sind Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke zu bewerten. Der für ein bebautes Grundstück anzusetzende Wert darf nicht geringer sein als 75 v.H. des Werts, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück zu bewerten wäre (sog. Mindestwert, § 251 Satz 1 BewG n.F.). Bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern sind bei der Ermittlung eines Mindestwerts zudem die Umrechnungskoeffizienten zur Berücksichtigung abweichender Grundstücksgrößen beim Bodenwert (Anlage 36 zum BewG) zu berücksichtigen (§ 251 Satz 2 BewG n.F.). 4. Hauptfeststellung und Fortschreibungen
1.1336 Die Neuregelung in § 222 Abs. 1 BewG n.F.2 sieht Fortschreibungen der im Rahmen der Hauptfeststellung zum 1.1.2022 festgestellten Grundsteuerwerte vor, wenn der in Euro ermittelte und auf volle 100 Euro abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben oder unten um mehr als 15.000 Euro abweicht. Gleiches gilt für die Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung (§ 222 Abs. 3 BewG n.F.). Eine Fortschreibung ist vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen (§ 222 Abs. 4 Satz 1 BewG n.F.). Im Zuge der Grundsteuerreform (näher s. Rz. 1.1330 ff.) ist zu beachten, dass in den Fällen eines Eigentumswechsels nach dem 1.1.2022 (aber noch vor Abgabe der bis zum 31.10.2022 einzureichenden Grundsteuererklärung) die Steuererklärungspflicht denjenigen trifft, der am zum Hauptfeststellungszeitpunkt am 1.1.2022 Eigentümer des Grundstücks war; dies ist im Zweifel der Verkäufer3. 5. Grundsteuererhebung
1.1337 Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist (§ 10 Abs. 1 GrStG). Da die Grundsteuer nach den Verhältnissen zu Beginn eines jeden Kalenderjahres festgesetzt wird (§ 9 1 Zu Einzelheiten s. Eichholz, DStR 2020, 1158 (1217). 2 § 222 BewG i.d.F. des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetzes – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. 3 Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. DNotI-Report 11/2022, 81 (82 ff.).
314 Schallmoser
G. Gemeindliche Steuern
Rz. 1.1340 Kap. 1
Abs. 1 GrStG), bleibt der Verkäufer eines Immobilienobjekts trotz der Veräußerung Steuerschuldner der Grundsteuer für das laufende Jahr, so dass ein entsprechender schuldrechtlicher Ausgleich zwischen den Vertragsteilen im notariell beurkundeten Kaufvertrag vereinbart werden kann. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, die Kaufvertragsparteien darauf hinzuweisen, dass der Käufer, auf den Besitz, Nutzungen und Lasten übergegangen sind, dem Verkäufer die in Rechnung gestellten Grundsteuerbeträge zu ersetzen hat, bis aufgrund der Zurechnungsfortschreibung die Gemeinde den Grundsteuerbescheid dem Käufer zuschickt. Die Grundsteuer wird jeweils vierteljährlich (§ 28 Abs. 1 GrStG) in der Mitte des 1.1338 jeweiligen Quartals erhoben und zwar von dem Eigentümer, dem das Grundstück bei der Feststellung des Grundsteuerwerts zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres zugerechnet wird (§ 10 Abs. 1 GrStG n.F.1). Bei der Berechnung der Grundsteuer ist gem. § 13 Abs. 1 GrStG von einem Steuermessbetrag auszugehen, der durch Anwendung eines Promillesatzes (Steuermesszahl, § 15 GrStG) auf den Grundsteuerwert errechnet wird. Die Gemeinde bestimmt gem. § 25 Abs. 1 GrStG, mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrages (Hebesatz) die Grundsteuer zu erheben ist. Die Neuregelung in § 25 Abs. 5 GrStG n.F.2 ermöglicht es Städten und Gemeinden, 1.1339 die Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern. Hierzu kann ein gesonderter (erhöhter) Hebesatz auf baureife, unbebaute Grundstücke eingeführt werden. Diese sog. „Grundsteuer C“ soll Grundstücksspekulationen verteuern und finanzielle Anreize dafür setzen, auf baureifen Grundstücken Wohnraum zu schaffen3. Als städtebauliche Gründe für einen gesonderten Hebesatz kommen insbesondere die „Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen, die Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen oder die Stärkung der Innenentwicklung“ in Betracht (§ 25 Abs. 5 Satz 4 GrStG n.F.). § 25 Abs. 5 GrStG n.F. ist erstmals bei der Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 anzuwenden (§ 37 Abs. 3 GrStG n.F.). 6. Haftung Nach § 11 Abs. 1 GrStG haften neben dem Steuerschuldner der Nießbraucher des 1.1340 Steuergegenstandes und derjenige, dem ein dem Nießbrauch ähnliches Recht zusteht. Gemäß § 12 GrStG ruht die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last, so dass auch der Erwerber eines Grundstückes für rückständige Steuerschulden haftet. Darauf ist in der Kaufvertragsurkunde hinzuweisen.
1 § 10 GrStG i.d.F. des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetzes – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. 2 § 25 Abs. 5 GrStG i.d.F. des Ges. zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 (BGBl. I 2019, 1875) m.W.v. 1.1.2025. 3 S. Eichholz, DStR 2020, 1217 (1226).
Schallmoser 315
Kap. 1 Rz. 1.1341 Steuerorientierte Immobilienübertragung
7. Erlass der Grundsteuer
1.1341 Das Grundsteuerrecht enthält in §§ 32 und 33 GrStG eigenständige, neben die einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung tretende Erlassvorschriften – für Kulturgut und Grünanlagen (§ 32 GrStG) und – wegen wesentlicher Ertragsminderung bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft (§ 33 GrStG) und bei bebauten Grundstücken (§ 34 GrStG n.F.). Ein Erlass wird nur auf Antrag gewährt; der Antrag muss nach § 35 Abs. 2 GrStG bis zum 31. März des Folgejahres gestellt werden. In den Fällen des § 32 GrStG bedarf es keiner jährlichen Wiederholung des Antrags.
1.1342 Auch ein struktureller Leerstand von Wohnungen begründet einen Rechtsanspruch auf den Grundsteuererlass. Da diese Frage von den obersten Bundesgerichten nicht einheitlich gesehen wurde1, hat der BFH mit Beschluss vom 26.2.20072 dem gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Grundsteuererlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG a.F. (nunmehr: § 34 GrStG n.F.) nur bei atypischen oder vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt oder auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann. Da das BVerwG mit Beschluss vom 24.4.20073 seine von der Auffassung des BFH abweichende Ansicht aufgegeben hat, konnte der BFH mit Urteil vom 24.10.20074 selbst entscheiden und feststellen, dass eine Ertragsminderung, die das nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG a.F. erforderliche Ausmaß erreicht, auch dann zu einem Grundsteuererlass führt, wenn sie strukturell bedingt und nicht nur vorübergehender Natur ist. II. Zweitwohnungssteuer Literatur: Groh, Zweitwohnungssteuer und Einkommensteuer, FR 2007, 334; Happ, Zweitwohnungsteuer – wie geht es weiter? DWW 2015, 11; Kasper, Die Zweitwohnungssteuer, DStR 2006, 2005; Rhein/Zitzen, Erhebung von Zweitwohnungssteuern bei Studierenden, ZKF 2008, 272, ZKF 2009, 7.
1.1343 Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer sind Art. 105 Abs. 2a GG i.V.m. den kommunalen Abgabengesetzen der Länder und den Satzungen der betreffenden Gemeinden. Die Steuerbemessung erfolgt üblicherweise unter Zugrundelegung der Jahresrohmiete. Die Steuerhöhe beläuft sich auf zwischen 5 %–20 % dieser Bemessungsgrundlage. 1.1344 Die Zweitwohnungssteuer als kommunale Abgabe hat eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Sie wurde zunächst in Gemeinden erhoben, auf deren Gebiet 1 2 3 4
Vgl. etwa BVerwG v. 4.4.2001 – 11 C 12/00, BStBl. II 2002, 889 = ZfIR 2001, 574. BFH v. 26.2.2007 – II R 5/05, BStBl. II 2007, 469. BVerwG v. 24.4.2007 – GmS-OBG 1/07, ZKF 2007, 211. BFH v. 24.10.2007 – II R 5/05, BStBl. II 2008, 384; s. hierzu auch Kühnold, ZKF 2007, 128.
316 Schallmoser
G. Gemeindliche Steuern
Rz. 1.1346 Kap. 1
als Folge neuen Freizeitverhaltens und gestiegenen Wohlstands teilweise in erheblichem Ausmaß Zweitwohnungen oder ganze Ferienwohnhaussiedlungen entstanden sind1. Auf die Zweitwohnungssteuer als Einnahmequelle wurden sodann aber auch Großstädte, insbesondere Universitätsstädte aufmerksam. Die Zweitwohnungssteuer wandelte sich dadurch von einer Steuer auf den gehobenen Freizeitkonsum in eine Belastung von Beruf und Ausbildung2. Mit dem Beschluss des BVerfG vom 11.10.20053 trat eine Kehrtwende ein: Das Ge- 1.1345 richt beanstandete, dass die Zweitwohnungssteuer der Städte Hannover und Dortmund unterschiedslos alle Erwerbszweitwohnungen erfasse. Erwerbszweitwohnungen Verheirateter müssten mit Blick auf Art. 6 GG ausgenommen werden. Denn die Zweitwohnungssteuer erschwere die Aufrechterhaltung oder Begründung der auswärtigen gemeinsamen ehelichen Wohnung und belaste die in diesem Sinne zu treffende Entscheidung. Nach den statistischen Erhebungen des BVerfG sollen die Erwerbszweitwohnungen von Verheirateten 81 % aller Erwerbszweitwohnungen ausmachen4. Die Einnahmen der Großstädte aus der Steuer werden deshalb erheblich zurückgehen. Belastet sind allerdings noch die Erwerbszweitwohnungen von Singles ohne auswärtige Familie und Studenten5. Mit Beschluss vom 31.10.20166 hat das BVerfG erneut betont, dass es der besondere Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG erlaube, verheiratete, nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer im Verhältnis zu ungebundenen Partnerbeziehungen durch Ausnahme von der Steuerpflicht besserzustellen. Das BVerfG hat insoweit eine anderslautende Entscheidung des VGH Bay.7 aufgehoben, in der eine maßgebliche Steuerbegünstigungsvorschrift in verfassungswidriger Weise einengend ausgelegt worden war. Auch die Ausgestaltung von Satzungen über die Erhebung der Zweitwohnungs- 1.1346 steuer hat die Rechtsprechung auf den Plan gerufen. So hat bspw. das OVG BerlinBrandenburg mit Urteil vom 22.11.20068 eine Zweitwohnungssteuersatzung in einem Normenkontrollverfahren für nichtig erklärt, weil 1 Vgl. Kasper, DStR 2006, 2005; Groh, FR 2007, 334. 2 Vgl. Groh, FR 2007, 334. Hintergrund dieser Entwicklung war die Entscheidung des BVerfG v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79, BStBl. II 1984, 72, in der das Gericht die im Jahre 1972 von der Stadt Überlingen für Ferienwohnungen eingeführte Satzung als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt hatte. Beanstandet wurden die in der Satzung vorgesehenen Besteuerungsausnahmen für aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken unterhaltene Zweitwohnungen. Die Entscheidung des BVerfG hatte zur Folge, dass die betroffenen Gemeinden die Steuer auch auf Erwerbs- und Ausbildungswohnungen ausdehnen mussten, um sich die Steuer auf die Ferienwohnungen zu erhalten. 3 BVerfG v. 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03, BVerfGE 114, 316 = NJW 2005, 3556. 4 BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl. II 2003, 534 = FR 2003, 568 = DStR 2003, 633. 5 Groh, FR 2007, 334 (338). 6 BVerfG v. 31.10.2016 – 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13, WM 2017, 154 = HFR 2017, 172. 7 BayVGH v. 20.2.2013 – 4 ZB 12.2606, juris. 8 OVG Berlin-Brandenburg v. 22.11.2006 – 9 A 68.05, rkr., DStRE 2007, 1270.
Schallmoser 317
Kap. 1 Rz. 1.1346 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– eine Satzung, die zur Bemessung der Steuer auf die Jahresrohmiete abstellt, eindeutig regeln muss, auf welchen Zeitpunkt für die Ermittlung der Mieter einschließlich der Nebenkosten abzustellen ist; – eine Satzungsregelung, die für die Ermittlung der Betriebskosten der Zweitwohnung auf die Erkenntnisse bei Beginn des Steuerjahres abstellt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den landesrechtlichen Grundsatz der Steuergerechtigkeit verstößt; – die satzungsmäßig bestimmte antizipierte Steuererhebung kein sachlicher Rechtfertigungsgrund ist, für gleichartige Wohnungen den Aufwand nach unterschiedlichen Bemessungskriterien zu ermitteln; – die Kinderzahl bei der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer kein sachlicher Grund für eine Steuerermäßigung ist; – das Entstehen und die Beendigung der Zweitwohnungssteuerpflicht abhängig von der Verwirklichung des Steuertatbestands ist. – Auch der Bayerische VGH1 hat eine Satzungsbestimmung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer für unwirksam erklärt, da sie sich von dem der Zweitwohnungsteuer zugrunde liegenden Aufwandsbegriff gelöst habe und unabhängig vom betriebenen Aufwand zu unterschiedlicher Steuerbelastung führen könne. – Nach Auffassung des OVG Mecklenburg-Vorpommern enthält eine Zweitwohnungssteuersatzung für Fälle, in denen der Inhaber der Zweitwohnung weniger als zwei Monate im Jahr über die Wohnung für seine persönliche Lebensführung verfügen kann, keinen wirksamen Steuermaßstab, wenn sie auch insoweit den jährlichen Mietaufwand als Bemessungsgrundlage ansetzt2.
1.1347 Wohnung im Sinne des Zweitwohnungsteuerrechts ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen genutzt wird (vgl. Art. 14 Satz 1 MeldeG); hierzu zählen auch ortsfeste Campingwagen, Wohnboote oder Mobilheime3. Aus dem Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer folgt, dass der Steuertatbestand nur erfüllt ist, wenn die Wohnung (auch) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt oder vorgehalten wird. Dies ist nicht der Fall, wenn die Wohnung zur reinen Kapitalanlage vorgehalten wird4. Auch die Nutzung als Wohnraum durch Kinder des Wohnungsinhabers im Wege eines „Leihverhältnisses“ führt nicht zur Steuerpflicht5. Eine GbR kann, da sie mit dem Innehaben einer Wohnung keinen persönlichen Wohnbedarf befriedigt, nicht zur Zweitwohnungsteuer herangezogen werden. Ein GbR-Gesellschafter unterliegt nur dann der Zweitwohnung-
1 BayVGH v. 23.2.2010 – 4 N 09.1960, juris. 2 OVG Mecklenburg-Vorpommern v. 24.3.2015 – 1 L 90/13, NVwZ-RR 2015, 710. 3 VG München v. 18.6.2015 – M 10 K 15.482, juris; Schleswig-Holsteinisches VG v. 15.9.2016 – 2 B 78/16, juris; v. 11.10.2016 – 2 A 179/14, juris. 4 Schleswig-Holsteinisches OVG v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16, juris. 5 BayVGH v. 29.7.2015 – 4 B 15.877, DStR 2015, 2337; Schleswig-Holsteinisches OVG v. 22.7.2016 – 2 LB 12/16, juris.
318 Schallmoser
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1360 Kap. 1
steuerpflicht, wenn er innerhalb der GbR eine beherrschende Stellung einnimmt oder wenn ihm ein eigenes (ggf. zeitlich beschränktes) Nutzungsrecht eingeräumt ist1. Zur anteiligen Behandlung der Zweitwohnungssteuer bei Ferienwohnungen als Werbungskosten s. Rz. 1.972. Einstweilen frei.
1.1348
1.1349–1.1359
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer Literatur und Verwaltungsanweisungen: Eckert in FS für Spiegelberger, Darf der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer abschaffen?, Überlegungen zur systematischen Stellung der Erbschaftsteuer im Deutschen Steuerrecht, S. 79; Esskandari, Grundstücksübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt und der frühe Tod, ErbStB 2013, 149; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen, notar 2015, 144; Frenz/Lülsdorf, Rückwirkendes Entfallen von § 25 ErbStG, StB 2013, 205; Geck, Erleichterungen beim Berliner Testament: Geltendmachung des Pflichtteils nach Tod des Verpflichteten durch dessen Alleinerben, DStR 2013, 1368; Grootens, Wohn- und Nießbrauchsrechte in der Erbschaftsteuer, NWB 2011, 1142; Günther, Unentgeltlicher und teilentgeltlicher Erwerb von Immobilien des Privatvermögens, EStB 2013, 464; Halaczinsky, Schenkung- und erbschaftsteuerliche Aspekte bei Kapitalanlagen, ErbStB 2013, 226; Kieser, Der Güterstandswechsel als Gestaltungsmittel, ZErb 2013, 49; Kölmel, Der unentgeltliche Erwerb von Grundstücksrechten durch Minderjährige, RNotZ 2011, 332; Mannek, Die wesentlichen Änderungen durch die Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 im Überblick; ZEF 2012, 6; Oberste Finanzbehörden der Länder: Einräumung eines Nießbrauchsrechts, Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs oder Verzicht auf einen Nießbrauch an einem Anteil an einer Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG, ZEF 2013, 51; Schmidthöfer, Die Kosten der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Gesellschaftsanteilen, GmbHR 2011, 1139; Siebing in FS für Spiegelberger, Zur Frage des Besteuerungszeitpunktes bei der vorweggenommenen Erbfolge, S. 415; Spiegelberger, Die Zukunft der Erbschaftsteuer nach dem ErbSt-Urt. des BVerfG v. 17.12.2014, ZErb 2015, 229; Spiegelberger/Wartenburger, Die Erbschaftsteuerreform aus verfassungsrechtlicher Sicht, ErbStB 2009, 98; Spilker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an steuerliche Lenkungsregelungen am Beispiel des ErbStG 2009, StB 2013, 345; Stöbener/Gach, Zum Spannungsverhältnis zwischen Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer, ErbStB 2014, 18; Wachter, Die Immobilie im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 524; Wachter, Stiftungen im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, FR 2017, 112.
I. Rechtsentwicklung 1. Reichseinheitliche Regelung Seit dem Reichserbschaftsteuergesetz2 aus 1906 besteht in Deutschland eine bun- 1.1360 desweite bzw. reichseinheitliche Erbschaftsbesteuerung. Da deren Regelungen heute
1 BayVGH v. 29.7.2015 – 4 B 15.877, DStR 2015, 2337. 2 Gesetz v. 3.6.1906, RGBl. 1906, 654.
Schallmoser und Wälzholz 319
Kap. 1 Rz. 1.1360 Steuerorientierte Immobilienübertragung
jedoch nicht mehr von praktischer Bedeutung sind, wird von einer weitergehenden Schilderung der älteren Rechtsentwicklung abgesehen. 2. Erbschaftsteuerreform 1974
1.1361 Nach der Erbschaftsteuerreform 19741 unterlagen der Steuer der Erwerb von Todes wegen, die Schenkung unter Lebenden sowie Zweckzuwendungen mit den gleichen Vorschriften. Für Familienstiftungen und Familienvereine wurde die Erbersatzsteuer eingeführt, die in Zeitabschnitten von jeweils 30 Jahren erhoben wird. Gemäß § 25 ErbStG wurde der Abzug von Renten- und Nutzungslasten ausgeschlossen, so dass das Steueraufkommen von zuvor 100 Mio. auf 500 Mio. jährlich sprang. Durch das Steuervereinfachungsgesetz vom 18.8.19802 wurde das Abzugsverbot auf den Teil beschränkt, den der Schenker für sich und seinen Ehegatten oder der Erblasser für den überlebenden Ehegatten als Rente oder als Nutzungsrecht vorbehalten hat, und die zinslose Stundung zugelassen. 3. Entscheidung des BVerfG vom 22.6.1995 samt ErbStG vom 27.2.1997
1.1362 Als Folge einer Entscheidung des BVerfG vom 22.6.19953 wurde die erbschaftsteuerliche Wertermittlung auf der Basis der Einheitswerte 1964 für verfassungswidrig erklärt, so dass durch das Jahressteuergesetz 19974 grundsätzlich alle bebauten Grundstücke im Ertragswertverfahren bewertet wurden, § 146 Abs. 2 BewG. Zur Ermittlung des Ertragswerts wurde die Jahresmiete mit dem Faktor 12,5 multipliziert. Mindestens musste der unter Anwendung der Bodenrichtwerte ermittelte Wert des unbebauten Grundstücks angesetzt werden, § 146 Abs. 6 BewG. Die ermittelten Werte für den Grundbesitz hatten eine erhebliche Streubreite und lagen im Schnitt höchstens bei 50 bis 70 % des Verkehrswertes5. Das ErbStG wurde unter dem 27.2.1997 neu verkündet.6 Bäuerliche Familienbetriebe waren wegen des Freibetrags von 500.000 DM (§ 13a ErbStG) regelmäßig ohne Erbschaftsteuerbelastung. Die Begünstigungen für das Betriebsvermögen und wesentliche Beteiligungen gem. § 13a ErbStG wurden erweitert und ein besonderer Steuerentlastungsbetrag gem. § 19a ErbStG eingeführt. 4. Erbschaftsteuerreform 2009
1.1363 Aufgrund des Vorlagebeschlusses vom 22.5.20027 setzte das BVerfG mit Beschluss vom 7.11.20068 dem Gesetzgeber zur Korrektur des angegriffenen Erbschaftsteuer1 2 3 4 5 6 7
Gesetz v. 17.4.1974 BGBl. I 1974, 933. Steuervereinfachungsgesetz v. 18.8.1980, BGBl. 1980 I, 1537. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552, 91, BStBl. II 1995, 671 = MDR 1995, 1005. Jahressteuergesetz 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG Einf. Rz. 114. BGBl. I 1997, 378. BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, BStBl. II 2002, 598 = NJW 2002, 3197 = DStR 2002, 1438 = ZEV 2002, 372 = MittBayNot 2002, 418. 8 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = BStBl. II 2007, 192 = NJW 2007, 573 = GmbHR 2007, 320 = ZNotP 2007, 135.
320 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1365 Kap. 1
gesetzes eine Frist bis zum 31.12.2008 und machte für die Neuregelung inhaltliche Vorgaben. Das Gericht ging davon aus, dass die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs mit dem Grundgesetz unvereinbar sei, weil sie an Steuerwerte anknüpfe, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genüge. 5. Erbschaftsteuerreform 2016 Aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 17.12.20141 hat der Gesetzgeber am 1.1364 4.11.2016 das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG2 erlassen. Die Neuregelung beschränkt sich im Wesentlichen auf Betriebsvermögen durch Änderung der §§ 13a bis 13d, 19a, 28 und 28a ErbStG. Die Neuregelung wird unter Rz. 1.1411 im Einzelnen dargestellt. II. Grenzüberschreitende Besteuerung Literatur: Halaczinsky, Aktuelle Entwicklungen bei der beschränkten Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht, ErbStB 2017, 142; Jülicher, Praxisprobleme im internationalen Erbschaftsteuerrecht – Auslandssachverhalte, BB 2014, 1367; Kaminski, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei internationalen Erbschaftsteuerfällen, Stbg 2013, 10; Schienke-Ohletz, Was sind Vermögensmassen gerichtet auf die Bindung von Vermögen i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 8, 9 ErbStG?, IStR 2019, 21; Stein, Nießbrauchsrechte bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht: Problemlagen, Besteuerung und Gestaltung beim verlängerten Vorbehaltsnießbrauch, ZEV 2020, 603; Watrin/Kappenberg, Internationale Besteuerung von Vermögensnachfolgen, ZEV 2011, 105; Werz in FS für Spiegelberger (2009), Gestaltungsmöglichkeiten bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht, S. 584.
1.1365
Beispiel: V hat sich nach seiner Pensionierung nach Gran Canaria zurückgezogen, hat aber den deutschen Wohnsitz nicht aufgegeben. Er will Grundbesitz auf Gran Canaria und in Deutschland im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Kinder übertragen und sich den Nießbrauch vorbehalten.
1 BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50 = DStR 2015, 31 = ZEV 2015, 19 = NJW 2015, 303. 2 Gesetz v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464 = BStBl. I 2016, 1202.
Wälzholz 321
Kap. 1 Rz. 1.1366 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1. Unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
1.1366 Übersicht: Erbschaftbesteuerung bei Wohnsitzverlagerung ins Ausland Deutscher Wohnsitz unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG mit dem Weltvermögen
Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG
Wohnsitzverlagerung
Erweiterte Beschränkte Steuerpflicht unbeschränkte Steuerpflicht gem. gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG § 4 AStG bezgl. mit dem des erweiterten Inlandsvermögens Inlandsvermögen
5 Jahre
10 Jahre
a) Wohnsitz und Aufenthaltsort
1.1367 Wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber ein Inländer ist, unterliegt der gesamte Vermögensanfall der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Staatsangehörigkeit ist für die Einordnung als Inländer unerheblich1. Als Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG gelten natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Grundsätzlich können zwei und mehr Wohnsitze nebeneinander bestehen, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehr Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet hat2, s. § 8 AO. Für die Anknüpfung der Besteuerung reicht der inländische Wohnsitz aus. 1.1368 Gemäß § 9 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland ist stets anzunehmen, wenn der Inlandsaufenthalt zeitlich zusammenhängend länger als sechs Monate dauert, vgl. § 9 Satz 2 AO, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben. Der gewöhnliche Aufenthalt ist neben dem Wohnsitz ein alternatives Anknüpfungsmerkmal für die unbeschränkte Steuerpflicht. 1.1369 Die unbeschränkte Steuerpflicht umfasst das gesamte Weltvermögen. Bei dem Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht werden die Erbschaft- und Schenkungsteuerfreibeträge gem. § 16 Abs. 1 ErbStG gewährt, während bei beschränkter Steuerpflicht die allgemeinen Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG nur anteilig in dem Ver1 Vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 2 ErbStG Rz. 17. 2 Vgl. BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294 = FR 2001, 426 m. Anm. Kanzler.
322 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1372 Kap. 1
hältnis gewährt werden, wie der deutsche Inlandserwerb im Verhältnis zum weltweiten schenkungsteuerpflichtigen Erwerb der letzten zehn Jahre steht, § 16 Abs. 2 ErbStG. Diese Regelung ist europarechtskonform, wie der EuGH im Jahr 2021 entschieden hat1. Die gleichzeitig angeordnete vollständige Einschränkung des Abzugs von Nachlassverbindlichkeiten bei beschränkter Steuerpflicht ist hingegen diskriminierend und damit europarechtswidrig.2 Deutsches Erbschaftsteuerrecht gilt auch dann, wenn zwar der Erblasser oder Schen- 1.1370 ker nicht Inländer ist, aber der Erwerber diese Voraussetzung erfüllt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG). Der dauerhafte Wegzug ins Ausland durch einen deutschen Staatsangehörigen als Schenker/Erblasser beendet also auch dann die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht nicht, wenn die späteren Erwerber nicht ebenfalls vollständig verlassen, da es für die unbeschränkte Steuerpflicht ausreichend ist, wenn entweder der Schenker/Erblasser oder der Erwerber in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Es muss also von allen am Nachlass Beteiligten jeglicher Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aufgegeben sein, um die Besteuerung des Weltvermögens zu verhindern. Die Bewertung von Inlandsvermögen ändert sich bei Vorliegen von beschränkter Steuerpflicht nicht. Auch die Begünstigungen für das Familienwohnheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c ErbStG und für Mietwohnimmobilien nach § 13d ErbStG können auch bei beschränkter Steuerpflicht gewährt werden. Gleiches gilt für die Betriebsvermögensbegünstigungen nach §§ 13a, 13b, 13c, 19a, 28a ErbStG. Beim Familienwohnheim ist dies allerdings eher theoretischer Natur, weil das Familienheim den Lebensmittelpunkt nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c ErbStG voraussetzt und dies stets den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und damit die unbeschränkte Steuerpflicht begründet. Erwerbe nach ausländischem Recht, die den deutschen steuerpflichtigen Rechtsinsti- 1.1371 tuten wie Erbschaft, Schenkung, Vermächtnis bzw. Auflage oder Pflichtteil entsprechen, unterliegen ebenso der deutschen Erbschaftsteuer i.S.d. §§ 3, 7 ErbStG, als wenn der Sachverhalt nach deutschem Schuldrecht/Erbrecht eingetreten wäre. In dem Beispiel Rz. 1.1367 richtet sich der Erbfall mangels Rechtswahl zivilrechtlich nach dem spanischem Recht, Lokalrecht von Gran Canaria. Der nach spanischem Zivilrecht zu beurteilende Erbfall unterliegt gleichwohl dem deutschen Erbschaftsteuerrecht des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Für Italien hat der BFH insoweit entschieden, dass der italienische Erbfall dem deutschen hinreichend vergleichbar ist und der maßgebliche Zeitpunkt der Besteuerung der Todeszeitpunkt ist, nicht erst der Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft.3 b) Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung nach § 21 ErbStG Bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuer herangezo1 EuGH v. 21.12.2021 – C 394/20, DStR 2022, 45. 2 EuGH v. 21.12.2021 – C 394/20, DStR 2022, 45. 3 BFH v. 17.11.2021 – II R 39/19.
Wälzholz 323
1.1372
Kap. 1 Rz. 1.1372 Steuerorientierte Immobilienübertragung
gen werden, ist zunächst zu prüfen, ob ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht. Derartige staatsrechtliche Verträge existieren allerdings nur mit der Schweiz, den USA, Griechenland, Frankreich, Schweden, Dänemark1. Das früher bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich und Israel wurde gekündigt und gilt daher nicht mehr.
1.1373 In den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist gem. § 21 Abs. 1 ErbStG auf Antrag die festgesetzte ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Allerdings ist die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer keineswegs durchgehend gesichert. Auslandsvermögen, das von der ausländischen Steuer betroffen sein muss, ist bei einem inländischen Erblasser oder Schenker nur das Vermögen, das bei Belegenheit im Inland Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG wäre. Das bedeutet, dass in diesen Fällen zwar eine ausländische Steuer auf im Ausland belegenen Grundbesitz anzurechnen ist, nicht aber z.B. eine ausländische Steuer auf Kontenguthaben. Wenn ein potentieller Erblasser oder Schenker Auslandskonten hält, sollten diese entweder in Staaten belegen sein, die von vorne herein innerstaatlich keine beschränkte Steuerpflicht für Konten kennen (z.B. Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein) oder in Staaten, mit denen Deutschland ein „modernes“ DBA mit Ausschluss der Kontenbesteuerung abgeschlossen hat (USA, Dänemark und Schweden, Frankreich), keinesfalls aber in Staaten, die Konten besteuern und mit denen kein ausreichendes DBA besteht (Großbritannien, Irland, Spanien, Italien, Griechenland)2. 2. Beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
1.1374 Sofern keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG maßgebend. Danach besteht eine Steuerpflicht für den Vermögensanfall, der aus Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht. Der Katalog des § 121 BewG umfasst insbesondere das gesamte inländische Grund- und Betriebsvermögen sowie gem. Ziff. 4 Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und der Gesellschafter entweder allein oder zusammen mit anderen ihm nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mindestens zu 1/10 unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. 1.1375 Die Inlandsbesteuerung bei beschränkter Steuerpflicht lässt sich beispielsweise dadurch vermeiden oder reduzieren, dass die Besteuerung ins Ausland verlegt wird. Hat beispielsweise eine beschränkt steuerpflichtige österreichische Mutter eine seit mehr als zehn Jahren gehaltene Immobilie des Privatvermögens in Duisburg im Wert von 1 Mio. Euro, dann kann sie diese Immobilie ohne Erbschaftsteuer an ihre beschränkt steuerpflichtige österreichische Tochter ohne jegliche Erbschaftsteuer übertragen, indem sie in Österreich eine Mio. Euro an ihre Tochter ohne jegliche Bindung und Auflage schenkt. Dieser Vorgang hat keinen Bezug zu Deutschland und ist daher nicht steuerpflichtig in Deutschland. Mit gehörigem zeitlichem Abstand 1 Siehe Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 2 ErbStG Rz. 205 ff. 2 Vgl. Jülicher, Kölner Tage der Unternehmensnachfolge, 2010, S. 379.
324 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1380 Kap. 1
kann sie später ihre deutsche Immobilie in Duisburg an ihre Tochter verkaufen – ohne Erbschaftsteuer, ohne Grunderwerbsteuer und ohne Einkommensteuer. Die Tochter hat dadurch sogar den Vorteil eines AfA-Step-up, da sie die neuen Anschaffungskosten auf das Gebäude abschreiben kann.
1.1376
Beispiel: Wohnsitzwechsel ins Ausland: Wegen der Erbschaftsteuerreform 2016 mit der Besteuerung von betrieblichen Großerwerben mit einem Wert von über 90 Mio. und somit einer Erbschaftsteuerpflicht i.H.v. 30 % verlegt Unternehmer U mit seinem Sohn S, dem vorgesehenen Unternehmensnachfolger, seinen Wohnsitz nach Österreich und verlegt auch den Sitz und die Geschäftsleitung der von ihm betriebenen GmbH nach Salzburg. Die GmbH ist auch Eigentümerin von deutschem Grundbesitz. Lösungshinweis: Bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, ist auf Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, § 6 AStG. Die nach § 6 Abs. 1 AStG geschuldete Steuer ist zinslos und ohne Sicherheitsleistung zeitweise zu stunden.
3. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 4 AStG Nach § 4 AStG wird die sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ergebende beschränkte Steu- 1.1377 erpflicht über das Inlandsvermögen des § 121 BewG hinaus auf weitere Vermögensposten erstreckt, nämlich auf das Vermögen, das zu Inlandseinkünften i.S.d. § 34d ESG führen, z.B. Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland, Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland, Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften1. Die persönlichen Freibeträge für Kinder gelten auch bei der beschränkten Steuer- 1.1378 pflicht, allerdings nur anteilig in den Grenzen des § 16 Abs. 2 ErbStG. Diese Regelung ist europarechtskonform, wie der EuGH im Jahr 2021 entschieden hat2. Die gleichzeitig angeordnete vollständige Einschränkung des Abzugs von Nachlassverbindlichkeiten bei beschränkter Steuerpflicht ist hingegen diskriminierend und damit europarechtswidrig.3 Im Eingangsbeispiel besteht unbeschränkte Steuerpflicht mit dem gesamten Welt- 1.1379 vermögen. Die spanische Steuer ist gem. § 21 ErbStG anzurechnen. Eine Übersicht zum Erbschaftsteuerrecht in Spanien finden Sie bei Troll/Gebel/Jülicher4. Besteht der Erwerb zum Teil aus Auslandsvermögen, ohne dass ein Doppelbesteue- 1.1380 rungsabkommen besteht, ist gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG der darauf entfallende 1 2 3 4
Vgl. Meincke/Hannes/Holtz18, § 2 ErbStG Rz. 29 f. EuGH v. 21.12.2021 – C 394/20, DStR 2022, 45. EuGH v. 21.12.2021 – C 394/20, DStR 2022, 45. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 21 ErbStG Rz. 130.
Wälzholz 325
Kap. 1 Rz. 1.1380 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Teilbetrag der deutschen Erbschaftsteuer in der Weise zu ermitteln, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen einschließlich des steuerpflichtigen Auslandsvermögens sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. Ist das Auslandsvermögen in verschiedenen ausländischen Staaten belegen, ist dieser Teil für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen.
1.1381 Beispiel1: Der Erblasser E mit Wohnsitz im Inland wird von seinem im Ausland lebenden Sohn S beerbt. Das steuerpflichtige Gesamtvermögen beträgt 2.750.000 t, das Auslandsvermögen (Grundvermögen) beträgt 1.150.000 t und teilt sich auf die Staaten A und B jeweils zur Hälfte auf. Die im Staat A entrichtete Steuer beträgt 50.000 t, die im Staat B entrichtete Steuer 172.500 t. Es ergibt sich damit ein steuerpflichtiges Gesamtvermögen von 2.750.000 t, so dass die Erbschaftsteuer vor Anwendung des § 21 ErbStG 522.500 t beträgt. Der Höchstbetrag pro Auslandsstaat errechnet sich wie folgt: 522.500 Euro × 575.000 Euro = 109.250 Euro 2.750.000 Euro Die im Staat A gezahlte Steuer i.H.v. 50.000 t ist damit voll anrechnungsfähig, die im Staat B bezahlte Erbschaftsteuer i.H.v. 172.500 t nur bis zu einem Betrag von 109.250 t. Damit sind 63.250 t nicht anrechnungsfähig. Es ergibt sich damit eine Steuerbelastung in Deutschland i.H.v. (522.500 t – 50.000 t – 109.250 t =) 363.250 t. Die Gesamtbelastung beträgt somit (363.250 t + 50.000 t + 172.500 t =) 585.750 t.
III. Übertragungsvarianten Literatur: Billig, Verschaffung einer Gesamtgläubigerstellung durch den vermögenden Ehepartner – Vermeidung einer Schenkung und Konsequenzen des späteren Erbfalls, UVR 2019, 310; Blusz, Schenkungsteuerpflicht von Zuwendungen zwischen Ehegatten, NWB 2016, 2740; Bönig, Weitere Konsequenzen aus der Entscheidung des BFH zu Zahlungen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Oder-Konto, DStR 2012, 2050; Borggräfe/Staud, Die erbschaftsteuerliche Transparenz der Personengesellschaft, FR 2019, 149; Brüggemann, Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften im Spannungsfeld zwischen SchenkSt und GrESt, ErbBstg 2009, 15; Bruschke, Die unentgeltliche Zuwendung im Schenkungsteuerrecht, ErbStB 2013, 253; Bruschke, Risiken der Kettenschenkung vermeiden, ErbStB 2014, 261; Gebel, Zeitpunkt der Entstehung der Schenkungssteuer bei Grundstückszuwendungen, DStR 2004, 165; Gebel, Nießbrauchrechte und Nießbrauchlasten im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, ZErb 2006, 122; Geck, Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach Aufhebung des § 25 ErbStG durch das ErbStRG, DStR 2009, 1005; Geck, Gemischt entgeltliche Rechtsgeschäfte aus schenkungsteuerlicher und grunderwerbsteuerlicher Sicht, KÖSDI 2016, 19720; Götz, Vermögensverwaltender Familienpool, NWB-EV 2013, 224; Götz, Postmortale Korrektur letztwilliger Verfügungen, ErbBstg 2014, Sonderdruck; Götz, Widerrufsklauseln in Schenkungsverträgen, NWB 2015, 3097; Götz, Rückgängigmachung von Schenkungen, ZEV 2017, 371; Höne, Bewertung und Besteuerung von vermögensverwaltenden Personengesellschaften, NWB-EV 2020, 339; Kamps, Kettenschenkung (von Grundstücken) zur schenkungsteuerlichen Optimierung, ErbR 2020, 23; Neufang Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen, StBp 2008, 70; Landsittel, Die Erbschaftsteuerreform 2016 im praxisorientierten
1 Zur Systematik vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 21 ErbStG Rz. 4.
326 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1385 Kap. 1
Überblick, ZErb 2016, 383; Müller/Fröhlich, Erbschaftsteuerliche Nachfolgeplanung für Immobilienunternehmen, ErbStB 2010, 14; Korezkij, Neue Erkenntnisse zur Betriebsvermögensnachfolge aus den ErbSt-Hinweisen 2019, DB 2020, 305 ff.; Stalleiken, Update Verwaltungsauffassung zum Unternehmens-Erbschaftsteuerrecht, DB 2019, 87 ff.; Korezkij, ErbStR 2019: Änderungen bei der Betriebsvermögensnachfolge, DStR 2019, 137; Ramb, Gemischte Schenkung und Schenkung unter Auflage, NWB 2012, 138; Reich, ErbStR 2019: Verfassungswidrigkeit des Unternehmenserbschaftsteuerrechts bzw. verfassungskonforme Auslegung durch die Finanzverwaltung?, DStR 2019, 145; Schiffer, Grundstücksschenkung an ein Kind bei anschließender Weiterschenkung als Zuwendung an das Schwiegerkind, NZFam 2014, 335; Söffing, Mittelbare Schenkung bei grundstücksbezogenen Zuwendungen, ZErb 2004, 39; Söffing/Thoma, Grundstücksübertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, ErbStB 2004, 20; Stahl, Die Abzinsung bei zinslosen Kapitalforderungen im Privatvermögen in Einkommen- und Schenkungsteuer, DStR 2018, 2605; Tölle, Erbschaftsteuerliche Optimierung durch Pflichtteilsgestaltung, NWB 2013, 227; Volland, Steuerliche Gestaltung bei der Nachfolge in Immobilien durch mittelbare Grundstücksschenkung, ZEV 2019, 68.
1. Vollentgeltliche Rechtsgeschäfte Einem Kaufvertrag mit einem fremden Dritten wird in aller Regel ein vollentgeltli- 1.1382 ches Rechtsgeschäft zugrunde liegen. Bei Kaufverträgen unter nahestehenden Personen prüft die Finanzverwaltung verstärkt, ob Leistung und Gegenleistung einander wertmäßig entsprechen. Wenn die nahestehenden Personen ausdrücklich vereinbaren, dass der Leistungsaustausch nach kaufmännischen Grundsätzen erfolgt, ohne dass die verwandtschaftlichen Beziehungen eine Rolle bei der Wertbemessung gespielt hätten, muss dies auch der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn Leistung und Gegenleistung nicht erheblich voneinander abweichen. Donatio non praesumitur1! Ab einer Wertdifferenz von mehr als 20 % zwischen dem vereinbarten Preis und dem Wert der Sache wird eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 ErbStG vermutet. Die in einem Kaufvertrag vereinbarte Stundung des Kaufpreises bis zu einem Jahr 1.1383 stellt keine freigebige Zuwendung dar. Eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann regelmäßig auch nicht allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Grundstücksverkäufer im Kaufvertrag die Kaufpreisschuld des Grundstückskäufers über den Zeitpunkt der Grundstücksübergabe und des Übergangs der Nutzungen und Lasten des Grundstückes hinaus zinslos gestundet hat. 2. Unentgeltliche und teilentgeltliche Rechtsgeschäfte Das Zivilrecht unterscheidet zwischen der reinen Schenkung, der Auflagenschenkung und der gemischten Schenkung2.
1.1384
a) Reine Schenkung Gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG sind der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grund- 1.1385 stücksschenkungen unter Lebenden von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Die 1 Wacke, AcP 191 (1991), 1 (31). 2 Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 1 Rz. 38 ff.
Wälzholz 327
Kap. 1 Rz. 1.1385 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Vorschrift bezweckt, dass ein Erwerb nicht zugleich mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer einerseits und zusätzlich mit Grunderwerbsteuer andererseits belastet werden soll. Allerdings gibt es dennoch Fälle einer Doppelbelastung. Gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG ist nur der Grundstückserwerb durch Erbanfall von der Grunderwerbsteuer befreit, der Erwerb von Gesellschaftsanteilen hingegen nur eingeschränkt.1 Sofern der Erbe bereits Mitgesellschafter war und durch den Erbfall sich mindestens 95 % aller Gesellschaftsanteile in der Hand des Erben vereinigen, so ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt. Hier kommt es de facto zu einer teilweisen Doppelbelastung2, allerdings nur hinsichtlich der bereits vorher gehaltenen Anteile, nicht hingegen bzgl. der unentgeltlich hinzuerworbenen Anteile. b) Auflagenschenkung
1.1386 Beispiel: Die 50-jährige Ehefrau F errichtet im Jahr 2022 mit ihrem Ehemann M und ihrer Tochter T eine vermögensverwaltende KG, in die sie ihr Mietshaus (Baujahr 1950) im Steuerwert (= Verkehrswert) von 3 Mio. Euro einbringt. Alle drei Gesellschafter sind nach der Einbringung mit je 1/3 beteiligt. Die Nettomieteinnahme beträgt jährlich 165 000 t, wobei die pauschalisierten Bewirtschaftungskosten gem. Anlage 23 BewG i.H.v. 21 % bereits berücksichtigt sind.
1.1387 Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. 1.1388 Aufgrund der Streichung des § 25 ErbStG durch die Erbschaftsteuerreform 2009 führt der Nießbrauch nicht mehr zu einer Stundung der auf den Nießbrauch entfallenden Erbschaftsteuer, sondern zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage, so dass die gem. § 14 ErbStG angeordnete Zusammenrechnung von Schenkungen im Zehn-Jahres-Zeitraum eine turnusmäßige steuerfreie Übertragung im Zehn-Jahres-Zyklus unter Abzug der Nießbrauchslast erlaubt. 1.1389 Nach Maßgabe der Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG3 errechnet sich der Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung bei einem Multiplikator, der sich wie folgt berechnet: 15,739 < 84,62 % 18,6 Die Bemessungsgrundlage für die Schenkung beträgt 15,38 % aus 3 Mio. Euro = 461.452 t. Auf den Ehemann und den Sohn entfallen je 1/3, also 153.817 t. Die 1 Siehe BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793; Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018 – IV C 7 - S 4505/07/10001:002, DStR 2018, 2211; s. dazu auch BFH v. 22.2.2017 – II R 52/14, BStBl. II 2017, 653; zur Erbauseinandersetzung BFH v. 25.11.2015 – II R 35/14, BStBl. II 2016, 234. 2 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793; Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Ländererlasse v. 19.9.2018 – IV C 7 - S 4505/07/10001:002, DStR 2018, 2211. 3 Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 1.1.2022, BMF v. 4.10.2021 – IV C 7 S 3104/19/10001:006, DOK 2021/0863034, ZEV 2021, 792.
328 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1394 Kap. 1
Schenkung bleibt aufgrund der Schenkungsteuerfreibeträge von 500.000 t bzw. 400.000 t schenkungsteuerfrei. Selbst bei der Einbringung eines Objektes im Wert von 6 Mio. Euro bliebe die Schenkung an den Ehemann und das Kind schenkungsteuerfrei. Systematischer und einfacher lässt sich das gleiche Ergebnis rechnerisch erzielen, indem der Wert der Nutzungen auf den 18,6ten Teil des gemeinen Wertes begrenzt wird (= 161.290 Euro) und dieser Wert dann mit dem Kapitalisierungsfaktor von derzeit 15,739 multipliziert wird. So errechnet sich der Wert des Nießbrauchs (= 2.538.548 Euro), der dann vom Wert der verschenkten Sache abgezogen werden kann.1
1.1390
Hinweis: dar2.
Im BeiDer kapitalisierte Nießbrauch stellt eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung spielsfall bleibt die Übertragung gem. § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Zu Wohnzwecken vermietete Räume werden gem. § 13d ErbStG nur mit 90 % ihres Werts angesetzt, somit mit 2,7 Mio. Euro, wobei auch der Nießbrauchwert anteilig um 10 % auf 422.010 t gekürzt wird.
1.1391
Einstweilen frei. c) Gemischte Schenkung
1.1392
Beispielsvariante: Anstelle der Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauches verpflichtet sich die Tochter zur Zahlung einer lebenslangen Leibrente mit einem Jahreswert von 161.000 Euro.
Die Vereinbarung einer Leibrente stellt einkommensteuerlich und schenkungsteuerlich eine Gegenleistung dar, was somit zu einer gemischten Schenkung führt. Die Bereicherung wird in der Weise ermittelt, in dem vom Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden3. Sofern an Stelle eines Nießbrauchs die bezeichnete Leibrente vereinbart würde, müss- 1.1393 te die Tochter für ihren 1/3-Anteil jährlich 53.666 t an die Mutter entrichten, so dass unter Zugrundelegung des für eine 50-Jährige geltenden Multiplikators von 15,739 die kapitalisierte Leibrente den gleichen Wert hätte wie der obige Nießbrauch. Die Begrenzung auf den 18,6ten Teil des Sachwertes nach § 16 BewG spielt hier keine Rolle und ist hier nicht anwendbar, da es sich nicht um Nutzungen handelt, sondern um Zahlungspflichten. Durch das JStG 2008 wurde § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG in der Weise geändert, dass die 1.1394 von den Kindern an die Eltern erbrachten Versorgungsleistungen nur noch zum Sonderausgabenabzug führen, wenn gem. Buchst. a und b Betriebsvermögen oder gem.
1 Siehe auch Schur/Schur, ZEV 2020, 317. 2 Vgl. FinMin. Baden-Württemberg, DStR 2009, 856. 3 Mannek, ZEV 2012, 6; Schuck in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 7 ErbStG Rz. 50.
Wälzholz 329
Kap. 1 Rz. 1.1394 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Buchst. c ein mindestens 50 % betragender GmbH-Anteil übertragen wird. Das gesamte steuerliche Privatvermögen, insbesondere also alle im steuerlichen Privatvermögen befindlichen Immobilien und GmbH-Anteile unter 50 % wurden aus dem Sonderausgabenabzug eliminiert1. Die einkommensteuerlichen Folgen der bei einer vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten Leibrente bei nicht begünstigtem Vermögen sind katastrophal, wie dieses Beispiel zeigt. Unterstellt man, dass die Tochter als Single jährlich 25.000 t netto verdient, ergibt sich für die Tochter T folgende Liquiditätsbetrachtung: Vereinfachte Liquiditätsberechnung (ohne ESt-Progression) Überschuss nach Rentenzahlung u. Erhaltungsaufwendungen ./. 48.000,– ./. 16.200
Werbungskosten 60.000 1) Erhaltungsaufwendungen Anh. 23 BewG 27 %
16.200
2) Zinsanteil Rente 30 % aus 48.000
64.200
./. 64.200 § 22 Nr. 1 Satz 3 a) bb) EStG
Summe
./. 4.200 3) AfA § 11d EStDV nach Ablauf von 50 Jahren
14.400 0
4) AfA aus kapitalisierter Rente 48.000 ./. 14.400 =
33.600
33.600 × 15,693 (50-jährige Frau) =
527.284
davon entfällt auf Gebäudeanteil geschätzt 1/2
263.642
2 % AfA
5.272
Summe
35.872
5) Einkommensteuer aus (60.000 ./. 35.872) =
24.128
3.696
Unterdeckung 4.200 3.696 7.896
1 Kritisch hierzu Spiegelberger, DStR 2010, 1822 und 1880. Die Gesetzesänderung hat das über 100-jährige Rechtsinstitut der vorweggenommenen Erbfolge schwer beschädigt. Die Gesetzesinitiative ging vom Finanzministerium Nordrhein-Westfalen aus. Die dort zuständige Referentin Killat/Risthaus hat die eingetretenen Rechtsfolgen nachträglich selbst bedauert, vgl. DB 2010, 803 (811) und die Rückkehr zu dem vor den 1.1.2008 geltenden Recht empfohlen.
330 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1395 Kap. 1
Die Grundtabelle ergibt eine Einkommensteuerbelastung von 25 358 t jährlich, so dass die vorweggenommene Erbfolge scheitert. Amann1 hat zutreffend als einzigen Ausweg die Vereinbarung eines Quotennießbrauchsrechts als Gestaltungsalternative empfohlen. Gleichwohl hat der BFH die Versagung von Versorgungsleistungen bei Übertragung von privatem Grundbesitz und damit die Ansicht der Finanzverwaltung bestätigt.2 d) Die Behandlung des Pflichtteils in der Erbschaftsteuer Literatur: Doering-Striening/Horn, Der Übergang von Pflichtteilsansprüchen von Sozialhilfebeziehern, NJW 2013, 1276; Dorn, Möglichkeiten der steuerlichen Beratung nach dem Erbfall: Güterrechtliche Lösung durch Ausschlagung der Erbschaft und Abfindung für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, DStR 2019, 2622; Herrler, Minimierung des Pflichtteils, notar 2010, 92; Kamps, Pflichtteilsanspruch nach Tod des Pflichtteilsverpflichteten – Auswege trotz restriktiver BFH-Rechtsprechung vom 5.2.2020, Stbg 2021, 243; Keim, Pflichtteilsergänzung auch ohne Pflichtteilsrecht im Schenkungszeitpunkt, NJW 2012, 3484; Krüger, Der Pflichtteilsanspruch im Erbschaftsteuerrecht, ZErb 2014, 102; Lange, Der Pflichtteilsanspruch entfernter Berechtigter bei Pflichtteilsverzicht näher Berechtigter, ZEV 2015, 69; Lohr/Görges, Die Behandlung des Pflichtteils in der Erbschaftsteuer, DStR 2011, 1939; Paus, Aktuelle Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Pflichtteilsansprüchen, ErbStB 2017, 12; Roth, Erbauseinandersetzung und Pflichtteilsanspruch im Erbschaftsteuerrecht, RNotZ 2013, 193; Sagmeister, Pflichtteilsrechtliche und erbschaftsteuerliche Probleme bei trans-/postmortalen Vollmachten, MittBayNot 2013, 107; Schneider/Klöpping, Pflichtteilsansprüche als Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen der generationenübergreifenden Nachfolgeplanung, UVR 2020 S. 253; Schuck, Berücksichtigung von Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 ErbStG und „wirtschaftliche Belastung“, FS für Spiegelberger (2009), S. 409; Schotten, Wirkungen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des Verzichtenden einerseits und dritter Personen andererseits, RNotZ 2015, 412; Stretz, Vorweggenommene Erbfolge unter Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen, MittBayNot 2013, 23; Wälzholz, Aktuelle Gestaltungsprobleme im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht – Insbesondere bei der Testamentsgestaltung, MittBayNot 2014, 417; Zehentmeier, Mit Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen die Nachfolge gut regeln, NWB 2018 S. 483.
1.1395
Beispiel: Aufgrund eines Berliner Testaments ging das Einfamilienhaus des V auf seine Ehefrau M als Gesamtrechtsnachfolgerin im Jahr 1994 über; die Tochter T machte keinen Pflichtteilsanspruch geltend. Im Jahr 2022 überträgt M im Wege der vorweggenommenen Erbfolge das Anwesen auf ihre Tochter T. Da der Schenkungsteuerfreibetrag i.H.v. 400.000 t im Verhältnis von M zu T zur Schenkungsteuerfreiheit nicht ausreicht, rät Notar N der Tochter T, den verjährten Pflichtteilsanspruch nach dem Vater V aus dem Jahre 1994 geltend zu machen. M stimmt dieser Regelung zu. Das Finanzamt will den Pflichtteilsanspruch der T nach V wegen Verjährung nicht anerkennen. Wenn tatsächlich nachträglich der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden könne, sei die zinslose Stundung eine zusätzliche Schenkung.
1 Amann in FS für Spiegelberger (2009), 1161. 2 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, DStR 2022, 28. Siehe auch Geck, ZEV 2022, 128 ff.
Wälzholz 331
Kap. 1 Rz. 1.1395 Steuerorientierte Immobilienübertragung
V† 1994 M
2017 T
1.1396 Gemäß § 2303 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers den Pflichtteil verlangen, wenn er von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Der zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch ist aber erst steuerpflichtig, wenn er entweder geltend gemacht wurde oder für den Verzicht auf Geltendmachung oder für das Unterlassen der Geltendmachung eine Abfindung entrichtet wird. Nach Eintritt der Verjährung kann der Schuldner, also der überlebende Elternteil, auf die Einrede der Verjährung verzichten. Eine Zustimmung des Finanzamtes ist hierzu nicht erforderlich, so dass bei einem Verzicht auf die Verjährungseinrede der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden kann1; er ist wegen Verjährung allerdings erst mit tatsächlicher Erfüllung steuerlich zu berücksichtigen. 1.1397 Erbschaftsteuerlich ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nur der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch steuerbar, so dass in dem vorgenannten Beispiel ein zu versteuernder Pflichtteilsanspruch erst durch die Geltendmachung und den Verzicht auf die Einrede im Jahre 2014 entstanden ist. Nur dann, wenn für die Unterlassung der Geltendmachung oder für den Verzicht auf Geltendmachung eine Abfindung verein1 Muscheler, ZEV 2001, 377 (383); Kugelmüller-Pugh in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 15 ErbStG Rz. 75; Wälzholz in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 3 ErbStG Rz. 152; eine Pflichtteilsverbindlichkeit, die erst geraume Zeit (im Entscheidungsfall sechs Jahre) nach dem Erbfall geltend gemacht wird, ist dennoch regelmäßig mit ihrem Nennwert und nicht mit einem abgezinsten Wert abzuziehen, Schuck in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 10 ErbStG Rz. 86; vgl. FG Hamburg v. 5.1.1977 – II 83/75, rkr., EFG 1977, 269.
332 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1398 Kap. 1
bart wird, tritt eine Steuerpflicht gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ein. Weil die Steuer beim Pflichtteilsanspruch erst mit der Geltendmachung bzw. dem Verzicht entsteht (§ 9 ErbStG) ist auch nicht der Freibetrag gegenüber dem vorverstorbenen Vater in Höhe von damals 90.000 DM maßgeblich, sondern der Freibetrag im Jahr 2022 in Höhe von 400.000 Euro. Übersicht: Erbschaftsteuerpflicht bei Pflichtteilsansprüchen
Entstehung des PfTA gem. § 2303 BGB
Versterben
ohne Abfindung nicht steuerbar Unterlassung der Geltendmachung
gegen Abfindung steuerpflichtig gem. § 3 II Nr. 4 ErbStG
Geltendmachung
sofort steuerpflichtig gem. § 3 I Nr. 1 ErbStG
Verzicht auf Geltendmachung
steuerpflichtige Schenkung gem. § 3 II Nr. 4 ErbStG
Geltendmachung trotz Verjährung
steuerpflichtig gem.§ 3 I Nr. 1 ErbStG und rückwirkender Abzug beim Erben
Zeitschiene
Bei zinslos gestundeten geltend gemachten Pflichtteilen wird der Pflichtteilsver- 1.1398 pflichtete durch Gewährung einer unentgeltlichen Nutzung des von ihm geschuldeten Kapitals bereichert. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils wird dabei von der Finanzverwaltung mit 5,5 % der Geldsumme angesetzt (vgl. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 BewG).1 Dies gilt entsprechend bei niedrig verzinslichen Darlehen. Nach der Rechtsprechung des BFH2 ergibt sich der Jahreswert des Nutzungsvorteils regelmäßig aus der Differenz zwischen 5,5 % abzgl. des vereinbarten Zinssatzes. Die Finanzverwaltung beruft sich auf § 13 Abs. 3 Satz 2 BewG, wonach ein anderer Zinssatz als 5,5 % ausdrücklich nicht erlaubt sei3. Angesichts des nach 2010 stark gesunkenen banküblichen Zinsniveaus und im Hinblick auf die Diskussion über Strafzinsen bei Guthaben scheint die Auffassung der Finanzverwaltung überholt, zumal der 1 Siehe zu dem parallelen Problem beim Zugewinnausgleich BFH v. 22.8.2018 – II R 51/15, BStBl. II 2020, 662. 2 BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134 (136). 3 Vgl. Ländererlasse FinMin. BW, BStBl. I 2010, 810.
Wälzholz 333
Kap. 1 Rz. 1.1398 Steuerorientierte Immobilienübertragung
BFH1 in einem anderen Zusammenhang von einer Anpassung des Zinssatzes an die zwischenzeitliche Entwicklung der Marktzinsen ausgeht. Um sich auf niedrigere Zinsen berufen zu können, sind die langfristig gestundeten Forderungen allerdings banküblich zu besichern.2 Achtung! Bei einem noch nicht geltend gemachten Pflichtteil gelten die vorstehenden Grundsätze nicht. Die zinslose Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs stellt keine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung dar.3
IV. Familienheime Literatur: Billig Folgen der neueren Rechtsprechung zur Übertragung eines Familienheims, UVR 2021, 185; Brey/Merz/Neufang Können Immobilien steuerfrei übertragen werden?, BB 2009, 132; Jülicher Neue Gestaltungen rund um das eigengenutzte Familienheim, ZErb 2009, 222; Jülicher, „Begünstigungstransfer“ im ErbStG – Systematik und Vergleich der Vorschriften, ZErb 2017, 5; Knittel, Übertragung des Familienheims: Offene Fragen und Empfehlungen zum Entwurf der ErbStR 2019, ErbStB 2019, 74; Mensch, Steuerliche Auswirkungen der Erbauseinandersetzung bei Vorliegen eines Familienheims oder eines zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücks, ZEV 2016, 75; Meßbacher-Hönsch, Die Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG: Ein großzügiges Geschenk des Gesetzgebers, ZEV 2015, 382; Moench, 10 gutgemeinte Ratschläge zum Umgang mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer in der „Otto-Normal-Familie“, ZEV 2013, 21; Pahlke, Reform der Erbschaftsteuer durch Abbau von Verschonungsregelungen?, ZEV 2015, 377; Reimann, 15 Ratschläge zum Umgang mit dem Familienheim, ZEV 2010, 174; Selbherr, Urteilsanmerkung zu BFH: Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Familienwohnung an längerlebenden Ehegatten, MittBayNot 2015, 531; Tiedtke/Schmitt Die Zuwendung eines Familienheims nach der Erbschaftsteuerreform 2008/2009, NJW 2009, 2632; Tiedtke/ Wälzholz Zuwendung eines Familienwohnheims i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bei teilweiser Fremdvermietung, ZEV 2000, 19; Wachter Vorsicht bei Schenkungen des Familienwohnheims, ZNotP 2020, 97; Wachter, Die Immobilie im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 524; Zehentmeier, Die Schenkung- bzw. Erbschaftsteuerbefreiung beim Erwerb eines Familienheims, NWB 2019, 204.
1. Zuwendungen unter Lebenden gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG
1.1399 Die früher bestehende Regelung zur Begünstigung des Familienheims wurde in der Reform 2009 im Kern beibehalten, aber verbessert4. Nach altem Recht war die Steuerbefreiung nur gegeben, wenn das Objekt entweder ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde5 oder zu der eigenen Wohnnutzung nur unschädliche Nebennutzungen hinzutraten. Sofern neben der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
1 2 3 4 5
BFH v. 22.10.2013 – X R 26/11, DStR 2013, 2677 (2685). Bayerisches Landesamt für Steuern v. 21.3.2018, DStR 2018, 1127. BFH v. 31.3.2010 – II R 22/09, BStBl. II 2010, 806. Zur Rechtsentwicklung s. Schienke-Ohletz in von Oertzen/Loose2, § 13 ErbStG Rz. 29. Vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 13 ErbStG Rz. 65.
334 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1403 Kap. 1
sonstige Nutzungen hinzutraten, entfiel die Begünstigung im Ganzen1. Diese Rechtslage des Alles-oder-Nichts-Prinzips2 wurde inzwischen vom Gesetzgeber korrigiert. Begünstigt sind auch solche Immobilien, die nur teilweise für eigene Wohnzwecke 1.1400 genutzt werden. Allerdings ist die Begünstigung auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Teil beschränkt3 (s. Rz. 4.417 f.). Es bleibt auch dabei, dass keine zahlenmäßige Begrenzung der Objekte besteht; es 1.1401 können also nacheinander mehrere Familienheime bewohnt und begünstigt verschenkt werden. Allerdings gibt es insoweit eine Objektbeschränkung, als jeder Steuerpflichtige zu einem gegebenen Zeitpunkt nur ein Familienheim als Lebensmittelpunkt haben kann.4 Auch eine Wertobergrenze ist nicht gegeben. Zu Recht wird für ein Familienheim gefordert, dass die Begünstigung nur gewährt 1.1402 wird für Objekte, in denen sich „der Mittelpunkt des familiären Lebens“ befindet.5 Zweit-, Wochenend- und Ferienwohnungen können daher nicht steuerfrei übertragen werden6. Ob alle Flurstücke begünstigt sind, wenn sich das als Familienheim genutzte Grundstück auf mehrere Flurstücke im Grundbuch erstreckt, ist weiterhin ungeklärt. Ggf. sollten die Flurstücke vorab im Grundbuch und vermessungstechnisch verschmolzen werden.7 Wenn das einheitlich und vollständig als Familienheim genutzte Haus nach dem WEG in mehrere Einheiten aufgeteilt ist, sollte vorab die WEG-Aufteilung aufgehoben werden, da jede Sondereigentumseinheit eine separate wirtschaftliche Einheit darstellt. Die Gesetzesbegründung8 deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber von einem ge- 1.1403 meinsamen Bewohnen des begünstigten Objekts ausgeht, so dass der Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraumes nur gegeben ist, wenn die Wohnung von mehreren Familienmitgliedern genutzt wird. Bei getrennt lebenden Ehegatten ist zu fordern, dass die Wohnung irgendwann vor der Trennung der Ehegatten von ihnen gemeinsam bewohnt worden ist9. Vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorga-
1 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 18.2.1999 – 4 K 2180/98, ZEV 1999, 244. 2 Diese Gesetzesauslegung durch die Finanzverwaltung war im Übrigen auch früher schon abzulehnen. 3 Vgl. Schumann, DStR 2009, 197 (198). 4 FG München v. 16.6.2021 – 4 K 692/20, ErbR 2022, 179 (Ls.) = ZEV 2021, 668 (Ls.) = EFG 2021, 1741 m. Anm. Welzel = ErbStB 2021, 323 m. Anm. Heinrichshofen = UVR 2021, 365. 5 BFH v. 6.5.2021 – II R 46/19, DStR 2021, 2729 Tz. 16. 6 BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 = DStR 2013, 2389 = ZEV 2013, 688 = DNotZ 2014, 271; Schienke-Ohletz in von Oertzen/Loose2, § 13 ErbStG Rz. 32; Schumann, DStR 2009, 197 (198). 7 Siehe auch zu den verfahrensrechtlichen Implikationen BFH v. 23.2.2021 – II R 29/19, DStR 2021, 1816 m. Anm. Kugelmüller-Pugh. 8 BT-Drucks. 16/11107. 9 Schienke-Ohletz in von Oertzen/Loose, § 13 ErbStG Rz. 33; Schlünder/Geißler, DStR 2006, 260 (261).
Wälzholz 335
Kap. 1 Rz. 1.1403 Steuerorientierte Immobilienübertragung
ben können Familienheime i.S.d. Steuerbefreiungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a, b und c ErbStG und nunmehr bebaute Grundstücke gem. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG sein, die im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind1. Die Zuwendung im Zusammenhang mit einem Familienheim ist nach R E 13.3 der ErbStR 2019 bei folgenden Gestaltungen steuerfrei: 1. Übertragung des Alleineigentums oder Miteigentums an dem einem Ehegatten bereits gehörenden Grundstück, 2. Kauf oder Herstellung aus den Mitteln eines Ehegatten unter Einräumung einer Miteigentümerstellung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners, 3. Anschaffung oder Herstellung (ganz oder teilweise) durch einen Ehegatten aus Mitteln, die allein oder überwiegend vom anderen, zuwendenden Ehegatten stammen (mittelbare Grundstückszuwendung), 4. Tilgung eines im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims von einem oder beiden Ehegatten aufgenommenen Darlehens aus Mitteln des zuwendenden Ehegatten, 5. Befreiung von einer Schuld des einen Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Herstellung des Familienheims gegenüber dem anderen Ehegatten eingegangen wurde, 6. Begleichung nachträglicher Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen am Familienheim aus Mitteln eines Ehegatten, wenn der andere Ehegatte Eigentümer oder Miteigentümer ist. Da eine Grundstücksschenkung mit der Beurkundung der Auflassung ausgeführt ist, kann ein Familienheim auch noch zu Lebzeiten auf dem Sterbebett an den Ehegatten steuerfrei verschenkt werden und so die zehnjährige Haltefrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG vermieden werden. Eine lebzeitige Zuwendung des Familienheims an Abkömmlinge ist nach dem Gesetz nicht begünstigt. 2. Erwerb von Todes wegen durch Ehegatten/Lebenspartner gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG
1.1404 In der Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/11107 ist ausgeführt: „Die Regelung zur Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner entspricht im Übrigen dem geltenden Recht einer Steuerbefreiung für die lebzeitige Zuwendung eines Familienheims unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG.“
1 Vgl. Bauer/Wartenburger, MittBayNot 2009, 85 (86).
336 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1404 Kap. 1
Wegen des verwendeten Begriffs „Familienheim“ und der Gesetzesbegründung schließt die Finanzverwaltung Zweit-, Ferien- und Wochenendhäuser von der Begünstigung aus1. Abweichend von der lebzeitigen Übertragung verlangt der Gesetzgeber, dass der Erwerber die Wohnung zehn Jahre nach dem Erwerb selbst nutzt (zum Nachsteuervorbehalt s. Rz. 4.419). War der Erblasser aus dringenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bis zum Erbfall gehindert, so wird die Steuerbefreiung dennoch gewährt. Die Steuerbefreiung fällt jedoch insgesamt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert2. Das Gesetz trifft selbst keine Aussage, wie der zwingende Grund definiert ist. Auch die Überlassung des Familienheims innerhalb der zehnjährigen Haltefrist an Abkömmlinge unter Nießbrauchsvorbehalt ist nach wenig überzeugender Ansicht des BFH begünstigungsschädlich, selbst wenn der Schenker die Immobilie weiterhin als Lebensmittelpunkt nutzt.3 Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist. Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert.4 Übernimmt der Ehegatte als Miterbe das Familienheim zum Alleineigentum und bestimmt es unverzüglich zum Lebensmittelpunkt, so erhält er allein die Begünstigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Die Finanzverwaltung fordert insoweit eine Erbauseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten ab dem Todesfall. Dies einschränkende Auslegung findet jedoch keine Grundlage im Gesetz.5 Die Zuwendung eines Nießbrauchs oder Wohnungsrechtes an den längerlebenden Ehegatten erfüllt die Anforderungen für die Steuerbefreiung nicht, sondern nur der Erwerb des Eigentums selbst6; der Erblasser muss vor seinem Ableben bereits Eigentümer des Familienheims gewesen sein.7 Aufgrund dieser restriktiven Auslegung des Gesetzes ist auch strittig, ob ein Familienheim im Gesamthandseigentum einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 1 Schienke-Ohletz in von Oertzen/Loose2, § 13 ErbStG Rz. 36; Schumann, DStR 2009, 199; vgl. auch BFH v. 18.7.2013 – II R 35/11, BStBl. II 2013, 1051 = DStR 2013, 2389 = ZEV 2013, 688 = DNotZ 2014, 271, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. 2 Vgl. Bauer/Wartenburger, MittBayNot 2009, 87. 3 BFH v. 11.7.2019 – II R 38/16, ZEV 2020, 57 (m. Anm. Geck) = DStR 2019, 2520 = NJW 2019, 3805 = BStBl. II 2020, 314. 4 BFH v. 6.5.2021 – II R 46/19, NJW 2021, 3743. 5 BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13; anders hingegen gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 3.3.2016, BStBl. I 2016, 280 = DStR 2016, 814 = DB 2016, 925. 6 BFH v. 3.6.2014 – II R 45/12, BStBl. II 2014, 806. 7 BFH v. 29.11.2017 – II R 14/16, BStBl. II 2018, 362.
Wälzholz 337
Kap. 1 Rz. 1.1404 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Nr. 4b/c ErbStG erfüllen kann. M.E. ist diese Frage im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG zu bejahen. In der Rechtsprechung ist diese Frage noch nicht entschieden.
Übertragung von Familienheimen unter Ehegatten
zu Lebzeiten
von Todes wegen
• keine Behaltensfrist • keine Wertbegrenzung • kein Objektverbrauch
• Selbstnutzung 10 Jahre • keine Wertbegrenzung • faktisch nur ein Objekt
3. Erwerb von Todes wegen durch Kinder/Enkel gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG
1.1405 Die Regelung entspricht in ihrer Grundstruktur derjenigen für Ehegatten und Lebenspartner, enthält aber eine Größenbegrenzung der Wohnfläche auf maximal 200 qm, so dass der über diese Wohnfläche hinausgehende Teil des Familienwohnheims steuerpflichtig bleibt. Der Erblasser muss die Wohnung bis zum Erbfall zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben oder aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert gewesen sein. Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung beziehen, es sei denn, dass zwingende Gründe für die Aufgabe der Selbstnutzung vorliegen1 (s. auch Rz. 4.420). V. Wohnungsunternehmen Literatur: Cölln, ErbStR 2011: Die Behandlung von Immobilienunternehmen, ZEV 2012, 133; FinMinBayern, Erl. v. 12.7.2010, 34-S 3812b-001-27200/10, Vorliegen eines Wohnungsunternehmens nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1d ErbStG, ZEV 2010, 432; Ivens, Wohnungsunternehmen als begünstigtes Vermögen nach § 13b ErbStG, DStR 2010, 2168; Königer, Die
1 Schienke-Ohletz in von Oertzen/Loose2, § 13 ErbStG Rz. 42; Schumann, DStR 2009, 197 (200).
338 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1408 Kap. 1
steuerliche Vorteilhaftigkeit von Wohnungsunternehmen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. d ErbStG – eine quantitative Betrachtung, BB 2014, 601; Milatz/Wiemann, Privilegiert § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2d ErbStG nur Eigenbesitz? – Erfüllt die Beteiligung an Personengesellschaften, die Grundbesitz verwalten, die Voraussetzungen eines Wohnungsunternehmens?, BB 2020, 1114; Möhrle/Gerber, Wohnungsunternehmen im ErbStG, DB 2011, 903; Reich, Das neue Unternehmenserbschaftsteuerrecht, BB 2016, 2647; Saecker/Gelhaar, Das erbschaftsteuerlich begünstigte Wohnungsunternehmen, NWB 2020, 3427; Scharfenberg/K. Dorn Wann liegt denn nun ein Wohnungsunternehmen im erbschaftsteuerlichen Sinne vor?, DStR 2021, 2881; Wachter, Steuerliche Verschonung des Erwerbs von vermieteten Wohnimmobilien, ZEV 2015, 266; Von Oertzen/Hübner, Behandlung vermögensverwaltender Tochtergesellschaften bei Wohnungsunternehmen in Sinne des ErbStG, DStR 2020, 2586 ff.
1.1406
Beispiel: Bauträger X will den Wohnungsbestand, der bisher nicht verkäuflich war und vermietet wurde, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf Abkömmlinge übertragen.
Gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d ErbStG unterliegen Wohnungsunternehmen den 1.1407 Begünstigungen gem. §§ 13a und 13b ErbStG, wenn die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen i.S.d. § 181 Abs. 9 BewG besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) erfordert. Neben den gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung, nämlich – Betriebsvermögen, – Hauptzweck in der Vermietung von Wohnungen und – Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs hat die Finanzverwaltung weitere Kriterien in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 genannt. Gemäß RE 13b.17 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019 ist die Nichtbeanstandungsgrenze ein 1.1408 Bestand von mehr als 300 eigenen Wohnungen. Der BFH1 hat diese Auslegung der Finanzverwaltung hingegen abgelehnt, was diese wiederum nicht befolgt. Der BFH legt ertragsteuerliche Maßstäbe an, so dass nach diesen die Grenzen der Vermögensverwaltung überschritten sein müssen. Ein Wohnungsunternehmen i.S.d. BFH erfordert daher völlig unabhängig von der Anzahl der Objekte, dass die Gesellschaft neben der Vermietung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten.2 Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kann auch von einer anderen Gesellschaft ausgeübt werden. Der Kriterienkatalog der ErbStR 2019 für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt folgende Einzelheiten auf:
1 BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018, 358. 2 BFH v. 24.10.2017 – II R 44/15, BStBl. II 2018, 358.
Wälzholz 339
Kap. 1 Rz. 1.1408 Steuerorientierte Immobilienübertragung
– Umfang der Geschäfte, – Unterhalten eines Büros, – Buchführung zur Gewinnermittlung, – umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte, – Bewertung der Tätigkeit, – Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber.
1.1409 Differenziert wird in RE 13b.17 ErbStR zwischen Grundstücken, die zu Wohnzwecken und solchen, die zu gewerblichen Zwecken vermietet werden. Der Hauptzweck der Wohnungsvermietung ist erfüllt bei folgender Formel: Summe Grundbesitzwerte der zu Wohn- . 50 % der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke zwecken vermieteten Grundstücke
1.1410 In dem Beispielsfall ist die Steuervergünstigung für Wohnungsunternehmen nicht erreichbar, da der Hauptzweck eines Bauträgerunternehmens nicht die Wohnungsvermietung ist. Die Begünstigungsnorm käme erst nach der vorherigen Ausgliederung des vermieteten Wohnungsbestandes aus dem Bauträgerunternehmen in ein gesondertes Wohnungsunternehmen in Betracht. Die in den Richtlinien genannte Nichtbeanstandungsgrenze von 300 Wohnungen wird in der Literatur zu Recht beanstandet1. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein Wohnungsunternehmen 300-EinZimmer-Appartements oder 150 Wohnungen, bestehend aus mehreren Räumen, vermietet. Ungeklärt ist bisher die Frage, ob bei der Beurteilung eines sog. Wohnungsunternehmens nur eigene Immobilien der wirtschaftlichen Einheit zu berücksichtigen sind oder auch fremde. Die Finanzverwaltung vertritt insoweit auch in den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019, R E 13b.17 die Ansicht, dass lediglich die Vermietung eigenen Grundbesitzes begünstigungsfähig sei. Zutreffend ist insoweit sicherlich, dass die Anmietung von Wohnungen und Weitervermietung hierbei nicht bei der Objektanzahl oder dem Ausmaß der Tätigkeit eines Wohnungsunternehmens Berücksichtigung finden wird. Demgegenüber vertreten Milatz/Wiemann2 die Auffassung, dass auch solche Grundstücke und solcher Grundbesitz zu erfassen sei, der von Personengesellschaften vermietet werde, an denen das Wohnungsunternehmen beteiligt sei, selbst wenn diese Personengesellschaften eine reine Vermögensverwaltung betreiben. Zu dieser Frage hat sich im Jahre 2020 die Bayerische Finanzverwaltung sehr streng positioniert. Das Bayerische Landesamt für Steuern3 hält daran fest, dass ab 300 eigenen Wohnungen regelmäßig von einem Wohnungsunternehmen auszugehen ist. Bei der Prüfung der Grenze von 300 Wohnungen sei dabei ausdrücklich nur auf die eigenen Wohnungen des jeweiligen Unternehmens bzw. der jewei-
1 Von Cölln, ZEV 2012, 133 (136). 2 Milatz/Wiemann, BB 2020, 1114 ff. 3 Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern v. 8.7.2020, DB 2020, 1600 f.
340 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1410 Kap. 1
ligen Gesellschaft abzustellen. Die über Bruchteilsgemeinschaften oder vermögensverwaltende Gesellschaften gehaltenen Anteile an Wohnungen sollen hingegen nicht mit einzubeziehen sein. Dies gilt insbesondere für Wohnungen in gewerblichen oder nicht gewerblichen Schwester- oder Tochtergesellschaften innerhalb eines Konzerns entsprechend. Erfüllt das jeweilige Unternehmen bzw. die Gesellschaft die 300-Wohnungsgrenze mit eigenen Wohnungen, so sind die über Bruchteilsgemeinschaften oder vermögensverwaltende Gesellschaften gehaltenen Anteile an Wohnungen nicht in die Rückausnahme des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2d ErbStG einzubeziehen. Dabei soll es sich insoweit um Verwaltungsvermögen handeln. Diese Auslegung ist nicht überzeugend, sondern allein von der Sorge vor Missbrauchsgestaltungen getrieben. VI. Verschonungsregelung für Betriebsvermögen gem. §§ 13a und 13b i.V.m. § 19a ErbStG Literatur: Altendorf/Köcher, Nießbrauch an (mitunternehmerischem) Personengesellschaftsanteil, GmbH-StB 2013, 13; Clausnitzer, Schenkungsteuerliche Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte – Anmerkung zur aktuellen Rechtsprechung des BFH, DStR 2021, 2439; Crezelius, Erbschaftsteuerreform 2016: ein rechtssystematischer Überblick, ZEF 2016, 541; Geck, Erbschaftsteuer und Sonderbetriebsvermögen, kösdi 2022, 22569; Geck, Erbschaftsteuerreform 2016: Die neuen Voraussetzungen der Verschonung von Unternehmensvermögen unter Einschluss der Nachsteuertatbestände, ZEV 2016, 546; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken im Hinblick auf den Quotennießbrauch bei Mitunternehmeranteilen?, ZEF 2013, 430; Hannes, Erbschaftsteuerreform 2016: Neuregelungen zur Bewertung und zum Umfang der Verschonung, ZEV 2016, 554; Holtz, Erbschaftsteuerreform 2016 – Das neue Verschonungssystem für Unternehmensvermögen, NJW 2016, 3750; Jehle/Löcherbach/Viskorf, Die Erbschaftsteuerreform 2016 – Ein erster Überblick, DStR 2016, 2425; Kleinert/Geuß, Schenkung einer mitunternehmerischen Beteiligung unter Vorbehalt oder Zuwendung eines (Quoten-)Nießbrauchs, DStR 2013, 288; Korezkij, Begünstigungen für Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer: Überblick über aktuelle Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen, DStR 2021, 2561; Korezkij, Begünstigungen für Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer: Aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen, DStR 2021, 145; Korezkij, Neuer Verwaltungsvermögentest im Konzern aus der Sicht eines Rechtsanwenders – Der Weg vom begünstigungsfähigen zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 2 bis 10 ErbStG, DStR 2016, 2434; Kotzenberg/Jülicher, Erbschaftsteuerreform: Die gesetzlichen Neuregelungen für die Unternehmensnachfolge, GmbHR 2016, 1135; Landsittel, Die Erbschaftsteuerreform 2016 im praxisorientierten Überblick, ZErb 2016, 383; Loose, Verschonung des Betriebsvermögens bei der ErbSt und SchenkSt: Berücksichtigung des Abzugsbetrags, DB 2021, 1641; Mannek, Die wesentlichen Änderungen durch die Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 im Überblick, ZEV 2012, 6; Müller/Dorn, §§ 13 a, 13 b ErbStG bei Schenkung von Sonderbetriebsvermögen, NWB 2021, 631; Oppel, Ende gut, alles gut? Überblick über die Neuregelung der sachlichen Steuerbefreiungen für Unternehmensvermögen im ErbStG, SteuK 2016, 469; Pauli, Die Bewertung von unternehmensverbundenen Immobilien, ZEV 2011, 277; Reich, Gestaltungen im neuen Unternehmenserbschaftsteuerrecht, DStR 2016, 2447; Reich/Heynen, Erbschaftsteuerreform 2016 – Das vorläufige Ende einer Hängepartie, BB 2017, 22; Riedel, Bewertung anhand anderer „anerkannter“ und „üblicher“ Methoden i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 2, 3. Alt. BewG, ZErb 2013, 161; Riedel, „Verschonungskonzepte“ für Unternehmensvermögen nach dem ErbStG 2016, ZErb 2016, 371; Schothöfer, Die Kosten der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Gesellschaftsanteilen,
Wälzholz 341
Kap. 1 Rz. 1.1411 Steuerorientierte Immobilienübertragung GmbHR 2011, 1139; Schulze zur Wiesche, Erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung des Sonderbetriebsvermögens, DStZ 2021, 408; Seer/Michalowsky, Die erbschaftsteuerliche Behandlung des Unternehmensvermögens nach neuem Recht – unkalkulierbar und nach wie vor im verfassungsrechtlichen Fokus!, GmbHR 2017, 609; Spiegelberger, Unternehmensvermögen in der Erbschaftsteuer, GmbHR 2012, R225; Spiegelberger, Die Zukunft der Erbschaftsteuer nach dem ErbSt-Urt. des BVerfG vom 17.12.2014, ZErb 2015, 229; Viskorf/Löcherbach/ Jehle, Erbschaftsteuerreform 2016 – Ein erster Überblick, DStR 2016, 2425; Wächter, Unternehmensnachfolge 2017: Anwendungsfragen des neuen ErbStG, GmbHR 2017, 1; Wälzholz, Die Poolabrede i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 ErbStG in der notariellen Praxis, MittBayNot 2013, 281; Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen der Erbschaftsteuer in der notariellen Praxis, DNotZ 2016, 779; Wartenburger, Erbschaftsteuerreform 2016, MittBayNot 2017, 220; Watrin/Linnemann, Steuerplanung der Unternehmensnachfolge nach neuem Recht, DStR 2017, 569; Wollny, Vereinfachtes Ertragswertverfahren – Anmerkungen zur Verletzung der Steueräquivalenz, DStR 2012, 1356.
1. Erbschaftsteuerreform 2016 a) Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014
1.1411 Aufgrund einer Vorlage des BFH1 hat das BVerfG nur die betrieblichen Vergünstigungen gem. § 13a, § 13b i.V.m. § 19 Abs. 1 ErbStG beanstandet. 1.1412 Mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.11.20162 hat der Gesetzgeber eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Klein- und Mittelbetrieben einerseits und dem sog. Großerwerb andererseits gezogen3. Bei Klein- und Mittelbetrieben wurde die bisherige Begünstigung von Betriebsvermögen im Wesentlichen bestätigt, insbesondere die 85%ige Minderung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer bei der Regelverschonung und auch die völlige Erbschaftsteuerfreiheit bei der Optionsverschonung. Dabei sind auch die bisherigen Laufzeiten bei der Regelverschonung für fünf Jahre und bei der Optionsverschonung mit sieben Jahren geblieben. Geändert wurde im Wesentlichen nur Folgendes: b) Verwaltungsvermögen
1.1413 Die Grenzen des Verwaltungsvermögenstests entfallen für die Regelverschonung, so dass Verwaltungsvermögen grundsätzlich wie Privatvermögen versteuert wird und dadurch zu einer erheblichen Steuererhöhung auch bei Klein- und Mittelbetrieben führt. Unschädliches Verwaltungsvermögen ist gem. § 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG nur noch der Teil des Verwaltungsvermögens, der 10 % des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Wert des Betriebsvermögens nicht übersteigt (unschädliches Verwaltungsvermögen).
1 BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899. 2 BStBl. I 2016, 1202. 3 Hierzu Stalleiken in von Oertzen/Loose2, § 13a ErbStG Rz. 27 ff.
342 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1415 Kap. 1
Für die Optionsverschonung ist gem. § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG Voraussetzung, dass das begünstigungsfähige Vermögen nach § 13b Abs. 1 nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 besteht. Dabei bestimmt sich der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Unternehmens nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (d.h. Brutto-Verwaltungsvermögen ohne Schuldenkürzung1) zum Unternehmenswert nach §§ 151, 157 BewG. c) Lohnsummenregelung Die bisherige Lohnsummenregelung für Betriebe mit über 20 Arbeitnehmern wurde 1.1414 vom BVerfG beanstandet. Die neue Lohnsummenregelung lautet folgendermaßen: Betriebe mit … Beschäftigten 6 bis 10 11 bis 15 . 15
Mindestlohnsumme für Regelverschonung 250 % 300 % 400 %
Mindestlohnsumme für Optionsverschonung 500 % 565 % 700 %
d) Familienunternehmen Für den Erwerb von Anteilen an Familienunternehmen, die durch Entnahmen-, Aus- 1.1415 schüttungs- und Verfügungsbeschränkungen geprägt sind, wird ein Vorab-Abschlag von max. 30 % geschaffen. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen müssen mindestens zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Entstehung der Steuer bestehen, § 13a Abs. 9 ErbStG. Die vorstehende Vergünstigung ist an folgende Voraussetzungen gebunden:2 – Die Entnahme oder Ausschüttung ist auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt. – Die Verfügung über die Beteiligung/den Anteil ist auf Mitgesellschafter, Angehörige i.S.d. § 15 AO oder auf Familienstiftungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beschränkt. – Für den Ausscheidungsfall ist eine Abfindung unter dem gemeinen Wert der Beteiligung/des Anteils vorgesehen. Die Höhe des Abschlags entspricht der in dem Gesellschaftsvertrag oder der in der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht übersteigen.
1 R E 13a.21 Abs. 3 ErbStR 2019. 2 Siehe dazu R E 13a.20 ErbStR 2019 sowie Weber, DStZ 2016, 13; Steger/Königer, BB 2016, 3099.
Wälzholz 343
Kap. 1 Rz. 1.1416 Steuerorientierte Immobilienübertragung
e) Großerwerb
1.1416 Überschreitet der Erwerb die Grenze von 26 Mio. Euro (sog. Großerwerb), kann der Erwerber zwischen zwei Verschonungsmodellen wählen: – Bei dem Abschmelzungsmodell wird der Verschonungsabschlag gem. § 13c Abs. 1 ErbStG von grundsätzlich 85 % bzw. 100 % mit zunehmender Höhe reduziert und endet bei einem Erwerb von 90 Mio. Euro. – Anstelle des Verschonungsabschlags gem. § 13c ErbStG kann der Steuerpflichtige gem. § 28a ErbStG eine Verschonungsbedarfsprüfung beantragen. – Bei diesem Erlassmodell wird die Steuer ganz oder teilweise erlassen, wenn der Erwerber die Steuer nicht aus seinem verfügbaren Vermögen begleichen kann. Dieser Steuererlass ist auch bei einem Erwerb von mehr als 90 Mio. Euro möglich. f) Stundung
1.1417 In jedem Fall kann eine Steuerstundung gem. § 28 ErbStG bis zu sieben Jahre beantragt werden, wobei der erste Jahresbetrag bis ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer zinslos gestundet werden kann. 2. Regelverschonung
1.1418 Für den Fall der Betriebsfortführung auf die Dauer von fünf bzw. sieben Jahre hat der Gesetzgeber in §§ 13a und 13b i.V.m. § 19a ErbStG eine weitgehende Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer angeordnet1. 1.1419 Zur Unternehmenskontinuität gehört auch die frühzeitige Einbindung des Unternehmensnachfolgers durch Beteiligung am Unternehmen oder durch Unternehmensübertragung. Die vorweggenommene Erbfolge bietet erhebliche Erbschaftsteuerminderungen, die im Zehn-Jahres-Zyklus gem. § 14 ErbStG durchgeführt werden können. Beispiel: Unternehmer U, 65 Jahre alt, will sein Unternehmen auf einen Abkömmling übertragen, wobei der Steuerberater das begünstigte Betriebsvermögen mit 2,8 Mio. Euro nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren gem. § 199 BewG ermittelt hat. Das Verwaltungsvermögen beträgt weniger als 10 % und zählt damit zum begünstigungsfähigen Vermögen.
1 Zu einer Übersicht über die Erbschaftsteuervergünstigungen für Betriebe in benachbarten EU-Staaten vgl. Spiegelberger, GmbHR 2012, R 225.
344 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1422 Kap. 1
1.1420
Regelverschonung Unternehmensbewertung: 5-jährige Betriebsfortführung Unternehmenswert – Verschonungsabschlag (85 %)
2.800.000 € 2.380.000 €
= nicht begünstigtes Betriebsvermögen
420.000 €
– Abzugsbetrag 50 % des die Wertgrenze von 150.000 € übersteigenden Betrags Abschmelzung Abzugsbetrag → 420.000 € – 150.000 € davon 50 % Verbleibender Abzugsbetrag → 150.000 € – 135.000€ = zu versteuernder Wert des Betriebsvermögens Kindesfreibetrag in Höhe von Differenz sofort zu entrichtende Steuer in Höhe von 7%
15.000 €
270.000 € 135.000 € 15.000 € 405.000 € 400.000 € 5.000 € 350 €
Unter Ansatz des Schenkungsteuerfreibetrages i.H.v. 400.000 t gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 1.1421 ErbStG entsteht nur eine Schenkungsteuer i.H.v. 350 t, wobei noch keine Versorgungsleistungen zugunsten des Übergebers angesetzt sind. Versorgungszahlungen werden kapitalisiert als Gegenleistung berücksichtigt, so dass das steuerfreie Übertragungsvolumen sich noch erheblich erhöhen würde. 3. Optionsverschonung Bei einer Option auf eine siebenjährige Betriebsfortführung wird das gesamte Be- 1.1422 triebsvermögen schenkungsteuerfrei übergeben, wenn die nachfolgend aufgeführten Kriterien erfüllt werden.
Wälzholz 345
Kap. 1 Rz. 1.1422 Steuerorientierte Immobilienübertragung Zusammenfassung der Begünstigungsregelungen und Voraussetzungen für deren Gewährung Gesetzliche Regelung
Regelverschonung (Grundmodell)
Optionsverschonung (Optionsmodell)
1. Verschonungsabschlag
85 %
100 % bis zu 10 % begünstigt
2. Verwaltungsvermögen
mehr als 90 % steuerschädlich 400 % in 5 Jahren
mehr als 20 % steuerschädlich 700 % in 7 Jahren
bei 11 bis 15 Arbeitnehmern
300 %
565 %
bei 6 bis 10 Arbeitnehmern
250 %
500 %
bis zu 5 Arbeitnehmer
keine Lohnsummenkontrolle
3. Behaltensfrist
5 Jahre
7 Jahre
zulässige Entnahmen
erwirtschaftete Gewinne, Ausschüttungen und Einlagen in der Behaltensfrist + zusätzliche 150.000 a
Die Optionsverschonung setzt einen unwiderruflichen Antrag voraus. Unklar und strittig ist, bis zu welchem spätesten Zeitpunkt der Antrag zu stellen ist.1 Wird die 20 %-Grenze des Verwaltungsvermögens für alle gleichzeitig erworbenen Wirtschaftseinheiten überschritten, so geht der Antrag ins Leere. Der Antrag kann nach Ansicht der Finanzverwaltung für alle gleichzeitig erworbenen Wirtschaftseinheiten nur einheitlich gestellt werden. 4. Das Ende der Cash-GmbH Literatur: Korezkij, Verwaltungsvermögentest nach dem ErbStG: Neue Spielregeln, Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge, DStR 2013, 1764; Mannek, Erweiterung des Verwaltungsvermögens auf Finanzmittel, ErbStB 2013, 343.
1.1423 Das Ziel der Erbschaftsteuerreform 2009 war, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu begünstigen und Betriebe, die überwiegend Verwaltungsvermögen aufweisen, aus der Erbschaftsteuerbegünstigung auszunehmen.
1 Siehe BFH v. 5.3.2020 – II B 99/18, BFH/NV 2020, 852; großzügiger hingegen die Finanzverwaltung in R E 13a.21 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2019 – bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft.
346 Wälzholz
H. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Rz. 1.1425 Kap. 1
§ 13b Abs. 2 ErbStG enthält umfangreiche Abgrenzungen, wonach sogar verpachte- 1.1424 te Grundstücke grundsätzlich Verwaltungsvermögen darstellen.1 Die Zuordnung von Geld- und vergleichbaren Finanzmitteln war im Erbschaftsteuergesetz nicht ausdrücklich geregelt. Kühne Praktiker sahen in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 RE 13b.172 eine Legitimation für eine Cash-GmbH, die regelmäßig einen Pseudobetrieb darstellt. Ein leerer GmbH-Mantel und eingezahltes Bargeld weisen keinerlei betriebliche Strukturen auf, so dass die Konzeption der gewerblichen Prägung von Bargeld durch eine GmbH-Gründung nur dem Ziel diente, umfangreiche Barmittel schenkungsteuerfrei auf die nachrückende Generation zu übertragen3. Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung der Regelung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a 1.1425 ErbStG a.F. einer den Intentionen der Erbschaftsteuerreform 2009 widersprechenden Gesetzesauslegung das Ende bereitet4; danach stellen Finanzmittel Verwaltungsvermögen dar, wenn der Wert des nach Abzug der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen 15 % des Betriebsvermögens oder der Gesellschaft übersteigt5. Gestaltungshinweis: Trotz dieser gesetzlichen Präzisierungen ist es wohl weiterhin möglich, eine vermögensverwaltende GmbH mit einem brachliegenden, nicht vermieteten Bauplatzgrundgrundstück auszustatten und diese GmbH dann unter Nutzung der Betriebsvermögensbegünstigungen zu übertragen. Denn schädlich sind nach dem klaren Wortlaut nur Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, nicht aber ungenutzte. Ob dies ein Fall des § 42 AO ist, ist bisher noch ungeklärt, aber nicht ausgeschlossen. Absichern lassen sich derartige Gestaltungen durch Steuerklauseln, also ein bedingtes Rückforderungsrecht.
1 BFH v. 16.3.2021 – II R 3/19, BFH/NV 2021, 1280 = DStR 2021, 1924; v. 23.2.2021 – II R 26/18, BFH/NV 2021, 1285 = DStR 2021, 1753; v. 2.12.2020 – II R 22/18, DStR 2021, 1359. 2 BStBl. I 2011, Sondernr. 1, 2, 44. 3 Siehe hierzu Stalleiken in von Oertzen/Loose2, § 13a ErbStG Rz. 177. 4 Stalleiken in von Oertzen/Loose2, § 13b ErbStG Rz. 181. 5 Näher Stalleiken in von Oertzen/Loose2, § 13b ErbStG Rz. 186 ff.
Wälzholz 347
Kap. 1 Rz. 1.1426 Steuerorientierte Immobilienübertragung
5. Berechnungsschema zur Ermittlung des Wertes des begünstigten Vermögens
1.1426 Nach Jehle/Löcherbach/Viskorf, DStR 2016, 2425 Gemeiner Wert des begünstigungsfähigen Vermögens ./. Nettowert des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 6 ErbStG) Gemeiner Wert des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 3 i.V.m. Abs. 9 ErbStG) – Begünstigte Finanzmittel (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG inkl. „junge Finanzmittel“) – Sonstiges Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG inkl. „junges Verwaltungsvermögen“) – Unter Aussonderung von Vermögen zur Absicherung von Altersversorgungsverpflichtungen (§ 13b Abs. 3 ErbStG) ./. Abzug anteiliger Schulden (§ 13b Abs. 6 Satz 2 ErbStG) = Nettowert des Verwaltungsvermögens (mindestens der Wert der jungen Finanzmittel/des jungen Verwaltungsvermögens, § 13b Abs. 8 Satz 3 ErbStG) ./. Unschädliches Verwaltungsvermögen (§ 13 Abs. 7 ErbStG, ggf. 0 t) = Wert des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG)
J. Bewertungsrecht I. Bewertung von steuerlichem Privatvermögen Gesetzliche Regelungen: Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14.7.2021 (BGBl. I 2021, 2805) Literatur: Bauer/Wartenburger, Nähere Entwicklungen im Bereich des reformierten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechtes, MittBayNot 2010, 175 und 435; Behringer, Ertragswertverfahren zur Bewertung von Immobilien: Umsetzung an einem Praxisfall, BC 2013, 442; Brüggemann, Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes für Grundstücke gem. § 198 BewG, ErbStBg 2013, 1; Drosdzol, Ist die bewertungsrechtliche Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen noch zeitgemäß?, ZEV 2013, 176; Eisele, Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung: Verkehrswertnachweis nach dem ErbStRG, ZEV 2009, 451; Eisele, Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung NWB 2011, 127; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen, notar 2015, 144; Fürwentsches, Übertragung von Privatvermögen nach neuem Erbschaftsteuerrecht, NWB 2009, 1098; Goetze, Der lebzeitige Nießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens im Steuerrecht, RNotZ 2013, 147; Grootens, Praxisfragen zur Öffnungsklausel des § 198 BewG, ErbStB 2013, 287; Halaczinsky, Ausgewählte Fragen der Bewertung für Erbschaft-/Schenkungsteuerzwecke, UVR 2018, 339; Halaczinsky in FS für Spiegelberger (2009), Grundstücksbewertung im Erbschaftsteuerrecht, S. 187; Halaczinsky, Erwerbe durch und von Stiftungen; Tendenzen in der erbschaftsteuerlichen Rechtsprechung, ZErb 2015, 193; Jardin, Die Immobilienwertermittlungsverordnung, NWB-EV 2010, 268; Mannek/Roscher, Die Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZNotP 2010, 455; Michael, Immobilienübertragung, notar 2016, 332; Roth, Kosten eines Im-
348 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1431 Kap. 1
mobiliengutachtens in der Erbrechtspraxis – wer zahlt? NJW-Spezial 2012, Heft 18, S. 551; Siebing, Zur Frage des Besteuerungszeitpunktes bei der vorweggenommenen Erbfolge, FS für Spiegelberger (2009), 415; Spieker, Ermittlung der „fiktiven Steuerlast“ beim Zugewinnausgleich – Erstreckung auf alle Vermögensgegenstände?, NZFam 2015, 394; Stöckel, Die Grundstücksbewertung von Wohngrundstücken, NWB 2009, 3053; H.U. Viskorf, Neueste Rechtsentwicklungen an der Grenzlinie zwischen Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 GrEStG), FS für Spiegelberger (2009), 518; Wälzholz, Aktuelle Gestaltungsprobleme im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht – Insbesondere bei der Testamentgestaltung, MittBayNot 2014, 417; Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen der Erbschaftsteuer in der notariellen Praxis, DNotZ 2016, 779; Wachter, Die Immobilie im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), S. 524; Werner, Die Unterbeteiligung als Instrument der Unternehmensnachfolge, ZEV 2015, 194; Ziegler/Königer, Die steueroptimale Umstrukturierung von vermögensverwaltenden Personengesellschaften für Zwecke der Erbschaftsteuer, ZEV 2011, 618.
1. Missbrauchsbegrenzung Literatur: Haas, Die neuen Regelungen zur Begünstigung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ZAP 2017, 83; Hannes, Erbschaftsteuerreform 2016: Neuregelungen zur Bewertung und zum Umfang der Verschonung, ZEF 2016, 554; Herbst, Das neue Erbschaftsteuerrecht: Erste Praxisbeispiele und erste Zweifelsfragen zur Ermittlung des begünstigten Vermögens, ErbStB 2016, 347; Heurung/Buhrandt/Gilson, Verhältnismäßigkeit der Bewertungsverfahren in der Erbschaftsteuerreform, ZErb 2016, 396; Kirschstein, Berechnungen zur Ermittlung des steuerpflichtigen Betriebsvermögens gem. §§ 13a, b ErbStG nach der Erbschaftsteuerreform, ErbStB 2017, 148; Korezkij, Neuer Verwaltungsvermögenstest im Konzern aus der Sicht eines Rechtsanwenders – Der Weg vom begünstigungsfähigen zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 2–10 ErbStG, DStR 2016, 2434; Lorenz, Wann ist der Substanzwert i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Mindestwert zu berücksichtigen?, DStR 2016, 2453; von Oertzen/Reich, Neues Risiko für Kunstsammlung des Unternehmers durch die Unternehmenserbschaftsteuerreform, BB 2016, 356; Piltz, Die Schuldenfalle bei begünstigtem Vermögen im ErbStG, ZEF 2017, 255; Wälzholz, Der Abschlag für Familienunternehmen nach § 13a Abs. 9 ErbStG, GmbH-StB 2017, 54; Weber, Der Vorab-Abschlag für Familienunternehmen nach dem ErbStRefG 2016 – eine Regelung mit Tücken, DStZ 2017, 13; Willmann/Kosner, Kunstgegenstände als Steuerobjekt in der Substanzsteuer, BB 2013, 1309.
Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken 1.1427 und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände sind nicht mehr als Betriebsvermögen begünstigt, § 13b Abs. 4 ErbStG. Gleiches gilt für Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke. Einstweilen frei.
1.1428–1.1430
2. Grundstücksbewertung Die Vorgaben, die das BVerfG mit Beschluss vom 7.11.2006 für die Bewertung aufge- 1.1431 stellt hat, wurden oben unter Rz. 1.1361 bereits dargestellt.
Wälzholz 349
Kap. 1 Rz. 1.1432 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Unbebaute Grundstücke
1.1432 Gemäß § 179 BewG bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach dem Bodenrichtwert gem. § 196 BauGB. Die Gutachterausschüsse sind aufgrund der Änderung des § 196 BauGB verpflichtet, flächendeckend Bodenrichtwerte auch für – baureifes Land, – Bauerwartungsland, – Rohbauland und – land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen zu ermitteln.
1.1433 Es sind Richtwertzonen zu bilden. Ferner müssen die beeinflussenden Merkmale des Bodenrichtwert-Grundstücks und Umrechnungskoeffizienten, z.B. bei einem unterschiedlichen Maß der baulichen Nutzung, ermittelt und veröffentlicht werden. Der Bodenrichtwert ist durch Zu- oder Abschläge anzupassen, wenn lagetypische Merkmale des Bewertungsobjektes von dem Bodenrichtwertgrundstück abweichen, also insbesondere bei – abweichender Geschossflächenzahl, – abweichender Grundstücksgröße oder -tiefe, – Frei- und Verkehrsflächen und – abweichendem erschließungsbeitragsrechtlichen Zustand.
1.1434 Andere wertbeeinflussende Faktoren, wie z.B. Lärm-, Staub- oder Geruchsbelästigung bleiben außer Ansatz. Damit weicht der Gesetzgeber von der Handhabung in § 145 Abs. 3 BewG ab, wonach pauschal für diese Wertbeeinträchtigungen ein Abschlag von 20 % vom Bodenrichtwert vorgenommen wurde. Da die von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte nur Durchschnittswerte darstellen, also innerhalb der jeweiligen Richtwertzone unterschiedliche Verkehrswerte bestehen, ist die einheitliche Fixierung auf den Bodenrichtwert ohne jeden Abschlag eine gesetzgeberische Fehlleistung, die regelmäßig zu Auseinandersetzungen führen wird. Der Steuerpflichtige kann zwar gem. § 198 BewG den niedrigeren gemeinen Wert nachweisen1, muss aber die Gutachterkosten selbst tragen, so dass in vielen Fällen die Duldung eines überhöhten Bodenrichtwertes das geringere Übel darstellt.
1 BFH v. 14.10.2020 – II R 7/18, BStBl. II 2021, 665; Lorenz, Wahlrecht des Steuerpflichtigen beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts von Grundvermögen nach § 198 BewG, ZEV 2020, 474.
350 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1435 Kap. 1
4. Bebaute Grundstücke Gemäß § 182 Abs. 1 BewG ist der Wert der bebauten Grundstücke nach – dem Vergleichswertverfahren (§§ 182 Abs. 2 und 183 BewG), – dem Ertragswertverfahren (§§ 182 Abs. 3 und 184–188 BewG) oder – dem Sachwertverfahren (§§ 182 Abs. 4 und 189–191 BewG) zu ermitteln. Grundlage ist insoweit die ImmoWertV1. Die Zuordnung der einzelnen Immobilien zu den genannten Bewertungsverfahren zeigt folgende Grafik2:
§ 182 BewG Bewertungsverfahren
VergleichsWertverfahren
ErtragsWertverfahren
Wohnungs-/ Teileigentum
Mietwohngrundstück
Ein-/Zweifamilienhaus
Geschäftsgrundstück Gemischt genutztes Grundstück
Sachwertverfahren
Wohnungs-/ Teileigentum ohne Vergleichswert Ein-/Zweifamilienhaus ohne Vergleichswert Geschäftsgrundstück bzw. gemischt genutztes Grundstück ohne übliche Miete
Sonstige bebaute Grundstücke
1 Vgl. Perleberg-Kölbel/Kuckenburg, FuR 2022, 128; Tremel, ZEV 2007, 365. 2 Nach Mannek in Stenger/Loose2, § 182 BewG Rz. 8.
Wälzholz 351
1.1435
Kap. 1 Rz. 1.1436 Steuerorientierte Immobilienübertragung
a) Vergleichswertverfahren
1.1436 Gemäß § 182 Abs. 2 BewG sind – Wohnungseigentum, – Teileigentum sowie – Ein- und Zweifamilienhäuser grundsätzlich mit dem Vergleichswertverfahren zu bewerten. Gemäß § 183 Abs. 1 BewG sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen.
1.1437 Anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke können gem. § 183 Abs. 2 BewG von den Gutachterausschüssen zu ermittelnde Vergleichsfaktoren herangezogen werden. Im Vergleichswertverfahren nach den Abs. 1 und 2 sind den Wert beeinflussende Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art nicht zu berücksichtigen, so dass der Steuerpflichtige den niedrigeren Verkehrswert gem. § 198 BewG wiederum nur auf eigene Kosten nachweisen kann. Gestaltungshinweis: Vergleichswertfaktoren werden von immer mehr Gutachterausschüssen festgestellt. Dies führt angesichts der Marktwertentwicklungen der letzten Jahre zu erheblichen Wertsteigerungen. In der Praxis wird man daher versuchen, das Vergleichswertverfahren zu vermeiden. Soll beispielsweise ein nach dem WEG aufgeteiltes, aber insgesamt im Alleineigentum stehendes Mehrfamilienhaus-Grundstück verschenkt werden, so empfiehlt es sich, vor der Schenkung die Aufteilung nach dem WEG aufzuheben. Dann kommt das Ertragswertverfahren zur Anwendung. Gleiches gilt, wenn das Mehrfamilienhaus auf mehrere Kinder übertragen werden soll. Sofern erst Miteigentumsanteile verschenkt werden und die Aufteilung nach dem WEG nach der Schenkung erfolgt, so lassen sich auf diese Weise wesentliche Wertminderungen erreichen. b) Ertragswertverfahren
1.1438 Im Ertragswertverfahren sind Mietwohngrundstücke zu bewerten, ferner Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Der Bodenwert ist der Wert der unbebauten Grundstücke nach § 179 BewG. Der Bodenwert und der Gebäudeertragswert ergeben den Ertragswert des Grundstücks. Bei der Ermittlung des Gebäudeertragswertes ist von dem Reinertrag des Grundstückes auszugehen, wobei die übliche Miete anzusetzen ist, wenn die tatsächlichen Erträge davon um mehr als 20 % abweichen.1
1 Siehe BFH v. 5.12.2019 – II R 41/16, BStBl. II 2020, 741 – zur Ermittlung der Art der Abweichung.
352 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1441 Kap. 1
Von dem Rohertrag sind die Bewirtschaftungskosten abzuziehen, wobei nicht die 1.1439 tatsächlich anfallenden Kosten, sondern die von den Gutachterausschüssen zur Verfügung gestellten Erfahrungssätze Anwendung finden. Andernfalls ist von pauschalierten Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum Bewertungsgesetz auszugehen. Der verbleibende Betrag ist der Reinertrag des Grundstücks. Von diesem Reinertrag ist eine angemessene Bodenwertverzinsung abzuziehen. Der 1.1440 Liegenschaftszinssatz ist der von den Gutachterausschüssen zu ermittelnde örtliche Liegenschaftszins1. Soweit diese nicht zur Verfügung stehen, was selten der Fall sein dürfte, gelten gem. § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG folgende Zinssätze: – 5 % für Mietwohngrundstücke, – 5,5 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, – 6 % für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche und – 6,5 % für Geschäftsgrundstücke. Der Gebäudereinertrag ist gem. § 185 Abs. 3 BewG mit dem sich aus der Anlage 21 1.1441 zum Bewertungsgesetz ergebenden Vervielfältiger zu kapitalisieren, wobei sich der Vervielfältiger aus der Restnutzungsdauer des Gebäudes ergibt. Die Restnutzungsdauer wird grundsätzlich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer, die sich aus der Anlage 22 zum Bewertungsgesetz ergibt, und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag ermittelt. Die Summe des so ermittelten Gebäudeertragswertes und des Bodenwertes ergibt den Grundstückswert.
1 Siehe BFH v. 18.9.2019 – II R 13/16, BStBl. II 2020, 760.
Wälzholz 353
Kap. 1 Rz. 1.1441 Steuerorientierte Immobilienübertragung
Übersicht: Bewertungsschema: Ertragswertverfahren Bewertungsschema Ertragswertverfahren
Jahresmiete bzw. übliche Miete ./. Bewirtschaftungskosten = Reinertrag des Grundstücks ./. Bodenwertverzinsung (Bodenwert × Liegenschaftszinssatz) = Gebäudereinertrag § 190 Abs. 4 BewG
Bodenrichtwert (ggf. angepasster Bodenrichtwert) ×
× Vervielfältiger
Grundstücksfläche = Bodenwert
= +
Gebäudeertragswert
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ = Grundstückswert (ggf. Nachweis des niedrigeren Werts, § 198 BewG)
354 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1444 Kap. 1
c) Sachwertverfahren Gemäß § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG sind Wohnungseigentum, Teileigentum, Ein- und 1.1442 Zweifamilienhäuser, wenn ein Vergleichswert nicht vorliegt, mit dem Sachwertverfahren zu bewerten, ebenso Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt, sowie sonstige bebaute Grundstücke. aa) Wertermittlung Nach § 189 Abs. 1 BewG ist bei dem Sachwertverfahren der Gebäudesachwert ge- 1.1443 trennt vom Bodenwert nach § 190 BewG zu ermitteln. – § 190 BewG n.F. wurde durch das Steueränderungsgesetz 20151 geändert und an 1.1444 die Regelungen der Sachwertrichtlinie2 angepasst. Die Vorschrift enthält die Regelungen zur Ermittlung des beim Sachwertverfahren maßgeblichen Gebäudesachwerts und gilt für Bewertungsstichtage ab 1.1.2016 (vgl. § 205 Abs. 10 BewG). – Der Gebäudesachwert ergibt sich aus der Multiplikation der Regelherstellungskosten mit dem maßgebenden Baupreisindex3 und der Brutto-Grundfläche des Gebäudes, vermindert um die im Endergebnis auf maximal 70 % begrenzte Alterswertminderung4.
1 Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834. 2 Gesetz v. 5.9.2012, BAnz AT v. 18.10.2012. 3 Siehe BMF-Schreiben betr. Ermittlung des Gebäudesachwerts nach § 259 BewG v. 11.2.2022 – IV C 7 - S 3266/22/10001:001, BStBl. I 2022, 182. 4 Mannek in Stenger/Loose2, § 190 n.F. BewG Rz. 3.
Wälzholz 355
Kap. 1 Rz. 1.1445 Steuerorientierte Immobilienübertragung
1.1445 Übersicht: Bewertungsschema Sachwertverfahren
Bewertungsschema Sachwertverfahren
Regelherstellungskosten § 190 Abs. 1 Anl. 24 BewG × Baupreisindex § 190 Abs. 1 u. 2 BewG × Brutto-Grundfläche § 190 Abs. 1 Anl. 24 BewG = Gebäuderegelherstellungswert § 190 Abs. 1 Anl. 24 BewG
Bodenrichtwert § 179 BewG ×
./. Alterswertminderung § 190 Abs. 4 BewG
Grundstücksfläche =
= Gebäudesachwert § 190 Abs. 1 u. 4 BewG (mind. 30 %)
Bodenwert §§ 179, 189 Abs. 2 BewG
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ Vorläufiger Sachwert (§ 189 Abs. 3 BewG) × Wertzahl (§ 189 Abs. 3, § 191 BewG) = Sachwert = Grundbesitzwert (§ 189 Abs. 3 BewG)
1.1446 Einstweilen frei. 356 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1449 Kap. 1
bb) Praxishinweis Bei einem Streit mit dem Finanzamt über den Verkehrswert kommt ein – kostspie- 1.1447 liges – Sachverständigengutachten zur Feststellung des niedrigeren gemeinen Werts gem. § 198 BewG in Betracht.1 Dabei muss abgewogen werden, ob die Kosten des Sachverständigen (evtl. mehrerer!) die aus der unberechtigten Höherbewertung folgende Steuerbelastung nicht übersteigen. Die Gutachterkosten können steuerlich wohl nur dann bereicherungsmindernd geltend gemacht werden, wenn sie bereits im Rahmen der Feststellungserklärung anfallen, nicht aber im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens.2 Das Vergleichswertverfahren ist bei der erbschaftsteuerlichen Immobilienbewertung 1.1448 bebauter Grundstücke anzuwenden, wenn zwischen den Vergleichsgrundstücken und dem Bewertungsobjekt in allen wertrelevanten Merkmalen eine hinreichende Übereinstimmung besteht. Fälle mit heterogenen Grundstücksqualitäten verhindern dagegen regelmäßig einen direkten Vergleich (unterschiedlicher Bauzustand und unterschiedliche bauliche Ausstattung der Gebäude)3. Die Bewertung nach dem Sachwertverfahren kann vermieden werden, wenn das zu bewertende Wohnhaus zwei oder mehrere abgeschlossene Wohnungen aufweist. Bei der Aufteilung in Wohnungseigentum kommt die Bewertung nach dem Vergleichswertverfahren mit den üblichen Quadratmeterwerten, die vom Gutachterausschuss zur Verfügung gestellt werden, in Betracht. Wenn die Gutachterausschüsse Umrechnungskoeffizienten für abweichende Wohnflächen zur Verfügung stellen, ist die weitergehende Anwendung des Vergleichswertverfahrens anhand dieser Koeffizienten zu prüfen. Eisele4 diskutiert ein zusammenfassendes Beispiel aus dem Landesgrundstücksmarktbericht RheinlandPfalz 2009, 121. 5. Bewertung von Erbbaurechten und Erbbaugrundstücken Sofern gem. §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 BewG keine Vergleichswerte für den Wert des 1.1449 Erbbaurechts und des Erbbaugrundstücks vorliegen, ist gem. Abs. 3 dieser Bestim-
1 BFH v. 14.10.2020 – II R 7/18, BStBl. II 2021, 665; v. 16.9.2020 – II R 1/18, BStBl. II 2021, 594; Lorenz, ZEV 2020, 474. 2 Siehe Halaczinsky in Rössler/Troll, § 198 BewG Rz. 40; H E 10.7. ErbStH 2019 „2.4 Kosten eines Gutachtens für die Ermittlung des gemeinen Wertes beim Grundbesitz, beim Betriebsvermögen oder bei nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften: Die Kosten sind im vollen Umfang abzugsfähig unabhängig davon, ob sie im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe der Feststellungserklärung angefallen sind oder erst in einem sich an die Wertfeststellung anschließenden Rechtsbehelfsverfahren, einem finanzgerichtlichen Verfahren oder einem Verfahren, in dem die Änderung der Wertfeststellung beantragt wird, angefallen sind. Sie unterliegen nicht der Kürzung nach § 10 Absatz 6 ErbStG.“; BFH v. 19.6.2013 – II R 20/12, BStBl. II 2013, 738. 3 Vgl. Eisele, NWB 2011, 127 (129). 4 Eisele, NWB 2011, 127 (131).
Wälzholz 357
Kap. 1 Rz. 1.1449 Steuerorientierte Immobilienübertragung
mung der jeweilige Bodenwertanteil und gem. Abs. 4 der Gebäudewertanteil zu ermitteln (im Einzelnen s. Rz. 5.213 ff.).
1.1450 Einstweilen frei. II. Land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen Literatur: Ländererlasse: Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer in Fällen der Nutzungsüberlassung vom 4.12.2014, BStBl. I 2014.1577; Halaczinsky, Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, ErbStB 2009, 130; Halaczinsky, Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Betriebsvermögen, ErbStB 2012, 175; Halaczinsky, Bewertung verpachteter LuF-Betriebe, ErbStB 2014, 13; Hutmacher, Erbschaftsteuerreform: Einzelheiten zur Bewertung und Verschonung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, ZNotP 2008, 218; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Ermittlung des Wirtschaftswertes, des Mindestwertes und des Fortführungswertes, NWB 2012, 1768; Krause, Grundbesitzbewertung von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft – Betriebswohnungen/Wohnteil, Nachbewertungsvorbehalt und Reinvestition des Veräußerungserlöses, NWB 2014, 271; Stahl, Bewertung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht – Reform-Entwurf 2008, KÖSDI 2008, 16069.
1. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft
1.1451 Durch das „Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts“1 wurde ein 6. Abschnitt in das Bewertungsgesetz eingefügt, der die Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer enthält. Diese Regelung gilt auch für land- und forstwirtschaftliches Vermögen. 1.1452 Gemäß § 160 BewG umfasst der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft – den Wirtschaftsteil, – die Betriebswohnungen und – den Wohnteil.
1.1453 Dies entspricht auch der früheren Betrachtung. Zu beachten ist, dass damit der bewertungsrechtliche Begriff von der einkommensteuerlichen Beurteilung abweicht: Während der Wohnteil des Landwirts spätestens seit 31.12.1998 einkommensteuerlich notwendiges Privatvermögen darstellt, zählt der Wohnteil bewertungsrechtlich zum Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Wie bisher sind die Betriebswohnung und auch der Wohnteil des Betriebsinhabers nach den Grundsätzen des Grundvermögens zu bewerten. Bei einer engen räumlichen Verbindung von Wohnraum mit dem Betrieb ist der Wert des Wohnteils und der Wert der Betriebswohnungen um 15 % gem. § 167 Abs. 3 BewG zu ermäßigen.
1 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
358 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1457 Kap. 1
Gemäß § 160 Abs. 7 BewG gehören auch Stückländereien, die als gesonderte wirt- 1.1454 schaftliche Einheit zu bewerten sind, zum Betrieb einer Land- und Forstwirtschaft. Stückländereien sind einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewertungsstichtag für mindestens fünfzehn Jahre einem anderen Betrieb der Landund Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören gem. § 158 Abs. 4 BewG:
1.1455
– Grund und Boden sowie Gebäude- und Gebäudeteile, die nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen; – Kleingartenland und Dauerkleingartenland; – Geschäftsguthaben, Wertpapiere und Beteiligungen; – über den normalen Bestand hinausgehende Bestände an umlaufenden Betriebsmitteln; – Tierbestände und damit zusammenhängende Wirtschaftsgüter, wenn die Tiere weder zur landwirtschaftlichen noch zur forstwirtschaftlichen Nutzung gehören; – Geldforderungen und Zahlungsmittel; – Pensionsverpflichtungen. Diese nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zählenden Wirtschaftsgüter werden mit dem gemeinen Wert bewertet. 2. Wirtschaftswert Bei der Ermittlung der jeweiligen Wirtschaftswerte ist von der nachhaltigen Ertrags- 1.1456 fähigkeit land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auszugehen. Ertragsfähigkeit ist der bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung gemeinhin und nachhaltig erzielbare Reingewinn. Gemäß § 163 Abs. 3 BewG bestimmt sich der Reingewinn für die landwirtschaftliche Nutzung nach der Region, der maßgeblichen Nutzungsart (Betriebsform) und der Betriebsgröße nach der europäischen Größeneinheit (EGE). Danach ergeben sich folgende Betriebsgrößenklassen: – Kleinbetriebe von Null bis unter 40 EGE, – Mittelbetriebe von 40 bis 100 EGE, – Großbetriebe über 100 EGE. Der Reingewinn umfasst das ordentliche Ergebnis abzgl. eines angemessenen Lohn- 1.1457 ansatzes für die Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und der nicht entlohnten Arbeitskräfte. Mittels eines typisierenden Reinertragswertverfahrens mit festen Ertragswerten auf der Basis agrarstatistischer Daten für die wichtigsten land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen wird der Reingewinn ermittelt. Wälzholz 359
Kap. 1 Rz. 1.1458 Steuerorientierte Immobilienübertragung
3. Mindestwert
1.1458 Der Mindestwert des Wirtschaftsteils setzt sich aus dem Wert für den Grund und Boden sowie dem Wert der übrigen Wirtschaftsgüter gem. § 164 Abs. 1 BewG zusammen. Der für den Wert des Grund und Bodens zu ermittelnde Pachtpreis pro Hektar (ha) bestimmt sich nach der Nutzung, dem Nutzungsteil und der Nutzungsart des Grund und Bodens. Der Kapitalisierungszinssatz für die übrigen Wirtschaftsgüter (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2–5 BewG i.V.m. § 164 Abs. 5 BewG) beträgt 5,5 % und der Kapitalisierungsfaktor 18,6. 1.1459 Der Mindestwert berücksichtigt, dass die kleineren und mittleren Betriebe im Durchschnitt nur einen geringen oder sogar nur einen negativen Reinertrag erwirtschaften (!)1. Da diese Betriebe jedoch regelmäßig werthaltig sind, ist für steuerliche Zwecke ein Mindestwert anzusetzen2. 4. Ergebnis
1.1460 Nach Hutmacher3 sind bei den landwirtschaftlichen Betrieben durchgängig für sämtliche Regionen und alle Betriebsformen bei den kleineren und mittleren Betriebsgrößen die Werte negativ. Nur bei den größeren Betrieben der Landwirtschaft werden positive Reingewinne ausgewiesen. Pachtpreis und Wert des Besatzkapitals hingegen sind sämtlich positiv. Die Mindestbewertung ist daher die Regelbewertung. 5. Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag
1.1461 Wie bei dem übrigen Betriebsvermögen wird ein Verschonungsabschlag von 85 % gewährt. Bei einem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen von 1 Mio. Euro verbleibt somit nach Anwendung des Verschonungsabschlages ein Wert von 150.000 t, so dass bei Anwendung des Abzugsbetrages von 150.000 t gem. § 13a Abs. 2 ErbStG das zu berücksichtigende land- und forstwirtschaftliche Vermögen Null beträgt. 6. Veräußerung
1.1462 Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder ein Anteil i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG innerhalb eines Zeitraums von fünfzehn Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit abweichend von § 163 und 164 BewG mit dem Liquidationswert gem. § 166 BewG. Dies gilt nicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten ausschließlich zum Erwerb eines anderen Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Anteils i.S.d. § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG verwendet wird, vgl. § 162 Abs. 3 BewG. Ist der
1 Vgl. Hutmacher, ZNotP 2008, 226. 2 Grootens in Stenger/Loose2, § 164 BewG Rz. 6 f. 3 Hutmacher, ZNotP 2008, 226 (228).
360 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1463 Kap. 1
tatsächliche gemeine Wert niedriger als der Liquidationswert i.S.d. § 166 BewG, so ist dieser entsprechend § 198 BewG anzusetzen.1 7. Ertragswertverfahren und Mindestbewertung in Beispielsfällen nach Hutmacher, ZNotP 2008, 218 (229)
1.1463
Beispiele zur Ertrags- und Mindestbewertung des landwirtschaftlichen Vermögens Sachverhalte: Bundesland Region Betriebsform
Beispiel 1
Beispiel 2
Beispiel 3
Beispiel 4
Bayern
NRW
Niedersachsen
Brandenburg
Oberbayern
Köln
Hannover
Brandenburg
Milchvieh
Ackerbau
Veredlung
Pflanzen- und Viehverbund
Beispiele zur Ertrags- und Mindestbewertung des landwirtschaftlichen Vermögens Sachverhalte:
Beispiel 1
Beispiel 2
Beispiel 3
Beispiel 4
Selbstbewirtschaftete Fläche
80 ha
180 ha
60 ha
1.000 ha
davon Eigentum
50 ha
120 ha
50 ha
800 ha
davon Pacht
30 ha
60 ha
10 ha
200 ha
. 100 EGE
. 100 EGE
. 100 EGE
. 100 EGE
Reingewinn/ha LF (Anl. 1 Spalte 4)
144
127
205
63
Pachtpreis/ha LF (Anl. 1 Spalte 5)
215
264
336
221
Besatzkapital/ha LF (Anl. 1 Spalte 6)
229
101
317
161
–
–
–
–
200.000 a
300.000 a
400.000 a
1.000.000 a
Europäische Größeneinheiten (EGE)
gemeiner Wert immaterielle Wirtschaftsgüter betriebliche Verbindlichkeiten
1 BFH v. 30.1.2019 – II R 9/16, BStBl. II 2019, 599.
Wälzholz 361
Kap. 1 Rz. 1.1463 Steuerorientierte Immobilienübertragung Ermittlung des Ertragswerts nach § 163 BewG Eigentumsfläche
50 ha
120 ha
50 ha
800 ha
Reingewinn/ha LF
144 a
127 a
205 a
63 a
7.200 a
15.240 a
10.250 a
50.400 a
18,6
18,6
18,6
18,6
133.920 a
283.464 a
190.650 a
937.440 a
Reingewinn Kapitalisierung mit Faktor Wert Grund und Boden
Ermittlung des Mindestwerts nach § 164 BewG Eigentumsfläche
50 ha
120 ha
50 ha
800 ha
Pachtpreis/ha LF
215 a
264 a
336 a
221 a
10.700 a
31.680 a
16.800 a
176.800 a
18,6
18,6
18,6
18,6
199.950 a
589.248 a
selbstbewirtschaftete Fläche
80 ha
180 ha
60 ha
1.000 ha
Besatzkapital/ha LF
229 a
101 a
317 a
161 a
18.320 a
18.180 a
19.020 a
161.000 a
18,6
18,6
18,6
18,6
Wert Besatzkapital
340.752 a
338.148 a
353.772 a 2.994.600 a
Zwischensumme
540.701 a
927.396 a
666.252 a 6.283.080 a
–
–
– Verbindlichkeiten
200.000 a
300.000 a
400.000 a 1.000.000 a
Mindestwert
340.702 a
627.396 a
266.252 a 5.283.080 a
Pachtwert Kapitalisierung mit Faktor Wert Grund und Boden
Besatzkapital Kapitalisierung mit Faktor
+ Wert der übrigen immateriellen Wirtschaftsgüter
312.480 a 3.288.480 a
–
–
1.1464–1.1469 Einstweilen frei. III. Bewertung von Betriebsvermögen und Kapitalgesellschaftsanteilen Literatur: Drosdzol, Unternehmensbewertung: Die Geltung des § 11 Abs. 2 BewG und des vereinfachten Ertragswertverfahrens für erbschaftsteuerliche Zwecke, DStR 2011, 1258; Gerlach, Kann der Anteil des Kommanditisten an Betriebsvermögen für Zwecke der Erbschaftsteuer negativ sein?, DStR 2010, 309; Kappenberg/Watrin, Internationale Besteuerung von Vermögensnachfolgen, ZEV 2011, 105; Krumm, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln und erbschaftsteuerliche Schenkungsfiktion – Veränderte steuerliche Rahmenbedingungen nach der Erbschaftsteuerreform, NJW 2010, 187; Möller/Kohl, Der steuerliche Substanzwert – Eine unvollständige Umsetzung des gemeinen Wertverständnisses?, BB 2013, 555; Ortheil, Gesetzesentwurf zur Anpassung des ErbStG: Zu erwartende Schwierigkeiten in der steuer-
362 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1471 Kap. 1
lichen Praxis bei der stichtagsbezogenen Ermittlung des Betriebsvermögens, BB 2015, 2263; Pauli, Urteilsanmerkung zu BFH-Urt. v. 16.2.2011 – II R 60/09: Unschädlichkeit aufeinanderfolgender Umwandlungsvorgänge für die Steuervergünstigungen für den Erwerb von Mitunternehmeranteilen, SteuK 2011, 219; Riedel, Bewertung anhand anderer „anerkannter“ und „üblicher“ Methoden i.S.v. § 11 Abs. 2 S. 2, 3. Alt. BewG, ZErb 2013, 161; Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen nach dem Bewertungsgesetz, ZErb 2015, 204; Stalleiken/ Piltz, Gesellschafterfremdfinanzierung in der Erbschaftsteuer: Gravierende Rechtsformunterschiede zwischen GmbH und KG/OHG, ZEV 2011, 67; Steger/Königer, Behaltensregelungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG bei Einbringungs- und Umwandlungsfällen – Eine kritische Analyse der gleichlautenden Erlasse vom 20.11.2013, BB 2014, 2711; Theißen/Stalleiken, Erbschaftsteuer-Bewertungserlass, Teil B: Das vereinfachte Ertragswertverfahren, DStR 2010, 21; Wälzholz, Steuerliche Folgen der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften, notar 2015, 39; Wartenburger, Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen nach der Erbschaftsteuerreform – neuere Entwicklungen, MittBayNot 2011, 197; Willmann/Kosner, Kunstgegenstände als Steuerobjekt in der Substanzsteuer, BB 2013, 1309; Zwirner/Bruckmeier/Mugler, Unternehmensbewertung im Erbschaftsteuerrecht: Handlungsempfehlungen und Modellrechnungen – §§ 199 ff. BewG und IDW S 1 im Vergleich, DStR 2011, 422.
1. Vereinfachtes Ertragswertverfahren Gemäß § 199 Abs. 2 BewG kann der gemeine Wert des Betriebsvermögens gem. § 109 1.1470 BewG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten des Gewerbebetriebs durch ein vereinfachtes Ertragswertverfahren (§ 200 BewG) ermittelt werden, wenn dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. In der Praxis führt dies dazu, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren immer dann zum Regelverfahren wird, wenn entweder die Finanzverwaltung oder der Steuerzahler den Aufwand für die Ermittlung des gemeinen Wertes nach einer gängigen Methode einer Unternehmensbewertung scheuen1. Dies gilt auch für die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Das Recht zur Wahl des Bewertungsverfahrens steht dem Steuerpflichtigen zu.2 Können Wirtschaftsgüter und mit diesen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Schulden aus dem zu bewertenden Unternehmen herausgelöst werden, ohne die eigentliche Unternehmenstätigkeit zu beeinträchtigten (nicht betriebsnotwendiges Verwaltungsvermögen), so werden diese Wirtschaftsgüter und Schulden neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert oder Anteil am gemeinen Wert angesetzt, § 200 Abs. 2 BewG. Somit ist für das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen eine gesonderte Wertermittlung durchzuführen. 2. Betriebsergebnis Zur Ermittlung des Betriebsergebnisses ist von dem Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 1.1471 EStG auszugehen (Ausgangswert); dabei bleiben bei einem Anteil an Betriebsvermögen Ergebnisse aus den Sonderbilanzen und Ergänzungsbilanzen unberücksich1 Mannek in Stenger/Loose2, § 199 BewG Rz. 9. 2 BFH v. 2.12.2020 – II R 5/19, BStBl. II 2022, 15.
Wälzholz 363
Kap. 1 Rz. 1.1471 Steuerorientierte Immobilienübertragung
tigt. Der Ausgangswert ist gem. § 202 Abs. 1 BewG durch Hinzurechnungen und Abzugsbeträge zu korrigieren. Der umfangreiche Katalog des § 202 Abs. 1 BewG hat nach der Gesetzesbegründung den Sinn, solche Vermögensminderungen oder Vermögensmehrungen, die einmalig sind oder jedenfalls den künftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nicht beeinflussen, zu eliminieren1. Soweit in der bisherigen Ergebnisrechnung ein angemessener Unternehmerlohn nicht berücksichtigt wurde, ist dieser von dem Betriebsergebnis abzuziehen, wobei die Höhe des Unternehmerlohns nach der Vergütung bestimmt wird, die eine nichtbeteiligte Geschäftsführung erhalten würde. Zur Abgeltung des Ertragssteueraufwands ist von einem positiven Betriebsergebnis gem. § 202 Abs. 3 BewG eine Minderung von 30 % vorzunehmen. 3. Wertuntergrenze
1.1472 Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzgl. der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzügen (Substanzwert) darf gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht unterschrieben werden; die §§ 99 und 103 BewG sind anzuwenden. Danach sind Betriebsgrundstücke der zu einem Gewerbebetrieb gehörende Grundbesitz, soweit er losgelöst von seiner Zugehörigkeit zum Grundvermögen gehören würde. Gemäß § 99 Abs. 3 BewG sind Betriebsgrundstücke i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 wie Grundvermögen zu bewerten. Seit dem Inkrafttreten des Erbschaftssteuerreformgesetzes2 spielt die Einzelbewertung von Betriebsgrundstücken i.S.v. § 99 BewG nach Maßgabe der Bedarfswerte gem. § 157 Abs. 3 BewG i.V.m. den §§ 158 bis 175 BewG nur noch in Ausnahmefällen eine Rolle. Im Unterschied zur früheren, bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage bestimmt sich nämlich der Wert des Betriebsvermögens, das auch die Betriebsgrundstücke einschließt, grundsätzlich nicht mehr nach der Einzelbewertungsmethode, d.h. nach der Summe der Werte, die für jedes einzelne (in der Steuerbilanz erfasste) positive und negative Wirtschaftsgut anzusetzen sind, sondern dem Grundsatz nach den nach der Gesamtbewertungsmethode zu ermittelnden Ertragswert des Unternehmens. Dieser Ertragswert kann entweder nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. den §§ 199 ff. BewG (Vereinfachtes Ertragswertverfahren) oder auch durch anderes marktübliches Gesamtbewertungsverfahren (z.B. das DCF-Verfahren oder das Verfahren nach IDW S 1) ermittelt werden. Allerdings darf der Substanzwert nicht unterschritten werden. Im Rahmen der Mindestbewertung sind folglich auch die Betriebsgrundstücke nach den Bedarfswerten anzusetzen. 4. Kapitalisierungsfaktor
1.1473 Mit betragsmäßig festgelegten Kapitalisierungsfaktoren beweist der Gesetzgeber regelmäßig seine Inkompetenz. Die Regelung in § 13 Abs. 3 Satz 2 BewG, wonach ein 1 Vgl. BT-Drucks. 16/11107 v. 26.11.2008. 2 Gesetz v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018.
364 Wälzholz
J. Bewertungsrecht
Rz. 1.1473 Kap. 1
anderer Zinssatz als 5,5 % nicht angesetzt werden darf, kann bei Hochzinsphasen vertretbar sein, ist aber zu einem Zeitpunkt, in dem Banken Strafzinsen erheben, eine Zumutung und entbehrt jeder Akzeptanz. Auch die Regelung in § 203 BewG aus dem Jahre 2009 war bereits bei Erlass des Gesetzes überhöht und führte zu einem Kapitalisierungsfaktor von über 18. Der Gesetzgeber hat der Kritik auf breiter Basis Rechnung getragen und den Kapitalisierungsfaktor nunmehr mit 13,75 festgelegt. Auch diese starre Regelung wird zu Recht kritisiert. Im Einzelfall kann es sich daher anbieten, den niedrigeren gemeinen Wert durch Sachverständigengutachten nachzuweisen.1 In diesem Fall gelten auch die Wertverteilungsbestimmungen des § 97 Abs. 1a BewG nicht.2 Der Kapitalisierungsfaktor von 13,75 bei Betriebsvermögen ist immer noch überhöht, insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe. Das Handelsblatt hat in seiner Wochenendausgabe vom 7./8./9.10.2016 folgende EBIT-Multiplikatoren veröffentlicht. EBIT-Multiples
KMU-Multiples
Börsenmultiples
Min
Max
Mittelwert
Bau & Handwerk
3,4
5,1
10,6
Chemie & Kunststoffe
4,8
6,9
15,4
Elektrotechnik
3,9
6,4
16,3
Fahrzeugbau & -zubehör
4,0
6,1
11,9
Handel & e-Commerce
3,5
6,7
19,0
Maschinen- & Anlagenbau
4,5
6,6
13,6
Medien
4,2
6,1
14,6
Nahrungs- & Genussmittel
4,0
6,3
25,0
Pharma, Bio- & Medizintechnologie
5,2
7,7
18,0
Software
4,5
8,1
17,0
Telekommunikation
4,0
6,4
17,6
Transport & Logistik
3,5
5,6
12,5
Versorgungswirtschaft
4,2
6,1
22,9
Quellen KMU-Multiples: Concess GmbH (August 2016); Börsenmultiples: finexpert (Juli 2016)
1 BFH v. 17.6.2020 – II R 43/17, DStR 2020, 2596. 2 BFH v. 17.6.2020 – II R 43/17, DStR 2020, 2596.
Wälzholz 365
Kapitel 2 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht A. Einführung I. Grundstückskauf . . . . . . . . . . . . II. Praktischer Ablauf . . . . . . . . . . . III. Umfang der Beurkundungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz . . . . . . . . . . . . B. Vertragsgegenstand I. Grundbesitz 1. Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . 2. Grundbuchmäßige Bezeichnung des Grundbesitzes . . . . . II. Mitverkauf beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbrauchsgüterkauf, §§ 475 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsgestaltung im Hinblick auf eine Verkäuferinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragsparteien I. Käufer und Verkäufer 1. Bestimmung der richtigen Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . 2. Güterstand . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Zuordnung . . . . . II. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen . . . . . . . . . . . . . . . D. Verkäuferpflichten I. Eigentumsverschaffung 1. Auflassung und Verkäuferschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auflassungsvormerkung . . . . 3. Vermeidung eines Vorleistungsrisikos des Verkäufers . . II. Besitzverschaffung . . . . . . . . . . . III. Sach- und Rechtsmängelhaftung 1. Mangelbegriff und Mangelfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsmängel . . . . . . . . . . . . .
2.1 2.4 2.7 2.26
2.27 2.29 2.33 2.35 2.43 2.47
2.71 2.72 2.74 2.79
2.111 2.126 2.133 2.145
2.153 2.159
3. Vertragliche Beschränkung der Sachmängelhaftung . . . . . 4. Offenbarungspflichtige Sachmängel . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sachmängel zwischen Kaufvertragsabschluss und Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung nach dem Bundesbodenschutzgesetz (Altlasten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nebenpflichten, insb. Renovierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Energieausweis und Gebäudeenergiegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . E. Käuferpflichten I. Kaufpreishöhe . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaufpreisfälligkeit 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vormerkung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Vorkaufsrechte . . . . . 5. Genehmigungen . . . . . . . . . . . 6. Lastenfreistellung . . . . . . . . . . 7. Räumung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fälligkeitsmitteilung . . . . . . . . . IV. Verzug und Verzinsung des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abwicklung über Notaranderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Öffentliche Beiträge und Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsgehalt des § 436 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Außerordentliche Lasten . . . . . . III. Abgabenschuldner . . . . . . . . . . . IV. Vertragliche Regelung . . . . . . . . G. Maklerklauseln I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materiell-rechtliche Vorgaben . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.168 2.179 2.181 2.187 2.193 2.195 2.207 2.213 2.214 2.215 2.220 2.224 2.227 2.230 2.233 2.240 2.261 2.275 2.276 2.280 2.282 2.284 2.294 2.298 2.299
Wartenburger 367
Kap. 2 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . III. Überwälzungsvereinbarungen IV. Tatsachenbestätigung bzw. Wissenserklärung . . . . . . . . . . . V. Klauseln, die dem Makler neue Ansprüche verschaffen (sog. konstitutive Maklerklauseln) 1. Kausales Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrag zugunsten Dritter . . . 3. Vertrags- und Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei drohendem Vorkaufsrecht . . . . . . . . . 5. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Maklerklauseln . . . . VI. Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung und deren Grenzen . . . . . . . . . . VII. Einbeziehung der Maklerklausel in das kaufvertragliche Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Beurkundungsverfahren . . . . . . IX. Auswirkungen von Maklerklauseln auf Kosten und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung I. Insolvenz und Kaufvertragsgestaltung 1. Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters und deren Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.300 2.301 2.303 2.310
2.314 2.315 2.326 2.328 2.333
2.334
2.336 2.339
2.341
2.351
2. Vom Schuldner erteilte Vollmachten in der Insolvenz . . . 3. Vollmachten zugunsten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übergang von Vollmachten zugunsten des Schuldners auf den Insolvenzverwalter? . 5. Erteilung von Vollmachten durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kaufvertragsgestaltung bei laufendem Zwangsversteigerungsverfahren 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beitritt weiterer Gläubiger, § 27 ZVG . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Versteigerung entgegenstehende Rechte, § 28 ZVG . . 4. Fälligkeitsvoraussetzungen . . III. Sicherungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen während der Vertragsabwicklung 1. Pfändung des Auflassungsanspruchs a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung . . . . . . . 2. Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs . . . . . . . . . . . . a) Abtretungsmodell . . . . . . . b) Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs bei Abwicklung über Notaranderkonto . IV. Pfändung von Rückgewähransprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.366 2.373 2.375 2.377
2.391 2.394 2.401 2.408
2.426 2.430 2.434 2.436 2.438 2.442 2.448
Gebundene Literatur (Auswahl): Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019; Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl. 2016; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 9. Aufl. 2020; Limmer/Hertel/Frenz/Mayer, Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020.
368 Wartenburger
A. Einführung
Rz. 2.4 Kap. 2
A. Einführung I. Grundstückskauf Die häufigste Form des Immobiliengeschäftes ist der Kauf von Grundstücken und 2.1 „gebrauchten“ Eigentumswohnungen (im Gegensatz zum sog. Bauträgervertrag, der den Erwerb neuer oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen oder Doppel-/ Reihenhäuser betrifft). In den wesentlichen Fragen ergeben sich zwischen dem Verkauf eines Grundstücks und einer Eigentumswohnung keine Unterschiede, daher werden beide Vertragstypen hier gemeinsam als Grundstückskauf bezeichnet und behandelt. Typisch für den Grundstückskauf ist die umfassende notarielle Betreuung, die sich 2.2 nicht auf die Erstellung und Beurkundung des Kaufvertrages beschränkt, sondern regelmäßig auch den Vollzug bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch mit umfasst. Auch wenn das Recht zum Verkauf gebrauchter Immobilien in jüngerer Zeit keine 2.3 maßgeblichen Veränderungen erfahren hat, haben sich einige rechtliche Entwicklungen ergeben, die sich auf das Recht der Immobilienkaufverträge auswirken. Zu nennen sind hierbei insbesondere: – Verstärkter Verbraucherschutz im Beurkundungsverfahren im Hinblick auf die zahlreichen Streitigkeiten um sog. Schrottimmobilien1; insbesondere § 17 Abs. 2a BeurkG. – Entscheidungen zur Inhaltskontrolle nach § 138 BGB oder nach AGB-Recht. – Umfassende gesetzliche Neuregelung des Maklerrechts. – Entscheidungen zur Reichweite kaufvertraglicher Gewährleistungsausschlüsse. – Einflüsse des öffentlichen Rechts, insbesondere Regeln des Umweltrechts (Gebäudeenergiegesetz, Regeln zur Haftung bei Altlasten). – Schaffung neuer öffentlich-rechtlicher Vorkaufsrechte und verstärkte Nutzung bestehender Vorkaufsrechte. – Ausweitung notarieller Prüfungspflichten nach dem Geldwäschegesetz. – Umfassende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes, die sich auf Kaufverträge auswirkt. – Umsatzsteuerliche Vorgaben, die sich direkt auf die zivilrechtliche Vertragsgestaltung auswirken. II. Praktischer Ablauf Prägend für den Grundstückskauf ist die umfassende Sicherung beider Vertragsteile 2.4 gegen das Risiko ungesicherter Vorleistungen. Dieses System der Vertragsabwick1 Zum Begriff vgl. Münchener Kommentar/Ernst9, § 280 BGB Rz. 132 ff.
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Kap. 2 Rz. 2.4 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
lung beruht auf einem angenäherten Zug-um-Zug-Verfahren1, das meist folgendem Schema folgt:
2.5 Übersicht: Ablauf des Grundstückskaufs bei Direktzahlung (1) Vertragsabschluss, (2) Herbeiführung der Vertragsvollzugsvoraussetzungen wie (a) Eintragung der Auflassungsvormerkung, (b) Sicherung der Lastenfreistellung, (c) Einholung der gemeindlichen Vorkaufsrechtsbestätigung, (d) Einholung aller erforderlichen Genehmigungen, (3) Fälligkeitsmitteilung, (4) Zahlung des Kaufpreises nach Räumung des Vertragsgegenstandes, (5) Zug um Zug gegen Besitzübergabe, (6) Eigentumsumschreibung im Grundbuch nach Kaufpreisbestätigung des Verkäufers und Zahlung der Grunderwerbsteuer.
2.6 Neben diesem Modell, das auf einer unmittelbaren Kaufpreiszahlung vom Käufer an den Verkäufer bzw. an dessen Gläubiger beruht, besteht auch die Möglichkeit der Abwicklung des Vertrages über ein Notaranderkonto2 gem. §§ 57 ff. BeurkG. In den allermeisten Fällen des Grundstückskaufvertrages bedarf es keiner Vertragsabwicklung über Notaranderkonto. Diese Form der Vertragsabwicklung hat zunächst den Nachteil höherer Transaktionskosten3. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Verwendung von Notaranderkonten durch die BNotO-Novelle von 1998 beschränkt. Nach § 57 BeurkG darf der Notar eine Hinterlegung von Geld auf einem Notaranderkonto nur anbieten, wenn ein berechtigtes Sicherungsinteresse4 besteht. Dabei handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, die nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht. Dieses Interesse ergibt sich gelegentlich aus der besonderen Situation des Käufers (z.B. im Ausland ansässige Person) oder des Verkäufers (Insolvenzverfahren); eine routinemäßige Abwicklung von Kaufverträgen ist jedoch unzulässig. Weitere Ausführungen zur Abwicklung über Notaranderkonto finden sich unter Rz. 2.261 ff.5.
1 Siehe die Checkliste in Beck’sches Notarhandbuch/Herrler7, Kap. 1 § 1 Rz. 9. 2 Siehe Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf12, Rz. 632 ff.; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 2381 ff.; Brambring, DNotZ 1990, 615 ff. 3 Gemäß Ziffer 25300 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG löst die Auszahlung hinterlegter Geldbeträge eine volle Gebühr aus, bezogen auf den Auszahlungsbetrag. Ein Kaufvertrag über eine Immobilie zum Preis von 200.000 Euro verteuert sich daher in der Abwicklung um ca. 500 Euro. 4 Zu diesem Begriff s. Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Auflage 2018, § 57 BeurkG Rz. 5; Hertel in Frenz/Miermeister, Bundesnotarordnung, § 57 BeurkG Rz. 5 ff. 5 Siehe Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Teil 5 Muster XXVI, XXVII.
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A. Einführung
Rz. 2.10 Kap. 2
III. Umfang der Beurkundungspflicht Literatur: Drescher/Pichler, Die notarielle Beurkundungspflicht von Bauverträgen bei einheitlicher Vermarktung von Grundstückskauf und Hausbau durch den Bauunternehmer, NZBau 2015, 752; Jürgens, Kauf- und Rückvermietungskonstellationen in der notariellen Gestaltungspraxis, RNotZ 2021, 173; Kanzleiter, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften, die mit einem Grundstücksgeschäft in Zusammenhang stehen, DNotZ 1984, 421; Keim, „Schlüsselfertig, Grunderwerbsteuer und Notarkosten nur auf den Grundstücksteil“(?) – zu Beurkundungspflicht und Grunderwerbsteuer beim mit einem Grundstückskauf verbundenen Bauvertrag, DNotZ 2011, 513; Keim/Scholz, Reichweite der notariellen Beurkundungspflicht bei zusammengesetzten Verträgen, NJW 2022, 1486; Korte, Zum Beurkundungsumfang des Grundstücksvertrages und damit im Zusammenhang stehender Rechtsgeschäfte, DNotZ 1984, 1, 82; Maier-Reimer, Die Form verbundener Verträge, NJW 2004, 3741; Maier-Reimer, Vorwirkung von Formvorschriften – Formzwang aus nicht abgeschlossenen Verträgen? NJW 2015, 273; Müller, Beurkundungsbedürftigkeit verbundener Verträge bei Grundstücksgeschäften, NJW 2021, 2477; Seeger, Die „einseitige Abhängigkeit“ – zum Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit zusammengesetzter Grundstücksgeschäfte, MittBayNot 2003, 11; Weber, Beurkundungspflichten nach § 311b Abs. 1 BGB bei zusammengesetzten Verträgen – Versuch einer Systematisierung und Typisierung, RNotZ 2016, 377.
Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf jede vertragliche Verpflichtung zur Veräuße- 2.7 rung oder zum Erwerb von Grundstücken der notariellen Beurkundung. Diese Vorschrift gilt auch entsprechend für den Verkauf von Teilflächen, Sondereigentumseinheiten i.S.d. WEG (§ 4 Abs. 3 WEG) sowie für Erbbaurechte oder Miteigentumsanteile an den vorstehend bezeichneten Gegenständen.
2.8
Der Zweck des § 311b BGB besteht in der – Warn- und Schutzfunktion, um die Vertragsteile vor Übereilung zu schützen; – in der Beweisfunktion, um alle Details der getroffenen Vereinbarungen zu dokumentieren und – in der Gewährsfunktion, nämlich mit der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde. Im Zentrum des Zweckes steht dabei nicht zuletzt die Belehrung durch einen Rechtskundigen und Unparteiischen, den Notar1.
§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst nicht nur den unbedingten sofort wirksamen 2.9 Grundstückskaufvertrag, sondern auch die Begründung von bedingten Rechten, die auf den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken gerichtet sind, nämlich Ankaufsrechte, die Bestellung von Vorkaufsrechten, Optionsrechte, Wiederkaufsrechte sowie das Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Grundstückskaufvertrages2. Die Reichweite des Beurkundungserfordernisses ist im Grenzbereich durchaus 2.10 schwierig zu bestimmen. 1 Münchener Kommentar/Ruhwinkel9, § 311b BGB Rz. 2. 2 Vgl. beispielsweise BGH v. 12.7.1979 – III ZR 18/78, MDR 1979, 1001 = NJW 1980, 41 = DB 1979, 2026 = DNotZ 1980, 344.
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Kap. 2 Rz. 2.10 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Zunächst ist gesichert, dass die Beurkundungspflicht nur die Willenserklärungen der Vertragsparteien, aus denen sich der Vertrag zusammensetzt, erfasst. Nicht beurkundungspflichtig sind daher Wissenserklärungen, Motive, Angaben darüber, wie und unter Offenlegung welcher Informationen der Vertrag zustande gekommen ist, der Inhalt bestehender Verträge mit Dritten, Beschreibungen des Zustandes des Vertragsobjektes etc. Die Aufnahme solcher Angaben in die Urkunde kann dennoch zu Beweiszwecken sinnvoll sein. Beispiel: Leidet das Vertragsobjekt an einem Vorschaden, der (möglicherweise) zu den Umständen gehört, auf die ein Verkäufer den Käufer hinzuweisen hat, so vermeidet die Aufnahme eines solchen Hinweises in die Urkunde spätere Diskussionen über die Frage, ob der Umstand offengelegt worden ist. Dabei darf jedoch die Grenze zwischen Wissenserklärungen und Garantien/Beschaffenheitsvereinbarungen nicht verwischt werden. Beispiel: Die Angabe, dass der Verkäufer dem Käufer Kopien der bestehenden Mietverträge übergeben hat, ist nicht beurkundungspflichtig. Die Versicherung des Verkäufers, dass keine für den Vermieter nachteiligen von den vorgelegten Verträgen abweichenden Abreden mit den Mietern bestehen, ist hingegen eine Beschaffenheitsvereinbarung oder Garantie, die als Willenserklärung zu beurkunden ist.
2.11 Die den Kaufvertrag bildenden Willenserklärungen sind umfassend zu beurkunden. Hierfür gilt kein objektiver Maßstab; die Parteien können Regelungen ausklammern (z.B. die Folgen möglicher Leistungsstörungen) und insoweit die gesetzlichen Bestimmungen eintreten lassen, sie können einzelne Punkte aber auch der künftigen Vereinbarung überlassen – die dann eben zustande kommt oder auch nicht (z.B. ob im Objekt befindliche Inventargegenstände mitverkauft werden oder nicht). Diejenigen Vereinbarungen, welche die Parteien getroffen, also für regelungsbedürftig gehalten haben1, müssen hingegen, auch wenn sie nicht objektiv bedeutsam sind, in die Urkunde aufgenommen werden. 2.12 Das Beurkundungserfordernis erfasst nicht nur den Grundstückskauf als solchen, sondern alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Vertragsteile mit dem Grundstückskauf stehen und fallen (sog. Nebenabreden)2. Damit umfasst das Beurkundungserfordernis insbesondere: – Rückkaufsgarantien und Wiederkaufsrechte, – die Verpflichtung zur Erbringung weiterer Gegenleistungen (Aufzahlungen des Käufers, Renovierungspflichten des Verkäufers), – Beschaffenheitsvereinbarungen und Garantien aller Art, 1 Staudinger/Schumacher (2018), § 311b BGB Rz. 156. 2 Siehe Maier-Reimer, NJW 2004, 3741 (3742); zum Nachweis der Verknüpfungsabsicht vgl. BGH v. 5.3.2010 – V ZR 60/09, ZfIR 2010, 587 = MittBayNot 2010, 306 = ZNotP 2010, 303, wonach aus der beurkundeten Erklärung der Parteien „Nebenabreden bestehen nicht“ geschlossen werden könne, dass etwaige doch bestehende Nebenabreden vom Kaufvertrag unabhängig sind.
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A. Einführung
Rz. 2.14 Kap. 2
– Rechtsbestellungen, insbesondere Dienstbarkeiten, welche die Nutzbarkeit des Kaufgegenstandes beeinflussen, – der Mitverkauf beweglicher Sachen, – der Mitverkauf von Baugenehmigungsunterlagen, Plänen und dergleichen. All dies gilt aber nur für solche Vereinbarungen, die mit dem Grundstücksgeschäft in 2.13 Zusammenhang stehen. Für viele Vereinbarungen (z.B. eine Garantieabrede) folgt dies aus der Natur der Abrede selbst, die außerhalb des Grundstücksgeschäftes nicht bestehen kann. Ebenso verhält es sich mit Abreden, die Gegenstand eines eigenständigen Vertrages sein könnten, aber mit dem Grundstücksgeschäft objektiv untrennbar verbunden sind (sog. Leistungsbündel). Hierbei handelt es sich meist um Abreden, die in den kaufvertraglichen Leistungsaustausch einbezogen sind. In dieser Fallgruppe liegen gemischte Verträge vor, die einheitlich der Beurkundungspflicht unterfallen, und zwar unabhängig davon, ob ein besonderer Verknüpfungswille der Parteien festgestellt ist. Seit langer Zeit umstritten ist hingegen die Beurteilung zusammengesetzter Verträ- 2.14 ge. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Verknüpfung mit dem Grundstücksgeschäft nicht objektiv zwingend ist, sondern nur subjektiv aufgrund des Willens der Vertragsparteien festgestellt werden kann. Die Schwierigkeit dieser Fallgruppe resultiert schon daraus, dass der „Verknüpfungswille“ letztlich nur aus objektiven Umständen abgeleitet werden kann.1 Hinsichtlich der Intensität der Verknüpfung sind sehr verschiedenartige Konstellationen vorhanden. Zunächst kann differenziert werden danach, – ob das andere Geschäft dieselben Parteien hat wie das Grundstücksgeschäft. Formal kommt es auf die Identität der Parteien nicht an2, allerdings spricht ein Auseinanderfallen der Parteien tendenziell gegen eine Verknüpfungsabsicht;3 – ob der Zusammenhang zwischen den Geschäften wechselseitig oder einseitig ist: Hier ist die Rechtsprechung insoweit klar, dass keine Mitbeurkundungspflicht besteht, wenn nur die Wirksamkeit des „anderen“ Geschäftes von dem Grundstücksgeschäft abhängt, aber nicht umgekehrt;4 Beispiel 1: Käufer und Verkäufer einigen sich auf eine Rückvermietung des zu verkaufenden Objekts an den Verkäufer. Der Mietvertrag sieht vor, dass sich beide Seiten (auch schon vor Voll-
1 Münchener Kommentar/Ruhwinkel9, § 311b BGB Rz. 59. 2 Siehe BGH v. 6.12.1979 – VII ZR 313/78, MDR 1980, 482 = NJW 1980, 829 = DB 1980, 825 = DNotZ 1980, 409; zum Bauvertrag vgl. Drescher/Pichler, NZBau 2015, 752. 3 Münchener Kommentar/Ruhwinkel9, § 311b BGB Rz. 61. 4 Vgl. dazu BGH v. 26.11.1999 – V ZR 251/98, MDR 2000, 260 = NJW 2000, 951 = DB 2000, 616 = ZfIR 2000, 315 = DNotZ 2000, 635; v. 11.10.2000 – VIII ZR 321/99, MDR 2001, 408 = NJW 2001, 226 = MittBayNot 2001, 69; v. 13.6.2002 – VII ZR 321/00, MDR 2002, 1187 = NJW 2002, 2559 = DStR 2002, 1680 = ZfIR 2002, 629 = DNotZ 2002, 944; s. auch Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf12, Rz. 95; Maier-Reimer, NJW 2004, 3741 (3742 f.).
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Kap. 2 Rz. 2.14 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht zug des Kaufvertrages) vom Mietvertrag lösen können; auf die weitere Abwicklung des Kaufvertrages hat dies keinen Einfluss. In diesem Fall der einseitigen Abhängigkeit ist der Mietvertrag nicht beurkundungspflichtig, auch wenn seine Wirksamkeit vom Zustandekommen des Kaufvertrages abhängt;
– ob der Verknüpfungswille nur bei einem Vertragsteil besteht oder beidseitig: Der Verknüpfungswille muss Teil der vertraglichen Vereinbarungen sein. Einseitige Wünsche einer Partei genügen hierfür nur, wenn sie von der anderen Partei akzeptiert und somit Vertragsinhalt geworden sind. Abwandlung zum Beispiel 1: Der Mietvertrag sieht vor, dass nur der Verkäufer, nicht aber der Käufer sich jederzeit von dem Mietvertrag lösen kann. Hier liegt es auf der Hand, dass der Verkäufer ein Interesse daran hatte, im Fall des Verkaufs das Objekt weiter nutzen zu können, d.h. nunmehr hängt der Grundstückskauf auch vom Mietvertrag ab, denn ohne die Rückvermietung hätte der Verkäufer wohl nicht (jedenfalls nicht zu unveränderten Konditionen) verkauft. Dieses Interesse hat der Käufer akzeptiert und durch die Beschränkung des Vermieterkündigungsrechtes in den Vertrag aufgenommen. Der Käufer selbst mag kein gesteigertes Interesse am Bestand des Mietvertrages gehabt haben (daher wurde das Mieterkündigungsrecht nicht beschränkt). Das zum Vertragsinhalt gewordene einseitige Verknüpfungsinteresse reicht aber aus.
2.15 Die Art der Verknüpfung der Rechtsgeschäfte kann sich ergeben – durch den (nahezu) gleichzeitigen Abschluss der Vereinbarungen (a) – durch eine Verpflichtung zum späteren Abschluss der Vereinbarung (b) – durch Rücktrittsrechte oder Bedingungen (c) In den unter (b) genannten Fällen ist die Verpflichtung zum späteren Abschluss eines anderen Vertrages – und somit auch der Inhalt des später abzuschließenden Vertrages – Teil der kaufvertraglichen Abreden und muss daher mitbeurkundet werden. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass der abzuschließende Vertrag dem Kaufvertrag als (mit zu verlesende) Anlage beigefügt wird. Der spätere tatsächliche Abschluss des Vertrages ist dann nicht mehr durch die Form des Kaufvertrages beeinflusst. Beispiel 2: Im Kaufvertrag verpflichtet sich der Käufer gegenüber dem Verkäufer, mit einem Dritten einen Wärmelieferungsvertrag bestimmten Inhalts abzuschließen (der Käufer ist hierzu bereit, legt aber keinen gesteigerten Wert auf den Versorgungsvertrag, d.h. er würde den Kaufvertrag auch ohne den Versorgungsvertrag abschließen). Der Pflichtinhalt des Wärmelieferungsvertrages wird hier Inhalt des Kaufvertrages und muss beurkundet werden. Der Verkäufer hat damit seine Pflicht, den Käufer an den Wärmelieferanten zu binden, erfüllt; ob später der Wärmelieferungsvertrag zustande kommt oder nicht, spielt dann für den Verkäufer keine Rolle mehr. Der spätere Abschluss des Vertrages zwischen dem Käufer und dem Wärmlieferanten ist beurkundungsfrei. Unterbleibt er ganz, handelt es sich um eine Leistungsstörung, der Kaufvertrag wird hierdurch aber nicht unwirksam.
Die unter a) genannten Fälle sind ebenso zu behandeln und führen regelmäßig zur Beurkundungspflicht des Gesamtwerkes, denn bei Lichte betrachtet liegt auch hier eine (unausgesprochene) gegenseitige Verpflichtung vor, das Gesamtwerk zu unter374 Wartenburger
A. Einführung
Rz. 2.17 Kap. 2
schreiben. Es gibt Konstellationen, in denen das andere Rechtsgeschäft ohne Bezug zum Kaufvertrag nur „bei der Gelegenheit“ unterzeichnet wird; im Regelfall aber wird die Behauptung, die Verträge seien rechtlich selbständig, durch die Tatsache des nahezu gleichzeitigen Abschlusses widerlegt werden. Die unter c) genannten Fälle sind teilweise weniger eindeutig zu erfassen. Die klas- 2.16 sische Formel, diejenigen Vereinbarungen seien mit zu beurkunden, mit denen der Kaufvertrag „steht und fällt“, wird zu Recht als undifferenziert kritisiert1, eine für alle Gestaltungen brauchbare Alternative ist allerdings schwerlich zu finden. Die bloße Verknüpfung beim Zustandekommen der Verträge reicht nämlich nicht aus, um eine Pflicht zur Mitbeurkundung des anderen Geschäftes zu begründen. Beispiel: Der Verkäufer behält sich ein Rücktrittsrecht vor für den Fall, dass es ihm nicht gelingt, innerhalb einer bestimmten Frist ein nicht näher bestimmtes Ersatzobjekt anzumieten (wenn der Vertrag nichts weiter hierzu ausführt, handelt es sich um ein verkapptes freies Rücktrittsrecht, denn der Verkäufer hat es maßgeblich in der Hand, ob ihm ein Ersatzobjekt zusagt oder nicht). Der Mietvertrag mag hier von entscheidender Bedeutung für das weitere Schicksal des Kaufvertrages sein, aber beurkundungspflichtig ist er nicht, da für den Käufer der Inhalt des Mietvertrages belanglos ist. Der Mietvertrag ist m.a.W. einzig der Risikosphäre des Verkäufers zuzuordnen, was gegen einen Verknüpfungswillen spricht.2 Handelt es sich hingegen um die Rückvermietung der vertragsgegenständlichen Räume an den Verkäufer, so berührt der Vertrag gemeinsame Interessen der Vertragsparteien und wird beurkundungspflichtig, auch wenn er nicht zeitgleich mit dem Kaufvertrag abgeschlossen wird. Der Kaufvertrag ist ohne den Mietvertrag noch nicht vollständig; der Mietvertrag beeinflusst nämlich neben dem Zustandekommen auch die Abwicklung des Kaufvertrages (z.B. die Übergabe). Die jüngere Rechtsprechung des BGH3 hat hier für Irritationen gesorgt. Zum Fall 2.17 eines Durchführungsvertrages nach § 12 BauGB hat der BGH entschieden, dass dieser nicht dadurch beurkundungspflichtig wird, dass ein Grundstückskaufvertrag mittels einer aufschiebenden Bedingung vom Abschluss des Durchführungsvertrages abhängt. In dieser Entscheidung festigt der BGH seine vorherige Rechtsprechung, dass – bei einer nur formalen Verknüpfung (wenn nur die Wirksamkeit des Grundstückskaufes davon abhängt, ob ein anderes Geschäft zustande kommt oder fortbesteht) die Beurkundung der „Verknüpfungsabrede“ (also der aufschiebenden Bedingung) reicht, während das andere Geschäft nicht beurkundungspflichtig wird, während
1 So z.B. schon Korte, DNotZ 1984, 3 (6). 2 Zur Anknüpfung an die Risikosphäre vgl, Keim/Scholz, NJW 2022, 1486 Rz. 22. 3 BGH v. 29.1.2021 – V ZR 139/19, NJW 2021, 2510 = MDR 2021, 673 = DNotZ 2021, 764 = MittBayNot 2021, 628.
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Kap. 2 Rz. 2.17 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
– bei einer inhaltlichen Verknüpfung, die dann vorliegt, wenn „Regelungen des Grundstücksgeschäfts nur gemeinsam mit Regelungen des anderen Vertrags gelten [sollen]“, das Gesamtgeschäft beurkundungspflichtig wird. Dies scheint rechtsdogmatisch schlüssig, allerdings wirft das Begriffspaar „ob die Wirksamkeit davon abhängt“ oder ob „die Regelungen gemeinsam gelten sollen“ mehr Fragen auf als es Antworten liefert. Die Ansicht von Müller1 („Beurkundung nur dann, wenn sich die Regelungen des Grundstücksvertrags nicht ohne die in Bezug genommenen Regelungen des anderen Vertrags erschließen, wenn man sie also braucht, um den vollen Regelungsgehalt zu erfassen“) ist zu eng, da sie nicht auf die Interessen der Vertragsteile, sondern auf den objektiven Vertragsinhalt abstellt. Vielmehr dürfte es darauf ankommen, wie intensiv die Verknüpfung zwischen den Vertragsverhältnissen ist. Hängt der Grundstückkauf nur vom Abschluss des anderen Vertrages ab, ohne dass es gemeinsame Interessen der Kaufvertragsparteien bezüglich des Inhaltes dieses anderen Geschäftes gibt, so liegt eine nur formale Verknüpfung vor. Gibt es dagegen gemeinsame Interessen der Kaufvertragsparteien am Inhalt oder an der Durchführung des anderen Geschäfts, so dürfte es auch nach dieser Entscheidung dabei bleiben, dass eine Mitbeurkundung des anderen Geschäftes erforderlich ist.2
2.18 Der häufigste Anwendungsfall zusammengesetzter Verträge ist der mit einem Kaufvertrag verbundene Werkvertrag über Bau- und Sanierungsleistungen. Wenn Verkäufer und Werkunternehmer identisch sind, handelt es sich um einen Bauträgervertrag i.S.v. § 650u BGB (vgl. dazu Kapitel 3). Die verknüpfende Interessenlage kann hier aus einer gesellschaftsrechtlichen Verflechtung oder aus einer koordinierten Vorgehensweise von Bauunternehmer und Grundstückseigentümer folgen3. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist der Werkvertrag beurkundungspflichtig, wenn – Werkvertrag und Kaufvertrag wechselseitig voneinander abhängen oder – die Parteien des Werkvertrages davon ausgehen, dass der Kaufvertrag nach dem Willen der Kaufvertragsparteien einseitig von dem Werkvertrag abhängt4. Auch hier kommt es nicht darauf an, ob der Werkvertrag mit dem Kaufvertrag oder schon zuvor abgeschlossen wird. In den vorgenannten Fällen wird regelmäßig eine wechselseitige Abhängigkeit vorliegen, da entweder der Verkäufer das Grundstück nicht ohne Werkleistung anbieten möchte oder der Käufer kein unbebautes Grundstück kaufen möchte, während andererseits der Werkvertrag ohne den Grundstückskauf nicht vollziehbar ist. Die Verknüpfungen zwischen beiden Verträgen sind intensiv und berühren z.B. die Übergabe und die Folgen von Leistungsstörungen. Die isolierte Beurkundung des Kauf-
1 Müller, NJW 2021, 2477. 2 Keim/Scholz, NJW 2022, 1486. 3 BGH v. 22.7.2010 – VII ZR 246/08, BGHZ 186, 345 = MDR 2010, 1313 = ZfIR 2011, 17 = DNotZ 2011, 196. 4 BGH v. 22.7.2010 – VII ZR 246/08, BGHZ 186, 345 = MDR 2010, 1313 = ZfIR 2011, 17 = DNotZ 2011, 198.
376 Wartenburger
A. Einführung
Rz. 2.22 Kap. 2
vertrages ist mit einem hohen Risiko der Unwirksamkeit des Vertrages verbunden. In diesem Fall werden die Leistungsinteressen des Käufers nicht mehr durch die Vormerkung gesichert, so dass dem Käufer etwa im Fall der Insolvenz des Verkäufers ein Totalverlust droht. Auch ein Steuerspareffekt einer Aufspaltung des Vertragswerkes ist entgegen der Hoffnung der Beteiligten mit einer solchen Gestaltung nicht zu erlangen.1 Häufig übersehen wird, dass die Aufnahme eines Vorkaufsrechtes in einen (meist 2.19 gewerblichen) Mietvertrag zur Beurkundungspflicht des gesamten Mietvertrages führt. In diesen Konstellationen kann man davon ausgehen, dass der Eigentümer das Vorkaufsrecht nicht ohne den Abschluss des Mietvertrages eingeräumt hätte und dass der Mieter den Mietvertrag ohne gleichzeitige Einräumung des Vorkaufsrechtes nicht oder jedenfalls nicht zu ansonsten unveränderten Bedingungen abgeschlossen hätte, sodass ein Fall wechselseitiger Abhängigkeit vorliegt (zur Heilung s. Rz. 2.19). Besteht zwischen zwei zusammengesetzten Verträgen das Erfordernis einer einheitli- 2.20 chen Beurkundung, so muss bei Beurkundung in zwei getrennten Urkunden der Wille der Zusammengehörigkeit beider Urkunden zum Ausdruck kommen. Ob es insoweit genügt, wenn dies in einer Urkunde, nicht aber der anderen zum Ausdruck kommt, ist ungeklärt. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt sich die Dokumentation der Zusammengehörigkeit in beiden Urkunden2. Regelmäßig keiner Beurkundung bedarf hingegen ein Darlehensvertrag, den ein Käu- 2.21 fer selbständig mit seiner Bank abschließt. Auch wenn die Verknüpfung zwischen dem Grundstückskauf und dem mit einem Dritten abzuschließenden Rechtsgeschäft über ein Rücktrittsrecht im Grundstückskauf realisiert ist, erstreckt sich die Beurkundungspflicht nicht auf das mit dem Dritten abzuschließende Geschäft3. Vorverträge zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages bedürfen ebenfalls der 2.22 notariellen Beurkundung. Dies gilt auch für alle Rechtsgeschäfte, die wirtschaftlich einen Zwang zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages begründen sollen4. Werden im Vorfeld eines Kaufvertrages „Reservierungsgebühren“ vom Käufer an den Verkäufer oder an den Makler gezahlt, so können auch diese einen wirtschaftli-
1 Vgl. hierzu Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Ländererlasse v. 20.9.2017, DStR 2017, 2745; Ziff. 3.4: Objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Grundstücks und der Erbringung der Bauleistungen. 2 Siehe Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 454; OLG Hamm v. 4.7.1996 – 22 U 116/95, DNotI-Report 1996, 164; so wohl auch Maier-Reimer, NJW 2004, 3741 (3742 f.); a.A. hingegen (Dokumentation in einer Urkunde genügt) Münchener Kommentar/Kanzleiter7, § 311b BGB Rz. 55; Wiesner, NJW 1984, 95 (96). 3 Weber, RNotZ 2016, 377, 384 f. 4 Dies kann insbesondere bei Vollmachten und atypischen Maklervertragskonstruktionen auftauchen; vgl. BGH v. 24.6.1981 – IVa ZR 159/80, MDR 1982, 37 = NJW 1981, 2293; v. 19.9.1989 – XI ZR 10/89, MDR 1990, 435 = NJW 1990, 390 = DB 1990, 523 = DNotZ 1990, 651.
Wartenburger 377
Kap. 2 Rz. 2.22 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
chen Zwang zum Vertragsabschluss auslösen; die „kritische Grenze“, welche zur Beurkundungspflicht führt, soll bei 10 % der üblichen Maklerprovision liegen1.
2.23 § 311b BGB findet hingegen keine Anwendung, wenn Gesellschaftsanteile an einer GbR veräußert werden, auch wenn deren gesamtes Vermögen ausschließlich aus Grundbesitz besteht2. Änderungen und Ergänzungen von Grundstückskaufverträgen bedürfen grundsätzlich der notariellen Beurkundung, wobei allerdings wichtige Ausnahmen bestehen3. So sollen Änderungen, die nur Abwicklungsschwierigkeiten beheben, etwa auch kurzfristige Stundungen des Kaufpreises, beurkundungsfrei möglich sein4. Die Erklärung der Auflassung stellt in diesem Zusammenhang eine wichtige Schnittstelle dar: Sobald die Auflassung i.S.v. § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden ist, sind künftige Änderungen des Vertrages grundsätzlich beurkundungsfrei, sofern nicht die Änderung auch isoliert gesehen zu einer Beurkundungspflicht führt (wie z.B. die Ausweitung auf einen weiteren Vertragsgegenstand). Dies gilt auch dann, wenn die Auflassung – z.B. wegen einer an die Kaufpreiszahlung geknüpften Vorlagesperre – noch nicht vollziehbar ist.5
2.24 Wurde ein Grundstückskaufvertrag unter Verstoß gegen Beurkundungspflichten des § 311b BGB vorgenommen, so wird der vorerst formunwirksame Grundstückskaufvertrag (§ 125 BGB) nachträglich gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt und seinem gesamten Inhalt nach rechtswirksam, wenn die Auflassung und die Eintragung ins Grundbuch erfolgt sind. Die Heilungswirkung erfasst in diesen Fällen nicht nur die tatsächlich beurkundeten Abreden, sondern auch getroffene Nebenabreden, sofern sie tatsächlich untrennbar mit dem Kaufvertrag verbunden sind6. Dies soll sogar für solche Nebenabreden gelten, die ihrerseits (unabhängig vom Grundstückskauf) beurkundungspflichtig gewesen wären, was insbesondere Wiederkaufsrechte betrifft7. Eine Rückwirkung kommt der Heilung nicht zu. Sind mehrere Grundstücke betroffen, so tritt die Heilung erst mit der Auflassung und Eintragung des letzten Grundstückes insgesamt ein, sofern die zusammengefassten Grundstückskaufverträge miteinander stehen und fallen. Dies ist bei einheitlicher Beurkundung zu vermuten.
1 Grüneberg/Grüneberg81, § 311b BGB Rz. 13; für die Anwendung dieser Grenze zwischen zwei gewerblichen Teilnehmern vgl. OLG Dresden v. 23.8.2016 – 8 U 964/16, MDR 2017, 82 = ZfIR 2017, 66 = RNotZ 2017, 31. 2 BGH v. 31.1.1983 – II ZR 288/81, MDR 1983, 467 = NJW 1983, 1110 = BB 1983, 660; anderes mag ausschließlich für gezielte Umgehungsgeschäfte gelten. 3 Hennemann/Nemeczek, ZGS 2011, 157. 4 Die Einzelheiten sind aber auch hier str.; vgl. Grüneberg/Grüneberg81, § 311b BGB Rz. 42 ff. 5 BGH v. 14.9.2018 – V ZR 213/17, NJW 2018, 3523 = MDR 2018, 1308 = DNotZ 2019, 183 = MittBayNot 2019, 246. 6 BGH v. 7.4.2000 – V ZR 83/99, MDR 2000, 820 = NJW 2000, 2017 = ZfIR 2000, 516 = ZNotP 2000, 276. 7 BGH v. 15.11.1974 – V ZR 78/73, MDR 1975, 215 = NJW 1975, 205.
378 Wartenburger
A. Einführung
Rz. 2.26 Kap. 2
Die (in der Praxis sehr häufig anzutreffende!) formunwirksame Bestellung eines 2.25 (dinglichen) Vorkaufsrechts soll bereits durch die Eintragung des Vorkaufsrechts in das Grundbuch geheilt werden, nicht erst durch die Eintragung der Auflassung nach Ausübung des Rechts1. Zur Formbedürftigkeit von Treuhandverträgen zum Erwerb von Immobilien hat der BGH folgende Abgrenzung gefunden: Sofern der Vertrag den Treuhänder zum Erwerb einer Immobilie verpflichtet, ist er beurkundungspflichtig nach § 311b Abs. 1 BGB. Ein diesbezüglicher Mangel wird jedoch mit Erwerb der Immobilie durch den Treuhänder geheilt; die Pflicht zur Weiterübertragung des Treugutes an den Treugeber bei Ende des Rechtsverhältnisses folgt bereits aus § 667 BGB und ist somit nicht gesondert beurkundungspflichtig.2 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Vertragsparteien über § 667 BGB hinausgehende Pflichten zur Übereignung bzw. zum Erwerb vereinbaren oder wenn der Treuhänder zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits Eigentümer oder Inhaber eines Anwartschaftsrechtes an der Immobilie ist.3 IV. Verpflichtungen nach dem Geldwäschegesetz Soweit Notare oder Rechtsanwälte mit der Vorbereitung und Abwicklung von Im- 2.26 mobiliengeschäften betraut sind, gelten sie als besonders Verpflichtete i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a Doppelbuchst. aa GWG. Wird der Kaufvertrag unter Einrichtung eines Notaranderkontos abgewickelt, so ergibt sich die Verpflichteten-Stellung zudem aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a Doppelbuchst. dd GWG. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind in der nachfolgenden Checkliste bezüglich der Einzelheiten auf die gesetzlichen Bestimmungen des Geldwäschegesetzes, der GWG Meldeverordnung Immobilien Bezug genommen wird. Zur genaueren Prüfung wird auf die entsprechende Spezialliteratur verwiesen.4
1
1 2 3 4
Prüfungspunkt
Voraussetzungen
Rechtsfolgen
Besteht ein Beurkundungsverbot?
Entgegen § 12 Abs. 4 GWG wird Eigentümer- und Kontrollstruktur (s. Ziff. 8) nicht vorgelegt; ausländische Gesellschaft/Trustee ist entgegen §§ 20 Abs. 1 Satz 2 u. 3, 21 Abs. 1 Satz 2 GWG nicht in das Transparenzregister eingetragen.
§ 10 Abs. 9 GWG – das Beurkundungsverbot besteht bis zur Beseitigung des Hindernisses; eine Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO ist möglich.
Grüneberg/Grüneberg81, § 311b BGB Rz. 52. BGH v. 15.1.2021 – V ZR 210/19, MDR 2021, 609 = ZfIR 2021, 329 = DNotZ 2022, 42. BGH v. 25.6.2021 – V ZR 218/19, MDR 2021, 1259 = ZfIR 2021, 513 = DNotZ 2022, 49. Thelen, Geldwäscherecht in der notariellen Praxis, 2021; Schubert, NJOZ 2018, 41 (81); Frey/Pelz, BeckOK-GWG.
Wartenburger 379
Kap. 2 Rz. 2.26 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht Prüfungspunkt
Voraussetzungen
Rechtsfolgen
2
Besteht eine Pflicht, eine sog. Verdachtsmeldung gem. §§ 43–49 GWG bei der FIU einzureichen?
Die Meldepflicht nach § 43 Abs. 1 GWG läuft wegen § 43 Abs. 2 GWG praktisch leer. Gem. § 43 Abs. 6 GWG i.V.m. der GWGMeldV-Immobilien vom 20.8.2020 ergeben sich Meldepflichten aufgrund Involvierung von Risikostaaten (§ 3 der Verordnung), aufgrund personenbezogener Risiken (§ 4 der Verordnung), aufgrund der Vertretungsverhältnisse (§ 5 der Verordnung) oder aufgrund der Zahlungsmodalitäten (§ 6 der Verordnung).
Pflicht zu einer Online-Meldung an die FIU (§ 45 Abs. 1 GWG); Anhaltepflicht bzgl. der weiteren Bearbeitung des Vorganges (§ 46 GWG); Verbot der Information der Beteiligten über die geplante oder durchgeführte Meldung (§ 47 GWG).
3
Muss eine Unstimmig- Wenn die Voraussetzungen gem. keitsmeldung erstellt Nr. 2 (Verdachtsmeldung) vorliegen werden? und Angaben im Transparenzregister bzgl. der wirtschaftlich Berechtigten unzutreffend oder unvollständig sind.
Online-Meldung an den Betreiber des Transparenzregisters (§§ 23a, 43 GWG).
4
Gelten verstärkte Sorgfaltspflichten?
Diese können sich aus regionalen, personellen oder transaktionsbezogenen Besonderheiten ergeben, vgl. § 15 GWG, Anlage 2 zum GWG.
Vgl. § 15 Abs. 4 GWG, v.a.: direkte Einschaltung einer Führungsperson (Notar/Partner der Kanzlei) in allen Phasen der Transaktion; Prüfung der Mittelherkunft; intensive Überwachung der Transaktion.
5
Gelten vereinfachte Sorgfaltspflichten?
Diese können sich aus regionalen, personellen oder transaktionsbezogenen Besonderheiten ergeben, vgl. § 14 GWG, Anlage 1 zum GWG.
Geringere Überwachungsdichte; Identifizierung der Beteiligten auch durch abgelaufenen Ausweis oder Führerschein möglich.
6
Allgemeine Sorgfaltspflichten
Wenn weder die Voraussetzungen s. Ziffer 7–11. gem. Ziff. 4 noch gem. Ziff. 5 vorliegen.
7
Ist ein Transparenzregisterauszug erforderlich?
§ 12 Abs. 3 Satz 2 GWG: Inlandsvereinigung, mit der die Geschäftsbeziehung nach dem 1.1.2020 begründet wurde; Auslandsvereinigung bei Erwerb von Immobilien bzw. Anteilen an Immobiliengesellschaften (§ 20 Abs. 1 Satz 2 GWG).
380 Wartenburger
Auszug Transparenzregister anfordern, prüfen und dokumentieren.
B. Vertragsgegenstand
Rz. 2.27 Kap. 2
Prüfungspunkt
Voraussetzungen
Rechtsfolgen
8
Ist eine Eigentumsund Kontrollstruktur (EKS) anzufordern?
Ja, wenn ein Vorgang nach § 1 GrEStG vorliegt und eine Vereinigung i.S.v. § 3 Abs. 2/3 GWG beteiligt ist (§ 12 Abs. 4 GWG).
EKS muss angefordert und auf Schlüssigkeit überprüft werden.
9
Identifizierung der Beteiligten
Identifizierung der formell Beteiligten durch gültigen Reisepass oder EU-Personalausweis (§§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 5, 12 Abs. 3, 4 GWG).
Ausweisdokument prüfen und dokumentieren (üblicherweise durch Verwahrung einer Kopie/ Scan).
Erhebung bei den Beteiligten; Prüfung i.d.R. anhand Transparenzregisterauszug (§ 12 Abs. 3 Satz 3 GWG).
Der wirtschaftlich Berechtigte muss ermittelt und seine Identität dokumentiert werden.
10 Ermittlung des Wirtschaftlich Berechtigten
11 Identifizierung des Vgl. § 11 Abs. 5 GWG: außerhalb Wirtschaftlich Berech- der verstärkten Sorgfaltspflichten tigten muss jedenfalls der Name festgestellt werden.
Erhebung und Dokumentation.
B. Vertragsgegenstand I. Grundbesitz 1. Vertragstypen Hinsichtlich des Vertragsgegenstandes eines Grundstückskaufvertrages ist zu unterscheiden, ob es sich handelt um: – ein ganzes bebautes vermietetes oder selbstgenutztes Grundstück, – ein ganzes unbebautes Grundstück; dies kann ein Bauplatz, ein Freizeitgrundstück oder aber ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück sein, – eine noch unvermessene Teilfläche, – eine Wohnung oder Teileigentumseinheit i.S.d. WEG, – ein Erbbaurecht, Wohnungs- oder Teilerbbaurecht, – eine erst noch herzustellende oder durch Sanierung zu verändernde Wohnung (Bauträgervertrag). Insofern sind grundsätzlich unterschiedliche Vertragsmuster zugrunde zu legen (s. die Muster M1, Rz. 1.349 (Teilflächenverkauf), M5, Rz. 1.757 (Leibrentenverkauf), M2, Rz. 1.371 (Mietshauskauf), M42, Rz. 3.343 (Bauträgerkauf), M43, Rz. 3.344 (Kauf eines Sanierungsobjektes), M66, Rz. 5.362 (Verkauf eines Erbbaurechts). Die-
Wartenburger 381
2.27
Kap. 2 Rz. 2.27 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
se Unterscheidung findet sich auch bei den unten wiedergegebenen Vertragsmustern.
2.28 Ferner kann ein Grundstückskauf Teil eines Unternehmenskaufes sein, wenn zum Vertragsgegenstand nicht nur die Immobilie, sondern auch das durch die Immobilie vermittelte Unternehmen mit Arbeits- und Vertragsverhältnissen, Kunden, Marktauftritt und Inventar gehört. Typisches Beispiel hierfür ist der Kauf eines Hotels oder eines landwirtschaftlichen Betriebes. Ein Unternehmenskauf (asset deal) bringt regelmäßig deutlich umfangreichere Regelungen mit sich, insbesondere im Haftungsbereich, s. hierzu etwa Rz. 1.572 und Rz. 1.1256. Hinsichtlich der Besonderheiten des Verkaufs von Unternehmen muss an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur1 verwiesen werden. 2. Grundbuchmäßige Bezeichnung des Grundbesitzes
2.29 Der Vertragsgegenstand muss im Kaufvertrag in grundbuchmäßiger Form bezeichnet werden, § 28 GBO. Dazu sollte nicht nur das Grundbuchamt beim zuständigen Amtsgericht, sondern auch die Gemarkung, die Blattstelle und die genaue Bezeichnung des Flurstücks samt dem Beschrieb wiedergegeben werden. Nach § 21 BeurkG soll der Notar vor der Beurkundung das Grundbuch einsehen2. Diese Einsicht sollte in zeitnahem Zusammenhang mit der Beurkundung erfolgen. Die vorherige Grundbucheinsicht ist zwar nicht zwingend und ein Verstoß führt nicht zur Unwirksamkeit der Urkunde. Soll die Beurkundung stattfinden, ohne dass das Grundbuch vorher eingesehen wurde, so hat der Notar aber die Beteiligten darüber zu belehren, dass er das Grundbuch nicht eingesehen hat. Ferner sollte er die Beteiligten über die daraus folgenden Risiken belehren und dies in der Urkunde vermerken. 2.30 In der Vertragspraxis zeigen sich mitunter nicht unerhebliche Probleme bei der Bestimmung des Vertragsgegenstandes. Insbesondere bei Wohnungseigentum ist häufig das Problem anzutreffen, dass der Verkäufer Kfz-Stellplätze als sein „Eigentum“ betrachtet und mitverkaufen möchte, obwohl diese weder in seinem Sondereigentum stehen noch ein entsprechendes Sondernutzungsrecht zugewiesen wurde. Teilweise gehört dem Verkäufer auch nur ein Miteigentumsanteil an einer nicht weiter unterteilten Garagenanlage. Dabei handelt es sich häufig um Versäumnisse, die beim Erstverkauf der Wohnung vor Jahrzehnten begangen worden sind. Eine nachträgliche „Reparatur“ im Rahmen des Kaufvertrages ist regelmäßig nicht möglich, da zur Neubegründung eines Sondernutzungsrechtes die Mitwirkung aller Eigentümer und
1 Schmitz, RNotZ 2006, 561 ff.; Weigl, DNotZ 2005, 246 ff.; Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 7. Aufl. 2016; Ettinger/Jaques, Beck’sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, 2. Aufl. 2017; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 15. Aufl. 2017; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, 2003; Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, 4. Aufl. 2013; Klein-Blenkers, NZG 2006, 245 ff.; Möller, NZG 2012, 841. 2 Siehe dazu Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1029 ff.
382 Wartenburger
B. Vertragsgegenstand
Rz. 2.32 Kap. 2
regelmäßig auch aller Grundpfandrechtsgläubiger erforderlich ist (vgl. § 5 Abs. 4 WEG).1 Einfacher zu bewerkstelligen ist ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung gem. § 19 WEG. Im Kaufvertrag selbst ist dann nur noch eine Einbindung des Käufers in bestehende Vereinbarungen möglich. Die Formulierung kann wie folgt aussehen.
2.31
M8 Stellplatznutzung „Der Verkäufer erklärt, dass er in der Vergangenheit den oberirdischen KFZ-Stellplatz Nr. … gem. Einzeichnung in dem der Urkunde beigefügten Lageplan ausschließlich genutzt hat und dass diese Nutzung von den Miteigentümern und von der Hausverwaltung anerkannt worden ist. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass bezüglich dieses Stellplatzes ein Sondernutzungsrecht nicht zugewiesen bzw. die Zuweisung nicht in das Grundbuch eingetragen ist. Dem Käufer ist daher bekannt, dass dieser Stellplatz nicht Gegenstand des heutigen Kaufvertrages sein kann. Der Notar hat angeboten, die Beurkundung des Kaufvertrages zu vertagen bis geklärt ist, ob der Stellplatz nachträglich der vertragsgegenständlichen Wohnungseigentumseinheit als Sondernutzungsrecht zugewiesen werden kann. Dies wird jedoch von den Vertragsteilen nicht gewünscht. Der Verkäufer tritt vorsorglich alle Rechte, die ihm aus etwa bisher getroffenen Benutzungsregelungen und Beschlüssen zustehen, mit Wirkung zum Zeitpunkt des Besitzüberganges an den dies annehmenden Käufer ab, ohne für deren Bestand zu haften. Zum gleichen Zeitpunkt übernimmt der Käufer die aus etwaigen Nutzungsvereinbarungen resultierenden Verpflichtungen in und gegenüber der Eigentümergemeinschaft.“
Sind die Beteiligten sich über den genauen Vertragsgegenstand einig, kommt dies je- 2.32 doch in der Notarurkunde nur unzureichend oder unzutreffend zum Ausdruck, gilt der Grundsatz: „falsa demonstratio non nocet“ (unbeachtliche Falschbezeichnung). Der schuldrechtliche Kauf ist über das eigentlich gewollte Flurstück wirksam zustande gekommen. Materiell-rechtlich bezieht sich die Auflassung auf das von den Vertragsteilen „gemeinte“ Objekt2; aber wegen der Falschbezeichnung wird in der Regel die Grundbucheintragung das Objekt betreffen, das in der Urkunde genannt ist. Da Auflassung und Eintragung auseinanderfallen, geht das Eigentum weder am aufgelassenen Objekt noch am eingetragenen Objekt über. Wird der Fehler rechtzeitig bemerkt, kann eine Berichtigung der Urkunde nach § 44a Abs. 2 BeurkG vorgenommen werden, wenn die Unrichtigkeit für den Notar offensichtlich ist. Ansonsten bedarf es zum Grundbuchvollzug einer Nachtragsurkunde zur zutreffenden Bezeichnung des Vertragsgegenstandes. Zur steuerlichen Aufteilung des Vertragsgegenstandes s. Rz. 1.349 ff.
1 Zur praktischen Umsetzung vgl. Rieger, DNotZ 2020, 431. 2 Siehe auch OLG Naumburg v. 23.8.2005 – 11 U 31/05, NotBZ 2006, 215; ausführlich dazu Bergermann, RNotZ 2002, 557.
Wartenburger 383
Kap. 2 Rz. 2.33 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
II. Mitverkauf beweglicher Sachen
2.33 Die Bedeutung des Mitverkaufs beweglicher Sachen ist bei dem typischen Grundstückskaufvertrag meist gering. Die Thematik wird im Regelfall von den Beteiligten nur verfolgt, weil der auf die beweglichen Sachen entfallende Kaufpreis nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Gleichwohl sind für die beweglichen Sachen einige Besonderheiten bei der Vertragsgestaltung zu beachten. Die wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks i.S.d. § 94 BGB sind grundsätzlich mitverkauft1. Sie lassen sich grundsätzlich nicht ohne weiteres von der Hauptsache – dem Grundstück – trennen. Zubehör i.S.d. § 97 BGB sind bewegliche Sachen, die insbesondere der Hauptsache zu dienen bestimmt sind. Hierzu gehört z.B. auch das in einem Tank auf dem Vertragsgrundstück befindliche Heizöl2. Sie sind im Zweifel ebenso mitverkauft, § 311c BGB. Dinglich korrespondiert dem die Vorschrift des § 926 BGB. Die Abgrenzung kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten3. 2.34 Bei gewerblichen Objekten ist in diesem Zusammenhang auch zu klären, ob Gegenstand des Vertrages ausschließlich die Immobilie (z.B. das Hotelgrundstück, ggf. samt Inventar) oder aber der Betrieb als solcher (also das Hotel mit laufenden Vertragsverhältnissen) sein soll (s. dazu Rz. 2.28). Ferner ist bei gewerblichen Objekten darauf zu achten, dass gem. §§ 97, 98 BGB zum gesetzlichen Zubehör auch „die zum Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften“ gehören, und zwar selbst dann, wenn sie nicht im Eigentum des Verkäufers stehen4. 1. Regelfall
2.35 Im Regelfall eines Verkaufs beweglicher Sachen sind folgende Regelungsaspekte zu berücksichtigen. Checkliste: Regelungsbedarf beim Verkauf beweglicher Sachen e Bestimmte Bezeichnung der mitverkauften Sachen e Ausweis des darauf entfallenden Kaufpreises e Dingliche Einigung e Zeitpunkt der Übergabe e Haftungsausschluss bzw. -beschränkung
2.36 Im Kaufvertrag ist zu regeln, inwiefern bewegliche Sachen, insbesondere Zubehör, mitverkauft sein sollen. Wegen der Unschärfe des gesetzlichen Zubehörbegriffs sind ausdrückliche Regelungen sinnvoll. Der praktisch häufigste Anwendungsfall ist der Mitverkauf gebrauchter Einbauküchen. Diese sind im Regelfall weder wesentlicher Gebäudebestandteil noch Zubehör und werden daher nur mitverkauft, wenn sie im 1 2 3 4
Beck’sches Notarhandbuch/Herrler7, Kap. 1 § 1 Rz. 35. Grüneberg/Ellenberger81, § 97 BGB Rz. 12. Beck’sches Notarhandbuch/Herrler7, Kap. 1 § 1 Rz. 36. Münchener Kommentar/Stresemann9, § 97 BGB Rz. 24 f.
384 Wartenburger
B. Vertragsgegenstand
Rz. 2.40 Kap. 2
Vertrag ausdrücklich (möglichst unter Bezeichnung der mitverkauften Einbaugeräte) benannt sind. Sind die beweglichen Sachen nicht hinreichend bestimmt bezeichnet, so scheitert 2.37 die dingliche Übereignung am Bestimmtheitsgrundsatz. Der Käufer droht das Eigentum an den Sachen nicht zu erwerben. Ferner lassen sich nur auf diese Weise spätere Streitigkeiten darüber vermeiden, ob bestimmte bewegliche Sachen mitverkauft sind oder nicht. Die von den Beteiligten häufig gewünschte Formulierung „diverse Einbauschränke und Regale“ ist daher nicht akzeptabel. Zulässig ist aber eine sog. „All-Klausel“ (z.B. „sämtliche Regale im Keller“). Danach sind alle im Vertragsgegenstand noch befindlichen beweglichen Wirtschaftsgüter mitverkauft. Dies ist hinreichend bestimmt und genügt damit den schuldrechtlichen und dinglichen Bestimmtheitsanforderungen. Nachteil dieser Regelung ist allein die Beweisnot bei Streitigkeiten. Dann wird nachträglich darüber Beweis geführt werden müssen, ob sich die streitbefangene Sache bei Vertragsabschluss in dem Vertragsgegenstand befand oder nicht. Dieser Beweis wird regelmäßig kaum gelingen. Aus diesem Grunde sollte im Regelfall eine Inventarliste aufgestellt und zum Inhalt der Willenserklärung der Beteiligten gemacht werden. Dazu bedarf es nach § 14 BeurkG nicht der Verlesung. Sofern die Beteiligten darauf verzichten, genügt die bloße Unterzeichnung des Verzeichnisses auf jeder Seite1. Der auf die beweglichen Gegenstände entfallende Kaufpreis sollte getrennt ausge- 2.38 wiesen werden, damit das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – dem Kaufvertrag sogleich die erforderlichen Informationen entnehmen und die Grunderwerbsteuer ohne weitere Nachforschungen zutreffend erheben kann. Im Übrigen ist das Finanzamt grundsätzlich an eine angemessene Einigung der Vertragsteile über den Wert der beweglichen Gegenstände gebunden. Dies führt häufig zu Kaufpreisen für die beweglichen Sachen, die eher an der oberen Grenze der angemessenen Kaufpreisfindung liegen. Allerdings muss beim fremdfinanzierten Kauf darauf geachtet werden, dass die Grundpfandrechtsgläubiger nur den nach Abzug des Kaufpreises für bewegliche Sachen verbleibenden Rest als Beleihungswert ansetzen und damit u.U. eine ungünstigere Finanzierung angeboten wird, wenn der Kaufpreis für das Inventar zu hoch ist. Es ist klarzustellen, ob der auf die beweglichen Gegenstände entfallende Kaufpreis zu- 2.39 sätzlich zu dem sonstigen Kaufpreis zu zahlen ist oder in diesem Gesamtkaufpreis bereits enthalten ist. Ferner wird man i.d.R. vereinbaren, dass der von den Vertragsparteien vereinbarte Gesamtkaufpreis auch dann unverändert bleibt, wenn z.B. das Finanzamt den Wert der Inventargegenstände nach unten korrigiert. Dass sich die Räumungsverpflichtung des Verkäufers nicht auf die mitverkauften 2.40 beweglichen Sachen bezieht, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein, wird aber i.d.R. noch gesondert klargestellt.
1 Siehe dazu Winkler, MittBayNot 1999, 2, 18 f.; Stauf, RNotZ 2001, 129 ff.
Wartenburger 385
Kap. 2 Rz. 2.41 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.41 Die beweglichen Sachen müssen in das Eigentum des Käufers übergehen. Die dingliche Einigung wird üblicherweise bereits mit in den Kaufvertrag aufgenommen. Gleichzeitig sollten ungesicherte Vorleistungen vermieden werden. Daher steht die Einigung über den Eigentumsübergang unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (klassischer Eigentumsvorbehalt). Die Übereignung setzt nach § 929 BGB grundsätzlich Einigung und Übergabe voraus. Die Übergabe erfolgt mit der Übergabe des Grundbesitzes als solchem. Bei vermieteten Objekten erhält der Käufer des Grundbesitzes nur mittelbaren Besitz an den beweglichen Gegenständen. Dies genügt nach § 931 BGB für den Eigentumsübergang auf den Käufer. Allerdings ist in Vermietungsfällen gesteigert darauf zu achten, ob die mitverkauften Sachen (z.B. Einbauküchen) überhaupt dem Vermieter/Verkäufer gehören. 2.42 M9 Mitverkauf beweglicher Sachen Mitverkauft sind die in der Anlage 1 zu dieser Urkunde bezeichneten beweglichen Sachen. Die Anlage ist den Beteiligten nach Angabe genau bekannt, wurde von diesen durchgesehen, genehmigt und auf jeder Seite unterzeichnet, wobei auf Verlesung verzichtet wurde. Die Anlage ist wesentlicher Bestandteil dieser Urkunde. Die Beteiligten beziffern den Wert dieser beweglichen Sachen mit … Euro. Dieser Betrag ist in dem unten/oben ausgewiesenen Gesamtkaufpreis enthalten. Für die beweglichen Sachen gelten die Bestimmungen dieser Urkunde, insbesondere zum Haftungsausschluss und zum Besitzübergang, entsprechend. Leistungsstörungen bzgl. der beweglichen Sachen lassen den Grundstückskaufvertrag unberührt. Die Beteiligten sind sich über den Eigentumsübergang aller mitverkauften beweglichen Sachen, aufschiebend bedingt mit vollständiger Kaufpreiszahlung, einig.
2. Verbrauchsgüterkauf, §§ 475 ff. BGB
2.43 Für den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 BGB) gelten – soweit die notarielle Praxis berührt ist -Sonderregelungen. Diese sind durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages1 nochmals verschärft worden, und zwar – anders als der Gesetzestitel vermuten lässt – nicht nur für digitale Produkte, sondern allgemein für „Waren“ i.S.v. § 241a Abs. 1 BGB. Dies sind bewegliche Sachen, die außerhalb einer Zwangsvollstreckung oder ähnlichen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, für die notarielle Praxis also die mitverkauften beweglichen Sachen beim Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer (als Verkäufer) und einem Verbraucher (als Käufer). 2.44 Nach § 477 BGB trägt, wenn sich ein Mangel innerhalb eines Jahres ab Gefahrübergang zeigt, der Verkäufer die Beweislast dafür, dass der Mangel bei Gefahrübergang noch nicht bestand. Für Garantieerklärungen bestimmt § 479 BGB, dass die1 Gesetz v. 30.6.2021, BGBl. I 2021, 2133.
386 Wartenburger
B. Vertragsgegenstand
Rz. 2.45 Kap. 2
se einfach und verständlich abgefasst sein und bestimmte Mindestangaben enthalten müssen. Im Verhältnis zwischen den Vertragsteilen bleibt ein Verstoß gegen diese Vorschrift freilich grundsätzlich ohne Rechtsfolgen1. Gemäß § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt im Bereich des Verbrauchsgüterkaufes die Regelung des § 442 BGB nicht, d.h. die Berufung auf einen Mangel ist nicht durch bloße Kenntnis des Mangels ausgeschlossen, sondern nur, wenn das formale Verfahren des § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB beachtet wurde.2 Diese Änderung dürfte für die Gestaltungspraxis eine große Rolle spielen. Zunächst hat der Verkäufer zu ermitteln, inwiefern seine Ware von den objektiven Qualitätsanforderungen abweicht. Hierüber hat er sodann den Verbraucher „eigens in Kenntnis zu setzen“. Dies bedarf zwar keiner bestimmten Form, aber die Erklärung muss sich auf bestimmte Merkmale beziehen und darf nicht in einer allgemeinen Produktbeschreibung „versteckt“ werden.3 Schließlich muss die Abweichung „ausdrücklich und gesondert“ vereinbart werden. Der Gesetzgeber hatte hierbei wohl an gesonderte Schaltflächen gedacht, die im Rahmen eines Onlinekaufs gesondert angeklickt werden müssen.4 Wie im Rahmen einer notariellen Beurkundung, die aufgrund zwingender verfahrensrechtlicher Bestimmungen einheitlich (mit der Unterschrift des Notars) wirksam wird, eine „gesonderte“ Vereinbarung herbeigeführt werden kann, ist nicht abschließend geklärt. Denkbar wäre die Aufnahme dieser Vereinbarungen in eine Anlage zur Urkunde (mitverlesene Anlage i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), die – obwohl beurkundungsrechtlich nicht erforderlich – vom Käufer gesondert unterzeichnet wird. Die Auslagerung einer solchen Vereinbarung in eine Bezugsurkunde gem. § 13a BeurkG dürfte den Anforderungen von § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entsprechen. § 476 BGB erklärt zahlreiche Bestimmungen des Verbrauchsgüterkaufs als zwingen- 2.45 des Recht. Danach sind die Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf sämtlich sowie weitere Vorschriften des allgemeinen Kaufrechts unabdingbar. Ausgeschlossen sind im Kaufvertrag insbesondere Vereinbarungen zulasten des Käufers über dessen Rechte und Ansprüche – mit Ausnahme von Schadensersatzansprüchen – wegen Sach- und Rechtsmängeln. Möglich sind solche Vereinbarungen erst nach Mitteilung des Mangels an den Verkäufer und damit in der Praxis des Grundstückskaufs nur im Wege der Nachtragsbeurkundung. Ausnahmsweise möglich ist im Kaufvertrag die Verkürzung der Verjährung von Rechten und Ansprüchen des Käufers wegen Mängeln auf mindestens zwei Jahre bei neuen und ein Jahr bei gebrauchten Sachen, § 476 Abs. 2 BGB. Für die Verkürzung der Verjährung gelten ähnliche formale Hürden wie bei der Vereinbarung einer negativen Beschaffenheit, vgl. vorstehend Rz. 2.44.5 Die Auffassung,
1 Zum Gebot der verbraucherfreundlichen Auslegung vgl. Münchener Kommentar/S. Lorenz8, § 479 BGB Rz. 11. 2 Lorenz, NJW 2022, 1337. 3 Lorenz, NJW 2021, 2065 Rz. 56. 4 Zur technischen Umsetzung im Onlinegeschäft vgl. Güster/Booke, MMR 2022, 92. 5 Zur offenen Frage der Europarechtskonformität vgl. Rapp, NJW 2021, 969 Rz. 26.
Wartenburger 387
Kap. 2 Rz. 2.45 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
eine Verjährungsverkürzung sei in AGB nicht möglich1, dürfte zu weit gehen. Eine „ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung“ ist sehr wohl auch in AGB möglich. Gemäß § 310 Abs. 3 BGB gilt im Verbrauchsgüterkauf praktisch alles, was der Verkäufer vorgibt, als AGB, sofern er dies nicht ernsthaft zur Disposition stellt. § 476 Abs. 2 BGB verlangt aber nicht, dass der Verkäufer die Verkürzung der Verjährung inhaltlich zur Disposition stellt, sondern lediglich, dass sie dem Verbraucher nicht im Rahmen einer umfassenderen Vereinbarung untergeschoben wird.
2.46 Möglich sind Vereinbarungen über Schadensersatzansprüche des Käufers sowie über die Rechtsfolgen von nicht in mangelhafter Lieferung bestehenden Pflichtverletzungen des Verkäufers. Im Anwendungsbereich des AGB-Rechts sind freilich zusätzlich die dort geltenden Klauselverbote zu beachten, § 476 Abs. 3 BGB, vgl. dazu das Vertragsmuster M13, Rz. 2.91. Enthalten die verkauften Sachen auch digitale Elemente (die Definitionen hierzu finden sich in den §§ 327a Abs. 3, 327 Abs. 1 und Abs. 2), greifen gem. § 475b BGB weitere Verpflichtungen ein, insbesondere die Aktualisierungspflicht bezüglich der digitalen Bestandteile die – überraschenderweise – nicht den Hersteller, sondern den Verkäufer des Produktes trifft. 3. Vertragsgestaltung im Hinblick auf eine Verkäuferinsolvenz Literatur: Piegsa, Der Grundstückskaufvertrag in der Insolvenz des Verkäufers, RNotZ 2010, 433; Schulte-Thoma, Zubehörveräußerung bei Grundstückskaufverträgen, RNotZ 2004, 61 ff.
2.47 Die wichtigste Norm des Insolvenzschutzes beim Grundstückskaufvertrag besteht in § 106 InsO. Nach § 106 InsO ist ein durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichertes Recht insolvenzfest. Der Insolvenzverwalter hat hinsichtlich des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs nicht das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO. § 106 InsO schützt jedoch nur Ansprüche, die sich auf ein eintragungsfähiges, dingliches Recht beziehen, wie insbesondere die Übertragung des Eigentums, die Einräumung eines Nießbrauchs oder eines Grundpfandrechtes – jeweils bezogen auf Grundbesitz. Andere schuldrechtliche Ansprüche aus dem Kauf, wie die Verpflichtung zur Erfüllung oder Beseitigung eines Mietvertrages, werden hiervon nicht erfasst. Auch andere im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Einräumung eines Rechts an einem Grundstück zusammenhängende Ansprüche werden von § 106 InsO nicht erfasst2, § 106 Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Schutzumfang des § 106 InsO bezieht sich generell nicht auf mitverkaufte bewegliche Sachen. 2.48 Beispiel: Ein Grundstück wird mit üblicher Auflassungsvormerkung verkauft, zusätzlich werden jedoch im Rahmen eines einheitlichen Unternehmenskaufvertrages Maschinen, Verträge und derartiges mitverkauft. Der auf die beweglichen Sachen entfallende Kaufpreis beträgt zusätz-
1 So Lorenz, NJW 2021, 2065 (2073). 2 Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, S. 51.
388 Wartenburger
B. Vertragsgegenstand
Rz. 2.52 Kap. 2
liche 300.000 Euro, der Kaufpreis für das Grundstück nur 100.000 Euro. Der Kaufpreis wird im November 2008 fällig, das Insolvenzverfahren wird noch im September 2008 eröffnet – nach Eintragung der Auflassungsvormerkung. Erwirbt der Käufer Eigentum an den beweglichen Sachen? Kann der Insolvenzverwalter von seinem Wahlrecht des § 103 InsO bezüglich der mitverkauften beweglichen Sachen Gebrauch machen?
Hinsichtlich des verkauften Grundstücks greift zweifellos der Vormerkungsschutz 2.49 des § 106 InsO ein. Fraglich ist der Erwerb der beweglichen Sachen. Nach einer teilweise vertretenen Auffassung umfasst der Vormerkungsschutz des § 883 BGB nicht nur das Grundstück, sondern auch Zubehör1. Die Gegenansicht führt an, dass die §§ 106 Abs. 1 Satz 2, 107 InsO den insolvenzfesten Erwerb von beweglichen Sachen abschließend regeln. Jedenfalls für solche beweglichen Sachen, die kein Zubehör sind, sind dagegen weitere Maßnahmen erforderlich. Gemäß §§ 80, 81 InsO hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2.50 die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verloren. Dies ist nur dann unschädlich, wenn die Verfügungsbefugnis erst nach dem letzten zum Eigentumsübergang erforderlichen Teilakt verloren gegangen ist2. Verfügungen die der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse vornimmt, sind hingegen unwirksam. Einen gutgläubigen Erwerb sieht § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO lediglich für unbewegliche Sachen vor, nicht hingegen für bewegliche Sachen3. Im Beispielsfall ist das Eigentum bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht 2.51 übergegangen. Da im Regelfall auch der Besitz erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung übergeben wird und (im Beispielsfall) das Insolvenzverfahren noch vor vollständiger Kaufpreiszahlung eröffnet war, liegt zur Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nur eine aufschiebend bedingte Übereignung vor4. In diesem Fall hat der Insolvenzschuldner seine Verfügungsbefugnis vor Vollendung des Rechtserwerbs verloren. Dem ließe sich entgegenhalten, dass nach § 161 Abs. 1 Satz 2 BGB aufschiebend bedingte Verfügungen auch gegen beeinträchtigende Zwischenverfügungen des Insolvenzverwalters und gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung abgesichert sind. Daraus lässt sich jedoch nicht zwingend ableiten, dass aufschiebend bedingte Übereignungen und Abtretungen i.S.d. § 161 Abs. 1 BGB automatisch insolvenzfest seien5. Für den Verkauf unter Eigentumsvorbehalt in der Verkäuferinsolvenz kann der Vor- 2.52 behaltskäufer gem. § 107 Abs. 1 InsO Erfüllung des Kaufvertrages trotz § 103 InsO verlangen, wenn der Verkäufer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein 1 Grüneberg/Herrler81, § 883 BGB Rz. 20 m.w.N.; Piegsa, RNotZ 2010, 433 (444); Staudinger/Kesseler (2020) § 883 BGB Rz. 316 ff. 2 Vgl. auch Uhlenbruck/Mock15, § 81 InsO Rz. 22. 3 Vgl. zum ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen Uhlenbruck/Mock15, § 81 InsO Rz. 36. 4 BGH v. 22.2.1956 – IV ZR 164/55, BGHZ 20, 88; vgl. auch BGH v. 21.9.1959 – III ZR 103/58, BGHZ 30, 374; Grüneberg/Herrler81, § 929 BGB Rz. 8. 5 Ebenso Münchener Kommentar/Westermann9, § 161 BGB Rz. 14.
Wartenburger 389
Kap. 2 Rz. 2.52 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Vermögen eine bewegliche Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft und dem Käufer den Besitz an der Sache übertragen hat. Nach § 107 Abs. 1 InsO ist Voraussetzung für den Insolvenzschutz des Käufers beweglicher Sachen nicht nur der Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrages vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch die Erklärung der dinglichen Einigung unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung, §§ 929, 158 Abs. 1 BGB1. Liegen diese Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 InsO vor, so wird das Anwartschaftsrecht des Käufers dem Verwalterwahlrecht des § 103 InsO entzogen und damit insolvenzfest. Der Käufer behält damit die Möglichkeit, durch vollständige Kaufpreiszahlung den Bedingungseintritt herbeizuführen2.
2.53 Um dem Käufer einen angemessenen Insolvenzschutz auch hinsichtlich der mitverkauften beweglichen Sachen zukommen zu lassen, ist es zumindest in kritischen Fällen erforderlich, den Besitzübergang nicht erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung eintreten zu lassen. Nach wohl h.M. genügt für den Besitzübergang i.S.d. § 107 Abs. 1 InsO trotz des unklaren Wortlauts jede Form von Besitzverschaffung, also auch die Verschaffung mittelbaren Besitzes3. Es sollte daher im Einzelfall bei entsprechenden Verträgen der sofortige Besitzübergang im Sinne eines Besitzkonstitutes gem. § 930 BGB vereinbart werden, so dass ab Beurkundung des notariellen Kaufvertrages bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung der Verkäufer die beweglichen Sachen unentgeltlich für den Käufer verwahrt. Alternativ wäre die sofortige Eigentumsübertragung unter auflösender Bedingung (z.B. des verkäuferseitigen Rücktritts wegen Zahlungsverzugs) möglich.4 2.54 M10 Einigung, Besitzübergang hinsichtlich der beweglichen Sachen Käufer und Verkäufer sind sich über den Eigentumsübergang der mitverkauften beweglichen Sachen aufschiebend bedingt auf die vollständige Kaufpreiszahlung einig. Hinsichtlich der mitverkauften beweglichen Sachen vereinbaren Verkäufer und Käufer bereits heute, dass der mittelbare Besitz ab sofort auf den Käufer übergeht, also schon vor vollständiger Kaufpreiszahlung. Der Verkäufer ist unentgeltlich weiterhin zur uneingeschränkten Nutzung der mitverkauften beweglichen Sachen befugt. Er verwahrt diese bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung unentgeltlich für den Käufer. Zug um Zug mit vollständiger Kaufpreiszahlung ist der Verkäufer verpflichtet, den unmittelbaren Besitz dem Käufer zu verschaffen. Die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung trägt bis zum Übergang des unmittelbaren Besitzes noch der Verkäufer.
1 Marotzke, JZ 1995, 803 (805). 2 Marotzke, JZ 1995, 803 (810). 3 Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, § 2 Rz. 120; Piegsa, RNotZ 2010, 444. 4 Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, § 2 Rz. 120.
390 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.72 Kap. 2
Um einen Gleichlauf von Immobilie und beweglichen Wirtschaftsgütern zu ge- 2.55 währleisten, kann die Insolvenzsicherung hinsichtlich der beweglichen Sachen aufschiebend bedingt auf die Eintragung der Auflassungsvormerkung erfolgen.
2.56
M11 Besitzkonstitut hinsichtlich der beweglichen Sachen im Gleichlauf mit Vormerkung Die Vereinbarung des Besitzkonstituts erfolgt aufschiebend bedingt auf die Eintragung der oben bewilligten Auflassungsvormerkung in das Grundbuch.
Einstweilen frei.
2.57–2.70
C. Vertragsparteien Literatur: Böhr, Verbraucher und Unternehmer in der notariellen Praxis, RNotZ 2003, 277; Dubovitskaya/Weitemeyer, Kündigung wegen Eigenbedarfs durch eine GbR und Versäumnisse beim Alternativwohnungserbieten, NZM 2017, 201; Grziwotz, Mehr Verbraucherschutz – der neue § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG, notar 2013, 343; Krebs, Verbraucher, Unternehmer oder Zivilpersonen, DB 2002, 517; Selk, Eigenbedarf der GbR und Ende einer Ära: Pflichtverletzung des Vermieters beim Anbieten einer Alternativwohnung, NJW 2017, 521; Struck, Der Verbraucher-/Unternehmerbegriff im BGB, MittBayNot 2003, 259.
I. Käufer und Verkäufer 1. Bestimmung der richtigen Vertragspartei Überraschend viele Probleme bereitet bei vielen Kaufverträgen bereits die zutreffen- 2.71 de Identifizierung der Vertragsparteien. Eine unreflektierte Übernahme der Angaben der Vertragsparteien oder Dritter (z.B. Makler) kann hierbei zu erheblichen Problemen führen. 2. Güterstand Besondere Beachtung verdient dabei bei verheirateten Vertragsparteien das eheliche 2.72 Güterrecht auf Käufer- und Verkäuferseite. Auf der Verkäuferseite kann es vorkommen, dass der Ehegatte – auch ohne im Grundbuch eingetragen zu sein – eine Eigentümerposition erlangt hat und daher beim Verkauf mitwirken muss. Dies ist insbesondere der Fall bei Ehegatten, die in Gütergemeinschaft verheiratet sind. Zwar kommt dieser Güterstand in Deutschland – zumindest außerhalb des ländlichen Raumes – nur noch selten vor. Zahlreiche ausländische Rechtsordnungen haben jedoch das Modell der „Errungenschaftsgemeinschaft“ übernommen, so dass auch hier mit einem Gesamtgut zu rechnen ist. Im gesetzlichen Güterstand nach deutschem Recht kann die Zustimmung des Ehegatten nach § 1365 BGB erforderlich sein, wenn der veräußernde Alleineigentümer mit dem Verkauf über sein nahezu gesamtes Vermögen verfügt. Ferner ist die Mitwirkung des Ehegatten wichtig, Wartenburger 391
Kap. 2 Rz. 2.72 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
wenn dieser neben dem Verkäufer die verkauften Räume bewohnt und eine Räumung beabsichtigt ist.
2.73 Die Problematik der Güter- oder Errungenschaftsgemeinschaft stellt sich in gleicher Weise auf der Käuferseite, da bei unterlassener Miteintragung des Ehegatten u.U. ein inhaltlich unzutreffender Grundbucheintrag entstehen würde. 3. Steuerliche Zuordnung
2.74 Häufig übersehen wird zudem, dass die Zuordnung des Erwerbsobjektes zum einen oder anderen Ehegatten oder zum Miteigentum beider Ehegatten nicht nur erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat (z.B. im Scheidungsfall), sondern auch steuerlich relevant ist. Zu beachten sind dabei sowohl ertragsteuerliche Ansatzpunkte (Vermeidung der Betriebsaufspaltung oder Zuordnung der Immobilie zum (Sonder-)Betriebsvermögen bei späterer Nutzung durch das Unternehmen eines Ehegatten) als auch erbschaftsteuerliche Probleme. Hierzu gehört insbesondere: – die Gefahr einer steuerpflichtigen Schenkung, wenn eine Immobilie zum Miteigentum erworben wird, die hierzu erforderlichen Eigenmittel aber allein von einem Ehegatten aufgebracht werden; – die Gefahr einer künftigen Erbschaftsteuerbelastung, wenn der Erwerb in der Hand eines Ehegatten konzentriert wird und daher z.B. die steuerlichen Freibeträge der Kinder im Verhältnis zum anderen Ehegatten mangels Masse nicht genutzt werden können.
2.75 Besondere Probleme ergeben sich, wenn nicht verheiratete Paare gemeinsam eine Immobilie erwerben möchten. Der schenkungsteuerliche Spielraum bei der Zuordnung der Eigentumsverhältnisse im Vergleich zum Finanzierungsbeitrag ist angesichts des Freibetrages von 20.000 t denkbar gering; spätere Korrekturen lösen im Fall der Übertragung von Miteigentumsanteilen erneute beurkundungspflichtige und auch grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge aus. Dem kann vielfach begegnet werden, indem die Lebensgefährten die Immobilie mittels einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erwerben. 2.76 M12 Kaufvertrag: Ergänzungen beim Erwerb „in GbR“ Im Urkundeneingang: Herr A und Frau B handeln hierbei jeweils sowohl im eigenen Namen als auch für die mit dieser Urkunde gegründete A und B GbR mit dem Sitz in … (Anschrift …) als deren Gesellschafter.
Bei der Verkaufsabrede [Verkäufer] verkauft hiermit den [Vertragsgegenstand] an die hiermit gegründete A und B GbR mit dem Sitz in … (nachstehend als „Käufer“ bezeichnet), bestehend aus den Gesellschaftern A und B, zum Alleineigentum. 392 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.77 Kap. 2
An der A und B GbR sind beteiligt: Herr A mit einem Gesellschaftsanteil von 50 % und Frau B mit einem Gesellschaftsanteil von 50 %. Die organschaftliche Vertretung der GbR ist ausgeschlossen, so dass diese nur durch gemeinschaftliche Erklärung der beiden Gesellschafter wirksam verpflichtet werden kann. Im Übrigen gilt für die GbR zunächst das dispositive Gesetzesrecht.
Beim Kaufpreis: Hiermit treten den schuldrechtlichen Verpflichtungen der erwerbenden A und B GbR aus dieser Urkunde ihre Gesellschafter, A und B, bei und übernehmen – unabhängig von ihrer ggf. gesellschaftsrechtlich bestehenden Haftung – als Gesamtschuldner alle Verpflichtungen des Käufers auch persönlich. Die A und B GbR sowie ihre Gesellschafter A und B unterwerfen sich wegen der Pflicht, den Kaufpreis zu bezahlen, der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Vollstreckbare Ausfertigung darf ohne weitere Nachweise erteilt werden, jedoch nur nach Maßgabe des nachfolgend genannten Mitteilungsschreibens des Notars und mit der Maßgabe, dass die Zwangsvollstreckung nur Zug um Zug gegen Übergabe des geräumten Besitzes zulässig ist. Die Gesellschafter A und B haften im Verhältnis zueinander als Gesamtschuldner; im Verhältnis zur A und B GbR – sofern diese existiert und wirksam vertreten ist – akzessorisch. Hinweis: Die vorstehende Formulierung ermöglicht einen Erwerb durch eine zuvor nicht bestehende GbR, ohne dass der Kaufvertrag mit weiteren Einzelheiten über das Innenverhältnis der GbR-Gesellschafter belastet wird. Die weiteren Einzelheiten können dann zwischen den Gesellschaftern der GbR noch in einem späteren Vertrag geregelt werden und betreffen den Verkäufer nicht. Sofern zwischen den Gesellschaftern kein persönliches Näheverhältnis besteht, sollten diese Fragen jedoch dringend schon vor Abschluss des Kaufvertrages in einem gesonderten GbR-Vertrag geregelt werden. Der Abschluss und die Änderung des Gesellschaftsvertrages einer GbR sind grds. beurkundungsfrei möglich. Ausnahmen bestehen, wenn sich ein Gesellschafter zur Einbringung einer Immobilie verpflichtet oder wenn sich die Gesellschafter gegenseitig zum Erwerb einer bestimmten Immobilie verpflichten (bei dem Gesellschaftszweck „Erwerb und Verwaltung von Immobilien“ wird dies aber regelmäßig nicht der Fall sein).
Spätere Anteilsverschiebungen sind in diesem Fall beurkundungsfrei; auch fällt hier- 2.77 für außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a, 5 Abs. 3 GrEStG keine Grunderwerbsteuer an. Mit der jüngeren Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass auch eine GbR eine sog. Eigenbedarfskündigung von Mietverhältnissen aussprechen darf, womit der einzige echte Nachteil der GbR gegenüber der Miteigentümergemeinschaft weggefallen ist1. Mit Inkrafttreten des Mo1 BGH v. 15.3.2017 – VIII ZR 92/16, NJW-RR 2017, 583; dazu Dubovitskaya/Weitemeyer, NZM 2017, 201; kritisch Selk, NJW 2017, 521; anders zur GmbH & Co. KG: BGH v. 15.12.2010 – VIII ZR 210/10, MDR 2011, 215 = NJW 2011, 993 = DStR 2011, 633 = ZfIR 2011, 251.
Wartenburger 393
Kap. 2 Rz. 2.77 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
PeG zum 1.1.2024 kann eine GbR nur noch dann als Eigentümerin oder sonstige Rechtsinhaberin in das Grundbuch eingetragen werden, wenn sie zuvor in das Gesellschaftsregister eingetragen wurde (§ 47 Abs. 2 GBO n.F., zum Übergangsrecht für vor diesem Zeitpunkt bestehende Grundbucheintragungen vgl. Art. 229 § 21 EGBGB). Die GbR wird damit auch verpflichtet, ihre wirtschaftlich Berechtigten in das Transparenzregister einzutragen (§ 20 Abs. 1 GWG; die durch das MoPeG eingeführte Ausnahme in § 20 Abs. 2 Nr. 6 GWG ist gegenstandslos, da die sog. Fiktionswirkung anderweitiger Registereintragungen bereits zum 1.8.2021 abgeschafft wurde).
2.78 Auf beiden Vertragsseiten können sich besondere Probleme ergeben, wenn Parteien nicht für sich selbst handeln können, also bei der Beteiligung von juristischen Personen, Personengesellschaften, geschäftsunfähigen/beschränkt geschäftsfähigen oder unter Betreuung stehenden Personen. Hierbei ist zwischen Verkäufer- und Käuferseite zu unterscheiden: – Handelt z.B. auf der Käuferseite eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, deren Existenz oder Vertretungsverhältnisse nicht grundbuchtauglich nachgewiesen werden können, so würde das Grundbuchamt im Rahmen der gewöhnlichen Vertragsabwicklung zwar eine Auflassungsvormerkung eintragen (hierzu genügt die Bewilligung des Veräußerers); die spätere Eigentumsumschreibung nach Kaufpreiszahlung würde jedoch scheitern, wenn der Nachweis über eine wirksame Auflassung nicht geführt werden kann; auch eine Löschung der Vormerkung aufgrund Bewilligung des Käufers wäre nicht vollziehbar, weil dafür die Bewilligung des (ordnungsgemäß vertretenen) Käufers erforderlich wäre. – Ergeben sich dieselben Probleme auf der Verkäuferseite, so würde das Vollzugsproblem bereits bei der Eintragung der Auflassungsvormerkung bzw. Bestellung der Finanzierungsgrundschuld auftreten, so dass evtl. ein zwar materiell-rechtlich wirksamer, aber nicht vollziehbarer Kaufvertrag zustande kommt. II. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen
2.79 Von einem Verbrauchervertrag spricht man, wenn beim Abschluss eines Vertrages ein Vertragsteil als Unternehmer, der andere Vertragsteil als Verbraucher handelt (vgl. § 310 Abs. 3 BGB). 2.80 Der Verbraucher- und der Unternehmerbegriff sind inzwischen Kernbegriffe des deutschen Rechts geworden. Sie sind in §§ 13, 14 BGB geregelt. Einerseits beruhen sie auf europarechtlichen Vorgaben und setzen damit Europarecht in nationales Recht um, teilweise sind sie aber auch originäres deutsches Recht, das unabhängig von europarechtlichen Vorgaben Anwendung findet. Letzteres ist dann der Fall, wenn der nationale Gesetzgeber auf den Verbraucherbegriff abstellt und nationale Verbraucherschutznormen aufstellt, ohne hierzu europarechtlich gezwungen zu sein. Dies ist beispielsweise bei der Regelung in § 17 Abs. 2a BeurkG der Fall. 2.81 Verbraucher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen be394 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.84 Kap. 2
ruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Maßgeblich ist dabei die konkrete Zweckrichtung des einzelnen Vertrages, so dass auch der Einzelunternehmer oder Freiberufler bei Verträgen mit privater Zweckrichtung dem Verbraucherschutzrecht unterliegen kann. Verfolgt ein Rechtsgeschäft gemischte Zwecke (sog. Dual-Use-Geschäfte), so kommt es nach der nunmehrigen gesetzlichen Regelung auf den überwiegenden Charakter an1. Der EuGH2 vertritt für die Frage des Verbrauchergerichtsstandes die strengere Auffassung, wonach jede gewerbliche Mitveranlassung schädlich ist. Nach Meinung des BGH3 kann auch eine GbR Verbraucher sein und damit dem 2.82 Verbraucherschutzrecht unterliegen4, obwohl § 13 BGB dem Wortlaut nach nur natürliche Personen als Verbraucher definiert. Ob einzelne oder alle Gesellschafter im Übrigen außerhalb der GbR eine unternehmerische Tätigkeit entfalten, ist nach Meinung des BGH irrelevant5. BGB-Gesellschafter, die sich zum Zweck der Errichtung und Veräußerung einer Wohnungseigentumsanlage zusammentun, sind hingegen Unternehmer i.S.v. § 14 BGB; der Wohnungserwerber ist auch dann Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, wenn es sich um eine Kapitalanlage handelt6 und er vermieten möchte. Auch wenn der Wortlaut des § 13 BGB, erst recht in Gegenüberstellung zu § 14 Abs. 2 BGB, kaum einen Spielraum für eine analoge Anwendung des Verbraucherschutzrechtes auf die teilrechtsfähige Außen-GbR zu lassen scheint, wird etwas anderes jedenfalls dann nicht vertretbar sein, wenn an der GbR ausschließlich Verbraucher beteiligt sind. Es kann z.B. für die Anwendung des § 17 Abs. 2a BeurkG nicht ernsthaft einen Unterschied machen, ob Lebensgefährten eine gemeinsame Wohnung „zum Miteigentum“ oder „in GbR“ erwerben. Auch die (teilrechtsfähige) Wohnungseigentümergemeinschaft soll als Verbraucher gelten7. Auch der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer wird von der h.M. als Verbraucher 2.83 angesehen8, es sei denn er handelt im Namen und für die GmbH. Problematisch ist die Frage, ob das Verbraucherschutzrecht über § 13 BGB auch dann 2.84 zur Anwendung kommt, wenn ein Verbraucher sich durch einen Unternehmer vertreten lässt oder umgekehrt § 13 BGB auch dann Anwendung findet, wenn ein Un1 BeckOK BGB/Bamberger, § 13 BGB Rz. 38. 2 EuGH v. 20.1.2005 – C-464/01, NJW 2005, 653; dazu BeckOK BGB/Bamberger, § 13 BGB Rz. 39. 3 BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, MDR 2002, 222 = NJW 2002, 368 = DStR 2002, 141 = ZfIR 2002, 23 = DNotZ 2002, 528. 4 Vgl. auch Dauner-Lieb/Dötsch, DB 2003, 1666. Kritisch hingegen Münchener Kommentar/ Micklitz9, § 13 BGB Rz. 18; Krebs, DB 2002, 517. 5 BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, MDR 2002, 222 = NJW 2002, 368 = DStR 2002, 141 = ZfIR 2002, 23 = DNotZ 2002, 528. 6 OLG Koblenz v. 17.10.2002 – 5 U 263/02, BauR 2003, 546 = ZfIR 2002, 897. 7 BGH v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, MDR 2015, 575 = NZG 2015, 905 = ZfIR 2015, 438. 8 BGH v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = MDR 1996, 890 = NJW 1996, 2156; v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, MDR 2000, 1235 = NJW 2000, 3133 = DB 2000, 1809; vgl. dazu Dauner-Lieb/Dötsch, DB 2003, 1666 ff.; kritisch auch Hänlein, DB 2001, 1185 ff.
Wartenburger 395
Kap. 2 Rz. 2.84 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
ternehmer sich durch einen Verbraucher vertreten lässt1. Richtigerweise kommt es hier stets auf die Verhältnisse des Vertretenen an2. Dies folgt aus der Wirkung der Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Rechtsfolgen unmittelbar beim Vertretenen eintreten lässt. Auch § 165 BGB lässt diesen Gedanken anklingen, indem es die Schutzbestimmungen für beschränkt Geschäftsfähige nicht anwendet, wenn nur der Vertreter beschränkt geschäftsfähig ist, nicht aber der Vertretene. Dem liegt folgender Gedanke zugrunde. Lässt der Unternehmer sich von einem Verbraucher vertreten, so ist er nicht schutzbedürftig, denn er wird sich seinen Vertreter schon mit der im Geschäftsverkehr üblichen Sorgfalt ausgesucht haben. Lässt sich aber der Verbraucher durch einen Unternehmer vertreten, so mag der Unternehmer mit entsprechender Professionalität für den Verbraucher handeln. Sicher ist dies jedoch nicht. Das besondere Schutzbedürfnis kann sich insbesondere darin äußern, dass er gerade einen nicht vertrauenswürdigen Unternehmer mit der Vertretung beauftragt hat. Dies kann insbesondere bei den sog. Strukturvertriebsfällen zutreffen, wenn der Verbraucher-Käufer den gewerblich handelnden Makler mit der Vertragsabwicklung beauftragt und bevollmächtigt.
2.85 Ähnliche Fragen stellen sich beim Testamentsvollstrecker oder beim Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Privatperson bzw. bei einer Insolvenz eines Unternehmers mit einer Privat- und einer Unternehmenssphäre. 2.86 Problematisch ist schließlich die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzregelungen auf sog. Existenzgründer, die den Vertragsabschluss im Zusammenhang mit der Gründung eines Gewerbes oder einer sonstigen selbständigen beruflichen Tätigkeit abschließen. Für das Verbraucherkreditrecht findet sich eine spezielle Regelung nunmehr in § 513 BGB, wonach die Schutznormen auch für Verträge mit Existenzgründern bis zu einem Nettodarlehensbetrag/Barzahlungspreis von 75.000 t Anwendung finden. Diese Spezialnorm spricht dafür, dass außerhalb der §§ 491 ff. BGB Existenzgründer nicht unter den Verbraucherbegriff zu fassen sind3. Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung die Erstreckung des sonstigen Verbraucherschutzrechtes auf Existenzgründer abgelehnt4; die Frage ist jedoch nach wie vor als umstritten anzusehen5. 2.87 Im Übrigen muss sich jeder hinsichtlich seiner eigenen Eigenschaft an einem von ihm gesetzten Rechtsschein festhalten lassen. Wer sich also als Unternehmer geriert, wird als solcher behandelt6.
1 Vgl. dazu Masuch, BB 2003, Beilage 6, 16 ff. 2 BeckOK BGB/Bamberger, § 13 BGB Rz. 25; Ebenso Münchener Kommentar/Micklitz9, § 13 BGB Rz. 27 ff. m.w.N. 3 BeckOK BGB/Möller, § 513 BGB Rz. 2. 4 BGH v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, NJW 2005, 1273 = DB 2005, 1375 = DNotZ 2005, 680; EuGH v. 3.7.1997 – Rs. C-269/95 – Benincasa vs. Dentalkit, EWS 1997, 270 = RiW 1997, 775 = WM 1997, 1549. 5 Ausführlich zum Streitstand Münchener Kommentar/Micklitz9, § 13 BGB Rz. 62 ff. 6 BGH v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, MDR 2005, 503 = NJW 2005, 1045 = DB 2005, 718 = DNotZ 2005, 611.
396 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.90 Kap. 2
Inwieweit nationale steuerliche Maßstäbe für die Grenzziehung zwischen privater 2.88 Vermögensverwaltung und gewerblicher Betätigung herangezogen werden können, erscheint zweifelhaft. Der EuGH wird in Zukunft eigene Kriterien für eine entsprechende Abgrenzung entwickeln. Bis dahin mag man die steuerlichen Grundsätze, insbesondere zum gewerblichen Grundstückshandel entsprechend heranziehen. Die Tatsache, dass eine Vertragspartei nicht als Verbraucher in dem Sinne anzuse- 2.89 hen ist, macht sie noch nicht automatisch zum Unternehmer. Vielmehr gibt es Konstellationen, in denen eine Vertragspartei weder als Verbraucher noch als Unternehmer handelt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Einordnung der öffentlichen Hand, die gerade im Grundstücksverkehr eine erhebliche Rolle spielt. Richtigerweise ist die öffentliche Hand jedenfalls dann „Unternehmer“, wenn sie entgeltliche Leistungen am Markt anbietet und sich hierfür der privatrechtlichen Form bedient. Verkauft also beispielsweise eine Gemeinde Baugrundstücke zur Wohnnutzung, so handelt sie als „Unternehmer“, der Erwerber als „Verbraucher“, so dass insgesamt ein Verbrauchervertrag vorliegt. Erwirbt dagegen die Gemeinde ein Grundstück zur Anlegung einer öffentlichen Verkehrsfläche, so tritt sie nicht am Markt mit Leistungen auf, sondern erfüllt eine hoheitliche Aufgabe. Es liegt daher (unabhängig davon, ob der Veräußerer Privatmann, Landwirt oder Gewerbetreibender ist) kein Verbrauchervertrag vor.
2.90
Checkliste: Besonderheiten beim Verbrauchervertrag Folgende Besonderheiten sind beim Verbrauchervertrag zu berücksichtigen: e Zweiwochenfrist für die Entwurfsübersendung, § 17 BeurkG, e Besondere Anforderungen an die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens (Stell-
vertretung; Beurkundung über Angebot-Annahme), e Verbrauchsgüterkauf beim (Mit-)Verkauf beweglicher Sachen, §§ 475 ff. BGB, e Widerrufsrecht bei verbundenen Geschäften, § 358 BGB, bei Grundstücken nach
dessen Abs. 3 Satz 3 allerdings nur bei qualifizierter Mitwirkung des Kreditgebers, e Anwendbarkeit der § 305 ff. BGB, auch wenn der Vertrag nur zum einmaligen Ge-
brauch gedacht ist oder die Regelungen von einem neutralen Dritten wie dem Notar gestellt werden, § 310 Abs. 3 BGB; daher insbesondere: e beschränkte Zulässigkeit von Schadenspauschalierungen, e keine Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts des § 320 BGB (reine Zug-um-
Zug-Abwicklung), e Beschränkung der Bindungsfrist für Angebote etc.; hierzu geht die Rechtspre-
chung des BGH davon aus, dass § 147 Abs. 2 BGB für den Verkauf einer bereits hergestellten Eigentumswohnung eine „Regelbindungsfrist“ von vier Wochen enthält. Eine Bestimmung im Angebot eines Verbrauchers zum Abschluss eines Verbrauchervertrages, welche diesen über einen längeren Zeitraum binden soll, kann sich im Rahmen der Klauselkontrolle nach § 308 Nr. 1 BGB als unwirksam erweisen. Anstelle der im Angebot enthaltenen Frist gilt dann wieder die gesetzliWartenburger 397
Kap. 2 Rz. 2.90 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
che „Regelfrist“. Nimmt der Unternehmer das Angebot nach Ablauf dieser Frist an, bedeutet dies gem. § 150 Abs. 1 BGB ein erneutes Angebot. In der weiteren Abwicklung des Vertrages einschließlich Kaufpreiszahlung und Grundbuchvollzug liegt mangels Erklärungsbewusstsein keine erneute Annahme, so dass der Grundmangel nicht mehr geheilt wird. Der gesamte Vertrag kann sodann nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabgewickelt werden1. Gleiches gilt auch bei unbefristeten, aber frei widerruflichen Angeboten2, e Beschränkung formaler Anforderungen an Anzeigen und Erklärungen (§ 309
Nr. 13 BGB), e nur eingeschränkte Beschränkung von Sach- und Rechtsmängelansprüchen.
2.91 M13 Haftung beim Verbrauchervertrag Urkundeneingang (Vertragspartei 1) erklärt/erklären, bei dieser Beurkundung als „Unternehmer“ i.S.d. § 14 BGB zu handeln. (Vertragspartei 2) erklärt/erklären, bei dieser Beurkundung als „Verbraucher“ i.S.d. § 13 BGB zu handeln. Die Vertragsteile wurden auf § 17 Abs. 2a BeurkG hingewiesen, wonach der Notar dem Verbraucher mindestens 14 Tage vor der Beurkundung einen Vertragsentwurf zur Verfügung zu stellen hat. … (Vertragspartei 2) bestätigt hierzu, den Entwurf der Urkunde rechtzeitig vom Notar erhalten zu haben (und zwar am …).
Haftung Soweit in dieser Urkunde Rechte des Käufers wegen offener oder verborgener Mängel ausgeschlossen sind, gilt dieser Ausschluss nicht: a) bei schuldhafter Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und außerdem nicht bei vorsätzlichem Handeln oder bei grobem Verschulden; b) für Rechte wegen Sachmängeln mitverkaufter beweglicher Sachen; wegen solcher bleiben aber Schadensersatzansprüche, die nicht auf Buchstaben a) beruhen, ausgeschlossen. Außerdem wird die Verjährungsfrist für Rechte wegen etwaiger Sachmängel gebrauchter beweglicher Sachen von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Eine vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen steht einer entsprechenden Pflichtverletzung des Verkäufers gleich.
1 BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 = DNotZ 2010, 913; dazu Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883; vgl. in der Folge z.B. BGH v. 27.9.2013 – V ZR 52/12, MDR 2014, 148 = NJW 2014, 854 = ZfIR 2014, 51 = DNotZ 2014, 41. 2 BGH v. 7.6.2013 – V ZR 10/12, MDR 2013, 958 = NJW 2013, 3434 = ZfIR 2013, 766 = DNotZ 2013, 923; v. 9.5.2014 – V ZR 266/12, Wohnungseigentümer 2014, 118.
398 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.91 Kap. 2
Verbraucherkaufvertrag Beurkundet am … Auf Ansuchen der Beteiligten beurkunde ich deren Erklärungen gemäß, was folgt:
I. Grundbuch- bzw. Ausgangsstand Laut Vortrag im Grundbuch des Amtsgerichts … für … Blatt … ist/sind … Eigentümer des nachstehend bezeichneten Grundbesitzes der Gemarkung … Flurstück Nr. … [Beschrieb], zu … ha. Es bestehen folgende Belastungen: Abteilung II: … Abteilung III: …
II. Verkauf … – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkauft hiermit an die Ehegatten … – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – – zum Miteigentum nach gleichen Anteilen – den in Abschnitt I dieser Urkunde näher bezeichneten Vertragsgegenstand mit allen Rechten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör.
III. Kaufpreis (1) Der Kaufpreis beträgt fest … Euro – in Worten: … Euro – Der Kaufpreis ist wie folgt zur Zahlung fällig: Ein Teilbetrag in Höhe von … Euro – in Worten: … Euro – ist zur Zahlung fällig innerhalb von 14 Tagen nach Erteilung der schriftlichen Bestätigung des Notars (maßgebend ist das Datum dieses Schreibens, ausdrücklich unabhängig vom Zugang), dass a) die Auflassungsvormerkung für den Käufer rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde, Wartenburger 399
Kap. 2 Rz. 2.91 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht b) die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen in der Weise am Tage der Absendung Fälligkeitsmitteilung gesichert ist, dass diesbezüglich dem Notar eine Löschungs- oder Freigabebewilligung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, und c) seitens der örtlich zuständigen Gemeinde die Bestätigung erteilt wurde, wonach für diesen Verkaufsfall ein gesetzliches Vorkaufsrecht entweder nicht besteht oder jedenfalls nicht ausgeübt wird. Der Notar wird beauftragt, den Beteiligten die Erfüllung vorstehender Fälligkeitsvoraussetzungen schriftlich anzuzeigen. Der Restkaufpreis in Höhe von … Euro – in Worten: … Euro – ist Zug um Zug gegen Übergabe des vollständig geräumten Vertragsgegenstandes zinslos zur Zahlung fällig, nicht jedoch vor der ersten Rate1. (2) Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten (unechter Vertrag zugunsten Dritter)2. (3) Soweit keine Zahlungsauflagen ergehen, ist der Kaufpreis auf das Konto des Verkäufers Nr. … bei der … zu überweisen. Auf die vorliegenden Risiken der geteilten Kaufpreiszahlung in zwei Raten hat der Notar hingewiesen und sichere Alternativgestaltungen vorgeschlagen. Dies wünschen die Beteiligten jedoch nicht. Die Treuhandauflagen der Gläubigerbanken werden voraussichtlich höher als die erste Rate sein.
1 Die hier vorgeschlagene Gestaltung ist nicht ganz risikofrei, da der Verkäufer bei Erhalt der ersten Rate noch nicht geräumt haben muss. Gibt es später Streitigkeiten und räumt der Verkäufer nicht rechtzeitig, so ist dem Käufer das Recht zum Rücktritt vom Vertrag wesentlich erschwert, da er ggf. bereits einen erheblichen Teil des Kaufpreises gezahlt hat, den er dann wieder zurückholen muss. Dies kann bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Verkäufers kaum möglich sein, wenn diese Geldmittel an seine Bank geflossen sind. Ferner kann das Minderungsrecht gefährdet sein, wenn die Gläubiger des Verkäufers die vollständige Kaufpreiszahlung als Treuhandauflage erteilen. Bei einer Minderung wäre die Lastenfreistellung nicht mehr gesichert. Noch riskanter wird es, wenn die Treuhandaufträge unter einer Befristung erteilt wurden und die Frist wegen der verspäteten Räumung auszulaufen droht. Gestaltungen mit gesplittetem Kaufpreis bergen daher ein gewisses, nicht zu vernachlässigendes Risiko, das sich am besten vermeiden lässt, indem der Kaufpreis insgesamt erst nach vollständiger Räumung und Sicherung des Vertragsvollzugs fällig wird. 2 Siehe auch zu Alternativgestaltungen Rz. 2.434 ff.
400 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.91 Kap. 2
(4) Zahlungsverzug tritt auch ohne Mahnung mit Ablauf der in Abs. 1 angegebenen 14-Tages-Frist ein, ein Verschulden vorausgesetzt. Ab Fälligkeit ist der Kaufpreis mit einem Verzugszins für das Jahr von 5 % – fünf vom Hundert – über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB zu verzinsen. (5) Die Abtretung und Verpfändung von Rechten des Käufers aus diesem Vertrag bedarf bis zur vollen Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der schriftlichen Einwilligung des Verkäufers.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Käufer unterwirft sich wegen aller in Abschnitt III dieser Urkunde in Haupt- und Nebensache eingegangenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mehrere Käufer haften als Gesamtschuldner. Der Verkäufer unterwirft sich wegen seiner Verpflichtung zur Besitzübergabe an den Käufer ebenfalls der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Zur Erteilung der Vollstreckungsklausel bedarf es nicht des Nachweises der die Fälligkeit begründenden Tatsachen. Eine Beweislastumkehr ist hiermit nicht verbunden. Gleichwohl darf der Notar jedem Vertragsteil eine vollstreckbare Ausfertigung erst nach Absendung der notariellen Fälligkeitsmitteilung erteilen.
V. Besitzübergang (1) Besitz, Nutzungen, Lasten und Abgaben aller Art sowie die Gefahr einer vom Verkäufer nicht verschuldeten Verschlechterung und die Verkehrssicherungspflicht gehen Zug um Zug mit Räumung, tatsächlicher Besitzübergabe und Zahlung der letzten Kaufpreisrate auf den Käufer über. (2) Der Verkäufer versichert, dass am Vertragsgegenstand mit Dritten keinerlei Miet-, Pachtoder sonstige Nutzungsvereinbarungen bestehen. Der Verkäufer bewohnt den Vertragsgegenstand selbst. Er ist berechtigt, den Vertragsgegenstand wie bisher zu benutzen und zu bewohnen. Ein Nutzungsentgelt hat er hierfür nicht zu entrichten. Er verpflichtet sich zur vollständigen Räumung bis längstens zum … (3) Der Löschung der am Vertragsgrundstück eingetragenen, oben aufgeführten Grundpfandrechte wird unter Vollzugsantrag zugestimmt. (4) Die Übergabe des Gebäudes hat lediglich in besenreinem Zustand zu erfolgen. Zur Ausführung von Schönheitsreparaturen – gleich welcher Art – ist der Verkäufer ausdrückWartenburger 401
Kap. 2 Rz. 2.91 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht lich nicht verpflichtet, wohl aber zur sorgfältigen Behandlung und Erhaltung im heutigen Zustand. (5) Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der vollständigen Kaufpreiszahlung sind Käufer und Verkäufer sich im oben angegebenen Berechtigungsverhältnis über die Abtretung der dem Verkäufer zustehenden Rückgewähransprüche und Eigentümerrechte hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte einig und bewilligen entsprechende Grundbucheintragung.
VI. Erschließungskosten Alle auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erschließungskosten im weitesten Sinne einschließlich Anlieger- und Herstellungsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz hat ausschließlich der Käufer zu tragen, es sei denn, dass hierüber bereits ein Bescheid dem Verkäufer zugegangen ist1. Diese Vereinbarung gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt in der Natur eine zugrundeliegende kostenpflichtige Maßnahme ausgeführt wurde. Der Verkäufer versichert, dass ihm unerledigte, bereits zugegangene Erschließungskostenbescheide nicht vorliegen.
VII. Zugang und Zufahrt Der Zugang und die Zufahrt zum Vertragsobjekt sind nach Versicherung des Verkäufers über eine unmittelbar angrenzende Straße gewährleistet. Gleiches gilt für die Ver- und Entsorgung.
VIII. Haftung (1) Der Verkäufer haftet für ungehinderten Besitz- und Eigentumsübergang und für Freiheit des Grundbesitzes von Belastungen jeder Art, soweit sie nicht ausdrücklich übernommen werden. Nicht gehaftet wird für die Freiheit von ökologischen Altlasten (schädlichen Bodenveränderungen i.S.d. BBodSchG), die nach Kenntnis des Verkäufers jedoch nicht vorhanden sind. (2) Der Käufer übernimmt die in Abteilung II des Grundbuches am Vertragsgegenstand eingetragenen Belastungen gemäß näherer Bezeichnung unter Abschnitt I dieser Urkunde zur weiteren Duldung mit allen sich aus den zugrundeliegenden Bewilligungsurkunden ergebenden Verpflichtungen. (3) Der Käufer hat den Vertragsgegenstand eingehend besichtigt und übernimmt ihn wie er liegt und steht, also im derzeitigen Zustand.
1 Rz. 2.276 ff.
402 Wartenburger
C. Vertragsparteien
Rz. 2.91 Kap. 2
Die Sachmängelhaftung des Verkäufers wird hiermit abweichend vom Gesetz ausgeschlossen, insbesondere eine Haftung für das Flächenmaß und für die bauliche Beschaffenheit. Der Verkäufer versichert, dass ihm wesentliche, dem Käufer nicht erkennbare Mängel des Vertragsgegenstandes nicht bekannt sind. (4) Zustandsveränderungen am Vertragsgegenstand bis zum Tage des vereinbarten Besitzüberganges hat der Verkäufer nur dann zu vertreten, wenn sie über das gewöhnliche Maß der Abnützung hinausgehen oder ihm sonst ein Verschulden vorwerfbar ist. (5) Im Hinblick auf das Vorliegen eines Verbrauchervertrages1 gelten die Bestimmungen in diesem Abschnitt VIII Abs. 5 vorrangig vor allen anderen Bestimmungen in dieser Urkunde: Der in diesem Vertrag im Übrigen vereinbarte Ausschluss von Rechten des Käufers wegen offener oder verborgener Mängel gilt nicht für arglistiges oder vorsätzliches Verhalten. Der Haftungsausschluss gilt nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen und nicht für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen. Einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers steht diejenige seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich. (6) Die Beteiligten verkürzen die Verjährungsfrist für die Rechte wegen Sachmängeln gebrauchter mitverkaufter beweglicher Sachen von zwei Jahren auf ein Jahr. Der Käufer bestätigt, auf diese Vereinbarung gesondert hingewiesen worden zu sein.
IX. Inventar Im Kaufpreis enthalten sind die in der Anlage I mit der jeweiligen Wertangabe aufgeführten Gegenstände2. Die Vertragsteile sind aufschiebend bedingt mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate über den Eigentumsübergang auf den Käufer einig. Die Übergabe erfolgt mit der Übergabe des Grundbesitzes. Die Haftung für das mitverkaufte, gebrauchte Inventar wird nicht ausgeschlossen, sondern nur hinsichtlich der Verjährung nach Maßgabe des Abschnitts VIII (6) beschränkt. Der Grundstückskaufvertrag und die Inventarveräußerung sind jeweils rechtlich selbständig.
X. Grundbucherklärungen (1) Die Erklärung der Auflassung ist in der einen wesentlichen Bestandteil dieser Urkunde bildenden Anlage II enthalten.
1 Siehe Rz. 2.79 ff. 2 Zur Mitbeurkundungspflicht s. Rz. 2.7 ff., 2.33 ff.
Wartenburger 403
Kap. 2 Rz. 2.91 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht (2) Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums am Vertragsgegenstand bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB für den Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis nach Abschnitt II im Rang nach den unter Abschnitt I dieser Urkunde aufgeführten Belastungen, ferner im Rang nach den unter dinglicher Mitwirkung des Verkäufers für Rechnung des Käufers bestellten Grundschulden. Die Löschung dieser Vormerkung Zug um Zug gegen Eigentumsumschreibung im Grundbuch wird bewilligt und beantragt, vorausgesetzt, dass Zwischeneintragungen ohne Zustimmung des Käufers weder erfolgt sind noch deren Eintragung beantragt und beim Grundbuchamt im Zeitpunkt der Löschung zum Vollzug vorliegen. Die Vormerkung kann an nächstoffener Rangstelle eingetragen werden, wenn der Notar dies ausdrücklich beantragt. (3) Um Vollzugsnachricht an den amtierenden Notar wird ersucht.
XI. Kaufpreisfinanzierung Der Käufer benötigt nach Angabe keine zur Kaufpreisfinanzierung erforderliche Kreditaufnahme, zumindest keine Grundpfandrechte am Vertragsgegenstand.
XII. Hinweise Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere hingewiesen auf 1. den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges und die Eintragungsvoraussetzungen; 2. die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten für Kosten und Steuern sowie auf die Haftung des Grundbesitzes für Rückstände an öffentlichen Lasten und Abgaben und für Erschließungsbeiträge; 3. die notwendige Lastenfreistellung; 4. etwa bestehende öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte, 5. die etwaige Einkommensteuerpflicht bei privaten und betrieblichen Veräußerungsgeschäften. Die Beteiligten versichern, dass alle Vertragsabreden vollständig und richtig beurkundet wurden1.
XIII. Vollzugsvollmacht (1) Der Notar wird zur Erwirkung und Entgegennahme der erforderlichen Genehmigungen, zur Einholung der Stellungnahme hinsichtlich bestehender öffentlich-rechtlicher Vorkaufsrechte sowie zur Abgabe von Erklärungen, Stellung, Änderung und Zurücknahme von Anträgen, die zum Vollzug des Vertrages erforderlich oder zweckdienlich sind, ermächtigt.
1 Siehe dazu Rz. 2.7 ff.
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C. Vertragsparteien
Rz. 2.91 Kap. 2
Alle noch ausstehenden Genehmigungen sollen mit dem Eingang beim Notar den Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein. (2) Die Vertragsteile weisen den Notar an, diese Urkunde dem Grundbuchamt erst dann zur Eigentumsumschreibung einzureichen, wenn der Verkäufer bestätigt oder der Käufer nachgewiesen hat, dass der gesamte Kaufpreis, nicht gerechnet etwaige Verzugszinsen, bezahlt ist. Der Käufer verzichtet insoweit auf sein eigenes Antragsrecht. Der Verkäufer ist Zug um Zug gegen vollständige Kaufpreiszahlung – ohne etwaige Verzugszinsen – verpflichtet, dem Notar die vollständige Kaufpreiszahlung zu bestätigen und ihn zur Vorlage der Auflassung anzuweisen. Bis zu diesem Zeitpunkt der Kaufpreisbestätigung dürfen Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften dieses Vertrages nur ohne die erklärte Auflassung erteilt werden. Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Notar den Eingang des Kaufpreises schriftlich zu bestätigen.
XIV. Schlussbestimmungen (1) Die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzuges, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer trägt der Käufer. Die Lastenfreistellungskosten treffen den Verkäufer. (2) Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: die Vertragsteile nach Vollzug im Grundbuch beglaubigte Abschriften: die Vertragsteile – vorerst auszugsweise ohne Auflassung – das Grundbuchamt die Finanzierungsgeber des Käufers einfache Abschriften: das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – der Gutachterausschuss die Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers
XV. Grundbuchauszug Der Erwerber beantragt mit Vollzug dieser Urkunde die Erteilung einer unbeglaubigten Grundbuchblattabschrift durch den Notar. Samt Anlage I und II vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt Wartenburger 405
Kap. 2 Rz. 2.91 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht und eigenhändig unterschrieben wie folgt: Anlage II: Die Vertragsteile sind sich über den Eigentumsübergang des Vertragsgegenstandes auf den Käufer in dem in Abschnitt II bezeichneten Anteilsverhältnis einig und bewilligen und beantragen entsprechenden grundbuchamtlichen Vollzug.
2.92–2.110 Einstweilen frei.
D. Verkäuferpflichten Literatur: Weber, Vorkehrungen zur Löschung der im Kaufvertrag bewilligten Vormerkung: Gestaltungsvarianten im Vergleich, RNotZ 2015, 195.
I. Eigentumsverschaffung 1. Auflassung und Verkäuferschutz
2.111 Der Eigentumsübergang auf den Käufer erfordert nach §§ 873, 925 BGB Einigung und Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch. Die Auflassung ist die Einigung über den Eigentumsübergang hinsichtlich des Grundstücks bzw. Wohnungsoder Teileigentums. Die Auflassung kann nicht unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung erklärt werden, da die Auflassung bedingungsfeindlich ist, § 925 Abs. 2 BGB. Der Eigentumsübergang soll zum Schutz des Verkäufers gleichwohl erst erfolgen, wenn der Kaufpreis bereits vollständig beglichen ist. Um dieses Ziel zu erreichen, bestehen mehrere Möglichkeiten. 2.112 Bei der Übertragung von Erbbaurechten spricht man i.d.R. nicht von Auflassung, da gem. § 11 Abs. 1 ErbbauRG die Bestimmung des § 925 BGB auf das Erbbaurecht keine Anwendung findet. Die Bedingungsfeindlichkeit ist aber gleichwohl in § 11 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG geregelt, so dass die nachfolgenden Sicherungsmechanismen für die Übertragung von Erbbaurechten bzw. Wohnungs- oder Teilerbbaurechten entsprechend verwendet werden können. 2.113 Möglich wäre es, die Auflassung erst zu beurkunden, wenn der Verkäufer dem Notar bestätigt hat, dass der Kaufpreis bezahlt ist (sog. materiell-rechtliche Lösung)1. Im Kaufvertrag ist dann nur die Verpflichtung zur Erklärung der Auflassung, Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung, enthalten. Diese Variante wurde v.a. in der Vergangenheit bei Bauträgerverträgen verwandt. Sie hat den Nachteil einer Kostenerhöhung, da die Betreuungsgebühr gem. Nr. 22200 KV GNotKG regelmäßig bereits durch die Kaufpreisfälligkeitsüberwachung ausgelöst wird und die nachfolgend beschriebene Aussetzung des Vollzuges zu keiner weiteren Gebühr führt, wohingegen
1 Siehe BGH v. 7.6.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295 = DNotZ 2002, 42; Ch. Keim, MittBayNot 2003, 21 ff.; Renner, NotBZ 1999, 205 ff.
406 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.116 Kap. 2
die nachträgliche Beurkundung der Auflassung zumindest die 0,5-Gebühr nach Nr. 21101 auslöst. Ferner bereitet diese Gestaltung dem Verkäufer zusätzliche Mühe, da er sich nochmals zur Beurkundung in das Notariat begeben muss. Verweigert der Verkäufer (grundlos) die Erklärung der Auflassung, muss der Käufer hierauf Klage erheben, was ihn einem erheblichen Gerichts- und Verfahrenskostenrisiko aussetzt. Andererseits kann die Auflassung bereits beurkundet und nur der Vollzug ausgesetzt 2.114 werden, bis der Verkäufer dem Notar die vollständige Kaufpreiszahlung bestätigt hat. Dies kann entweder erfolgen, indem die Bewilligung erst nachträglich abgegeben wird und der Notar dazu bevollmächtigt wird (sog. Bewilligungslösung oder grundbuchrechtliche Lösung). Als Alternative kann die Auflassung einschließlich des grundbuchrechtlichen Antrags und der Bewilligung bereits erklärt werden. Gleichzeitig sind dann aber die beglaubigten Abschriften und Ausfertigungen bis zum Nachweis der Kaufpreiszahlung nur auszugsweise ohne die Auflassung zu erteilen, wozu der Vertrag eine Regelung enthalten muss (sog. Kopierlösung oder beurkundungsrechtliche Lösung). Auf diese Weise kann verhindert werden, dass der Käufer sich bereits vorzeitig und ohne Kaufpreiszahlung das Eigentum an dem Vertragsgegenstand verschafft. Eine bloße Vollzugsanweisung an den Notar ist nicht ausreichend, da grundsätzlich der Käufer von seinem (unentziehbaren) eigenen Antragsrecht gegenüber dem Grundbuchamt Gebrauch machen könnte. Trägt das Grundbuchamt zu Unrecht (z.B. aufgrund Vorlage einer einfachen Ab- 2.115 schrift des Kaufvertrages) die Auflassung ein, so haben diese Lösungen gegenüber der materiell-rechtlichen Lösung den Nachteil, dass der Käufer wirksam Eigentum erwirbt, da immerhin eine Auflassung vorhanden ist. Dieser eher theoretische Vorteil der materiell-rechtlichen Lösung rechtfertigt jedoch die damit verbundenen Mehrkosten und Risiken nicht.
2.116
M14 Auflassung – beurkundungsrechtliche Lösung Verkäufer und Käufer sind sich über den in Abschn. … vereinbarten Eigentumsübergang auf den Käufer im dort angegebenen Berechtigungsverhältnis einig (Auflassung). Der Verkäufer bewilligt und der Käufer beantragt die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch. Der Notar wird angewiesen, diese Urkunde dem Grundbuchamt zur Eigentumsumschreibung erst vorzulegen, nachdem a) der Verkäufer originalschriftlich bestätigt oder b) der Käufer durch originalschriftliche Bankbestätigung nachgewiesen hat1, 1 Mit anderen Formen der Bestätigung sollte sich der Notar nicht zufriedengeben. Eine Bestätigung des Verkäufers per Fax oder E-Mail bietet keine vergleichbare Sicherheit und eröffnet insbesondere keinen Weg für eine nachträgliche Echtheitsprüfung. Auch eine Käuferbestätigung per Kontoauszug ist unzureichend, da auf diese Weise nicht nachgewiesen werden kann, auf welches Konto das Geld überwiesen worden ist. Dies ist nur über eine schriftliche Bankbestätigung möglich. § 309 Nr. 13 BGB steht dem Schriftformerfordernis nicht entgegen, da der enthaltende Vertrag beurkundungspflichtig ist (auf gesetzliche Anforderungen an die konkrete Erklärung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an).
Wartenburger 407
Kap. 2 Rz. 2.116 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht dass der vollständige Kaufpreis (ohne etwaige Verzugszinsen) beglichen ist. Der Verkäufer ist zur Abgabe dieser Erklärung Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung verpflichtet. Bis dahin dürfen beglaubigte Abschriften oder Ausfertigungen der Urkunde nur ohne die Auflassung erteilt werden.
2.117 Im Büroablauf schafft die vorstehend beschriebene „Kopierlösung“ ein zusätzliches Risiko, denn jede Ausfertigung/beglaubigte Abschrift muss darauf kontrolliert werden, ob die Auflassung „herauskopiert“ wurde. Dieses Problem lässt sich verringern, indem die Auflassung auf eine nach § 9 BeurkG mit beurkundeter Anlage ausgelagert wird oder indem man auf die grundbuchrechtliche Lösung ausweicht: 2.118 M15 Auflassung – grundbuchrechtliche Lösung Die Vertragsteile sind einig, dass das Eigentum an dem verkauften Grundbesitz vom Verkäufer auf den Käufer in dem in Abschnitt … angegebenen Berechtigungsverhältnis übergeht (Auflassung). Diese Einigung ist unbedingt. Sie beinhaltet jedoch keine Eintragungsbewilligung. Der Verkäufer erteilt dem amtierenden Notar, dessen Sozius und deren jeweiligen Vertretern und Amtsnachfolgern unwiderruflich und unbedingt Vollmacht, die Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen. Der Notar wird angewiesen, von dieser Vollmacht nur Gebrauch zu machen, wenn der Verkäufer originalschriftlich bestätigt oder der Käufer durch originalschriftliche Bankbestätigung nachgewiesen hat, dass der vollständige Kaufpreis (ohne etwaige Verzugszinsen) beglichen ist. Der Verkäufer ist zur Abgabe dieser Erklärung Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung verpflichtet. Der Eintragungsantrag ist für den Käufer zu stellen.
2.119 Die auf diese Weise erteilte Vollmacht erlischt freilich, wie alle Vollmachten, im Fall der Verkäuferinsolvenz. Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen1, die Eintragungsbewilligung unter einer aufschiebenden Bedingung zu erklären, wobei die Bedingung eintritt, wenn der Notar eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt abgibt (verbunden mit einer entsprechenden Weisung an den Notar, wann diese Erklärung abzugeben ist). In der Praxis spielt dieses Problem nur selten eine Rolle, denn die Auflassung muss ohnehin durch den Insolvenzverwalter wiederholt bzw. genehmigt werden; einzig wenn der Insolvenzverwalter sich für die Freigabe des Verkaufsobjektes entscheidet, könnte die bereits im Kaufvertrag enthaltene Eintragungsbewilligung weiterhelfen.2 2.120–2.125 Einstweilen frei.
1 Weber/Wesiack, DNotZ 2019, 164. 2 Zu den Reaktionsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters vgl. Piegsa, Der Grundstückskaufvertrag in der Insolvenz des Verkäufers, RNotZ 2010, 433.
408 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.130 Kap. 2
2. Auflassungsvormerkung Die Auflassungsvormerkung ist das Kernsicherungsmittel des Käufers. Daher ist 2.126 kaum ein Kaufvertrag über ein Grundstück im Rechtssinne oder eine gleichgestellte Sache (Erbbaurecht) denkbar, bei dem auf die Eintragung einer Vormerkung des Käufers verzichtet wird. Dies kommt regelmäßig nur bei Kaufverträgen unter nahen Angehörigen vor oder wenn der Verkäufer zur öffentlichen Hand gehört (Staat, Gemeinde). Die Vormerkung ist in § 883 BGB geregelt. Sie sichert den Anspruch des Käufers 2.127 auf Erwerb des Eigentums1. Verfügungen des Eigentümers, die den vormerkungsgesicherten Anspruch beeinträchtigen, sind dem Vormerkungsberechtigten gegenüber relativ unwirksam, § 883 Abs. 2 BGB. Der Käufer wird damit gegen beliebige beeinträchtigende Zwischeneintragungen geschützt, wobei in der Praxis (außer bei Teilflächenkäufen) die Fälle, in denen ein Verkäufer dieselbe Immobilie mehrfach veräußert, kaum vorkommen. Wichtiger ist der Schutz des Käufers gegen nachrangige Belastungen durch den Verkäufer und gegen den Zugriff Dritter im Wege der Zwangsvollstreckung. Solche nach der Vormerkung zur Eintragung kommende Belastungen hindern den (insoweit lastenfreien) Eigentumserwerb des Käufers nicht. Soweit aus formell-rechtlichen Gründen des Grundbuchrechtes eine Zustimmung des im Grundbuch eingetragenen Dritten erforderlich ist (Bewilligungsgrundsatz), kann der Käufer selbst die Zustimmung des Dritten nach § 888 BGB verlangen2. Die Wirkung der Vormerkung ist von dem Bestand des gesicherten Anspruchs ab- 2.128 hängig (Akzessorietät). Ist der Anspruch des Käufers nicht wirksam entstanden, beispielsweise weil Nebenabreden nicht mit beurkundet sind oder im Kaufvertrag ein anderer als der vereinbarte Kaufpreis angegeben worden ist, so entfaltet die Vormerkung keinerlei Wirkung. Im Falle der Insolvenz des Verkäufers, besteht daher in einem solchen Fall kein Insolvenzschutz nach § 883 BGB, § 106 InsO. Der Käufer muss davor geschützt werden, dass der Verkäufer die Eintragung der be- 2.129 antragten Vormerkung allein verhindern kann. Wäre der Verkäufer der einzige, der die Eintragung der Vormerkung beantragt, so könnte er diesen Antrag jederzeit wieder zurücknehmen. Diese Gefahr wird vermieden, indem der Eintragungsantrag auch vom Käufer gestellt wird3. Der Antrag kann sodann nur mit Zustimmung des Käufers zurückgenommen werden4, denn jeder Antragsteller kann nur seinen eigenen Antrag zurücknehmen, nicht aber denjenigen eines anderen Beteiligten. Wird ein Grundstück bereits weiterverkauft, obwohl der Weiterverkäufer noch nicht 2.130 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, so wird regelmäßig der vormer1 Zum Gesamtsicherungsumfang insbesondere im Insolvenzfall s. Kesseler, MittBayNot 2005, 108 ff. 2 Siehe OLG Rostock v. 26.10.2006 – 7 U 1/06, MDR 2007, 647 = NotBZ 2007, 223. 3 Da jeder Antragsteller für die Grundbuchkosten haftet und die Kosten für die Eintragung und Löschung der Vormerkung meist vom Käufer getragen werden sollen, entspricht es auch dem Interesse des Verkäufers, gar nicht selbst als Antragsteller zu gelten. 4 Demharter32, § 13 GBO Rz. 36 f.
Wartenburger 409
Kap. 2 Rz. 2.130 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
kungsgesicherte Erwerbsanspruch des Weiterverkäufers gegen den Erstverkäufer sicherungshalber an den Zweitkäufer abgetreten und die Abtretung bei der Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Eine „abgetretene Vormerkung“ gegen einen Drittverkäufer steht in ihrer Sicherungswirkung jedoch einer originären Vormerkung nicht gleich und löst daher grds. die Fälligkeit nicht aus1. Eine abweichende vertragliche Abrede ist möglich, aber aus Sicherheitsgründen nicht empfehlenswert, insbesondere weil der Zweiterwerber ansonsten schutzlos ist, wenn z.B. der Erstvertrag wegen Insolvenz des Zwischenerwerbers nicht vollzogen werden kann.
2.131 Mit der Eigentumsumschreibung auf den Käufer soll die Vormerkung gelöscht werden. Hat der Käufer erst das Eigentum erworben, so ist die Sicherungswirkung der Vormerkung grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Insoweit ist der Löschungsantrag jedoch nur unter Voraussetzung zu stellen, dass keine beeinträchtigenden Zwischeneintragungen bestehen bleiben; denn mit Löschung der Vormerkung endet auch ihre Schutzwirkung gegen etwaige in der Zwischenzeit eingetragene vormerkungswidrige Verfügungen. 2.132 M16 Löschung der Vormerkung unter Vorbehalt von Zwischenverfügung Der Verkäufer bewilligt und der Käufer beantragt die Eintragung einer Eigentumsvormerkung zugunsten des Käufers als Alleinberechtigten (ggf. abweichendes Berechtigungsverhältnis nach § 47 GBO) in das Grundbuch im Rang nach den in Abschn. … der Urkunde aufgeführten Belastungen. Eine Eintragung an nächstoffener Rangstelle ist nur auf ausdrücklichen Antrag des Notars zulässig. Die Beteiligten bewilligen und der Käufer beantragt zugleich die Löschung der zur Eintragung gelangenden Vormerkung gleichzeitig mit Eintragung des Käufers als Eigentümer, vorausgesetzt, dass keine ohne Zustimmung des Käufers eingetragenen Zwischeneintragungen bestehen bleiben.
3. Vermeidung eines Vorleistungsrisikos des Verkäufers
2.133 Das Ziel jeder Kaufvertragsgestaltung ist das Erreichen eines Zug-um-Zug-Austauschverhältnisses, bei dem kein Vertragsteil eine ungesicherte Vorleistung erbringen muss. Dies gelingt bei der Gestaltung eines typischen Kaufvertrages weitgehend. Im Rahmen der hier vorgeschlagenen Abwicklung trägt jedoch der Verkäufer ein Vorleistungsrisiko, das meist zu vernachlässigen ist, welches jedoch, wenn es sich realisiert, unangenehme Folgen hat. Der Verkäufer bewilligt in der Regel bereits die Vormerkung zu einem Zeitpunkt, in dem er nicht weiß, ob der Käufer tatsächlich zahlen wird, schlimmstenfalls nicht einmal, ob der Käufer (z.B. eine ausländische juristische Person) überhaupt existiert. Die Vormerkung gelangt in der Regel innerhalb weniger Tage nach der Beurkundung des Kaufvertrages in das Grundbuch.
1 BGH v. 27.10.2006 – V ZR 234/05, NJW 2007, 508 = DNotZ 2007, 360 m. Anm. Kesseler.
410 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.136 Kap. 2
Zahlt der Käufer nicht, so ist der Verkäufer zwar befugt, nach einer Mahnung vom Grundstückskauf zurückzutreten. Damit erlischt der Primäranspruch des Kaufvertrags und wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch auf Erwerb des Eigentums erlischt und damit auch die Vormerkung. Allein das materiell-rechtliche Erlöschen der Vormerkung führt noch nicht zur formellen Löschung der Vormerkung im Grundbuch. Die Tatsache, dass der Verkäufer berechtigterweise vom Vertrag zurückgetreten ist, kann nicht in der für Grundbuchzwecke nötigen Form nachgewiesen werden. Nur auf Bewilligung des Vormerkungsberechtigten (des Betroffenen) darf das Grundbuchamt die Vormerkung wieder löschen (§§ 19, 29 GBO). Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Grundstück für den Eigentümer kaum wirtschaftlich verwertbar, denn angesichts der eingetragenen Vormerkung wird weder ein neuerlich gefundener Käufer noch dessen Finanzierungsbank zur Kaufpreiszahlung bereit sein. Selbstverständlich kann der Verkäufer seinen Anspruch auf Löschung der Vormerkung gerichtlich durchsetzen; dies jedoch führt neben einer Zeitverzögerung auch zu weiteren Kosten, wegen derer sich der Verkäufer evtl. nicht bei dem (möglicherweise insolventen) Erstkäufer schadlos halten kann. Das Wissen um diese für den Verkäufer missliche Situation kann der Erstkäufer ausnutzen, indem er die Erteilung der Löschungsbewilligung von einem Erlass der gegen ihn bestehenden Schadensersatzforderungen oder gar noch von einer Geldzahlung abhängig macht. Aus diesem Grunde hat die Praxis der Vertragsgestaltung nach Wegen gesucht, die- 2.134 ses Risiko des Verkäufers zu reduzieren. Allgemein üblich ist es, sich eine Finanzierungsbestätigung eines vertrauenswürdigen Kreditinstituts vom Käufer vorlegen zu lassen. Diese kostet in der Regel nichts, begründet aber auch keine durchsetzbaren Ansprüche gegen den Käufer oder die Bank. Immerhin schätzt die Bank die finanziellen Möglichkeiten ihres Kunden womöglich realistischer ein als dieser selbst; das Bestehen auf einer Finanzierungsbestätigung kann also Verkäufer und Käufer gleichermaßen vor einem gefährlichen Vertragsabschluss schützen. Gegen einen (glücklicherweise selten anzutreffenden) echten Betrüger, der ggf. auch seiner Bank falsche Angaben gemacht hat oder die Bereitschaft, über diese Bank zu finanzieren, nur vorspiegelt, hilft dieses Instrument freilich nicht. Als weitergehende Alternative kann der Verkäufer sich auch eine Bankbürgschaft 2.135 geben lassen. Dann hat der Verkäufer sogar einen unmittelbaren Kaufpreiszahlungsanspruch gegen die Bank. Dies ist gewiss der sicherste Weg, da auf diese Weise der Erfüllungsanspruch (positives Interesse) des Verkäufers gesichert wird, während die anderen hier vorgeschlagenen Lösungen lediglich vor Folgeschäden einer Nichterfüllung (negatives Interesse) schützen. Aufgrund der hohen Kosten wird dieses Instrument allerdings, zumindest außerhalb gewerblicher Großtransaktionen, selten gewählt. Gelegentlich kommt die Bankbürgschaft zum Einsatz, wenn die Eigentumsumschreibung bereits stattfinden soll, obwohl ein Teilkaufpreis noch nicht bezahlt ist (z.B. ein zusätzlicher Aufzahlungsbetrag, der nur unter bestimmten aufschiebenden Bedingungen überhaupt zu zahlen ist). Wiederum alternativ kann in entsprechenden Risiko-Fällen, also beispielsweise bei 2.136 einer ausländischen Kapitalgesellschaft ohne nennenswertes Stammkapital und mit Wartenburger 411
Kap. 2 Rz. 2.136 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Sitz in einem Staat, in dem jede Rechtsverfolgung für einen Inländer besonders wenig erfolgversprechend erscheint, der Vertrag über ein Notaranderkonto (dazu Rz. 2.6 und 2.261 ff.) abgewickelt werden. Erst nachdem der Käufer den vollständigen Kaufpreis auf dem Notaranderkonto hinterlegt hat, soll der Notar die Vormerkung zugunsten des Käufers zur Eintragung in das Grundbuch bringen. Der Schutz lässt sich noch erweitern, wenn sogar der Kaufvertrag erst beurkundet wird, nachdem der Kaufpreis (ggf. sogar einschließlich Grunderwerbsteuer und erwarteten Nebenkosten) auf dem Notaranderkonto angelangt ist; zuvor wird nur eine (schriftliche) Hinterlegungsanweisung angefertigt, die später im Kaufvertrag modifiziert und durch die Mitwirkung des Verkäufers für den Käufer unwiderruflich gemacht wird. Diese Variante führt bei tatsächlicher Abwicklung zu höheren Notarkosten (s.o. Rz. 2.6), vermeidet andererseits aber auch jegliche Beurkundungskosten (für die der Verkäufer als Zweitschuldner haftet!), wenn der Vertrag mangels Einzahlung nicht zustande kommt. Fälle dieser Art bergen ein erhöhtes Risiko, für Zwecke der Geldwäsche missbraucht zu werden. Besonders wichtig ist hierbei, dass im Falle eines Scheiterns des Vertragsabschlusses die hinterlegte Summe nur auf das Ausgangskonto des Käufers zurücküberwiesen wird, anderenfalls könnte die Zwischenstelle Notaranderkonto dazu genutzt werden, Geldmittel unauffällig aus dem Ausland ins Inland zu transferieren.
2.137 M17 Verwahrungsanweisung 1. … (nachstehend auch „Käufer“) beabsichtigt zu noch abzuschließender Urkunde des Notars … in …, eine Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz im Anwesen … für einen Kaufpreis in Höhe von … Euro von … (nachfolgend „Verkäufer“) zu erwerben. Der betreffende Grundbesitz ist derzeit im Grundbuch des Amtsgerichts … von … Blätter … im Eigentum von … vorgetragen. Da der Kaufpreis aus dem Ausland beschafft wird, soll der Kaufpreis samt den zu erwartenden Nebenkosten bereits vor Beurkundung des Kaufvertrags auf einem Anderkonto desjenigen Notars hinterlegt werden, der den geplanten Kaufvertrag voraussichtlich beurkundet. Außerdem soll auf diese Weise die Lastenfreistellung erleichtert werden. Die Unterzeichner weisen den Notar … hiermit wie folgt an: 2. Der Kaufpreis in Höhe von … Euro ist auf dem Anderkonto, IBAN: … BIC … des vorstehend näher bezeichneten Notars, geführt bei der …, zu hinterlegen und zwar so, dass er dort vor der geplanten Beurkundung gutgeschrieben ist. 412 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.137 Kap. 2
Weiter sind zum genannten Zeitpunkt auf dem vorgenannten Anderkonto folgende zu erwartende Steuern bzw. Nebengebühren zu hinterlegen: – Grunderwerbsteuer in Höhe von … % aus dem Kaufpreis abzüglich … für Inventar, das entspricht … Euro – erwartete Kosten der Hinterlegung bzw. Negativzinsen in Höhe von geschätzt … Euro – voraussichtliche Notargebühr für die Beurkundung des Kaufvertrags einschließlich Vollzugs- und Betreuungsgebühren in Höhe von geschätzt … Euro (einschließlich 19 % Umsatzsteuer) – voraussichtliche Grundbuchgebühren in Höhe von geschätzt … Euro für Eintragung der Auflassungsvormerkung sowie des Eigentumswechsels und der Löschung der Vormerkung sowie die Fortführung des Liegenschaftskatasters. Insgesamt: … Euro – in Worten: … –. 3. Die Unterzeichnenden sind sich über folgendes einig: a) Die vorgenannten Beträge sind vom Käufer bis längstens zum Ablauf des … auf das vorbezeichnete Notaranderkonto einzuzahlen. b) Das Notaranderkonto wird als Girokonto mit sofortiger Verfügbarkeit geführt. c) Die Kosten und Gebühren der Hinterlegung trägt der Käufer. d) Die auf dem Anderkonto hinterlegten Beträge sind ausschließlich nach den Vorgaben der zwischen Käufer und Verkäufer noch abzuschließenden Kaufvertragsurkunde zu verwenden, und zwar zur Bezahlung des Kaufpreises, zur Lastenfreistellung des Vertragsgegenstandes und zur Begleichung der vorgenannten Nebenkosten. e) Wird der geplante Kaufvertrag nicht spätestens bis zum Ablauf des … vor dem verwahrenden Notar beurkundet, hat der Notar den Hinterlegungsbetrag unverzüglich an den Käufer zurück zu erstatten und zwar auf dasselbe Konto, von dem aus der Betrag auf das Notaranderkonto überwiesen worden ist. Hierbei handelt es sich nach Angabe des Käufers um das Konto IBAN … BIC …. Die Kosten der Hinterlegung trägt in diesem Fall der Käufer. Etwaige Zinsen stehen dem Käufer zu. Sofern der vorstehend genannte Betrag rechtzeitig auf dem Anderkonto eingegangen ist und der Verkäufer anschließend den Vertragsabschluss verweigert hat, ist er dem Käufer gegenüber zur Erstattung der Hinterlegungskosten verpflichtet. f) Sämtliche vorstehend getroffenen Anweisungen zur Hinterlegung werden von den Beteiligten gemeinsam und unter Verzicht auf einseitigen Widerruf erteilt. g) Für die Verwahrung findet ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung, insbesondere die §§ 57 ff. BeurkG. Soweit zulässig, wird für alle Streitigkeiten aus der Verwahrung als Gerichtsstand das Landgericht … bestimmt. Der Notar nimmt die Hinterlegungsanweisung an. (Unterschriften Verkäufer, Käufer und Notar) Wartenburger 413
Kap. 2 Rz. 2.138 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.138 Als häufigste Variante kann eine Löschungsvollmacht zur Löschung der Vormerkung des Käufers aufgenommen werden1. Der Notar wird angewiesen, die Vormerkung nur dann löschen zu lassen, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht gezahlt hat. Dabei ist dem Käufer jedoch hinreichend rechtliches Gehör zu gewähren. Die Rückzahlung von erbrachten Teilleistungen muss ferner sichergestellt sein. Daher ist dieses Verfahren auch nicht geeignet, Schadensersatzansprüche des Verkäufers für diesen Fall pauschal abzusichern. Es bestehen zwei unterschiedliche Ausprägungen dieser Gestaltung: Entweder die Löschungsbewilligung für die Vormerkung wird gleich mit in die Urkunde aufgenommen und der Notar wird angewiesen, diese stets herauszukopieren und nur bei Eintritt bestimmter Umstände durch Grundbuchvorlage zu verwenden. Oder der Notar wird bevollmächtigt, die entsprechende Bewilligung aufgrund der Vollmacht bei Eintritt bestimmter Umstände abzugeben. Beide Verfahren haben in der praktischen Handhabung Vor- und Nachteile, sind grundsätzlich aber gleichwertig verwendbar. 2.139 M18 Rücktrittsrecht, Löschungsvollmacht 1. Der Verkäufer ist berechtigt, einseitig vom schuldrechtlichen Teil dieses Vertrages zurückzutreten, wenn der Kaufpreis oder Kaufpreisteile nicht spätestens innerhalb von vier Wochen nach (jeweiliger) Fälligkeit bezahlt sind oder der Verkäufer aufgrund seiner gesetzlichen Mithaftung für Verbindlichkeiten des Käufers (z.B. Kosten, Grunderwerbsteuer) in Anspruch genommen wird. Dabei ist es genügend, wenn der Rücktritt auf der Käuferseite einer beteiligten Person allein zugeht. 2. Im Fall des Rücktritts ist der Käufer verpflichtet, den Vertragsgegenstand unverzüglich von allen etwa für seine Rechnung eingetragenen Belastungen freizustellen. Besondere Sicherungen werden hierzu nicht vereinbart. Ein etwa bezahlter Kaufpreisteil ist im Rücktrittsfall ohne Zinsen und Nebenleistungen an den Käufer zurück zu erstatten, Zug um Zug gegen Löschung der für den Käufer eingetragenen Vormerkung gem. § 883 BGB einschließlich etwa für Rechnung des Käufers eingetragener Grundpfandrechte. Im Übrigen gelten für den Rücktritt die gesetzlichen Bestimmungen. Die Kosten dieses Vertrages und der Rückabwicklung hat der Käufer zu tragen bzw. unverzüglich dem Verkäufer zu erstatten. 3. Der Käufer bevollmächtigt hiermit den amtierenden Notar unwiderruflich, die vorstehend bestellte Vormerkung zur Löschung zu bewilligen und zu beantragen. Die Vertragsteile weisen den Notar übereinstimmend an, von dieser Vollmacht nur Gebrauch zu machen, wenn a) der Notar die Fälligkeitsmitteilung an die eingangs genannte Anschrift des Käufers übersandt hat,
1 Siehe Hagenbucher, MittBayNot 2003, 249 ff.; Everts in Grziwotz/Everts/Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 958 ff.
414 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.142 Kap. 2
b) der Verkäufer dem Notar gegenüber schriftlich versichert hat, dass die unter 1. genannten Rücktrittsvoraussetzungen eingetreten sind und er deshalb fristgemäß von dem Vertrag zurückgetreten ist und c) der Käufer auf ein entsprechendes Anschreiben des Notars an die eingangs genannte Anschrift oder die sonst dem Notar zuletzt mitgeteilte Anschrift nicht innerhalb von vier Wochen – entweder durch Bestätigung eines Kreditinstitutes die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen hat oder – dem Notar gegenüber nachweist, dass er ein gerichtliches Verfahren – zumindest im einstweiligen Rechtsschutz – eingeleitet hat, welches auf die Aufrechterhaltung der Vormerkung gerichtet ist. Der Notar darf von der vorstehenden Vollmacht nur auf Weisung des Verkäufers Gebrauch machen, er ist hierzu jedoch nicht verpflichtet. Weist der Käufer nach, dass ein Teil des Kaufpreises gezahlt wurde, so muss der Notar die Löschung der Vormerkung verweigern, bis dieser Betrag abzüglich der dem Verkäufer entstandenen Kosten beim Notar hinterlegt ist. Dem Grundbuchamt gegenüber ist die Vollmacht unbeschränkt. 4. Auf die Risiken der vorstehenden Bestimmung wurde der Käufer hingewiesen, insbesondere darauf, dass er sämtliche Sicherheiten verliert, wenn er auf entsprechende Anfragen des Notariats nicht reagiert. 5. Der Käufer ist vor vollständiger Kaufpreiszahlung nicht berechtigt, seine Ansprüche aus dem Kaufvertrag an Dritte abzutreten. Eine Verpfändung, insbesondere zu Finanzierungszwecken, ist jedoch zulässig.
Für die Lösung echter Streitfälle, beispielsweise wenn der Käufer angibt, er müsse 2.140 (noch) nicht zahlen, weil der Verkäufer noch nicht vollständig geräumt habe oder weil ihm dieser erhebliche Mängel arglistig verschwiegen habe, bringt diese Regelung keine Lösung. In diesem Fall sind die Parteien auf den Zivilrechtsweg verwiesen1. Auch das Verfahren nach § 15 BNotO bietet hierfür keinen geeigneten Rahmen, weshalb die Klausel ausdrücklich bestimmt, dass der Notar zur Löschung nicht verpflichtet ist, d.h. hierzu auch nicht gerichtlich gezwungen werden kann. Im Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB wird man wegen § 308 Nr. 6 BGB für 2.141 die hier genannten Anschreiben an den Käufer auf einen Zugangsnachweis nicht verzichten können. Im Fall der Insolvenz des Käufers verlieren die Löschungsvollmacht und die Lö- 2.142 schungsbewilligung ihre Wirkung, da der Käufer dann nicht mehr selbst verfügungsbefugt ist, sondern dessen Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist und Vollmachten des Schuldners nach § 117 InsO insgesamt erlöschen.
1 Zu den Besonderheiten im Verbrauchervertrag vgl. BGH v. 1.10.2015 – V ZB 171/14, MDR 2015, 1447 = ZfIR 2016, 104 = DNotZ 2016, 151.
Wartenburger 415
Kap. 2 Rz. 2.143 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.143 Für diesen Fall ist eine auflösend bedingte Vormerkung vorzugswürdig, wobei die auflösende Bedingung so gestaltet werden muss, dass sie grundbuchtauglich nachweisbar ist. Eine solche Gestaltung ist grundbuchrechtlich zulässig, auch wenn dies mitunter in der Literatur bezweifelt wurde1. Eine auflösend bedingte Vormerkung hilft – anders als die vorstehende Löschungsvollmacht – dem Verkäufer auch dann weiter, – wenn der Käufer nicht existiert, – wenn die Vertretungsverhältnisse des Käufers (z.B. Auslandsgesellschaft, Familienstiftung, einige Ordensgemeinschaften, nicht eingetragene Vereine) nicht verlässlich in grundbuchtauglicher Form nachgewiesen werden können, – wenn der Käufer den Vertrag noch nicht genehmigt hat und dennoch ausnahmsweise schon eine Vormerkung eingetragen werden soll; dies betrifft insbesondere die Gestaltung von einseitigen Verkäuferangeboten, – wenn die Vormerkung zwischenzeitlich an einen Dritten abgetreten wurde (was allerdings nach der vorstehenden Klausel mit Löschungsvollmacht ohnehin ausgeschlossen ist).
2.144 M19 Auflösend bedingte Vormerkung Die vorstehend bestellte Vormerkung ist auflösend bedingt. Die auflösende Bedingung tritt ein, wenn der Notar gegenüber dem Grundbuchamt schriftlich durch Eigenurkunde erklärt, dass die Vormerkung erloschen ist. Der Notar wird beidseitig unwiderruflich angewiesen, diesen Bedingungseintritt nur herbeizuführen, wenn folgende Voraussetzungen eingetreten sind: … (hier können die Voraussetzungen unter Anlehnung an das vorstehende Muster weiter ausgeführt werden)
II. Besitzverschaffung
2.145 Die Eintragung der Auflassung kann erst im Grundbuch vollzogen werden, wenn die Gemeinde einerseits das Nichtbestehen oder die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts betätigt hat (§ 28 BauGB; diese Anforderung entfällt beim Verkauf von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten) und ferner die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes – Grunderwerbsteuerstelle – vorliegt (§ 22 GrEStG). Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Verkäufer formeller Eigentümer. Von der Beurkundung des Kaufvertrages bis zur Eigentumsumschreibung vergehen regelmäßig drei Monate ab Kaufvertragsabschluss. Je nach Auslastung und Personal1 Vgl. das Gutachten DNotI-Report 2016, 61; KG v. 11.10.2016 – 1 W 337/16, MittBayNot 2017, 245 = NotBZ 2017, 272; OLG Oldenburg v. 4.5.2017 – 12 W 57/17 (GB), RdL 2017, 282.
416 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.148 Kap. 2
stärke des Grundbuchamtes und anderer Behörden kann dies auch länger dauern; wesentlich längere Verfahren kommen v.a. dann zustande, wenn der Vertragsgegenstand erst noch vermessen werden muss und die Vermessung aus bautechnischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. nach Bau der Erschließungsstraße) durchgeführt wird. Es wäre für den Käufer unzumutbar, wenn er so lange warten müsste, bis, auch wirtschaftlich betrachtet, das Eigentum auf ihn überginge. Ferner lässt sich der Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung nicht prognostizieren, und die Beteiligten erfahren hiervon erst im Nachhinein, wiederum zumindest mit einigen Tagen Verzögerung; er liegt auch nicht auf einem für die Abrechnung praktikablen Stichtag (z.B. Monatswechsel). Aus diesen Gründen trennt man bei der Gestaltung von Grundstückskaufverträ- 2.146 gen den Übergang des zivilrechtlichen Eigentums vom Übergang des wirtschaftlichen, also steuerlichen Eigentums gem. § 39 AO. Letzteres geht in Form von Besitz, Nutzungen und Lasten regelmäßig Zug-um-Zug gegen Räumung und Zahlung des vollständigen Kaufpreises oder eines ersten Kaufpreisteils auf den Käufer über. Eine vorzeitige Besitzüberlassung ist eine ungesicherte Vorleistung und daher unter keinen Umständen empfehlenswert.1 Insbesondere bei leerstehenden Objekten haben die Parteien vorab besprochen, dass der Käufer nach Unterzeichnung „schon den Schlüssel erhält“, um Renovierungsarbeiten beginnen zu können. Wenn der Käufer bzw. sein Handwerker in Begleitung des Verkäufers die Räume betreten soll, um z.B. Planungen und Vermessungen vornehmen zu können, kann dies ohne Weiteres im Vertrag verankert werden. Die Schlüsselübergabe geht aber weit darüber hinaus, da der Käufer schon Veränderungen vornehmen könnte (ggf. zu einer Zeit, in der Lasten und Gefahren noch den Verkäufer treffen) oder den Vertragsgegenstand selbst bezieht, ohne seine Pflichten erfüllt zu haben. Sollte eine sofortige Übergabe gewünscht sein, lässt sich dies durch Kaufpreiseinzahlung auf ein Notaranderkonto gut gestalten (s. dazu Rz. 2.261).
2.147
Gestalterisch sind hier v.a. fünf Situationen zu unterscheiden: – (1) Die Immobilie wird momentan nicht genutzt: In diesem Fall beschränkt sich die Räumungspflicht auf das Fortschaffen evtl. in der Immobilie vorhandener beweglicher Sachen, sofern diese nicht mitverkauft sind. Sofern der Verkäufer dies nicht mehr übernehmen kann/will, ist auch eine Übernahme durch den Käufer möglich nach folgendem Muster: M20 Räumung in der Immobilie vorhandener beweglicher Sachen „Zu einer Räumung des Vertragsgegenstandes von den dort vorhandenen beweglichen Sachen, die nicht aufgrund dieses Vertrages mitverkauft sind, ist der Verkäufer berechtigt, aber nicht verpflichtet. Die bei vollständiger Kaufpreiszahlung noch in der Immobilie vorhandenen beweglichen Sachen gehen zu diesem Zeitpunkt in das Eigentum des
1 Zu den bis ins Strafrecht hineinreichenden Konsequenzen vgl. Everts, MittBayNot 2019, 320.
Wartenburger 417
2.148
Kap. 2 Rz. 2.148 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht Käufers über, der hierüber nach Belieben verfügen kann. Der Verkäufer steht dafür ein, dass an diesen Gegenständen keine Rechte Dritter bestehen.“
2.149 – (2) Die Immobilie ist vermietet, wobei das Mietverhältnis übernommen werden soll: Die „Übergabe“ beschränkt sich in diesem Fall auf eine Mitteilung an den Mieter, künftig die Miete an den Käufer zu entrichten, nebst Aushändigung evtl. Unterlagen bzw. Zweitschlüssel. Während kraft Gesetzes das Mietverhältnis erst mit Eigentumsumschreibung auf den Käufer übergeht, wird dieser Zeitpunkt im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer üblicherweise auf den Tag der Kaufpreiszahlung oder (zum Zwecke der Vereinfachung der Abrechnung) auf den darauf folgenden Monatswechsel vorverlegt. Der Verkauf einer umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie wird steuerlich oft als Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG angesehen mit der Folge, dass etwaige Vorsteuerberichtigungen wegen späterer Aufgabe der steuerpflichtigen Nutzung künftig den Käufer treffen (vgl. dazu Rz. 1.1241 ff.)
2.150 – (3) Die Immobilie ist vermietet, das Mietverhältnis soll aber nicht übernommen werden: Die mit dieser Gestaltung verbundenen Probleme werden von den Vertragsparteien oft unterschätzt. Im Vertrag ist insbesondere klar zu regeln, wer für die Beendigung des Mietverhältnisses und dessen Abwicklung mit dem Mieter verantwortlich ist. Bei einem Wohnraummietvertrag besteht für den Verkäufer praktisch nur die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages mit dem Mieter. Auch dann sollte dem Verkäufer aber bewusst sein, dass er bei Räumungsverzug des Mieters dem Käufer gegenüber haftet und ihm ggf. nur ungewisse (je nach Bonität des Mieters) Regressansprüche gegen den Mieter verbleiben. Soll also der Verkäufer für die Mietfreimachung zuständig sein, so lässt sich aus Verkäufersicht ein unkalkulierbares Risiko nur vermeiden, wenn entweder der Miet-Aufhebungsvertrag vor Abschluss des Kaufvertrages bereits unterzeichnet ist oder wenn es für den Verkäufer eine Lösungsmöglichkeit gibt (z.B. ein Rücktrittsrecht oder eine aufschiebende Bedingung im Kaufvertrag). Will der Käufer eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, so kann er dies erst tun, nachdem er als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen ist. Zum Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung kann der Käufer also noch keinesfalls sicher sein, dass er das Objekt demnächst auch selbst nutzen kann. Scheitert die Kündigung, so kann ggf. ein Rücktrittsrecht oder eine Kaufpreisminderung vorgesehen werden; die Absicherung der daraus resultierenden Ansprüche des Käufers ist zumindest theoretisch über eine Bankbürgschaft oder Hinterlegung auf Notaranderkonto möglich; praktisch wird beides ausscheiden, wenn der Kaufpreis in voller Höhe zur Ablösung von Verkäuferschulden benötigt wird. Das Risiko kann dann nur noch im Rahmen der Kaufpreisbemessung berücksichtigt werden. Weitgehend problemfrei ist der Verkauf an den Mieter selbst. Hier wird regelmäßig vereinbart, dass das Mietverhältnis mit Besitzübergang (Kaufpreiszahlung bzw. darauffolgender Monatswechsel) endet und dass aus dem bestehenden Mietverhältnis noch ausstehende gegenseitige Forderungen (Nebenkostenabrechnung, Kautionsrückzahlung) nachträglich abgewickelt werden. Der Verkauf einer 418 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.151 Kap. 2
umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie an den Mieter ist i.d.R. keine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG. – (4) Die Immobilie ist vom Verkäufer bzw. seiner Familie genutzt, der die Im- 2.151 mobilie räumt: Hier sieht der Vertrag i.d.R. eine mit einer Frist versehene Räumungsverpflichtung vor. Da der Vertrag nicht den Bestand eines Mietverhältnisses betrifft, ist eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen der Räumungsverpflichtung in der Urkunde möglich und üblich. Überschreitet der Verkäufer den Termin, so werden ggf. Ersatzpauschalen als sog. „Nutzungsentschädigung“ vorgesehen. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht durch die Hintertür ein Mietverhältnis mit dem Verkäufer entsteht, dass also die Räumungsverpflichtung fortbesteht und jederzeit durchgesetzt werden kann. Ferner genügt u.U. die Räumungsverpflichtung des Verkäufers nicht, wenn neben diesem auch weitere (volljährige) Familienangehörige im Anwesen wohnen. Häufig werden für die Räumung Fristen von mehreren Monaten eingeräumt, wobei eine vorzeitige Räumung möglich bleibt. Hierbei müssen zwei Themen strikt voneinander getrennt werden: – Wann wird bei vorzeitiger Räumung der Kaufpreis fällig? In der Regel wird bei vorzeitiger Räumung auch der Kaufpreis früher fällig als ursprünglich geplant. Hat jedoch der Käufer – unabhängig von der Räumung – die Mittel erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung, so ist dieses Thema nicht im Rahmen der Räumungsvereinbarung, sondern im Zusammenhang mit der Kaufpreisfälligkeit zu lösen (z.B. „Fälligkeit nicht vor dem …“). Mitunter soll der Käufer nur davor geschützt werden, dass der Verkäufer „überraschend“ Monate vorher die Räumung bekanntgibt und sodann recht schnell der Kaufpreis zu zahlen ist. Hierzu ist folgende Formulierung möglich: „Räumt der Verkäufer den Vertragsgegenstand mehr als vier Wochen vor dem in dieser Urkunde vereinbarten Räumungstermin, so hat er dies dem Käufer mindestens vier Wochen vor der geplanten Räumung („Vorankündigungsfrist“) anzuzeigen („Vorabinformation“). Erfolgt die Vorabinformation nicht oder mit weniger als der vereinbarten Vorankündigungsfrist, so verlängert sich die Zahlungsfrist entsprechend in dem Maß, in dem der Zeitraum zwischen Vorabinformation und Räumungsanzeige die Vorankündigungsfrist unterschreitet.“ – Wie wirkt sich die vorzeitige Räumung auf die Übergabe aus? Hier ist folgende flexible Formulierung möglich: „Der Verkäufer ist verpflichtet, den Besitz unverzüglich nach Gutschrift des Kaufpreises zu übergeben, jedoch erst, nachdem er dem Käufer die Räumung angezeigt hat oder der nachstehend vereinbarte Räumungstermin verstrichen ist.“ Dies bedeutet: Der Käufer kann durch eine vorzeitige Zahlung keine vorzeitige Räumung und Übergabe erzwingen; hat jedoch der Verkäufer vorzeitig geräumt (oder dies zumindest behauptet) und der Käufer daraufhin auch den Kaufpreis bezahlt, dann ist er auch zur Übergabe verpflichtet.
Wartenburger 419
Kap. 2 Rz. 2.152 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.152 – (5) Die Immobilie ist vom Verkäufer genutzt und wird an diesen „zurückvermietet“: In diesem Fall muss der Mietvertrag zwingend mitbeurkundet werden, anderenfalls ist auch der Kaufvertrag formnichtig (vgl. Rz. 2.11). Mitunter behilft man sich, indem in den Kaufvertrag ein knapper Mietvertrag mit wesentlichen Eckpunkten aufgenommen wird, während sich die Parteien verpflichten, einen ausführlichen Mietvertrag zu einem späteren Zeitpunkt abzuschließen. Sofern über den Inhalt dieses Folgevertrages kein Einvernehmen erzielt wird, kann dessen Festsetzung einem neutralen Dritten (z.B. einem vom örtlichen Amtsgerichtsdirektor ernannten Sachverständigen) übertragen werden. Ferner muss trotz Rückvermietung ein Zeitpunkt für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums definiert werden: Dies ist dann zugleich der Moment, zu dem der Mietvertrag wirtschaftlich beginnt und die Verkäuferhaftung (z.B. wegen Verschlechterung des Objektes) durch die mietvertragliche Haftung beider Vertragsteile ersetzt wird. III. Sach- und Rechtsmängelhaftung 1. Mangelbegriff und Mangelfolgen
2.153 Mängelrechte bestehen, wenn entweder ein Rechts- oder ein Sachmangel vorliegt. Die Sache ist nach § 435 Satz 1 BGB frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Nach § 435 Satz 2 BGB steht es einem Rechtsmangel gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht. Demgegenüber liegt ein Sachmangel vor, wenn die verkaufte Sache bei Besitzübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 434 Abs. 1 BGB. Es gilt also vom Grundsatz her der subjektive Fehlerbegriff 1. Maßgeblich ist danach die vereinbarte Beschaffenheit der Sache. Ist eine solche nicht vereinbart, so ist maßgeblich, ob die Sache sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, wiederum ersatzweise ist die Eignung für die gewöhnliche Verwendung bzw. die gewöhnliche Beschaffenheit ausschlaggebend (subjektiv-objektiver Fehlerbegriff). Das Gesetz hebt hervor, dass auch Werbungs-Anpreisungen bei der Frage der vereinbarten Beschaffenheit maßgeblich zu beachten sind, § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB. 2.154 Das kaufrechtliche Mangelfolgenrecht2 stellt nach § 437 BGB folgende Rechtsfolgen zur Verfügung: – Nacherfüllung, – Minderung, – Rücktritt, – Schadensersatz, – Aufwendungsersatz. 1 Siehe Feller, MittBayNot 2003, 81 (82). 2 Siehe dazu Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf12, Rz. 656 ff.
420 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.158 Kap. 2
Das Recht zur Nacherfüllung1 ist in § 439 BGB geregelt. Dieser Anspruch ist ver- 2.155 schuldensunabhängig und gilt grundsätzlich vorrangig vor allen übrigen kaufrechtlichen Mangelrechten2. Der Käufer kann nach seiner Wahl entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Wahl des Käufers geht bei unverhältnismäßigem Aufwand ins Leere. Ebenso ist die zweite Alternative beim Stückkauf – wie fast immer im Grundstücksrecht – regelmäßig bedeutungslos. Gleichwohl ist der BGH3 der Ansicht, dass auch beim Stückkauf eine Ersatzlieferung nicht zwingend wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist. Subsidiär4 zur Nachbesserung verweist § 440 BGB auf das allgemeine Leistungsstö- 2.156 rungsrecht des BGB nach §§ 320 ff. BGB. Das Recht zur Minderung5 hat keine weiteren Voraussetzungen, außer dass das Recht auf Nachbesserung vorrangig gilt. Ein Rücktrittsrecht besteht nur bei erheblichen Mängeln, §§ 437, 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Schadensersatzansprüche, die insbesondere auch neben einem Rücktrittsrecht gel- 2.157 tend gemacht werden können, setzen voraus, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat § 276 BGB. Für Arglist und Vorsatz wird stets gehaftet, regelmäßig nach dem Gesetz aber auch für leichte Fahrlässigkeit. Die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung erfordert grundsätzlich eine erhebliche Pflichtverletzung. Im Fall einer arglistigen Täuschung über einen Mangel kann die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel nicht geltend gemacht werden6. Rechte wegen kaufrechtlicher Mängel an einem Bauwerk verjähren nach § 438 Nr. 2 2.158 BGB in fünf Jahren. Hinsichtlich des Grundstücks gilt hingegen eine zweijährige Verjährung. Anders als die allgemeine Verjährung beginnt die Verjährungsfrist unabhängig von einer Kenntnis des Geschädigten fest mit der Übergabe des Grundstücks, § 438 Abs. 2 BGB. Lediglich in Fällen der Arglist gilt nach § 438 Abs. 3 BGB die allgemeine Verjährungsfrist, sofern diese Frist länger läuft. Diese Regelung dient allein dem Schutz des durch Arglist Geschädigten.
1 Vgl. Huber, NJW 2002, 1004 ff.; Auktor, NJW 2003, 120 ff.; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 3140 ff.; Schroeter, NJW 2006, 1761 ff.; Oechlser, NJW 2004, 1825 ff. 2 BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, MDR 2005, 673 = NJW 2005, 1348 = DB 2005, 997 = DNotZ 2005, 677. 3 BGH v. 7.6.2006 – VIII ZR 209/05, MDR 2007, 146 = NJW 2006, 2839. 4 BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, MDR 2005, 673 = NJW 2005, 1348 = DB 2005, 997 = DNotZ 2005, 677. 5 BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 100/04, MDR 2005, 673 = NJW 2005, 1348 = DB 2005, 997 = DNotZ 2005, 677. Das Gesetz ist insoweit allerdings missverständlich, so dass in der Rechtslehre teilweise auch abweichende Ansichten vertreten werden. 6 BGH v. 24.3.2006 – V ZR 173/05, MDR 2006, 1155 = NJW 2006, 1960 = DNotZ 2006, 828.
Wartenburger 421
Kap. 2 Rz. 2.159 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2. Rechtsmängel
2.159 Gemäß §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Zu Rechtsmängeln1 zählen u.a. – im Grundbuch eingetragene und im Rang vor der Auflassungsvormerkung noch zur Eintragung gelangende Rechte in Abteilung II und III des Grundbuches, auch wenn die Rechte im Grundbuch eingetragen sind, aber nicht mehr wirksam bestehen (§ 435 Satz 2 BGB). Gleiches gilt für Rechte, die ohne Zustimmung des Käufers noch im Rang nach der Vormerkung zur Eintragung gelangen. Der Vormerkungsschutz der §§ 883, 888 BGB führt lediglich dazu, dass diese Belastungen nach Eigentumsumschreibung auf den Käufer gelöscht werden können, er entbindet aber nicht den Verkäufer von seiner Verpflichtung zur Verschaffung lastenfreien Eigentums. – altrechtliche Dienstbarkeiten2, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, – Miet- und Pachtverträge, die gem. § 566 BGB auf den Erwerber übergehen, – Baulasten3, – öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen, die auf bauordnungs- oder planungsrechtlichen Bestimmungen beruhen, sind nach Meinung des BGH4 ebenso als Rechtsmängel anzusehen, sofern der Besitz oder das Eigentum entzogen werden kann oder keine Baugenehmigung vorliegt oder widerrufen werden kann. Die Abgrenzung vom Sachmangel bereitet im Einzelfall Schwierigkeiten5.
2.160 Eine Haftung für Rechtsmängel wird im Kaufvertrag (anders als bei der Schenkung) üblicherweise nicht ausgeschlossen. Insoweit bleibt es grundsätzlich bei den gesetzlichen Bestimmungen. In der Regel wird eine Haftung für das Bestehen etwaiger altrechtlicher Dienstbarkeiten ausgeschlossen, wobei der Verkäufer lediglich versichert, dass ihm solche nicht bekannt sind (Arglistprobe). Gleiches gilt für Baulasten und ähnliche Beschränkungen, wobei in den meisten Bundesländern der Käufer die Möglichkeit hat, das entsprechende Baulastenverzeichnis einzusehen. Der Vertrag muss aber eine Regelung darüber enthalten, welche der bestehenden Belastungen in Abt. II vom Käufer übernommen werden. Hierbei handelt es sich um eine bedeutsame Frage, die häufig zu erheblichen Diskussionen zwischen den Vertragsteilen führt. 1 Siehe auch Heinemann in Grziwotz/Everts/Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 827 ff. 2 Diese gelten nach Art. 186, 187 EGBGB auch ohne Eintragung im Grundbuch fort; allerdings können sie aufgrund landesrechtlicher Regelungen erlöschen, so z.B. Art. 57 Abs. 1 i.V.m. Art. 56 Abs. 3 BayAGBGB (Erlöschen einer über zehn Jahre nicht ausgeübten Dienstbarkeit). 3 Vgl. OLG Hamm v. 29.6.1987 – 22 U 420/86, NJW-RR 1989, 524 = DNotZ 1988, 700. 4 BGH v. 20.12.1985 – V ZR 263/83, MDR 1986, 392 = NJW 1986, 1605 = DB 1986, 585 = DNotZ 1986, 286. 5 Siehe Erman/Grunewald16, § 435 BGB Rz. 11 bis 13.
422 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.164 Kap. 2
Belastungen, die ihren Ursprung im familiären Umfeld des Verkäufers haben, wer- 2.161 den vom Käufer in der Regel nicht akzeptiert und müssen gelöscht werden. Dies betrifft v.a. Nießbrauchs- und Wohnungsrechte, Altenteilsrechte (Reallasten) und Rückauflassungsvormerkungen früherer Übergeber. Eine für den Käufer sichere Vertragsgestaltung sollte vorsehen, dass diese Rechte bereits gelöscht sind (und nicht nur Löschungsunterlagen vorliegen), bevor der Kaufpreis fällig wird. Vorkaufsrechte, die für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt werden, können bei 2.162 Abwicklung des Vertrages regelmäßig nicht gelöscht werden und müssen daher vom Käufer übernommen werden. Vorkaufsrechte nur für diesen Verkaufsfall sind mit Abwicklung des Kaufvertrages (sofern dieser ordnungsgemäß angezeigt und das Recht nicht ausgeübt wird) gegenstandslos. Die Löschung dieser Rechte im Grundbuch erfordert dennoch die Vorlage einer Bewilligung des Berechtigten. Hier sollte der Vertrag eine Regelung dazu treffen, ob die Einholung dieser Bewilligung (notfalls im Klageweg) Sache des Verkäufers oder des Käufers ist. Dienstbarkeiten und Reallasten, die mit der Ver- und Entsorgung des Vertragsge- 2.163 genstandes, der Nachbarschaft oder mit öffentlichen Infrastruktureinrichtungen im Zusammenhang stehen, können regelmäßig nicht gelöscht werden und sind daher vom Käufer unter Eintritt in die Bestimmungen der Bewilligungsurkunde zu übernehmen. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (z.B. ein Hochspannungsleitungsrecht für einen Stromversorger) können gelegentlich mit Bewilligung des Berechtigten gelöscht werden, wenn das Recht gegenstandslos geworden ist. Bei Grunddienstbarkeiten (z.B. alte Wasserleitungsrechte) scheitert dies häufig daran, dass aufgrund einer Vielzahl von zwischenzeitlicher Grundstücksteilung die Ermittlung sämtlicher Berechtigter schwierig ist und der Aufwand der (klageweisen) Beschaffung aller erforderlichen Löschungsunterlagen in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Zu Gestaltungsmöglichkeiten bei bestehenden Mietverträgen vgl. oben Rz. 2.147 ff. 2.164 Sofern das Mietverhältnis bis spätestens zur Eigentumsumschreibung nicht beendet ist, geht es unabhängig vom Willen der Kaufvertragsparteien auf den Käufer über (§§ 566 ff. BGB). Einen Anspruch auf Abschluss eines Neuvertrages hat der Käufer gegenüber dem Mieter nicht. Er sollte daher vor Abschluss des Kaufvertrages den bestehenden Mietvertrag einsehen und eine Zusicherung des Verkäufers verlangen, dass zum Nachteil des Vermieters keine weiteren Nebenabreden zu dem Vertrag getroffen sind. Streitigkeiten darüber, welcher Vertrag dem Käufer vorgelegt wurde, lassen sich am besten vermeiden, indem eine Kopie des Mietvertrages dem Kaufvertrag zu Beweiszwecken als nicht mit beurkundete „Beilage“ angeheftet wird. Darüber hinaus sollte der Käufer Auskunft darüber verlangen, ob Mietminderungen oder Mieteinbehalte geltend gemacht worden sind und ob gerichtliche oder außergerichtliche Streitigkeiten mit dem Mieter bestehen. Schließlich sollte er sich vergewissern, dass ihm die Kaution ausgehändigt werden kann, da er nach § 566a BGB für deren Rückgewähr auch dann haftet, wenn er sie vom Verkäufer nicht erhalten hat. Der Verkäufer seinerseits sollte die Zustimmung des Mieters zur Übertragung der Kaution einholen, da er nach § 566a Satz 2 BGB daneben subsidiär gegenüber dem Mieter haftet. Wartenburger 423
Kap. 2 Rz. 2.165 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.165 Sind Eigentumswohnungen vermietet oder beabsichtigt der Käufer eine Aufteilung des Vertragsobjektes nach dem WEG, so ist zu klären, ob der Mieter ein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB hat und ggf. den Sonderkündigungsschutz nach § 577a BGB genießt1. Übt der Mieter das Vorkaufsrecht aus, so hat dies grundsätzlich keine Auswirkung auf die Abwicklung des Vertrages mit dem Käufer, da es sich hierbei nur um ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht handelt. Allerdings droht dem Verkäufer eine Schadensersatzhaftung gegenüber dem Mieter, weshalb der Vertrag vorsehen sollte, dass der Verkäufer bei Ausübung des Vorkaufsrechtes durch den Mieter vom Vertrag mit dem Erstkäufer zurücktreten kann, ohne dass der Erstkäufer den Verkäufer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. 2.166 Bestehende Grundpfandrechte gelangen meist zur Löschung. Sollen die Grundschulden vom Käufer übernommen werden, so sind hierfür besondere Vereinbarungen vorzusehen2, wobei insbesondere zu unterscheiden ist, ob der Käufer nur die Grundschuld als dingliches Recht (zur Absicherung seiner eigenen künftigen Darlehen) übernimmt oder ob er (was bei Verkäufen im Familienkreis oder zwischen verbundenen Unternehmen vorkommt) anstelle des Verkäufers dessen Darlehensvertrag übernimmt. 2.167 Hinsichtlich der Baulasten sollte der Notar die Beteiligten auf deren Möglichkeit hinweisen. Gleichzeitig sieht der Notar das Baulastenverzeichnis meist nicht selbst ein. Da die Beteiligten häufig nicht wissen, dass Baulasten auch außerhalb des Grundbuchs Wirkung entfalten können und nicht im Grundbuch eingetragen werden, wird der Notar die Beteiligten darauf hinweisen, dass es ein solches Baulastenverzeichnis in manchen Bundesländern gibt und sie dieses selbst einsehen müssen. Vergleichbar hiermit ist die Abstandsflächenübernahmeerklärung nach Art. 6 Abs. 2 der Bayerischen Bauordnung (BayBO3). Auch diese entfaltet außerhalb des Grundbuches Wirkung und kann nicht aus dem Grundbuch ersehen werden. Ihre Wirkungen sind ähnlich denen einer Abstandsflächendienstbarkeit. 3. Vertragliche Beschränkung der Sachmängelhaftung
2.168 Zwingende gesetzliche Bestimmungen zur Sachmängelhaftung enthält das BGB in den §§ 474 ff. BGB für den sog. Verbrauchsgüterkauf, also den Verkauf beweglicher Sachen von einem Verbraucher an einen Unternehmer. Den Grundstückskauf betreffen diese Normen dann, wenn bewegliche Sachen mitverkauft werden (z.B. beim Verkauf einer vermieteten Wohnung samt Einbauküche durch ein gewerbliches Wohnungsunternehmen an eine Privatperson). Hinsichtlich der Einbauküche
1 Zur Möglichkeit eines Mietervorkaufsrechtes bei nur beabsichtigter Aufteilung vgl. aber BGH v. 22.11.2013 – V ZR 96/12, MDR 2014, 206 = NJW 2014, 850 = ZfIR 2014, 241 = DNotZ 2014, 218; zum Vorkaufsrecht des Mieters bei Realteilung vgl. BVerfG v. 4.4.2011 – 1 BvR 1803/08, NJW 2011, 1723 = MittBayNot 2011, 477. 2 Siehe dazu Heinemann in Grziwotz/Everts/Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 769 ff. 3 BayGVBl. 2007, 588.
424 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.173 Kap. 2
kann in dieser Konstellation kein Haftungsausschluss vereinbart werden, sondern nur eine Verkürzung der Verjährung auf ein Jahr (§ 476 Abs. 2 BGB). Generell unzulässig ist der Ausschluss einer Haftung für vorsätzliches Handeln des 2.169 Schuldners (§ 276 Abs. 3 BGB); die Haftung für vorsätzliches Handeln von Erfüllungsgehilfen ist hiervon nicht erfasst, aber von § 309 Nr. 7 BGB. Weitere Schranken der Vertragsfreiheit ergeben sich aus den §§ 305 ff. BGB, wenn 2.170 Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, die ein Vertragsteil gestellt hat; dies gilt bei sog. Verbraucherverträgen i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB auch dann, wenn die Klauseln nicht vom Verkäufer, sondern vom Notar eingeführt worden sind. In einem solchen Fall wird die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien hierüber (ergebnislos) verhandelt haben, erst recht nicht, dass sie (individualvertraglich) feststellen, über die Klauseln „ernsthaft und ausgiebig“ verhandelt zu haben1. Erforderlich ist vielmehr, dass die Klauseln tatsächlich ernsthaft zur Disposition gestellt wurden und so der andere Vertragsteil die reale Möglichkeit hatte, auf die Bestimmung einzuwirken und so seine Interessen zu wahren. Gemäß § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. aa BGB ist eine Bestimmung in Allge- 2.171 meinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, durch die bei Verträgen über die Lieferung neu hergestellter Sachen und Leistungen die Ansprüche wegen eines Sachoder Rechtsmangels gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen oder auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt werden. Diese Regelung gilt auch für Rechtsmängel. Unzulässig ist ferner nach § 309 Nr. 7 BGB der Ausschluss der Haftung für die schuldhafte Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit und generell für die Haftung bei grobem Verschulden. Bei neu errichteten Gebäuden kann auch außerhalb der Anwendbarkeit von AGB 2.172 gem. §§ 305 ff. BGB ein Ausschluss der Haftung für Sachmängel wegen einer Rechtskontrolle gem. § 242 BGB nur in engen Ausnahmefällen anerkannt werden. Unwirksam ist eine solche Rechtsbeschränkung insbesondere, wenn sie formularmäßig und nicht unter eindringlichem Hinweis des Notars auf die damit verbundenen Folgen2 erfolgt. Dies gilt entsprechend, wenn ein Gebäude vom Verkäufer so umfassend saniert worden ist, dass dies einer Neuerrichtung gleichkommt3. Der Haftungsausschluss für Sachmängel ist bei Altbauten und bei unbebauten 2.173 Grundstücken möglich und absolut üblich4. Der weitgehende Mängelausschluss 1 BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, MDR 2014, 584 = NJW 2014, 1725 = DB 2014, 1194 = ZfIR 2014, 523 = MittBayNot 2014, 322. 2 Siehe BGH v. 8.3.2007 – VII ZR 130/05, MDR 2007, 771 = NJW-RR 2007, 895 = ZfIR 2007, 623 = DNotZ 2007, 822; v. 29.6.1989 – VII ZR 151/88, NJW 1989, 2748 = DB 1989, 1819 = DNotZ 1990, 96; Bischoff/Mauch, DNotZ 2004, 342 (350). 3 BGH v. 8.3.2007 – VII ZR 130/05, MDR 2007, 771 = NJW-RR 2007, 895 = ZfIR 2007, 623 = DNotZ 2007, 822. 4 Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis7, Rz. 2518; kritisch zu entsprechenden Praktiken Krafka, DNotZ 2002, 677 ff.
Wartenburger 425
Kap. 2 Rz. 2.173 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
dient dem Rechtsfrieden. Im Regelfall sind derartige Verträge keine AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Ist dies ausnahmsweise anders, z.B. beim Verkauf durch eine Gemeinde, so ist zusätzlich § 309 Nr. 7 Buchst. a, b, Nr. 8 Buchst. a BGB zu beachten. Dies schränkt die Möglichkeit des Haftungsausschlusses deutlich ein. Auch wenn die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen wird, so bleiben Ansprüche wegen Rechtsmängeln und Rechte wegen arglistig verschwiegenen Mängeln oder wegen arglistig falsch vorgespiegelten Eigenschaften oder übernommenen Garantien (§ 276 Abs. 1 Satz 1, §§ 442, 443, 444 BGB) unberührt. Der Verkäufer sollte in dem Kaufvertrag versichern, dass ihm keine verborgenen wesentlichen Mängel bekannt sind.
2.174 Selbstverständlich ist es nicht Sinn des Kaufvertrages, den Verkäufer stets und unter allen Umständen von der Haftung für Mängel des Kaufgegenstandes freizuzeichnen. Allerdings ist ggf. dem Käufer durch die Vereinbarung konkreter Beschaffenheitsvereinbarungen oder selbständiger Garantieversprechen besser gedient, als durch die Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen. Sollten die Vertragsteile ausnahmsweise keinen Haftungsausschluss vorsehen wollen, empfiehlt sich zumindest ein deutlicher Hinweis auf die gesetzlichen Rechtsfolgen: 2.175 M21 Kein Haftungsausschluss, Geltung gesetzlicher Rechtsfolgen „Hinsichtlich der Haftung des Verkäufers für etwaige Sachmängel des Vertragsgegenstandes, insbesondere für Baumängel und Grundstücksmängel (Altlasten und andere Bodenverunreinigungen), gelten die gesetzlichen Bestimmungen des BGB. Die Beteiligten erklären, dass sie über die Beschaffenheit der Sache keine Vereinbarungen getroffen haben und bestätigen, dass diesbezüglich der Verkäufer auch keine Garantien oder Zusicherungen abgegeben hat. Damit haftet der Verkäufer dafür, dass sich der Vertragsgegenstand für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder sich ansonsten für eine gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Sofern solche Mängel vorliegen, kann der Käufer innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist (fünf Jahre für Baumängel, zwei Jahre für Grundstücksmängel, jeweils ab Übergabe) aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen Nacherfüllung verlangen, u.U. auch Schadensersatz verlangen, den Kaufpreis herabsetzen oder vom Vertrag insgesamt zurücktreten. Eine weitergehende Haftung bei Vorsatz oder Arglist bleibt unberührt. Der Notar hat die Beteiligten eindringlich darauf hingewiesen, dass die Bezugnahme auf diese gesetzlichen Bestimmungen beim Verkauf gebrauchter Immobilien in hohem Maße streitanfällig und äußerst unüblich ist. Dennoch wünschen die Beteiligten ausdrücklich weder eine Einschränkung oder einen Ausschluss der Mängelhaftung noch eine umfassende Beschaffenheitsvereinbarung und fordern die Beurkundung mit diesem Inhalt.“
426 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.178 Kap. 2
Auch soweit die Sachmängelhaftung vollständig ausgeschlossen wird, bleibt die 2.176 Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages nach § 123 BGB bestehen1. Dieses Mittel der Verteidigung entspricht meist aber nicht dem Interesse des Käufers, da es zur Unwirksamkeit des Vertrages führt. Werden Haftungsansprüche ausgeschlossen, stellt sich die Frage, ob Mängelansprü- 2.177 che des Verkäufers gegen seinen Vorverkäufer oder gegen sonstige Dritte (z.B. Handwerker, die in den letzten Jahren vor dem Verkauf Arbeiten an der Anlage vorgenommen haben) mit an den Endkäufer abgetreten werden. Dies sollte klar geregelt werden. Anderenfalls ist es eine (unklare) Auslegungsfrage2. Das Verhältnis verträglicher Beschaffenheitsvereinbarungen zu einem allgemeinen 2.178 Haftungsausschluss, insbesondere beim beurkundungspflichtigen Grundstückskauf, hat die Rechtsprechung wiederholt beschäftigt. Die mittlerweile als gefestigt anzusehende Rechtsprechung des BGH folgt folgenden Grundsätzen: Bei der Frage, ob ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB vorliegt, sind alle Umstände mit einzubeziehen, gleich ob sie Gegenstand der notariellen Urkunde geworden sind oder nicht. Solche Mängel werden jedoch grundsätzlich (in den Grenzen des § 444 BGB) von einem allgemeinen Haftungsausschluss erfasst.3 Die Vereinbarung einer Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch beurkundungspflichtig. Wird eine Beschaffenheitsvereinbarung beurkundet, dann wird diese jedoch nicht von einem allgemeinen Haftungsausschluss erfasst.4 Beispiel: Wird beim Verkauf einer Gebrauchtimmobilie die Angabe eines Baujahres als Beschaffenheit vereinbart und in die Urkunde aufgenommen, so haftet der Verkäufer für die Richtigkeit dieser Angabe. Befindet sich die Angabe in einem Exposé, wurde sie jedoch nicht in den Kaufvertrag aufgenommen, so könnte ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB vorliegen, allerdings greift der Gewährleistungsausschluss des Kaufvertrages ein, sofern nicht der Verkäufer die Unrichtigkeit der Exposé-Angabe kannte oder eine Behauptung ins Blaue hinein getätigt hat. Gestalterisch ist auf diese Zusammenhänge insbesondere der Käufer hinzuweisen, der sich u.U. auf die Angaben im Exposé verlässt und diese für „Garantien“ hält. Hierzu kann der Vertrag folgende Formulierung vorsehen: „Alle Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels … sind ausgeschlossen, allerdings mit Ausnahme etwa in dieser Urkunde enthaltener Beschaffenheitsvereinbarungen und Garantien; hierzu erklären die Vertragsteile, dass außerhalb dieser Urkunde keine Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen und keine Garantien übernommen worden sind …“ 1 BGH v. 17.1.2007 – VIII ZR 37/06, MDR 2007, 576 = NJW 2007, 1058 = DB 2007, 457 = DNotZ 2007, 541. 2 Siehe BGH v. 13.2.2004 – V ZR 225/03, MDR 2004, 869 = NJW 2004, 1873 = DB 2004, 1610 = DNotZ 2004, 779 (restriktiv). Siehe dazu Klimke/Lehmann-Richter, NJW 2004, 3672 ff. 3 BGH v. 9.2.2018 – V ZR 274/16, NJW 2018, 1954; v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150. 4 BGH v. 6.11.2015 – V ZR 78/14, NJW 2016, 1815.
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Kap. 2 Rz. 2.179 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
4. Offenbarungspflichtige Sachmängel
2.179 Ein Haftungsausschluss ist nicht möglich für arglistig verschwiegene Mängel oder innerhalb der Reichweite einer sog. Garantie, vgl. § 444 BGB. Der Beweis der Arglist obliegt dem Käufer und stellt in der Praxis eine hohe Hürde dar. Der BGH führt hierzu aus: „Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer – den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und – zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt – und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Dagegen genügt es nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen […]„(Untergliederung vom Verf.)1.
2.180 In der Entscheidungspraxis wird Arglist regelmäßig dann angenommen, wenn der Verkäufer einen ihm bekannten offenbarungspflichtigen Sachmangel nicht offenlegt oder gar darauf gerichtete Fragen falsch beantwortet. Als offenbarungspflichtige2 Sachmängel wurden (soweit nicht ohnehin bei der Besichtigung für den Kaufinteressenten klar erkennbar) z.B. erkannt: – Denkmaleigenschaft3, – wesentliche Geruchsbelästigung4 und erheblicher Lärm5, – fehlende Baugenehmigung6 hinsichtlich eines nicht unerheblichen Teils des Gebäudes, – Altlasten7, Asbestverwendung8, Gefahr einer erheblichen Schadstoffbelastung aufgrund früherer Nutzung, auch ohne konkreten Altlastenverdacht9, – Hausschwamm, der vor 25 Jahren technisch einwandfrei beseitigt wurde10,
1 BGH v. 22.4.2016 – V ZR 23/15, MDR 2016, 1258 = NJW 2017, 150 = ZfIR 2016, 785-788 = DNotZ 2016, 921, Tz. 21. 2 Siehe Gröschler, NJW 2005, 1601 ff. 3 OLG Celle v. 13.5.1988 – 4 U 101/87, DNotZ 1988, 702. 4 BGH v. 10.7.1987 – V ZR 236/85, NJW-RR 1988, 10. 5 BGH v. 22.2.1991 – V ZR 299/89, MDR 1991, 761 = NJW 1991, 1673 = DB 1991, 1374 = MittBayNot 1991, 156. 6 BGH v. 10.6.1988 – V ZR 125/87, MDR 1989, 52 = NJW-RR 1988, 1290 = DB 1988, 2401 = DNotZ 1989, 306. 7 BGH v. 12.7.1991 – V ZR 121/90, MDR 1992, 49 = NJW 1991, 2900 = DB 1992, 1237 = DNotZ 1992, 298. 8 BGH v. 27.3.2009 – V ZR 30/08, NJW 2009, 2120 = ZfIR 2009, 560 = DNotZ 2009, 760. 9 BGH v. 8.7.2016 – V ZR 35/15, MDR 2017, 144 = NJW-RR 2017, 468 = ZfIR 2016, 783 = MittBayNot 2017, 363. 10 BGH v. 10.7.1987 – V ZR 152/86, NJW-RR 1987, 1415 = WM 1987, 1285.
428 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.182 Kap. 2
– Hausbockbefall, – Unterlassen einer öffentlich-rechtlich gebotenen Überprüfung der Dichtigkeit einer Abwasseranlage1, – unzureichende privatrechtliche Sicherung der Erschließung2, – defekte Fußbodenheizung in separatem Studiohaus3, – tiefgreifend zerstrittene Wohnungseigentümergemeinschaft4 und querulatorische Nachbarn5. 5. Sachmängel zwischen Kaufvertragsabschluss und Gefahrübergang
2.181
Beispiel: V verkauft im November 01 an B eine Gebrauchtimmobilie an K mit vollem Haftungsausschluss für Sachmängel. Den Winter über kümmert V sich nicht mehr um die Gebäude und heizt nicht mehr. Variante 1: Das Haus brennt ohne Verschulden des V vollständig ab. Zur Besitzübergabe kommt es nicht mehr. Variante 2: Als der Kaufpreis im April 02 beglichen wird, stellt K bei der Schlüsselübergabe fest, dass in dem strengen Winter aufgrund der Sorglosigkeit des V die Wasserrohre im Haus geplatzt waren und die Heizung zerstört ist.
Fälle wie die vorstehenden Beispiele haben die Rechtsprechung wiederholt beschäf- 2.182 tigt6. Im Ergebnis geht der BGH überzeugend davon aus, dass ein vertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss grundsätzlich nur solche Mängel umfasst, die zur Zeit des Vertragsschlusses bereits vorhanden waren, nicht dagegen solche Mängel, die zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang entstanden sind. Eine abweichende Regelung hält die Rechtsprechung allerdings für zulässig, so dass es letztlich auf die Auslegung der Vertragsbestimmung zum Haftungsausschluss ankommt. Ob
1 Vgl. zu diesem Themenkomplex Krauß, notar 2012, 317 (326). 2 Zur Haftung des Notars bei unzureichender Aufklärung über die fehlende Erschließung vgl. OLG Celle v. 26.8.2009 – 3 U 58/09, NotBZ 2009, 495. 3 OLG Karlsruhe v. 25.2.2005 – 10 U 37/04. 4 OLG Düsseldorf v. 4.12.1996 – 9 U 92/96, NJW 1997, 1079 = Wohnungseigentümer 1997, 171 = DNotZ 1998, 64 = MittRhNotK 1997, 29. 5 OLG Frankfurt v. 20.10.2004 – 4 U 84/01, BauR 2005, 1821 = DWW 2005, 431 m. Anm. Klepper; diese Fallgruppe muss aber auf Extremfälle beschränkt werden, vgl. OLG München v. 26.3.2012 – 18 U 3956/11, ZMR 2012, 665. 6 Zu Variante 1: BGH v. 10.3.1995 – V ZR 7/94, MDR 1995, 790 = NJW 1995, 1737 = BB 1995, 1261 = DB 1995, 2264 = DNotZ 1995, 883; dazu auch Weigl, MittBayNot 1996, 349 ff.; Tiedtke, NJW 1995, 3081 ff. Zu Variante 2: OLG Hamm v. 28.1.1999 – 22 U 100/98, MDR 1999, 926 = DNotZ 1999, 723 = MittRhNotK 1999, 277. Zu Recht kritisch dazu Weigl, MittBayNot 2000, 33 f.; dagegen BGH v. 24.1.2003 – V ZR 248/02, MDR 2003, 498 = NJW 2003, 1316 = DB 2003, 1568 = ZfIR 2003, 233 = DNotZ 2003, 687 = MittBayNot 2003, 218.
Wartenburger 429
Kap. 2 Rz. 2.182 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
eine solche abweichende Abrede AGB-rechtlich auch zulässig wäre, wird im Hinblick auf § 307 BGB zu Recht bezweifelt1.
2.183 Insbesondere bei Wohnimmobilien scheint ein allgemeiner Haftungsausschluss für nach Vertragsschluss hinzukommende Mängel nicht sachgerecht: Hat der Verkäufer (wie in Variante 2) die Verschlechterung zu vertreten, so spricht nichts dagegen, ihn hierfür in die Haftung zu nehmen. Handelt es sich (wie in der Variante 1) um ein zufälliges Ereignis, so bestehen im Allgemeinen ausreichende Versicherungsmöglichkeiten, deren Nutzung dem Verkäufer obliegt. Um spätere Streitigkeiten über die Frage zu vermeiden, ob ein Mangel vor oder nach Gefahrübergang entstanden ist, sollte die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche allerdings sehr kurz gehalten oder eine vertragliche Ausschlussfrist vereinbart werden. 2.184 M22 Haftung für zwischen Vertragsschluss und Übergabe entstehende Sachmängel „[Ausschluss der Haftung für Sachmängel, allerdings mit Ausnahme] … solcher Sachmängel, die zwischen Vertragsschluss und Übergabe entstehen und über die gewöhnliche Abnutzung hinausgehen; diese Ansprüche sind jedoch ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Übergabe mindestens in Textform gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden.“
2.185 Etwas anders stellt sich die Situation bei forstwirtschaftlichen Grundstücken dar: Gerade solche Besitzungen sind einer gesteigerten Gefahr der zufälligen Verschlechterung ausgesetzt (z.B. Sturmschaden), für die ein adäquater Versicherungsschutz üblicherweise nicht oder nicht zu wirtschaftlich tragbaren Konditionen zu erlangen ist. Dieses Risiko „kauft“ der Erwerber eines Waldgrundstückes mit, weshalb es auch keine Rolle spielen sollte, ob ein Sturmschaden vor oder nach Gefahrübergang eintritt (anders auch hier bei vom Verkäufer zu vertretenden Schäden, z.B. wegen mangelnder Vorkehrungen gegen Käferbefall). Es besteht daher entweder die Möglichkeit, das Risiko von vornherein dem Käufer aufzuerlegen oder lediglich ein Rücktrittsrecht vorzusehen: 2.186 M23 Waldgrundstück, Erwerber „kauft“ Risiko mit 1. „Für den Fall, dass sich der Vertragsgegenstand in der Zeit von heute bis zum Gefahrübergang (vorstehend …) wesentlich verschlechtert (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) oder untergeht, ohne dass dies durch eine Vertragspartei zu vertreten ist, ist der Käufer berechtigt, innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verschlechterung Kenntnis erlangt hat, spätestens bis zum Ablauf eines Monats nach Gefahrübergang, vom Vertrag zurückzutreten. Darüber hinausgehende Ansprüche wegen der Verschlechterung, insbesondere Schadensersatzansprüche, sind gegenseitig ausgeschlossen. Kaufpreis und Besitz sind Zug um Zug zurück zu gewähren, ohne Nutzungsersatz. Der 1 Zimmermann/Bischoff, NJW 2003, 2506.
430 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.188 Kap. 2
Wegfall dieses Rücktrittsrechtes ist nicht Voraussetzung für die Kaufpreisfälligkeit. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“ Oder: 2. „Der Verkäufer ist verpflichtet, den Besitz zu demjenigen Monatsersten zu übergeben, der auf die Gutschrift des Kaufpreises folgt. Ab Besitzübergang gehen auch Nutzungen, private und öffentliche Lasten sowie Verkehrssicherungspflicht und Haftung auf den Käufer über (ggf. zeitanteilig). Abweichend davon geht die Gefahr des zufälligen Unterganges und der zufälligen Verschlechterung bereits mit Abschluss des heutigen Vertrages auf den Käufer über. Etwaige diesbezügliche Ereignisse hat der Verkäufer dem Käufer unverzüglich anzuzeigen; etwaige Kalamitätsnutzungen gebühren dem Käufer.“
6. Haftung nach dem Bundesbodenschutzgesetz (Altlasten) Aufgrund des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und der Altlastenverord- 2.187 nung (BBodSchV) bestehen scharfe öffentlich-rechtliche Haftungsnormen für Altlasten. Gemäß § 4 Abs. 6 BBodSchG ist auch der frühere Eigentümer eines Grundstückes zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1.3.1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste1. Zusätzlich besteht die Rückgriffsmöglichkeit des Käufers gegen den Verkäufer nach § 24 Abs. 2 BBodSchG2. Zu dem Kreis der Sanierungspflichtigen zählt auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt, der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung sowie alle Personen, die aufgrund handels- oder gesellschaftsrechtlicher Grundsätze verantwortlich sind3.Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen können sich auch aus § 6 Umweltschadensgesetz (USchadG) sowie aus den §§ 89, 90 WHG und den entsprechenden Landesgesetzen (z.B. Art. 55 BayWG) ergeben. Nach einem Beschluss des BVerfG4 ist die Haftung des Eigentümers für die Grund- 2.188 stückssanierung bei Altlasten generell auf die zumutbaren Sanierungskosten, d.h. bis zur Höhe des Verkehrswertes, zu beschränken, es sei denn, dass das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Vermögensanteil des Pflichtigen bildet. Die Kenntnis des Grundstückseigentümers von den Altlasten sowie dessen fahrlässige Unkenntnis können – im letzteren Fall je nach Grad der Fahrlässigkeit der Unkenntnis
1 Nach Ansicht des BVerwG soll diese Haftung des Rechtsnachfolgers auch bei Erwerb vor Inkrafttreten des BBodSchG gelten, BVerwG v. 16.3.2006 – 7 C 3.05, BVerwGE 125, 325 = NVwZ 2006, 928 = DÖV 2006, 956 = ZfIR 2006, 551 m. Anm. Grziwotz = MittBayNot 2006, 534. 2 BGH v. 2.4.2004 – V ZR 267/03, MDR 2004, 1178 = NJW-RR 2004, 1243 = ZfIR 2004, 597 = DNotZ 2004, 783. 3 Vgl. Körner, DNotZ 2000, 344. 4 BVerfG v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, NJW 2000, 2573 = DB 2000, 1460 = ZfIR 2000, 464.
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Kap. 2 Rz. 2.188 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
– eine den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigende Kostenbelastung zumutbar machen.
2.189 Für die Vertragsgestaltung ist zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen lediglich ein Altlastenverdacht besteht, und den Fällen, in denen sicher Altlasten bestehen. Ferner ist zu unterscheiden, ob der Verkäufer die Altlasten noch vollständig auf eigene Kosten und eigenes Risiko zu beseitigen und zu entsorgen hat oder der Käufer das Risiko eines eventuellen Altlastenbefundes trägt. Soweit ein Vertragsteil das Altlastenrisiko allein tragen soll, sollten die gegenüber dem anderen Vertragsteil bestehenden Rückgriffsansprüche ausgeschlossen werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die zivilrechtliche Haftungsverteilung die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit unberührt lässt und somit der jeweils andere Vertragsteil bei Insolvenz seines Vertragspartners dennoch zur Kostentragung herangezogen werden kann. 2.190 Beispiel: V verfügt über ein Altlastengrundstück mit einem Verkehrswert (ohne Altlasten) von 500.000 Euro. Für die Beseitigung der Altlasten liegt ihm ein Angebot über 200.000 Euro vor. Verkauft V das Grundstück für 300.000 Euro an K und überlässt diesem die Sanierung, so droht ihm die behördliche Inanspruchnahme, wenn K insolvent ist. Dieses Risiko vermeidet er, indem er die Sanierung selbst durchführt und anschließend für 500.000 Euro verkauft (dann allerdings trägt er das Risiko einer evtl. Kostensteigerung der Sanierung).
2.191 M24 Altlastenverdacht, Käufer trägt Risiko Den Beteiligten ist bekannt, dass auf dem vertragsgegenständlichen Grundstück in den 50er Jahren ein Unternehmen der … betrieben wurde und aus dieser Zeit möglicherweise schädliche Bodenveränderungen (Altlasten) im Grund und Boden bzw. Grundwasser bestehen können. Nach Angabe des Verkäufers ist ihm noch keine Beseitigungsverfügung einer öffentlichen Behörde zugegangen und wurden ihm gegenüber auch noch keine Untersuchungsverfügungen erlassen. Den Beteiligten ist bekannt, dass entsprechende Maßnahmen von staatlichen Hoheitsträgern angeordnet werden können. Die Beteiligten haben das Altlastenrisiko bereits bei der Kaufpreisfindung berücksichtigt. Danach ist der Käufer allein verpflichtet, alle zur Erkundung, Untersuchung, Beseitigung und Entsorgung der Altlasten erforderlichen Maßnahmen auf eigene Kosten und Rechnung durchzuführen, wenn eine staatliche Behörde dies für erforderlich halten sollte. Der Käufer hat diesbezüglich keine Rückgriffsansprüche gegen den Verkäufer und hat den Verkäufer von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte freizuhalten und freizustellen, es sei denn, der Käufer könnte nachweisen, dass der Verkäufer selbst die Altlasten in den Boden/das Grundwasser durch aktives Tun oder ihm zurechenbares Unterlassen eingebracht hat (Verhaltensstörer). Der Käufer schuldet dem Verkäufer die Erkundung, Untersuchung, Beseitigung und Entsorgung der Altlasten nur insoweit, als dies erforderlich ist, um eine Inanspruchnahme des Verkäufers durch öffentliche Stellen oder sonstige Dritte zu verhindern, sonst aber nicht. Sicherheitsleistung – mit den Beteiligten erörtert – wird nicht vereinbart und kann nicht verlangt werden.
432 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.191 Kap. 2
Altlastengrundstück mit Sanierungspflicht des Verkäufers Den Beteiligten ist bekannt, dass vom Verkäufer auf dem vertragsgegenständlichen Grundstück in der Zeit von … bis … ein Unternehmen der … betrieben wurde und aus dieser Zeit schädliche Bodenveränderungen (Altlasten) im Grund und Boden bestehen. Die Beteiligten haben Kenntnis des Gutachtens über den Zustand der schädlichen Bodenveränderungen und die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen. Die Sanierung durch den derzeitigen Eigentümer wurde bereits durch die zuständige Behörde angeordnet. Der Bescheid ist nach Angabe bestandskräftig. Das Gutachten selbst ist nicht Inhalt der Willenserklärungen der Beteiligten und daher rein nachrichtlich der heutigen Urkunde in Kopie beigefügt1. Der Verkäufer allein ist verpflichtet bis zum … [Datum], alle Maßnahmen zur Erkundung, Untersuchung, Beseitigung und Entsorgung der Altlasten erforderlichen Maßnahmen auf eigene Kosten und Rechnung durchzuführen oder durchführen zu lassen, so wie die zuständige staatliche Behörde (Landratsamt) dies für erforderlich halten sollte. Der Verkäufer hat diesbezüglich keine Erstattungsansprüche gegen den Käufer, sondern hat den Käufer von allen Altlastensanierungsmaßnahmen im weitesten Sinne freizustellen, soweit diese innerhalb der nächsten fünf 2 Jahre ab heute angeordnet werden sollten. Diese Freistellungspflicht gilt nur insoweit nicht, als der Verkäufer nachweisen könnte, dass der Käufer selbst die Altlasten in den Boden durch aktives Tun oder ihm zurechenbares Unterlassen eingebracht hat (Verhaltensstörer). Der Verkäufer schuldet dem Käufer die Erkundung, Untersuchung, Beseitigung und Entsorgung der Altlasten nur insoweit, als dies erforderlich ist, um den Anforderungen der öffentlichen Behörden zu entsprechen, sonst aber nicht. Der Inhalt der Sanierungspflicht wird also durch die zuständige Behörde nach § 317 BGB bestimmt. Sollte die Behörde nicht innerhalb von … Monaten eine Entscheidung fällen, so entscheidet darüber als Schiedsgutachter … Der Kaufpreis wird erst fällig, wenn die zuständige Behörde, hilfsweise der Gutachter dem Verkäufer schriftlich bestätigt hat, dass alle zur Erkundung, Untersuchung, Beseitigung und Entsorgung der Altlasten erforderlichen Maßnahmen erledigt sind. Der Verkäufer schuldet dem Käufer den Abschluss aller dafür erforderlichen Arbeiten bis zum … [Datum]. Sicherheitsleistung – mit den Beteiligten erörtert – wird nicht vereinbart und kann nicht verlangt werden3.
1 Anders verhält es sich, wenn sich der Verkäufer verpflichtet, genau die in dem bereits vorhandenen Gutachten dargestellten Maßnahmen einzuleiten; dann wäre der Inhalt des Gutachtens zugleich Teil der Erklärungen der Beteiligten und müsste mit beurkundet, also auch mit verlesen werden. 2 Die Dauer der zeitlichen Haftungsbegrenzung ist im jeweiligen Einzelfall auszuhandeln und hängt von der Wahrscheinlichkeit später noch auftretender Nachsanierungen ab. Eine zeitlich unbegrenzte Freistellung ist insoweit für den Verkäufer meist unzumutbar, weil mit fortschreitender Zeit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die später entdeckten Altlasten vom Käufer verursacht wurden. Denkbar wäre auch, ab dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne eine Beweislastumkehr zu normieren. 3 Regelmäßig empfiehlt sich jedoch die Vereinbarung von Bürgschaften oder ähnlichen Sicherheiten. Dies ist nahezu zwingend, wenn – anders als hier empfohlen – der Kaufpreis schon vor Abschluss der Maßnahmen zu entrichten ist.
Wartenburger 433
Kap. 2 Rz. 2.192 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.192 Neben diesen beiden Formen der einseitigen Kostenzuweisung trifft man – insbesondere in Verdachtsfällen – häufig auf Zwischenlösungen, wonach ein Vertragsteil die Kosten bis zu einem bestimmten Betrag übernimmt, während der andere Teil die darüber hinausgehenden Kosten trägt. Möglich ist auch die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts des Käufers, sollte sich der Altlastenverdacht bestätigen, wobei der Verkäufer berechtigt ist, den Rücktritt abzuwenden, indem er die Beseitigungskosten übernimmt. IV. Nebenpflichten, insb. Renovierung
2.193 Auch wenn im Kaufvertrag über gebrauchte Immobilien der umfassende Haftungsausschluss üblich ist („wie es liegt und steht“), wünschen die Vertragsparteien mitunter, dass der Verkäufer noch bestimmte Arbeiten übernimmt, sei es, weil er selbst vom Fach ist, weil er schon mit den Handwerkern in Kontakt ist oder weil der Käufer sich mit der Organisation von solchen Arbeiten nicht befassen möchte/kann. Auf diese Weise möchten die Parteien zudem die Zeit zwischen Vertragsschluss und Übergabe zur Durchführung der Arbeiten nutzen (etwaige vom Käufer bestellte Handwerker könnten die Immobilie ja erst nach Übergabe betreten; die Genehmigung von Arbeiten des Käufers vor Übergabe ist für den Verkäufer eine risikobehaftete Vorleistung). 2.194 Die Streitanfälligkeit der Aufnahme solcher „Fremdkörper“ in den Kaufvertrag ist den Vertragsparteien i.d.R. nicht bewusst. Daher sollten folgende Punkte bei der Vertragsgestaltung bedacht werden: Checkliste: – Genaue Bezeichnung der durchzuführenden Arbeiten: Da die Vertragsparteien häufig nicht in der Lage sein werden, eine ausreichende Baubeschreibung für die durchzuführenden Arbeiten zu liefern, kann man sich durch die Bezugnahme auf bereits eingeholte Angebote einer Handwerksfirma behelfen. In einem solchen Fall wird der Angebotsinhalt zugleich Teil des Kaufvertrages und ist daher mit zu beurkunden. – Konkreter Fertigstellungstermin: Die häufig gewünschte Vereinbarung „bis zur Übergabe“ ist nicht ausreichend, da die Übergabe ja gerade erst nach Fertigstellung der Arbeiten stattfinden kann. – Sicherung des Käufers: Der Kaufpreis oder zumindest ein angemessener Kaufpreisteil sollte erst fällig sein, wenn die Arbeiten abgeschlossen und abgenommen sind. Den Eintritt dieser Fälligkeitsvoraussetzung kann der Notar (wie bei der Räumung) nicht überwachen, weshalb ein Abnahmeprozedere zwischen Käufer und Verkäufer zu bestimmen ist. – Haftungsregelung: Da der Verkäufer die Arbeiten i.d.R. nicht selbst erbringt, wird er der Übernahme der werkvertraglichen Haftung gegenüber dem Käufer nicht zustimmen. Möglich ist es (außerhalb des AGB-Rechts und des Verbrauchervertrages), den Käufer auf den ausführenden Handwerker zu verweisen und ihm bei Vereinbarung eines Haftungsausschlusses gegenüber dem Verkäufer die Ansprü434 Wartenburger
D. Verkäuferpflichten
Rz. 2.197 Kap. 2
che gegen das ausführende Unternehmen abzutreten. Auf eine solche Gestaltung sollte sich der Käufer nur einlassen, wenn das Unternehmen bereits im Kaufvertrag bestimmt ist oder der Käufer bei der Auswahl zumindest mitentscheiden kann. Angesichts dieser umfangreichen Regelungsaufgaben scheint es wesentlich einfacher, die Arbeiten dem Käufer zu überlassen und dies bei der Kaufpreisbemessung zu berücksichtigen. V. Energieausweis und Gebäudeenergiegesetz Literatur: Hertel in Herrler/Hertel/Kesseler, Aktuelles Immobilienrecht 2021/2022, 3. Aufl. 2022, Abschn. A.VII
Mit Wirkung zum 1.11.2020 ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG)1 in Kraft getreten 2.195 und hat die vormals für den Verkauf von Gebäuden relevante Energieeinsparverordnung (EnEV) ersetzt, ohne dass dies für die Abwicklung des Verkaufs zu relevanten Änderungen geführt hat. Ein Energieausweis ist entweder ein Energiebedarfsausweis oder ein Energiever- 2.196 brauchsausweis. Der Energiebedarfsausweis (§ 81 GEG) ist verpflichtend zu erstellen bei – Neubauten (§ 80 Abs. 1 GEG), – Wohngebäuden mit weniger als fünf Wohneinheiten, für die der Bauantrag vor dem 1.11.1977 gestellt worden ist und die nicht wenigstens (bei Fertigstellung oder aufgrund nachträglicher Sanierung) das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 11.8.1977 erfüllen (§ 80 Abs. 3 GEG). Im Umkehrschluss ist ein Energieverbrauchsausweis (§ 82 GEG) ausreichend bei – Gebäuden, für die der Bauantrag nach dem 1.11.1977 gestellt worden ist, – Gebäuden, auch früheren Baujahrs, mit mehr als vier Wohneinheiten, – allen Gebäuden, die mindestens das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 11.8.1977 erfüllen. Energieausweise haben eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren, sofern nicht schon zuvor im Zusammenhang mit Umbauten eine Neuberechnung nötig wird (§ 79 Abs. 3 GEG). Die Pflicht zur Ausstellung (§ 80 Abs. 2 GEG) und Vorlage (§ 80 Abs. 4 GEG) besteht 2.197 bei – Verkauf eines bebauten Grundstückes, einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit, 1 Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeund Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG) v. 8.8.2020, BGBl. I 2020, 1728.
Wartenburger 435
Kap. 2 Rz. 2.197 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
– Begründung oder Übertragung eines Erbbaurechts an einem bebauten Grundstück, – Vermietung/Verpachtung/Leasing eines bebauten Grundstückes, einer Wohnung oder einer selbständigen Nutzungseinheit. Durch die Verpflichtung zu Angaben bereits in Immobilienanzeigen (§ 87 GEG) soll die Informationspflicht vorverlagert werden. Diese Verpflichtung greift aber nur ein, wenn der Energieausweis zzt. der Anzeigenschaltung schon vorhanden ist. Für behördlich genutzte Gebäude und Gebäude mit starkem Publikumsverkehr besteht eine Pflicht zur Erstellung und Aushang des Energieausweises auch unabhängig von einem der vorgenannten Rechtsgeschäfte.
2.198 Die gut gemeinte Vorschrift schießt vielfach über ihr Ziel hinaus, insbesondere da sie zu wenige Ausnahmen zulässt. Einzig für kleine Gebäude (bis 50 qm Nutzfläche; kleine Wohnungen werden davon nicht erfasst, da es auf das Gesamtgebäude, nicht auf die vertragsgegenständliche Wohnung ankommt) und für Baudenkmäler wird auf den Energieausweis verzichtet (§ 79 Abs. 4 GEG), ansonsten muss er vorgelegt und übergeben werden, selbst wenn der Käufer hieran keinerlei Interesse hat (z.B. weil er das Gebäude ohnehin sanieren oder gar abreißen will). Ferner ist der Energieausweis nicht erforderlich bei solchen Objekten, die dem GEG nicht unterliegen, weil sie über keine Heizungsanlage verfügen oder weniger als vier Monate jährlich genutzt werden (vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8 GEG). 2.199 Auch ein Verzicht des Käufers auf den Energieausweis ist nicht vorgesehen, so dass derartige (wegen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften unwirksame) Vereinbarungen nicht in den Kaufvertrag aufgenommen werden dürfen. 2.200 Der Verstoß gegen die Anzeige-, Vorlage- und Übergabepflicht ist eine Ordnungswidrigkeit, § 108 Abs. 1 Nr. 13, 14, 16 GEG weshalb ein notarieller Hinweis auf die gesetzlichen Verpflichtungen empfehlenswert ist. Auswirkungen auf die Gültigkeit des Kaufvertrages hat dies aber nicht. 2.201 Der Energieausweis dient grundsätzlich nur der Information des Käufers bzw. soll diesem Anhaltspunkte für mögliche energetische Verbesserungen liefern. Durch die bloße Vorlegung eines Energieausweises wird kaufrechtlich keine Garantie des Verkäufers oder Vermieters übernommen, dass die Angaben des unabhängigen Sachverständigen zutreffend sind. Eine entsprechende Abrede kann selbstverständlich getroffen werden, ist meist jedoch nicht empfehlenswert1. Empfehlenswert ist dennoch eine Vertragsregelung, wonach der Verkäufer, außer bei Vorsatz/Arglist, keine Haftung für die Richtigkeit des Energieausweises übernimmt. Auch wenn beispielsweise der Verkäufer oder Vermieter einen Auftrag auf Erstellung eines Energieausweises erteilt, so kann hierdurch gleichwohl ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Käufers bzw. Mieter gesehen werden, so dass auch der Mieter bzw. Käufer
1 Vgl. dazu Hertel, DNotZ 2007, 486 (494); Bachmayer, BWNotZ 2007, 49 (57).
436 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.207 Kap. 2
einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB gegen den Ersteller hat1. Teilweise wird gleichwohl erwogen, beim Verkauf der Immobilie Schadensersatzansprüche des Verkäufers gegen den Aussteller des Energieausweises an einen Käufer abzutreten2.
2.202
Einstweilen frei.
Bei Wohnungseigentum wird der Energieausweis auf das Gesamtgebäude erstellt, 2.203 § 79 Abs. 2 Satz 1 GEG Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft, die durch den WEG-Verwalter durchzuführen ist. Will ein einzelner Wohnungseigentümer verkaufen und wurde bisher kein Energieausweis erstellt, so hat die Kosten der Erstellung die Eigentümergemeinschaft zu tragen3. Eine dem entgegenstehende Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung verstößt gegen zwingendes Recht und könnte daher gerichtlich angegriffen werden. Die Vorlage des Energieausweises sollte keine Voraussetzung für die Kaufpreisfäl- 2.204 ligkeit, sondern für den Vertragsabschluss sein. Liegt dennoch der Ausweis noch nicht vor und macht der Käufer den Vertragsabschluss von einem bestimmten Inhalt des noch zu erstellenden Ausweises abhängig, so könnte ein entsprechendes Rücktrittsrecht vereinbart werden. In der Praxis kommt diese Konstellation nicht vor, da die Beteiligten entweder den Energieausweis kennen oder auf diesen keinen Wert legen. Unter bestimmten Umständen werden Investitionspflichten durch das GEG aus- 2.205 gelöst. Der Notar sollte auf das Erfordernis der Vorlage eines Energieausweises sowie eine möglicherweise bestehende Investitionspflicht aufgrund des GEG hinweisen, damit die Beteiligten, soweit erforderlich, hierzu Regelungen treffen können.
2.206
M25 Energieausweis Auf die Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes zum Energieausweis und die daraus folgende Vorlagepflicht hat der Notar hingewiesen. Für die Richtigkeit dieses Ausweises haftet der Verkäufer – vorbehaltlich von Vorsatz oder Arglist – nicht.
E. Käuferpflichten I. Kaufpreishöhe Regelmäßig wird der Kaufpreis als Festpreis (zu den umsatzsteuerlichen Fragestel- 2.207 lungen s. Rz. 1.1200 ff.) vereinbart. Aus steuerlichen Gründen kann es vorteilhaft
1 Siehe zu Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter BGH v. 10.11.1994 – III ZR 50/94, NJW 1995, 392. 2 So Krauß, ZNotP 2007, 202 (205). 3 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BR-Drucks. 282/07, S. 121.
Wartenburger 437
Kap. 2 Rz. 2.207 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
sein, den Kaufpreis aufzuteilen in den Anteil des Grund und Bodens, das Gebäude und die sonstigen mitverkauften beweglichen Sachen (s. Rz. 2.33 ff.)
2.208 Vor allem bei Bauplatzverkäufen durch Gemeinden sind im Kaufpreis Bestandteile enthalten, die zwingend gesondert ausgewiesen werden müssen, nämlich dann, wenn bezüglich der Erschließungsbeiträge eine Ablösungsvereinbarung gem. § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB getroffen wird1. 2.209 Durch Vereinbarung eines konkreten Teiles des Kaufpreises, der auf das Gebäude entfällt, lässt sich insoweit der nach § 7 Abs. 4, Abs. 5 EStG abschreibbare Teil des Kaufpreises vom nicht abschreibbaren Teil der Grundstücksanschaffungskosten unterscheiden. Ist die Vereinbarung angemessen, so ist die Finanzverwaltung an diese Vereinbarung gebunden (s. Rz. 1.320)2. Die Finanzverwaltung nutzt ein typisiertes (Schätz-)Verfahren, mit dem bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen auf der Basis einer xls-Datei eine Kaufpreisaufteilung vorgenommen oder die vertraglich vereinbarte Aufteilung auf ihre Plausibilität geprüft werden kann3. 2.210 Ausnahmsweise kommen variable Kaufpreise in Betracht. Der häufigste Anwendungsfall ist der Teilflächenverkauf. Hier wird üblicherweise ein vorläufiger Kaufpreis vereinbart, der sich aus der vorläufig geschätzten Grundstücksgröße, multipliziert mit dem Preis in Euro pro Quadratmeter errechnet. Nach Vorliegen des amtlichen Vermessungsergebnisses ist dann eine Kaufpreisausgleichung durchzuführen, wobei eine ggf. eintretende Mehr- oder Minderfläche mit dem vereinbarten Quadratmeterpreis ausgeglichen wird. Bei Teilflächenverkäufen empfiehlt sich eine solche variable Kaufpreisvereinbarung, sofern nicht mit großer Gewissheit die genaue Flächengröße vorhergesagt werden kann. Zur Vermeidung entsprechender Kaufpreisanpassungspflichten kann selbstverständlich auch eine Vereinbarung getroffen werden, wonach die zu vermessende Fläche eine bestimmte Quadratmeterzahl als Grundstücksgröße ergeben muss. 2.211 Auch in einigen Sondersituationen werden variable Kaufpreise vereinbart, z.B. wenn das künftige Maß der baulichen Nutzung bei Vertragsschluss noch nicht bekannt ist und der Verkäufer an dem möglichen Planungsgewinn beteiligt werden soll oder wenn der Verkäufer sich für den Fall eines gewinnbringenden Weiterverkaufs innerhalb bestimmter Fristen eine Aufzahlung versprechen lässt. In diesen Fällen soll die Eigentumsumschreibung regelmäßig nicht von der Nachzahlung abhängen, son1 Vgl. Muster einer solchen Vereinbarung bei Beck’sches Notarhandbuch/Grziwotz7, Kap. 1 § 10 Rz. 41. 2 BFH v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397 = DStR 2016, 33 = DB 2016, 207 = NJW 2016, 591 = RNotZ 2016, 205. 3 Die xls-Datei (Stand Juni 2022) kann über den Link https://www.bundesfinanzministe rium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerarten/Einkommensteuer/ 2020-04-02-Berechnung-Aufteilung-Grundstueckskaufpreis.html heruntergeladen werden; hierzu gehört eine elfseitige Anleitung. Kritisch zur pauschalen Verwendung der Vorversion dieser Arbeitshilfe BFH v. 21.7.2020 – IX R 26/19, BStBl II 2021, 372 = DStR 2020, 2658 = NJW 2021, 413 = NotBZ 2021, 276; ob die Mängel durch die neue Version der Arbeitshilfe beseitigt sind, bezweifeln Geiling/Jacoby, DStR 2021, 1855.
438 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.214 Kap. 2
dern diese wird durch ein Grundpfandrecht am Vertragsgegenstand oder über eine (Bank-)Bürgschaft gesichert. Die Höhe des Kaufpreises wird zunehmend zu einem Thema, das im Nachgang zum 2.212 Vertragsabschluss die Gerichte beschäftigt1. Vertragsreuige Parteien versuchen dann, einen für sie wirtschaftlich ungünstigen Vertrag im Nachhinein über das Argument der Sittenwidrigkeit für nichtig erklären zu lassen. Nach ständiger Rechtsprechung kann aus einem objektiv vorhandenen krassen Missverhältnis zwischen dem Wert des Kaufgegenstandes und dem gezahlten Kaufpreis eine Vermutung für die nach § 138 BGB missbilligte verwerfliche Gesinnung des Begünstigten abgeleitet werden2. Die Grenze ist hierbei überschritten, wenn der Wert einer Leistung nahezu das Doppelte der Gegenleistung erreicht3. Bei Grundstücksgeschäften sieht die Rechtsprechung die Grenze hier bei einer Wertabweichung von 90 %, wobei in die Ermittlung selbstverständlich auch andere gegenseitige Leistungen (z.B. Schuldübernahme, Übernahme von Vertragsnebenkosten etc.) einbezogen werden müssen.4 II. Kaufpreisfälligkeit 1. Überblick Die Fälligkeitsvoraussetzungen sind das Kernstück eines jeden Grundstückskaufver- 2.213 trages5. Sie beinhalten die wichtigste Sicherung für den Käufer. Da der Käufer das zivilrechtliche Eigentum erst zu einem späteren Zeitpunkt und nicht Zug um Zug gegen Zahlung erhält (vgl. Rz. 2.111), soll er zur Vermeidung einer ungesicherten Vorleistung erst dann zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet sein, wenn sein Erwerb rechtlich gesichert ist, d.h. nicht mehr durch den Verkäufer oder durch Dritte gestört oder verhindert werden kann. Aus diesem Grunde werden bestimmte Voraussetzungen vereinbart, an die die Kaufpreiszahlungspflicht des Käufers anknüpft. 2. Vormerkung Der Käufer muss üblicherweise erst zahlen, wenn die Auflassungsvormerkung für 2.214 den Käufer im Grundbuch eingetragen ist (vgl. Rz. 2.126). Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Auflassungsvormerkung die richtige Rangstelle hat. Der Käufer ist hinreichend gesichert, wenn die Vormerkung Rang hat nach den im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bekannten Grundbucheintragungen und solchen, die mit Zustimmung des Käufers bestellt wurden. Gleichzeitig kann die Rangstelle nach in der Zwischenzeit eingetragenen Rechten, denen der Käufer nicht zugestimmt hat, dann ebenso für die Fälligkeit genügen, wenn für diese anderen Rechte Löschungs1 Vgl. die Bestandsaufnahme von Jung, ZGS 2005, 95. 2 BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 (301) = NJW 2001, 1127 = DB 2001, 916 = ZNotP 2001, 351; v. 5.3.2010 – V ZR 60/09, ZfIR 2010, 587 = ZNotP 2010, 303. 3 Krauß, notar 2012, 317. 4 BGH v. 15.1.2016 – V ZR 278/14, NJW-RR 2016, 692; v. 24.1.2014 – V ZR 249/12, NJW 2014, 1652. 5 Siehe Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf12, Rz. 569 ff.
Wartenburger 439
Kap. 2 Rz. 2.214 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
bewilligungen oder Freigabeerklärungen in grundbuchmäßig vollziehbarer Weise vorliegen und eventuelle Verwendungsauflagen aus dem Kaufpreis erfüllt werden können. Dies gilt richtigerweise nicht nur für solche Rechte, die im Rang vor der Vormerkung eingetragen sind, sondern auch für solche, die zwar nach der Vormerkung, aber vor Eintritt der Kaufpreisfälligkeit eingetragen worden sind: Die zivilrechtlichen Möglichkeiten des Käufers, solche Belastungen als „vormerkungswidrig“ löschen zu lassen, entbinden den Verkäufer nicht von seiner Verpflichtung zur Verschaffung lastenfreien Eigentums. 3. Gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde
2.215 Bei den meisten Grundstückskaufverträgen hat die örtlich zuständige Gemeinde zumindest theoretisch ein Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB. Erst wenn die Gemeinde eine Erklärung in grundbuchmäßiger Form abgegeben hat, ob sie von diesem Vorkaufsrecht Gebrauch macht oder nicht, ist der Erwerb des Käufers insoweit gesichert. Erst ab Vorlage einer entsprechenden Erklärung kann auch die Grundbuchumschreibung auf den Käufer erfolgen, da vorher eine Grundbuchsperre gilt, § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Aus diesem Grund sollte auch das Vorliegen dieser Vorkaufsrechtsbestätigung oder eines entsprechenden Negativzeugnisses als Voraussetzung der Fälligkeit vereinbart werden. 2.216 Da Gemeinden zunehmend die Übersendung dieses Zeugnisses davon abhängig machen, dass die dafür anfallende (i.d.R. vom Käufer zu tragende) Gebühr bezahlt ist, sollte die Kaufpreisfälligkeit nicht von der somit im Belieben des Käufers stehenden Übersendung des Zeugnisses, sondern von seiner Ausstellung abhängen. 2.217 M26 Vorkaufsrechtszeugnis Das zur Eigentumsumschreibung erforderliche Vorkaufsrechtszeugnis nach dem Baugesetzbuch liegt dem Notar ohne Bedingungen und Auflagen vor; eine schriftliche Bestätigung der zuständigen Stelle, wonach das Vorkaufsrechtszeugnis erteilt wurde und sein Versand nur noch von der Zahlung der dafür bei der Gemeinde anfallenden Gebühr abhängig ist, ist insofern jedoch ausreichend.
2.218 Das gemeindliche Vorkaufsrecht ist nach § 26 BauGB ausgeschlossen, wenn – der Eigentümer das Grundstück an seinen Ehegatten oder an eine Person verkauft, die mit ihm in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt ist, – das Grundstück von einem öffentlichen Bedarfsträger für Zwecke der Landesverteidigung, der Bundespolizei, der Zollverwaltung, der Polizei oder des Zivilschutzes oder von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts für Zwecke des Gottesdienstes oder der Seelsorge gekauft wird oder – auf dem Grundstück Vorhaben errichtet werden sollen, für die ein in § 38 BauGB genanntes Verfahren eingeleitet oder durchgeführt worden ist, oder 440 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.221 Kap. 2
– das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel i.S.d. § 177 Abs. 2, 3 BauGB aufweist. Soweit dies eindeutig aus dem Vertrag erkennbar ist, bedarf es auch keines Nach- 2.219 weises der Nichtausübung des Vorkaufsrechts beim Grundbuchamt. Das Gleiche gilt beim Verkauf von Miteigentumsanteilen zwischen Miteigentümern1. Beim Verkauf von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten sowie beim Verkauf von Erbbaurechten besteht kein gemeindliches Vorkaufsrecht (§ 24 Abs. 2 BauGB). Dies gilt richtigerweise auch dann, wenn sämtliche Einheiten in einem Vertrag verkauft werden, so dass der Vertrag wirtschaftlich das gesamte Grundstück betrifft2. Gelegentlich gehören zum Wohnungseigentum wirtschaftlich auch Miteigentumsanteile an anderen Grundstücken (z.B. Wege, externe Garagengrundstücke), so dass hierfür das Vorkaufsrecht wiederum eingreift.3 4. Weitere Vorkaufsrechte Sind dingliche Vorkaufsrechte im Grundbuch eingetragen oder hat ein eventueller 2.220 Mieter ein Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB, so sollte die entsprechende Negativerklärung oder zumindest der Fristablauf, ohne dass ein Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, zur Fälligkeitsvoraussetzung erhoben werden. Anderenfalls können erhebliche Rückabwicklungsprobleme bestehen, wenn der Käufer zunächst den Kaufpreis bezahlt und nach der Kaufpreiszahlung feststellt, dass ein vorrangiger Vorkaufsberechtigter den Grundbesitz erhalten wird. Die Rückzahlungsforderung des Erstkäufers ist in diesen Fällen meist nicht gesichert; auch die Vormerkung bietet ihm bei dinglichen Vorkaufsrechten keinen Schutz, da das Vorkaufsrecht selbst kraft Gesetzes „Vormerkungswirkung“ entfaltet und daher nach Eintritt des Vorkaufsfalles (= Abschluss des Kaufvertrages) eingetragene Belastungen dem Vorkaufsberechtigten gegenüber relativ unwirksam sind. Zu beachten sind auch bundes- und landesrechtliche gesetzliche Vorkaufsrechte, für 2.221 welche die vorstehenden Ausführungen entsprechend gelten4. Der praktisch wichtigste Fall ist hier das Vorkaufsrecht nach § 66 BNatSchG sowie § 99a WHG5 und den entsprechenden Landesgesetzen. Für das Vorkaufsrecht nach § 4 RSG ist eine vertragliche Regelung im Kaufvertrag nicht erforderlich, da dessen Ausübung/Nicht1 BayObLG v. 19.9.1985 – BReg 2 Z 90/85, DNotZ 1986, 223. 2 OLG Hamm v. 14.12.2011 – 15 W 476/11, MDR 2012, 273 = ZWE 2012, 129 = DNotZ 2012, 376. 3 OLG Frankfurt/M. v. 18.5.1995 – 20 W 134/95, DNotZ 1996, 41. 4 Zu weiteren, insbesondere landesrechtlichen Vorkaufsrechten insbesondere bei Fischereirechten, nach dem Naturschutzgesetz, dem Denkmalschutzgesetz, Waldgesetzen und dergleichen s. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 465 und zu bundesrechtlichen Vorkaufsrechten ebendort, Rz. 461. Vgl. auch Grziwotz in Grziwotz/Everts/Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 1217 f. 5 Böhringer, DNotZ 2017, 887.
Wartenburger 441
Kap. 2 Rz. 2.221 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
ausübung sich bereits aus der Mitteilung der Genehmigungsbehörde nach dem GrdstVG ergibt. Das Vorkaufsrecht nach dem RSG hat gegenüber anderen Vorkaufsrechten die Besonderheit, dass es sogar dann eingreift, wenn der Ausgangsvertrag wegen „Unterverbriefung“ unwirksam (formnichtig) ist – mit dem Vorkaufsberechtigten kommt dann ein Kaufvertrag zu dem beurkundeten Preis zustande (§ 4 Abs. 3 RSG).1
2.222 Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass der Vorkaufsberechtigte sein Recht immer auch gegenüber dem Verkäufer selbst ausüben kann; die Begründung einer verdrängenden Empfangszuständigkeit durch den Notar ist nicht möglich. Daher kann der Notar auch nicht überwachen, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, sondern lediglich, dass ihm der Verkäufer die Nichtausübung versichert hat. Entsprechend muss auch die Fälligkeitsvoraussetzung formuliert werden. 2.223 Ist ein dingliches Vorkaufsrecht für mehrere oder alle Verkaufsfälle bestellt, so scheidet dessen Löschung mit Vollzug des Vertrages regelmäßig aus. Besteht das Vorkaufsrecht nur für diesen Verkaufsfall, so führt seine Nichtausübung gleichwohl nicht automatisch zur Löschung des Rechts im Grundbuch, weil die Tatsache der Nichtausübung dem Grundbuchamt nicht in der geforderten Form nachgewiesen werden kann. Es bedarf daher stets noch einer Bewilligung des Berechtigten, wobei der Vertrag eine Regelung darüber treffen sollte, welcher Vertragsteil dafür zuständig ist, diese (notfalls im Klagewege) zu erwirken. 5. Genehmigungen
2.224 Bedarf der Grundstückskaufvertrag weiterer Genehmigungen wie der Sanierungsgenehmigung nach § 144 BauGB oder nach dem Grundstücksverkehrsgesetz, so sollte der Kaufpreis erst nach Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages und Vorliegen entsprechender Genehmigungszeugnisse bzw. Negativatteste, dass keine entsprechende Genehmigung erforderlich ist, fällig werden. 2.225 Wichtige weitere öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse sind2: – Teilungsgenehmigung nach den Landesbauordnungen in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland (relevant für den Teilflächenkauf); – Genehmigungserfordernis bei Umlegungsgebieten gem. § 51 BauGB3. – Genehmigung bei städtebaulichen Entwicklungsgebieten, § 169 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 144 BauGB; 1 Zu den Details des Genehmigungsverfahrens und den Wechselwirkungen mit dem Vorkaufsrecht vgl. die aufschlussreiche Entscheidung des BGH v. 10.5.2019 – BLw 1/18, DNotZ 2020, 149; zum aufschiebend bedingten Vertrag vgl. OLG Dresden v. 20.3.2017 – W XV 71/17, NJW-RR 2017, 849. 2 Siehe Beck’sches Notarhandbuch/Everts7, Kap. 1 § 1 Rz. 105 ff.; Grziwotz in Grziwotz/ Everts/Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 1184. 3 Dies wird nach § 54 Abs. 1 Satz 2 BauGB durch einen Umlegungsvermerk im Grundbuch vermerkt; auch ohne entsprechenden Eintrag gilt jedoch das Zustimmungserfordernis.
442 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.227 Kap. 2
– § 2 GrdstVG1; – Art. 1 Bayr. Almgesetz bei Veräußerung von Almgrundstücken; – § 2 Grundstücksverkehrsordnung für Veräußerung von Grundstücken oder Sondereigentumseinheiten nach dem WEG sowie Erbbaurechten in den neuen Bundesländern2. Eine besondere Bedeutung haben die betreuungsgerichtliche, familiengerichtliche 2.226 und nachlassgerichtliche Genehmigung3. Für sie gilt die Besonderheit, dass die bloße Erteilung der Genehmigung noch nicht zur Wirksamkeit des Vertrages führt, sondern erst die Mitteilung des Vormunds, Betreuers, Pflegers an den anderen Vertragsteil, § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB (ab 1.1.2023: § 1856 BGB). Dementsprechend sollte die Fälligkeit erst mit der Wirksamkeit des Vertrages, also mit dem Zugang der Mitteilung beim anderen Vertragsteil eintreten. Zudem ist zu beachten, dass der Vertrag nur wirksam wird, wenn zum Zeitpunkt der Mitteilung der Genehmigung das entsprechende Betreuungsverhältnis noch besteht, d.h. der Betreute noch am Leben ist und der Betreuer sein Amt nicht durch Niederlegung oder Abberufung verloren hat. 6. Lastenfreistellung Wichtigste Fälligkeitsvoraussetzung neben der Eintragung der Vormerkung zuguns- 2.227 ten des Käufers ist in der Regel die Sicherung der Lastenfreistellung4. Als Voraussetzung für die Fälligkeit sollte daher vereinbart werden, dass der Käufer erst dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn im Grundbuch eingetragene Belastungen, die nicht vom Käufer übernommen werden, entweder gelöscht sind oder dem Notar alle Unterlagen in grundbuchmäßiger Form vorliegen, damit diese zur Löschung am Vertragsgegenstand gelangen können. Soweit der Verkäufer insbesondere bei Grundpfandrechten noch offene Verbindlichkeiten bei dem Grundpfandrechtsgläubiger hat, sollte vereinbart werden, dass nur solche Auflagen vertragskonform sind, die aus dem Kaufpreis weggefertigt werden können. Die Auflagen dürfen insgesamt nicht höher sein als der Gesamtbetrag des Kaufpreises. Für den Fall entsprechender Auflagen sollte als Inhalt des Zahlungsanspruches (im Wege eines unechten Vertrages zugunsten Dritter) vereinbart werden, dass der Käufer nur mit schuldbefreiender Wirkung an die entsprechenden Auflagengläubiger zahlen darf. Der Käufer muss diese Auflage unbedingt beachten, da ansonsten die Lastenfreistellung nicht gesichert ist. Die Treuhandauflagen der Gläubiger können von den Gläubigern nach Er-
1 Siehe zu den landesrechtlichen Freigrenzen bei Kleinflächen Grziwotz in Grziwotz/Everts/ Heinemann/Koller, Grundstückskaufverträge2, Rz. 1199 Fn. 1143; Beck’sches Notarhandbuch/Everts7, Kap. 1 § 1 Rz. 120. 2 Dieses Genehmigungserfordernis ist seit 1.7.2018 praktisch obsolet, da nunmehr gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GVO kein Genehmigungsverfahren mehr durchzuführen ist, wenn für den Vertragsgegenstand kein Anmeldevermerk gem. § 30b Abs. 1 VermG eingetragen ist. 3 Vgl. Beck’sches Notarhandbuch/Everts7, Kap. 1 § 1 Rz. 149 ff. 4 Kemp, RNotZ 2004, 460; Schilling, RNotZ 2005, 41; Reithmann, ZNotP 2004, 319.
Wartenburger 443
Kap. 2 Rz. 2.227 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
teilung der notariellen Fälligkeitsmitteilung nicht mehr einseitig widerrufen werden1.
2.228 In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, dass die Kaufpreisfälligkeit bereits eintritt, bevor alle Unterlagen zur Lastenfreistellung vorliegen. Dies ist v.a. dann der Fall, wenn bei eingetragenen Briefgrundschulden (mit einem im Verhältnis zum Kaufpreis geringen Nennbetrag) der Grundschuldbrief abhandengekommen ist. Das zur Löschung einer solchen Grundschuld erforderliche Aufgebotsverfahren nimmt ca. sechs Monate in Anspruch, was die Abwicklung des Kaufvertrages unnötig blockiert, insbesondere wenn die Grundschuldsumme im Verhältnis zum Kaufpreis eher unbedeutend ist. In einem solchen Fall empfiehlt sich die Regelung, dass der Käufer nach Eintritt der übrigen Fälligkeitsvoraussetzungen den Kaufpreis bis auf einen Einbehalt zahlt. Der Einbehalt ist fällig nach Löschung der Briefgrundschuld. Besitz, Nutzungen und Lasten gehen mit Wirkung ab Zahlung des ersten Kaufpreisteilbetrages auf den Käufer über, die Eigentumsumschreibung findet erst nach der Zahlung des letzten Teilbetrages statt. Der Einbehalt sollte der Höhe nach so bemessen sein, dass er zur dinglichen Ablösung der Grundschuld ausreicht, also den Nennbetrag der Grundschuld samt Nebenleistung sowie nicht verjährte Grundschuldzinsen umfassen. 2.229 Immer wieder kommt es vor, dass dem Notar Treuhandauflagen von Gläubigern erteilt werden, die befristet sind. Die bloße Befristung als solche ist unschädlich. Die Befristung muss jedoch über den Zeitpunkt hinaus reichen, bis zu dem der Käufer nach der vertraglichen Vereinbarung im Kaufvertrag gezahlt haben muss. Im Übrigen sollte der Notar bei entsprechenden Befristungen den Käufer darauf hinweisen, dass die Lastenfreistellung nur gesichert ist, wenn der Kaufpreis bis zu einem bestimmten Datum (Ende der Befristung) beim Verkäufer und dessen Gläubigern eingegangen ist. Soweit er bis zu diesem Datum nicht gezahlt haben sollte, darf der Käufer aus Gründen der eigenen Sicherung nicht mehr zahlen2. Auf den Zeitpunkt des Fristablaufs sollte dann eine Fristverlängerung beim Gläubiger beantragt werden, damit die Sicherung der Lastenfreistellung wieder eintritt. 7. Räumung
2.230 Sollte der Verkäufer den Vertragsgegenstand noch selbst benutzen oder sollte er sich verpflichtet haben, noch für die Beendigung eines bestehenden Mietverhältnisses zu sorgen, so sollte als weitere Fälligkeitsvoraussetzung die vertragsgemäße Räumung des Vertragsgegenstandes vereinbart werden. Die Überwachung dieser Voraussetzung wird vernünftigerweise nicht vom Notar übernommen, sondern von den Beteiligten selbst. Wichtig ist dabei, dass dennoch ein klarer Abwicklungsrahmen vor-
1 Siehe auch BGH v. 25.10.2001 – IX ZR 427/98, MDR 2002, 403 = NJW 2002, 1346 = ZfIR 2002, 128 = DNotZ 2002, 269; Hertel in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf12, Rz. 585; Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 548. 2 Vgl. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 156.
444 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.234 Kap. 2
gegeben wird, der insbesondere dazu führt, dass der Verkäufer nach Ablauf einer bestimmten Frist automatisch in Verzug kommt.
2.231
M27 Kaufpreisfälligkeit: Räumung Weitere, vom Notar nicht zu prüfende Fälligkeitsvoraussetzung ist die vertragsgemäße Räumung des Vertragsgegenstandes. Diese hat der Verkäufer dem Käufer in Textform mitzuteilen. Der Kaufpreis muss innerhalb von fünf Bankarbeitstagen gutgeschrieben sein, nachdem der Käufer in vorstehend genannter Form über die Räumung informiert wurde und außerdem der Verkäufer dem Käufer Gelegenheit gegeben hat, sich von der vertragsgemäßen Räumung zu überzeugen, nicht jedoch vor dem unter … (Fälligkeitsmitteilung des Notars) genannten Zeitpunkt.
Vertraglich vereinbarte Räumungstermine liegen oft recht weit in der Zukunft. Die 2.232 vorstehende Klausel stellt es dem Verkäufer frei, auch zu einem früheren Zeitpunkt zu räumen, wodurch der Kaufpreis zeitiger fällig wird; zum möglichen Erfordernis einer Vorankündigungsfrist vgl. oben Rz. 2.151. III. Fälligkeitsmitteilung Die Beteiligten des Kaufvertrages haben regelmäßig keine Kenntnis des Umstandes, 2.233 dass alle für den Vertragsvollzug und die Fälligkeit erforderlichen Tatsachen eingetreten sind. Deshalb wird regelmäßig der Notar beauftragt, den Beteiligten den Eintritt der von ihm herbeizuführenden Fälligkeitsvoraussetzungen mitzuteilen. Außerhalb der Sphäre des Notars liegende Fälligkeitsvoraussetzungen wie die Räumung des Vertragsgegenstandes durch einen Mieter oder Erteilung einer bestimmten Baugenehmigung, teilt der Notar hingegen regelmäßig nicht mit. Davon muss der Käufer sich vor der Zahlung selbst überzeugen. Strittig ist immer wieder, ob der Eintritt der Fälligkeit von der bloßen Absendung 2.234 der Fälligkeitsmitteilung oder vom Zugang dieser Mitteilung beim Käufer abhängen soll. Eine Fälligkeitsmitteilung ohne Zugang soll nach Ansicht des BGH auch dann keine Fälligkeit auslösen, wenn der Notar gezielt nur auf die Absendung abstellt; die so bezweckte Beweislastumkehr akzeptiert der BGH1 nicht. Der Beweis könne kaum erbracht werden, da der Käufer den Beweis einer negativen Tatsache erbringen müsse, was er aber nicht könne. Weiteres Erfordernis sei daher stets der Zugang. Dies ist das Ergebnis einer Auslegung durch den BGH. Wer dennoch das gegenteilige Ziel erreichen will, muss ausdrücklich klarstellen, dass es auf den Zugang der Erklärung beim Käufer nicht ankomme. Die unten dargestellte Musterformulierung verzichtet nicht auf den Zugang der Fälligkeitsmitteilung beim Käufer, stellt jedoch für die Fristberechnung aus Gründen der Vereinfachung (und Transparenz für den Verkäufer) auf den Tag der Absendung ab.
1 BGH v. 26.11.2004 – V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395 m. Anm. Lichtenwimmer.
Wartenburger 445
Kap. 2 Rz. 2.235 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.235 Verzug setzt im Übrigen stets Verschulden voraus. Daran scheitert es, wenn der Käufer nachweisen kann, die Post nicht erhalten zu haben. 2.236 Im Kaufvertrag sollte klargestellt werden, in welcher Weise der Notar die Fälligkeitsmitteilung versenden soll1, anderenfalls ist strittig, ob den Notar eine Pflicht trifft, ein Einschreiben zu versenden2. Der Versand per Einschreiben hat für den Verkäufer den Vorteil, dass der Zugang besser nachgewiesen werden kann. Ein Übergabeeinschreiben oder Einschreiben mit Rückschein verzögert die Übermittlung und erweist sich als nachteilig, wenn der Empfänger nicht angetroffen wird und das Einschreiben nicht abholt. Dieser Nachteil wird bei einem Einwurfeinschreiben vermieden. Zwar gehen die Gerichte davon aus, dass die elektronische Auslieferungsbestätigung, die beim Einwurfeinschreiben generiert wird, keinen Zugangsnachweis vermittelt3. Dies dürfte jedoch nicht auf solche Fälle übertragbar sein, in denen sich die Parteien vertraglich auf diesen Weg der Übermittlung geeinigt haben. 2.237 Wenn per Einschreiben mit Rückschein versandt wird, sollte der Rücklauf des Rückscheins auch überwacht werden, anderenfalls könnte darin eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung zu sehen sein. 2.238 Ferner muss die Vereinbarung erkennen lassen, ob die Fälligkeitsmitteilung des Notars konstitutive Wirkung haben soll, wobei die Fälligkeit ohne diese Mitteilung gar nicht eintreten kann, oder ob die Mitteilung nur deklaratorisch ist, also lediglich den Nachweis des Fälligkeitseintritts ermöglicht. 2.239 M28 Fälligkeitsmitteilung (deklaratorisch) a) Der Kaufpreis muss innerhalb von zehn Bankarbeitstagen gutgeschrieben sein, nachdem der Vollzug dieses Vertrages wie folgt gesichert ist [… folgen Fälligkeitsvoraussetzungen] b) Der Notar soll dem Käufer das Vorliegen der Voraussetzungen gem. vorstehend a) und den Inhalt von (etwaigen) Zahlungsauflagen durch Einwurf-Einschreiben mitteilen (Fälligkeitsmitteilung); der Verkäufer erhält eine Abschrift der Fälligkeitsmitteilung. c) Die unter a) bestimmte Frist beginnt: – mit dem Datum der Absendung der Fälligkeitsmitteilung (deren unverzüglichen Zugang beim Käufer vorausgesetzt) spätestens jedoch – mit dem Tag der Kenntniserlangung, wenn der Käufer auf andere Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen erfährt.
1 Siehe DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2007, 84 f. 2 LG Traunstein v. 9.2.1994 – 3 O 4935/93, MittBayNot 1995, 244; Bous, RNotZ 2005, 100 Fn. 4. Einfacher Brief genügt, s. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Rz. 295. 3 OLG Koblenz v. 28.1.2005 – 11 WF 1013/04, OLGR Koblenz 2005, 869.
446 Wartenburger
E. Käuferpflichten
Rz. 2.261 Kap. 2
IV. Verzug und Verzinsung des Kaufpreises Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB tritt nach Ablauf der vereinbarten Zahlungsfrist 2.240 nach Fälligkeitsmitteilung kraft Gesetzes Schuldnerverzug ein, ohne dass es einer Mahnung bedarf, sofern nicht dem Schuldner der Entlastungsbeweis nach § 286 Abs. 4 BGB gelingt. Die Regelung des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist sowohl bei einer deklaratorischen als auch bei einer konstitutiven Fälligkeitsmitteilung durch den Notar anwendbar. Denn der Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen bzw. dessen Mitteilung ist das Ereignis, an den der Fristablauf automatisch den Verzugseintritt anknüpft. Eine unangemessen kurze Frist setzt eine angemessene Frist in Lauf. Die Höhe des Zinssatzes beträgt gem. § 288 BGB bei Beteiligung eines Verbrauchers am Vertrag (egal auf welcher Vertragsseite) 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB und bei Nichtbeteiligung eines Verbrauchers 9 % darüber. Angesichts der weitreichenden gesetzlichen Verzugsfolgen empfiehlt sich im Vertrag 2.241 ein Hinweis auf die Rechtslage, ohne dass dadurch dem Schuldner der Entlastungsbeweis nach § 286 Abs. 3 BGB genommen wird:
2.242
M29 Hinweis auf Verzugseintritt Dem Käufer ist bekannt, dass regelmäßig Zahlungsverzug eintritt, wenn der Kaufpreis zum Fälligkeitstermin nicht gutgeschrieben ist. Die gesetzlichen Verzugsfolgen hat der Notar erläutert.
Einstweilen frei.
2.243–2.260
V. Abwicklung über Notaranderkonto Literatur: Brambring, Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto: Nur als Maßanzug kein Auslaufmodell, DB 2000, 1319; von Campe, Der Widerruf des Treuhandauftrages des finanzierenden Kreditinstitutes bei Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto, NotBZ 2001, 208; Franken, Rechtsprobleme nach Kaufpreishinterlegung auf Notaranderkonto beim Grundstückskauf, RNotZ 2010, 597; Lerch, Die notarielle Verwahrungstätigkeit, NJW 1998, 3697; Möhrle, Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto – Auslaufmodell oder Maßanzug, DB 2000, 605; Reithmann, Mehrseitige Treuhandverfahren beim Grundstücksverkauf – Kaufpreisfinanzierung über Notar-Anderkonto, NotBZ 1999, 57; Reithmann, Notarielle Verwahrung bei der Finanzierung des Grundstückskaufs, WM 2002, 683; Wehrstedt, Zum Begriff der Sicherstellung in Treuhandauflagen, ZNotP 2002, 461; Weingärtner, Berechtigtes Sicherungsinteresse i.S.d. § 54a Abs. 2 BeurkG, DNotZ 1999, 393; Zimmermann, Anmerkung zu BGH Urt. vom 16.11.2020 – NotSt (Brfg) 2/19, RNotZ 2021, 155
Gemäß § 23 Satz 1 BNotO ist der Notar auch befugt, Verwahrungsgeschäfte durch- 2.261 zuführen. Seit dem 8.9.19981 ist das Verwahrungsverfahren für den Notar im BeurkG (heute: §§ 57 ff. BeurkG) geregelt. Ziel des Gesetzgebers war es, die Häufigkeit von 1 Siehe Art. 2 Nr. 6, 13 des Dritten Ges. zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze v. 31.8.1998, BGBl. I 1998, 2585 (BNotOuaÄndG 3).
Wartenburger 447
Kap. 2 Rz. 2.261 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Grundstückskaufverträgen, die über ein Notaranderkonto abgewickelt werden, zurückzudrängen. Deswegen darf der Notar nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG eine Verwahrung nur dann durchführen, wenn ein berechtigtes Sicherungsinteresse der Beteiligten besteht1. Dies ist nicht subjektiv, sondern objektiv zu beurteilen2. Die wichtigsten Fallgruppen, in denen ein solches berechtigtes Sicherungsinteresse von der h.M. bejaht wird, sind gegeben, – wenn eine vorzeitige Besitzübergabe vor Kaufpreisfälligkeit (genauer gesagt: vor dem Zeitpunkt, zu dem normalerweise nach Sicherung der Vertragsabwicklung der Kaufpreis fällig gestellt werden könnte) stattfinden soll; – wenn die Vormerkung erst zur Eintragung ins Grundbuch gelangen soll, wenn der Käufer bezahlt hat, weil anderenfalls das Risiko der Eintragung der Vormerkung im Grundbuch als zu groß angesehen wird; – wenn mehrere Käufer Teile aus einem Gesamtobjekt erwerben, wobei jeder Käufer nur für seinen Kaufpreisanteil haftet, der Vertrag aber nach dem Willen des Verkäufers nur abgewickelt werden soll, wenn alle Käufer ihren Kaufpreis zahlen (Weiterleitung an den Verkäufer, wenn alle Käufer eingezahlt haben); – wenn Gläubiger abzulösen sind, deren Existenz und Vertretungsverhältnisse u.U. nicht mit Sicherheit grundbuchtauglich nachgewiesen werden können (in diesem Fall fließt das Geld erst an den Gläubiger, wenn das Recht tatsächlich gelöscht ist; dieser wird aber die Löschung nur bewilligen, wenn die anschließende Zahlung durch die Hinterlegung gesichert ist); – wenn ein freihändiger Verkauf nach Anordnung eines Zwangsversteigerungsverfahrens vorliegt oder aufgrund einer besonders großen Zahl von Gläubigern die direkte Kaufpreiszahlungsabwicklung für den Käufer zu mühsam wäre3; in diesen Fällen sind außerdem die Gläubiger häufig erst bereit, die Löschungsunterlagen auszustellen, wenn der Notar die Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Anderkonto bestätigt.
2.262 Bei der Durchführung von Verwahrungsgeschäften ist besondere Sorgfalt anzuwenden. Die Verwahrungsanweisung bedarf beim Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB. Ab dem Jahr 2022 sind Verwahrungsverzeichnisse im Rahmen des neu geschaffenen Elektronischen Urkundenarchivs zu führen (§ 59a BeurkG). 2.263 Die Verwahrungsanweisung sollte so klar als möglich dem Notar vorgeben, wann der Notar welche Beträge an wen auszukehren hat. Insbesondere die Definition der Auszahlungsvoraussetzungen ist mit besonderer Sorgfalt zu formulieren. Überweisungen vom Notaranderkonto auf eigene Konten des Notars sollten wegen des „schlechten Anscheins“ auch in den Fällen unterbleiben, in denen das Gesetz dies ausdrücklich zulässt – insbesondere zur Deckung der eigenen Notarkosten. Ausnah1 Beck’sches Notarhandbuch/Trömer7, A I Rz. 767. 2 BT-Drucks. 13/4184, S. 37 f. 3 Siehe auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 608 ff.
448 Wartenburger
F. Öffentliche Beiträge und Abgaben
Rz. 2.275 Kap. 2
men sind allerdings gerechtfertigt, wenn die Hinterlegung auch den Zweck verfolgt, den anderen Vertragsteil vor seiner Mithaftung für Notarkosten zu schützen. Die Zuordnung der ggf. während der Verwahrung erzielten Zinsen – bzw. die Tragung der Bankgebühren und der sog. Verwahrentgelte für die Hinterlegung – ist ebenso zu regeln. Dem Notar sollten ferner in der Verwahrungsanweisung klare Vorgaben dafür gemacht werden, wie die Anlage erfolgen soll. Bei Verträgen mit kurzer Abwicklungszeit genügt in der Regel letzteres. Schließlich sollte die Klausel eine Rückzahlung vorsehen, wenn die Auszahlungsvoraussetzungen nicht in vertretbarer Zeit eingetreten sind, damit eine „ewige Hinterlegung“ vermieden wird. Eindeutig vereinbart werden sollte, dass alle Verwahrungsanweisungen an den No- 2.264 tar zwischen den Vertragsteilen bindend getroffen sind und nur durch einvernehmliche Anweisung der Notar hiervon abweichen darf. Die Verwahrungsanweisung sollte der Notar genauestens einhalten. Auslegungen, 2.265 die vom Wortlaut abweichen werden in der Regel von der Rechtsprechung nicht geduldet. Hier droht schnell eine Strafbarkeit nach § 266 StGB.
2.266
Der Widerruf der Verwahrungsanweisungen ist in § 60 BeurkG geregelt.
Besondere Probleme können bei der Abwicklung die Treuhandaufträge darstellen, 2.267 die die Gläubigerbanken dem Notar geben. Insoweit sei auf die Spezialliteratur verwiesen1. Besondere Probleme können sich bei Leistungsstörungen ergeben, da dann das Geld auf dem Notaranderkonto liegt und um dessen Aus- bzw. Rückzahlung zu prozessieren ist2. In Zweifelsfällen kann der Notar eine Zahlung ankündigen und so dem anderen Vertragsteil die Möglichkeit eröffnen, hiergegen nach § 15 BNotO vorzugehen. Ein Formulierungsvorschlag findet sich beispielsweise bei Hertel3.
2.268–2.274
Einstweilen frei.
F. Öffentliche Beiträge und Abgaben Literatur: Grziwotz, Verträge im Zusammenhang mit Baulandausweisungen und Bauplatzveräußerungen – Übersicht über neue Gerichtsentscheidungen, MittBayNot 2010, 356; Grziwotz, Die BGB-Ablösung – Erschließungskostenregelung beim Bauplatzverkauf durch Gemeinden, BauR 2008, 471; Herz, Die Haftung für den Ausgleichsbetrag nach § 154 BauGB in der Immobilientransaktion ZfBR 2014, 19, Schmitt, Aktuelle Entwicklungen zum Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, KommJur 2016, 86.
Für die Kaufvertragsgestaltung spielt die Verteilung öffentlicher Abgabepflichten zwi- 2.275 schen den Kaufvertragsparteien eine bedeutende Rolle. Insbesondere bei Baugrund-
1 Siehe nur Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Rz. 714 ff. m.w.N. 2 Beck’sches Notarhandbuch/Trömer6, Kap. 1 § 1 Rz. 825. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 639 ff.
Wartenburger 449
Kap. 2 Rz. 2.275 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
stücken in strukturschwachen Gebieten kommt es häufig vor, dass die gemeindlichen Erschließungs- und Anliegerbeiträge den Wert des (unerschlossenen) Bauplatzgrundstückes übersteigen. Hier ist zwischen wiederkehrenden öffentlichen Lasten (insbesondere Grundsteuer) und außerordentlichen Lasten zu unterscheiden. I. Regelungsgehalt des § 436 BGB
2.276 Die Verteilung öffentlicher Lasten zwischen den Vertragsparteien eines Kaufvertrages ist gesetzlich in § 436 Abs. 1 BGB folgendermaßen geregelt: „Soweit nichts anderes vereinbart, ist der Verkäufer eines Grundstücks verpflichtet, Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen sind, unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld.“
2.277 Nach § 436 BGB hätte der Verkäufer auch die Kosten solcher Maßnahmen zu tragen, die im Zeitpunkt des Verkaufs gerade erst begonnen wurden, sich aber noch über mehrere Jahre bis zur Fertigstellung hinziehen. Der Verkäufer ist in diesen Fällen nie in den Genuss der Erschließungsmaßnahmen gelangt, sondern nur der Käufer. Diese Regelung wird daher überwiegend als missglückt betrachtet. Die Formulierung „das Grundstück ist erschlossen“, sollte im Normalfall vermieden werden, da sie nichts über die Abrechnungssituation aussagt, sondern in erster Linie Auskunft über die tatsächliche Herstellung der Erschließungsanlagen gibt. Die Regelung des § 436 BGB kann auch in AGB-Verträgen abbedungen werden, da in dieser Norm kein gesetzliches Leitbild zu sehen ist1. Siehe zu den steuerlichen Folgen Rz. 1.300 ff., 1.964 ff., 1.1118 ff. 2.278 Die gesetzliche Regelung des § 436 Abs. 1 BGB führt darüber hinaus zu einer ungesicherten Vorleistung des Käufers: Dieser zahlt an den Verkäufer den Preis für das erschlossene Grundstück. Rechnet zu einem späteren Zeitpunkt die Gemeinde die Erschließungsmaßnahme ab, so haftet hierfür kraft öffentlichen Rechts wiederum der Käufer als neuer Grundstückseigentümer (§ 134 BauGB). Kann er die Erstattung beim Verkäufer nicht mehr erlangen, so zahlt der die Erschließung in der Sache doppelt2. 2.279 Bezüglich sonstiger öffentlicher Lasten bestimmt § 436 Abs. 2 BGB, dass der Verkäufer insoweit nicht für die Freiheit von nicht eintragungsfähigen Lasten haftet. Auch diese Regelung entspricht nicht dem Interesse der Vertragsparteien. Im Innenverhältnis wird üblicherweise vereinbart, dass wiederkehrende öffentliche Lasten zum Zeitpunkt des Besitzüberganges auf den Käufer übergehen. Gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 10 GrStG ist Steuerschuldner derjenige, dem das Grundstück bei Jahresbeginn zuzurechnen ist, mithin für das Jahr des Verkaufs der Verkäufer, so dass die Steuer für die Zeit ab Besitzübergang bis zum Jahresende vom Käufer an den Verkäufer zu er1 Ebenso BT-Drucks. 14/6040, S. 219; vgl. auch Grüneberg/Weidenkaff81, § 436 BGB Rz. 4. 2 Zu den notariellen Belehrungspflichten vgl. BGH v. 17.1.2008 – III ZR 136/07, MDR 2008, 473 = NJW 2008, 1321 = DB 2008, 1796 = ZfIR 2008, 247 = DNotZ 2008, 280.
450 Wartenburger
F. Öffentliche Beiträge und Abgaben
Rz. 2.282 Kap. 2
statten ist. Hieran ändert sich auch mit der ab 2025 in Kraft tretenden Grundsteuerreform1 nichts. Gemäß § 12 GrStG ist die Grundsteuer eine öffentliche Last am Grundbesitz, so dass auch der Käufer als Rechtsnachfolger (dinglich) für die Zahlung evtl. Außenstände aus der Zeit des Verkäufers haftet. Hierzu wird vertraglich meist vorgesehen, dass der Verkäufer (abweichend von § 436 Abs. 2 BGB) für die Freiheit von Rückständen an öffentlichen Lasten aus der Zeit bis zum Besitzübergang haftet. Ist der Verkäufer zahlungsunfähig, hilft dieser Regressanspruch dem Käufer allerdings nicht weiter; es obliegt ihm also im eigenen Interesse, hierzu im Vorfeld (mit Zustimmung des Verkäufers) eine Auskunft der Gemeinde einzuholen. II. Außerordentliche Lasten
2.280
Zu unterscheiden ist zwischen folgenden Aufwendungen: – Erschließungskosten nach dem BauGB, d.h. die Kosten für die erstmalige Erschließung der Straßen, Bürgersteige und Grünanlagen sowie die Kosten für die Entwässerung der Erschließungsstraßen gem. § 127 Abs. 2 BauGB, – Kostenerstattungen für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen nach den §§ 135a ff. BauGB – Anliegerbeiträge/Herstellungsbeiträge nach den Landeskommunalabgabengesetzen, nämlich die Kosten für Wasseranschlüsse und die Kanalisation sowie für die Erneuerung, Erweiterung und Verbesserung von öffentlichen Straßen nach dem jeweiligen Landesgesetz, z.B. Art. 5 Abs. 1 BayKAG, – Hausanschlusskosten, d.h. die Kosten, die die Gemeinde für die Anschließung des Grundstückes an die Versorgungs- und Abwasserleitungen vom Hauptkanal bis an die Grundstücksgrenze verlangen kann.
Die Gas- und Elektrizitätsversorgung erfolgt im Allgemeinen durch juristische Per- 2.281 sonen des Privatrechts, wobei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist; anstelle von Herstellungsbeiträgen spricht man hier meist von einem „Baukostenzuschuss“. Telefon- und Telekommunikationskabel und die damit zusammenhängenden Kosten fallen grundsätzlich nicht unter die Erschließungskostenregelung. Ist anderes gewollt, so ist dies ausdrücklich zu regeln. III. Abgabenschuldner Die Erschließungskosten werden gem. § 134 Abs. 2 Satz 1 BauGB von demjenigen 2.282 erhoben, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist. Wurden Vorausleistungen erbracht, ist bei einem zwischenzeitlichen Eigentümerwechsel die Vorauszahlung dem Zahlenden zu erstatten, wenn eine Verrechnungsvereinbarung fehlt2. Aus diesem Grunde sollte klargestellt wer-
1 GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. 2 Vgl. Grziwotz, MittBayNot 1989, 11.
Wartenburger 451
Kap. 2 Rz. 2.282 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
den, dass Vorausleistungen des Verkäufers als vom Käufer geleistet gelten sollen und auf dessen Zahlungspflichten anzurechnen sind.
2.283 Erschließungsbeiträge entstehen gem. § 133 Abs. 2 BauGB mit der „endgültigen Herstellung“ der Erschießungsanlagen. Anliegerbeiträge und Hausanschlusskosten werden nach Durchführung der Maßnahme erhoben. Aus öffentlich-rechtlichen Gründen kann sich die Fälligkeit weiter verzögern, so z.B. wenn keine wirksame Beitragssatzung vorhanden ist oder wenn eine Erschießung abweichend vom Bebauungsplan vorgenommen worden ist. Das Bundesverfassungsgericht verlangt im Interesse der Rechtssicherheit, dass Abgaben nicht zeitlich unbefristet nach Durchführung einer Maßnahme eingefordert werden können1. Auf eine Vorlage des BVerwG2 hin hat das BVerfG nunmehr aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, dass zwischen dem Eintritt der „tatsächlichen Vorteilslage“ und der Abrechnung der Abgaben eine begrenzte und definierte zeitliche Befristung liegen muss.3 IV. Vertragliche Regelung
2.284 Die Frage nach der „gerechten“ Verteilung der Beitragslast im Rahmen eines Kaufvertrages ist müßig. Rechnet eine Gemeinde nach Vollzug des Kaufvertrages Maßnahmen ab, die tatsächlich zur Zeit des Vertragsschlusses schon abgeschlossen waren, so wird regelmäßig kein Vertragsteil zur Übernahme der Kosten bereit sein. 2.285 In der notariellen Vertragspraxis sind – abweichend von § 436 BGB – die sog. „Bescheidslösung“ oder die sog. „Ausbauzustandslösung“ üblich. Nach der Ausbauzustandslösung hat der Verkäufer all diejenigen Erschließungskosten zu tragen, die durch den Ausbauzustand verursacht wurden, der am Tage des Verkaufs oder des Besitzübergangs bestanden hat4. Diese Lösung ist zwar auf den ersten Blick besonders einleuchtend, da jeder Vertragsteil diejenigen Kosten zu tragen hat, die zu seinen Besitzzeiten begründet wurden. Diese Lösung ist aber insoweit problematisch, als die Gemeinden häufig nicht in der Lage sind, mittels Zwischenabrechnungen genau zu ermitteln, welche Kosten zu wessen Besitzzeiten angefallen sind. Entsprechende Zwischenabrechnungen würden regelmäßig immensen Aufwand bedeuten und damit erhebliche Kosten auslösen, die die Beteiligten der Kommune meist nicht erstatten wollen. Es besteht kein Anspruch gegen die Gemeinde auf Erstellung von Zwischenabschlüssen zur Kostenabgrenzung. Außerdem führt auch die Ausbauzustandslösung regelmäßig zu einer (ggf. ungesicherten) Vorleistung des Käufers.
1 BVerfG v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143 = BGBl. I 2013, 820 = NVwZ 2013, 1004 = NWB 2013, 2241. 2 BVerwG v. 6.9.2018 – 9 C 5.17, BVerwGE 163, 58. 3 BVerfG v. 3.11.2021 – 1 BvL 1/19, NVwZ 2022, 59; im konkreten Fall wurde eine Straße erst ca. 20 Jahre nach ihrer tatsächlichen Herstellung öffentlich gewidmet und anschließend endabgerechnet. Zu den bisherigen Bemühungen der Landesgesetzgeber um eine Anpassung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben vgl. Degen, NJW-Spezial 2019, 172. 4 Siehe dazu OLG Saarbrücken v. 4.4.2006 – 4 U 377/05, DNotZ 2007, 35 = MittBayNot 2007, 123.
452 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.294 Kap. 2
Die einfachste und klarste Regelung besteht darin, auf den Zeitpunkt des Zugangs 2.286 der Beitragsbescheide und Rechnungen abzustellen, d.h. bis zum Tag der Beurkundung zugestellte Bescheide dem Verkäufer anzulasten, alle übrigen dem Käufer, es sei denn, dass es sich um einen Bauträgerkauf mit einer „schlüsselfertigen“ Einheit handelt (Bescheidslösung, s. eine schlichte Formulierung in M1, Rz. 1.349 unter VII.)1. Dies lässt sich wirtschaftlich auch sinnvoll begründen, da Kosten, die gemeindlicherseits noch nicht in Rechnung gestellt worden sind, auch nicht in die Kalkulation des Kaufpreises einfließen. Für den Käufer besteht bei dieser Gestaltung das Risiko, dass Maßnahmen, die er schon für erledigt gehalten hat, nachträglich noch abgerechnet werden. Hier hilft ausschließlich eine Rückfrage bei der zuständigen Gemeinde, die sich auch darauf beziehen muss, ob die bereits hergestellten Anlagen bereits endabgerechnet sind. Sofern die Rückfrage ergibt, dass noch mit weiteren Forderungen der Gemeinde zu rechnen ist, kann der Käufer dies in die Verhandlungen über den Kaufpreis einfließen lassen. Die Versicherung des Verkäufers, dass derzeit keine offenen Beitragsforderungen der Gemeinde gegen ihn bestehen, hilft dem Käufer allein nicht weiter, da dies nichts über die Abrechnungssituation aussagt. Einstweilen frei.
2.287–2.293
G. Maklerklauseln Literatur: Althammer, Maklerklauseln im Anwendungsbereich der Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG n.F. – Zur Reichweite des notariellen Verbraucherschutzes, MittBayNot 2014, 297; Bethge, Maklerklauseln in notariellen Kaufverträgen – eine Herausforderung für die notarielle Vertragsgestaltung, NZM 2002, 193; Bund, Zu den Mehrkosten von mitbeurkundeten Maklerklauseln und der Notwendigkeit einer Kostenbelehrung, NotBZ 2006, 46; Fischer, Die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnimmobilien, NJW 2020, 3553, von Gerkan, Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen, NJW 1983, 859; von Gerkan, Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen, NJW 1982, 1742; Fischer, Die Entwicklung des Maklerrechts seit 2013, NJW 2014, 3281; Hitzlberger, Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen, NJW 1982, 2854; Lange/Werneburg, Makler und Verbraucher im Internet, NJW 2015, 193; Maaß, Vertragsgestaltung beim vorkaufsrechtsbelasteten Grundstück, notar 2013, 395; Piehler, Maklerklauseln in notariellen Kaufverträgen, DNotZ 1983, 22; Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, 6. Aufl. 2012, Rz. 803 ff.; Schmidt, Maklerlohn nach der Reform 2020: Wer verteilt? Wer zahlt? Und was? Vor allem: Wann?, NZM 2021, 289; Wälzholz, Maklerklauseln in der notariellen Praxis, MittBayNot 2000, 357.
I. Einführung Die Verwendung von Maklerklauseln in notariellen Grundstückskaufverträgen ist im Grundsatz als zulässig anerkannt2. Auch diejenigen Autoren, die sich besonders
1 Ebenso Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 2 Rz. 235 ff. 2 Hitzlberger, NJW 1982, 2854 ff.; Hitzlberger, NJW 1983, 860 ff.; Piehler, DNotZ 1983, 22 ff.; Piehler, DNotZ 1983, 229 f.; Wälzholz, MittBayNot 2000, 357 ff.
Wartenburger 453
2.294
Kap. 2 Rz. 2.294 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
kritisch mit Maklerklauseln auseinandergesetzt haben1, kritisieren im Wesentlichen deren Ausgestaltung oder die Einhaltung der Belehrungspflichten des Notars, bezweifeln aber nicht deren grundsätzliche Zulässigkeit. Aus notarieller Sicht entzündet sich die Kritik daran, dass die unreflektierte Übernahme der von einem Makler gewünschten Klausel Zweifel an der Unabhängigkeit des Notars wecken könnte, dass er also die Interessen des Maklers höher gewichtet als die der Beteiligten. Daraus den Schluss zu ziehen, dass den Notar gegenüber dem Makler überhaupt keine Pflichten treffen, wäre allerdings unzutreffend. Auch der Makler kann „mittelbarer Beteiligter“ sein und somit zum Kreis derer gehören, denen gegenüber der Notar Amtspflichten hat.2 Die seit 23.12.2020 geltende gesetzliche Neuregelung3 und insbesondere das damit begründete Textformerfordernis für den Maklervertrag – nicht nur für das Angebot des Maklers! – (§ 656a BGB) bei der Vermittlung von Kaufverträgen über „Wohnungen“ und „Einfamilienhäuser“ (zu diesen Begriffen s. unten Rz. 2.304) hat die Bedeutung der Maklerklauseln zumindest im Anwendungsbereich dieser Norm verringert, da der Makler keine Darstellung im Kaufvertrag mehr benötigt, um den Abschluss eines Maklervertrages mit ihm zu beweisen. Für das Formerfordernis kommt es (anders als bei der Frage der Provisionsverteilung, dazu sogleich) nicht darauf an, ob an dem Vertrag ein Verbraucher beteiligt ist. Unabhängig davon besteht Einigkeit, dass bei Verwendung von Maklerklauseln besondere Belehrungspflichten des Notars gegenüber den unmittelbaren Beteiligten bestehen, damit diese nicht unerwartet überrumpelt werden. Die wiederholte Verwendung unklarer Maklerklauseln, die unerfahrene Beteiligte benachteiligen, kann berufsrechtlich geahndet werden4. Eine besondere Brisanz haben Maklerklauseln dadurch erfahren, dass im Moment der Vertragsunterzeichnung dem Provisionspflichtigen häufig noch ein Widerrufsrecht gem. § 312g BGB zusteht5. Wird durch eine notariell beurkundete Maklerklausel ein neuer Schuldgrund geschaffen, so kann der Verbraucher sein evtl. Widerrufsrecht nicht mehr nutzen, es droht ihm also ein Rechtsverlust (vgl. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 Halbs. 1 BGB bzw. § 312 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BGB)6. Mit Einführung des Textformerfordernisses (s.o.) hat auch dieses Thema einen großen Teil seiner Bedeutung verloren, da im Zuge des textförmlichen Vertragsabschlus-
1 Von Gerkan, NJW 1982, 1742. 2 Haug/Zimmermann, Die Amtshaftung des Notars, 4. Aufl. 2018, A. Allgemeine Haftungsgrundlagen Rz. 24 f. 3 Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser vom 12.6.2020, BGBl. I 2020, S. 1245. 4 BGH v. 24.11.2014 – NotSt (Brfg) 1/14, MDR 2015, 428 = NJW 2015, 1883 = ZfIR 2015, 260 = DNotZ 2015, 461. 5 Zu den Voraussetzungen des Widerrufsrechtes und seines Erlöschens, insbesondere nach § 356 Abs. 4 BGB, Fischer, NJW 2014, 3281; Lange/Werneburg, NJW 2015, 193. 6 Zum Verhältnis beider Normen und der Auswirkungen auf die notarielle Belehrungspflicht vgl. Gutachten DNotI-Report 2014, 129.
454 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.299 Kap. 2
ses i.d.R. auch die zur Beseitigung des Widerrufsrechtes erforderlichen Handlungen nach § 356 Abs. 4 BGB vorgenommen werden können.1 Bei der Verwendung von Maklerklauseln ist sorgfältig zu differenzieren, da es zahl- 2.295 reiche unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt, die sich im Einzelfall in ihren Rechtswirkungen unterscheiden. Die wichtigsten unterschiedlichen Typen2 von Maklerklauseln bestehen in Folgendem: – tatsächliche Mitteilung über die Vermittlung oder den Nachweis des Vertrages durch den Makler (Wissenserklärung), – abstraktes Schuldversprechen (meist als Vertrag zugunsten Dritter), – kausales Schuldanerkenntnis, – Vertragsübernahme, – vertragliche Schuldübernahme, – Abtretung eines Kaufpreisteiles. Die vorstehenden Klauseltypen können miteinander verquickt werden. Im Übri- 2.296 gen können alle vorstehenden Vereinbarungen mit Ausnahme der zuerst genannten Klauselgestaltung mit einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung versehen werden, was jedoch nur in Sonderfällen empfehlenswert ist. Für die Beurteilung ist genau zu unterscheiden zwischen den einzelnen Rechtsver- 2.297 hältnissen: Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Käufer; Maklervertrag zwischen dem Makler einerseits und dem Käufer und/oder Verkäufer andererseits. II. Materiell-rechtliche Vorgaben Gemäß §§ 656c, 656d BGB in der seit dem 23.12.2020 geltenden Fassung unterliegt 2.298 die Verteilung von Provisionsansprüchen unter folgenden Voraussetzungen zwingenden gesetzlichen Beschränkungen: 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Maklertätigkeit ist auf den Abschluss eines Kaufvertrages über eine „Wohnung“ 2.299 oder ein „Einfamilienhaus“ gerichtet. Der Gesetzgeber hat hier eher untechnische bzw. nicht klar definierte Begriffe verwendet.3 Maßgeblich für die Abgrenzung soll nach einer Ansicht der Erwerbszweck sein, so dass es nicht auf den aktuellen Zustand eines Bauwerkes ankommt, sondern auf die vom Käufer beabsichtigte Nutzung.4 Dies ist nicht überzeugend, denn die Bestimmungen gelten auch schon beim 1 2 3 4
Zu den Anforderungen vgl. BGH v. 26.11.2020 – I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177. Vgl. dazu Grziwotz, MDR 2004, 61 (61); Wälzholz, MittBayNot 2000, 357 ff. Schmidt, NZM 2021, 289. Fischer, NJW 2020, 3553 Rz. 6; BeckOK BGB/Kneller, 61. Ed. 1.2.2022, § 656a BGB Rz. 3.
Wartenburger 455
Kap. 2 Rz. 2.299 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
zeitlich meist vorgelagerten Vertragsabschluss zwischen Verkäufer und Makler (Form) bzw. beeinflussen diesen (Provisionshöhe). Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt werden beide nicht wissen, was der (noch zu findende) Käufer mit der Immobilie zu tun beabsichtigt. Maßgeblich sein kann also nur, von welchem Erwerbszweck man angesichts des Zustands der Immobilie typischerweise ausgehen konnte.1 Auf die rechtliche Form soll es jedenfalls nicht ankommen, so dass die Bestimmungen den Kauf bebauter EFH-Grundstücke bzw. Erbbaurechte, den Kauf von Eigentumswohnungen, Wohnungserbbaurechten etc. gleichermaßen erfassen, sicher auch den Bauträgerkauf 2. Jedenfalls greifen die Bestimmungen nicht ein beim Verkauf unbebauter Grundstücke, gewerblicher Einheiten, bei (vermieteten) Mehrfamilienhäusern und bei Teileigentum (z.B. Garagen). In Zweifelsfällen (Käufer erwirbt ein EFHGrundstück zum Abriss, um es anschließend mit einem Mehrfamilienhaus neu zu bebauen) kann nur geraten werden, die Bestimmungen vorsorglich zu beachten, da anderenfalls die Unwirksamkeit des gesamten Maklervertrages droht. Grund für diese Differenzierung sollte die beim Verkauf von Wohnungen/Einfamilienhäusern vom Gesetzgeber gesehene „Zwangslage“3 des Käufers sein. Worin eine solche beim Kauf einer vermieteten Wohneinheit (mit dem Zweck der Weitervermietung als Kapitalanlage) bestehen soll, wurde durch den Gesetzgeber nicht überzeugend dargestellt. 2. Persönlicher Anwendungsbereich
2.300 Bei dem abzuschließenden Kaufvertrag ist der Käufer ein Verbraucher (§ 656b BGB). Auf die Unternehmereigenschaft des Verkäufers oder des Maklers (!) kommt es nicht an.4 Es muss auch nicht zwingend der Käufer derjenige sein, der den Maklervertrag abgeschlossen hat; insbesondere soll § 656c BGB auch dann gelten, wenn ein Dritter im Interesse des Käufers als Vertragspartner des Maklers aufgetreten ist.5 3. Rechtsfolgen
2.301 Die Rechtsfolgen richten sich nach den Modalitäten der zugrundeliegenden Maklerverträge. Schließt der Makler mit beiden Parteien (außerhalb des Anwendungsbereiches des § 654 BGB) einen Maklervertrag, so müssen die Provisionsansprüche zwingend dieselbe Höhe haben. Obwohl die Bestimmung – wie § 656b BGB zeigt – dem Verbraucherschutz dienen soll, kommt es hierbei nicht darauf an, ob durch die Provisionsverteilung der Verbraucher benachteiligt wird: Handelt der Käufer den Makler „herunter“, so muss dies zwingend auch dem Verkäufer zugutekommen (§ 656c BGB). Weicht der Makler von diesen Grundsätzen ab, so gilt: 1 So tendenziell Staudinger/Arnold (2021), § 656a BGB Rz. 4. 2 Zweifelnd (da kein Kaufvertrag), aber für eine entsprechende Anwendung Staudinger/Arnold (2021), § 656a BGB Rz. 6. 3 BT-Drucks. 19/15827, 1, (11, 14). 4 Fischer, NJW 2020, 3553 Rz. 15. 5 Fischer, NJW 2020, 3553 Rz. 22.
456 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.303 Kap. 2
– Vereinbart der Makler von vornherein verschiedene Provisionshöhen, so wird nicht etwa die geringere Provision durch beide Parteien geschuldet, sondern beide Maklerverträge sind unwirksam (§ 656c Abs. 2 Satz 1 BGB) – Ist vertraglich die gleiche Provisionshöhe vorgesehen, wird aber eine Provision nachträglich ganz oder teilweise erlassen, so wirkt dies automatisch auch für den jeweils anderen Vertrag (§ 656c Abs. 1 Satz 3 und 4 BGB). Besteht ein Maklervertrag mit einer Partei, so ist eine Überwälzungsvereinbarung 2.302 auf die jeweils andere Partei nur bis zur hälftigen Höhe der Maklerprovision wirksam (§ 656d BGB); ferner ist der Anspruch gegen die übernehmende Partei erst fällig, nachdem der ursprüngliche Auftraggeber des Maklers seinen Provisionsanteil bezahlt hat. Findet diese Bezahlung – z.B. bei Insolvenz des ursprünglichen Vertragspartners – nicht mehr statt, so ist auch der andere Vertragsteil von seiner übernommenen Zahlungspflicht frei.1 III. Überwälzungsvereinbarungen Im Regelfall können die Beteiligten frei entscheiden, ob eine Maklerklausel mit in 2.303 den Vertrag aufgenommen werden soll oder nicht. Dies ist jedoch nicht stets so2. Nach § 311b BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich ein Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Formbedürftig sind alle Vereinbarungen, aus denen sich der Vertrag nach dem Willen der Beteiligten zusammensetzt3. Der Formzwang bezieht sich auch auf alle Abreden, die die Gegenleistung betreffen, so insbesondere die eng damit einhergehende Frage, wer welche Lasten und Kosten einschließlich Steuern oder Provisionen zu tragen hat4. Demnach ist jede Vereinbarung, die die Verteilung der Maklerprovision(en) zwischen den Kaufvertragsparteien betrifft, beurkundungsbedürftig. Soll der Käufer die Maklergebühren tragen, die der Verkäufer aufgrund eines mit dem Makler abgeschlossenen Maklervertrags schuldet, so ist diese Vereinbarung Teil des kaufvertragstypischen Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (Synallagma). Sie bedarf nach § 311b BGB daher zwingend der Beurkundung5. Das Gleiche gilt für den umgekehrten Fall, wenn der Verkäufer die Provision anstelle des Käufers zu tragen hat. In diesem Fall stellt sich auch die Frage, ob die Zahlungspflicht gegenüber dem Makler in das kaufvertragliche Synallagma einbezogen werden sollte (vgl. dazu Rz. 2.336 ff.). Die Beurkundungspflicht wird bereits dann bejaht, wenn sich ein Vertragsteil zur Zahlung einer Provision an den Makler ver-
1 Fischer, NJW 2020, 3553 Rz. 32. 2 Vgl. zum Folgenden bereits Wälzholz, MittBayNot 2000, 357 ff. 3 St. Rspr., s. BGH v. 11.11.1983 – V ZR 150/82, MDR 1984, 476 = NJW 1984, 974 = DB 1984, 712 = DNotZ 1984, 236; vgl. Hitzlberger, NJW 1982, 2854 (2855). 4 RG v. 4.11.1925 – V 197/25, RGZ 112, 67 (68); Piehler, DNotZ 1983, 22 (23) und 229; Grüneberg/Grüneberg81, § 311b BGB Rz. 28. 5 Ulrich in Weingärtner/Gassen/Sommerfeldt, Dienstordnung für Notare, 13. Aufl. 2016, § 32 DONot Rz. 116; Beck’sches Notarhandbuch/Krauß7, Kap. 1 § 1 Rz. 473 f.; Bethge, ZfIR 1997, 368 (375).
Wartenburger 457
Kap. 2 Rz. 2.303 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
pflichtetet, für die der andere Vertragsteil mithaftet, auch wenn der Zahlungsverpflichtete bereits aufgrund eines eigenen Maklervertrages unmittelbar gegenüber dem Makler haftet1.
2.304 Im Anwendungsbereich des § 656d BGB sind den vorstehend beschriebenen Übernahmevereinbarungen materielle Grenzen gesetzt (s. oben Rz. 2.304). 2.305 Hat hingegen nur ein Beteiligter einen Maklervertrag abgeschlossen und soll er die Provision endgültig tragen, bedarf diese Regelung regelmäßig keiner Beurkundung nach § 311b BGB. Das Gleiche gilt, wenn beide Kaufvertragsparteien dem Makler aufgrund eigener Maklerverträge Provision schulden und dies nicht geändert werden soll. Diese Fälle kommen in der Praxis häufig vor2. 2.306 Regeln die Vertragsparteien die Provisionstragungspflicht im Hinblick auf ein drohendes Vorkaufsrecht und verteilen dabei die Lasten und Risiken untereinander, so bedarf auch diese Vereinbarung der Beurkundung gem. § 311b BGB, wenn sie zumindest für einen Vertragsteil wesentlicher Bestandteil des Vertrages ist, ohne den er den Vertrag nicht abschließen würde3. 2.307 Wird eine beurkundungsbedürftige Abrede über die Tragung der Maklerprovision entgegen § 311b BGB nicht in die notarielle Urkunde aufgenommen, so ist der Vertrag nach §§ 125, 139 BGB in der Regel insgesamt unwirksam. Es bleibt in einem solchen Fall nur noch die Hoffnung auf Heilung gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Notar ist verpflichtet, § 311b BGB zu beachten. Er ist daher gezwungen, in den genannten Fällen auf die Beurkundung einer Maklerklausel hinzuwirken4. Diese Pflicht des Notars gilt unabhängig davon, ob die Vereinbarung höhere Kosten oder eine höhere Grunderwerbsteuer auslöst5. Die Nichtbeurkundung einer solchen Klausel kann bei Kenntnis der Umstände sogar Beihilfe zur strafbaren Hinterziehung der Grunderwerbsteuer sein, §§ 369, 370 AO. 2.308 In den vorstehend geschilderten Fällen sollte es außer Streit stehen, dass der Notar berufsrechtlich nicht nur nichts Unrechtes tut, wenn er eine Maklerklausel in einen Kaufvertrag aufnimmt. Jede andere Vorgehensweise wäre vielmehr eine gravierende Pflichtverletzung. 2.309 Orientiert an dem Formulierungsvorschlag der Bundesnotarkammer könnte man im Anwendungsbereich des § 656d BGB Folgendes in den Vertrag aufnehmen:
1 Gutachten DNotI-Report 2014, 129 (132). 2 Vgl. Staudinger/Reuter, §§ 652, 653 BGB Rz. 165, entspreche „dem normalen Gang der Dinge“. Ebenda auch zu den unterschiedlichen Varianten einer solchen Überwälzung. 3 Unzureichend ist insoweit die nachträgliche Aufnahme einer Maklerklausel im Rahmen einer Nachtragsurkunde, vgl. KG v. 11.8.2014 – 10 U 140/13, IBRRS 2015, 2337. 4 Bethge, ZfIR 1997, 368 (375). 5 Insoweit überzeugt die Kritik von von Gerkan, NJW 1982, 1742 (1742) nicht.
458 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.312 Kap. 2
M29a Übernahmevereinbarung § 656d BGB „Dieser Vertrag ist nach Angabe auf Vermittlung durch den Makler XY zustande gekommen. Aus dem mit dem Verkäufer abgeschlossenen Maklervertrag ergibt sich eine Provisionshöhe von insgesamt 5.000 EUR (inkl. Umsatzsteuer). Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer insoweit zur Erfüllungsübernahme in Höhe von 2.500 b (zweitausendfünfhundert Euro). Dies bedeutet, dass der Käufer den Verkäufer in dieser Höhe von den Ansprüchen des Maklers freizustellen bzw. ihm Aufwendungsersatz zu leisten hat. Eine eigenständige Forderung des Maklers wird hierdurch nicht begründet. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass nach § 656d Abs. 1 BGB die Übernahme der Maklerkosten nur bis zur Hälfte der geschuldeten Maklerprovision erfolgen darf und dass der Anspruch gegen den Käufer erst fällig wird, wenn der Verkäufer die ihm verbleibende Maklerprovision gezahlt hat und dies nachgewiesen wird. Die Fälligkeit wird vom Notar insoweit nicht überprüft.“
IV. Tatsachenbestätigung bzw. Wissenserklärung Als Regelfall einer Maklerklausel sollte die bloße Tatsachenbestätigung verwandt 2.310 werden, sofern keine besonderen Gründe vorliegen, warum es einer anderen Form der Maklerklausel bedarf. Sie ist in ihren Rechtswirkungen die schlichteste, löst keine Kosten und keine Grunderwerbsteuer aus, da sie keinen rechtsgeschäftlichen Inhalt hat. Die Beteiligten bestätigen nur die Tatsache der Vermittlung bzw. des Nachweises des Vertrages durch den Makler, wobei in der Klausel die Provisionshöhe angegeben werden kann, was aber nicht zwingend (mitunter auch vom Makler gar nicht gewünscht) ist. Eine solche Wissenserklärung nimmt nicht an der Beweiswirkung nach § 415 ZPO 2.311 teil, denn die öffentliche Urkunde dient nur als Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen abgegeben worden sind, nicht aber für deren inhaltliche Richtigkeit1. Sollte es jedoch später zu einem Streit über die Vermittlung kommen, so dient die Urkunde dem Makler als Indiz und kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung berücksichtigt werden2. Die Bundesnotarkammer empfiehlt, auf diesen Umstand mit folgender Formulierung hinzuweisen: „Der Notar hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Erklärungen nicht zu einer Erweiterung der Verpflichtungen aus dem jeweiligen Maklervertrag oder zum Verzicht auf Einwendungen führen, diese jedoch Beweiswirkung zugunsten des Maklers haben.“3 Bei dieser Gelegenheit kann materiell-rechtlich zwischen Verkäufer und Käufer klar- 2.312 gestellt werden, dass der Verkäufer grundsätzlich nicht für etwaige Versprechungen haftet, die der Makler gegenüber dem Käufer abgegeben hat. Hiervon ist aber eine 1 Huber in Musielak/Voit19, § 415 ZPO Rz. 10. 2 Münchener Kommentar/Habersack9, § 781 BGB Rz. 7. 3 BNotK-Rundschreiben 5/2020 vom 4.12.2020.
Wartenburger 459
Kap. 2 Rz. 2.312 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Ausnahme zu machen, wenn dem Verkäufer bekannt war, dass der Makler falsche Tatsachenbehauptungen (z.B. eine unrichtige Wohnflächenangabe) in das Exposé aufgenommen hat (vgl. zur Abgrenzung bereits oben Rz. 2.178)1. Unabhängig davon kann selbstverständlich eine Haftung des Maklers gegenüber dem Käufer für unzutreffende Angaben wegen eigener Pflichtverletzung oder aus c.i.c. (§ 311 Abs. 3 BGB) bestehen2.
2.313 M30 Maklerklausel – Wissenserklärung Verkäufer und Käufer teilen mit – ohne dadurch neue Verpflichtungen einzugehen oder auf Einwendungen zu verzichten –, dass dieser Vertrag durch Vermittlung des … („Makler“) zustande gekommen ist und dass beide Seiten mit dem Makler eine Provision in Höhe von jeweils … % des Kaufpreises (inkl. USt.) vereinbart haben. Der Notar hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Erklärungen Beweiswirkung zugunsten des Maklers haben können.
Die Bundesnotarkammer3 empfiehlt hingegen auch im Anwendungsbereich der §§ 656c, 656d BGB, keine Inhalte des Maklervertrages, insbesondere zur Provisionshöhe, zu wiederholen, sondern insoweit Verkäufer und Käufer nur angeben zu lassen, dass diese aufgrund des Maklervertrages „eine Provision in gleicher Höhe“ zu zahlen verpflichtet sind. Dies ist nicht überzeugend, denn keine Partei kann eine verlässliche Wissenserklärung zum Inhalt des Maklervertrages der anderen Partei abgeben (bestenfalls könnte eine Partei erklären, was ihr die andere Partei zum Inhalt des von jener geschlossenen Maklervertrags mitgeteilt hat, also eine Wissenserklärung vom Hörensagen abgeben). Wenn daher – was nicht zwingend, durchaus aber auch im Interesse der Kaufvertragsparteien sein kann – im Vertrag die „Gleichheit“ der Provision dokumentiert werden soll, dann ist dies nur durch Angabe der Provisionshöhe möglich. V. Klauseln, die dem Makler neue Ansprüche verschaffen (sog. konstitutive Maklerklauseln) 1. Kausales Schuldanerkenntnis
2.314 In der Literatur und Gestaltungspraxis wurde in der Vergangenheit häufig von einer „deklaratorischen“ Klausel gesprochen. Diese Begriffsbildung ist missglückt und führt zu erheblichen Folgeproblemen, da sie die Grenze zwischen einer Wissenserklärung und dem sog. „deklaratorischen Schuldanerkenntnis“ (besser: kausales Schuldanerkenntnis) verwischt. Anders als die hier vorgeschlagene Wissenserklärung führt
1 Vgl. OLG Hamm v. 15.12.2008 – 22 U 90/08, OLGR Hamm 2009, 161 = BauR 2009, 702. 2 Seger, notar 2013, 18. 3 Rundschreiben 5/2020.
460 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.315 Kap. 2
ein kausales Schuldanerkenntnis zu einem Verzicht auf Einreden und Einwendungen aller Art und damit auch zum Fortfall etwaiger Widerrufsrechte1. Ein kausales Schuldanerkenntnis hat rechtsgeschäftlichen, vergleichsähnlichen Charakter und ist weder widerruflich noch kondizierbar2. Andererseits setzt ein kausales Schuldanerkenntnis auch voraus, dass zuvor Unsicherheit über ein bestimmtes Rechtsverhältnis bestanden hat3. Die Vertragsparteien eines Kaufvertrages werden regelmäßig keine Zweifel an der Wirksamkeit der Provisionsforderung haben, jedenfalls ist der Gedanke fernliegend, dass sie solche Zweifel durch Aufnahme einer Maklerklausel beseitigen möchten4. Die Verwendung eines kausalen Schuldanerkenntnisses als Maklerklausel setzt daher voraus, dass in der Urkunde die bestehende Unklarheit/ Zweifel dargestellt werden und dass die Vertragsparteien auf die Wirkung eines solchen Schuldanerkenntnisses hingewiesen werden. 2. Vertrag zugunsten Dritter Sofern eine Maklerklausel rechtsgeschäftliche Wirkungen haben soll, geschieht dies 2.315 meist im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter, da der Makler selbst an der Beurkundung nicht formell beteiligt ist. Möglich ist die Vereinbarung im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter. Auf diese Weise erhält der Makler einen Anspruch, der ihm unabhängig von seiner vertraglichen Provisionsforderung und deren Bestand zusteht5. Aus diesem Grunde sollte der echte Vertrag zugunsten Dritter mit Vorsicht eingesetzt werden. Berufsrechtlich sind Notare angehalten, sog. konstitutive Maklerklauseln nur dann in den Vertrag aufzunehmen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt.6 Dies soll insbesondere dann vorliegen, wenn eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass Vorkaufsrechte ausgeübt werden (dazu nachstehend Rz. 2.328). Bei besonderen Vorkaufsrechten (z.B. § 25 BauGB) soll dies stets der Fall sein, bei rechtsgeschäftli-
1 Hierzu exemplarisch LG Limburg v. 5.8.2016 – 3 S 29/16, NotBZ 2017, 186, m. Anm. Kuhn, IMR 2017, 79. 2 BeckOK BGB/Gehrlein, 39. Ed. 1.5.2016, § 781 BGB Rz. 12. 3 BGH v. 24.3.1976 – IV ZR 222/74, MDR 1976, 827 = NJW 1976, 1259. 4 Diesen Aspekt übergeht das LG Limburg v. 5.8.2016 – 3 S 29/16, NotBZ 2017, 186 vollständig, da es weder eine Auslegung der maßgeblichen Klausel vornimmt noch prüft, ob bezüglich des Provisionsanspruches Zweifel oder Unklarheit bestanden haben. 5 Vgl. Münchener Kommentar/Roth9, § 652 BGB Rz. 37; Bethge, ZfIR 1997, 368 (371); Dehner, NJW 2000, 1986 (1995); OLG Hamm v. 6.7.1995 – 18 U 72/95, NJW-RR 1996, 1081; OLG Hamm v. 19.6.1995 – 18 U 194/94, NJW-RR 1996, 627; OLG Hamburg v. 27.1.1988 – 5 U 154/87, NJW-RR 1988, 1202; LG Berlin v. 29.6.1998 – 23 O 44/98, NZM 1999, 323; nach BGH v. 12.3.1998 – III ZR 14/97, MDR 1998, 641 = NJW 1998, 1552 = DB 1998, 1555 = ZfIR 1998, 193 = MittRhNotK 1998, 170 schneidet der Vertrag zugunsten Dritter zwar grundsätzlich den Einwand gegen Mängel des Zustandekommens des Maklervertrages ab, es sei denn im Einzelfall habe ein von einer echten Maklerleistung abhängiger Schuldgrund geschaffen werden sollen; vgl. auch OLG Frankfurt/Main v. 27.5.1986 – 8 U 154/85, NJW-RR 1986, 1176; Thode, WM 1989, Beilage 6 S. 14. 6 BNotK-Rundschreiben 5/2020, Abschn. III.
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Kap. 2 Rz. 2.315 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
chen Vorkaufsrechten soll es hierfür ausreichen, dass der Vorkaufsberechtigte nicht zu einem Vorab-Verzicht bereit war; bei allgemeinen gesetzlichen Vorkaufsrechten (z.B. § 24 BauGB) soll diese Fallgruppe nur ausnahmsweise vorliegen, etwa wenn in dem entsprechenden Bereich in der Vergangenheit mehrfach Vorkaufsrechte ausgeübt worden sind (dies verlässlich einzuschätzen dürfte für die Beteiligten mitunter nicht einfach sein).
2.316 Bei Verwendung eines unechten Vertrages zugunsten Dritter erhält nur der Vertragspartner des Provisionsschuldners einen Anspruch auf Zahlung an den Makler. Dies wird in der Regel so auszulegen sein, dass die Zahlung nur insoweit verlangt werden kann, als tatsächlich ein Anspruch des Maklers besteht. Auf diese Weise ließe sich auch das Problem lösen, dass durch die Aufnahme der Maklerklausel u.U. Widerrufsrechte nach § 312g BGB verloren gehen könnten1. Die hier vorgeschlagene Gestaltung verschafft also dem Makler keine zusätzlichen Rechte. 2.317 M31 Maklerklausel – unechter Vertrag zugunsten Dritter Die Beteiligten erklären übereinstimmend, dass der Vertrag durch den Makler … [Name, Anschrift] vermittelt/nachgewiesen wurde. Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer in der Weise, dass der Makler durch diese Urkunde keinen Anspruch gegen den Käufer auf Leistung erlangt (unechter Vertrag zugunsten Dritter) zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 3 % – drei vom Hundert – aus dem Kaufpreis zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt also … [Betrag in Zahlen] Euro – … [Betrag in Worten] Euro – an den Makler. Der Anspruch des Verkäufers auf Leistung an den Makler entsteht nur insoweit, als ein berechtigter Anspruch des Maklers aus dem mit dem Verkäufer abgeschlossenen Maklervertrag einredefrei besteht2. Der Anspruch des Verkäufers wird fällig, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen für den Kaufpreis selbst eingetreten sind3. Der Käufer bleibt zur Zahlung der Maklerprovision verpflichtet, wenn der Vollzug des Vertrags aus Gründen scheitert, die den Anspruch des Maklers aus dem Maklervertrag nicht zum Erlöschen bringen und der Käufer die Gründe zu vertreten hat. Im Übrigen bleiben dem Käufer alle Einwendungen i.S.d. § 334 BGB erhalten.
1 Vgl. dazu DNotI-Gutachten DNotI-Report 17/2014, S. 129 ff. 2 Es kann auch gezielt das Gegenteil als selbständiges Provisionsversprechen vereinbart werden, s. BGH v. 12.10.2006 – III ZR 331/04, MDR 2007, 328 = NJW-RR 2007, 55 = ZNotP 2007, 94. 3 Die hier empfohlene Vereinbarung kann dazu führen, dass der Verkäufer zur Zahlung gegenüber dem Makler, der Käufer aber dem Verkäufer gegenüber noch nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Für diesen Fall sollte zur Vermeidung von Doppelzahlungen klargestellt werden, dass der Käufer den Betrag in Höhe der Maklercourtage unmittelbar an den Verkäufer, nicht an den Makler zu zahlen hat.
462 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.327 Kap. 2
Der Notar hat die Bedeutung und Rechtsfolgen dieser Regelung erklärt und insbesondere darauf hingewiesen1, dass der Käufer durch diese Klausel keine Rechte2 gegen den Makler erlangt.
Einstweilen frei.
2.318–2.325
3. Vertrags- und Schuldübernahme Eine Vertragsübernahme oder befreiende Schuldübernahme scheitert regelmäßig an 2.326 der Mitwirkung des Maklers. Der Makler erwirbt mit dem wirksamen Abschluss des Kaufvertrags einen Anspruch auf die Maklerprovision gegen seinen Vertragspartner. Zwar geht die Initiative zur Einschaltung des Maklers regelmäßig vom Verkäufer aus; üblicherweise schließt der Makler aber mit dem Kaufinteressenten gleichwohl einen Vertrag, wonach diesem dem Makler gegenüber zur Zahlung der Provision verpflichtet ist (sog. Außenprovision). Schuldet daneben der Verkäufer selbst aufgrund „seines“ Maklervertrages eine Vergütung, spricht man von einer Innenprovision. Im Regelfall muss daher der Käufer keine Verkäuferprovision übernehmen, sondern er zahlt die von ihm selbst aus dem Maklervertrag geschuldete Provision. Verpflichtet der Verkäufer den Käufer, die vom Verkäufer geschuldete Provision an 2.327 den Makler zu zahlen, so erlangt der Makler hierdurch ggf. einen neuen, zusätzlichen Anspruch. Der Makler wird regelmäßig jedoch nicht damit einverstanden sein, seinen bisherigen Vertragspartner, den Verkäufer, als Schuldner aus der Haftung zu entlassen. Eine Vertragsübernahme hat ferner häufig den Nachteil, dass der Käufer den Vertrag nicht genau kennt, den er übernehmen soll. Die Vertragsübernahme geht in ihren Wirkungen damit weit über das hinaus, was die Beteiligten erreichen wollen: den Käufer zur Zahlung der Provision anstelle des Verkäufers zu verpflichten. Diese Variante der Maklerklausel scheidet daher im Regelfall aus. Im Anwendungsbereich des § 656d BGB ist eine Schuldübernahme ebenso wie ein Schuldbeitritt (mit entstehender Gesamtschuld des Käufers) ohnehin nicht möglich.3 1 Ein Hinweis auf eine Erhöhung der Kosten bei Notar und Grundbuchamt und der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nicht zwingend geboten, weil die Mitbeurkundung gem. § 311b BGB nicht zur Disposition der Beteiligten steht. 2 Das OLG Düsseldorf v. 22.12.1995 – 7 U 13/95, MittRhNotK 1996, 322 f., hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der aus einer Maklerklausel verpflichtete Beteiligte des Kaufvertrages den Makler auf Schadensersatz in Anspruch nahm. Der Makler habe seine Verpflichtungen aus dem Maklervertrag verletzt. Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da kein Maklervertrag des Käufers mit dem Makler bestanden habe. Ohne Maklervertrag ist der Käufer zwar aufgrund der Maklerklausel zur Zahlung der Provision verpflichtet. Er hat jedoch nicht dieselben Rechte; den Makler treffen nicht die Sorgfaltspflichten eines Maklers gegenüber dem Käufer (ebenso Münchener Kommentar/Roth9, § 652 BGB Rz. 31 m.w.N.). Allerdings stößt diese Rechtsprechung auf Bedenken. Denn beim Vertrag zugunsten Dritter entsteht nach h.A. (BGH v. 29.4.1953 – VI ZR 63/52, BGHZ 9, 316 (318); Grüneberg/ Grüneberg81, Vor § 328 BGB Rz. 5) zwischen Käufer und Makler ein vertragsähnliches Sorgfaltspflichtverhältnis, aus dem Schadensersatzansprüche folgen können. 3 Fischer, NJW 2020, 3553 Rz. 28.
Wartenburger 463
Kap. 2 Rz. 2.328 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
4. Besonderheiten bei drohendem Vorkaufsrecht
2.328 Droht den Beteiligten eines Kaufvertrags die Ausübung eines Vorkaufsrechts, hat der Käufer regelmäßig ein Interesse daran, den Vorkaufsberechtigten zu hindern, sein Vorkaufsrecht auszuüben. Zwar sind Klauseln, die nur dazu dienen, dieses Ziel zu verfolgen, für den Vorkaufsberechtigten als sog. „Fremdkörper“ nicht bindend1. Dies gilt aber nicht für Vereinbarungen, die bewirken, dass der Vorkaufsberechtigte den Vertragsgrundbesitz nicht günstiger erhält als der Käufer selbst. Ebenso kann im Einzelfall der Verkäufer ein Interesse daran haben zu verhindern, dass ein Dritter den Grundbesitz zu günstigeren Bedingungen kauft2. 2.329 In diesen Fällen ist mit den Beteiligten zu erwägen, eine Maklerklausel in der Form eines Vertrags zugunsten Dritter gem. § 328 BGB in den Kaufvertrag aufzunehmen3. Dies gilt auch für Fälle des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach §§ 24, 25 BauGB4. Aufgrund der Vereinbarung einer Maklerklausel in der Form eines Vertrags zugunsten Dritter hat der Vorkaufsberechtigte bei Ausübung seines Vorkaufsrechts die Provision, die der Käufer tragen sollte, an den Makler zu zahlen. Dies gilt nach Ansicht des BGH5 nicht nur, wenn ein Vertragsteil die Maklerprovision des anderen Teils aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter zu tragen hat, sondern auch, wenn bereits bestehende Maklerverpflichtungen im Wege des Vertrags zugunsten Dritter bestätigt werden. 2.330 Die Mitwirkung bei dieser „Erschwerung“ der Ausübung des Vorkaufsrechts ist berufsrechtlich kein Verstoß gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit des Notars nach § 14 BNotO, denn die Regelung dient einer Gleichstellung von Erstkäufer und Vorkaufsberechtigtem. 2.331 Je nach Ausgestaltung des Maklervertrags, den der Verkäufer mit dem Makler geschlossen hat, kann jener gegenüber dem Makler verpflichtet sein, auf eine vorkaufs-
1 BGH v. 14.12.1995 – III ZR 34/95, MDR 1996, 250 = NJW 1996, 654 = BB 1996, 395 = MittRhNotK 1996, 320 = MittBayNot 1997, 97; vgl. Münchener Kommentar/Roth9, § 652 BGB Rz. 34; OLG Düsseldorf v. 16.11.1998 – 9 U 103/98, MittRhNotK 1999, 153; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht7, Rz. 516 f. 2 Siehe BGH v. 11.1.2007 – III ZR 7/06, MDR 2007, 641 = ZfIR 2007, 683 = DNotZ 2007, 528. 3 Grziwotz, MDR 2004, 61 (62); vgl. auch BGH v. 11.1.2007 – III ZR 7/06, MDR 2007, 641; v. 14.12.1995 – III ZR 34/95, MDR 1996, 250 = NJW 1996, 654 = BB 1996, 395 = MittRhNotK 1996, 320 = MittBayNot 1997, 97; LG Frankfurt/Main v. 14.11.1995 – 2/14 O 101/95, NJW-RR 1996, 1080 f.; Bethge, ZfIR 1997, 368 (371); Hitzlberger, NJW 1982, 2854 (2855); Münchener Vertragshandbuch/Bartsch, Band 5, III.6. Anm. 5. Vgl. wie hier bereits Wälzholz, MittBayNot 2000, 357 ff. 4 Vgl. dazu BGH v. 15.10.1981 – III ZR 86/80, MDR 1982, 556 = NJW 1982, 2068 = DB 1982, 949 = DNotZ 1982, 629. 5 BGH v. 14.12.1995 – III ZR 34/95, MDR 1996, 250 = NJW 1996, 654 = BB 1996, 395 = MittRhNotK 1996, 320 = MittBayNot 1997, 97.
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G. Maklerklauseln
Rz. 2.334 Kap. 2
rechtssichere Ausgestaltung einer Maklerklausel hinzuwirken1. Darauf weist Hitzlberger2 zu Recht hin. Dies gilt insbesondere in den Fällen3, in denen der Verkäufer bereits im Maklervertrag von der Provisionspflicht freigestellt wird, weil der Käufer sie tragen soll (sog. Nettoauftrag4). Drängte der Verkäufer nicht auf eine vorkaufsrechtssichere Maklerklausel, würde der Käufer bei Ausübung des Vorkaufsrechts von seiner Verpflichtung gegenüber dem Makler frei5. Der Vorkaufsberechtigte hätte die Provision mangels entsprechender Maklerklausel ebenfalls nicht zu tragen. Aufgrund dessen wäre eine Haftung des Verkäufers denkbar, sei es als subsidiäre Pflicht zur Zahlung der Maklercourtage, sei es aufgrund einer Schadensersatzverbindlichkeit. Der Notar hat daher bei Kenntnis der vorstehend geschilderten Sachlage die Betei- 2.332 ligten auf die Möglichkeit der Vereinbarung einer Maklerklausel hinzuweisen, zumal eine solche Klausel regelmäßig für die Beteiligten des Kaufvertrages wesentliche Bedeutung hat und daher nach § 311b BGB beurkundungspflichtig ist. 5. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Maklerklauseln Weitgehend ungeklärt ist die Frage, ob die §§ 305 ff. BGB auf Maklerklauseln in no- 2.333 tariellen Grundstückskaufverträgen zwischen zwei Verbrauchern anwendbar sind6. Der BGH hat sich zur Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf notarielle Maklerklauseln, soweit ersichtlich, noch nicht geäußert7. VI. Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung und deren Grenzen Im Regelfall gibt es keinen Grund, weshalb die Beteiligten des Kaufvertrages eine 2.334 Zwangsvollstreckungsunterwerfung zugunsten des Maklers vereinbaren sollten8. Es sind allerdings Ausnahmefälle denkbar, in denen dies angemessen erscheint. Im 1 Vgl. OLG Hamm v. 6.5.1982 – 18 U 215/81, DNotZ 1983, 234, 235; ebenso OLG Zweibrücken v. 19.6.1998 – 3 W 129–98, NJW-RR 1999, 151 f.; OLG Celle v. 4.10.1985 – 11 U 239/84, MittBayNot 1986, 13 (14); Piehler, DNotZ 1983, 229 (230); Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht7, Rz. 804. 2 Hitzlberger, NJW 1982, 2854 (2855). 3 Vgl. beispielsweise OLG Zweibrücken v. 19.6.1998 – 3 W 129/98, NJW-RR 1999, 151 = ZfIR 1999, 272 = ZNotP 1999, 254. 4 Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht7, Rz. 804. 5 BGH v. 14.12.1995 – III ZR 34/95, MDR 1996, 250 = NJW 1996, 654 = BB 1996, 395 = MittRhNotK 1996, 320 = MittBayNot 1997, 97; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht7, Rz. 508; Münchener Kommentar/Roth9, § 652 BGB Rz. 148; von Gerkan, NJW 1983, 859 (860). 6 Vgl. hierzu Bethge, NZM 2002, 193 (198 f.); Bethge, ZfIR 2001, 914; Wälzholz, MittBayNot 2000, 357 (372) m.w.N.; bejahend KG Berlin v. 29.1.2001 – 10 U 9612/99, NJW-RR 2002, 490 = NZM 2001, 897 = ZfIR 2001, 912; tendenziell ablehnend OLG Hamm v. 21.1.1999 – 18 U 142/98, NJW-RR 1999, 999 = NZM 1999, 717 = MittRhNotK 1999, 202. 7 Zum Streitstand vgl. Bremkamp, RNotZ 2014, 461 (462); Althammer, MittBayNot 2014, 297 (302). 8 Kritisch und überzeugend differenzierend insoweit Grziwotz, MDR 2004, 61 (61 und 63).
Wartenburger 465
Kap. 2 Rz. 2.334 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Vordergrund stehen dabei die Fälle, in denen eine anfängliche Unsicherheit über die Berechtigung eines Maklerlohnanspruchs vor Abschluss des Kaufvertrags einvernehmlich geklärt wurde und das Ergebnis dieser Einigung in dem Kaufvertrag für alle Beteiligten verbindlich festgehalten werden soll, um späteren Streit zu vermeiden. Die Maklerklausel stellt die bestehenden Verpflichtungen fest und entzieht sie dem Streit; die Zwangsvollstreckungsunterwerfung sichert die Durchsetzung der vereinbarten Pflichten. Sie entlastet damit die Gerichte.
2.335 Entscheidendes Kriterium für die Zulässigkeit ist nicht, ob eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgt, sondern wie und warum dies geschieht. Dementsprechend weist Ulrich1 völlig zu Recht auf das Erfordernis ausführlicher und eindringlicher Belehrung hin. Der von Bethge2 und Ulrich3 vertretenen Ansicht ist zuzustimmen, auch eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung gegenüber dem Makler sei in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Als Standardmaklerklausel, die stets von einem Makler vorgeschlagen wird, ist sie jedoch abzulehnen und erweckt den Eindruck der Parteilichkeit. Soweit einzelne Makler regelmäßig Maklerklauseln mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung vorschlagen, begeht der Notar einen klaren Verstoß gegen seine Berufspflichten, wenn er dem Ansinnen nachkommt. VII. Einbeziehung der Maklerklausel in das kaufvertragliche Synallagma
2.336 Besonderheiten gelten für die Vertragsgestaltung, wenn der Käufer die vom Verkäufer geschuldete Maklerprovision wirtschaftlich übernehmen soll. Es handelt sich dann um eine im vertraglichen Synallagma zwischen Verkäufer und Käufer stehende Verpflichtung4. Die Verpflichtung zur Tragung der Provision ist Bestandteil des vom Käufer zu erbringenden Kaufpreises. In einem solchen Fall sollte die Bezahlung der Maklercourtage durch den Käufer von den übrigen allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen wie der Eintragung der Vormerkung und der Sicherung der Lastenfreistellung abhängig gemacht werden. Nur so lässt sich die Erbringung ungesicherter Vorleistungen vermeiden. 2.337 Diese Vereinbarung kann zu Abwicklungsschwierigkeiten führen, wenn der Anspruch des Maklers gegen den Verkäufer fällig wird, bevor der Käufer dem Verkäufer gegenüber zur Zahlung verpflichtet ist. Der Käufer sollte daher bei vorheriger Fälligkeit des Maklerlohnanspruchs den entsprechenden Geldbetrag unmittelbar an den Verkäufer zahlen. Sonst könnte der Fall eintreten, dass der Verkäufer bereits an den Makler zahlen musste und der Käufer ein zweites Mal zahlt. Dies ist durch klare Regelungen im Kaufvertrag zu vermeiden.
1 Ulrich in Weingärtner/Gassen/Sommerfeldt13, Dienstordnung für Notare, § 32 DONot Rz. 116. 2 Bethge, ZfIR 1997, 368 (375) ohne nähere Begründung. 3 Ulrich in Weingärtner/Gassen/Sommerfeldt13, Dienstordnung für Notare, § 32 DONot Rz. 116. 4 So ausdrücklich LG Hamburg v. 26.3.1997 – 5 U 212/96, MDR 1997, 819 (820).
466 Wartenburger
G. Maklerklauseln
Rz. 2.338 Kap. 2
Umgekehrt sollte der Verkäufer das Recht erhalten, den Käufer zu einer Begleichung 2.338 des Anspruchs auf Zahlung der Maklercourtage zwingen zu können. Zahlt der Käufer nämlich nicht, wird der Makler den Verkäufer in Anspruch nehmen. Der Verkäufer haftet dem Makler weiter1. Er will aber nicht auf der Maklerprovision sitzen bleiben. Aus diesem Grunde sollte der Käufer sich hinsichtlich der Freistellungsverpflichtung dem Verkäufer gegenüber der Zwangsvollstreckung unterwerfen, wie auch für den übrigen Kaufpreis. Die vollstreckbare Ausfertigung sollte dem Verkäufer erst nach Eintritt der allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen erteilt werden dürfen. Die Übereignung des Kaufgegenstandes sollte aufgrund der vorstehenden Interessenlage im Gegenzug aufgrund einer entsprechenden Vorlageanweisung von der Begleichung der Maklercourtage abhängig gemacht werden. Dies ist in der notariellen Vertragsgestaltung zwar unüblich, aber aufgrund der synallagmatischen Verknüpfung durchaus sinnvoll2. Um Abwicklungs- und Nachweisprobleme zu vermeiden, kann es sich anbieten, eine solche Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass die Maklercourtage auf ein Konto des Verkäufers zu zahlen ist, der dem Notar dann den Eingang bestätigen und den Zahlbetrag weiterleiten kann. Ferner verhindert dies den Missbrauchsfall, dass der Makler eine entsprechende Reglung zur Absicherung seines Provisionsanspruchs benutzt3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Direktzahlung eines Kaufpreisteiles an den Makler vereinbart werden kann. Die Bundesnotarkammer hat sich hierzu eindeutig geäußert und derartige Gestaltungen als „berufsrechtlich immer unzulässig“ klassifiziert. Zu beachten ist allerdings, dass es dem Verkäufer nicht verboten ist, den (nicht zur Lastenfreistellung erforderlichen) Kaufpreisteil an Dritte – also auch an den Makler – abzutreten. Erlangt der Käufer von einer solchen Abtretung Kenntnis, dann kann er den Kaufpreis insoweit befreiend nur noch an den Abtretungsempfänger leisten (§ 409 BGB). Denkbar sind auch Fälle, in denen der Käufer subsidiär für eine Provisionspflicht des Verkäufers haftet und daher ein Eigeninteresse daran hat, dass ein Kaufpreisteil direkt an den Makler zur Erfüllung dieser Verpflichtung weitergeleitet wird. Abgesehen von diesen Sonderfällen gibt es jedoch in der Tat aus Sicht der Vertragsparteien keinen Grund, Zahlungen an Dritte außerhalb der Lastenfreistellung im Vertrag vorzusehen.
1 Vgl. OLG Hamm v. 8.12.1997 – 18 U 87/97, VersR 1998, 850 f.; BGH v. 12.3.1998 – III ZR 14/97, MDR 1998, 641 = NJW 1998, 1552 = DB 1998, 1555 = ZfIR 1998, 193 = MittRhNotK 1998, 170 für einen Fall, in dem der Käufer, der bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages einen Maklervertrag abgeschlossen hatte, sich dennoch im Notarvertrag im Wege eines echten Vertrages zugunsten des Maklers zur Zahlung der Courtage verpflichtete. Nach Ansicht des BGH treten beide Ansprüche nebeneinander. Vgl. auch BGH v. 15.1.1986 – IVa ZR 46/84, MDR 1986, 563 = NJW 1986, 1165 = DB 1986, 1277; Dehner, NJW 1991, 3254 (3261). 2 Vgl. dazu differenzierend Rundschreiben der BNotK v. 15.4.2003, Nr. 16/2003. 3 Dies war vor allem Gegenstand des vorbezeichneten Schreibens der BNotK.
Wartenburger 467
Kap. 2 Rz. 2.339 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
VIII. Beurkundungsverfahren
2.339 Von Teilen der Literatur wird vertreten, dass die Mitbeurkundung einer Maklerklausel dazu führt, dass auch ein zwischen zwei Verbrauchern geschlossener Kaufvertrag der 14-Tages-Frist gem. § 17 Abs. 2a BeurkG unterliegt1. Diese Autoren übersehen zunächst, dass in notariellen Kaufverträgen sehr häufig Vereinbarungen getroffen werden, die „Unternehmern“ zugutekommen, insbesondere Banken. So enthält die übliche Praxis der Formulierung von Lastenfreistellungsvereinbarungen einen Vertrag zugunsten Dritter (Verkäuferbank). Verträge, bei denen der Käufer eine vom Verkäufer bestellte Grundschuld übernimmt, enthalten häufig Schuldanerkenntnisse des Käufers gegenüber der finanzierenden Bank usw. Würde jede dieser Vereinbarung automatisch den Gesamtvertrag zum Verbrauchervertrag i.S.v. § 17 Abs. 2a BeurkG machen, so bliebe kaum noch ein Grundstückskauf außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Norm übrig. 2.340 Schon nach dem Gesetzeswortlaut gilt § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 BeurkG nur für solche Verbraucherverträge, die der Beurkundungspflicht nach § 311b BGB unterliegen. Dies ist bei einer Maklerklausel nur ausnahmsweise der Fall (vgl. vorstehend Rz. 2.305 ff.); dass der sonstige Teil der Urkunde nach § 311b BGB beurkundungspflichtig ist, ändert daran nichts, wenn dieser für sich gesehen kein Verbrauchervertrag ist. Die Anwendung der „Wartefrist“ setzt daher voraus, dass einerseits eine lastenverteilende und damit beurkundungspflichtige Maklerklausel vorliegt und andererseits der Makler die Aufnahme der Klausel in den Vertrag entscheidend beeinflusst hat2. Diese Konstellation dürfte praktisch selten sein, denn gerade bei einer beurkundungspflichtigen Maklerklausel ist die Meinung des Maklers über deren Inhalt nicht entscheidend, es kommt hier vielmehr auf das übereinstimmende Interesse der Vertragsparteien (und des Notars) an, die Abreden der Parteien vollständig und damit wirksam zu beurkunden. Anders liegt die Sache aber, wenn die lastenverteilende Klausel auf Initiative des Maklers weitere für den Makler günstige Regelungen enthält (insbesondere eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung). IX. Auswirkungen von Maklerklauseln auf Kosten und Steuern
2.341 Die Aufnahme einer Maklerklausel kann unter bestimmten Umständen zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer führen. Dies ist der Fall, wenn der Käufer zusätzlich zum Kaufpreis als weitere Gegenleistung die ursprünglich vom Verkäufer geschuldete Maklercourtage zu tragen hat3. Verpflichtet sich der Käufer in einem echten oder unechten Vertrag zugunsten des Maklers, die Maklercourtage an ihn zu zahlen, obwohl der Käufer bereits aus einem vorher abgeschlossenen Maklervertrag hierzu verpflichtet war, so erhöht sich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht4. Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage 1 2 3 4
In diesem Sinne v.a. Grziwotz, notar 2013, 343 (344); Suppliet, DNotZ 2012, 270. Dazu ausführlich Althammer, MittBayNot 2014, 297; Bremkamp, RNotZ 2014, 461. Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 107 „Maklerkosten“; Bethge, ZfIR 1997, 368 (375). Hitzlberger, NJW 1982, 2854 (2855); Pahlke5, § 9 GrEStG Rz. 107 „Maklerkosten“.
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G. Maklerklauseln
Rz. 2.346 Kap. 2
gilt auch beim sog. Nettoauftrag1, wenn also der Käufer die Maklercourtage des Verkäufers zu übernehmen hat. Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist selbstverständlich kein Grund, von der 2.342 Mitbeurkundung von Maklerklauseln abzusehen. Die Fälle, in denen die Maklerklausel zu einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer führt, sind denknotwendigerweise diejenigen, in denen die Maklerklausel im Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung steht und daher gem. § 311b BGB formbedürftig ist. Überdies entsteht die Steuer aufgrund der tatsächlichen Abreden, unabhängig davon, ob diese ordnungsgemäß beurkundet sind oder nicht. Für die Auswirkungen einer Maklerklausel auf die notariellen Beurkundungskosten 2.343 ist zu differenzieren. Dabei ist zu beachten, dass nach dem GNotKG die Gebührenstufen wesentlich größer sind als nach der früheren KostO, so dass man häufig Fälle antreffen wird, in denen sich die Maklerklausel nicht auf die effektiven Kosten auswirkt, da keine neue Gebührenstufe erreicht wird. Werden bezüglich der Maklerprovision in der Urkunde vertragliche Vereinbarungen 2.344 getroffen, sei es eine Übernahme der Verkäuferprovision durch den Käufer oder eine vertragliche Vereinbarung im Wege eines echten oder unechten Vertrages zugunsten Dritter, so handelt es sich hierbei um besondere Beurkundungsgegenstände, die gem. § 35 Abs. 1 GNotKG dem sonstigen Wert hinzuzurechnen sind. Dadurch erhöht sich die Verfahrensgebühr, ebenso aber auch eine etwa anfallende Vollzugsoder Betreuungsgebühr, da deren Bezugswert sich stets aus dem der Verfahrensgebühr ergibt. Werden bezüglich der Maklerprovision in der Urkunde einseitige Erklärungen ab- 2.345 gegeben, insbesondere (vollstreckbare oder nicht vollstreckbare) Schuldanerkenntnisse, so entsteht hierfür eine 1,0-Gebühr nach KV-Nr. 21200, wobei für die weitere Berechnung der Vergleich nach § 94 Abs. 1 GNotKG anzustellen ist. Vollzugs- und Betreuungsgebühren sind auch in diesem Fall anhand des zusammengerechneten Wertes zu erheben. Nach Ansicht des OLG Oldenburg2 handelt es sich um eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. damaligen § 16 KostO (heute § 21 GNotKG), wenn ein Notar eine Maklerklausel mitbeurkundet, ohne die Beteiligten auf die damit verbundenen Mehrkosten hinzuweisen. Bestätigen die Beteiligten des Hauptvertrags im Sinne einer Wissenserklärung, dass 2.346 der Vertrag durch Vermittlung bzw. Nachweis eines bestimmten Maklers zustande gekommen sei und ein bestimmter Prozentsatz des Kaufpreises als Provision geschuldet
1 Vgl. auch von Gerkan, NJW 1982, 1742 f. m.w.N. Er weist zutreffend darauf hin, es sei durch präzise Abfassung der Maklerklausel der Eindruck beim Finanzamt zu vermeiden, als habe der Käufer eine Verpflichtung des Verkäufers zu tragen. Sonst könnte es zu einer unberechtigten Erhöhung der Grunderwerbsteuer kommen. 2 OLG Oldenburg v. 15.3.1999 – 1 W 36/99, NdsRpfl 1999, 320; zustimmend Lappe, NJW 2000, 1148 (1152); Lappe, Anm. KostRspr. KostO § 16 Nr. 82.
Wartenburger 469
Kap. 2 Rz. 2.346 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
werde, so hat diese Vereinbarung, da sie zu keiner Veränderung des Geschuldeten führt, keine kostenrechtlichen Auswirkungen.
2.347–2.350 Einstweilen frei.
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung I. Insolvenz und Kaufvertragsgestaltung 1. Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters und deren Grenzen
2.351 Für den grundbuchamtlichen Vollzug eines Kaufvertrages muss die Verfügungsbefugnis eines Insolvenzverwalters in grundbuchtauglicher Form (§ 29 GBO) nachgewiesen werden. Der Nachweis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter wird dabei durch die Bestellungsurkunde des Insolvenzgerichts gem. § 56 Abs. 2 InsO geführt1. Der Notar kann sich auf den Erlass des entsprechenden Beschlusses verlassen. Die Bestellungsurkunde belegt jedoch ausschließlich, dass das Insolvenzverfahren eröffnet und der Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Ein Gutglaubensschutz ist an die Richtigkeit des Zeugnisses jedoch nicht gebunden2, auch nicht i.S.d. §§ 170 ff. BGB3. War die Bestellungsurkunde des Insolvenzgerichtes folglich unzutreffend, der Erschienene also nicht wirksam zum Insolvenzverwalter bestellt worden, so ist der abgeschlossene Vertrag unwirksam. Eine wirksame Verpflichtung zulasten der Insolvenzmasse wird in einem solchen Fall nicht begründet. Zur Absicherung kann ggf. eine Erkundigung beim zuständigen Insolvenzgericht eingeholt werden. Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nur bei konkreten Anhaltspunkten für Zweifel an der Richtigkeit. Die Bestellungsurkunde gem. § 56 Abs. 2 InsO enthält auch keine Garantie für den Fortbestand der Bestellung zum Insolvenzverwalter4. Ein Gutglaubensschutz wird auch insoweit nicht mit der Bestellungsurkunde verbunden5. Es besteht u.E. eine Erkundigungspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Widerruf der Bestellung des Insolvenzverwalters bestehen. Praktisch wird dieses Problem eingegrenzt, indem der Insolvenzverwalter eine Ausfertigung der Bestellungsurkunde vorlegt; da nach Beendigung des Amtes die Ausfertigung an das Gericht zurückzugeben ist, werden Zweifel am Fortbestand des Amtes i.d.R. durch Vorlage der Ausfertigung ausgeräumt.6 Handelt ein scheinbarer Insolvenzverwalter trotz Widerrufs seiner Bestellung weiterhin unter Vorlage der Bestellungsurkunde gem. § 56 Abs. 2 InsO, so kann 1 2 3 4 5 6
Wudy, MittBayNot 2000, 489 (592) m.w.N. Nerlich/Römermann, § 56 InsO Rz. 14. Münchener Kommentar/Graeber3, § 56 InsO Rz. 161. Suppliet, NotBZ 2003, 303 (305). Vgl. Münchener Kommentar/Schubert9, § 172 BGB Rz. 6. Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, § 8. Aufgaben des Insolvenzverwalters Rz. 30; zum Zeitraum zwischen Vorlage des Zeugnisses und Eingang des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt: KG v. 21.11.2011 – 1 W 652/11, DNotZ 2012, 370.
470 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.354 Kap. 2
der Vertragspartner ggf. erheblichen Schaden erleiden. Anders wird dies im Regelfall sein, wenn der Insolvenzverwalter nach Vertragsabschluss aus seinem Amt entfernt wird. In diesem Fall schützt nach überzeugender Auffassung bei rechtzeitiger Stellung des Grundbuchantrags § 878 BGB1. Solange hierzu keine gesicherte Rechtsprechung vorliegt, bleibt gestalterisch nur die Lösung, nach Eintragung der Auflassungsvormerkung des Käufers eine Bestätigung des Insolvenzgerichtes darüber einzuholen, dass der handelnde Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Eintragung sein Amt noch innehatte; nach Eigentumsumschreibung und vor Löschung der Vormerkung ist erneut eine solche Bestätigung einzuholen2. Die Vorlage des bloßen Beschlusses über die Eröffnung des Verfahrens mit der 2.352 darin enthaltenen Verwalterbestellung genügt nach wohl h.M. nicht für den Nachweis der Bestellung zum Insolvenzverwalter3.
2.353
M32 Urkundseingang – Insolvenzverwalter … erscheinen … Herr …, geboren am … wohnhaft … ausgewiesen durch … hier handelnd als Insolvenzverwalter über das Vermögen des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers, Herrn …, unter Vorlage des Originals/einer Ausfertigung4 der vom Insolvenzgericht erteilten Bestellungsurkunde, die dieser Urkunde in beglaubigter Abschrift beigefügt ist. Nach Angabe des Anwesenden ist die Bestellung zum Insolvenzverwalter derzeit nicht erloschen.
Der Insolvenzverwalter ist stets „einzelvertretungsbefugt“, da nach der Insolvenz- 2.354 ordnung stets nur noch ein Insolvenzverwalter bestellt werden kann5 – es sei denn, es müsste ein Sonderinsolvenzverwalter mit bestimmtem Aufgabenkreis wegen Verhinderung des eigentlichen Insolvenzverwalters bestellt werden.
1 So die wohl h.M., aber strittig, vgl. Grüneberg/Herrler81, § 878 BGB Rz. 11, 12; Münchener Kommentar/Kohler9, § 878 BGB Rz. 11; Suppliet, NotBZ 2003, 303 (305); Kesseler, RNotZ 2013, 480; Staudinger/C. Heinze (2018), § 878 BGB Rz. 58; LG Mönchengladbach v. 5.11.2009 – 5 T 430/09, RNotZ 2010, 540 (zum Testamentsvollstrecker). 2 Zum Verfahren vgl. Kesseler, RNotZ 2004, 177 (218). Auch wenn sich evtl. Gerichte nicht für verpflichtet halten, eine solche Bestätigung auszustellen, so etwa – eine merkwürdige Interpretation des Begriffs der vorsorgenden Rechtspflege an den Tag legend – AG Rostock v. 1.4.2004 – 60 IN 841/03, RNotZ 2004, 405 = NotBZ 2004, 20. 3 Überzeugend DNotI-Gutachten v. 18.12.2002, DokNr. 11294. 4 Beglaubigte Abschrift genügt ebenso. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 3138. 5 Nerlich/Römermann, § 56 InsO Rz. 21.
Wartenburger 471
Kap. 2 Rz. 2.355 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.355 Verträge, die eindeutig insolvenzzweckwidrig sind und dennoch vom Insolvenzverwalter abgeschlossen werden, sind nichtig1. Insoweit gelten ähnliche Grundsätze wie in den Fallgruppen des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Die Zweckwidrigkeit muss also evident sein und sich auch dem Vertragspartner aufdrängen2. Drängt sich dem Notar eine solche Situation auf, muss er sich nach dem tatsächlichen Sachverhalt erkundigen und ggf. die Beurkundung ablehnen. 2.356 Beispiel: Insolvenzverwalter I möchte ein Grundstück des Schuldners S verwerten. Da alle Verwertungsmöglichkeiten nur geringe Erträge zu bringen scheinen, der Insolvenzverwalter selbst jedoch Interesse am Erwerb hat und bereit ist, mehr zu zahlen als jeder andere Interessent, geht er zu seinem Notar N und bittet um Beurkundung eines Kaufvertrages zwischen ihm als Insolvenzverwalter und ihm als Privatperson. Sollte N beurkunden? Welche Möglichkeit besteht, ein entsprechendes Geschäft wirksam durchzuführen?
2.357 Es könnte vorliegend ein Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens drohen, § 181 BGB: Grundsätzlich findet § 181 BGB keine unmittelbare Anwendung auf den Insolvenzverwalter, da er nicht im eigentlichen Sinne Vertreter des Schuldners ist3. Dennoch ist der Rechtsgedanke des § 181 BGB nach einer verbreiteten Ansicht auf den Insolvenzverwalter entsprechend anwendbar4. Sofern also ein Rechtsgeschäft durch den Insolvenzverwalter abgeschlossen werden soll, in dem ein Fall des Insichgeschäftes oder der Doppelvertretung vorliegt, bedarf es einer Genehmigung. Hierzu ist jedoch weder das Insolvenzgericht noch der Schuldner selbst zuständig5. Um die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes zu erreichen, ist vielmehr die Bestellung eines Sonderverwalters erforderlich, der als zweiter Insolvenzverwalter neben dem Insolvenzverwalter allein für die Genehmigung des Rechtsgeschäftes zuständig ist6. Wie auch sonst im Rahmen des § 181 BGB, findet diese Vorschrift keine Anwendung, sofern es lediglich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter geht. 2.358 Das Problem kann sich vor allem bei der Erteilung einer Beleihungsvollmacht zugunsten des Käufers eines Grundstücks stellen. Denn wer nicht von § 181 BGB be-
1 Suppliet, NotBZ 2003, 303 (305 f.); Spickhoff, KTS 2000, 15. 2 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, MDR 2002, 1270 = NJW 2002, 2783 = DB 2002, 1499 = DNotZ 2002, 648. 3 Vgl. umfassend Schick, NJW 1991, 1328 ff.; K. Schmidt, NJW 1995, 911 (912); Kübler/Prütting/Bork, § 80 InsO Rz. 36; BGH v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, BGHZ 100, 346 (351) = MDR 1987, 667 = DB 1987, 1580; v. 4.6.1996 – IX ZR 261/95, MDR 1996, 1026 = ZIP 1996, 1307. 4 RGZ 80, 416; Kübler/Prütting/Bork, § 80 InsO Rz. 26; Münchener Kommentar/Ott/Vuia3, § 80 InsO Rz. 38; BGH v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, MDR 1991, 527 = NJW 1991, 982 = DB 1991, 2657 (im Ergebnis in dem Fall jedoch ablehnend). 5 Münchener Kommentar/Schubert9, § 181 BGB Rz. 63. 6 Münchener Kommentar/Ott/Vuia3, § 80 InsO Rz. 39; Nerlich/Römermann, § 56 InsO Rz. 19.
472 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.369 Kap. 2
freit ist, kann keine Vollmacht unter Befreiung von dieser Norm erteilen1. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des § 181 BGB2, da gleichgerichtete Erklärungen gegenüber der Bank abgegeben werden und der Käufer keine Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer abschließt. Hilfsweise sollte als sicherer Weg die Mitwirkung des Insolvenzverwalters bei der Grundschuldbestellung angeregt werden. Einstweilen frei.
2.359–2.365
2. Vom Schuldner erteilte Vollmachten in der Insolvenz
2.366
Beispiel: Bauträger B hat eine Eigentumswohnung an Käufer K veräußert und ist in der Zwischenzeit insolvent geworden. Im ursprünglichen Grundstückskaufvertrag wurde den Notariatsmitarbeitern M und N Vollmacht erteilt, nach Bestätigung der vollständigen Kaufpreiszahlung durch den Bauträger B die Auflassung namens Käufer und Verkäufer zu erteilen. Da der Insolvenzverwalter auswärtig ist, wird die Auflassung durch M und N namens Käufer und Verkäufer nach Bestätigung der vollständigen Kaufpreiszahlung durch den Insolvenzverwalter erklärt und im Grundbuch eingetragen. Einige Monate später erklärt der Insolvenzverwalter, der Eigentumsübergang sei nicht wirksam gewesen, die Eigentumswohnung gehöre noch zur Insolvenzmasse. Zu Recht?
Eine vom Schuldner erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehö- 2.367 rende Vermögen bezieht, erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 117 Abs. 1 InsO. Das Erlöschen ist endgültig. Eine solche Vollmacht lebt nicht mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder Einstellung mangels Masse wieder auf 3. Besteht ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 115 Abs. 2 InsO fort, 2.368 besteht also im Aufschub Gefahr für die Interessen des Schuldners, so gilt nicht nur der jeweils zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag, sondern auch die zu diesem Zweck erteilte Vollmacht als fortbestehend, § 117 Abs. 2 InsO. Unter § 117 InsO fallen neben den regulären rechtsgeschäftlichen Vollmachten 2.369 auch die handelsrechtlichen Vollmachten, wie die Prokura, die Handlungs- oder Abschlussvollmacht4. § 117 InsO gilt auch für unwiderrufliche Vollmachten5; ebenso für isolierte Vollmachten und Generalvollmachten. § 117 InsO regelt jedoch nicht die gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretungsverhältnisse6.
1 Vgl. DNotI-Gutachten v. 18.12.2002, DokNr. 11294; BayObLG v. 26.2.1993 – 2Z BR 6/93, BB 1993, 746 = DB 1993, 928 = MittBayNot 1993, 150 = MittRhNotK 1993, 117. 2 Im Ergebnis ebenso DNotI-Gutachten v. 18.12.2002, DokNr. 11294. 3 Münchener Kommentar/Ott3, § 117 InsO Rz. 13 a.E. 4 Münchener Kommentar/Ott3, § 117 InsO Rz. 7; Nerlich/Römermann, § 117 InsO Rz. 9 ff. 5 Nerlich/Römermann, § 117 InsO Rz. 112. 6 Münchener Kommentar/Ott3, § 117 InsO Rz. 10.
Wartenburger 473
Kap. 2 Rz. 2.370 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.370 Die vom Schuldner erteilte Vollmacht erlischt auch dann, wenn die Eigenverwaltung gem. § 270 InsO angeordnet wurde1. Der Schuldner kann in diesem Fall alle Vollmachten nach der Verfahrenseröffnung neu erteilen und dies auch ohne Mitwirkung des Sachwalters. 2.371 § 117 InsO gilt nicht für Vollmachten für höchstpersönliche Angelegenheiten, wie solchen auf dem Gebiet des Familien- oder Erbrechts, die keinen Bezug zur Insolvenzmasse haben. Gleiches gilt für Vollmachten bzgl. Vermögen, das nicht der Insolvenzmasse unterliegt2. 2.372 Eine Verfügungsermächtigung gem. § 185 BGB erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch. Dies beruht jedoch nicht auf § 117 InsO, sondern auf dessen Verlust der Verfügungsbefugnis gem. § 80 InsO3. 3. Vollmachten zugunsten des Schuldners
2.373 Vollmachten zugunsten des Schuldners richten sich nach dem Schicksal des zugrunde liegenden Vertrages, § 168 Satz 1 BGB. Insoweit gelten keine Besonderheiten. Insolvenzrechtlich besteht keine Regelung, die deren Erlöschen anordnen würde4. Unklar sind insoweit die Auswirkungen des § 103 InsO auf die Vollmacht. Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich gem. § 168 Satz 1 BGB nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Nach Rechtsprechung des BGH5 führt die Verfahrenseröffnung jedoch nicht mehr zum Erlöschen der Erfüllungsansprüche, sondern die gegenseitigen Ansprüche verlieren nunmehr nur noch ihre Durchsetzbarkeit. Eine materiell-rechtliche Umgestaltung der Vertragsverhältnisse ist hiermit nicht verbunden. Erst bei Wahl der Erfüllung entstehen die wechselseitigen Ansprüche originär neu in und aus der Insolvenzmasse6. Daher ist davon auszugehen, dass Vollmachten zugunsten des Schuldners weiterhin fortbestehen, da das zugrunde liegende Rechtsverhältnis durch die Insolvenz grundsätzlich nicht erlischt. § 116 InsO regelt einen solchen Fall der Erteilung eines Geschäftsbesorgungsvertrages zugunsten des Schuldners nicht. Dagegen sprechen auch keine allgemeinen Erwägungen des Schutzes der Insolvenzmasse, da der Schuldner aufgrund der Vollmacht nur das Vermögen des Vertretenen verpflichtet, nicht hingegen die Insolvenzmasse. 2.374 § 168 Satz 1 BGB enthält keine Aussage über das Schicksal von Vollmachten, die isoliert, also unabhängig von einem Grundverhältnis erteilt worden sind. Es ist vom Fortbestand derartiger Vollmachten auszugehen. 1 Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, § 7. Vollmachten in der Insolvenz Rz. 5. 2 Nerlich/Römermann, § 117 InsO Rz. 11; Münchener Kommentar/Ott3, § 117 InsO Rz. 6. 3 Ebenso Münchener Kommentar/Ott3, § 117 InsO Rz. 11. 4 Nerlich/Römermann, § 117 InsO Rz. 6. 5 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, MDR 2002, 1270 = NJW 2002, 2783 = DB 2002, 1499 = DNotZ 2002, 648. 6 So BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, MDR 2002, 1270 = NJW 2002, 2783 = DB 2002, 1499 = DNotZ 2002, 648.
474 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.378 Kap. 2
4. Übergang von Vollmachten zugunsten des Schuldners auf den Insolvenzverwalter? Ungeklärt ist bisher die Frage, inwiefern Vollmachten, die dem Schuldner persön- 2.375 lich erteilt worden sind, auch auf den Insolvenzverwalter übergehen. Eine ausdrückliche Regelung enthält die InsO nicht. Der Insolvenzverwalter kann über die Vollmacht verfügen, wenn sie in die Insolvenzmasse fällt, § 35 InsO. Grundsätzlich fällt das gesamte Vermögen des Schuldners in die Masse, mit Ausnahme der nicht pfändbaren Vermögensgegenstände, § 36 InsO. Ob eine Vollmacht nach § 857 ZPO pfändbar ist, ist ebenfalls weitgehend ungeklärt1. Nach Meinung des BayObLG2 ist eine Vollmacht allenfalls dann pfändbar, wenn sie im Interesse des Bevollmächtigten erteilt ist. Im Übrigen soll eine Vollmacht dann zugunsten des Insolvenzverwalters gelten, wenn diese Erteilung sich durch Auslegung der Vollmacht ergibt3. Beides wird nur in den seltensten Fällen eindeutig zu klären sein. Aus diesem Grund sollte die Praxis stets den sicheren Weg gehen und sich nicht auf 2.376 den Fortbestand von Vollmachten zugunsten des Schuldners und deren Übergang auf den Insolvenzverwalter verlassen. 5. Erteilung von Vollmachten durch den Insolvenzverwalter
2.377
Beispiel: M, ein Mitarbeiter des Insolvenzverwalters I, erscheint beim Notar N, um einen Grundstückskaufvertrag zu beurkunden. Er legt einerseits den Bestellungsbeschluss vor, mit dem der I zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des S bestellt worden ist. Ferner legt er eine notariell beglaubigte Generalvollmacht vor, mit der Insolvenzverwalter I den M zur Vornahme sämtlicher Handlungen bevollmächtigt hat, bei denen eine Stellvertretung zulässig ist. Kann und soll der Notar beurkunden? Abwandlung: Würde sich etwas ändern, wenn die Vollmacht von I bereits während des Eröffnungsverfahrens erteilt worden war und der Insolvenzverwalter I bereits vorher als sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war? Würde sich etwas ändern, wenn ein Wechsel in der Person des vorläufigen Insolvenzverwalters zum endgültigen Insolvenzverwalter stattgefunden hätte?
Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich befugt, Vollmachten neu zu erteilen, dies 2.378 gilt auch für die Neuerteilung einer Prokura, sofern das jeweilige Unternehmen fortgeführt wird4. Dem steht nicht entgehen, dass nach h.M. die Ausübung des Amtes als Insolvenzverwalter eine höchstpersönliche Aufgabe und Amtsstellung beinhaltet. Daraus wird üblicherweise das Verbot der Stellvertretung abgeleitet. Dies gilt allerdings lediglich für solche insolvenztypischen Rechtshandlungen, die es lediglich im Rahmen des Insolvenzverfahrens gibt und die nur dort möglich sind. In derartigen
1 2 3 4
Siehe dazu DNotI-Gutachten, DNotI-Report 1996, 113 f. BayObLG v. 13.7.1978 – BReg 2 Z 37/77, DB 1978, 1929. DNotI-Report 1996, 113 (114). Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis3, § 7 Rz. 16.
Wartenburger 475
Kap. 2 Rz. 2.378 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
Fällen ist eine Stellvertretung ausgeschlossen1. Dementsprechend ist insbesondere die Erfüllungsablehnung oder Erfüllungswahl gem. § 103 InsO vom Insolvenzverwalter persönlich zu treffen.
2.379 Problematisch ist der Fall, dass ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO Vollmachten neu erteilt. Hierzu ist er nach h.M. grundsätzlich befugt. Er sollte diese Vollmachten jedoch ausdrücklich auf die Dauer des Eröffnungsverfahrens beschränken. Tut er dies nicht, so wirken entsprechende Vollmachten nach wohl h.M. auch während des Insolvenzverfahrens für und gegen die Masse fort2. § 117 InsO regelt nach dem klaren Wortlaut in jedem Fall nur Vollmachten, die der Schuldner erteilt hat. 2.380–2.390 Einstweilen frei. II. Kaufvertragsgestaltung bei laufendem Zwangsversteigerungsverfahren Literatur: Franck, Zwangsversteigerungsrecht – Probleme der Vertragsgestaltung, MittBayNot 2012, 345, 439; Heggen, Zum Verkauf von Grundstücken aus der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung, RNotZ 2009, 384; S. Schmidt, Das Grundstück in der Zwangsversteigerung; die Auswirkungen auf bestehende Kaufverträge, Besonderheiten bei deren Gestaltung, BWNotZ 1992, 35; Sickinger, Die Finanzierung des Grundstückserwerbs aus der Zwangsversteigerung, MittRhNotK 1996, 241; Stöber, Erlöschen der Auflassungsvormerkung und Erbbauzins-Reallast bei der Insolvenzverwalterversteigerung, NJW 2000, 3600; Stöber, Wirksamkeitsvermerk und Zwangsversteigerung, MittBayNot 1997, 143 ff.; Weirich, Der Verkauf eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren, DNotZ 1989, 143; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Aufl. 2012. DNotI-Gutachten: Pfändung eines Eigentumsverschaffungsanspruches, DNotI-Report 2002, 137 f.
1. Bedeutung
2.391 Kaufverträge über Objekte, die bereits Gegenstand eines Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens sind, kommen in der Praxis häufig vor. Hintergrund ist meist das Interesse des Eigentümers, die unkalkulierbaren Folgen der Versteigerung zu vermeiden und evtl. durch einen freihändigen Verkauf entweder einen höheren Erlös zu erzielen oder aber einen Käufer zu finden, der z.B. zu einer Rückvermietung oder gar zu einem späteren Rückverkauf bereit ist. Ein freihändiger Verkauf ist grundsätzlich sogar noch nach Abhaltung des Versteigerungstermins möglich, solange der Zuschlagsbeschluss nicht ergangen ist. 2.392 Dabei haben weder der Abschluss des Kaufvertrages noch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung unmittelbaren Einfluss auf das Versteigerungsverfahren. Risiken für die Vertragsabwicklung bestehen insbesondere, 1 LAG Kiel, ZIP 1988, 250 (251); LAG Hamm v. 30.1.2006 – 4 Ta 36/05; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, 1103. 2 Heidelberger Kommentar/Marotzke8, § 117 InsO Rz. 12.
476 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.395 Kap. 2
– wenn weitere Gläubiger dem Zwangsversteigerungsverfahren beitreten; dies gilt insbesondere für Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG (Hausgeldrückstände) und § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG (öffentliche Lasten); die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 2 Nr. 2 ZVG führt zwar nicht generell zu einer dinglichen Haftung des Wohnungseigentums für Hausgeldrückstände1, jedoch gelten hier im Fall der rechtzeitigen Beschlagnahme die allgemeinen nachstehenden Regelungen. Außerdem kann die Gemeinschaftsordnung eine Haftung des Rechtsnachfolgers für Hausgeldrückstände begründen; gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG müssen solche Vereinbarungen aus dem Grundbuch unmittelbar (und nicht nur aus der in Bezug genommenen Bewilligungsurkunde) ersichtlich sein.2 – wenn noch vor Abwicklung des Kaufvertrages eine Versteigerung stattfindet und der Zuschlag erteilt wird; – wenn aufgrund einer Zwangsverwaltung vorrangige Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu beachten sind. Hinzu kommt, dass die das Versteigerungsverfahren betreibenden Gläubiger häufig 2.393 nicht bereit sind, weitere Verzögerungen hinzunehmen, denn sie vermuten hier nur eine neue Taktik des Schuldners. Lastenfreistellungsunterlagen werden daher häufig nur erteilt, wenn der Kaufpreis bereits zuvor auf einem Notaranderkonto hinterlegt ist. 2. Beitritt weiterer Gläubiger, § 27 ZVG Hat ursprünglich nur ein Gläubiger die Versteigerung anordnen lassen und das Ver- 2.394 fahren betrieben, so kann es während des laufenden Verfahrens stets zu Beitritten weiterer Gläubiger kommen, § 27 ZVG. Die weiteren Beitritte werden nicht3 durch neue, weitere Zwangsversteigerungsvermerke im Grundbuch eingetragen, § 27 Abs. 1 Satz 2 ZVG. Dennoch ist jeder Beitrittsgläubiger dem ursprünglich das Verfahren einleitenden Vollstreckungsgläubiger gleichgestellt – mit Ausnahme des Ranges. Die Verfahren sind selbständig4. Jedes Verfahren hat seinen eigenen Beschlagnah- 2.395 mezeitpunkt und kann separat aufgrund jeweiliger Antragsrücknahme eingestellt werden. Das Verfahren der Beitrittsgläubiger ist insoweit auch nicht vom Fortbestand des ursprünglichen Anordnungsgläubigers abhängig. Selbst wenn dieser seinen Versteigerungsantrag zurücknimmt und das Verfahren eingestellt wird, §§ 29, 30, 31 ZVG, so bleibt das Verfahren insgesamt weiterhin bestehen und wird für die Beitrittsgläubiger fortgeführt.
1 BGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/12, MDR 2013, 1309 = NJW 2013, 3515 = ZfIR 2013, 806 = DNotZ 2014, 115. 2 Aufgrund der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 3 WEG greift der Gutglaubensschutz gegenüber vor dem 1.12.2020 getroffenen Vereinbarungen erst ab dem Jahr 2026 ein. 3 Stöber22, § 27 ZVG Rz. 5. 4 Stöber22, § 27 ZVG Rz. 6.2.
Wartenburger 477
Kap. 2 Rz. 2.396 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.396 Der Beschlagnahmezeitpunkt bestimmt sich im Fall des Beitritts mangels Eintragungsersuchen beim Grundbuchamt nach dem Zeitpunkt der Zustellung beim Schuldner, § 22 ZVG1. 2.397 Welche Rechte gegenüber der Beschlagnahme eines Beitrittsgläubigers vorrangig sind oder nicht, folgt aus dem Beschlagnahmezeitpunkt des Gläubigers. Insoweit sind alle betreibenden Gläubiger voneinander unabhängig. – Betreibt ein Beitrittsgläubiger wegen eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts die Zwangsversteigerung und ist dieses Recht bereits vorrangig vor der Vormerkung des Käufers im Grundbuch eingetragen, so gilt dieser Vorrang auch für das Versteigerungsverfahren. Eine Veränderung der Rechtslage ist insoweit nicht eingetreten. – Vollstreckt der Beitrittsgläubiger wegen eines nachrangig nach der Vormerkung im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts, z.B. einer später zur Eintragung gelangten Zwangssicherungssicherungshypothek, so gilt insoweit § 883 BGB vorrangig. – Erfolgt der Beitritt aufgrund eines persönlichen Anspruches ohne Eintragung einer Zwangssicherungshypothek, so ist entscheidend, ob die Auflassungsvormerkung früher ins Grundbuch eingetragen worden ist, als der Beitrittsbeschluss dem Schuldner zugestellt worden ist. Dann ist die Auflassungsvormerkung gem. § 883 BGB vorrangig. Allerdings gilt auch hier § 878 BGB, so dass die vorherige Stellung eines Eintragungsantrages ausreichend sein kann2. Ein gutgläubiger „Vorrangserwerb“ der Vormerkung ist nicht möglich, da bereits ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen ist und dieser zugleich den Hinweis beinhaltet, dass weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten sein könnten. Der Vormerkungsschutz ist daher in jedem Versteigerungsverfahren selbständig3.
2.398 Beispiel: V hat an K ein Grundstück verkauft. Im Grundbuch ist eine Grundschuld zu 100.000 Euro zugunsten der B-Bank eingetragen, die das Zwangsversteigerungsverfahren betreibt. Der Zwangsversteigerungsvermerk ist im Grundbuch eingetragen, die Abwicklung des Kaufvertrages ist mit der B abgesprochen. Wenige Stunden nach der Beurkundung erhält V den Beschluss über den Beitritt zum Zwangsversteigerungsverfahren durch X zugestellt. Die Auflassungsvormerkung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Grundbuch eingetragen. Fünf Tage später und nach Eintragung der Auflassungsvormerkung ins Grundbuch erhält V erneut einen Beitrittsbeschluss hinsichtlich des Z zugestellt. Notar N und K möchten wissen, wie hinsichtlich des Vertragsvollzugs weiter zu verfahren ist. Es ist davon auszugehen, dass die Vollstreckung durch X und Z hinsichtlich persönlicher Ansprüche erfolgt.
1 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 489; Stöber22, § 27 ZVG Rz. 8.1. 2 BGH v. 31.5.1988 – IX ZR 103/87, MDR 1988, 958 = NJW-RR 1988, 1274 = DNotZ 1989, 160. Zu den genauen Anforderungen an die Bindungswirkung einer Vormerkungsbestellung vgl. Münchener Kommentar/Kohler9, § 878 BGB Rz. 24. 3 BGH v. 31.5.1988 – IX ZR 103/87, MDR 1988, 958 = NJW-RR 1988, 1274 = DNotZ 1989, 160; Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 489.
478 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.402 Kap. 2
Alle drei Zwangsversteigerungsverfahren sind voneinander unabhängig und selb- 2.399 ständig. – Die Bank B geht in jedem Fall der Vormerkung vor. Sie muss aus dem Kaufpreis abgelöst werden. Dies war vorab mit ihr besprochen und ist soweit unproblematisch. – Auch X geht der Vormerkung vor, da gem. § 22 ZVG i.V.m. § 27 ZVG die Beschlagnahmewirkung vor Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch stattgefunden hat, nämlich durch Zustellung des Beitrittsbeschlusses beim Schuldner. Die Lastenfreistellung und der Rechtserwerb des K sind daher nur gesichert, wenn X dem Notar vor Kaufpreisfälligkeit eine Rücknahmeerklärung bezüglich seines Versteigerungsantrages zukommen lässt, ggf. gebunden an Treuhandauflagen, die aus dem (nach Ablösung der B verbleibenden) Kaufpreis erfüllt werden können. – Hinsichtlich Z wurde hingegen die Auflassungsvormerkung zu einem Zeitpunkt in das Grundbuch eingetragen, als der Beitrittsbeschluss zugunsten des Z noch nicht gefasst und noch nicht zugestellt worden war. Die Auflassungsvormerkung als solche, stellt noch kein die Versteigerung hindern- 2.400 des Recht gem. § 28 ZVG dar (vgl. dazu im Folgenden Rz. 2.401 ff.). Mit Eigentumsumschreibung auf K wird jedoch das Versteigerungsverfahren hinsichtlich Z automatisch eingestellt, da sich aus den Unterlagen des Grundbuchamtes und Versteigerungsgerichtes ergibt, dass der Beschlagnahmebeschluss nach Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch erfolgt ist1. 3. Der Versteigerung entgegenstehende Rechte, § 28 ZVG Das Versteigerungsverfahren ist einzustellen, wenn ein der Zwangsversteigerung ent- 2.401 gegenstehendes Recht aus dem Grundbuch ersichtlich ist, § 28 Abs. 1 ZVG. Diese Regelung macht eine Klage des Drittberechtigten nach § 771 ZPO überflüssig und setzt daher den grundbuchmäßigen Nachweis des entgegenstehenden Rechts voraus2. Ein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes Recht liegt vor, wenn durch die 2.402 Zwangsversteigerung widerrechtlich in das Recht eines Dritten eingegriffen würde. Bedeutung hat dies in der Regel nur, wenn Gläubiger wegen persönlicher Ansprüche vollstrecken, die nicht im Grundbuch eingetragen sind3. Ein die Versteigerung hinderndes Recht liegt bei Dritteigentum insbesondere vor, wenn
1 Stöber21, § 28 ZVG Rz. 4.8. 2 Stöber22, § 28 ZVG Rz. 3. 3 Zur Zwangsversteigerung aus einem im Rang vor der Vormerkung eingetragenen Recht s. BGH v. 25.1.2007 – V ZB 125/05, DNotZ 2007, 686 – in einem solchen Fall steht die Eigentumsumschreibung auf den Vormerkungsberechtigten der Fortführung des Versteigerungsverfahrens nicht entgegen.
Wartenburger 479
Kap. 2 Rz. 2.402 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
– die Auflassung auf einen Dritten im Grundbuch vollzogen wird, bevor der Beschluss über die Eröffnung des Versteigerungsverfahrens gefasst wird1; – die Auflassung auf einen Dritten im Grundbuch vollzogen wird, nachdem der Beschluss über die Eröffnung des Versteigerungsverfahrens aufgrund des Antrags eines persönlichen Gläubigers gefasst wird, aber vor Wirksamwerden der Beschlagnahme gem. § 22 ZVG2.
2.403 Wird hingegen die Auflassung auf einen Dritten im Grundbuch erst vollzogen, nachdem der Beschluss über die Eröffnung des Versteigerungsverfahrens auf Antrag eines persönlichen Gläubigers gefasst wird und nach Wirksamwerden der Beschlagnahme gem. § 22 ZVG, so steht das Eigentum des Erwerbers nur dann der Zwangsversteigerung entgegen, wenn der Erwerber gutgläubig nach § 892 BGB oder nach § 878 BGB noch Eigentum trotz der Beschlagnahme erwerben konnte3. In diesen Fällen können jedoch die Voraussetzungen des Erwerbs des Dritten nicht ausschließlich aus dem Grundbuch entnommen werden. Aus diesem Grund handelt es sich nicht um ein von Amts wegen berücksichtigungsfähiges entgegenstehendes Recht4. Der neue Eigentümer ist auf eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO angewiesen. 2.404 Besonderheiten gelten bei Eintragung einer Auflassungsvormerkung, weil vormerkungswidrige Verfügungen nach § 883 Abs. 2 BGB relativ unwirksam sind. Die Eintragung der Vormerkung als solche stellt noch kein der Versteigerung entgegenstehendes Recht dar5. Wird jedoch aufgrund Versteigerungsantrags eines nachrangigen dinglichen oder persönlichen Gläubigers das Versteigerungsverfahren betrieben und das Eigentum aufgrund der Auflassungsvormerkung auf den Vormerkungsberechtigten umgeschrieben, so entsteht das der Versteigerung entgegenstehende Recht. Dieses ist dann aus dem Grundbuch ersichtlich, wenn die Auflassungsvormerkung zu einem Zeitpunkt in das Grundbuch eingetragen wurde, bevor die Beschlagnahme wirksam wurde6. Als maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit auf die Eintragung einerseits und den Tag der Beschlussfassung andererseits abzustellen. 2.405 Bei Fällen des Erwerbs der Vormerkung nach §§ 892, 893 BGB oder nach § 878 BGB ist der wirksame Erwerb der Vormerkung hingegen wiederum nicht aus dem Grundbuch ersichtlich7, so dass der Käufer wiederum auf das Klageverfahren nach § 771 ZPO zu verweisen ist und keine Aufhebung des Verfahrens von Amts wegen erfolgt. 2.406 Problematisch sind die Folgen, wenn die Vormerkung bei der Eigentumsumschreibung gelöscht wird, obwohl eine verbotswidrige Verfügung ohne Zustimmung 1 2 3 4 5 6 7
Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.2. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.3. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.4 und 4.5. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.5. Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 489. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.8. a m.w.N. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.8.e.
480 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.409 Kap. 2
des Vormerkungsberechtigten in der Zwischenzeit erfolgt war. Nach Meinung des BGH führt die Löschung der Auflassungsvormerkung zwar in der Regel nicht zur Aufhebung des Vormerkungsschutzes1, wenn die materiell-rechtliche Aufgabeerklärung fehlt. Zweifelhaft ist hingegen, ob auch nach Löschung der Vormerkung die Voraussetzung des § 28 ZVG erfüllt ist, dass die Umstände noch aus dem Grundbuch ersichtlich sind. Dies wird zu Recht von Stöber bejaht, ist jedoch nicht unumstritten2. Dies lässt sich vermeiden, wenn ausdrücklich bei Bestellung und Löschung der Vormerkung wie folgt formuliert wird3. M33 Löschung Vormerkung unter Vorbehalt von Zwischenverfügungen
2.407
Zur Sicherung des vorstehend vereinbarten Anspruchs auf Übereignung des Vertragsgegenstandes bewilligt der Verkäufer und beantragt der Käufer die Eintragung einer Vormerkung zugunsten des Käufers im angegebenen Berechtigungsverhältnis in das Grundbuch im Rang nach den derzeit im Grundbuch eingetragenen und in Ziff. I aufgeführten Rechten und im Rang nach eventuellen Grundpfandrechten, die unter Mitwirkung des Käufers bestellt werden. Der Käufer bewilligt und beantragt schon heute die Löschung der zur Eintragung gelangenden Vormerkung Zug um Zug mit Eigentumsumschreibung, sofern keine beeinträchtigenden Zwischenverfügungen ohne seine Zustimmung erfolgt sind und der Notar festgestellt hat, dass das Zwangsversteigerungsverfahren aufgehoben worden ist.
4. Fälligkeitsvoraussetzungen
2.408
Beispiel: Gegen Verkäufer V wird das Zwangsversteigerungsverfahren in dessen Grundstück betrieben. Zur Abwendung der Zwangsversteigerung möchte er das Grundstück zum Kaufpreis von 300.000 Euro verkaufen und hat den Käufer K aufgetrieben. Damit ihm dieser nicht abspringt, geht er unverzüglich zum Notar. Die Beurkundung findet innerhalb von fünf Tagen nach Entwurfsübersendung statt. Dem Verkäufer ist es nicht gelungen, mit dem zuständigen Banksachbearbeiter der die Zwangsversteigerung betreibenden Bank den Verkauf abzuklären. Der Käufer K möchte wissen, welche Folgen eintreten, wenn die Bank mit dem Verkauf nicht einverstanden ist?
Das Versteigerungsverfahren wird unabhängig von der Eintragung der Auflassungs- 2.409 vormerkung im Grundbuch fortgeführt, da der Versteigerungsvermerk bereits im Zeitpunkt des Verkaufs im Grundbuch eingetragen war. Da es sich bei § 23 Abs. 1 ZVG lediglich um ein relatives Veräußerungsverbot handelt, besteht keine Grundbuchsperre. Stimmt die Bank dem Verkauf nicht zu, so wird sie die Zwangsversteigerung weiter betreiben. Der Käufer ist nicht in der Lage, dies zu verhindern, abge-
1 BGH v. 15.12.1972 – V ZR 76/71, MDR 1973, 302 = NJW 1973, 323; vgl. auch Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.8 b. 2 Vgl. Stöber22, § 28 ZVG Rz. 4.8 b m.w.N. 3 Vgl. auch Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 496.
Wartenburger 481
Kap. 2 Rz. 2.409 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
sehen von der eher theoretischen Möglichkeit, das dingliche Recht der Bank abzulösen. Die Versteigerung führt zum Eigentumsübergang auf den Ersteigerer. Der Käufer K ist selbstverständlich berechtigt, mitzusteigern. Die Auflassungsvormerkung als nachrangiges Recht fällt gem. § 44 ZVG nicht in das geringste Gebot. Mit dem Zuschlag erlischt die Vormerkung, §§ 91 Abs. 1, 44 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG.
2.410 An die Stelle der Vormerkung tritt ein Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös1. Die Hinauszahlung eines Erlösbetrages aus der Zwangsversteigerung erfolgt jedoch nur dann, wenn der Versteigerungserlös ausreicht, die vorrangigen Gläubiger zu befriedigen. Im Übrigen erhält der vormerkungsberechtigte Käufer nur dann einen Wertersatzanspruch, wenn er das nachrangige Recht, die Auflassungsvormerkung beim Versteigerungsgericht angemeldet hat, § 9 Nr. 2, §§ 110, 37 Nr. 4 ZVG. 2.411 Der Notar sollte von den Beteiligten beauftragt werden, unverzüglich die vorläufige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gem. § 30a ZVG anzuregen. Einer Mitwirkung des die Versteigerung betreibenden Gläubigers bedarf es hierzu nicht. Den Antrag kann der Schuldner auf die Dauer von höchstens sechs Monaten stellen, sofern die Aussicht besteht, dass durch Einstellung die Versteigerung vermieden wird und die Einstellung der Billigkeit entspricht, § 30a Abs. 2 ZVG. Eine einstweilige Einstellung des Verfahrens auf Antrag des Schuldners des § 30a ZVG scheidet jedoch aus, wenn die Notfrist des § 30b Abs. 1 ZVG von zwei Wochen bereits abgelaufen ist. 2.412 Daher kann das einfachere Procedere darin bestehen, den bzw. alle betreibenden Gläubiger einen entsprechenden Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG beim Gericht stellen zu lassen. Dies kann zur Fälligkeitsvoraussetzung erhoben werden, sofern dies noch nicht vor der Beurkundung erfolgt ist. 2.413 In jedem Fall ist beim Versteigerungsgericht anzuregen, einen ggf. schon anberaumten Versteigerungstermin abzusetzen oder zumindest die Zuschlagserteilung auszusetzen. Die Gläubiger sind zu ersuchen, entsprechende Anträge beim Vollstreckungsgericht zu stellen. 2.414 Damit der Notar die erforderlichen Auskünfte vom Versteigerungsgericht bekommt und ggfs. Erforderliche Anträge stellen kann, wird ihm häufig eine Vollmacht für das Versteigerungsverfahren erteilt. Diese kann sich an dem folgenden Formulierungsvorschlag orientieren. 2.415 M34 Notarvollmacht für Zwangsversteigerungsverfahren Der Notar wird ermächtigt, sämtliche das Zwangsversteigerungsverfahren betreffenden Informationen beim Versteigerungsgericht einzuholen, einen evtl. bereits anberaumten Versteigerungstermin absetzen zu lassen, die vorläufige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 30a ZVG zu beantragen und die Eintragung der Auflassungs1 Vgl. dazu Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (126).
482 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.417 Kap. 2
vormerkung zugunsten des Käufers beim Versteigerungsgericht gem. § 9 Nr. 2 ZVG anzumelden.
Die Eintragung der Auflassungsvormerkung ist kein der Versteigerung entgegenste- 2.416 hendes Recht i.S.d. §§ 28, 37 Nr. 5 ZVG (s. Rz. 2.401 ff.). Der Eigentumsübergang auf den Käufer ist ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht nur dann, wenn sich aus dem Grundbuch der Vorrang der Auflassungsvormerkung gegenüber dem Versteigerungsverfahren ergibt – also insbesondere bei Eintragung der Auflassungsvormerkung vor Wirksamwerden der Beschlagnahme. Dies kann nur bei der Vollstreckung wegen persönlicher Ansprüche eine Rolle spielen, nicht jedoch bei der Versteigerung durch vorrangig abgesicherte dingliche Gläubiger. Ein früherer Grundbuchantrag vor Beschlagnahme reicht insoweit nicht. Entscheidend ist ferner, dass eindeutig der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beschlagnahme feststellbar ist. M35 Fälligkeitsvoraussetzung bei Zwangsversteigerungsverfahren Der oben bezeichnete Kaufpreis ist zur Zahlung fällig innerhalb von zehn Tagen nach Absendung einer Mitteilung des Notars an die zuletzt mitgeteilte Anschrift des Käufers, dass: – die oben bewilligte Auflassungsvormerkung an der vereinbarten Rangstelle eingetragen ist, – dem Notar eine Erklärung der zuständigen Gemeinde in grundbuchmäßiger Form vorliegt, wonach ein gemeindliches Vorkaufsrecht entweder nicht besteht oder nicht ausgeübt wird, – die Lastenfreistellung gesichert ist. Die Lastenfreistellung gilt als gesichert, wenn dem Notar im Zeitpunkt der Absendung der Fälligkeitsmitteilung alle erforderlichen Unterlagen zur Löschung der nicht übernommenen Belastungen vorliegen, entweder zur freien Verfügung oder unter Auflagen, die insgesamt aus dem Kaufpreis weggefertigt werden können. Die Lastenfreistellung ist nur gesichert, wenn auch nachrangige Belastungen nach der im Grundbuch zur Eintragung gelangenden Vormerkung löschungsreif sind und dem Notar alle zur Löschung erforderlichen Unterlagen vorliegen1, – dem Notar eine schriftliche Bescheinigung des Versteigerungsgerichtes vorliegt, welche Gläubiger bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch das Zwangsversteigerungsverfahren betreiben bzw. diesem beigetreten sind (Zeitpunkt des Beitrittsbeschlusses), – dem Notar eine Bestätigung der Gemeinde vorliegt, wonach bezüglich des Vertragsgegenstandes keine Rückstände an öffentlichen Lasten bestehen oder nur solche, die
1 Der letzte Satz kann den Vertragsvollzug stark behindern und schwächt den Vormerkungsschutz. Er nimmt dem Käufer jedoch das Kostenrisiko von Prozessen nach § 888 BGB gegen zu Unrecht im Grundbuch eingetragene Gläubiger.
Wartenburger 483
2.417
Kap. 2 Rz. 2.417 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht aus dem nicht zur Lastenfreistellung erforderlichen Kaufpreis beglichen werden können, – dem Notar eine Bestätigung des Verwalters der Wohnanlage vorliegt, wonach bezüglich des Vertragsgegenstandes keine Hausgeldrückstände bestehen, für die der Käufer haften würde, oder nur solche, welche aus dem nicht zur Lastenfreistellung erforderlichen Kaufpreis beglichen werden können, – ODER: dem Notar eine Bestätigung einer oder mehrerer im Grundbuch eingetragener Grundpfandrechtsgläubiger vorliegt, wonach diese sich verpflichtet/n, alle auf dem Vertragsgegenstand am Tage der Beurkundung lastenden öffentlichen Lasten … und eventuelle Hausgeldrückstände, für die der Käufer nach der Gemeinschaftsordnung haften würde, sowie die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens und der Lastenfreistellung bei Notar und Grundbuchamt, aus dem Kaufpreis wegzufertigen und den Käufer insoweit freizustellen, – das Versteigerungsverfahren im Zeitpunkt der Absendung der Fälligkeitsmitteilung einstweilig eingestellt ist oder, soweit es noch betrieben wird, in diesem Zeitpunkt nicht von Gläubigern betrieben wird, bei denen die Beschlussfassung über die Eröffnung des ZVG-Verfahrens oder den Beitritt vor Eintragung der Vormerkung des Käufers in das Grundbuch erfolgt ist1 und – dem Notar die unwiderrufliche und uneingeschränkte Erklärung über die Rücknahme des Versteigerungsantrags aller in der oben bezeichneten Bescheinigung genannten, die Zwangsversteigerung betreibenden oder beigetretenen Gläubiger vorliegt – dies entweder bedingungslos oder unter Auflagen, die gemeinsam mit den sonstigen Auflagebeträgen aus dem Kaufpreis weggefertigt werden können. Notar und Käufer sind nicht berechtigt und nicht verpflichtet, die Berechtigung von Ablösebeträgen zu überprüfen2.
2.418 Eine weitere mögliche Fälligkeitsvoraussetzung anstelle des drittletzten Spiegelstrichs ist die Begleichung aller Gebühren und Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens und der Sicherung der Lastenfreistellung einschließlich des Grundbuchvollzugs beim zuständigen Amtsgericht. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass das Amtsgericht den neuen Eigentümer dafür (zumindest teilweise) in Anspruch nimmt. Meist sind diese Kosten jedoch bereits von der das Verfahren betreibenden Bank verauslagt wor1 Jedes Verfahren ist insoweit selbständig, als einige Gläubiger das Ruhen des Verfahrens beantragen können, während andere die Fortsetzung beantragen können, Stöber22, § 27 ZVG Rz. 6.2, § 30 ZVG Rz. 2.14. 2 Die Frage, ob der Gläubiger eines an aussichtsloser Rangstelle eingetragenen Rechtes aufgrund einer Nebenpflicht im Sicherungsvertrag verpflichtet sein kann, die Löschung auflagenfrei, also ohne eine „Lästigkeitsprämie“ zu bewilligen, wenn nur so eine freihändige Verwertung möglich ist, ist nicht in allen Punkten abschließend geklärt. Jedenfalls wenn zwischen dem Gläubiger und dem Eigentümer keine entsprechende vertragliche Beziehung besteht, gibt es einen solchen Anspruch nicht, vgl. BGH v. 30.4.2015 – IX ZR 301/13, NZI 2015, 550; ob – wie z.B. vom OLG Schleswig v. 23.2.2011 – 5 W 8/11, ZIP 2011, 1254 angenommen – bei vertraglich erlangten Sicherungsrechten etwas anderes gilt, hat der BGH offen gelassen.
484 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.428 Kap. 2
den, welche die entsprechende Position in ihre Zahlungsauflage einkalkuliert. Die gleiche Problematik stellt sich im Hinblick auf die Notarkosten, sofern nach der Vereinbarung der Beteiligten im Innenverhältnis der Verkäufer die Kosten zu tragen hat, der Käufer jedoch gesamtschuldnerisch auch dafür haftet. Praktisch wird dieses Risiko dadurch vermieden, dass man die erwarteten Kosten (meist handelt es sich um Lastenfreistellungskosten) zumindest schätzungsweise ermittelt, diese im Innenverhältnis dem Käufer auferlegt und den Kaufpreis entsprechend kalkuliert. Bei der Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto kann auch vereinbart werden, dass der Verkäufer verpflichtet ist, seinen Kostenanteil dort einzuzahlen, wobei der Kaufpreis erst fällig wird oder eine Auszahlung von dem Anderkonto insgesamt erst zulässig ist, wenn auch der Käuferanteil einbezahlt ist1.
2.419–2.425
Einstweilen frei. III. Sicherungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen während der Vertragsabwicklung 1. Pfändung des Auflassungsanspruchs a) Grundlagen
Der Anspruch des Käufers auf Übereignung ist pfändbar nach §§ 846, 829 ZPO. 2.426 Durch die Pfändung erlangt der Pfändungsgläubiger ein Pfandrecht am Übereignungsanspruch, § 804 Abs. 1 ZPO. Soweit die Auflassung noch nicht erklärt worden ist, kann die Auflassung gem. § 848 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur noch gegenüber dem Sequester als Vertreter des Käufers erfolgen. Durch die Pfändung des Auflassungsanspruchs wird auch die Auflassungsvormerkung als akzessorisches Recht erfasst. Die Pfändung des Anspruchs kann daher bei der Auflassungsvormerkung im Grundbuch vermerkt werden. Die Vormerkung zur Sicherung eines solchen gepfändeten Anspruchs kann nicht 2.427 aufgrund einer Löschungsbewilligung des Käufers (sog. Schubladenlöschung) gelöscht werden, denn hierzu bedarf es auch einer Erklärung des Pfändungsgläubigers. Die Pfändbarkeit lässt sich nach § 851 Abs. 2 ZPO auch nicht durch die Vereinbarung des Ausschlusses der Abtretung erreichen. Denn danach ist trotz ausgeschlossener Abtretung die Pfändung zulässig, sofern der dem Anspruch zugrundeliegende Gegenstand pfändbar ist. Das ist vorliegend der Fall. Die Eigentumsumschreibung auf den Käufer kann nur noch entweder durch den 2.428 Verkäufer oder den Sequester beantragt werden. Wird das Eigentum auf den Käufer umgeschrieben, so entsteht außerhalb des Grundbuchs eine Sicherungshypothek, die der Sequester in das Grundbuch bewilligen kann, § 848 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB2. 1 Die Einzahlung von Kaufpreisteilen durch den Verkäufer kann aber auch ein Zeichen für unzulässige Abreden zwischen den Vertragsteilen zu Lasten der Finanzierungsbank sein, vgl. dazu KG v. 12.4.2013 – 6 U 132/11. 2 Vgl. zum Ganzen Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (150).
Wartenburger 485
Kap. 2 Rz. 2.429 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
2.429 War die Auflassung bereits erklärt, so ist ein Anwartschaftsrecht zugunsten des Käufers entstanden, für dessen Pfändung die vorstehenden Regelungen entsprechend gelten. Einer Sequesterbestellung bedarf es hier nicht mehr. Wiederum entsteht mit der Eigentumsumschreibung auf den Käufer eine Sicherungshypothek an dem Grundstück. b) Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung
2.430 Die Sicherung der Kaufpreisfinanzierung durch Eintragung von Käuferfinanzierungsgrundpfandrechten funktioniert im Hinblick auf die Pfändungsmöglichkeit des Auflassungsanspruchs nur bei Bestellung eines Käufergrundpfandrechtes unter Mitwirkung des Verkäufers. Alternativmodelle mit Grundschuldeintragung mit Eigentumsumschreibung auf den Käufer scheitern bei Pfändung des Auflassungsanspruchs, da bei Eigentumsumschreibung im Rang vor Käufergrundpfandrechten die Sicherungshypothek zugunsten des Vollstreckungsgläubigers entsteht1. 2.431 Die sog. Schubladenlöschung erweist sich in diesen Fällen als unzureichend. In Risikofällen ist ggf. das Notaranderkonto vorzuziehen (s. zu beidem Rz. 2.261, M17, Rz. 2.137) oder auf die auflösend bedingte Vormerkung auszuweichen (s. Rz. 2.142). 2.432 Erfolgt hingegen bereits bei Beurkundung des Kaufvertrages die Bestellung der Grundschuld und wird diese zeitgleich mit der Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen, so schadet dem Rang des den Kaufpreis finanzierenden Kreditinstitutes die nachfolgende Pfändung des Auflassungsanspruches nicht. Der Rang der Kaufpreisfinanzierungsgrundschuld ist damit gesichert. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn die Eintragung der Auflassungsvormerkung im Rang nach der Grundschuld bewilligt und beantragt wurde. War dies nicht der Fall, so entstehen materiell-rechtlich zwar keine Probleme, da die Grundschuldbestellung materiellrechtlich nicht vormerkungswidrig war. Rein grundbuchrechtlich hat die Grundschuld jedoch nicht die bedungene Rangstelle erhalten. Die Bank wird daher im Regelfall die Kaufpreisauszahlung verweigern. Es ist insofern üblich, dass die Eigentumsvormerkung des Käufers im Rang hinter die Finanzierungsgrundschuld zurücktritt. Nach Inkrafttreten des GNotKG entstehen durch diesen Rangrücktritt auch keine Grundbuchkosten mehr2, so dass Ausweichkonstruktionen über einen Wirksamkeitsvermerk oder bedingten Rangvorbehalt nicht mehr erforderlich sind. 2.433 Erfolgt die Pfändung des Übereignungsanspruchs vor Bestellung des Kaufpreisfinanzierungsgrundpfandrechtes, so ist in dem Rangrücktritt der Vormerkung hinter die zur Eintragung zu gelangende Grundschuld eine verbotswidrige Verfügung gem. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu sehen. Die Grundschuldbestellung verstößt daher gegen das Verfügungsverbot des § 829 ZPO und ist dem Pfändungsgläubiger ge1 Vgl. Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (151); BGH v. 18.12.1967 – V ZB 6/67, MDR 1968, 313 = NJW 1968, 493 = BB 1968, 271 = DNotZ 1968, 483; BayObLG v. 17.2.1972 – BReg 2 Z 88/71, DNotZ 1972, 536. 2 Es ist hierfür schlicht kein Gebührentatbestand mehr vorhanden, vgl. Drempeteic in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, KVNr. 14150–14151 Rz. 2.
486 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.436 Kap. 2
genüber relativ unwirksam. War die Pfändung des Auflassungsanspruchs nicht bei der Auflassungsvormerkung vermerkt, so kommt ein gutgläubiger Erwerb des Vorrangs für das Kreditinstitut des Käufers in Betracht. War die Pfändung hingegen im Grundbuch vermerkt, scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus. In diesem Fall behält die Sicherungshypothek Vorrang vor der später zur Eintragung gelangenden Käufergrundschuld1. Ohnehin dürfe die finanzierende Bank unter solchen Umständen kaum bereit sein, an den von der Pfändung betroffenen Käufer ein Darlehen auszureichen. 2. Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs
2.434
Beispiel: Verkäufer V verkauft sein Grundstück in wirtschaftlich prekärer Situation. Der Wert des Grundstücks beträgt 300.000 Euro, die Grundstücksbelastungen 250.000 Euro. Es droht die Zwangsvollstreckung durch einige Gläubiger. Verkäufer V verkauft sein Grundstück an Käufer K zum Kaufpreis von 300.000 Euro nach den üblichen Regelungen. Vor Absendung der Fälligkeitsmitteilung durch den Notar pfändet das Finanzamt den Kaufpreiszahlungsanspruch in Höhe von 80.000 Euro. Der im Grundbuch eingetragene Gläubiger hat als Haftungsauflage einen Betrag von 250.000 Euro verlangt.
Die Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs kann die Lastenfreistellung gefähr- 2.435 den2. Der naheliegendste Gedanke zur Vermeidung dieser Problematik liegt im Ausschluss der Abtretung des Kaufpreiszahlungsanspruchs, § 399 BGB. Der Ausschluss der Abtretung hilft gem. § 851 Abs. 2 ZPO hingegen nicht. Denn eine nach § 399 BGB nicht übertragbare Forderung kann dennoch insoweit gepfändet werden, als der geschuldete Gegenstand der Pfändung unterworfen ist. Aus diesem Grunde hat die Praxis der Vertragsgestaltung unterschiedliche Modelle zur Vermeidung der Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs gesucht. a) Abtretungsmodell Das erste und klassische Modell ist das der Abtretung des Kaufpreiszahlungsan- 2.436 spruchs an die im Grundbuch eingetragenen Gläubiger in der Höhe, in der diese Auflagen geltend machen. Die Abtretungslösung ist jedoch mit einigen gestalterischen Problemen verbunden. Erstens handelt es sich bei der Abtretung um einen Vertrag. Das Vertragsangebot wird regelmäßig im beurkundeten Kaufvertrag enthalten sein, die Annahme ist jedoch schwer nachweisbar. Ferner muss der Abtretungsbetrag zumindest bestimmbar sein3. Da der Verkäufer in der Regel im Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages noch keine Vorstellung von der genauen Höhe des Abtretungsbetrages hat und dieser erst später vom Grundschuldgläubiger festgelegt wird, ist in einigen Fällen die Bestimmbarkeit des Abtretungsbetrages unklar. Ist der Abtretungsvertrag zu unbestimmt, so ist die vollständige Abtretung nich-
1 Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (152). 2 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 543. 3 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 543.
Wartenburger 487
Kap. 2 Rz. 2.436 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
tig. Problematisch ist ferner, dass die Rechte aus dem Kaufvertrag anschließend der Grundpfandgläubigerin oder gar mehreren Grundpfandgläubigern zustehen. Eine Geltendmachung der Rechte auf Kaufpreiszahlung könnte anschließend vom Verkäufer nur noch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft erfolgen. Schließlich ist die Abtretungslösung mit Schwierigkeiten hinsichtlich der Zwangsvollstreckungsunterwerfung sowie der Klauselerteilung verbunden1. Schließlich sind die Kaufpreiszahlungsansprüche zumindest solange pfändbar, bis der oder die Grundschuldgläubiger die Abtretung angenommen haben2. Für die Zwischenzeit ist jeder Schutz versagt.
2.437 Das Abtretungsmodell wird daher außerhalb des Bauträgervertragsrechts nur noch in Ausnahmefällen gewählt, nämlich um vertraglich zu klären, dass ein bestimmter Kaufpreisteil überhaupt nicht für die Lastenfreistellung zur Verfügung steht (weil er z.B. dem erfolgreichen Vermittler einer Problemimmobilie versprochen wurde oder weil er für eine noch ausstehende Reparaturarbeit nötig ist). b) Vertrag zugunsten Dritter
2.438 Zur Vermeidung der Schwächen der Abtretungslösung hat die Praxis der Vertragsgestaltung zwei Alternativmodelle entwickelt: einerseits den echten Vertrag zugunsten Dritter und andererseits den unechten Vertrag zugunsten Dritter. 2.439 Echter Vertrag zugunsten Dritter: Der Hauptvorteil der Verträge zugunsten Dritter besteht darin, dass keine unsicheren Zwischenzeiten entstehen, da es keines Vertragsabschlusses zwischen Verkäufer und Grundpfandrechtsinhaber bedarf. Die Anforderungen an die Bestimmbarkeit der Zahlungsbeträge sind ebenfalls geringer. Da die vertragliche Vereinbarung weiterhin zwischen Käufer und Verkäufer bestehen bleibt, bleiben auch sämtliche Gestaltungsrechte beim Verkäufer. Diese gehen nicht, auch nicht teilweise, auf die Grundpfandrechtsgläubiger über. Beim echten Vertrag zugunsten Dritter entsteht der Zahlungsanspruch unmittelbar beim Grundpfandrechtsgläubiger. Eine Pfändung geht insoweit ins Leere. Ein Durchgangserwerb findet nicht statt. Fraglich ist insoweit lediglich, ob der Grundpfandrechtsgläubiger tatsächlich einen eigenen Anspruch erhalten soll. Insoweit ist in jedem Fall zu klären, ob die Möglichkeit der Aufhebung des Kaufpreiszahlungsanspruchs nach § 328 Abs. 2 BGB auch ohne Zustimmung des Berechtigten möglich sein soll. Wird hierzu keine eindeutige Regelung getroffen, so bestehen bei sämtlichen Vertragsänderungen die Schwierigkeiten, dass diese erst und nur mit Zustimmung des Grundpfandrechtsgläubigers wirksam werden. Für die Erteilung von Zwangsvollstreckungsklauseln haben diese dahingehend zu erfolgen, dass der Käufer nur verpflichtet ist, unmittelbar an den Dritten zu zahlen. Problematisch ist insoweit lediglich die Bestimmung der Höhe des Betrages, der an den Grundschuldgläubiger zu zahlen ist. 2.440 Unechter Vertrag zugunsten Dritter: Der unechte Vertrag zugunsten Dritter unterscheidet sich vom echten Vertrag zugunsten Dritter dadurch, dass kein unmittel1 Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (153). 2 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 543.
488 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.444 Kap. 2
bares Forderungsrecht des Gläubigers begründet wird. Inhalt des Kaufpreiszahlungsanspruchs ist es hingegen, dass in Höhe der Auflage des Grundschuldgläubigers die Zahlung ausschließlich an diesen erfolgen kann. Forderungsberechtigt ist jedoch ausschließlich der Verkäufer. Dies ist Inhalt des Kaufvertrages und des Anspruches. Dieser Anspruch ist nach wie vor pfändbar, allerdings kann auch der Pfändungsgläubiger nur die Zahlung des zur Lastenfreistellung erforderlichen Kaufpreisteiles an die abzulösenden Gläubiger verlangen; soweit danach ein Kaufpreisrest verbleibt, würde dieser im Falle der Pfändung selbstverständlich dem Pfändungsgläubiger zur Verfügung stehen1. M36 Vollstreckungsschutz als unechter Vertrag zugunsten Dritter
2.441
Soweit Gläubiger im Rahmen der vertraglich geschuldeten Lastenfreistellung Zahlungen verlangen, kann der Verkäufer die Kaufpreiszahlung nur in der von dem betreffenden Gläubiger angegebenen Weise verlangen, und der Käufer ist verpflichtet, den Kaufpreis insoweit entsprechend den Auflagen der Gläubiger unmittelbar an diese zu leisten (unechter Vertrag zugunsten Dritter). Käufer und Notar sind nicht berechtigt und nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Auflagen zu überprüfen. Der Kaufpreis ist, soweit er nicht zur Lastenfreistellung zu verwenden ist, auf das folgende Konto zu überweisen: …
3. Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs bei Abwicklung über Notaranderkonto Trotz der Verschärfung der Voraussetzung für die Kaufvertragsabwicklung unter Ver- 2.442 wendung eines Notaranderkontos nach den §§ 57 ff. BeurkG werden immer noch gelegentlich Kaufverträge unter Verwendung des Notaranderkontos abgewickelt.
2.443
Beispiel: V verkauft sein Grundstück an K. Die Beteiligten vereinbaren, dass der Kaufpreis auf Notaranderkonto des Notars N einzuzahlen ist. Gläubiger des Verkäufers pfänden nunmehr den Kaufpreiszahlungsanspruch vor Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto. Abwandlung: Wie ändert sich die Lösung des Falles, wenn die Pfändung erst nach Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto erfolgt?
Zunächst ist allgemein anerkannt, dass der Kaufpreiszahlungsanspruch des Verkäu- 2.444 fers auch bei Vertragsabwicklung über Notaranderkonto pfändbar ist2. Hinsichtlich der Art der Pfändung ist zu unterscheiden. Wird der Kaufpreiszahlungsanspruch 1 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 543. 2 Vgl. Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (138); Brambring, DNotZ 1990, 615 (645 f.); Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (156); BGH v. 30.6.1988 – IX ZR 66/87, MDR 1988, 958 = NJW 1989, 230 = DB 1988, 2196 = DNotZ 1989, 235.
Wartenburger 489
Kap. 2 Rz. 2.444 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
vor Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto gepfändet, so handelt es sich um eine reguläre Forderungspfändung. Besonderheiten sind insoweit nicht zu beachten. Allerdings kann der Gläubiger des Verkäufers nicht mehr pfänden, als dem Verkäufer zusteht1. Der Gläubiger kann daher ebenfalls nur Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto verlangen und muss die Zweckbestimmung der hinterlegten Gelder zur Verwendung zum Zwecke der Lastenfreistellung gegen sich gelten lassen2.
2.445 Findet die Pfändung hingegen nach Einzahlung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto statt, so stellt sich zunächst die Frage, was überhaupt zu pfänden ist. Im Grundsatz tritt durch die Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto noch keine Erfüllung ein3. Anders ist dies nur dann, wenn die Beteiligten ausdrücklich das Gegenteil vereinbaren, was im Regelfall nicht interessengerecht ist. Ist ausnahmsweise Erfüllung bereits eingetreten, so kann nur noch der Auszahlungsanspruch gegen den Notar gepfändet werden. Anderenfalls bestehen zunächst zwei Ansprüche des Verkäufers parallel: der privatrechtliche Zahlungsanspruch gegen den Käufer und der öffentlich-rechtliche Auszahlungsanspruch gegen den Notar. Der Anspruch gegen den Notar ist nicht auf ordnungsgemäße Erfüllung der Amtspflichten beschränkt, sondern es handelt sich um einen – grundsätzlich abtretbaren – Zahlungsanspruch.4 Die alleinige Pfändung des Auszahlungsanspruches würde keine Beschlagnahmewirkung hinsichtlich des Kaufpreiszahlungsanspruches auslösen; der Käufer darf nicht dem Risiko ausgesetzt werden, dass ein Dritter den Auszahlungsanspruch erhält, während er weiterhin an den Verkäufer zahlen muss.5 Umstritten ist, ob eine Pfändung des Kaufpreiszahlungsanspruchs auch den Auszahlungsanspruch gegen den Notar erfasst6. Die wohl überwiegende Meinung bejaht das. Es gebietet sich als sicherster Weg eine Doppelpfändung, bei der sowohl der Kaufpreiszahlungsanspruch als auch der öffentlich-rechtliche Auszahlungsanspruch (auch als Auskehrungsanspruch bezeichnet) gegenüber dem Notar gepfändet wird7. 2.446 Wird zutreffend beim Notar gepfändet, hat der Notar eine Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abzugeben. Wird hingegen unzutreffend, also insbesondere nur der Auszahlungsanspruch gegen den Notar gepfändet, ist unklar ob der Notar den
1 Brambring, DNotZ 1990, 615 (646). 2 Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (138); Brambring, DNotZ 1990, 615 (646); Volhard, DNotZ 1987, 523 (541). 3 BGH v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, MDR 1983, 654 = NJW 1983, 1605 = DB 1983, 1706 = DNotZ 1983, 549; vgl. dazu auch Brambring, DNotZ 1990, 615 (633); Zimmermann, DNotZ 1983, 552 ff. 4 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 242/97, NJW 1998, 2134. 5 BGH v. 30.6.1988 – IX ZR 66/87, MDR 1988, 958 = NJW 1989, 230 = DB 1988, 2196 = DNotZ 1989, 235; v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, MDR 1983, 654 = NJW 1983, 1605 = DB 1983, 1706 = DNotZ 1983, 549; BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 242/97, NJW 1998, 2134. 6 So unter Berufung auf § 401 BGB Ganter, DNotZ 2004, 421 (432 f.). 7 BGH v. 30.6.1988 – IX ZR 66/87, MDR 1988, 958 = NJW 1989, 230 = DB 1988, 2196 = DNotZ 1989, 235; Ganter, DNotZ 2004, 421 (430 ff.).
490 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.450 Kap. 2
Pfändenden auf eventuelle Mängel der Pfändung hinzuweisen hat und ob er mangels wirksamer Pfändung überhaupt eine Drittschuldnererklärung abzugeben hat1. Eine Hinweispflicht auf die Wirkungslosigkeit der Pfändung ist wohl abzulehnen, da der Pfändungsgläubiger nicht Beteiligter der vom Notar abgewickelten Rechtsgeschäfte wird und daher diesem gegenüber auch keine über die gesetzlichen Pflichten eines Drittschuldners hinausgehenden Amtspflichten bestehen. Auch in diesem Fall ist der Gläubiger des Verkäufers an die Hinterlegungsverein- 2.447 barung und die dazu getroffenen Verwendungsauflagen gebunden. Ihm stehen daher der gepfändete Kaufpreiszahlungsanspruch und der Auszahlungsanspruch gegen den Notar nur in der Höhe zu, wie dieser nach Erfüllung der Verwendungsauflagen verbleibt. Sind hier Restbeträge auszukehren, so muss der Notar diese grundsätzlich an den Pfändungsgläubiger auszahlen2. Eine Erfüllung an den Verkäufer ist nicht mehr gestattet, § 829 ZPO. Auch ohne Änderung der Hinterlegungsvereinbarung ist der Notar vielmehr gezwungen, den Hinauszahlungsbetrag dem Pfändungsgläubiger auszuzahlen. In Zweifelsfällen sollte der Notar sich jeglicher Auszahlung enthalten und die Beteiligten auf die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO verweisen3. IV. Pfändung von Rückgewähransprüchen
2.448
Beispiel: Im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks von V an K soll die Lastenfreistellung hinsichtlich eines im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechts einer deutschen Großbank durch Löschung des Grundpfandrechts erreicht werden. Wenige Tage, nachdem der Notar die Löschungsbewilligung bei der Bank angefordert hat, werden die Rückgewähransprüche des Verkäufers von einem Gläubiger des Verkäufers gepfändet. Was tun?
Rückgewähransprüche sind pfändbare Rechte aus dem Sicherungsvertrag. Sie ge- 2.449 währen einen Anspruch nach Wahl des Sicherungsgebers auf Abtretung der Grundschuld, Verzicht oder Aufhebung (Löschung). Die Rückgewähransprüche sind pfändbar gem. §§ 857 Abs. 1, 829 ZPO4. Das Gleiche gilt für Eigentümergrundpfandrechte, die aufgrund Zahlung auf die Grundschuld beim Grundstückseigentümer (ausnahmsweise) entstanden sind. Auch diese sind pfändbar. Wichtigstes Problem bei der Pfändung von Rückgewähransprüchen ist, dass ab der 2.450 Pfändung die Löschung der Grundpfandrechte nur noch mit Zustimmung des Pfän-
1 Ganter, DNotZ 2004, 421 (433). Dort auch zu der Frage des Verhaltens des Notars (Nachfragen?), wenn er nicht weiß, auf welche Weise gepfändet wurde und ob die jeweiligen Pfändungen vollständig zugestellt wurden. 2 Brambring, DNotZ 1990, 615 (646). 3 Vgl. zum Ganzen auch Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (156 f.). 4 BGH v. 6.7.1989 – IX ZR 277/88, BGHZ 108, 237 (245) = MDR 1990, 147 = NJW 1989, 2536 = DB 1990, 580 = DNotZ 1990, 581; Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (134); Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 2342.
Wartenburger 491
Kap. 2 Rz. 2.450 Grundstückskaufvertrag im Zivilrecht
dungsgläubigers möglich ist1. Die Vormerkung bietet insoweit keinen wirksamen Schutz gegen die Pfändung der Rückgewähransprüche2.
2.451 Zur Vermeidung der Pfändung der Rückgewähransprüche sind diese bereits bei Beurkundung des Kaufvertrages an den Käufer abzutreten3. Üblicherweise erfolgt zur Vermeidung einer ungesicherten Vorleistung die Abtretung des Anspruches aufschiebend bedingt durch vollständige Kaufpreiszahlung. Die Pfändung wird dann mit Bedingungseintritt gem. § 161 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da sie eine bedingungswidrige Verfügung darstellt. Auf diese Art und Weise wird der Anspruch des Käufers auf Löschung der im Grundbuch im Verkaufszeitpunkt noch eingetragenen Grundpfandrechte gesichert4. 2.452 M37 Vollstreckungsschutz durch Grundpfandrechtsabtretung Der Verkäufer tritt hiermit aufschiebend auf den Zeitpunkt der vollständigen Kaufpreiszahlung, spätestens mit Eigentumsumschreibung, alle Rückgewähransprüche und Eigentümerrechte hinsichtlich der im Grundbuch derzeit eingetragenen und vom Käufer nicht zu übernehmenden Grundpfandrechte an den dies annehmenden Käufer ab. Käufer und Verkäufer sind sich darüber einig, dass der Rückgewähranspruch aus dem Sicherungsvertrag in Form der Löschung zu wählen ist.
2.453 Achtung: Die Abtretung der Rückgewähransprüche geht häufig allerdings ins Leere, da diese Ansprüche bereits an andere Banken abgetreten wurden. In diesem Fall geht aber natürlich auch die Pfändung durch den Drittgläubiger ins Leere.
2.454 Die Problematik lässt sich auch analog der Fälle bei Insolvenz des Gläubigers lösen. Beispiel: V verkauft ein mit Grundpfandrechten belastetes Grundstück an K. Fälligkeitsvoraussetzung ist die Sicherung der Lastenfreistellung. Im Grundbuch ist auch eine Grundschuld zugunsten des Privatiers X eingetragen. Nachdem dieser dem Notar in grundbuchmäßiger Form die Löschungsbewilligung mit erfüllbaren Auflagen eingereicht hat, stellt der Notar den Kaufpreis fällig. Er wird bezahlt. Wenige Wochen später, aber vor grundbuchamtlichen Vollzug, wird ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und anschließend das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gläubigers X eröffnet. Kann die Löschung noch vollzogen werden?
2.455 Die Löschungserklärung wird nach § 875 Abs. 2 BGB bindend, wenn er demjenigen zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Grundbuchvorschriften entsprechende Löschungsbewilligung ausgehändigt hat. Dies ist im Regelfall mit Zugang beim Notar der Fall, soweit der Notar bevollmächtigt wird die Löschungserklärung namens 1 2 3 4
Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (158); Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (135). Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (158). Vgl. Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 552. Vgl. Hansmeyer, MittRhNotK 1989, 149 (158); Jursnik, MittBayNot 1999, 125 (135).
492 Wartenburger
H. Besonderheiten bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung
Rz. 2.459 Kap. 2
der Beteiligten einzuholen. Er nimmt dann die Erklärung namens des Käufers entgegen. Der Widerruf ist damit ausgeschlossen1. Dennoch kann im vorliegenden Fall die Lastenfreistellung scheitern2. Denn der 2.456 Gläubiger verliert vor der Vorlage der Löschungsbewilligung seine Verfügungsbefugnis über die Grundschuld. Daher stehen §§ 24, 80, 91 InsO der wirksamen Löschung der Grundschuld im Grundbuch entgegen. Zur Vermeidung dieser Vollzugsgefahr sollte die Löschungsbewilligung unverzüglich nach Erhalt beim Grundbuchamt vorgelegt werden. Damit ist § 878 BGB anwendbar, so dass der spätere Verlust der Verfügungsbefugnis unschädlich ist. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn der Gläubiger die Grundbuchvorlage von Zahlungsauflagen abhängig macht. In diesem Fall könnte es bereits in der Zeit zwischen Abgabe der Löschungserklärung und Erfüllung der Zahlungsauflage zur Insolvenz des Gläubigers kommen. Auch der Rangrücktritt des Grundpfandrechtes hinter die Vormerkung bringt hier keine Sicherheit, da z.B. die Abtretung des Grundpfandrechtes durch den Gläubiger (der bereits die Löschung bewilligt hat) keine vormerkungswidrige Verfügung ist und damit wirksam bleibt. In einem solchen Fall bietet die Abwicklung über Notaranderkonto die größere Si- 2.457 cherheit, da die Auszahlung ggf. nach Grundbuchvollzug der Lastenfreistellung stattfinden kann (Zweifel an der Vertretung einer ausländischen Gesellschaft könnten so im Grundbuchverfahren geklärt werden, bevor dieser Gläubiger die Zahlung erhält). Ferner ist dies ein Grund für die Verwendung einer Sicherungshypothek (anstelle 2.458 einer Sicherungsgrundschuld) im Rechtsverkehr mit Privatgläubigern, da materiellrechtlich die Zahlung an den Gläubiger automatisch eine Eigentümergrundschuld entstehen lässt – auch wenn die Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist. Denn dies tritt kraft Gesetzes ein. Der Insolvenzverwalter ist dann verpflichtet, die Umschreibung im Grundbuch im Wege der Berichtigung zu bewilligen. Der sicherste Weg besteht jedoch darin, neben der Löschungsbewilligung eine so- 2.459 fort vollziehbare Löschungsvormerkung vom Grundpfandrechtsgläubiger einzuholen, die sogleich im Grundbuch vollzogen werden kann. Die Löschungsvormerkung führt dann nach § 106 InsO zur Insolvenzfestigkeit und zum Pfändungsschutz für den Löschungsanspruch. Überdies ist bei Eintragung einer Löschungsvormerkung auch die nachträgliche Abtretung des Rechtes an einen Dritten dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam, sodass der Kaufvertrag rundum gesichert ist. Diese Lösung ist allerdings mit Mehrkosten verbunden und sollte nur gewählt werden, wenn Privatgläubiger eingetragen sind, die erhebliche Ablösebeträge fordern oder wenn (ausnahmsweise) eine Nicht-Bank ein Freigabeversprechen nach § 3 MaBV abgibt. 1 Anders hingegen wohl die Treuhandauflage, s. Brunner, MittBayNot 1997, 197; für Bindung hingegen BGH v. 30.1.1992 – IX ZR 64/91, MDR 1992, 1057 = NJW 1992, 1390 = DNotZ 1992, 560. 2 Vgl. Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung8, Rz. 549 ff.
Wartenburger 493
Kapitel 3 Bauträgerkaufvertrag A. Einleitung I. Allgemeines 1. Rechtsnatur und normative Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bauträgerkaufvertrag und Verbraucherschutz . . . . . . . . . 3. Gewerbliches Handeln des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verzicht bei Kaufleuten . . . . . II. Legitimation des Bauträgervertrages, Forderungssicherungsgesetz und Prinzip der Abschlagszahlungen . . . . . . . . . . . . . B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Makler- und Bauträgerverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 3 MaBV . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 7 MaBV – Bürgschaftsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fälligkeitsregelung und Verzug . III. AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachmängelhaftung . . . . . . . . 2. Änderungsvorbehalte und -vollmachten . . . . . . . . . . . . . . 3. Abnahmefiktion . . . . . . . . . . . 4. Kaufpreisänderung, Umsatzsteuerklausel . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Einschränkung von Leistungsverweigerungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Weitere Problemfälle des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nachzüglerverkauf . . . . . . . . . . . . V. Baubeschreibung . . . . . . . . . . . . . VI. Vertragsabschluss mit Angebot und Annahme . . . . . . . . . . . . . . . VII. Abnahme des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Sonderwünsche . . . . . . . . . . . . . . IX. Zwangsvollstreckungsunterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.6 3.15 3.17
3.31 3.61 3.62 3.64 3.71 3.88 3.111 3.112 3.118 3.129 3.130 3.131 3.137 3.139 3.141 3.145 3.149 3.160 3.164
X. Schiedsgutachter- und Schiedsgerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . XI. Bauabzugsbesteuerung, §§ 48 ff. EStG . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besondere Gestaltungssituationen I. Ketten-Bauträgerverkauf in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verkäuferinsolvenz . . . . . . . . . 2. Insolvenz des Erstkäufers . . . . 3. Alternativgestaltungen zur Abtretungslösung . . . . . . . . . . II. Verdeckter Bauträgerkaufvertrag, sog. Generalübernehmermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt und Umfang des Formzwangs . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit der MaBV . . . 3. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB, Kündigung des Generalübernehmervertrages, Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . 4. Isolation der Haftungsrisiken, Vereinbarung von VOB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tausch mit dem Bauträger . . . . . 1. Grundstückstauschmodell . . . 2. Stundungsmodell . . . . . . . . . . 3. Anteilsmodell . . . . . . . . . . . . . IV. Sanierungsmodelle, Baudenkmale etc. 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschärfung der Bauträgerhaftung und Baubeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. MaBV-Ratenplan beim Sanierungsvertrag . . . . . . . . . . 4. Steuerliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Steuerrechtliche Einzelfragen I. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . II. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . .
3.167 3.169
3.191 3.193 3.194 3.201
3.221 3.222 3.226
3.231 3.251 3.252 3.257 3.258 3.261 3.265
3.268 3.271 3.274 3.278 3.301 3.304
Leiß 495
Kap. 3 Bauträgerkaufvertrag III. Umsatzsteuer 1. Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . 3.321 2. Gewerberaum . . . . . . . . . . . . . 3.322
IV. Verlustzuweisungsmodelle (§ 15b EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . 3.341
Literatur (Auswahl): Armbrüster, Änderungsvorbehalte und -vollmachten zugunsten des aufteilenden Bauträgers, ZMR 2005, 244; Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl. 2021; Basty, Baurechtsreform 2017 und Bauträgervertrag, MittBayNot 2017, 445; Basty, Das Bauträgerrecht – Bestandsaufnahme und Ausblick, MittBayNot 2007, 189; Basty, Keine Vorauszahlungen gegen Bürgschaft nach § 7 MaBV, DNotZ 2005, 94; Basty, Aktuelle Fragen zur Bürgschaft nach § 7 MaBV, DNotZ 2002, 652 ff.; Basty, Verbraucherschutz im Bauträgervertrag: Eigenheimerwerb ohne Risiko?, DNotZ, Sonderheft 2002, 118 ff.; Basty, Anmerkung zum BGH, Urt. v. 22.12.2000 VII ZR 310/99, MittBayNot 2001, 64 ff.; Baumann/Fabis, Totgesagte leben länger – Zur voreiligen Beerdigung des Bauträgervertrages, RNotZ 2001, 101 ff.; Blank, Bauträgervertrag, 5. Aufl. 2015; Blank, Gestaltungshinweise des BGH für den Bauträgervertrag, DNotZ 2014, 166 ff.; Borgen, „Vermischungsverbot“ von Sicherheiten gem. § 3 und § 7 MaBV, NJW 2000, 251; Brambring, Kein Aus für den Bauträgervertrag, ZfIR 2001, 257 ff.; G. Drasdo, Rechtsfolgen des Verstoßes gegen MaBV-Normen, NJW 2007, 2741; Esbjörnsson, Bauträgerrecht – Aktuelle Entwicklungen, notar 2021, 85 ff.; Esbjörnsson, Bauträgervertrag, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019; Fischer, Reichweite der Bürgschaften nach der Makler- und Bauträgerverordnung, ZNotP 2003, 122; Grziwotz/Koeble (Hrsg.), Handbuch Bauträgerrecht, 2004; Grziwotz, Mehr Verbraucherschutz – der neue § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG, notar 2013, 343; Grziwotz, Vertragsgestaltung beim verbundenen Immobiliengeschäft, NotBZ 2002, 359 ff.; Grziwotz, „Aus“ für den „alten“ Bauträgervertrag – Nachdenken über einen gerechten Interessenausgleich, ZfIR 2001, 521 ff.; Hartmann, Die Aufspaltung des Bauträgervertrages in Kauf- und Werkvertrag, MittRhNotK 2000, 11 ff.; Heinemann, Mängelhaftung im Bauträgervertrag nach der Schuldrechtsreform, ZfIR 2002, 167; Herrler, Formularmäßige Bindungsfristen beim Immobilienkaufvertrag, DNotZ 2013, 887; Herrler, Fälligkeit des Zahlungsanspruchs und Rückforderbarkeit geleisteter Zahlungen im Falle eines gegen § 3 MaBV verstoßenden Ratenplans, DNotZ 2007, 895; Hertel, Neues Werkvertragsrecht und MaBV – Erwiderung auf Wagner (ZNotP 2000, 461), ZNotP 2001, 5 ff.; Heuer/Weber, Die Entwicklung des Bauträgerrechts in den Jahren 2013 und 2014, NJW 2015, 2086 ff.; von Heymann/Wagner/Rösler, Makler- und Bauträgerverordnung für Notare und Kreditinstitute, 2000; Hildebrandt/Schäfer, Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit von Leistungsbestimmungsrechten und Änderungsvorbehalten im Bauträgervertrag, ZfIR 2006, 81; Hügel, Mängelrechte beim Immobilienkauf vom Bauträger, NotBZ 2004, 377; Kanzleiter, Vertragsfreiheit und Bauträgervertrag nach der Schuldrechtsreform, DNotZ 2006, 246; Kanzleiter, Neues zur Bürgschaft nach § 7 MaBV und zur Vereinbarung von Vorauszahlungen im Bauträgervertrag, DNotZ 2002, 819 ff.; Karczewski, Der neue alte Bauträgervertrag, NZBau 2018, 328; Karczewski, Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums – Ein Problem des Bauträgers, NJW 2021, 528; C. Keim, Die notarielle Vorlagesperre – Begründung einer Vorleistungspflicht oder Sicherungsinstrument im Rahmen der Zug-um-Zug-Abwicklung, MittBayNot 2003, 21 ff.; Klein, Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Baudenkmälern optimal nutzen, GStB 2017, 60; Krick/Sagmeister, Die Baubeschreibung in Bauträgerverträgen, MittBayNot 2014, 205 ff.; Marcks, Kommentar zur Makler- und Bauträgerverordnung, 9. Aufl. 2014; S. Meyer, Ausgewählte Probleme des Bauträgervertrages, RNotZ 2006, 497; Ott, Die Verfolgung von Mängelrechten gegen den Bauträger – Wackelt der Schwanz mit dem Hund?, NZM 2007, 505; Pause, Bauträgerkauf und Bauträgermodelle, 6. Aufl. 2018; Pause, Unwirksamkeit von Fristenangleichungsklauseln für Nachzügler in Bauträgerverträgen, NZBau 2017, 22; M. Rapp, Bauträgervertrag und Abschlagszahlungen, MittBayNot 2001, 145 ff.; Reithmann, Die Beleh-
496 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.1 Kap. 3
rungspflicht des Notars beim Bauträgervertrag, ZNotP 2007, 7; Reithmann, Mängelhaftung beim Sanierungs-Bauträgervertrag, ZfIR 2000, 602; Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger, 8. Aufl. 2018; Scheibengruber, Bauträgerrecht – Aktuelle Entwicklungen, notar 2014, 84 ff.; Scheibengruber, Bauträgerrecht – Aktuelle Entwicklungen, notar 2015, 86 ff.; Scheibengruber, Bauträgerrecht – Aktuelle Entwicklungen, notar 2016, 86 ff.; F. Schmidt, Anmerkung zum BGH, Urt. v. 22.12.2000 VII ZR 310/99, DNotZ 2001, 209 ff.; Schmucker, Nochmals: § 632a BGB contra Ratenplan nach der MaBV, ZfIR 2001, 426 ff.; Schulz, NotarFormulare Bauträgerrecht, 3. Aufl., 2020; Sorge/Vollrath, Das Ende vom Ende des Bauträgervertrages, DNotZ 2001, 261 ff.; Staudinger, Der Bauträgervertrag auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts, DNotZ 2002, 166; Thode, Transparenzgebot und Bauträgervertrag, ZNotP 2004, 131; Thode, Rechtssicherheit für den Bauträgervertrag – eine Phantasmagorie, ZfIR 2001, 345 ff.; Thode, Der Bauträgervertrag vor dem Aus?, ZNotP 2001, 151; Volmer, Die Neuordnung des verbundenen Immobiliengeschäfts, MittBayNot 2002, 252; Volmer, Zehn Thesen zur Integration des Bau(träger)vertrages in das BGB, ZfIR 2006, 191; Vollrath, Neuestes zum Bürgschaftsinhalt nach § 7 MaBV – Zugleich Anmerkung zum Vorlagebeschluss des BGH an den EuGH v. 2.5.2002 – VII ZR 178/01, MittBayNot 2002, 254 ff.; Wagner, Bauträgervertrag am Ende, WM 2001, 718 ff.; Wagner, MaBV in der notariellen Praxis – MaBV am Ende oder ohne Ende –, ZNotP 2001, 561 ff.; Weis/Rösler, Das Wahlrecht der finanzierenden Bank im Rahmen einer Freistellungserklärung nach § 3 MaBV, ZIP 2002, 1520 ff.; Wenzel, Die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Durchsetzung von Mängelrechten der Ersterwerber, NJW 2007, 1905. Bauträgermerkblatt: Landesnotarkammer Bayern, Die Immobilie vom Bauträger, Informationsbroschüre, abrufbar im Internet: www.notare.bayern.de („Presse“/„Informationsbroschüren“).
A. Einleitung I. Allgemeines 1. Rechtsnatur und normative Grundlagen Der Bauträgervertrag war für lange Zeit nicht als besonderer Vertragstyp i.S.d. BGB 3.1 geregelt. Ursprünglich stammten die einzigen ausdrücklichen Regelungen zum Bauträgervertrag aus dem Gewerberecht, nämlich aus § 34c GewO. Danach bedarf die Tätigkeit als Bauträger einer staatlichen Genehmigung. Auf der Grundlage des § 34c Abs. 3 GewO wurde bereits Mitte der 1970er Jahre die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) als gewerberechtliche Rechtsgrundlage geschaffen, die dem Schutz der Käufer dient. Eine entsprechende zivilrechtliche Regelung bestand demgegenüber viele Jahrzehnte lang nicht. Geändert wurde dies zunächst zum 1.1.2009 mit Einführung des § 632a a.F. BGB im Rahmen des sog. „Forderungssicherungsgesetzes“ (s. dazu Rz. 3.31 ff.). Zum 1.1.2018 trat dann das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ in Kraft1. Seitdem enthält das BGB in § 650u Abs. 1 BGB eine Legaldefinition des „Bauträgervertrags“. Die unverändert gültigen gewerberechtlichen Schutzvorschriften zugunsten
1 BT-Drucks. 18/8486 („Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“) sowie BGBl. I 2017, 969 ff.
Leiß 497
Kap. 3 Rz. 3.1 Bauträgerkaufvertrag
des Käufers stellen nach h.M. Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB dar, so dass Verstöße hiergegen zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung führen1.
3.2 Der typische Bauträgervertrag ist durch zweierlei vertragliche Elemente gekennzeichnet. Einerseits verpflichtet sich der Bauträger zur Errichtung eines Gebäudes oder sonstigen Bauwerkes oder zur Sanierung bereits vorhandener Bauwerke und verpflichtet sich andererseits gleichzeitig dazu, dem Vertragspartner das Eigentum an einem Grundstück oder einem Erbbaurecht zu verschaffen2. In § 650u Abs. 1 Satz 1 BGB wird der Bauträgervertrag definiert, als Vertrag, „der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers erhält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen und zu übertragen“. Der Bauträgervertrag wird dementsprechend rechtlich auch durch beide vertragliche Elemente charakterisiert. Es handelt sich um einen typengemischten Vertrag eigener Art, der sich aus kauf- und werkvertraglichen Elementen zusammensetzt3. Das kaufvertragliche Element bezieht sich auf die Übereignung des Eigentums an Grundbesitz (§ 650u Abs. 1 Satz 3 BGB), während das werkvertragliche Element sich auf die mangelfreie Ausführung der Bauleistungen bezieht (§ 650u Abs. 1 Satz 2 BGB). Teilweise sind auch Elemente eines Auftrages und eines Geschäftsbesorgungsvertrages erkennbar4, die jedoch kaum prägenden Charakter haben. Beim Bauträgervertrag handelt es sich trotz der Zahlung in Raten nicht um einen Ratenlieferungsvertrag i.S.d. § 505 BGB und auch nicht um ein Teilzahlungsgeschäft i.S.d. § 499 Abs. 2 BGB5. 3.3 Problematisch ist die Grenzziehung zur Anwendbarkeit des Bauträgerrechtes, wenn nur geringfügige Werkleistungen zu erbringen sind. Sind beispielsweise vom Verkäufer lediglich Schönheitsreparaturen oder geringfügige bauliche Veränderungen zur Herbeiführung eines vertragskonformen Zustandes geschuldet, so ist das „Bauträgerrecht“ (d.h. insbesondere die in diesem Kapitel näher geschilderten Vorgaben der §§ 650u, 650v BGB, der §§ 3,7 MaBV und der AGB-Kontrolle aus §§ 305 ff. BGB) noch nicht anwendbar6. Bei echten Sanierungsobjekten ist dies selbstverständlich anders7. Zu verorten sind die betreffenden Abgrenzungsfragen für die MaBV beim Tatbestandsmerkmal „Bauvorhaben“ (§ 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV), für §§ 650u, 650v BGB beim Tatbestandsmerkmal „Umbau“ (§ 650u Abs. 1 BGB). 3.4 Umstritten ist die Frage, ob für den Bauplatzverkauf durch den Erschließungsträger das Recht der MaBV anwendbar ist, wenn außer der Herstellung eines er-
1 BGH v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99, DNotZ 2001, 201 = NJW 2001, 818; s. zu den Folgen für die Vertragsgestaltung Basty, MittBayNot 2007, 189 (190). 2 Siehe Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 5 ff. 3 BGH v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, DNotZ 1986, 280 = NJW 1986, 925; v. 12.7.1984 – VII ZR 268/83, NJW 1984, 2573. 4 Siehe Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, § 2 Rz. 8. 5 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, § 2 Rz. 9. 6 BayObLG v. 1.10.2004 – 3Z BR 129/04, NZM 2005, 264 = NotBZ 2005, 37. 7 Ausführlich zur Abgrenzung: Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 158 ff.
498 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.6 Kap. 3
schlossenen Bauplatzgrundstückes keinerlei weitergehende Bauleistungen geschuldet sind1. Nach hier vertretener Auffassung kann bei bloßem Verkauf eines erschlossenen Grundstücks die MaBV sowie die sog. „Hausbau-“ bzw. „Abschlagszahlungsverordnung“ (Verordnung über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen vom 29.5.2001)2 keine Anwendung finden. Denn es geht vorliegend nicht um die Herstellung eines Gebäudes oder vergleichbaren Bauwerkes. Die Errichtung bloßer Erschließungsanlagen kann daher nicht nach Bauträgerrecht beurteilt werden. Dessen bedarf es zum Schutz des Bauwerbers auch nicht. Der entsprechende Ratenplan der MaBV und der Hausbauverordnung passen für diese Fälle nicht. Gleichzeitig gilt selbstverständlich das BGB einschließlich der §§ 305 ff. BGB. Aus diesem Grunde gelten in jedem Fall das Verbot von Vorausleistungen und das Verbot des Ausschlusses von Zurückbehaltungsrechten. Auch in diesen Fällen verbleibt es daher unabhängig von der MaBV dabei, dass die auf die Erschließungsanlagen entfallenden Kaufpreisteilbeträge erst nach Herstellung und entsprechender Abnahme zur Zahlung fällig werden. Anders wäre dies nur bei individuell abweichend vereinbarten3 Bestimmungen. Im Übrigen steht die MaBV nicht zur Disposition der Beteiligten, sondern deren 3.5 Einhaltung ist durch Ordnungswidrigkeitenvorschriften und die Unwirksamkeit entgegenstehender Abreden sanktioniert. 2. Bauträgerkaufvertrag und Verbraucherschutz Nur auf wenigen Gebieten ist der Verbraucherschutz so stark entwickelt wie beim 3.6 Bauträgerkaufvertrag – zu Recht, da für die Erwerberseite die Anschaffung einer Immobilie im Regelfall eine Investition von (ggf. einmaliger, jedenfalls aber) besonderer wirtschaftlicher Tragweite darstellen wird. Die Vorteile des Bauträgerkaufvertrages liegen für den Verbraucher vor allem (1) in den besonderen Sicherungspflichten gem. §§ 3 und 7 MaBV4. Ferner (2) finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung („Klauselkontrolle“); einen zusätzlichen Schutz (3) gewähren außerdem §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650m Abs. 2 BGB durch die dort verankerte Fertigstellungssicherheit (s. Rz. 3.31 ff.) und (4) die beurkundungsrechtliche Vorschrift des § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG soll vor Übereilung schützen. Freilich kann kein gesetzlicher Schutz so weit gehen, zu verhindern, dass Käufer sich durch den Abschluss wirtschaftlich nicht sinnvoller Verträge selbst schädigen. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen Käufern die Leistungsfähigkeit fehlt, den Kaufpreis zu bezahlen, oder aber, wenn der Kaufpreis schlicht überhöht ist.
1 Siehe Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 61 ff. (die Anwendbarkeit der MaBV grundsätzlich bejahend); die Anwendbarkeit der MaBV ablehnend: Grziwotz, MDR 1996, 978; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 12 und 127. 2 BGBl. I 2001, 981. 3 Siehe zu Individualvereinbarungen Gottschalk, NJW 2005, 2493 ff. 4 Vgl. Spiegelberger, DNotZ 1984, 461.
Leiß 499
Kap. 3 Rz. 3.7 Bauträgerkaufvertrag
3.7 Als ultima ratio kann im Einzelfall der Schutz des § 138 BGB eingreifen. Diesbezüglich hat der BGH1 im Jahre 2001 den Käuferschutz wesentlich erweitert. Faktisch wird bei einem krassen Missverhältnis von Wert des Kaufobjektes und Kaufpreis die verwerfliche Gesinnung des Verkäufers vermutet, wenn der Käufer von dem Wertverhältnis keine Kenntnis hatte2. Hat der Käufer gleichwohl bereits Teile des Kaufpreises gezahlt, so hilft ihm dies bei Insolvenz des Verkäufers allerdings nichts. Die Nichtigkeit des Vertrages führt sogar zur Unwirksamkeit der Vormerkung. Der Rückzahlungsanspruch des Käufers gegen den Bauträger ist in solchen Fällen meist weitgehend wertlos. 3.8 Weiterhin ist der Käuferschutz durch den BGH auch insoweit erweitert worden, als die Prospekthaftungsgrundsätze auch auf Bauträgermodelle anwendbar sind3. Bei Nichtangabe wesentlicher Kostenfaktoren oder Angabe einer zu großen Wohnfläche im Prospekt kann ein Käufer damit nach §§ 311 Abs. 2, 241 BGB Rückgabe des Objektes gegen Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises verlangen. In Insolvenzfällen laufen diese Rechte allerdings leer. Hier kann unter Umständen jedoch das Recht auf Minderung helfen, wenn Teile des Kaufpreises noch einbehalten wurden. Mit der Schuldrechtsreform wurde die Mängelrelevanz von Prospekt- und Werbeangaben durch § 434 Abs. 1 Satz 3 a.F. BGB weiter gestärkt (nunmehr: § 434 Abs. 3 BGB). 3.9 Da trotz allem im Bauträgerrecht Sicherungslücken verbleiben, wird seit vielen Jahren über eine Reform des Bauträgerrechts diskutiert4. In dessen Zentrum steht meist die Frage einer besseren Sicherung des Käufers durch eine zwingende (umfassende) Bürgschaft. Solches ist bislang aber nicht Gesetz geworden; auch mit dem in Rz. 3.1 genannten „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ ist keine solche zusätzliche Absicherung eingeführt worden, sondern es ist bei der schon mit dem Forderungssicherungsgesetz eingeführten Fertigstellungssicherheit (§§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650m Abs. 2 BGB) verblieben. Jedoch sind seit der Erstauflage dieses Werks jedenfalls in eigenen wichtigen Teilbereichen Verbesserungen für den Verbraucher erreicht worden (teilweise im Wege der Gesetzgebung, teilweise zurückgehend auf höchstrichterliche Rechtsprechung): – Durch das sog. „Forderungssicherungsgesetz“ wurde in § 632a Abs. 2 BGB eine Erfüllungssicherheit vorgesehen (nunmehr § 650m Abs. 2 BGB), die neben die Sicherungsinstrumente aus §§ 3, 7 MaBV tritt (s. Rz. 3.31 ff.). – Die Rolle des Notars in der Vorbereitungsphase eines entsprechenden Vertragsschlusses ist durch die Neufassung von § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG gestärkt worden (s. Rz. 3.10 ff.). 1 BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 ff. = RNotZ 2001, 276 ff.; s. auch BGH v. 17.6.2005 – V ZR 220/04, MDR 2005, 1341 f. 2 In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH diese Rechtsprechung bestätigt und präzisiert: BGH v. 24.1.2014 – V ZR 249/12, NJW 2014, 1652. 3 BGH v. 7.9.2000 – VII ZR 443/99, NJW 2001, 436 ff.; v. 13.11.2003 – VII ZR 26/03, NJW 2004, 288 = MDR 2004, 161. 4 Siehe den Überblick bei Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 14 ff.
500 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.11 Kap. 3
– Der BGH hat klargestellt, dass die in § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG für die Entwurfsübersendung vorgesehen 14-Tagesfrist nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht und so die Praxisrelevanz dieser Überlegungsfrist unterstrichen und gestärkt. – In mehreren BGH-Entscheidungen zur Bindungsfrist bei der Aufspaltung eines Vertragsschlusses in Angebot und Annahme wurde einerseits die zulässige Bindungsfrist verkürzt und andererseits die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung (auch) auf den Bauträgervertrag geklärt (s. Rz. 3.145 bis 3.148).
3.10
Praxishinweis: § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG n.F. Eine zentrale Rolle für den Schutz des Verbrauchers vor Übereilung spielt nach Überzeugung des Gesetzgebers der Notar; dies kommt besonders in einer zum 1.10.2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung zum Ausdruck: Nach § 17 Abs. 2a BeurkG hat in sog. „Verbraucher-Unternehmer-Konstellationen“ (wie sie beim Abschluss eines Bauträgervertrags regelmäßig vorliegen, §§ 13, 14, 310 Abs. 3 BGB) der Verbraucher den Text der beabsichtigten Urkunde in der Regel 14 Tage vor Vertragsschluss zu erhalten. Die Entwurfsübersendung konnte ursprünglich auch durch den Verkäufer oder einen Makler bzw. sonstigen Vermittler besorgt werden. Hierzu hat der Gesetzgeber die Anforderungen mit dem Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren vom 15.7.20131 merklich erhöht: die Entwurfsübersendung ist seit dieser Änderung nach § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG durch den Notar oder seinen Sozius selbst zu besorgen; nicht mehr ausreichend, um den Anforderungen der 14-Tagesfrist zu entsprechen, ist also eine Übersendung des Vertragsentwurfs durch den Verkäufer (bzw. seinen Vertriebsbeauftragten) oder einen Makler. Dadurch will der Gesetzgeber erreichen, dass der Notar unmittelbar kontrollieren kann, ob die Vorgaben des § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG tatsächlich eingehalten sind. Außerdem soll mit Hilfe der unmittelbaren Kontaktaufnahme durch den Notar verhindert werden, dass der Verbraucher im Rahmen der Vorbereitung des Vertragsschlusses in eine „Beratungsisolation“ gerät2.
Eine Stärkung hat § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG außerdem dadurch erfahren, dass nach 3.11 einer Entscheidung des BGH die dort verankerte 14-Tagesfrist nicht zur Disposition der Parteien steht3. Aus dieser Entscheidung wird deutlich, dass eine Abweichung von der gesetzlich geregelten „Vorbereitungsfrist“ nicht auf den bloßen Wunsch der Beteiligten möglich ist. Der Notar muss nach dem Urteil des BGH vielmehr auch dann für die Einhaltung der 14-Tagesfrist sorgen, wenn die Vertragsteile ausdrücklich erklären, schon vor Ablauf der Frist beurkunden zu wollen. Ausnahmen sind nur möglich, wenn für sie ein sachlicher Grund vorliegt (dieser Grund muss in der Urkunde wiedergegeben sein: § 17 Abs. 2a Nr. 2 Satz 3 BGB n.F.) und sich der Notar außerdem davon überzeugt hat, dass der vom Gesetzgeber bezweckte Übereilungs- und Überlegungsschutz auf anderen Weise als durch die Einhaltung der Regelfrist gewährleistet ist.
1 BGBl. I 2013, 2378. 2 BT-Drucks. 17/12035. 3 BGH v. 7.2.2013 – III ZR 121/12, DNotI-Report 2013, 62 = DNotZ 2013, 552.
Leiß 501
Kap. 3 Rz. 3.11 Bauträgerkaufvertrag Praxishinweis: Ob eine „Verbraucher-Unternehmer-Konstellation“ i.S.v. § 17 Absatz 2a Nummer 2 BeurkG vorliegt, ist anhand der Maßstäbe der §§ 13, 14 BGB zu entscheiden. Der BGH hat hierzu entschieden: (a) Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag i.S.d. § 17 Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist. (b) Verbleiben hiernach Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der Notar den sichersten Weg wählen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln1.
3.12 Für die Fristberechnung gelten §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB; erfolgt also beispielsweise die Entwurfsübersendung am Montag, kann die Beurkundung frühestens am Dienstag zwei Wochen danach stattfinden2. – Die Pflicht den Vertragstext zur Verfügung zu stellen, ist nach der Gesetzesbegründung als „nicht höchstpersönlich“ zu verstehen; der Notar kann die Entwurfsübersenden also auf seine Mitarbeiter delegieren (deren sorgfältige Überwachung vorausgesetzt)3. Die Übersendung des Vertragsentwurf durch einen „dritten Notar“ (z.B. einen sog. „Zentralnotar“, der das Vorhaben zwar insgesamt betreut und abwickelt, nicht aber sämtliche Kaufverträge beurkundet) soll nach Auffassung der Bundesnotarkammer dagegen nur dann ausreichend sein, wenn ursprünglich (d.h. im Zeitpunkt der Versendung des Entwurfs) geplant war, die Beurkundung auch tatsächlich vor diesem Notar vorzunehmen4. 3.13 Zum Umfang und zur Ausgestaltung der vom Notar zu übersendenden Unterlagen ist allgemein anerkannt, dass es jedenfalls ausreicht, einen Vertragsentwurf zu übersenden, der zwar noch nicht vollständig verlesungsfähig ist, aber hinreichend individualisiert ist, um die vom Gesetzgeber gewünschte Informationsfunktion in transparenter Weise erfüllen zu können. Übersandt werden müssen beim Bauträgervertrag außerdem auch etwaige Verweisungsurkunden, beispielsweise die Baubeschreibung sowie die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung5. Über die Möglichkeit, Verweisungsurkunden einschließlich etwaiger Planunterlagen rechtzeitig vor Beurkundung einzusehen, soll der Notar nach § 13a Abs. 3 BeurkG den Beteiligten vor Beurkundung Mitteilung machen6. Umstritten ist dagegen, ob es ausreicht ein „Leerformular“ zu versenden, das noch keinerlei Individualisierungsmerkmale (wie z.B. Angaben zum Verkäufer und Käufer, zum vertragsgegenständlichen Grundbesitz und zum Kaufpreis) enthält7. In ihren Anwendungsempfehlungen zur Neufassung des § 17 Abs. 2a BeurkG8 geht die Bundesnotarkammer davon aus, dass der Entwurf bereits die essentialia negotii enthalten muss, also insbesonde-
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 28.5.2020 – III ZR 58/19, RNotZ 2020, 408. Grziwotz, notar 2013, 343 (345). BT-Drucks. 17/12035, 8. Anwendungsempfehlungen zur Neufassung von § 17 Abs. 2a BeurkG, Rundschreiben der Bundesnotarkammer Nr. 25/2013 vom 2.10.2013. Grziwotz, notar 2013, 343 (344). Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 20. Zweifelnd: Grziwotz, notar 2013, 343 (345). Rundschreiben der Bundesnotarkammer Nr. 25/2013 v. 2.10.2013.
502 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.14 Kap. 3
re den Vertragsgegenstand und den Kaufpreis zu bezeichnen hat. Nicht ausreichend ist danach also, wenn sich der Verbraucher diese Informationen aus anderweitigen Quellen außerhalb des Entwurfs erschließen kann (z.B. aus Prospekten oder sonstigen Werbematerialien). Zur erneuten Entwurfsversendung bei nachträglichen Änderungen s. nachfolgend Rz. 3.14. Zur Frage, welche Gründe oder Umstände es sein können, die einen hinreichenden 3.14 sachlichen Grund darstellen, um ein Abweichen von der regulären Wartefrist des § 17 Abs. 2a BeurkG zu rechtfertigen, ist die Diskussion nicht abgeschlossen. Zu Recht wird wohl in Zweifel gezogen, ob es ausreichend ist, dass der Käufer angibt, im Immobiliengeschäfts nicht unerfahren oder Angehöriger eines rechts- oder steuerberatenden Berufs zu sein: nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Wartefrist auch Gelegenheit dazu geben, sich (auch) über Aspekte zu informieren, die nicht von der Beratungs- und Belehrungspflicht des Notars umfasst sind: so z.B. Fragen des Kaufpreises oder der Bauausführung; dafür wird auch der erfahrene Käufer oder ein Käufer mit fachlichem Hintergrund aus dem Bereich Recht und Steuern Zeit benötigen1. – Allgemein anerkannt ist, dass die Gründe für das Abweichen von der regulären Wartefrist aus der Sphäre des Verbrauchers stammen müssen; keine zulässige Rechtfertigung für die Verkürzung der Wartefrist ist es also, wenn der Verkäufer erklärt, zu einem späteren Zeitpunkt gäbe es keine Abschlussmöglichkeit mehr2. – Noch nicht abschließend geklärt ist demgegenüber, unter welchen Umständen Abweichungen von der zunächst versandten Entwurfsfassung so wesentlich sind, dass sie es erfordern, die 14-Tagesfrist erneut in Gang zu setzen. Nach wohl zutreffend vertretener Ansicht besteht ein solches Erfordernis jedenfalls dann nicht, wenn sich im Rahmen oder kurz vor der Beurkundung eine Änderung auf Erwerberseite ergibt, sofern zwischen den betroffenen Erwerbern ein Vertrauensverhältnis i.S.d. § 17 Abs. 2a Nr. 1 BeurkG besteht (beispielsweise Ehegatten erwerben gemeinsam statt ein Ehegatte allein)3. – Eine neue Frist wird jedoch zu wahren sein, wenn der Verkäufer nach Entwurfsversand erklärt, das vom Käufer zu erwerbende Objekt habe sich geändert: da es nach der Gesetzesbegründung im Rahmen der Neufassung des § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG dem Gesetzgeber ausdrücklich (mit) darum ging, dem Verbraucher zu ermöglichen, auch die „wirtschaftliche Stimmigkeit“ seines geplanten Erwerbs zu prüfen4, muss die Frist in entsprechenden Fällen jedenfalls in der Regel neu beginnen: nur so erhält der Verbraucher hinreichend Gelegenheit festzustellen, ob sich durch die „geänderten Vorzeichen“ auch Auswirkungen auf seine bisher gemachten wirtschaftlichen Überlegungen ergeben. Würde anders entschieden, könnte möglicherweise außerdem Missbrauch drohen (kurz vor Beurkundung wird das vom Käufer eigentlich gewünschte Objekt durch ein – aus Sicht des Verkäufers – schlechter veräußerliches Objekt ersetzt).
1 Grziwotz, notar 2013, 343 (345). 2 Grziwotz, notar 2013, 343 (345). 3 Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 20. So auch die Anwendungsempfehlungen der Bundesnotarkammer im Rundschreiben Nr. 25/2013 v. 2.10.2013. 4 BT-Drucks. 17/12035, 6.
Leiß 503
Kap. 3 Rz. 3.15 Bauträgerkaufvertrag
3. Gewerbliches Handeln des Verkäufers
3.15 Die besonderen Bestimmungen für Bauträger fanden vor Neufassung des § 632a durch das Forderungssicherungsgesetz nach dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 1 MaBV nur dann Anwendung, wenn der Verkäufer gewerblich tätig wird („Der Gewerbetreibende darf […]“). 3.16 Praxishinweis: Für die zivilrechtliche Vertragsgestaltung kommt es auf die Frage der Gewerblichkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 MaBV aber seit Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes nicht mehr an: Liegt ein Vertrag gem. § 650u Abs. 1 BGB (§ 632a Abs. 2 BGB a.F.) vor, gelten §§ 3, 7 MaBV kraft der Verweisungskette in § 650v BGB über die Abschlagszahlungsverordnung zur MaBV; auch der nichtgewerbliche Unternehmer darf also Zahlung vom Käufer nur nach Maßgabe der §§ 3 und 6 MaBV entgegennehmen1.
4. Verzicht bei Kaufleuten
3.17 Juristische Personen des öffentlichen Rechts und natürliche und juristische Personen, die als Kaufmann i.S.d. HGB anzusehen sind, können gem. § 7 Abs. 2 MaBV auf die Einhaltung der § 3 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 und 7 MaBV verzichten. Die Kaufmannseigenschaft ist nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Satz 2 MaBV durch Handelsregisterauszug nachzuweisen. Nach überzeugender h.M. genügt über den Wortlaut hinaus auch eine notarielle Registerbescheinigung über die Kaufmannseigenschaft. 3.18 Die Verzichtserklärung muss zu gesonderter Urkunde schriftlich erfolgen. Auch wenn teilweise die Auffassung vertreten wird, dass diese schriftliche Erklärung nicht der notariellen Beurkundung bedürfe2, empfiehlt sich dies aus Sicherheitsgründen gleichwohl. Der Verzicht muss vor oder während der Beurkundung des geplanten Kaufvertrags vereinbart werden; sie ist dem Notar vorzulegen (anderenfalls hätte der Notar die Beurkundung von Regelungen, die von §§ 3, 7 MaBV abweichen, abzulehnen)3. Eine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung gem. §§ 650u Abs. 1, 650m Abs. 2 BGB besteht in entsprechenden Fällen regelmäßig nicht; die genannte Vorschrift ist nur in Verbraucher- Unternehmer-Konstellationen anwendbar. 3.19 M38 Verzicht auf Anwendung der MaBV Zu einer nachfolgenden Urkunde des beurkundenden Notars veräußert die […] GmbH (Verkäufer) an die […] AG (Käufer) das Grundstück Flst. Nr. […], Gemarkung […] nebst dem darauf vom Verkäufer zu erbauenden Wohn- und Geschäftsgebäude. Entsprechende Registerauszüge sind hier vorsorglich beigefügt (§ 7 Abs. 2 Satz 2 MaBV).
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 58. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 82. 3 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 81.
504 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.33 Kap. 3
Der Käufer verzichtet hiermit darauf, dass für den vorbezeichneten Vertrag die zum Schutz des Käufers in der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) vorgesehenen Bestimmungen (§ 3 Abs. 1 und 2; § 4 Abs. 1; §§ 5 und 6) vereinbart bzw. eingehalten werden. Der Verkäufer nimmt diesen Verzicht an1.
3.20–3.30
Einstweilen frei. II. Legitimation des Bauträgervertrages, Forderungssicherungsgesetz und Prinzip der Abschlagszahlungen
Vor allem zu Beginn der 2000er Jahre war Unsicherheit entstanden, ob der Bauträ- 3.31 gervertrag in seiner üblichen Fassung zivilrechtlich legitimiert sei2. Der Streit um die Zulässigkeit des Ratenplanes des Bauträgervertrages beruhte im Wesentlichen auf § 632a BGB in seiner Fassung vor Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes und drehte sich um die Frage, ob diese Norm und das Werkvertragsrecht allgemein ein gesetzliches Leitbild dahingehend enthalte, dass Abschlagszahlungen nur für „in sich abgeschlossene Teile“ eines Werkes und nur bei Eigentumsübergang oder Sicherheitsleistung verlangt werden dürften. Der Gesetzgeber hat auf diese Zweifel (für die sich auch das Schlagwort: „Kritik am 3.32 Vormerkungsmodell“ etabliert hatte) jedoch mittlerweile mehrfach reagiert. Zunächst wurden auf der Grundlage des Art. 244 EGBGB durch die Verordnung3 über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen vom 29.5.2001 Abschlagszahlungen entsprechend § 3 Abs. 2 MaBV als zulässig angeordnet, wodurch eine zivilrechtliche Rechtsgrundlage für die gewerberechtlich nach § 3 Abs. 2 MaBV vorgesehenen Ratenzahlungen geschaffen werden sollte. Der gewerberechtliche Ratenplan aus § 3 Abs. 2 MaBV wurde also durch die Abschlagszahlungsverordnung „in das Zivilrecht transformiert“. Unsicherheiten bleiben jedoch insofern, als vereinzelt die Ansicht vertreten wurde4, 3.33 die Regelungen der Verordnung über Abschlagszahlungen nach der Makler- und Bauträgerverordnung verstießen gegen europarechtliche Vorgaben, nämlich die EUKlauselrichtlinie5. Ferner wurden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben6. Der
1 Nach Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 78 M. 2 Vgl. dazu insbesondere Wagner, ZNotP 2000, 461 ff.; Thode/Uechtritz/Wochner/Thode, Immobilienrecht 2000, 2001, S. 306 ff.; Grziwotz, NotBZ 2001, 1 ff.; Hertel, ZNotP 2001, 5 ff.; Sorge/Vollrath, DNotZ 2001, 261 ff.; Rapp, MittBayNot 2001, 145 ff.; Kanzleiter, DNotZ 2006, 246 (248). 3 BGBl. I 2001, 981. 4 Thode, ZfIR 2001, 345 ff.; Thode, ZNotP 2004, 210 ff. 5 Zu den Auswirkungen der EU-Klauselrichtlinie auf den Bauträgervertrag s. EuGH v. 1.4.2004 – Rs. C-237/02, DNotZ 2004, 767 m. Anm. Basty = NotBZ 2004, 226 m. Anm. Kanzleiter; Micklitz, ZfIR 2004, 613 ff. 6 Wagner, ZfIR 2001, 422.
Leiß 505
Kap. 3 Rz. 3.33 Bauträgerkaufvertrag
Gesetzgeber hat deshalb mit dem zum 1.1.2009 in Kraft getretenen Forderungssicherungsgesetz (FoSiG) § 632a neu gefasst1. In § 632a Abs. 2 BGB ist seit dieser Neufassung (und seit dem „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ jetzt in: §§ 650v BGB) ausdrücklich angeordnet, dass bei Bauträgerverträgen Abschlagszahlungen verlangt werden können, soweit sie gem. der in Rz. 3.32 näher bezeichneten Abschlagszahlungsverordnung vereinbart sind. Damit sind die Voraussetzungen für Abschlagszahlungen beim Bauträgervertrag zwischenzeitlich unmittelbar im BGB geregelt2 (gesetzgebungstechnisch geschieht dies mit einer mehrfachen Verweisung: § 650v BGB bezieht sich auf die Abschlagszahlungsverordnung, die wiederum ihrerseits den Ratenplan aus § 3 Abs. 2 MaBV in das Zivilrecht überführt); die Literatur geht ganz überwiegend davon aus, dass mit dieser Neuregelung der bisherigen Kritik an den Sicherungsmechanismen des Bauträgervertrags der „Boden entzogen worden“ sei3.
3.34 Hinweis: Werden die Vorgaben des § 650v BGB in Verbindung mit der Abschlagszahlungsverordnung nicht eingehalten, ist es dem Bauträger sowohl gewerberechtlich nach der MaBV als auch zivilrechtlich nach § 650v BGB (i.V.m. der Abschlagszahlungsverordnung) untersagt, Zahlungen zu verlangen oder entgegenzunehmen. Ein Anspruch auf die Vergütung besteht in diesem Fall gem. der Regelung in § 641 BGB erst nach Abnahme des vollständig fertiggestellten Vertragsobjekts4.
3.35 Neben der zivilrechtlichen Verankerung des MaBV-Ratenplans brachte die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Neufassung des § 632a BGB auch insoweit eine für die Vertragsgestaltung und den Erwerberschutz bedeutsame Regelung, als in § 632a Abs. 3 BGB (jetzt: §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650m Abs. 2 BGB) nunmehr ein gesetzlicher Anspruch des Erwerbers normiert ist, eine Sicherheit für die Vertragserfüllung zu erhalten. Zu sichern ist nach dieser Neuregelung der Anspruch des Erwerbers auf „rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel“ i.H.v. 5 % des (gesamten) Vergütungsanspruchs. Diese Sicherheit kann neben den Absicherungen des § 3 Abs. 1 MaBV verlangt werden, wie zu § 1 Abs. 3 Abschlagszahlungsverordnung durch das FoSiG klargestellt worden ist5. 3.36 Für diese Vertragserfüllungssicherheit gelten folgende Grundsätze: – Die Höhe der Sicherheit bestimmt sich beim Bauträgervertrag nach dem vom Käufer für Grundstück und Werkleistung zu bezahlenden Gesamtbetrag (es kann also nicht etwa der auf die Werkleistung entfallende Betrag herausgerechnet werden und zur Grundlage der Sicherheitsleistung nach § 632a BGB gemacht
1 Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2022. 2 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 198. 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 202 f. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 39 m.w.N. 5 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201.
506 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.36 Kap. 3
werden; solches wurde nach Inkrafttreten des FoSiG teilweise vertreten, konnte sich aber wegen des klaren Wortlauts nicht durchsetzen)1. – Zur Frage, wie die Sicherheit zu erbringen ist, hat der Unternehmer ein Wahlrecht: der Bauträger kann bestimmen, dass der Erwerber den entsprechenden Betrag aus den erstfälligen Zahlungen einbehält (auf die „Grundstücksrate“ entfallen dann also statt 30 % der Gesamtvergütung nur 25 %) oder dass ihm stattdessen eine Sicherheit durch eine Garantie o.Ä. eines in der Bundesrepublik zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet wird („Erfüllungsbürgschaft“, § 632a Abs. 4 BGB). – Die Sicherheit nach § 632a BGB ist in vollem Umfang bereits mit der ersten Abschlagszahlung zu gewähren (also nicht erst sukzessive aus den einzelnen Abschlagszahlungen)2. Übergibt der Bauträger dem Erwerber die Sicherheit nicht, ist der Erwerber berechtigt (Leistungsverweigerungsrecht), aus der ersten Abschlagszahlung einen Betrag in Höhe der Sicherheit solange einzubehalten, bis entweder die Sicherheit übergeben ist oder der Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann3. – In Verbraucherverträgen sind Vereinbarungen, die von §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650m Abs. 2 BGB zu Lasten des Erwerbers abweichen, gem. §§ 309 Nr. 15 lit. b BGB unwirksam4. Der Anspruch auf die nach § 650m Abs. 2 BGB zu gewährende Sicherheit besteht auch dann, wenn eine entsprechende ausdrückliche vertragliche Regelung fehlt; es handelt sich um einen gesetzlichen Anspruch (gleichwohl wird der notarielle Vertrag entsprechende Gestaltungen aufweisen, um ungesicherte Vorausleistungen des Erwerbers zu vermeiden)5. – Erfolgt die Veräußerung erst, nachdem das Vertragsobjekt bereits vollständig fertiggestellt worden ist (sog. „Nachzügler-Fall“), ist es entbehrlich, eine Sicherheit gem. § 650m Abs. 2 BGB n.F. zu stellen6. – Der Sicherungsumfang umfasst die Ansprüche des Erwerbers wegen wesentlicher Mängel und wegen nicht rechtzeitiger Fertigstellung. Ob ein Mangel wesentlich ist, beurteilt sich nach den in diesem Zusammenhang zur Abnahme geltenden Grundsätzen (§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB)7; dazu findet sich in der Literatur auch die Feststellung, die Herstellung ohne wesentliche Mängel sei mit der Abnahmereife gleichzustellen.8 Nicht rechtzeitig hergestellt ist das Vertragsobjekt, wenn
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 13; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201b. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 15; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201c. 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201c. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 11; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201a. 5 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201a. 6 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 12. 7 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201d. 8 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 19.
Leiß 507
Kap. 3 Rz. 3.36 Bauträgerkaufvertrag
sich der Bauträger mit seiner Leistung im Verzug befindet1. – Nicht erfasst sind vom gesetzlichen Sicherungszweck dagegen Mängelansprüche wegen erst nach der Abnahme gerügter Mängel (Stichwort: Vertragserfüllungssicherheit statt Gewährleistungssicherheit)2.
3.37 Zur Frage, wann die gem. § 650m Abs. 2 BGB gewährte Sicherheit zurückzugeben ist, zeichnen sich in der dazu seit Inkrafttreten des FoSiG veröffentlichten Literatur folgende Übereinstimmungen ab: – Der Zeitpunkt der Rückgabe der Sicherheit (Bareinbehalt oder Bürgschaft) richtet sich nach ihrem gesetzlichen Sicherungszweck: sofern nicht gesicherte Ansprüche entstanden sind und noch bestehen, muss die Sicherheit bei Abnahme des Vertragsobjekts zurückgegeben werden3. Sind Teilabnahmen vereinbart (z.B. hinsichtlich von Sonder- und Gemeinschaftseigentum oder bezüglich der Außenanlagen), besteht die Verpflichtung zur Rückgabe erst mit der letzten Teilabnahme. Gesichert sind auch etwa bei der Abnahme vorbehaltene Restarbeiten. – Wurden bei Abnahme Mängel festgestellt oder befindet sich der Bauträger in Verzug, kann der Erwerber die ihm gewährte Sicherheit zurückbehalten. Einigkeit besteht darüber, dass die Sicherheit jedoch jedenfalls anteilig zurückzugeben ist, wenn der Aufwand, der erforderlich ist, um den Umstand zu beseitigen, der zum Einbehalt berechtigt, hinter der Höhe der Sicherheit zurückbleibt4. Umstritten ist dagegen, ob zu einem solchen anteiligen Einbehalt ggf. auch ein „Druckzuschlag“ addiert werden kann5.
3.38 Unabhängig von der vorstehend geschilderten gesetzgeberischen Entwicklung gilt aber unverändert, dass auch dann, wenn die Vorgaben des MaBV Ratenplans und zur Vertragserfüllungssicherheit gem. § 650m Abs. 2 BGB eingehalten werden, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen eines Bauträgervertrags nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen werden darf: Nach dem Wortlaut der Abschlagszahlungsverordnung „kann der Besteller zur Leistung von Abschlagszahlungen“ verpflichtet werden; auch in § 632a BGB, dessen Anwendbarkeit für den Bauträgervertrag in § 650u Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen ist, ist auf den Begriff „Abschlagszahlung“ abgestellt. Nach Meinung von Basty6 ist eine „Abschlagszahlung“ eine Anzahlung auf die Vergütung für das Gesamtwerk, im Umfang bemessen am Volumen bereits erbrachter Teilleistungen. Aus diesem Terminus wird hergeleitet, dass die Abschlagszahlungen im Einklang mit dem Baufortschritt zu stehen hätten. Die Raten nach der MaBV dürften demnach den Wert des erreichten Bautenstandes nicht überschreiten7. Auch unter Geltung von § 650v BGB, der MaBV und der vorstehend
1 2 3 4 5 6 7
Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201d. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201e. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201e. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201e. Ablehnend: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 201e m.w.N. Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 4 ff. Quadbeck, MDR 2000, 1111 (1113).
508 Leiß
A. Einleitung
Rz. 3.40 Kap. 3
bezeichneten Verordnung darf nicht gegen das Vorleistungsverbot verstoßen werden (str.)1. Im Regelfall ist dies allerdings unproblematisch, da die Ratenzahlung nach der MaBV im Wesentlichen dem jeweiligen Wert der dazugehörigen Rate entspricht. Die jeweilige Werthaltigkeit ist dabei – da es keine richterliche Preiskontrolle gibt – nicht objektiv zu bestimmen, sondern unterliegt der Vereinbarung der Beteiligten („subjektive Äquivalenz“)2. Der MaBV und dem Ratenplan der Abschlagszahlungsverordnung liegt bereits nach dem Zweck der Verordnungen die Vermutung der Angemessenheit zugrunde, so dass in der Gestaltungspraxis der Notar in der Regel von der Angemessenheit des Ratenplans ausgehen darf, wenn er den Prozentsätzen der MaBV entspricht3. Gleichwohl kann klarstellend in Bauträgerverträge nach dem Ratenplan folgende Formulierung aufgenommen werden: Wertadäquanz von Raten und Leistungen: Die Beteiligten sind sich darüber einig und bestätigen, dass die jeweiligen Raten nach dem vorstehenden Ratenplan dem Wert der dazugehörigen Bauleistung entsprechen.
Den Beteiligten steht es in den Grenzen des Angemessenen frei, den Wert einzelner 3.39 Bauleistungen untereinander zu vereinbaren. Problematisch ist vor allem die Zahlung der ersten Rate nach der MaBV i.H.v. 30 %, wenn ausweislich der Vereinbarung der Beteiligten der Grundstückswert samt den Planungsleistungen nicht im Verhältnis von 3:7 zum Wert der Bauleistungen steht. Dies ist angesichts der aktuell auf dem Immobilienmarkt herrschenden hohen Grundstückspreise insbesondere in den Ballungsräumen und Zuzugsregionen in den betreffenden Städten und Gebieten wohl selten der Fall, kann aber insbesondere in Regionen mit unverändert niedrigen oder gar sinkenden Grundstückspreisen, aber sehr hochwertiger Bauausführung unverändert zu Problemen führen4.
3.40
Beispiel: Auf einem verhältnismäßig kleinen Baugrundstück von 300 qm bei einem üblichen qm-Preis von 60 t beträgt der Grundstückswert nur 18.000 t. Wird auf diesem Grundstück jedoch ein sehr hochwertig ausgestattetes Gebäude mit Herstellungskosten von 500.000 t errichtet, so würde die Anforderung der Rate i.H.v. 30 % (= 155.400 t) wohl zu einem Verstoß gegen das Verbot der Vorausleistung führen. Inwieweit in der 30 %-Rate auch der Wert von Konzeptions- und Planungsleistungen einbezogen ist und daher diese auch bei der Angemessenheit der 30 %-Rate zu berücksichtigen sind, ist als ungeklärt zu betrachten. In diesen Fällen sind die Raten entsprechend den tatsächlichen Wertverhältnissen anzupassen. Erfolgt dies nicht,
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 5; Basty, DNotZ, Sonderheft 2002, 118 (135 f.). Nach der Gegenauffassung sind durch § 650v BGB die pauschalen Raten der MaBV als „gesetzliches Leitbild“ verankert worden, so dass nunmehr eine „Doppelkontrolle“ des Ratenplans nach der MaBV und dem Vorleistungsverbot nicht mehr erforderlich sei: Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2, Kap. 3 Rz. 140. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 6; Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, § 2 Rz. 167; Basty, DNotZ, Sonderheft 2002, 118 (135 f.). 3 Ebenso Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, § 2 Rz. 168; Kanzleiter, DNotZ 2006, 246 (249 f.). 4 Siehe Basty, MittBayNot 2007, 189 (191).
Leiß 509
Kap. 3 Rz. 3.40 Bauträgerkaufvertrag so ist nach dem Urteil des BGH1 vom 22.12.2000 der gesamte Ratenplan nach der MaBV wegen Verstoßes gegen das Vorleistungsverbot unwirksam. Die Fälligkeit des gesamten Bauträgerkaufpreises richtet sich nach dem Gesetz. Der Bauträger kann daher Zahlungen erst nach Abnahme verlangen, § 641 BGB. § 632a BGB findet keine Anwendung. Vorher bereits geleistete Zahlungen hat er einschließlich etwaiger Zinsvor- bzw. -nachteile nach Bereicherungsrecht, § 817 BGB, dem Käufer zu erstatten. Dem steht § 813 Abs. 2 BGB nicht entgegen, es sei denn die geleisteten Zahlungen hätten im Ergebnis gleichwohl nicht zu einer Überzahlung über das Niveau der MaBV hinaus geführt2. Angesichts dieser Sanktion wird hieran keinem Bauträger gelegen sein.
3.41 Aus Sicht des Käufers ist folgende Regelung wünschenswert: Vorleistungsverbot: Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass Vorleistungen durch den Käufer nicht geschuldet sind und dieser vorrangig vor dem bezeichneten Ratenplan nicht mehr leisten soll, als dem Wert der erbrachten Leistung des Verkäufers einschließlich Verkauf des Grund und Bodens entspricht. Der Käufer ist daher befugt, Kaufpreisteile insoweit zurückzuhalten, als die jeweiligen Raten nach dem vorstehenden Ratenplan dem Wert der dazugehörigen Bauleistung nicht entsprechen.
3.42 Einem Risiko, ungesicherte Vorleistungen erbringen zu müssen, kann der Käufer beim Bauträgervertrag auch dadurch ausgesetzt sein, dass nach den gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen der Bauträger verpflichtet ist, bestimmte Erschließungskosten zu tragen3, der Bauträger hierfür aber tatsächlich nicht aufkommt und deshalb der Käufer für solche Kosten in Anspruch genommen wird.4 Die Rechtsprechung des BGH sieht insoweit den Notar als hinweispflichtig an.5 Zur Vermeidung von ungesicherten Vorleistungen ist deshalb in der Vertragsgestaltung darauf zu achten, dass auch die Erbringung von Erschließungsleistungen abzusichern sein kann. Sofern die betreffenden Maßnahmen bei Vertragsabschluss noch nicht abgeschlossen sind, sollte z.B. die Bestellung einer Bürgschaft dafür angeregt
1 BGH v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99, MittBayNot 2001, 62 ff. = DNotZ 2001, 201 ff. m. Anm. Schmidt. 2 Siehe BGH v. 22.3.2007 – VII ZR 268/05, BGHZ 171, 364 = NJW 2007, 1947 DNotZ 2007, 925 = ZfIR 2007, 618. Siehe dazu Herrler, DNotZ 2007, 895 ff.; Drasdo, NJW 2007, 2741 ff. 3 Nach der gesetzlichen Regelung in § 436 Abs. 1 BGB hat der Verkäufer „Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen sind“. Ist vertraglich nichts ausdrücklich geregelt, ist nach herrschendem Verständnis der Bauträger aber über diese gesetzliche Lastenverteilungsregelung hinausgehend zur Tragung von Erschließungskosten verpflichtet: Da der Bauträger in der Regel einen „schüsselfertigen“ Bau anbietet, ist er verpflichtet, auch sämtliche Kosten dafür zu tragen, dass bei Bezugsfertigkeit bzw. Fertigstellung das Grundstück voll verschlossen ist (WürzburgerNotarhandbuch6/Hertel, Teil 2 Kap. 3 Rz. 119). 4 WürzburgerNotarhandbuch6/Hertel, Teil 2 Kap. 3 Rz. 221 ff. 5 BGH v. 17.1.2008 – III ZR 136/07, BGHZ 175, 111 = MDR 2008, 473 = NJW 2008, 1321 = DB 2008, 1796 = DNotZ 2008, 280 m. Anm. Grziwotz.
510 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.62 Kap. 3
oder ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht vereinbart werden1. Basty schlägt folgende Formulierung2 vor: M38a Erschließungskosten, Sicherung des Erwerbers Sofern bei Fälligkeit der bei Besitzübergang zu leistenden Rate die Möglichkeit besteht, dass der Erwerber im Falle der Eigentumsumschreibung für Beträge in Anspruch genommen wird, die nach den vertraglichen Regelungen in dieser Urkunde zur Tragung der Erschließungskosten der Veräußerer zu tragen hat, kann der Erwerber einen angemessenen Teilbetrag aus dieser Rate und ggf. auch aus danach fälligen Raten einbehalten; der einbehaltene Betrag ist zur Zahlung fällig, sobald dem Erwerber nachgewiesen ist, dass seine Inanspruchnahme praktisch ausgeschlossen oder dass für die betreffenden Zahlungen entweder dem Erwerber oder dem betreffenden Gläubiger hinreichende Sicherheit, z.B. durch Bürgschaft, gestellt ist.
Einstweilen frei.
3.43–3.60
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung Für den Bauträgerkaufvertrag gelten spezielle Gestaltungsvorgaben, insbesondere 3.61 aus §§ 650u, 650v BGB, §§ 3, 7 MaBV und §§ 305 ff. BGB, die diesen Vertragstyp vom allgemeinen Grundstückskaufvertrag (s. eingehend Kapitel 2) unterscheiden. Diese Besonderheiten sind nachfolgend überblicksartig aufgeführt und zusammengefasst. Die Darstellung konzentriert sich dabei auf einzelne, häufig praxisrelevante Fragestellungen. Für eine tiefergehende Beschäftigung sei dabei auf die einschlägigen umfangreichen Gesamtdarstellungen verwiesen3. I. Makler- und Bauträgerverordnung Sofern der Bauträger nicht die in § 7 MaBV genannte Bankbürgschaft erbringt, darf 3.62 er gem. § 3 MaBV Zahlungen des Auftraggebers nur entsprechend dem Baufortschritt entgegennehmen, wobei zusätzlich Voraussetzung ist, dass die Lastenfreistellung des Vertragsgegenstandes von Globalbelastungen gesichert ist. Die jährliche Überprüfung eines jeden Bauträgers durch einen Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer (§ 16 MaBV) sowie die Bewehrung der Anordnungen mit Strafvorschriften hat zu einem Ausleseprozess geführt.
1 BGH v. 17.1.2008 – III ZR 136/07, BGHZ 175, 111 = MDR 2008, 473 = NJW 2008, 1321 = DB 2008, 1796 = DNotZ 2008, 280 m. Anm. Grziwotz. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 9 Rz. 32. 3 Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl. 2021; Würzburger Notarhandbuch/Hertel, 6. Aufl. 2021; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Aufl. 2018; Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger, 8. Aufl. 2018.
Leiß 511
Kap. 3 Rz. 3.63 Bauträgerkaufvertrag
3.63 Die Anwendbarkeit der MaBV setzt voraus, dass Bauleistungen zu erbringen sind (Rz. 3.3). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Verkäufer sich verpflichtet, bloß geringfügige Reparaturen oder eine bloße oberflächliche Renovierung oder reine Schönheitsreparaturen vorzunehmen1. Nach einer verbreiteten Formel ist „die Grenze dort zu ziehen, wo die baulichen Maßnahmen so geringfügiger Natur sind, dass die kaufvertraglichen Elemente die werkvertraglichen Elemente des Vertrages ganz in den Hintergrund treten lassen“2; insoweit kann auch das Verhältnis des Wertes der Werkleistung zur Vertragssumme einen Anhaltspunkt für die Abgrenzung bieten3. § 650u Abs. 1 BGB verwendet den Begriff „Umbau“. Darunter fallen nach der Literatur „alle Umgestaltungen eines vorhandenen Objekts mit wesentlichen Eingriffen in Konstruktion oder Bestand“.4 1. § 3 MaBV
3.64 Nach § 3 MaBV, der über die in Rz. 3.33 bezeichnete Verweisungskette nunmehr auch zivilrechtliche Bedeutung hat, darf der Bauträger Leistungen des Käufers nur unter folgenden Voraussetzungen entgegennehmen: 3.65 – Wirksamkeit des Vertrages und Vorliegen aller für den Vollzug erforderlichen Genehmigungen; neben den für die Wirksamkeit des Vertrages erforderlichen Genehmigungen (z.B.: § 5 Abs. 1 ErbbauRG, § 12 WEG, §§ 51, 144 BauGB oder Handeln als vollmachtsloser Vertreter vorbehaltlich nachträglicher Genehmigung des Vertretenen), sind dies auch die zum Vollzug erforderlichen Genehmigungen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung oder das gemeindliche Vorkaufsrecht werden hiervon nicht erfasst; selbstverständlich kann und sollte das gemeindliche Vorkaufsrecht dennoch als Fälligkeitsvoraussetzung vereinbart werden; ein Rücktrittsrecht des Bauträgers darf nicht mehr bestehen. Ein Rücktrittsrecht des Käufers wäre hingegen nach den Vorgaben der MaBV unschädlich und steht der Fälligkeit nicht entgegen. Gleichwohl sollte Fälligkeit nicht vor Erlöschen von Käuferrücktrittsrechten eintreten, da der Käufer anderenfalls bei wirtschaftlichem Verfall des Bauträgers erleben müsste, dass sein Rücktrittsrecht entwertet wäre; er könnte zwar zurücktreten, bekäme möglicherweise aber sein Geld nicht mehr zurück. – Eintragung der Vormerkung an der vereinbarten Rangstelle; eine bloße Eintragungsbestätigung des Notars über die bevorstehende Eintragung genügt nicht den Anforderungen der MaBV5. Über die genaue Rangstelle besagt die MaBV nichts, insoweit gelten die üblichen Sicherungsmaßnahmen und Standards der notariellen Praxis. Bei Verkauf von Wohnungs- oder Teileigentum muss die Teilungser1 BayObLG v. 1.10.2004 – 3Z BR 129/04, MittBayNot 2005, 304 = NotBZ 2005, 37 = MDR 2005, 230. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 159. 3 Im Einzelnen ist zu dieser Abgrenzung jedoch vieles streitig und ungeklärt: Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 158 ff. 4 Münchener Kommentar/Busche8, § 650u BGB Rz. 13. 5 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 53.
512 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.65 Kap. 3
klärung bereits im Grundbuch vollzogen sein und die Vormerkung am Vertragsgegenstand selbst (Eigentumswohnung samt Sondernutzungsrechten etc.) im Grundbuch eingetragen sein. Auch geschuldete Nachträge müssen bereits im Grundbuch vollzogen oder der Vollzug durch Vormerkung gesichert sein. Bei noch ausstehendem Eigentumserwerb des Bauträgers reicht es nach einer teilweise vertretenen Meinung aus, wenn der Bauträger seinen Eigentumserwerbsanspruch an den Käufer abtritt und dies bei der Vormerkung des Bauträgers im Grundbuch vermerkt wird1. Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen und wird dem Sicherungszweck der MaBV nicht2 gerecht; die Verwendung einer Löschungsvollmacht für die Vormerkung ist bei vorsichtiger Ausgestaltung zulässig, ebenso eine Löschungserleichterung zur Vormerkung für den Käufer dergestalt, dass diese als durch Eigenurkunde des Notars auflösend bedingte Vormerkung bestellt wird3. Als zur Sicherung der Käuferinteressen hinreichend einschränkende „Verwendungsauflagen“ schlägt Basty zur auflösend bedingten Vormerkung folgende Formulierung vor: M38b Auflösend bedingte Vormerkung Die auflösende Bedingung zur Vormerkung ist eingetreten, wenn der Notar beim Grundbuchamt im Namen des Verkäufers unter Hinweis auf die hier getroffene Regelung die Löschung der Vormerkung beantragt. Im Innenverhältnis wird der Notar angewiesen, den Bedingungseintritt nur herbeizuführen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: (i) Der Verkäufer hat dem Notar schriftlich mitgeteilt, dass er von dem vertragsgegenständlichen Kaufvertrag wegen Zahlungsverzugs des Käufers zurückgetreten ist; (ii) der Notar hat dem Käufer ein Kopie dieses Schreibens mit Einschreiben/Rückschein an die in diesem Vertrag genannte Anschrift unter Hinweis auf die hier getroffene Regelung zugestellt; (iii) der Käufer hat nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang des vorgenannten Schreibens (a) entweder die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises bzw. der vom Verkäufer angeforderten Beträge nachgewiesen oder (b) Gründe dargelegt, die der Fälligkeit geltend gemachter Beträge entgegenstehen oder Zurückbehaltungsrechte begründen, oder (c) dargelegt, dass Zahlungen erfolgt sind, es sei denn, der Verkäufer hat dem Notar die Rückzahlung der genannten Beträge an den Käufer bzw. an das den Kaufpreis finanzierende Kreditinstitut nachgewiesen.
– Freistellung des Vertragsobjekts von allen Grundpfandrechten, die der Vormerkung im Rang vorgehen oder gleichstehen und nicht übernommen werden sollen, und zwar auch für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird (§ 3 1 Schmidt, MittBayNot 1992, 114 (115); Reithmann/Meichssner/von Heymann, Kauf vom Bauträger7, Teil B Rz. 163 ff., jeweils m.w.N. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 75 ff. So nunmehr unter ausdrücklicher Aufgabe der noch in der Vorauflage des betreffenden Werks vertretenen Auffassung auch Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 302. 3 Siehe dazu Blank, NotBZ 2006, 126 (129), Basty, Der Bauträgervertrag8, Kap. 4 Rz. 69 ff. und BGH v. 1.10.2015 – V ZB 171/14, DNotZ 2016, 151.
Leiß 513
Kap. 3 Rz. 3.65 Bauträgerkaufvertrag
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MaBV); will sich der Gläubiger für den Fall des sog. „Steckenbleiben des Baus“ ein Rückzahlungsrecht gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 vorbehalten, kann ein solcher Vorbehalt zivilrechtlich als Wahlschuld i.S.d. §§ 262 ff. BGB ausgestaltet sein oder als sog. „Ersetzungsbefugnis“. Aus der Sicht des Gläubigers ist dabei die Ersetzungsbefugnis vorzugswürdig, weil nur in diesem Fall tatsächlich ein Wahlrecht (Rückzahlung anstelle der Freistellung) für ihn besteht1. Das Freigabeversprechen hat den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 2, 3 MaBV zu entsprechen. Befristungen und Bedingungen sind grundsätzlich unzulässig; soweit hinsichtlich des Wertes des Bautenstandes Schiedsgutachten vereinbart werden, darf der Käufer nach der Rechtsprechung des BGH2 nicht mit Einwendungen ausgeschlossen werden. Nach einer Entscheidung des OLG München darf der Gläubiger für den Fall des „Steckenbleibens des Baus“ die Rückzahlung der vom Käufer geleisteten Zahlungen nicht davon abhängig machen, dass der Erwerber Zug um Zug seine Eigentumsvormerkung (und etwaige Finanzierungsgrundpfandrechte) löschen lässt. Außerdem ist es nach dieser Entscheidung MaBV-widrig, wenn sich die Bank für den Fall des „Steckenbleibens“ nur unter dem Vorbehalt zur Freistellung verpflichtet, dass der Erwerber nicht die Gründe für die Nichtvollendung des Baus selbst zu vertreten hat3. Sind einzelne Regelungen in einem Freigabeversprechen wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben der MaBV unwirksam, führt dies nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nicht zwingend zur Unwirksamkeit des Freigabeversprechens insgesamt4. Trotz des grundsätzlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion sei es mit dem Schutzzweck des § 3 MaBV unvereinbar, bei Unwirksamkeit einzelner Klauseln aus einem Freigabeversprechen die Freistellungsverpflichtungserklärung insgesamt als nichtig anzusehen und damit dem Käufer den Anspruch auf Freistellung zu nehmen5. Ist der Bauträgerkaufvertrag z.B. wegen eines Beurkundungsmangels nichtig gewesen, so besteht kein wirksamer schuldrechtlicher Anspruch aus der Freistellungsverpflichtungserklärung gegenüber der Bank6. Insoweit kann aber ein Bereicherungsanspruch gegen die Bank bestehen.
1 BGH v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02, MDR 2005, 267 = MittBayNot 2005, 128 = DNotZ 2005, 380 m. Anm. Schmucker; s. auch Weber, NJW 2007, 125 (128 f.) sowie Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 120 ff. und Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 171. 2 BGH v. 10.10.1991 – VII ZR 2/91, BGHZ 115, 329 = NJW 1992, 433 – Fertighausurteil. 3 OLG München v. 30.6.2011 – 9 U 1977/10 = DNotZ 2011, 929 (m. Anm. Basty). – Als zulässige Formulierungsalternative wird vorgeschlagen (Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 171): „… der Gläubiger geht dabei davon aus, dass der Käufer im Fall der Rückzahlung die Löschung einer zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung nicht rechtsmissbräuchlich verweigern wird“. 4 BGH v. 7.11.2013 – VII ZR 167/11, NJW 2014, 1728. 5 Zusammenfassung nach Scheibengruber, notar 2015, 86 (87). 6 BGH v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04, BGHZ 162, 157 = NJW 2005, 1356 = DNotZ 2005, 467 m. Anm. Basty = MDR 2005, 802 = NotBZ 2005, 144.
514 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.68 Kap. 3
– Baugenehmigung oder Freistellungsbestätigung mit entsprechendem Fristablauf. Hinsichtlich der Baugenehmigung wird der Notar regelmäßig keine Prüfungspflicht übernehmen können, ob die Baugenehmigung auch dem verkauften Vertragsgegenstand entspricht. Die vertragliche Formulierung im Bauträgervertrag sollte daher klar zwischen den vom Notar zu bestätigenden Fälligkeitsvoraussetzungen und den baurechtlichen Voraussetzungen der Fälligkeit unterscheiden. Letztere muss der Käufer selbst überprüfen. Unter den vorstehend bezeichneten Voraussetzungen kann der Bauträger den Ge- 3.66 samtkaufpreis in den in § 3 Abs. 2 MaBV angegebenen Teilbeträgen nach dem dort vorgegebenen Ratenplan (zu Einschränkungen s. Rz. 3.38) in bis zu sieben Teilleistungen anfordern. Nach h.M.1 ist die Festlegung der sieben Raten im Bauträgervertrag nicht erforderlich. Dies kann auch dem Bauträger beim Vollzug des Vertrages überlassen werden. Werden die Anforderungen des MaBV-Ratenplans nicht eingehalten, so ist die gesamte Fälligkeitsregelung unwirksam. Der Bauträger darf dann erst nach der Abnahme Leistungen des Käufers entgegennehmen (§ 641 BGB)2. Hat der Käufer gleichwohl bereits Teile gezahlt, kann er diese zurückverlangen. Nach der Abnahme kann er allerdings keine Rückzahlung mehr im Hinblick auf den Verstoß gegen den Ratenplan geltend machen3. Der nach § 650m Abs. 2 BGB einbehaltene Betrag (und seine „spätere“ Zahlung, wenn der Sicherungszweck des Einbehalts erfüllt ist) begründet ebenso wenig wie die Abwicklung von Einbehalten aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Zurückbehaltungsrechte einen Verstoß gegen die Vorgaben aus § 3 Abs. 2 MaBV und bedeutet nicht etwa die Vereinbarung einer unberechtigten „achten Rate“ mit der Folge eines unwirksamen – weil MaBVwidrigen – Zahlungsplans.4 Erfasst der Bauträgervertrag mehrere Vertragsgegenstände wie ein Haus und einen 3.67 Tiefgaragen-Stellplatz, so können nach h.M. unterschiedliche Ratenpläne für jeden Vertragsgegenstand entsprechend dem jeweiligen Baufortschritt aufgestellt werden5; zwingend ist dies aber nicht. Die Erteilung einer Einzugsermächtigung zugunsten des Bauträgers verstößt nach 3.68 herrschender Auffassung gegen die MaBV: Da die Einlösung einer Lastschrift bereits vorab autorisiert ist, könnte aufgrund einer Einzugsermächtigung ein Einzug von
1 Strittig, s. Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 50 ff. m.w.N.; Schiffner in Reithmann/ Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 389; für die Gegenansicht: Kersten/Bühling/ Wolfsteiner26, §§ 33 Rz. 92. 2 BGH v. 22.12.2000 – VII ZR 310/99, MittBayNot 2001, 62 ff. = DNotZ 2001, 201 ff. m. Anm. Schmidt. 3 OLG Stuttgart v. 13.3.2006 – 5 U 198/05, NotBZ 2006, 436. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 40. 5 Siehe DNotI-Report 1998, 225 m.w.N.; Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 390 (mit dem Vorschlag, bei einem Vertrag über die Errichtung eines Wohngebäudes mit Garage für den gesondert für die Garage ausgewiesenen Kaufpreis die Fälligkeit erst nach vollständiger Herstellung und Abnahme der Garage vorzusehen).
Leiß 515
Kap. 3 Rz. 3.68 Bauträgerkaufvertrag
Kaufpreisraten unabhängig vom tatsächlichen Bautenstand erfolgen1. Gleiches gilt für eine Kontovollmacht („Abbuchungsvollmacht“), mit der der Bauträger sich frei auf Kosten des Käufers von dessen (Kredit-)Konto bedienen kann. Eine solche Regelung verstößt gegen die MaBV und ist damit nach §§ 12 MaBV, 134 BGB nichtig2.
3.69 Eine Zahlstellenklausel in der Freistellungsverpflichtungserklärung – also eine Bestimmung, wonach Zahlungen des Käufers auf ein bestimmtes beim Gläubiger geführtes Konto erfolgen müssen – ist unschädlich und zulässig3. 3.70 Streitbefangen ist immer wieder die sog. letzte Rate von 3,5 %. Diese „Schlussrate“ ist nach den Regelungen in § 3 Abs. 2 MaBV nach vollständiger Fertigstellung zu zahlen. Problematisch ist insoweit das zutreffende Verständnis des Begriffs der vollständigen Fertigstellung4. Denkbar wäre eine Auslegung, dass dies erst eintreten könne, wenn sicher sei, dass keine rechtlich relevanten Mängel mehr entdeckt werden könnten. Dies würde dem Käufer ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Ablauf der fünfjährigen Mängelhaftungsfrist geben. In der Rechtsprechung findet sich häufig die Feststellung, wonach die „vollständige Fertigstellung […] erst dann vor[liegt], wenn alle Protokollmängel beseitigt sind“.5 Demgegenüber wird mit guten Gründen vertreten, dass die bloße Abnahmereife, also die Erbringung aller Bauleistungen und das Beheben aller wesentlichen Mängel (s. § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB), ausreichend ist, um die zivilrechtliche Fälligkeit der Schlussrate zu bewirken6. Unterschiedlich bewertet wird (insbesondere seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ zum 1.1.2018) auch, ob die Fälligkeit der letzten Rate gemäß der Regelung in § 650g Abs. 4 BGB (deren Anwendbarkeit in § 650u Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist) die Abnahme und eine Schlussrechnung voraussetzt.7 Hiergegen kann geltend gemacht werden, dass der Gesetzgeber der Bauvertragsreform für die Abschlags-
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 7 Rz. 2 unter zutreffendem Hinweis auf BGH v. 22.10.1998 – VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387 zur Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung und BGH v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 zu § 307 BGB im Hinblick darauf, dass dem Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt werden muss, das Konto rechtzeitig vorher aufzufüllen. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 7 Rz. 3. 3 BGH v. 8.12.2005 – IX ZR 200/04, DNotI-Report 2006, 41. Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 150. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 107 ff. 5 KG v. 26.2.2019 – 27 U 9/18 = DNotZ 2019, 634 m.w.N. 6 Blank, NotBZ 2006, 126 (128). Ebenso: Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 115. – Strenger (vollständige Fertigstellung setzt die Beseitigung aller Mängel voraus, auf deren Wesentlichkeit kommt es nicht an) aber die beispielsweise bei Scheibengruber, notar 2016, 86 zitierte Entscheidung des LG Düsseldorf v. 14.4.2015 – 7 O 115/15 und KG v. 26.2.2019 – 27 U 9/18, DNotZ 2019, 634. 7 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 337 und 337a; Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 441. Zu den Anforderungen an eine Schlussrechnung bei Festpreisvereinbarungen: Karczewski, Der neue alte Bauträgervertrag, NZBau 2018, 328 (332).
516 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.72 Kap. 3
zahlungen gegenüber dem früheren Rechtsstand nichts ändern wollte und außerdem die Verweisung in § 650u Abs. 1 Satz 2 BGB ihrem Wortlaut nach nur „hinsichtlich Errichtung und Umbau“ gilt, wohingegen für die Abschlagszahlungen § 650v BGB nur auf die Abschlagszahlungsverordnung Bezug nimmt und also auf die in § 650g Abs. 4 BGB genannten Voraussetzungen verweist.1 2. § 7 MaBV – Bürgschaftsleistung Die Abwicklung eines Bauträgervertrages nach § 7 MaBV durch Bürgschaftsstellung 3.71 ist nur dann statthaft, wenn diese Möglichkeit im Bauträgerkaufvertrag ausdrücklich vorgesehen worden ist. Eine entsprechende vertragliche Verankerung der Vertragsabwicklung gem. § 7 MaBV vorausgesetzt, ist fraglich, inwieweit diese Vorgehensweise von den übrigen Anforderungen des Bauträgerrechts „befreien“ kann; diskutiert wird diese Frage insbesondere hinsichtlich des Äquivalenzprinzips (Schlagwort: Macht die Bürgschaft gem. § 7 MaBV es überflüssig, dass der Erwerber Zahlungen nur in Höhe der bereits erbrachten Leistungen des Verkäufers erbringt?): die oben (s. Rz. 3.32) bezeichnete Verordnung2 über Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen sieht in deren § 1 ausdrücklich auch weiterhin die Bauträgervertragsabwicklung nach § 7 MaBV vor (nach neuer Rechtslage und Inkrafttreten der Reform des Bauvertragsrechts zum 1.1.2018 aufgrund der Verweisungskette aus § 650v BGB). Nachdem § 1 der genannten Verordnung jedoch von Abschlagszahlungen spricht, ist damit entsprechend der auch bisher schon überwiegenden Meinung klargestellt, dass auch bei Stellung einer Bürgschaft nach § 7 MaBV keine unbeschränkten Zahlungen vom Käufer verlangt werden können, sondern lediglich in der Höhe, in der bereits Leistungen des Bauträgers erbracht worden sind3. Der BGH hatte diese Frage dem EuGH vorgelegt und vertrat in seinem betreffenden Vorlagebeschluss die Meinung, Vorauszahlungen seien seines Erachtens zulässig4. Der EuGH5 hat über die Vorlage i.S. eines europäischen judicial-self-restraint entschieden und die Klärung dem BGH überlassen. Diese Entscheidung sei Sache der nationalen Gerichte und könne nicht abschließend vom EuGH entschieden werden. Eine entsprechende ausdrückliche BGH-Entscheidung steht bislang aus, jedoch 3.72 scheint der BGH inzwischen seine Meinung geändert zu haben und Vorausleistungen (auch) bei Stellung einer Bürgschaft gem. § 7 MaBV als AGB-widrig anzusehen6. Die
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 122. 2 BGBl. I 2001, 981. 3 Vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 348; a.A. noch Grziwotz, NJW 1994, 2745 (2746); Thode/Uechtritz/Wochner/Blank, Immobilienrecht 2000, S. 177 ff. 4 BGH v. 2.5.2002 – VII ZR 178/01, DB 2002, 1548 = DNotZ 2002, 652 = MittBayNot 2002, 286 = NotBZ 2002, 253 m. Anm. Hertel = DNotI-Report 2002, 102; vgl. dazu grundlegend Kanzleiter, DNotZ 2002, 819 ff.; Basty, DNotZ 2002, 652 ff.; Vollrath, MittBayNot 2002, 254 ff. 5 EuGH v. 1.4.2004 – Rs. C-237/02, DNotZ 2004, 767 m. Anm. Basty = DNotI-Report 2004, 81 = NotBZ 2004, 226. Vgl. dazu auch Basty, DNotZ 2005, 94 ff. 6 Hinweis des VII. Senats v. 22.12.2004, dazu Basty, DNotZ 2005, 94.
Leiß 517
Kap. 3 Rz. 3.72 Bauträgerkaufvertrag
wohl überwiegende Meinung im Schrifttum folgt dem1. Für die Absicherung von über den Baufortschritt hinausgehenden Vorausleistungen müsste daher in diesen Fällen eine über den Sicherungsumfang des § 7 MaBV hinausgehende Vertragserfüllungsbürgschaft vereinbart werden, die neben der Rückgewähr von geleisteten Zahlungen auch die Ansprüche des Erwerbers auf vollständige, rechtzeitige und mangelfreie Erfüllung sichert, insbesondere auch sämtliche Ansprüche wegen Nichterfüllung, einschließlich der Nichterfüllung aufgrund einer Insolvenz des Bauträgers2. Die Bürgschaft nach § 7 MaBV befreit nach hier vertretener Ansicht also zwar vom Zahlungsplan des § 3 Abs. 2 MaBV (s. den Wortlaut: „sind von den Verpflichtungen des § 3 Abs. 1 und 2 … freigestellt, …“), nicht aber auch von der gem. §§ 650u, 650v, 641, 309, 307 BGB Leitbild gebenden Vorleistungspflicht des Bauträgers; auch wenn eine Bürgschaft i.S.d. § 7 MaBV gestellt wird, müssen sich also die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen am Umfang der tatsächlich zu erbringenden Leistungen orientieren3. Anderes kann unter Umständen aber (im Einzelfall) gelten, wenn die Vorleistung auf Verlangen des Käufers – insbesondere aus steuerlichen Gründen (Stichwort: am Jahresende liegendes steuerliches Zahlungsziel) – vereinbart wird (und dies im Rahmen einer individuellen Absprache erfolgt, so dass keine AGB-Kontrolle stattfindet und die Vorausleistungsvereinbarung also nicht an §§ 641, 650u, 650v, 309 Nr. 2a, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB scheitert).
3.73 Praxishinweis: Der hauptsächliche Anwendungsbereich für eine Vertragsabwicklung gem. § 7 MaBV wird in Fällen liegen, in denen mit der Baumaßnahme zwar begonnen werden soll, aber die Teilungserklärung noch nicht im Grundbuch vollzogen ist oder der Bauträger noch nicht Eigentümer des Grundstücks ist, so dass noch keine Eigentumsvormerkung für den Käufer eingetragen werden kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MaBV): Durch Stellung einer Bürgschaft gem. § 7 MaBV wird der Bauträger insbesondere auch von den Anforderungen in § 3 Abs. 1 MaBV befreit und kann also Zahlungen vor Eintragung der Eigentumsvormerkung, vor Zugang der für die Vertragswirksamkeit erforderlichen Genehmigungen und trotz fehlender Baugenehmigung entgegennehmen4.
3.74 Die Hinterlegung der Bürgschaftsurkunde beim Notar ist grundsätzlich nicht zulässig5. Möglich ist eine entsprechende Vereinbarung jedoch in der Weise, dass der Notar vom Käufer mit der Entgegennahme und Verwahrung der Bürgschaftsurkunde beauftragt wird. Entscheidend ist insoweit, dass die Entgegennahme und Verwahrung ausschließlich nach den Weisungen des Käufers zu erfolgen hat. Sind diese Voraussetzungen gewährleistet, ist gegen eine entsprechende Regelung im Bauträger-
1 Basty, MittBayNot 2007, 189 (191); Basty, DNotZ 2005, 94 (95); Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 183; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 348; s. auch NJW-Spezial 2005, 170. – A.A.: Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 109. 2 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 348. Ebenso: Beck’sches Notarhandbuch/ Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 183. 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 346 ff. 4 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 346. 5 Vgl. Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 351; BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 229/05, DNotZ 2007, 376 = NJW 2007, 1360.
518 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.76 Kap. 3
vertrag nichts einzuwenden. Die Zulässigkeit ist nur dann gegeben, „wenn sich aus der Vereinbarung eindeutig und für den Erwerber unmittelbar einsichtig ergibt, dass der Notar die Urkunde treuhänderisch für ihn verwahren soll, allein an seine Weisungen gebunden ist und der Verpflichtung unterliegt, die Urkunde auf sein Verlangen jederzeit an ihn herauszugeben. Die Herausgabe darf nicht von irgendwelchen Einschränkungen abhängig gemacht werden, wie etwa der Darlegung von gesicherten Bürgschaftsansprüchen, des vorherigen Nachweises der Erwerbspreiszahlung oder dem Einverständnis des Bauträgers, und darf auch keinem Zurückbehaltungsrecht des Notars ausgesetzt sein“1. Dies sollte ausdrücklich in der entsprechenden Regelung klargestellt werden. Eine gegen diese Anforderungen verstoßende Regelung führt zur Unwirksamkeit der Abrede. Der Kaufpreis wird damit bei Hinterlegung beim Notar nicht fällig. Verzug kann nicht eintreten. Die eventuelle Zahlungsklage des Bauträgers ist aussichtslos. Die Überwälzung der Kosten für die Bürgschaft (sog. Avalprovision oder Avalzinsen) 3.75 auf den Käufer verbietet sich nach § 307 BGB (str.)2. Eine Vermischung von gleichzeitig geltenden Sicherheiten nach §§ 3 und 7 MaBV 3.76 ist nach h.M. unzulässig. Dies gilt beispielsweise für die Gestaltung, dass sich die Bürgschaft mit Baufortschritt reduziert, selbst dann, wenn die Voraussetzungen des § 3 MaBV bereits vorliegen3. Dies spielt vor allem eine Rolle, wenn der Bauträger gleich den gesamten Kaufpreis vereinnahmen möchte, die Bürgschaft sich aber entsprechend dem Baufortschritt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 MaBV reduzieren soll. Dies ist nach dem gerade genannten Grundsatz unzulässig. Da die Bürgschaft sich aber in einem solchen Fall dennoch tatsächlich reduziert4, drohen dem Notar im Insolvenzfall des Bauträgers erhebliche Schadensersatzforderungen. Ein Austausch der Sicherheiten des § 7 MaBV durch § 3 MaBV ist hingegen nach § 7 Abs. 1 Satz 4 MaBV ausdrücklich statthaft. Soll für die letzte Rate Sicherheit nach § 7 MaBV geleistet werden, muss die Sicherheit für sämtliche bisher gezahlten Beträge des Käufers gestellt werden. Alles andere wäre eine unzulässige Vermischung der Sicherungsmittel5. Auch eine Hinterlegung der letzten Rate auf dem Notaranderkonto des Notars als Voraussetzung der Übergabe ist nach wohl ganz h.M. in
1 BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 229/05, NJW 2007, 1360 = DNotZ 2007, 376 = MittBayNot 2007, 397 m. Anm. Basty. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 6 Rz. 81 hält dagegen eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach der Käufer die Kosten der Bürgschaft trägt, für zulässig; es handle sich insofern um einen zusätzlichen Kaufpreisteil, weshalb die betreffende Klausel keiner Kontrolle nach § 307 BGB unterfiele. – Wie hier Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 358. 3 BGH v. 11.1.2007 – VII ZR 229/05, NJW 2007, 1360 = DNotZ 2007, 376 = MittBayNot 2007, 397 m. Anm. Basty; v. 6.5.2003, DNotZ 2003, 48 mit ablehnender Anm. Riemenschneider = RNotZ 2003, 451 m. Anm. Speck. 4 Denn das Verhältnis Bank – Kunde sei von der MaBV unabhängig, BGH v. 6.5.2003 – XI ZR 33/02, DNotI-Report 2003, 109 = DNotZ 2004, 48 m. Anm. Riemenschneider = MDR 2003, 1064 = MittBayNot 2003, 488. 5 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 182.
Leiß 519
Kap. 3 Rz. 3.76 Bauträgerkaufvertrag
Rechtsprechung1 und Literatur2 gesetzeswidrig, 309 Nr. 2 Buchst. a BGB (und allenfalls unter engen, wenig praxistauglichen Voraussetzungen – Auszahlung nur, wenn der Erwerber eine Bestätigung über die vollständige Fertigstellung und die Behebung der bei Abnahme gerügten Mängel erteilt hat – zulässig).
3.77 Die Bürgschaft darf an keine Bedingungen oder Befristungen geknüpft sein, die ein vorzeitiges Erlöschen ermöglichen. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass die Bürgschaft von Anfang an über die volle Vertragssumme lautet. Es genügt, wenn die Bürgschaft auf die jeweils fälligen Raten beschränkt ist, wobei gleichgültig ist, ob bei jeder fälligen Rate eine neue (zusätzliche) Bürgschaft in deren Höhe gestellt wird oder ob der Bauträger die alte Bürgschaft gegen eine neue über die gesamten bisher fälligen (und teilweise schon bezahlten) Beträge austauschen lässt3. 3.78 In der Vergangenheit hat der BGH mehrfach zum Umfang der gesicherten Ansprüche bei einer nach § 7 MaBV gestellten Bürgschaft Stellung genommen. Nach der Entscheidung4 vom 14.1.1999 können durch eine entsprechende Bürgschaft nach § 7 MaBV auch Aufwendungen für die Nacherfüllung gem. § 635 BGB erfasst sein. Diese Meinung hat der BGH5 mit Urteil vom 19.7.2001 auch für Erstattungsansprüche aufgrund eines berechtigten Minderungsverlangens bestätigt. Dabei hat er ausdrücklich klargestellt, dass es sich ausdrücklich nicht nur um verunglückte MaBV-Bürgschaften handele, sondern Bürgschaften i.S. dieser Vorschrift zur Gewährung eines entsprechenden, vom Gesetzgeber beabsichtigten Verbraucher- und Käuferschutzes diese Ansprüche auch sichern müssen. Eine Bürgschaft, die eine Sicherung entsprechender Mängelhaftungsansprüche ausschließt, wäre damit keine Bürgschaft i.S.d. § 7 MaBV6. Dies gilt auch für Mängel am Gemeinschaftseigentum7. Der Notar darf dann den Kaufpreis nicht fällig stellen, sofern es sich um eine vom Notar zu bestätigende Fälligkeitsvoraussetzung handelt8. Der Notar ist nicht verpflichtet, den Vertrag so zu gestalten, dass er die Rechtmäßigkeit der Bürgschaft zu beurteilen hat. Dies wird in der Praxis meist vermieden, in dem für das Vorliegen der Bürgschaft keine Fälligkeitsmitteilung vereinbart wird. Dies vermeidet Haftungsgefahren für den Notar, birgt für den unerfahrenen Käufer jedoch Gefahren. 1 KG v. 20.8.2019 – 21 W 17/19, NJW-RR 2019, 1231 = MittBayNot 2020, 240 (m. Anm. Basty); OLG Schleswig v. 21.2.2020 – 1 U 19/19, NJW 2020, 2343 = DNotZ 2021, 179; OLG Hamburg v. 16.7.2020 – 8 U 61/19, NJW-RR 2021, 90. 2 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 444. – A.A.: Kersten/ Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 64. 3 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 185. 4 BGH v. 14.1.1999 – IX ZR 140/98, DNotZ 1999, 482 m. Anm. Basty. 5 BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 149/00, NJW 2001, 3329 = MittBayNot 2002, 37. 6 Weitere Urteile zum Umfang der MaBV-Bürgschaft: BGH v. 21.1.2003 – XI ZR 145/02, DNotZ 2004, 43 = MittBayNot 2003, 216 = MDR 2003, 465; v. 22.10.2002 – XI ZR 393/01, NJW 2003, 285 = DNotZ 2003, 117; v. 18.6.2002 – XI ZR 359/01, NJW 2002, 2563 = DNotZ 2002, 871 = DNotI-Report 2002, 132. 7 BGH v. 12.4.2007 – VII ZR 50/06, NJW 2007, 1957 = MDR 2007, 830 = ZNotP 2007, 217 = DNotZ 2007, 933. 8 Wie der BGH bereits Thode/Uechtritz/Wochner/Blank, Immobilienrecht 2000, 2001, S. 178, 181; a.A. Basty, DNotZ 1999, 487.
520 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.81 Kap. 3
Weiter werden Ansprüche wegen der Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 326 3.79 BGB a.F. gesichert1; das Gleiche gilt für Rückzahlungsansprüche aufgrund einer entsprechenden Rückabwicklungsvereinbarung (Aufhebungsvertrag), die an die Stelle des Rücktritts nach § 326 BGB tritt2. Dies soll sogar dann gelten (Rückzahlungsansprüche des Käufers werden also auch dann gesichert), wenn die Aufhebungsvereinbarung durch Umstände aus der Sphäre des Käufers veranlasst wird3. Der vorstehende Umfang der Bürgschaft ist nach überwiegender Meinung nur in 3.80 den sog. Vorleistungsfällen maßgeblich. Denn alle vom BGH bisher entschiedenen Fälle behandelten Sachverhalte, in denen der Käufer unabhängig vom Ratenplan und damit unabhängig vom Baufortschritt gezahlt hat. Die Argumentation des BGH stützte sich daher stark auf einen Ausgleich für den Verlust von Zurückbehaltungsrechten. Daher wird verbreitet die Ansicht4 vertreten, in Fällen der Zahlung entsprechend dem Ratenplan des § 3 Abs. 2 MaBV müsse der Sicherungsumfang der Bürgschaft keine Mängelrechte sichern. Der BGH hat dies allerdings – soweit ersichtlich – noch nicht eindeutig klargestellt, so dass insoweit Unsicherheiten verbleiben. Im Hinblick auf diesen von der Rechtsprechung entwickelten weiten Sicherungs- 3.81 umfang der Bürgschaft nach § 7 MaBV hat die 1. Auflage an dieser Stelle vertreten, dass eine Vertragsgestaltung mit Vorauszahlungen auf der Grundlage einer solchen Bürgschaft nicht als ungesicherte Vorleistung des Käufers angesehen werden kann5. Dies erscheint aber jedenfalls aus der Sicht des Transparenzgebots zweifelhaft: es sollte dem Verbraucher allein durch die Lektüre des von ihm geschlossenen Vertrags möglich sein, festzustellen, welchen Umfang die ihm gewährte Sicherheit haben muss, um vertragsgerecht zu sein. Spezialkenntnisse der umfangreichen Rechtsprechung zum Sicherungsumfang der Bürgschaft nach § 7 MaBV können demgegenüber nicht unterstellt oder verlangt werden. Jedenfalls für die Vertragsgestaltung muss daher als Grundsatz gelten: erfordert das Äquivalenzprinzip eine umfassende Erfüllungsbürgschaft (Rz. 3.36), ist diese im Rahmen der Regelungen zur Fälligkeit des Kaupreises auch als solche zu benennen. Schiffner schlägt zur Regelung über die Kaufpreisfälligkeit in Vorauszahlungsfällen folgende Formulierung vor6:
1 BGH v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02, MDR 2005, 267 = MittBayNot 2005, 128. 2 BGH v. 30.9.2004 – VII ZR 458/02, MDR 2005, 267 = MittBayNot 2005, 128. 3 BGH v. 5.4.2005 – XI ZR 294/03, DNotZ 2005, 838 = BGHZ 162, 378 = MittBayNot 2005, 492 m. Anm. Riemenschneider. Siehe dazu Weber, NJW 2007, 125 (128). 4 Vollrath, MittBayNot 2002, 254; Basty, DNotZ 2002, 571; Beck’sches Notarhandbuch/ Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 186. In diese Richtung deutet auch BGH v. 12.4.2007 – VII ZR 50/06, NJW 2007, 1957 = NotBZ 2007, 208 = DNotZ 2007, 933. 5 BGH v. 10.3.2005 – IX ZR 73/01, NJW-RR 2005, 1292 = DNotZ 2005, 685 m. Anm. Blank = MDR 2005, 779 = MittBayNot 2005, 404. 6 Schiffner in Reithmann/Terbrack8, Teil C Rz. 527 (M 35).
Leiß 521
Kap. 3 Rz. 3.81 Bauträgerkaufvertrag
M38c Bürgschaft bei echter Vorauszahlungsverpflichtung 1. Der Kaufpreis ist innerhalb von 14 Tagen zur Zahlung fällig, nachdem der Verkäufer dem Erwerber eine der Vorschrift des § 7 MaBV genügende Sicherheit zur Sicherung (1.) aller Ansprüche des Erwerbers auf Rückgewähr oder Auszahlung der von ihm geleisteten Vermögenswerte (MaBV-Bürgschaft) und darüber hinaus (2.) aller Ansprüche des Erwerbers hinsichtlich bei Abnahme des Vertragsobjekts festgestellter Mängel sowie bei nicht rechtzeitiger Herstellung des Vertragsobjekts (Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft) ausgehändigt hat. 2. Diese Sicherheit ist durch unbefristete und unbedingte sowie unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage erteilte Bürgschaft eines Kreditinstituts, das im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das zum Betrieb der Bürgschaftsversicherung im Inland befugt ist, zu erbringen. Die Bürgschaft darf auf einen Höchstbetrag beschränkt sein. Die Kosten der Bürgschaft trägt der Verkäufer. 3. Die Bürgschaft ist an den Verkäufer zurückzugeben, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: (1.) Das Vertragsobjekt ist vollständig fertiggestellt. (2.) Die Baugenehmigung für das Bauvorhaben liegt vor. (3.) Der Erwerber ist als Eigentümer des Vertragsobjekts im Grundbuch eingetragen und alle nicht zu übernehmenden Belastungen wurden gelöscht oder (4.) der amtierende Notar hat dem Erwerber schriftlich bestätigt, dass die Voraussetzungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1–3 MaBV vorliegen: a) die zur Rechtswirksamkeit dieser Urkunde und ihres grundbuchlichen Vollzugs erforderlichen Genehmigungen und Erklärungen liegen in grundbuchgemäßer Form beim Notar vor; b) die in dieser Urkunde bestellte Eigentumsvormerken ist zugunsten des Erwerbers im Grundbuch eingetragen, wobei höchstens die in Abschnitt I. dieser Urkunde genannten Belastungen und unter Mitwirkung des Erwerbers bestellte Grundstücksbelastungen im Rang vorgehen dürfen; c) die Lastenfreistellung ist durch Auflage durch Vorlage auflagenfreier Löschungsbewilligungen beziehungsweise Vorliegen einer Freistellungsverpflichtung des Gläubigers, die den Anforderungen des § 3 Absatz 1 MaBV genügt, gesichert. Diese Erklärung muss dem Erwerber ausgehändigt werden; (5.) die Abnahme des Vertragsobjekts ist erfolgt, ohne dass Mängel festgestellt wurden. Wurden bei Abnahme Mängel festgestellt, ist der Verkäufer berechtigt, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen hierfür die Rückgabe der Bürgschaft zu verlangen, wenn er Zug um Zug gegen Rückgabe eine Bürgschaft über einen Betrag übergibt, der mindestens dem Doppelten der für die Beseitigung der festgestellten Mängel erforderlichen Kosten entspricht.
522 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.86 Kap. 3
3.82
Übersicht: § 7 MaBV Vom Umfang umfasst
Vom Umfang nicht umfasst
– Ersatz für Nacherfüllungsaufwendungen inkl. Vorschussanspruch – Erstattung wegen mangelbedingter Minderung oder Wandelung/Rücktritt – Schadensersatzansprüche wegen (teilweiser) Nichterfüllung, z.B. bei steckengebliebenem Bau – (BGH vom 2.5.20021: „alle Geldansprüche wegen mangelhafter oder unterlassener Erfüllung“)
– Mängelbeseitigungsaufwendungen nach mangelfreier Abnahme – Mietausfall – Sanierungsabgaben (im Fall der Insolvenz des Bauträgers) – Verzögerungsschäden bzgl. Nutzungsausfalls, nutzlose Finanzierungsaufwendungen (str.) – Steuerliche Schäden – Vertragsstrafeansprüche
Der Inhalt der Bürgschaft unterliegt einer AGB-Kontrolle. Danach sind beispielswei- 3.83 se folgende Regelungen unwirksam2: – Voraussetzung für die Inanspruchnahme sei, dass die Fälligkeit und Höhe des 3.84 Kaufpreisrückgewähranspruchs entweder durch rechtskräftiges Urteil/Vergleich oder übereinstimmende Erklärung von Käufer und Verkäufer nachgewiesen sei; – Voraussetzung für die Inanspruchnahme sei, dass der Erwerber vorher auf seinen 3.85 Anspruch gegen die Bank aus der Pfandfreigabeverpflichtungserklärung verzichtet habe. Die Verjährung von Ansprüchen aus der Bürgschaft ist seit Beginn der 2000er Jahre 3.86 zu einem gewissen Risikofaktor für Käufer geworden3. Das Problem besteht insoweit darin, dass Bürgschaftsansprüche ursprünglich erst in 30 Jahren verjährten, seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aber nurmehr eine dreijährige Frist gilt (§ 195 BGB); für den Beginn der Verjährungsfrist gilt dabei § 199 Abs. 1 BGB4. Nach h.M. läuft die Verjährung unabhängig und selbständig von der Verjährung der gesicherten Ansprüche5. Um Interesse des Käufers sicher zu gehen, sollte die Bürgschaft i.S.d. § 7 MaBV daher einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung enthalten, bis die werkvertragliche fünfjährige Verjährung aus dem gesicherten Bauträgervertrag abgelaufen ist. Möglicherweise ergibt sich dies aber auch schon konkludent aus dem Sicherungszweck der MaBV-Bürgschaft, die bis zur „Fertigstellung“ aufrecht zu erhalten ist6. 1 BGH v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1 = MDR 2007, 207 = NJW 2006, 3275 = DNotZ 2007, 23 = MittBayNot 2007, 204. 2 BGH v. 2.5.2002 – VII ZR 178/01, MittBayNot 2002, 286 (Vorlagebeschluss an den EuGH). Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 358. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2004, 205. Siehe auch Schlößer, NJW 2006, 645 ff. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 6 Rz. 87. 5 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 6 Rz. 87 unter Hinweis auf BGH v. 11.9.2012 – XI ZR 56/11, NJW 2013, 1228. 6 Dazu allerdings zweifelnd: Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 90.
Leiß 523
Kap. 3 Rz. 3.87 Bauträgerkaufvertrag
3.87 Die Verwendung einer Globalbürgschaft für alle Käufer eines Bauträgerprojektes muss ausscheiden, da dadurch die jederzeitige Aushändigung an den Käufer erschwert und damit die Durchsetzung der Rechte daraus behindert wird1. II. Fälligkeitsregelung und Verzug
3.88 Nach § 284 BGB a.F. trat Verzug erst 30 Tage nach Fälligkeit und entsprechender Zahlungsaufforderung oder Rechnung ein. Einer Mahnung bedurfte es nicht. Umstritten war zu diesen Regelungen, ob vor Ablauf der im Gesetz vorgesehenen 30-Tages-Frist durch eine Mahnung Verzug ausgelöst werden konnte, was die wohl h.M. ablehnte2. Einigkeit bestand jedoch darüber, dass durch individualvertragliche Vereinbarungen die Regelung des § 284 BGB a.F. modifiziert werden konnte3. Zwischenzeitlich hat aber auch der Gesetzgeber durch Einfügung des Wortes „spätestens“ in § 286 Abs. 3 BGB klargestellt, dass eine Mahnung vor Ablauf von 30 Tagen zulässig ist. 3.89 Noch wichtiger ist in der Praxis die Regelung in § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach tritt Verzug automatisch ein, wenn die Fälligkeit an eine angemessene Frist nach Eintritt eines Ereignisses anknüpft. Auf diese Art und Weise hat der Gesetzgeber die vom BGH4 früher im AGB-Bereich als unzulässig betrachteten Fälligkeitszinsen Gesetz werden lassen. Einer Mahnung bedarf es in diesen Fällen nicht mehr. Die reguläre Formulierung einer notariellen Fälligkeitsmitteilung samt Erreichen des jeweiligen Bautenstandes (und Bautenstandsmitteilung des Bauträgers) ist ein Ereignis i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB und löst mit Ablauf einer angemessenen Frist automatisch den Verzug aus (str.)5. Einer weiteren Mahnung bedarf es nicht mehr. § 309 BGB steht dem nicht entgegen, da eine solche Regelung gerade nicht vom Gesetz abweicht, sondern nur die Folge der gesetzlichen Regelung ist und damit der AGB-Prüfungsbereich gar nicht eröffnet ist. 3.90 Unterschiedliche Auffassungen werden zu der Frage vertreten, in welcher Frist die Zahlungsansprüche des Bauträgers verjähren. Weitgehende Einigkeit besteht aber darin, dass es sich um eine einheitliche Verjährung für den gesamten Vergütungs-
1 Vgl. zu diesem Problem auch Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 191, der dies allerdings nicht als unzulässig ablehnt. Auch Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 6 Rz. 55 stellt fest, dass „eine Globalbürgschaft nicht grds. ausgeschlossen ist“. 2 Vgl. dazu insbesondere Schmidt-Räntsch, ZfIR 2000, 337 ff.; Brambring, DNotZ 2000, 245 ff.; Hertel, ZNotP 2000, 130 ff.; Waldner, ZfIR 2001, 163 ff. 3 Brambring, DNotZ 2000, 245 (248); Waldner, ZfIR 2001, 163 (164). Vgl. zum Ganzen Basty, DNotZ 2000, 260; Brambring, DNotZ 2000, 247 ff.; Brambring, ZfIR 2000, 245 ff.; Buddeberg, BWNotZ 2001, 4 ff.; Hertel, ZNotP 2000, 130 ff.; Medicus, DNotZ 2000, 256 ff.; Weber, NJW 2000, 2406 ff.; Henkel/Kesseler, NJW 2000, 3089 ff.; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2000, 337 ff.; Waldner, ZfIR 2001, 163 ff. 4 BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 46/97, DNotZ 1998, 367. 5 Pause, Bauträgervertrag und Baumodelle6, Rz. 384 (allerdings unter Hinweis darauf, dass eine „angemessene Zahlungsfrist“ i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei Bauträgervertrag mindestens 20 Tage betragen müsse). Zweifelnd: Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3 Rz. 37 ff.
524 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.112 Kap. 3
anspruch handelt, die nicht in einen Teil der Vergütung für das Grundstück und in einen Teil für die Bauleistungen aufgespalten wird1. Für diesen einheitlichen Vergütungsanspruch wird sodann teilweise von der Anwendung der allgemeinen dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB ausgegangen und – besser zutreffend – teilweise von der zehnjährigen Immobilienverjährung nach § 196 BGB2. Die letztgenannte Ansicht überzeugt, weil sie zu einem Gleichlauf der Verjährungsfristen für den Vergütungsanspruch hinsichtlich der Bauleistungen einerseits mit der Verjährungsfrist für den Übereignungsanspruch (§ 196 BGB) andererseits führt. Es ist zulässig, die Verjährungsfrist für den Vergütungsanspruch durch vertragliche Vereinbarung auf bis zu 30 Jahre zu verlängern, wenn dies (um eine gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßende Benachteiligung des Erwerbers zu vermeiden) in gleicher Weise für die Verjährung des Übereignungsanspruchs und des Erfüllungsanspruchs hinsichtlich der geschuldeten Bauleistungen geschieht3. Die einzelnen gem. §§ 650v BGB, 3 Abs. 2 MaBV vereinbarten Abschlagszahlungen unterliegen jeweils selbständig der Verjährung4. Der Anspruch des Käufers auf Übereignung des Grundstücks verjährt gemäß § 196 3.91 in zehn Jahren, Ansprüche des Käufers wegen Mängeln am Bauwerk in fünf Jahren ab Abnahme (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB)5. Einstweilen frei.
3.92–3.110
III. AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB Soweit die Kaufurkunde nicht eine „ausgehandelte“ Vereinbarung i.S.d. § 305 Abs. 1 3.111 Satz 3 BGB darstellt, sind bei der Vertragsgestaltung regelmäßig auch die Vorschriften über AGB nach §§ 305 ff. BGB zu beachten. Die §§ 305 ff. BGB wirken in zahlreiche Einzelfragen der Vertragsgestaltung des Bauträgervertrages hinein. Im Folgenden sei nur eine Auswahl der häufig auftretenden Probleme der Vertragsgestaltung im Rahmen von Bauträgerverträgen angesprochen: 1. Sachmängelhaftung Für Mängel am Grundstück richtet sich die Haftung des Bauträgers nach Kaufrecht, 3.112 §§ 650u Abs. 1 Satz 3, 433 Abs. 2 BGB. Nach den werkvertraglichen Regelungen der 1 Siehe Basty, MittBayNot 2007, 189 (190 f.) m.w.N.; Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3 Rz. 57; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 393. Zweifelnd jedoch Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 45. 2 Siehe Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3 Rz. 58; Hertel, DNotZ 2002, 6 (22); Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 393 f. (je für Verjährung in zehn Jahren); für Verjährung in drei Jahren: Blank, Bauträgervertrag, Rz. 6; Blank, ZfIR 2006, 672 (673). 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 397; Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 45. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3 Rz. 59; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 396 (jeweils unter Hinweis darauf, das anderes gelten kann, wenn im Bauträgervertrag vertraglich eine Schlussrechnung vorgesehen ist). 5 Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 44.
Leiß 525
Kap. 3 Rz. 3.112 Bauträgerkaufvertrag
§§ 633 ff. BGB richtet sich dagegen die Haftung für Bau- und Planungsmängel (§ 650u Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach dem werkvertraglichen Gewährleistungsrecht gilt gem. § 634 BGB: Bei mangelhafter Leistung kann der Erwerber als primären Anspruch Nacherfüllung verlangen (§ 635 BGB) sowie sekundär, d.h. in der Regel erst, wenn eine angemessene Frist zur Nacherfüllung verstrichen ist, (a) den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, § 637 BGB, (b) vom Vertrag zurücktreten, §§ 636, 323, 326 Abs. 5 BGB, oder die Vergütung mindern, § 638 BGB, (c) Schadensersatz verlangen, §§ 636, 280, 281, 283, 311a BGB und (d) Ersatz vergeblicher Aufwendungen geltend machen, § 284 BGB1. Gemäß § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. aa BGB ist bei Formularverträgen über die Lieferung neu hergestellter Sachen oder Werkleistungen ein Ausschluss aller oder auch nur einzelner Ansprüche wegen eines Mangels unwirksam. Dies gilt auch für eine Vereinbarung, durch die der Käufer wegen Sachmängeln auf die Bauhandwerker, Lieferanten, Architekten usw. verwiesen wird und der Bauträger seine eigene Haftung insoweit ganz oder teilweise ausschließt. Das Gleiche gilt, wenn der Bauträger erst haftet, nachdem der Käufer sich erfolglos bemüht hat, Ansprüche gegen die anderen am Bau Beteiligten durchzusetzen2. Dies gilt auch dann, wenn der Bauträger sich verpflichtet, mit seinen Vertragspartnern die BGB-Verjährung zu vereinbaren.
3.113 Die Verkürzungsmöglichkeit hinsichtlich der Verjährung, die in § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB vorgesehen ist, spielt im Bauträgervertrag kaum eine Rolle, da sie hinsichtlich des Gebäudes gerade nicht zulässig und für bewegliche Sachen regelmäßig bedeutungslos ist (verkauft der Bauträger beispielsweise eine Einbauküche mit und ist diese nicht als Grundstücksbestandteil anzusehen, unterliegt das den Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf, §§ 474 ff. BGB, weshalb bei neuen Sachen die Rechte des Erwerbers wegen Sachmängel nicht ausgeschlossen werden können, § 475 BGB; nur Schadensersatzansprüche können insoweit in den Grenzen des § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB verkürzt werden3). 3.114 Die isolierte Vereinbarung der Haftungsverjährung nach VOB/B (also gem. § 13 VOB/B auf die Dauer von vier Jahren) ist nach Ansicht des BGH4 und der ganz h.M. nicht möglich5. 3.115 Die Beschränkung der Sachmängelgewährleistungsregelung für die Bauleistungen auf eine Nachbesserung ist nicht zulässig, § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. bb BGB. Das Recht zum Rücktritt kann daher im Bauträgervertrag nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (die in § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. bb BGB enthaltene Ausnahme „wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung
1 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 231 ff. 2 Sog. Subsidiaritätsklausel, BGH v. 21.3.2002 – VII ZR 493/00, DNotZ 2002, 857 = NJW 2002, 2470 = JuS 2003, 90 (Emmerich). 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 337 f. 4 BGH v. 24.10.1985 – VII ZR 31/85, NJW 1986, 713. 5 Vgl. hierzu Kanzleiter, DNotZ 1987, 651.
526 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.117 Kap. 3
ist“ findet auf den Bauträgervertrag keine Anwendung)1. Gleiches gilt bei einem umfassend sanierten Altbau2. Auch eine Einschränkung des Rechts des Erwerbers, wegen Mängeln der vom Bauträger zu erbringenden Bauleistung Schadensersatz zu verlangen, kann nach verbreiteter Meinung aufgrund einer BGH-Entscheidung vom 27.7.2006 nicht in zulässiger Weise vereinbart werden3. In jedem Fall sind bei diesbezüglichen Vereinbarungen die aus § 309 Nr. 7 BGB folgenden Schranken zu beachten (wie dies auch der Fall ist, wenn Schadensersatzansprüche hinsichtlich von Mängeln am Grundstück vertraglich begrenzt werden sollen, s. Rz. 3.116); wegen des Transparenzgebots sind die betreffenden Ausnahmen ausdrücklich zu formulieren (s. Rz. 3.138).
3.116
Praxishinweis: Vertragliche Bestimmungen zum Haftungsrecht in Bauträgerverträgen können nach den vorstehenden Ausführungen zumeist auf das Allernötigste begrenzt werden. In der Regel werden sie sich auf eine Begrenzung der Mängelrechte wegen Sachmängel am Grundstück beschränken; solches ist auch im Bauträgervertrag zulässig, § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. bb ist insoweit nicht einschlägig4. Vereinbarungen über Mängelrechte hinsichtlich des Grundstücks müssen sich allerdings an § 307 Abs. 2 BGB messen lassen. Deshalb ist es im Bauträgervertrag beispielsweise unzulässig5, – die Haftung des Bauträgers auszuschließen, soweit es um die Zulässigkeit der Bebauung geht, oder – einen Haftungsausschluss für Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen vorzusehen, wenn dem Bauträger die Altlasten bei der Bebauung des Grundstücks hätten auffallen müssen bzw. wenn von ihm eine vorherige Untersuchung aufgrund besonderer Anhaltspunkte zu erwarten gewesen wäre. Wegen § 309 Nr. 7 BGB sollten außerdem Schadensersatzansprüche bei einer zumindest fahrlässigen Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit bzw. bei einer sonstigen mindestens grob fahrlässigen Pflichtverletzung vorbehalten werden6.
Unabhängig von der oben zitierten Entscheidung des BGH vom 27.7.2006 wird 3.117 teilweise auch aus der sog. „Kardinalpflichten-Rechtsprechung“ abgeleitet, die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen sei beim Bauträgervertrag unwirksam: nach dieser Auffassung können – trotz des anderslautenden Wortlauts von § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB – hinsichtlich der Bauleistung Schadensersatzansprüche auch bei leichter Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden, weil sonst vertragswesentli-
1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 326. 2 BGH v. 28.9.2006 – VII ZR 303/04, MDR 2007, 199 = NJW-RR 2007, 59 = MittBayNot 2007, 210 = ZfIR 2007, 53. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 328 (unter Hinweis auf BGH v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1 = MDR 2007, 207 = NJW 2006, 3275 = DNotZ 2007, 23 = MittBayNot 2007, 204). 4 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 334. 5 Zusammenstellung nach Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 334. 6 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 334.
Leiß 527
Kap. 3 Rz. 3.117 Bauträgerkaufvertrag
che Pflichten (sog. Kardinalpflichten), nämlich die Herstellungspflicht, des Bauträgers abbedungen würden1. 2. Änderungsvorbehalte und -vollmachten
3.118 Nach § 308 Nr. 4 BGB sind Abänderungsvorbehalte für die zu erbringenden Bauleistungen unwirksam, soweit die Änderungen dem Erwerber nicht zumutbar sind. Außerdem ist ein entsprechender Änderungsvorbehalt nach herrschendem Verständnis nur zulässig, wenn dafür ein triftiger Grund besteht und dieser triftige Grund in der betreffenden Klausel auch benannt ist2. – Die Wertungen des § 308 Nr. 4 BGB werden von der Rechtsprechung und h.M. auch auf Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung angewandt3. 3.119 Praxishinweis: Dingliche Wirkung entfalten entsprechende Änderungsvollmachten nicht4, sie gehen also nicht automatisch auf eventuelle Rechtsnachfolger über; eine solche Wirkung kann auch nicht dadurch erreicht werden, dass die betreffenden Vollmachten in die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung aufgenommen werden5.
3.120 Aus den in Rz. 3.118 genannten Gründen ist es mindestens erforderlich, eine etwaige Änderungsvollmacht im Innenverhältnis dahingehend zu beschränken, dass die Vollmacht nur zumutbare Änderungen gestattet und im Übrigen nur mit Zustimmung des Käufers befugt, das Sondereigentum oder Sondernutzungsrechte des Käufers zu verändern oder sonst zu beeinträchtigen6. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung dazu, ob und vor allem mit welchem „Genauigkeitsgrad“ die Vollmacht alle konkreten, möglichen Einzeländerungen enumerativ aufzählen muss, um für Grundbuchzwecke bestimmt genug zu sein7. Zwar gilt grundsätzlich: Ist eine Vollmacht nicht offensichtlich nichtig, so darf das Grundbuchamt eine Grundbucheintragung nicht deshalb ablehnen, weil möglicherweise ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB vorliegt8. Für die Vertragsgestaltung werden die entsprechenden Zweifelsfragen aus
1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 3 Kap. 2 Rz. 329. Siehe auch: Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 239. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 11 Rz. 73; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 93. 3 Vgl. dazu BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, NJW 2020, 610 Rz. 29 ff. = MDR 2020, 251 = DNotZ 2020, 604 = MittBayNot 2020, 609; Armbrüster, ZMR 2005, 244 ff. sowie Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 28 ff.; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 102 f. 4 Siehe BayObLG v. 27.10.2004 – 2Z BR 150/04, NJW 2005, 444 = DNotZ 2005, 390 f. m. Anm. Röll. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 99. 6 Vgl. Krause, NotBZ 2001, 433, Krause, NotBZ 2002, 11; Weigl, NotBZ 2002, 325. 7 Siehe Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 35 ff. Offengelassen bei BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, NJW 2020, 610 Rz. 32. 8 BayObLG v. 6.2.2003 – 2Z BR 111/02, ZMR 2003, 518 = ZfIR 2003, 516; v. 12.9.2002 – 2Z BR 75/02, NJW-RR 2002, 1669 = DNotZ 2003, 51 = RNotZ 2002, 513.
528 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.122 Kap. 3
dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aber am sichersten dadurch vermieden, dass die betreffende Vollmacht jedenfalls im Außenverhältnis unbeschränkt gestaltet wird. Der Schutz des Erwerbers wird dann allein durch eine sachgerechte Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis verwirklicht; diese Gestaltung (unbeschränkte Vollmacht im Außenverhältnis/Bindung an die Maßstäbe der AGB-Kontrolle „nur“ im Innenverhältnis) stellt nach herrschender Auffassung auch keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 BGB dar (zur Überwachung durch den Notar s. Rz. 3.127)1. Rechtsprechungsbeispiel: Eine Klausel in einem Bauträgervertrag, wonach Grund- 3.121 lage der Bauausführung die Baubeschreibung sei, aber Änderungen der Bauausführung, der Material- bzw. Baustoffauswahl, soweit gleichwertig, vorbehalten bleiben, ist nach Ansicht des BGH2 vor dem Hintergrund der in Rz. 3.118 genannten Maßstäbe unwirksam. Als zulässig wird eine solche Klausel nach der Literatur aber betrachtet, wenn sie nur ein Produkt beschreibt, nach dem sich die vom Bauträger geschuldete Leistung hinsichtlich ihrer Qualität und ihrer sonstigen Merkmale richtet. Zur Formulierung wird (unter Vermeidung des Zusatzes „oder gleichwertig“) vorgeschlagen: „(Fenster) entsprechend den Merkmalen der Serie (Hersteller, Reihe)“3. Zusammengefasst stellen BGH und herrschende Literaturauffassung für den Bau- 3.122 trägervertrag folgende Anforderungen an rechtlich wirksame Änderungsvorbehalte: Praxishinweis Änderungsvorbehalte (1) Die Gleichwertigkeit allein ist keine Rechtfertigung für einen Änderungsvorbehalt. Der Änderungsvorbehalt muss vielmehr an das Vorliegen eines triftigen Grundes geknüpft sein (s. Rz. 3.118) und in eine Zumutbarkeitsprüfung „eingebettet“4 werden. Zum Begriff der Zumutbarkeit wird verbreitet empfohlen, diesen dahingehend zu präzisieren, dass die Änderung für den Erwerber nicht gebrauchs- oder wertmindernd sein darf 5. (2) Regelungen zur Verwendung bestimmter Marken „oder gleichwertig“ sollten unterbleiben, sondern stattdessen technische Beschreibungen ohne Festlegung der Marke vereinbart werden. (3) Von der Änderungsbefugnis darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn ein triftiger Grund vorliegt. Die Klausel muss dazu bereits klar regeln, dass von ihr nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes Gebrauch gemacht werden darf (Transparenzgebot)6. Die Gründe sind dabei zumindest der Art nach in der Klausel anzugeben; nur allgemein einen triftigen Grund zu verlangen, genügt nicht7. Als hinreichende Gründe werden angesehen: nachträgliche behördliche Auflagen bzw. baurechtlich notwendige Änderungen, tech1 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, NJW 2020, 610 Rz. 29 ff.; Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 38; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 102. 2 BGH v. 23.6.2005 – VII ZR 200/04, MDR 2005, 1284 = DNotZ 2006, 174. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 94 im Anschluss an Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 11 Rz. 104. 4 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 96. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 96. 6 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 30. 7 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 95.
Leiß 529
Kap. 3 Rz. 3.122 Bauträgerkaufvertrag nisch notwendige Änderungen und (unter engen Voraussetzungen) wirtschaftlich notwendige Änderungen (z.B. wenn die ursprünglich vorgesehene Bauausführung unsinnig und dem Bauträger unzumutbar wäre)1.
3.123 M39 Änderungsvorbehalt Bauträgervertrag Änderungen der Planung und Ausführungsart, der vorgesehenen Baustoffe und Einrichtungsgegenstände behält sich der Verkäufer vor, soweit sie sich bauaufsichtlich oder technisch als notwendig erweisen; sie dürfen sich nicht wert- oder gebrauchsmindernd auswirken und müssen dem Käufer zumutbar sein. Auch bei einer zwingenden wirtschaftlichen Notwendigkeit der Änderung ist diese in den vorstehenden Grenzen statthaft2.
3.124 Für die in Rz. 3.118 ff. geschilderten Änderungsvollmachten besteht in Praxis regelmäßig ein großes Bedürfnis, da der Bauträger sachenrechtlich seine Befugnis zur alleinigen Änderung der WEG-Teilung bereits verliert, wenn eine erste Eigentumsvormerkung für einen Erwerber in das Grundbuch eingetragen wird. Das Grundbuchamt darf nach diesem Zeitpunkt Änderungen zur Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung nur eintragen, wenn der Vormerkungsberechtigte ausdrücklich zugestimmt hat oder dem Bauträger eine entsprechende Änderungsvollmacht eingeräumt wurde3. Kaufrechtlich (also hinsichtlich der schuldrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Verkäufer und Käufer) besteht das Zustimmungserfordernis zu meist sogar schon vor dem vorgenannten Zeitpunkt, weil sich die Änderung der Teilungserklärung in der Regel auch auf die im Kaufvertrag niedergelegten Rechte und Pflichten durchschlagen wird4. 3.125 Entsprechende Vollmachten werden deshalb häufig als unwiderrufliche Vollmachten gestaltet; bei Vorliegen eines wichtigen Grunds sind aber auch solche unwiderruflichen Vollmachten widerrufbar5. 3.126 Wirkung gegenüber Grundpfandrechtsgläubigern des Erwerbers haben im Bauträgervertrag vorbehaltene Änderungsvollmachten nicht; soweit zu einer Änderung der WEG-Teilung also auch die Zustimmung der dinglich Berechtigten erforderlich ist (§ 877 BGB), muss diese zusätzlich eingeholt werden6. 3.127 Als ausreichend für die Beschränkung im Innenverhältnis wird es überwiegend angesehen zu formulieren, dass „dem Erwerber durch eine Änderung keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen dürfen und insbesondere Lage, Größe und Umfang des 1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 95. 2 Ob auch der letzte Satz der Änderungsklausel den Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB genügt, ist bestritten, zweifelnd Basty, DNotZ 2006, 178 und Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 11 Rz. 72 a.E. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 98. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 27. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 104. 6 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 105.
530 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.130 Kap. 3
verkauften Sondereigentums (einschließlich zugewiesener Sondernutzungsrechte) nicht verändert werden dürfen“1. In der 1. Auflage wurde dazu vertreten, dass diese Beschränkungen nicht durch den Notar zu überwachen sein. Dem widersprechen aber zahlreiche andere Stimmen in der Literatur, die davon ausgehen, dass die Überwachung durch den Notar eine AGB-rechtlich im Interesse des Erwerbers notwendig Beschränkung der Vollmacht darstelle2. Folgt die Vertragsgestaltung dieser Auffassung (aus dem Gebot des sichersten Wegs), sollte der Notar – der häufig schon aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sein wird, die dann erforderliche inhaltliche Prüfung vorzunehmen – sich dabei das Recht vorbehalten, im Zweifelsfall die Zustimmung der evtl. betroffenen Erwerber einzuholen3. Zur zeitlichen Befristung entsprechender Änderungsvollmachten wird häufig vor- 3.128 geschlagen, diese auf den Zeitraum bis zur Umschreibung des Eigentums an sämtlichen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zu beschränken4. Jedenfalls zeitlich deutlich über diesen Zeitpunkt hinaus gehende Vollmachten dürften oft überraschend und deshalb nicht mehr interessengerecht sein5. 3. Abnahmefiktion Nach § 308 Nr. 5 BGB ist die Vereinbarung einer Abnahmefiktion unwirksam, wenn 3.129 sie entweder nicht mit den Vorgaben des § 640 BGB übereinstimmt oder dem Vertragspartner (Käufer) keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Abnahmeerklärung einräumen und der Käufer nicht ausdrücklich auf die Bedeutung besonders hingewiesen wird. 4. Kaufpreisänderung, Umsatzsteuerklausel Nach § 309 Nr. 1 BGB sind Erhöhungen des Kaufpreises, insbesondere wegen Ver- 3.130 änderung bei der Umsatzsteuer, nur insoweit möglich, als die Waren oder Leistung später als vier Monate nach Vertragsabschluss geliefert oder erbracht werden. Da das Grundstück selbst für den Bauträger meist nicht mit Umsatzsteuer belastet ist, sollte die Umsatzsteuer-Anpassungsklausel die Anpassung der ersten Rate grds. ausnehmen6. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 15.7.20117, wonach die Anpassungsklausel nicht zu einer zusätzlichen Gewinnerzielung beim Bauträger führen darf (sondern der Bauträger nur berechtigt sein soll, tatsächlich ent1 Nach Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 29. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 38 ff.; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 103; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 101. 3 So der Vorschlag von Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 103. – Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 41 plädiert dafür, die Überwachung nicht auf Evidenzfälle zu beschränken. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 2 Rz. 45 ff.; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 102. 5 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. Rz. 45. 6 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 219. 7 OLG Düsseldorf v. 15.7.2011 – 23 U 87/09, juris.
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Kap. 3 Rz. 3.130 Bauträgerkaufvertrag
standene Mehrbelastungen weiterzugeben), schlägt Schiffner – zur Meidung des Aufwands, den die Feststellung des tatsächlich entstandenen Mehraufwands bedeuten würde – folgende (mit einem pauschalen Abschlag operierende) Klausel vor1: M39a Kaufpreisanpassung bei Umsatzsteuererhöhung „Umsatzsteuer fällt auf diesen Vertrag nicht an. Bei einer Änderung der Umsatzsteuer gibt der Veräußerer jedoch die Änderung seiner Kosten für die Abschlagszahlungen weiter, deren Bautenstand zwei Monate nach der Umsatzsteueränderung oder später erreicht ist. Ausgenommen hiervon sind jedoch die erste Abschlagszahlung (Beginn der Erdarbeiten) sowie Abschlagszahlungen, deren Bautenstand innerhalb von vier Monaten ab Vertragsschluss erreicht ist. Die Änderung beträgt jeweils 80 % (80 vom Hundert) der Umsatzsteuer-Änderung (also etwa bei einer Steuererhöhung um 1 Prozentpunkt von einer Basis von 119 auf 119,8)“.
Eine Klausel, die auf dem Nachweis der tatsächlichen Mehr- oder Minderbelastung basiert, formuliert Basty wie folgt2: M39b Umsatzsteuerklausel „Bei der Kalkulation des Kaufpreises ist der Veräußerer von einem Umsatzsteuersatz von 19 % ausgegangen. Ändert sich der Umsatzsteuersatz vor vollständiger Fertigstellung des vertragsgegenständlichen Bauvorhabens nach oben oder nach unten, kann jeder Vertragsteil eine Änderung des Kaufpreises entsprechend der damit für den Veräußerer verbundenen umsatzsteuerlichen Mehr- oder Minderbelastung verlangen. Hierzu hat der Veräußerer nach seiner Wahl dem Erwerber (a) entweder den Änderungsbetrag mitzuteilen unter Beifügung von Nachweisen zum Abnahmetermin der einzelnen Bau- und Planungsleistungen sowie zur Höhe der Schlussrechnungen für Arbeiten, die zum Zeitpunkt des abweichenden Umsatzsteuersatzes abgenommen wurden oder (b) das Gutachten eines von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfers auszuhändigen, der aufgrund der vorgenannten Unterlagen die eingetretene Mehr- bzw. Minderbelastung feststellt. Eine entsprechende Kaufpreisanpassung wird wirksam mit der letzten vom Erwerber zu zahlenden Rate. Diese wird nicht fällig, bevor die entsprechenden Nachweise bzw. das Gutachten vorgelegt wurden“.
5. Keine Einschränkung von Leistungsverweigerungsrechten
3.131 Nach § 309 Nr. 2 BGB darf ein Leistungsverweigerungsrecht des Käufers nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Danach bleibt der Käufer stets befugt, wegen bereits während der Bautätigkeit auftretender Mängel auch Zurückbehaltungs1 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 222. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3 Rz. 21.
532 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.134 Kap. 3
rechte hinsichtlich früh fällig werdender Kaufpreisraten geltend zu machen (§§ 273 Abs. 1, 641 Abs. 3 BGB). Der Käufer ist nicht mit seinem Zurückbehaltungsrecht auf die letzte Kaufpreisrate i.H.v. 3,5 % oder den Einbehalt nach §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650m Abs. 2 BGB beschränkt. Wegen § 309 Nr. 2 BGB wird auch die Hinterlegung der letzten Rate auf einem No- 3.132 taranderkonto als unzulässig angesehen (s. Rz. 3.76). Das LG München I hält es außerdem in zwei Entscheidungen für eine unangemessene Benachteiligung des Erwerbers gem. § 307 Abs. 1 BGB, wenn der Bauträger erst nach vollständiger Fertigstellung zur Übergabe verpflichtet ist. In den von der MaBV vorgesehenen Interessenausgleich werde durch eine entsprechende Klausel nämlich deshalb unbillig eingegriffen, weil nach einer solchen Vereinbarung der Bauträger die Übergabe als Druckmittel für die Bezahlung auch der Fertigstellungsrate zurückbehalten könne1. Der BGH2 vertritt die Ansicht, auch der Verkauf eines sanierten Altbaus könne un- 3.133 ter § 309 Nr. 8 Buchst. b BGB fallen, also als Verkauf einer neu hergestellten Sache angesehen werden. Dies soll wohl auch für die Altbausubstanz gelten. Im Übrigen könne der Käufer auch bei einer umfassenden Altbausanierung im Regelfall die Einhaltung des modernen Stands der Technik erwarten. Ist die übernommene Herstellungsverpflichtung für die Sanierung nicht mit dem Umfang einer Neuherstellung vergleichbar, so gilt nur für die Sanierungsarbeiten Werkvertragsrecht und für den Erwerb der Altbausubstanz Kaufvertragsrecht3. Sind die Arbeiten aber nach Umfang und Bedeutung mit denen eines Neubaus vergleichbar, gilt Werkvertragsrecht für Mängel der Neubau- wie der Altbausubstanz4. Zu § 307 Abs. 2 BGB i.V.m. § 309 Nr. 2 BGB, dem Verbot der Vorleistung in AGB- 3.134 Verträgen, insbesondere beim Bauträgervertrag, hat der BGH entschieden, dass dies auch für die notarielle Vorlageanweisung bei einer im Bauträgervertrag mitbeurkundeten Auflassung gilt5. Danach ist eine Regelung unzulässig und damit nichtig, wenn ein Notar die Auflassungserklärung dem Grundbuchamt erst vorlegen soll nach vollständiger Bezahlung des Kaufpreises und Nachweis oder Bestätigung durch den Verkäufer (Bauträger)6.
1 So LG München I v. 23.4.2015 – 8 O 6509/15, IBR 2015, 669 m. Anm. Voge; s. hierzu a. die Zusammenfassung v. Scheibengruber, notar 2016, 86 (87) – und (mit etwas abweichender Argumentation) LG München I v. 23.6.2016 – 11 O 10314/16, MittBayNot 2017, 371. 2 BGH v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04, MittBayNot 2006, 328 = DNotZ 2006, 280 m. Anm. Blank; v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, NJW 2005, 1115. Vgl. zu Sanierungsverträgen Bischoff/Mauch, DNotZ 2004, 342 ff. 3 BGH v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04, NJW 2006, 214. 4 BGH v. 26.4.2007 – VII ZR 210/05, MDR 2007, 1012 = NJW 2007, 3275 = DNotZ 2008, 66 = ZfIR 2007, 540. 5 BGH v. 7.6.2001 – VII ZR 420/00, DNotZ 2002, 41 = RNotZ 2002, 50. 6 Vgl. dazu Basty, MittBayNot 2007, 189 (191); Ch. Keim, MittBayNot 2003, 21 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 110.
Leiß 533
Kap. 3 Rz. 3.135 Bauträgerkaufvertrag
3.135 Die vorstehend bezeichnete Problematik lässt sich entweder durch eine spätere Beurkundung der Auflassung lösen. Die Auflassungsverpflichtung sollte dann jedoch „Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreises“ vereinbart werden (nicht: „… des vollständigen Kaufpreises …“)1. 3.136 Anderenfalls kann wie folgt formuliert werden2: M40 Vorlageanweisung Auflassung Zug um Zug Der Notar wird angewiesen, die Auflassung dem Grundbuchamt erst dann vorzulegen, wenn der Verkäufer dem zustimmt. Der Verkäufer ist verpflichtet, der Vorlage zuzustimmen Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreises. Der Notar muss die Auflassung auch dann dem Grundbuchamt vorlegen, wenn der Käufer den Zahlungseingang des in diesem Vertrag ausgewiesenen Kaufpreises beim Verkäufer zweifelsfrei nachweist. Vor vollständiger Erbringung der vertragsgemäßen Leistung hat der Verkäufer dem Vollzug der Auflassung mit dem erreichten Bautenstand zuzustimmen, sobald sein Unvermögen zur weiteren Leistung feststeht, Zug um Zug gegen Zahlung des dem erreichten Bautenstand entsprechenden Kaufpreisteils.
3.136a Praxishinweise: (1) Bedenken, dass die Aussetzung der Auflassung unter dem Gesichtspunkt der Vorausleistung problematisch sei, weil es noch einer weiteren Leistungshandlung (nämlich der Erklärung der Auflassung) bedarf, haben sich bislang nicht durchgesetzt3. (2) Auch beim Bauträgervertrag ist wie allgemein beim Immobilienkaufvertrag denkbar, das Interesse des Verkäufers dahingehend, dass die Auflassung im Grundbuch erst Zug um Zug mit Zahlung des (Gesamt)-Kaufpreises erfolgt, entweder dadurch abzusichern, dass bei Abschluss des Kaufvertrags die Auflassung selbst ausgesetzt und vorbehalten bleibt („materiell-rechtlicher Weg“ oder auch „materiell-rechtliche Lösung“), als auch dadurch, dass die Auflassung zwar bereits im Kaufvertrag erklärt wird, zunächst allerdings nur Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften ohne die Auflassung erteilt werden, verbunden mit einer entsprechenden Notaranweisung („beurkundungsrechtlicher Weg“ bzw. „Kopierlösung“ oder „Ausfertigungssperre“) oder dergestalt, dass – bei ebenfalls bereits im Kaufvertrag erklärter Auflassung – die zur Eigentumsumschreibung erforderliche Bewilligung ausgesetzt wird, verbunden mit einer entsprechenden Notaranweisung und -vollmacht (sog. „Bewilligungslösung“)4. (3) Ob der Bauträger die Eigentumsverschaffung vertraglich auch von der Abnahme abhängig machen kann, ist umstritten.5 Nach der gesetzlichen Ausgangslage schuldet der Bauträger die Eigentumsverschaffung auch dann, wenn die Abnahme noch nicht erfolgt ist.6 (4) Ist die Auflassung im Kaufvertrag bereits mitbeurkundet, bedürfen unbeschadet einer etwa ausgesetzten Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 10 Rz. 23. Orientiert an: Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Kap. 1 § 2 Rz. 108. Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 10 Rz. 6. Zu den Unterschieden bzw. Vor- und Nachteilen der einzelnen Vorgehensweisen: Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 10 Rz. 3 ff. 5 Siehe einerseits Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 10 Rz. 37 (Abhängigkeit ist möglich) und andererseits Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 436 (Abhängigkeit kann bedenklich sein). 6 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 10 Rz. 37. 1 2 3 4
534 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.139 Kap. 3
Eintragungsbewilligung oder einer vereinbarten Ausfertigungssperre spätere Vertragsänderungen (z.B. zu Änderungen hinsichtlich der geschuldeten Bauleistung, zu Sonderwünschen oder zu einer Veränderungen des Kaufpreises) nach der Rechtsprechung des BGH keiner notariellen Beurkundung1. (5) Die getrennte Beurkundung von Bauträgerkaufvertrag und Auflassung („Aussetzung der Auflassung“) löst in der Regel höhere Notargebühren aus, als die anderen vorstehend genannten Verfahren („Ausfertigungssperre“, „Bewilligungslösung“) zur Sicherung des Verkäufers (weil die Beurkundung der Auflassung eine zusätzliche 0,5-Gebühr aus dem Kaufpreis gem. Nr. 21101 KV GNotKG auslöst). Insoweit liegt nach einer Entscheidung des BGH aber kostenrechtlich keine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 21 GNotKG vor (und zwar auch, wenn der Notar die Beteiligten nicht über kostengünstigere andere Gestaltungsmöglichkeiten belehrt)2.
6. Weitere Problemfälle des AGB-Rechts Gemäß § 309 Nr. 5 BGB ist bei Schadenspauschalierungen ein ausdrücklicher Vor- 3.137 behalt erforderlich, dass ein Schaden wesentlich niedriger als vereinbart oder gar nicht entstanden sei. Ferner sollte sprachlich die Schadenspauschale von der Vertragsstrafe abgegrenzt werden. Gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. a, b BGB ist hinsichtlich der Einschränkung von Scha- 3.138 densersatzansprüchen in Bauträgerverträgen stets der Vorbehalt erforderlich, dass Schadensersatzansprüche in keinerlei Hinsicht eingeschränkt werden, soweit sie sich auf grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzungen beziehen oder Schäden an Leben, Körper und Gesundheit des Vertragspartners betreffen. Dabei steht ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen demjenigen des Vertragspartners gleich. Aus Gründen des Transparenzgebotes kann auf eine ausdrückliche Einschränkung des Haftungsausschlusses nicht verzichtet werden; inhaltlich erstrecken kann sich ein Ausschluss der Ansprüche auf Schadensersatz im Anschluss an eine Entscheidung des BGH vom 27.7.2006 wohl nur noch auf Ansprüche wegen Mängeln des Grundstücks, nicht aber auf Ansprüche wegen Mängel der Werkleistung (s. Rz. 3.116 bis 3.117). IV. Nachzüglerverkauf Für den sog. „Nachzüglerverkauf“ (d.h. Verkauf einer bereits vollständig fertiggestell- 3.139 ten Einheit eines Bauträgerobjektes) ist nach Ansicht des BGH3 ebenfalls Werkvertragsrecht anzuwenden4. Die Baubeschreibung ist grundsätzlich mit zu beurkunden, zumindest wenn sie für die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes definierende Wirkung haben soll. Mit der Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts ist zwin1 BGH v. 14.9.2018 – V ZR 213/17, MDR 2018, 1308 = NJW 2018, 3523 = DNotZ 2019, 183 = ZfIR 2018, 789. 2 BGH v. 1.10.2020 – V ZB 67/19, MDR 2021, 454 = RNotZ 2021, 51 = ZfIR 2021, 74. 3 BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = DNotZ 2016, 856 = MittBayNot 2017, 35; v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, MDR 2005, 622 = NJW 2005, 1115 = DNotZ 2005, 464 m. Anm. Basty = ZfIR 2005, 134. 4 Kritisch dazu Kanzleiter, DNotZ 2006, 246 (247); Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Teil 1 § 2 Rz. 39. Vgl. zum Streit auch Hügel, NotBZ 2004, 377 (377).
Leiß 535
Kap. 3 Rz. 3.139 Bauträgerkaufvertrag
gende Voraussetzung für den Beginn der Verjährung die Abnahme; diese Regelung kann nach Ansicht des BGH nicht dahingehend abgeändert werden, dass stattdessen an die Übergabe angeknüpft wird1. Auch das Verbot jeglichen Ausschlusses der Mängelhaftung nach § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. aa BGB findet Anwendung2.
3.140 Sieht der beurkundete Vertrag keine Abnahme vor und wird eine solche nicht durchgeführt, fängt die Verjährung für Mängel gar nicht an zu laufen. Es bleiben dann nur noch der Grundsatz von Treu und Glauben und die Grundsätze der Verwirkung. – Diese Umstände gebieten bei der Vertragsgestaltung besondere Sorgfalt: „Neu“ i.S.d. Bauträgerrechts sind nach der Rechtsprechung des BGH u.U. auch noch seit längerer Zeit fertiggestellte Objekte (z.B. sog. „Restanten“ und Musterwohnungen oder -häuser) mit der Folge, dass auch insoweit (noch) Werkvertragsrecht mit der entsprechend langen Gewährleistung Anwendung findet3. Eine Absage hat der BGH dabei unter Bezugnahme auf § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB auch Gestaltungen erteilt, die darauf hinauslaufen, für den Erwerber des Nachzügler-Kaufs die Gewährleistungsfristen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums dadurch abzukürzen, dass insoweit auf die bereits erfolgte Abnahme durch die früheren Käufer Bezug genommen wird (sog. „Fristenangleichungsklauseln“)4. Die bislang mitunter anzutreffende „Faustregel“, wonach ein leerstehendes Objekt zwei Jahre nach Fertigstellung nicht mehr „neu“ ist, ein bewohntes (und evtl. vermietetes) Objekt in der Regel nach einem Jahr, kann vor dem Hintergrund der gerade zitierten Entscheidungen des BGH vom 25.2.2016 und 12.5.2017 nicht länger uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen5 (enthält z.B. der Bauträgervertrag eine ergänzende Herstellungsverpflichtung, gibt ihm das nach der Entscheidung des BGH vom 25.2.2016 insgesamt das Gepräge eines Werkvertrags, auch wenn z.B. das Gemeinschaftseigentum bereits seit Fertigstellung zwei Jahre in Gebrauch war und nur das vertragsgegenständliche Sondereigentum leer stand)6; Kaufrecht soll nach dieser Rechtsprechung aber zumindest jedenfalls dann zur Anwendung kommen können, wenn das verkaufte Objekt bereits seit drei Jahren fertiggestellt ist und vor dem anstehenden Verkauf vermietet war7.
1 BGH v. 15.4.2004 – VII ZR 130/03, MDR 2004, 933 = NJW-RR 2004, 949 = DNotZ 2004, 786 = ZfIR 2016, 419. Vgl. dazu auch Hügel, NotBZ 2004, 377 f.; zweifelnd insoweit Basty, MittBayNot 2007, 189 (190). 2 Terbrack in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil A Rz. 17. 3 BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 49/15, MDR 2016, 515 = NJW 2016, 1572 = MittBayNot 2016, 503 = ZfIR 2016, 313. 4 BGH v. 12.5.2017 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = DNotZ 2016, 856 = MittBayNot 2017, 35; s. dazu auch Pause, NZBau 2017, 22 ff. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 311 ff. 6 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Teil 1 § 2 Rz. 38. 7 BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 = MittBayNot 2016, 499 ff.; Pause, NZBau 2017, 22 (23): bei Wohnungen, die zwischen zwei und drei Jahre alt sein, müsse nach dem Gebot des „sichersten Weges“ von Werkvertragsrecht ausgegangen werden. Ähnlich auch das Fazit von Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 314: „Verkauft der Bauträger binnen drei Jahren ab Errichtung, so kann man dafür nur den norma-
536 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.142 Kap. 3
V. Baubeschreibung Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann eine AGB-Regelung auch allein deshalb als un- 3.141 angemessene Benachteiligung unwirksam sein, weil sie nicht klar und verständlich ist. Diese Vorschrift zwingt die Beteiligten dazu, ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Baubeschreibung zu richten. Im Grundsatz führen Widersprüche zwischen den Plänen und der Baubeschreibung nicht zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages, wenn die Auslegung eindeutig das Vereinbarte und Gewollte ergibt. Dabei räumt der VII. Senat grundsätzlich der detaillierten Baubeschreibung den Vorrang vor den Bauplänen ein1. Im Übrigen ist bei einer nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksamen Klausel zunächst die Unklarheitenregel anzuwenden, § 305c BGB, wonach bei Unklarheiten der Auslegung diese zu Lasten des Verwenders geht (für den Verbraucherbauträgervertrag ist dies seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts unmittelbar in §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650k BGB geregelt). Ein Rückgriff auf gesetzliche Vorschriften ist hinsichtlich der Baubeschreibung kaum möglich. Die Unwirksamkeitsfolge des § 306 Abs. 3 BGB greift jedoch erst ein, wenn das Festhalten am Vertrag für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der Notar sollte darauf achten, dass die Baubeschreibung klar und detailliert ausge- 3.142 staltet ist, um nicht die Nichtigkeit des ganzen Vertrages zu riskieren (denn eine solche Nichtigkeit hätte u.a. die aus Käufersicht unbedingt zu vermeidende Folge, dass die Eigentumsvormerkung dem Erwerber keinerlei Insolvenzschutz bietet). Gleichzeitig ist jedoch nicht zu verkennen, dass der Notar regelmäßig mangels technischen Sachverstandes die Richtigkeit und technische Sinnhaftigkeit der Baubeschreibung nicht überprüfen und nicht einschätzen kann. Er kann daher lediglich anregen, die geschuldete Leistung so sorgfältig und exakt wie möglich zu beschreiben.2 Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts am 1.1.20183 ergeben sich für den Verbraucherbauträgervertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher aus dem Gesetz Mindestvorgaben für den Inhalt von Baubeschreibungen, diese sind in § 650u Abs. 1 Satz 2, 650j BGB, Art. 249 EGBGB enthalten4. Art. 249 § 2 EGBGB lautet: § 2 Inhalt der Baubeschreibung (1) In der Baubeschreibung sind die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks in klarer Weise darzustellen. Sie muss mindestens folgende Informationen enthalten: 1. allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes oder der vorzunehmenden Umbauten, gegebenenfalls Haustyp und Bauweise,
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len Bauträgervertrag verwenden. Der Bauträger muss also für Mängel am Gemeinschaftseigentum insgesamt fünf Jahre ab der Abnahme durch den Nachzügler einstehen“. BGH v. 5.12.2002 – XI ZR 145/02, MittBayNot 2003, 216. Zu den Prüfungspflichten des Notars bei Beurkundung der Baubeschreibung finden sich Praxishinweise bei Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil B Rz. 192. BGBl. I 2018, 969. Siehe zu den nunmehr geltenden inhaltlichen Vorgaben genauer Karczewski, NZBau 2018, 328 (329).
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Kap. 3 Rz. 3.142 Bauträgerkaufvertrag 2. Art und Umfang der angebotenen Leistungen, gegebenenfalls der Planung und der Bauleitung, der Arbeiten am Grundstück und der Baustelleneinrichtung sowie der Ausbaustufe, 3. Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte, 4. gegebenenfalls Angaben zum Energie-, zum Brandschutz- und zum Schallschutzstandard sowie zur Bauphysik, 5. Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktionen aller wesentlichen Gewerke, 6. gegebenenfalls Beschreibung des Innenausbaus, 7. gegebenenfalls Beschreibung der gebäudetechnischen Anlagen, 8. Angaben zu Qualitätsmerkmalen, denen das Gebäude oder der Umbau genügen muss, 9. gegebenenfalls Beschreibung der Sanitärobjekte, der Armaturen, der Elektroanlage, der Installationen, der Informationstechnologie und der Außenanlagen. (2) Die Baubeschreibung hat verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks zu enthalten. Steht der Beginn der Baumaßnahme noch nicht fest, ist ihre Dauer anzugeben.
3.143 Fehlen in der Baubeschreibung wesentliche Angaben über die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes wie über die Wohnfläche, so können die erkennbaren, einseitigen Vorstellungen des Käufers trotz Nichterwähnung im Vertrag die geschuldete Eigenschaft des Vertragsgegenstandes festlegen1, §§ 650u Abs. 1 Satz 2, 650, Abs. 2 BGB. Dafür hat der Bauträger dann einzustehen. Werden Wohnflächenangaben getätigt2, so sollte die Art und Weise der Berechnung angegeben werden, beispielsweise „berechnet nach der Wohnflächenverordnung in der derzeit gültigen Fassung“. Soweit von besonderen Wahlrechten Gebrauch gemacht wurde (z.B. hinsichtlich der Anrechnung der Flächen von Balkonen und Terrassen), sollte ggf. auch das erläutert werden, um die erforderliche Transparenz zu erreichen. 3.144 Die Baubeschreibung ist nach Ansicht des BGH auch dann mit zu beurkunden, wenn eine Wohnung verkauft wird, die bereits fertiggestellt ist3 (Nachzüglerobjekt, s. Rz. 3.139). VI. Vertragsabschluss mit Angebot und Annahme
3.145 Spaltet sich der Vertragsschluss in Angebot und Annahme auf und geschieht dies im Rahmen eines Verbrauchervertrags, sind die höchstrichterlichen Vorgaben zur Dauer der Bindungs- bzw. Angebotsfrist zu beachten. Wird für eine entsprechende formularmäßige Frist ein zu langer Zeitraum gewählt, droht sie wegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam zu sein (hauptsächlich deshalb, weil nach Auffassung der Rechtsprechung eine unverhältnismäßig lange Schwebezeit den Käufer unzulässig in sei-
1 BGH v. 8.1.2004 – VII ZR 181/02, MittBayNot 2004, 353 = DNotZ 2004, 709. 2 Siehe zu Wohnflächenabweichungen Pauly, MDR 2005, 1204 ff. 3 BGH v. 10.2.2005 – VII ZR 184/04, NJW 2005, 1356 = DNotZ 2005, 467 m. Anm. Basty = MDR 2005, 802; v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, NJW 2005, 1115 = RNotZ 2005, 429 m. Anm. Fabis = MDR 2005, 622; vgl. dazu auch Weber, NJW 2007, 125 (127).
538 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.146 Kap. 3
ner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt)1. In der Folge führt dies zu einem nichtigen Vertrag, der ggf. nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften rückabzuwickeln ist: nach einer Entscheidung des BGH vom 11.6.20102 tritt an die Stelle der nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksamen Frist die „übliche Frist“ nach § 174 Abs. 2 BGB, welche maximal mit vier Wochen zu bemessen sei. Mit Ablauf dieser „üblichen Frist“ erlischt das Angebot nach dieser Rechtsprechung endgültig, so dass es im Ergebnis an einem wirksamen Vertragsschluss fehlt: zwar sei in der vermeintlichen Annahme durch den Klauselverwender ein neuer Antrag zu sehen (§ 150 Abs. 1 BGB), doch habe der ursprünglich Anbietende dieses erneute Angebot mangels Erklärungsbewusstsein nicht durch Vornahme der Vollzugshandlungen (z.B. die Zahlung des Kaufpreises) angenommen. – Für den Käufer dürften die Folgen dieser Rechtsprechung oft weitreichend sein, da die akzessorische Vormerkung in einem solchen Fall keinerlei Wirkungen entfaltet und alle Leistungen des Käufers daher vollständig ungesichert sind; auch eine Absicherung gegen das Insolvenzrisiko fehlt dann3. Nach der gerade angeführten Entscheidung vom 11.6.2010 sind in der Folgezeit 3.146 noch einige weitere für die Vertragsgestaltung beim Bauträgervertrag zu beachtende Entscheidungen des BGH ergangen, diese sind u.a.: – Mit Entscheidung vom 7.6.2013 hat der BGH klargestellt, dass auch ein Angebot, das nach kurzer Bindungsfrist zwar zeitlich unbefristet fortbesteht, allerdings jederzeit widerruflich ist, ebenfalls mit § 308 Nr. 1 unvereinbar ist4. Diese Gestaltung, die zwei Zeiträume unterschied – (a) einen vergleichsweise kurzen Zeitraum, für den der Verbraucher unwiderruflich an sein Angebot gebunden ist und (b) einen längeren, möglicherweise sogar unbefristeten Zeitraum, für den das Angebot zwar wirksam bleiben sollte, der Verbraucher es aber jederzeit durch einseitige Erklärung hinfällig machen (widerrufen) konnte – war in der Literatur verbreitet als zulässige, durch die Entscheidung vom 11.6.2010 nicht ausgeschlossene Gestaltungsvariante verstanden worden („Bindungsfrist/Annahmefrist-Modell“, so auch die 1. Auflage in Rz. 3.83). – Im Sachverhalt, der der Entscheidung vom 7.6.2013 zugrunde lag, war die Annahme (im Unterschied zur Bindungswirkung) an keinerlei zeitliche Frist gebunden. In der Literatur wird teilweise erwogen, ob die Interessen der Beteiligten anders zu werten seien, wenn (auch) die Annahmefrist zeitlich befristet wird (z.B. auf einen Zeitraum von drei bis vier Monaten, sog. „befristetet Forstsetzungsklausel“)5. – Gegen eine solche Gestaltung erhebt der BGH in seinem Urteil vom 7.6.2013 aber ebenfalls Bedenken (obiter dictum in Tz. 26 der Entscheidung)6.
1 BGH v. 27.9.2013 – V ZR 52/12, NJW 2014, 854, Tz. 10. 2 BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873; Zusammenfassung entnommen bei Herrler, DNotZ 2013, 887 (889). 3 Weber, NJW 2007, 125 (127). 4 BGH v. 7.6.2013 – V ZR 10/12, DNotZ 2013, 923. 5 Herrler, DNotZ 2013, 887 (900 ff.). 6 BGH v. 7.6.2013 – V ZR 10/12, DNotZ 2013, 923 (929).
Leiß 539
Kap. 3 Rz. 3.146 Bauträgerkaufvertrag
– In einer Entscheidung vom 27.9.2013 hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass seine Entscheidungen vom 11.6.2010 und 7.6.2013 auch auf den Bereich des finanzierten und beurkundeten Bauträgervertrages anwendbar sind1. – Klargestellt hat der BGH zwischenzeitlich weiter2, dass eine Bindungsfrist von sechs Wochen oder länger die regelmäßige gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB von vier Wochen in wesentlicher Weise überschreitet. Eine solche Bindungsfrist verstößt also als unangemessen lange Frist gegen § 308 Nr. 1 BGB, wenn nicht der Bauträger und Klauselverwender hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter dem das Interesse des Kunden an dem baldigen Wegfall der Bindung zurückstehen muss (zum schutzwürdigen Interesse s. auch Rz. 3.147 f.).
3.147 Angesichts insbesondere der BGH-Entscheidungen vom 7.6.2013 und vom 27.9.2013 wird der noch in der Erstauflage empfohlene Weg, zwischen kurzer Bindungsfrist und längerer Angebotsfrist zu unterscheiden, keine taugliche Empfehlung mehr sein. Jedenfalls das Gebot des sichersten Weges legt stattdessen nahe, auf Bindungsoder Angebotsfristen, die sechs Wochen oder mehr betragen, zu verzichten3. Ausnahmen sind nur noch dort möglich, wo es sich nicht um eine formularmäßig vorgegebene Regelung handelt. Auch kann im Einzelfall ein sachlicher Grund gegeben sein, der eine längere Frist geboten erscheinen lässt4. Ob dafür allerdings allein das sog. „Platzierungsinteresse“ des Bauträgers ausreichend ist, muss angesichts der Entscheidung vom 27.9.2013 ebenfalls bezweifelt werden5 (entsprechendes gilt wohl auch hinsichtlich einer noch ausstehenden Klärung der baurechtlichen Zulässigkeit)6. Verbreitet anerkannt ist demgegenüber, dass eine längere Bindungsfrist in der Regel wirksam vereinbart werden kann, wenn der Klauselverwender ein Bindungsentgelt bezahlt7. 3.148 Als Alternative wird auch erörtert, einen wirksamen Vertrag abzuschließen und dem Verkäufer lediglich ein Rücktrittsrecht einzuräumen8. Der Vorteil dieser Gestaltung besteht darin, dass die sofort erklärte oder später erklärte Auflassung zweifelsfrei wirksam ist. Es kann damit keinen Zweifel an der Wirksamkeit des späteren Eigen-
1 BGH v. 27.9.2013 – V ZR 52/12, DNotZ 2014, 41, Tz. 12. 2 BGH v. 17.1.2014 – V ZR 5/12, DNotZ 2014, 358; zusammengefasst nach Scheibengruber, notar 2015, 86. 3 So im Ergebnis – trotz seines Plädoyers für die Zulässigkeit „befristeter Fortsetzungsklauseln“ im Rahmen des Bindungsfrist-/Annahmefrist-Modells – auch Herrler, DNotZ 2013, 887 (904). Siehe auch Scheibengruber, notar 2015, 86. 4 BGH DNotZ 2013, 923 (924 f.), Tz. 10; v. 17.1.2014 – V ZR 5/12, DNotZ 2014, 358. 5 In Tz. 12 der genannten Entscheidung vom 27.9.2013 – V ZR 52/12, MDR 2014, 148 = DNotZ 2014, 41 lehnt der BGH das ausdrücklich ab; zweifelnd auch Herrler, DNotZ 2013, 887 (906 ff.). Blank, DNotZ 2014, 166 (169) hält – wenn das Platzierungsinteresse in der Angebotsurkunde offengelegt wird – eine Bindungsfrist von bis zu drei Monaten möglich, so auch Schulz, NotF Bauträgerrecht § 5 Rz. 18. 6 Herrler, DNotZ 2013, 887 (908). 7 Herrler, DNotZ 2013, 887 (905). 8 Herrler, DNotZ 2013, 887 (911). Entsprechende Gestaltungen schlägt auch der BGH in seiner Entscheidung vom 27.9.2013 – V ZR 52/12, DNotZ 2014, 41, Tz. 17 vor.
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B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.149 Kap. 3
tumserwerbs des Käufers geben. Der Nachteil für den Verkäufer ist jedoch, dass bei einem geringfügigen Überschreiten der noch zulässigen Frist das Rücktrittsrecht bereits erloschen wäre und damit ein Rücktritt des Bauträgers ins Leere ginge (s. §§ 308 Nr. 3, 306 Abs. 2 BGB). Nachteilig ist ferner, dass die Grunderwerbsteuer sofort und unabhängig von dem späteren Rücktritt fällig wird, obwohl die Realisierung des Projektes noch ungewiss ist. – Bei Ausübung des Rücktrittsrechts wird allerdings die Grunderwerbsteuer unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erstattet. Wer das Rücktrittsmodell befürwortet, urteilt in der Regel zugleich dahingehend, dass die Nichterteilung der für das geplante Bauvorhaben erforderlichen Baugenehmigung einen statthaften Rücktrittsgrund i.S.d. § 308 Nr. 3 BGB darstellt und dieser Grund unter Umständen auch längere Bindungsfristen von bis zu sechs (bzw. neun) Monaten rechtfertigen könne1. Weniger eindeutig ist die Meinungslage zum Platzierungsinteresse2. Überzeugend ist in diesem Zusammenhang jedenfalls der Vorschlag, umso strenger Maßstäbe an den sachlichen Grund für das vorgehaltene Rücktrittsrecht zu stellen, je länger die beabsichtige Bindungsfrist dauern soll3. VII. Abnahme des Gemeinschaftseigentums Der Käufer einer Eigentumswohnung erwirbt im Rahmen des Bauträgervertrages 3.149 nicht nur das Sondereigentum, sondern auch einen Anteil am Gemeinschaftseigentum. Die Abnahme (§ 640 BGB) des Gemeinschaftseigentums hat daher grundsätzlich durch jeden Käufer zu erfolgen; es handelt sich insoweit um eine aus dem Bauträgervertrag folgende, individualrechtliche Pflicht4. Dies wirft gerade bei großen Wohnanlagen erhebliche praktische Schwierigkeiten auf (z.B. wegen des dann möglicherweise sehr unterschiedlichen Beginns der Verjährungsfristen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums für die einzelnen Käufer). Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden (und um stattdessen eine gemeinsame und gleichzeitige Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu erreichen), wurde bei der Gestaltung von Bauträgerverträgen verbreitet mit Abnahmevollmachten (zugunsten eines Vertreters, der für alle Käufer gemeinsam spricht) gearbeitet, die allerdings rechtlichen Beschränkungen aus dem AGB-Recht unterliegen5. Da eine unwirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums für den Bauträger mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken verbunden ist (s. Rz. 3.154), gleichzeitig aber zu den erforderlichen Voraussetzungen für eine wirksame Abnahmevollmacht zugunsten eines gemeinsamen Vertreters der Wohnungseigentümer zahlreiche rechtliche Streitfragen bestehen (s. Rz. 3.151 f.), ist mitt1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 28; Herrler, DNotZ 2013, 887 (914 f.). 2 Einen hinreichenden sachlichen Grund bejaht insoweit Herrler, DNotZ 2013, 887 (915 f.); Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 227; ähnlich: Blank, DNotZ 2014, 166 (173); ablehnend Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 4 Rz. 27. 3 Herrler, DNotZ 2013, 887 (913). 4 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3, Rz. 301; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 595. 5 BGH v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12, ZNotP 2013, 344 f. (Abnahmevollmacht an einen vom Bauträger selbst bestimmten Erstverwalter ist unwirksam).
Leiß 541
Kap. 3 Rz. 3.149 Bauträgerkaufvertrag
lerweile häufig die Empfehlung anzutreffen, jedenfalls in kleineren Anlagen auf eine einheitliche Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen gemeinsamen Vertreter der Käufer zu verzichten und anstelle dessen das gesamte Objekt (hinsichtlich von Sonder- und Gemeinschaftseigentum) von jedem Käufer individuell abnehmen zu lassen1.
3.150 Praxishinweis: Diese Vorgehensweise vermeidet auch diejenigen Unsicherheiten, die infolge der WEG-Novelle 2007 in Stellungnahmen zum Bauträgerrecht dahingehend aufgekommen sind, dass teilweise – anders als in Rz. 3.149 ausgeführt – die Zuständigkeit für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht bei den einzelnen Wohnungseigentümern verortet wird, sondern bei der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband2: haben insgesamt alle Eigentümer das Gemeinschaftseigentum abgenommen, kann es keinen Unterschied machen, „unter welchem Hut“ sie dabei gesprochen haben. In einer Entscheidung des BGH vom 12.5.2016 zum sog. „Nachzügler-Kauf“ hat das Gericht eine Klausel, wonach der Käufer die zum Zeitpunkt seines Kaufabschlusses bereits erfolgte von der Gemeinschaft veranlasste Abnahme des Gemeinschaftseigentums gegen sich gelten lassen solle, für unwirksam erklärt3. Daraus wird abgeleitet, in der Vertragsgestaltung künftig nicht mehr auf eine Vergemeinschaftung der Abnahme zu setzen4; die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Befugnis zur Abnahme auch nicht durch Beschluss an sich ziehen5. Das am 1.1.2018 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts hat zur Frage der Gestaltung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums keine inhaltlichen Änderungen gebracht; solche ergeben sich – soweit bislang ersichtlich – auch nicht aus der am 1.12.2020 in Kraft getretenen WEG-Reform 2020 („Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und der Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG)“); insbesondere hat auch das WEMoG keine unmittelbar im Gesetz verankerte Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums gebracht (siehe § 9a Abs. 2 WEG n.F.)6.
3.151 Als mögliche Bevollmächtigte (bzw. „gemeinsame Vertreter“) kommen grundsätzlich in Betracht: der WEG-Verwalter, ein Bausachverständiger bzw. Architekt, ein Rechtsanwalt oder der Verwaltungsbeirat der WEG-Gemeinschaft. Die betreffenden Vereinbarungen dürfen den Erwerber aber nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 BGB) und müssen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB standhalten7. Die Bestellung des Verwalters als Bevollmächtigter ist nach wohl h.M. beispielsweise dann gem. § 307 BGB unwirksam, wenn er mit dem Verkäufer wirtschaftlich verflochten oder sonst nur eingeschränkt zur freien Meinungsbildung in der Lage ist; unzulässig ist nach dieser 1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3, Rz. 303; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle5, Rz. 595; Scheibengruber, notar 2014, 84 (85). 2 Siehe dazu ausführlich: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle5, Rz. 596. 3 BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = DNotZ 2016, 856 = MittBayNot 2017, 35. 4 Cramer, MittBayNot 2017, 41 ff.; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 596b. 5 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 596b (noch zur Rechtslage vom dem WEMoG 2020). 6 Wobst, MittBayNot 2021, 1 (9;) BeckOK BGB/Hügel, § 9a WEG Rz. 26. 7 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 598.
542 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.152 Kap. 3
Ansicht auch eine Klausel, die es dem Bauträger überlässt, den betreffenden Sachverständigen auszuwählen und zu beauftragen1. Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Klausel im Bauträgervertrag, die dem Verkäufer die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen mit ihm wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter ermöglicht, gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt2. – In der Literatur werden zudem Bedenken gegen eine Gestaltung erhoben, wonach der Bevollmächtigte bereits im Erwerbsvertrag bestimmt wird: auch hier stünde das Auswahlrecht faktisch nur dem Bauträger zu und finde eine Willensbildung des Käufers nicht statt3. – Als grundsätzlich zulässige Regelung wird es demgegenüber angesehen, in den Erwerbsverträgen jeweils zu vereinbaren, dass die erste Eigentümerversammlung (ggf. der sog. „werdenden Eigentümergemeinschaft“) über die Auswahl und Bestellung des gemeinsamen Bevollmächtigten beschließt4. Die Abnahme-Vollmacht zugunsten eines auf diese Weise ausgewählten Vertreters darf nach verbreiteter Auffassung jedoch nicht unwiderruflich ausgestaltet sein; sie hätte sonst verdrängenden Charakter und würde für den Käufer darauf hinauslaufen, seine Befugnis, die Abnahme selbst zu erklären bzw. zu verweigern, endgültig aufzugeben5. Umstritten ist auch, ob in entsprechenden Abnahmevollmachten ein Verstoß gegen 3.152 das Rechtsdienstleistungsgesetz zu sehen ist. Nach hier vertretener Auffassung ist ein solcher Verstoß jedoch zu verneinen6. Für die Anwendbarkeit des RDG spricht zwar, dass die Prüfung der Vertragsgemäßheit – nicht nur der technischen Korrektheit – eine Überprüfung anhand der Vorgaben des jeweiligen Vertrages erfordert; jedenfalls dem Verwalter ist die Mitwirkung an der Abnahme aber wohl aus § 5 Abs. 2 Nr. 2 RDG gestattet. Für den Sachverständigen lässt sich vertreten, dass die rechtliche Abnahmeerklärung im Verhältnis zum Aufwand, den die technischen Be-
1 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 598; kritisch dazu aber Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 303. 2 Gegenstand dieser Entscheidung war folgende Regelung: „Für das Gemeinschaftseigentum findet im Regelfall eine gesonderte Abnahme statt. Der Käufer bevollmächtigt unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, und zwar jeden für sich allein, den nachgenannten vereidigten Sachverständigen, den nach dem Wohnungseigentumsgesetz für das Kaufobjekt bestellten Verwalter sowie den Verwaltungsbeirat mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Das Gemeinschaftseigentum ist somit abgenommen, wenn entweder alle Käufer oder anstelle von Käufern der Sachverständige oder der Verwalter oder der Verwaltungsbeirat das Gemeinschaftseigentum abnimmt“: BGH v. 12.9.2013 – VII ZR 308/12, ZNotP 2013, 344 f. 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 598. 4 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 303; zweifelnd: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 599 f. 5 OLG Stuttgart v. 31.3.2015 – 10 U 46/14, RNotZ 2015, 416; Blank, DNotZ 2014, 166 (177); Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 303; Scheibengruber, notar 2014, 84 (85). 6 So im Ergebnis auch: Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 304; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 598f; s. auch OLG München v. 3.8.2006 – 19 U 5567/05, MittBayNot 2007, 116; a.A. Häublein, DNotZ 2002, 608 (627).
Leiß 543
Kap. 3 Rz. 3.152 Bauträgerkaufvertrag
urteilung erforderlich macht, eine eher untergeordnete Tätigkeit darstellt, so dass sie gem. § 5 Abs. 1 RDG als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsfeld des Sachverständigen gestattet ist1.
3.153 Als Alternativlösung zur Abnahmevollmacht wird in der Literatur auch diskutiert, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Beschluss der Wohnungseigentümer oder einer sog. „Käuferversammlung“ vornehmen zu lassen2. Geht man mit dem jedenfalls bislang herrschenden Verständnis (s. jedoch Rz. 3.150) davon aus, dass insoweit keine gesetzliche Zuständigkeit bzw. Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, könnte sie aber möglicherweis jedenfalls in der Gemeinschaftsordnung entsprechend vorgesehen bzw. eingeräumt werden. Jedoch ist zu dieser Gestaltung ungeklärt, ob nicht für den Käufer eine unangemessene Benachteiligung darin liegt, dass er darauf angewiesen ist, den Abnahmebeschluss anzufechten, wenn er (anders als die Mehrheit der Eigentümer) das Gemeinschaftseigentum noch nicht für abnahmefähig hält. Da – soweit ersichtlich – auch eine Absicherung dieser Lösung durch die Rechtsprechung fehlt, lässt sich dieser Lösungsweg deshalb wohl nur schwer als zuverlässige Gestaltungsform empfehlen3; zusätzliche Zweifel säht an dieser Lösung die Entscheidung des BGH v. 12.5.20164 – VII ZR 171/15 aus der geschlossen wird, dass Abnahme des Gemeinschaftseigentums weder durch die Teilungserklärung in die Kompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen werden kann noch von der Gemeinschaft durch Beschluss an sich gezogen werden kann5 (s. Rz. 3.150). 3.154 Mit der Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts auf den Bauträgervertrag ist zwingende Voraussetzung für den Beginn der Verjährung die Abnahme; diese Regelung kann nach Ansicht des BGH nicht dahingehend abgeändert werden, dass stattdessen an die Übergabe angeknüpft wird6. 3.155 Praxishinweis: Sollen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum (bzw. bestimmte Teile des Gemeinschaftseigentums) zeitlich getrennt abgenommen werden (z.B. hinsichtlich von Außenanlagen), muss dies im Bauträgervertrag ausdrücklich vereinbart sein. Sonst besteht kein Anspruch des Bauträgers auf entsprechende Teilabnahmen: ist im Bauträgervertrag nichts anderes vereinbart, kann der Verkäufer die Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum nur zusammen (in einem Vorgang) verlangen und kann umgekehrt der Erwerber die Abnahme so lange verweigern, bis auch das Gemeinschaftseigentum abnahmereif ist7.
Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 598f. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 305 ff. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 308. BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = DNotZ 2016, 856 = MittBayNot 2017, 35. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 306. 6 BGH v. 15.4.2004 – VII ZR 130/03, DNotZ 2004, 786 = MDR 2004, 933 = NotBZ 2004, 395. Vgl. dazu auch Hügel, NotBZ 2004, 377 f. 7 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 594.
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544 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.158 Kap. 3
Nach einem Vorschlag von Hertel1 ist bei größeren Anlagen für die Abnahme des 3.156 Gemeinschaftseigentums zwischen der technischen und rechtlichen Abnahme zu unterscheiden: die technische Abnahme geschieht durch den Verwalter, der unter Hinzuziehung eines Sachverständigen eine Begehung vornimmt und darüber ein Protokoll erstellt; die rechtliche Abnahme geschieht dann jedoch individuell und durch jeden Käufer einzeln, indem der Käufer (im Rahmen der Begehung oder nach Erhalt des Protokolls) sein Einverständnis erklärt. Der betreffende Formulierungsvorschlag2 lautet:
3.157
M41 Abnahme (1) Sondereigentum Nach bezugsfertiger Herstellung ist das Sondereigentum hinsichtlich des dann erreichten Bautenstandes abzunehmen. Später durchgeführte Arbeiten sind nach vollständiger Fertigstellung abzunehmen. Ggf. kann zugleich das Gemeinschaftseigentum abgenommen werden, soweit es im Bereich der betreffenden Sondereigentumseinheit liegt. Bei der Abnahme erfolgt eine gemeinsame Besichtigung des Vertragsobjekts. Darüber ist ein von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnendes Abnahmeprotokoll anzufertigen. Darin sind alle vom Erwerber gerügten Mängel und ausstehenden Leistungen aufzunehmen. Andere Formen der Abnahme sind damit nicht ausgeschlossen. Der Notar wies insbesondere auf die gesetzliche Regelung des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB hin. Danach steht es der Abnahme gleich, wenn der Erwerber das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Bauträger bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
(2) Gemeinschaftseigentum Zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt zunächst eine technische Abnahme durch Begehung mit dem Verwalter unter Zuziehung eines externen Bausachverständigen (voraussichtlich Firma […]). Alle Erwerber werden zwei Wochen vorab verständigt und können daran teilnehmen. Jeder Erwerber erhält eine Abschrift des Abnahmeprotokolls. Die rechtlich für den einzelnen Erwerber bindende Abnahme erfolgt dann entweder auf Grundlage dieses Abnahmeprotokolls des Verwalters (sei es bei der Begehung oder später) oder durch eine gesonderte Abnahme, etwa im Rahmen der Abnahme des Sondereigentums.
Mit besonderen rechtlichen Problemen ist die Geltendmachung von Ansprüchen 3.158 wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum verbunden3. Grundsätzlich kann zwar
1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 309 ff. 2 Entnommen bei Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 2. 3 Siehe Köhler, MDR 2005, 1148 ff.; Hügel, NotBZ 2004, 377; Pause/Vogel, NJW 2006, 3670; BGH v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1 = MDR 2007, 207 = NJW 2006, 3275 =
Leiß 545
Kap. 3 Rz. 3.158 Bauträgerkaufvertrag
jeder einzelne Käufer seine Rechte auf Herstellung mangelfreien Eigentums selbst geltend machen; Grenzen können sich aber ergeben, soweit dadurch gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Bauträgers beeinträchtigt werden1. Beispielsweise droht dem Verkäufer die Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme, wenn ein Teil der Käufer wegen eines Mangels am Gemeinschaftseigentum mindert, die übrigen Erwerber sich aber doch für die Nachbesserung entscheiden; aus dem Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung kann außerdem eine Abstimmung der Mängelansprüche innerhalb der Gemeinschaft geboten sein. Verbreitet wird deshalb nach unterschiedlichen Gruppen von Ansprüchen unterschieden, die Hertel – für die Rechtslage noch vor Inkrafttreten des WEMoG 2020 – wie folgt zusammenfasst2: – Rechte auf Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung, kleiner Schadensersatz); sie können von den Wohnungseigentümern nur gemeinsam geltend gemacht werden3 (sog. „geborene Zuständigkeit“4 der Wohnungseigentümergemeinschaft i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F.); – Ansprüche auf Nacherfüllung sowie Kostenvorschuss bzw. Aufwendungsersatz für das Selbstbeseitigungsrecht; diese Ansprüche kann die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen5. Ohne eine solchen Beschluss verbleibt es dabei, dass der einzelne Wohnungseigentümer diese Rechte geltenden machen kann (für den Kostenvorschuss gerichtet auf Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft); sog. „gekorene Zuständigkeit“ der Gemeinschaft i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F.6; – Rechte auf Rückgängigmachung des Erwerbsvertrags (Wandelung/Rücktritt oder großer Schadensersatz); diese Rechte verbleiben ausschließlich dem jeweiligen Erwerber7 und es hat die Wohnungseigentümergemeinschaft insoweit keine Beschlusskompetenz; sog. „Exklusiv-Individualrechte“8. Ob sich aufgrund des WEMoG 2020 und der damit verbundenen Aufhebung von § 10 Abs. 6 WEG a.F. und der Neufassung der „Aufgabenzuweisung“ an die Woh-
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DNotZ 2007, 23 = MittBayNot 2007, 204; v. 21.7.2005 – VII ZR 304/03, MDR 2005, 1343 = NJW-RR 2005, 1472 = ZfIR 2005, 734; v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 = MDR 2007, 1006 = NJW 2007, 1952 = DNotZ 2007, 939. Vgl. Wenzel, NJW 2007, 1905 ff. Siehe auch zu entsprechenden Problemen einer Bürgschaft nach § 7 MaBV BGH v. 12.4.2007 – VII ZR 50/06, NJW 2007, 1957 = MDR 2007, 830 = NotBZ 2007, 208. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 339 ff. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 343. Anderes kann aber gelten (d.h. die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht zuständig), wenn es um eine gebrauchte Wohnung geht und der Vertrag nicht dem Werkvertragsrecht, sondern ausschließlich dem Kaufrecht untersteht: BGH v. 24.7.2015 – V ZR 167/14, NJW 2015, 2874 – zusammengefasst nach Pause, NZBau 2017, 22 (25). So die Klassifizierung bei Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 892. Siehe beispielsweise BGH v. 6.3.2014 – VII ZR 266/13, NJW 2014, 1377 (1379). So die Klassifizierung bei Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 892. BGH v. 6.3.2014 – VII ZR 266/13, MDR 2014, 519 = NJW 2014, 1377 (1379). Begriff aus Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Teil 1 § 2 Rz. 287.
546 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.160 Kap. 3
nungseigentümergemeinschaft in § 9a Abs. 2 WEG n.F. eine Veränderung vorstehend geschilderter, von der Rechtsprechung entwickelter Grundsätze ergibt (z.B. weil § 9a Abs. 2 WEG keine „gekorene Ausübungsbefugnis“ der Wohnungseigentümergemeinschaft mehr kennt1), ist bislang offen; erste Stellungnahmen gehen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung davon aus, dass dies vom Gesetzgeber jedenfalls nicht beabsichtigt war2.
3.159
Praxishinweis: Wird eine Wohnung erst deutlich später als die übrigen verkauft (sog. „Nachzügler“), muss der betreffende Käufer eine etwa bereits erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht ohne weiteres gegen sich gelten lassen: auch für einen solchen Nachzügler bestehen die diesbezüglichen Rechte und Pflichten auf der individualvertraglichen Grundlage des betreffenden Bauträgerkaufvertrags. Wirtschaftlich würden damit die Verjährungsfristen für das Gemeinschaftseigentum erst mit der Abnahme durch den letzten Nachzügler beginnen. Nach umstrittener Ansicht (Bedenken bestehen aus § 309 Nr. 8 Buchst. b BGB) sollte es insoweit aber zulässig sein, die Mängelverjährungsfristen hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums dergestalt zu verkürzen, dass ein Gleichlauf mit denjenigen Fristen erreicht wird, die für die anderen Erwerber gelten. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH wird solches aber nurmehr insoweit zulässig sein, als für den Nachzügler-Kauf statt Werkvertragsrecht Kaufrecht zur Anwendung kommt und es also keiner Abnahme bedarf (s. dazu mit Nachweisen Rz. 3.139).
VIII. Sonderwünsche Hinsichtlich Sonderwünschen3 ist zu differenzieren: Bestehen Sonderwünsche be- 3.160 reits im Zeitpunkt der Beurkundung des Bauträgervertrages, so fallen auch diese Vereinbarungen unter § 311b BGB. Ihre Mitbeurkundung ist zwingend vorgeschrieben. Eigentliche Sonderwünsche sind mithin nur solche Vereinbarungen, die nach der Beurkundung des notariellen Bauträgervertrages auftreten. Insoweit ist nach überwiegender Meinung hinsichtlich der Beurkundungspflicht zu differenzieren: Ist die Auflassung bereits im Bauträgerkaufvertrag mitbeurkundet worden, so bedarf die Vereinbarung von Sonderwünschen keiner notariellen Beurkundung mehr4. Ist die Auflassung noch nicht mitbeurkundet worden, so bedarf die Vereinbarung von Sonderwünschen als nachträgliche Vertragsänderung auch dann der notariellen Beurkundung, wenn die Änderungen nur unwesentlich sind5. Teilweise wird deshalb empfohlen, die Auflassung im Bauträgerkauf mitzubeurkunden, damit die Beteiligten formfrei entsprechende Sonderwünsche vereinbaren können6.
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BeckOK BGB/Hügel, § 9a WEG Rz. 31. Wobst, MittBayNot 2021, 1 (8); BeckOK BGB/Hügel, § 9a WEG Rz. 26. Siehe Drasdo, NJW-Spezial 2005, 241 f. BGH v. 14.9.2018 – V ZR 213/17, DNotZ 2019, 183. BGH v. 9.11.1995 – V ZR 36/95, NJW 1996, 452; v. 28.9.1984 – V ZR 43/83, DNotZ 1985, 284; s. auch Blank, NotBZ 2006, 126 (127). 6 Blank, NotBZ 2006, 126 (127); Vogel in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 61.
Leiß 547
Kap. 3 Rz. 3.161 Bauträgerkaufvertrag
3.161 Im Jahre 2001 hat der BGH1 ein ungewöhnliches Urteil diesbezüglich gefällt. Die nachträgliche formlose Vereinbarung eines Rücktrittsrechts zu einem Kaufvertrag sei dann formlos wirksam und nicht aufgrund Verstoßes gegen §§ 125, 311b BGB unwirksam, wenn der Vorgang, der zu der nachträglichen Vereinbarung geführt habe, im Zeitpunkt der Beurkundung unvorhergesehen gewesen sei. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es darum, dass die Käufer aufgrund einer unerwarteten und nach Kaufvertragsabschluss entdeckten Schwangerschaft erheblichen Wert auf eine frühzeitige Fertigstellung des Objektes legten. Für den Fall der Nichteinhaltung eines bestimmten Fertigstellungstermins wurde nachträglich ein Rücktrittsrecht vereinbart. In dem Zeitpunkt der Vereinbarung war die Auflassung noch nicht beurkundet worden. Dieses Urteil ist im Ergebnis wohl nur daraus zu verstehen, dass dem BGH jede andere Entscheidung gegenüber den Käufern unbillig erschienen wäre, und lässt sich deshalb vermutlich nicht verallgemeinern. In einem früheren Urteil hatte der BGH bezüglich eines nachträglichen Rücktrittsrechtes jedenfalls noch anders entschieden2. 3.162 Sonderwünsche werden regelmäßig im Bauträgervertrag in der Weise geregelt, dass der Bauträger eine Verpflichtung ausschließt, spätere Sonderwünsche auszuführen (ein gesetzlicher Anspruch auf eine nachträgliche Berücksichtigung von Sonderwünschen besteht beim Bauträgervertrag grundsätzlich nicht, weil § 650u Abs. 2 BGB die Anwendung von § 650b BGB ausschließt). Der Bauträger behält sich i.d.R. vor, Sonderwünsche selbst nachträglich zu übernehmen (teilweise auch „BauträgerSonderwunschvertrag“3 genannt) und gestattet dem Käufer meist, Sonderwünsche nur in Absprache mit dem Bauträger an die Handwerker des Bauträgers zu vergeben („Handwerker-Sonderwunschvertrag“4), nicht aber an fremde Handwerker. Denn die Arbeiten mehrerer unterschiedlicher Handwerker am gleichen Gewerk können zu komplizierten Fragen einer Mängelhaftung führen, weil meist jeder Beteiligte die Schuld dem anderen zuschieben möchte. Ferner möchte der Bauträger keine Haftung dafür übernehmen, wenn die Gesamtfertigstellung sich nur deshalb verzögert, weil der Käufer im Verlauf der Bauphase Sonderwünsche ausführen lässt und dadurch Verzögerungen eintreten, die der Käufer oder dessen von ihm eingeschalteten Handwerker auslösen. 3.163 Eine vollständige Freizeichnung des Bauträgers für Gewerke, die der Käufer als Sonderwunsch an Handwerker des Bauträgers vergibt, wird von Rechtsprechung jedoch zu Recht nicht anerkannt. Denn die Rechtsprechung geht von einer Koordinierungspflicht des Bauträgers bezüglich der direkt beauftragten Sonderwünsche des Käufers aus. Die Koordinierungspflicht bezieht sich auf die Verbindungs- bzw. Schnittstelle zwischen dem Grundgewerk des Bauträgers und dem Sonderwunsch
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BGH v. 5.4.2001 – VII ZR 119/99, DNotI-Report 2001, 92. Vgl. BGH v. 8.4.1988 – V ZR 260/86, DNotZ 1989, 228 f. Vogel in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 63. Vogel in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 65 ff.
548 Leiß
B. Grundsätzliches zur Vertragsgestaltung
Rz. 3.166 Kap. 3
und begründet eine Verantwortlichkeit des Bauträgers für das störungsfreie Funktionieren beider Bestandteile im Rahmen des Gesamtgewerks1. IX. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Notarielle Urkunden enthielten lange Zeit auch in Bauträgerkaufverträgen eine 3.164 Zwangsvollstreckungsunterwerfung hinsichtlich des Kaufpreises unter Nachweisverzicht. Dies wurde teils unter dem Gesichtspunkt der Beweislastumkehr als unzulässige Beweislastverschiebung im Klauselerteilungsverfahren nach § 726 ZPO angesehen, teils als Verstoß gegen die Fälligkeitsregel des § 3 Abs. 2 MaBV mit der Folge der Nichtigkeit gem. § 134 BGB. Der BGH2 hat dazu schon mit Urteil vom 22.10.1998 entschieden: Unterwirft sich ein Erwerber in einem Bauträgervertrag der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen, so ist diese Erklärung gem. §§ 3, 12 MaBV i.V.m. § 134 BGB nichtig, wenn der Notar ermächtigt ist, die Vollstreckungsklausel ohne besonderen Nachweis zu erteilen. Nach der genannten Entscheidung darf der Notar also im Bauträgervertrag eine 3.165 Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit Verzicht des Käufers auf den Nachweis des Baufortschritts nicht beurkunden. Würde hingegen auf den Baufortschritt abgestellt, ginge eine entsprechende Klausel ebenfalls ins Leere, da der Nachweis des Baufortschritts kaum in der für das Klauselverfahren erforderlichen (öffentlichen) Form geführt werden kann (nicht ausreichend ist es beispielsweise3, den Baufortschritt durch die Erklärung eines Architekten oder Bauleiters nachzuweisen). Einziges Ziel einer solchen Regelung kann dann nur die Verlängerung der Verjährung des Zahlungsanspruchs des Bauträgers sein (§ 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB: 30 Jahre). Ob dies mit § 307 BGB vereinbar ist, ist zweifelhaft: möglich wäre auch, unmittelbar eine Verlängerung der Verjährungsfrist zu vereinbaren, beispielsweise durch Klarstellung, dass die Ansprüche des Käufers auf Übereignung und Herstellung einerseits und der Zahlungsanspruch des Verkäufers andererseits jeweils gem. § 196 mit zehnjähriger Frist verjähren (s. Rz. 3.90). Die vorstehenden Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BGH auch (au- 3.166 ßerhalb des Anwendungsbereichs der MaBV) bei Beurkundung eines Bauwerkvertrages mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung und Nachweisverzicht (arg. ex. § 307 Abs. 2 BGB)4.
1 OLG Hamm v. 19.9.2006 – 21 U 44/06, DNotZ 2007, 291 (292) m. Anm. Pause; Vogel in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 69. 2 BGH v. 22.10.1998 – VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387 = MDR 1999, 32 = DNotZ 1999, 53 = ZfIR 1998, 749. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 272. – Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 33 Rz. 100 hält die sog. „Gutachterlösung“ (d.h. Nachweis des Baufortschritts durch einen von der Industrie- und Handelskammer bestellten Gutachter) jedoch weiter für zulässig. 4 BGH v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, MDR 2002, 27 = NJW 2002, 138 = DNotZ 2002, 878 = ZfIR 2001, 976.
Leiß 549
Kap. 3 Rz. 3.167 Bauträgerkaufvertrag
X. Schiedsgutachter- und Schiedsgerichtsklausel
3.167 Die in einem Bauträgervertrag vereinbarte Schiedsklausel, wonach sämtliche Streitigkeiten durch einen vereidigten Sachverständigen als Schiedsgutachter verbindlich für beide Parteien entschieden werden sollen, ist nach Auffassung des OLG Köln1 gem. § 307 BGB unwirksam. Der BGH2 nimmt ebenfalls an, eine Schiedsgutachterklausel könne beide Vertragsteile entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 3.168 Die unangemessene Benachteiligung durch Schiedsgutachterklauseln beruht nach dieser Rechtsprechung jedoch im Wesentlichen darauf, dass die gerichtliche Überprüfbarkeit aufgrund § 319 BGB eingeschränkt ist. Insofern wird die Verwendung von Schiedsgutachterklauseln auch weiterhin statthaft sein, wenn ausdrücklich angeordnet wird, dass die gerichtliche Überprüfung des Schiedsgutachtens uneingeschränkt möglich ist und § 319 BGB keine Anwendung findet3. XI. Bauabzugsbesteuerung, §§ 48 ff. EStG
3.169 Nach § 48 EStG ist der Empfänger von Bauleistungen verpflichtet, von der geschuldeten Gegenleistung einen Steuerabzug i.H.v. 15 Prozent für Rechnung des Leistenden vorzunehmen4. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass die Bauleistungen im Inland gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 2 UStG oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (sog. Leistungsempfänger) erbracht werden. Während unter den Begriff des „Leistenden“ sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personenvereinigungen fallen, unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland ansässig, unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig und Unternehmer i.S.d. § 2 UStG sind, knüpft der Begriff des „Leistungsempfängers“ ausdrücklich an den Unternehmerbegriff des § 2 UStG an5 (s. auch Rz. 1.1031 ff.). 3.170 Der für die Bestimmung des „Leistungsempfängers“ verwendete Unternehmerbegriff ist sehr weit gefasst, was im Einzelfall „subjektiv“ zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann. Verkennt der Erwerber die Reichweite des Unternehmerbegriffes, kann ihn ggf. die Verpflichtung treffen, 15 % der vereinbarten Leistung, die er bereits in voller Höhe an den Bauträger gezahlt hat, zu einem späteren Zeitpunkt –
1 OLG Köln v. 20.7.1994 – 2 O 80/93, DNotI-Report 1995, 70. 2 BGH v. 10.10.1991 – VII ZR 2/91, BGHZ 115, 329 = MDR 1992, 230 = NJW 1992, 433 = MittBayNot 1992, 188. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 333; s. dazu auch DNotI-Report 2004, 127 ff.; S. Meyer, Ausgewählte Probleme des Bauträgervertrages, RNotZ 2006, 497 (521). – Großzügig wurde die Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen im Bauträgervertrag außerdem auch in einer zeitlich späteren Entscheidung des BGH beurteilt: BGH v. 1.3.2007 – III ZR 164/06, DNotZ 2007, 468 = MittBayNot 2007, 312. 4 Siehe dazu allgemein BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399. 5 Brandis/Heuermann/Ebling, § 48 EStG Rz. 20; BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 24 ff.; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13093; a.A. Stickan/Martin, DB 2001, 1441 (1444).
550 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.193 Kap. 3
insbesondere im Falle der Insolvenz des Bauträgers – nochmals an das Finanzamt abführen zu müssen. Die geschilderte Problematik ist für den Bauträgervertrag durch das BMF-Schreiben 3.171 vom 27.12.20021 jedoch entschärft worden. Danach ist in Erwerbsfällen, wie beim Bauträgervertrag, als Unternehmer i.S.d. §§ 48 ff. EStG nur derjenige anzusehen, der selbst Bauherr ist, also nicht der Käufer einer durch einen Dritten hergestellten Immobilie2 (s. Rz. 1.1036). Daher sind beim „typischen“ Bauträgervertrag §§ 48 ff. EStG nicht mehr zu beachten (so dass z.B. nicht erforderlich ist, in der Vertragsgestaltung als Fälligkeitsvoraussetzung eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorzusehen)3. Einstweilen frei.
3.172–3.190
C. Besondere Gestaltungssituationen I. Ketten-Bauträgerverkauf in der Insolvenz
3.191
Beispiel: Verkäufer A verkauft ein unbebautes Grundstück an B, bewilligt und beantragt die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Bauträgers B. B möchte das gerade erworbene Grundstück an C mit Gewinn weiterverkaufen. Zur Vermeidung der Kosten einer Zwischenfinanzierung verkauft B das Grundstück sogleich an C und tritt sicherungshalber seinen Auflassungsanspruch an C ab4. Dies wird im Grundbuch berichtigend bei der Vormerkung vermerkt. C möchte wissen, ob sein Erwerb insolvenzfest ist5.
Für die Beurteilung der vorstehenden Sachverhaltskonstellation in Krisenfällen sind 3.192 folgende Besonderheiten zu beachten. 1. Verkäuferinsolvenz Für den Fall der Insolvenz des A ist bei bewilligter Vormerkung und Eintragung 3.193 der Vormerkung zugunsten des B der Erwerb durch B gem. § 106 InsO geschützt. C wird in diesem Fall lastenfreies Eigentum am Vertragsgegenstand von B erwerben können6. Anders ist dies für den Fall der Insolvenz des B.
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BMF v. 27.12.2002 – IV A 5-S 2272-1/02, BStBl. I 2002, 1399, Tz. 18. Brandis/Heuermann/Ebling, EStG § 48 Rz. 118. Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 3, Rz. 65. Ein Formulierungsvorschlag findet sich bei Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 6267. Eine ausführliche allgemeine Darstellung zum sog. Kettenkaufvertrag findet sich bspw. bei Monath, RNotZ 2004, 360 ff. 5 Vgl. dazu DNotI-Report 1999, 65 ff.; Amann, FS Schippel, 1996, 83 ff.; Amann, DNotZ 1995, 253; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1536 ff. 6 Monath, RNotZ 2004, 360 (380 f.).
Leiß 551
Kap. 3 Rz. 3.194 Bauträgerkaufvertrag
2. Insolvenz des Erstkäufers
3.194 Bei Insolvenz des B greift zunächst für seinen Erwerbsanspruch gegenüber A § 106 InsO nicht ein. § 106 InsO gilt nur zugunsten des Käufers, für den eine Auflassungsvormerkung zur Eintragung in das Grundbuch gelangt ist (d.h. gesichert ist der Fall der Verkäuferinsolvenz). Das hilft – bei Insolvenz des B – für den Erwerbsanspruch des B gegenüber A nicht weiter; insoweit handelt es sich um eine Käuferinsolvenz. Gemäß § 103 InsO verlieren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die wechselseitigen Ansprüche aus dem Kaufvertrag A/B ihre Durchsetzungsfähigkeit (aufgrund des Bestehens „beiderseitiger Nichterfüllungseinreden“, § 320 BGB)1. Nach früherer, inzwischen aufgegebener Rechtsprechung ist der Anspruch sogar erloschen. 3.195 Dies gilt nur dann nicht, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B der B seine Vertragspflichten über A bereits vollständig erfüllt hätte2. Ist dies der Fall, so greift § 103 InsO nicht ein. Der Insolvenzverwalter hätte kein Erfüllungswahlrecht. B würde also das Eigentum am Vertragsgegenstand erlangen. Die Abtretung des Anspruchs an C bliebe auch wirksam, da es nicht zu einer Erfüllungswahl im Vertragsverhältnis A/B kommen würde. Gleichwohl werden im Regelfall die wechselseitigen Vertragspflichten aus dem Vertragsverhältnis B/C noch nicht vollständig erfüllt sein. Aus diesem Grunde greift § 106 InsO im Vertragsverhältnis B/C nicht ein. Denn entgegen dem Wortlaut des § 106 InsO ist keine Vormerkung zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs von B an C im Grundbuch eingetragen. Der Insolvenzverwalter kann insoweit die Erfüllung ablehnen. Zum Schicksal des abgetretenen Anspruchs s. Rz. 3.200. 3.196 Praxishinweis: Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung von B an C im Beispielsfall scheitert an dem sog. Identitätsgebot. Danach muss der Bewilligende hinsichtlich der Vormerkung auch der Schuldner des Anspruchs sein. Daher kann eine Vormerkung an B zugunsten C erst dann zur Eintragung gelangen, wenn B selbst das Eigentum am Vertragsgegenstand erworben hat. Dies ist im oben genannten Beispiel jedoch gerade nicht der Fall. Schließlich liegt die Schwäche der Abtretungslösung darin, dass der C einen schuldrechtlichen Anspruch erwirbt, der mit allen Schwächen des Vertrages A/B belastet ist – mögliche Beurkundungsmängel, §§ 125, 311b BGB, Anfechtung und Ähnliches, die der C nicht erkennen kann.
3.197 Hat B im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht sämtliche Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis A/B erfüllt, so greift insoweit § 103 InsO ein. Der Insolvenzverwalter hat ein Erfüllungswahlrecht. Lehnt er die Erfüllung des Vertrages A/B ab, so hat C einen Anspruch erworben, der nicht durchsetzbar ist3. Wählt der Insolvenzverwalter hingegen Erfüllung des Vertrages A/B, so entstehen 1 Monath, RNotZ 2004, 360 (380 f.). 2 Im Ergebnis ebenso, in der Begründung etwas abweichend Huber, MittBayNot 2004, 58 (60). 3 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = MDR 2002, 1270 = NJW 2002, 2783 = DNotZ 2002, 648; ebenso Huber, MittBayNot 2003, 58 (60) und Monath, RNotZ 2004, 360 (383).
552 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.200 Kap. 3
die Ansprüche des Vertragsverhältnisses A/B originär in der Masse neu. Eine Sicherungsabtretung kann insoweit nicht mehr stattfinden, da der nach Insolvenzeröffnung neu entstehende Anspruch nicht mehr der Verfügungsgewalt des Insolvenzschuldners (B) unterliegt, §§ 81, 91 InsO1.
3.198
Beachte: Die bloße Abtretung des Auflassungsanspruches von B an C ist keine ausreichende Sicherheit im Rahmen des § 3 MaBV2. Dieses Sicherheitsrisiko gilt zwar nicht nur für den Bauträgervertrag. Beim Bauträgervertrag ist das Insolvenzrisiko des B aber möglicherweise besonders groß. Jedoch auch bei sonstigen Verkäufen zwischen Privatpersonen ist die Interessenlage nicht anders, da der Zwischenverkäufer B dem C keine originäre Auflassungsvormerkung verschaffen kann und damit C nie am Schutz des § 106 InsO teilhaben kann, bevor nicht B Eigentümer des Grundstücks wird3.
Weitere Schwierigkeiten der Abtretungslösung bestehen in den Fragen, wie der wei- 3.199 tere Vertragsvollzug erfolgen soll, insbesondere ob A weiterhin zur Erfüllung und Auflassung an B befugt sein soll, ob A ausschließlich an C erfüllen können soll, was passiert, wenn Abwicklungsschwierigkeiten im Verhältnis B/C entstehen und der Anspruch bereits unbedingt an C abgetreten worden ist, sowie ob B in Annahmeverzug gerät, wenn A an ihn erfüllen möchte, die Erfüllung aber aufgrund der Abtretungen nur noch an C möglich ist, C jedoch seine Vertragsverpflichtung noch nicht erfüllt hat. War der Kaufpreis im Verhältnis A/B bereits vollständig bezahlt, hat B einen wirk- 3.200 samen Eigentumsverschaffungsanspruch, den er wirksam an C abgetreten hat. Der eigene Übereignungsanspruch des C gegen B ist hingegen mangels eigener Vormerkung nicht insolvenzsicher. Die Sicherungsabtretung gibt dem C allerdings nur ein Absonderungsrecht, § 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO – kein Aussonderungsrecht. Der Insolvenzverwalter hat nach § 166 Abs. 2 InsO das Recht, die abgetretene Forderung selbst einzuziehen oder sonst zu verwerten. Das Einziehungsrecht des Verwalters ist vorrangig gegenüber dem des Abtretungsempfängers4. Das gilt wohl auch für Eigentumsverschaffungsansprüche. Damit hat der C keinerlei Sicherheit, dass er tatsächlich Eigentümer des Grundstücks wird. Der Insolvenzverwalter kann zwar die Einziehung dem C überlassen, § 170 Abs. 2 InsO. Allerdings kann der Insolvenzverwalter gem. § 171 InsO dann aber mindestens 4 % des Wertes des Eigentumsverschaffungsanspruchs als Gegenleistung (pauschaler Aufwandsersatz) verlangen5 – unabhängig davon, ob tatsächlich entsprechende Kosten entstanden sind oder nicht. 1 BGH v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = MDR 2002, 1270 = NJW 2002, 2783 = DNotZ 2002, 648; vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1537; Monath, RNotZ 2004, 360 (383); a.A. Huber, MittBayNot 2004, 58 (60). 2 Siehe Rz. 3.65 und ausführlich auch Monath, RNotZ 2004, 360 (385). 3 Monath, RNotZ 2004, 360 (386) mit Formulierungsvorschlag für die diesbezügliche notarielle Belehrung. 4 Monath, RNotZ 2004, 360 (384); Uhlenbruck/Brinkmann15, § 166 InsO Rz. 26; vgl. allgemein Münchener Kommentar/Kern4, § 166 InsO Rz. 67 ff. 5 Vgl. BGH v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, MDR 2002, 1393 = NJW 2002, 3475; v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, BGHZ 154, 72 = NJW 2003, 2240.
Leiß 553
Kap. 3 Rz. 3.201 Bauträgerkaufvertrag
3. Alternativgestaltungen zur Abtretungslösung
3.201 Als Alternativgestaltungen kommen in Betracht: 3.202 Der Zwischenerwerb des Eigentums durch B mit Zwischenfinanzierung der Kaufpreiszahlungsverpflichtung des B, anschließender Eintragung einer originären Auflassungsvormerkung für C und Fälligkeit des Kaufpreiszahlungsanspruchs zu Lasten des C an B erst ab Eintragung der eigenen Vormerkung für C. 3.203 Sicher ist im Übrigen eine Kaufvertragsabwicklung über § 7 MaBV. Die dem C gestellte Bürgschaft sichert zwar nicht den Eigentumserwerb und nicht sein Erfüllungsinteresse, schützt den C aber effektiv vor Vermögensschäden, da er im Insolvenzfall sein Geld von der Gläubigerbank erstattet bekommt. 3.204 Ein Forderungsverkauf wird im Regelfall den Interessen der Beteiligten nicht genügen. Insbesondere sind die rechtlichen Nachteile hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs und der Abhängigkeit der gekauften Forderung von Mängeln des Rechtsverhältnisses A/B für den normalen Käufer C viel zu riskant. 3.205 Möglich wäre schließlich noch die Abgabe eines Angebotes zugunsten des Bauträgers an einen vom Bauträger zu nennenden Dritten1. Der Bauträger könnte den/ die jeweiligen Dritten benennen. Im Falle der Annahme käme ein originärer Kauf zwischen A und C zustande. Hinsichtlich des Eigentumsverschaffungsanspruches würde auf diese Art und Weise ein selbständiger Kaufvertrag zwischen A und C zustande kommen, der von der Insolvenz des B unabhängig wäre2. Der C würde eine eigene Auflassungsvormerkung erlangen, die ihm den Schutz des § 106 InsO verschafft. In der Insolvenz des B könnte der zustande gekommene Vertrag A/C problemlos vollzogen werden. Zu beachten sind hier allerdings ggf. weitere Beurkundungspflichten gem. § 311b BGB (wenn B Bauleistungen zusagt) sowie das Risiko für A, einen rechtlich einheitlichen Vertrag von A/B auf der einen Seite mit C auf der anderen Seite abzuschließen. Dies wird im Regelfall den Interessen des A nicht gerecht3. Der Handel mit dem Angebot durch den Bauträger führt in der Regel zur doppelten Grunderwerbsteuer4. Diese Lösung funktioniert daher nur, wenn B keine Bauleistungen gegenüber C zu erbringen hat und es um einen Fall der bloßen Weitergabe des Angebotes geht. 3.206–3.220 Einstweilen frei.
1 Vgl. zur insolvenzrechtlichen Sicherung Uhlenbruck/Wegener15, § 106 InsO Rz. 4 ff. 2 Vgl. Münchener Kommentar/Vuia4, § 106 InsO Rz. 7. 3 Vgl. zu dieser Konstellation Ludwig, NJW 1983, 2792 (2794); Denck, NJW 1984, 1009 (1010) Fn. 4. 4 So zumindest bei Handeln des B in Verfolgung eigener Interessen, die über das bloße Maklerinteresse hinausgehen. Vgl. BFH v. 3.3.1993 – II R 89/89, BStBl. II 1993, 453; v. 6.9.1989 – II R 135/86, BStBl. II 1989, 984; v. 16.12.1981 – II R 109/80, BStBl. II 1982, 269 = DStR 1982, 390 = MittBayNot 1982, 98; v. 13.9.1989 – II R 28/87, BStBl. II 1989, 986 = DB 1989, 2519; v. 22.1.1997 – II R 97/94, BStBl. II 1997, 411 = DStR 1997, 819 = MittBayNot 1997, 317.
554 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.224 Kap. 3
II. Verdeckter Bauträgerkaufvertrag, sog. Generalübernehmermodell
3.221
Beispiel: 1/2
A und B sind Miteigentümer zu je von insgesamt 14 katastermäßig bereits verselbständigten Baugrundstücken. Für die Grundstücke ist eine Bebauung mit Einfamilienhäusern geplant. Das Grundstück ist mit einer Globalgrundschuld belastet. B ist gleichzeitig alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der B-Bau- und Bautreuhand GmbH. Diese Gesellschaft soll als Bauträger die Gebäude errichten und mit den Grundstückserwerbern in getrennter Urkunde entsprechende Herstellungsverträge abschießen; der Werklohn soll entsprechend dem Ratenplan des § 3 Abs. 2 MaBV fällig gestellt werden. Grundstückskaufvertrag und Herstellungsvertrag sollen jeweils im gleichen Notartermin notariell beurkundet werden. Der Kaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag soll nach der Bestätigung des Notars fällig sein, dass der Vertrag rechtswirksam ist, die Eigentumsvormerkung an rangrichtiger Stelle beantragt ist, die Pfandentlassung des Globalgläubigers vorliegt und der Grundstückskaufpreis ausreicht, die Gläubigerauflagen zu erfüllen. Besitz, Nutzung, Lasten und die Gefahr am Grundstück und das Eigentum am Grundstück sollen erst übergehen nach Zahlung des Grundstückskaufpreises und des Herstellungspreises.
1. Ausgangspunkt und Umfang des Formzwangs Die Gestaltungspraxis begegnet immer wieder Versuchen, durch Aufspaltung des 3.222 Bauträgerkaufvertrages in zwei Teile, nämlich – in einen notariellen Grundstückskaufvertrag und – in einen vermeintlich privatschriftlich abzuschließenden Werkvertrag (Bauvertrag/Baubetreuungsvertrag/Generalübernehmervertrag) aus den Bindungen des Bauträgerkaufvertrages auszubrechen und insbesondere der Fälligkeitsregelung in der MaBV nach Maßgabe des Baufortschrittes zu entgehen. In diesen Situationen können sich für die Vertragsgestaltung schwierige Abgrenzungsfragen ergeben, aber auch zur Reichweite des Beurkundungserfordernisses und zumUmfang der AGB-Kontrolle. Als „Steuerspar-Modelle“ taugen die betreffenden Gestaltungsversuche in der Regel nicht (s. Rz. 3.252 ff.). Zum Umfang der zu beurkundenden Erklärungen (§ 311b Abs. 2 BGB) gilt: Wer- 3.223 den Grundstück und Bauleistung von einer Person angeboten, kann in der Regel nur ein einheitlicher Bauträgervertrag über die Gesamtleistung abgeschlossen werden; dies muss auch gelten, wenn Grundstückseigentümer und Werklieferer miteinander verflochtene Gesellschaften sind1. Sofern verschiedene Personen Vertragspartner sind, insbesondere das Grundstück 3.224 von einem Dritten verkauft wird, sind in der Regel dennoch sowohl der Grundstückskaufvertrag als auch der Generalübernehmervertrag notariell zu beurkunden (§ 311b BGB), da im Regelfall ein innerer Sachzusammenhang besteht und beide
1 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Teil 1 § 2 Rz. 23.
Leiß 555
Kap. 3 Rz. 3.224 Bauträgerkaufvertrag
Verträge miteinander stehen und fallen1 (Rz. 1.37 und Rz. 2.10 ff.). Von der Beurkundung kann nur dann abgesehen werden, wenn Käufer und Verkäufer sich darüber einig sind, dass der Käufer den Grund und Boden auch ohne die Bauleistung kaufen würde (sog. „einseitige Abhängigkeit“2, s. auch Rz. 3.225). Dies kann regelmäßig nicht angenommen werden, wenn Verkäufer und Bauunternehmer die Leistungen gemeinschaftlich am Markt anbieten oder wenn Verkäufer und Bauunternehmer sich gegenseitig vertraglich zu einem gemeinschaftlichen Vertrieb verpflichtet haben.
3.225 Nach der Entscheidung des OLG Köln3 ist ein Fertighausvertrag notariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstücksvertrag rechtlich zusammenhängt, d.h. die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen oder fallen“ sollen. Dies gilt nach Meinung des BGH nicht, wenn der Bauvertrag zwar von dem Grundstückskaufvertrag abhängig sein soll, nicht aber umgekehrt der Grundstückskauf vom Bauvertrag4, die Beteiligten den Grundstückskaufvertrag also auch gänzlich unabhängig vom Bauwerkvertrag vereinbaren wollen. – Für eine einseitige Abhängigkeit des Grundstückskaufvertrags vom Bauvertrag spricht demgegenüber aber in der Regel, wenn der Käufer das Grundstück nur erwerben will, wenn er zu einem bestimmten Gesamtpreis darauf ein schlüsselfertiges Haus erhält5, wobei es nach der Rechtsprechung des BGH keine Rolle spielt, wenn der Bauvertrag zeitlich schon vor dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wurde: Rechtsprechungshinweis: In einer Entscheidung vom 22.7.20106 fasst der BGH seine Rechtsprechung wie folgt zusammen: (1.) Ein Bauvertrag ist gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungsbedürftig, wenn er mit einem Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks eine rechtliche Einheit bildet. Eine solche besteht, wenn die Vertragsparteien den Willen haben, beide Verträge in der Weise miteinander zu verknüpfen, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. Sind die Verträge nicht wechselseitig voneinander abhängig, ist der Bauvertrag nur dann beurkundungsbedürftig, wenn das Grundstücksgeschäft von ihm abhängt. (2.) Ein Bauvertrag kann auch dann beurkundungsbedürftig sein, wenn er vor einem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird und die Parteien des Bauvertrages nicht identisch sind mit den Parteien des bevorste-
1 Beck’sches Notarhandbuch/Esbjörnsson7, Teil 1 § 2 Rz. 23. 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 356. 3 OLG Köln v. 10.6.1996 – 18 U 213/95, NJW-RR 1996, 1484 = MittRhNotK 1997, 25 = MittBayNot 1997, 99. 4 BGH v. 11.10.2000 – VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 = DB 2000, 2586 = MittBayNot 2001, 69; v. 26.11.1999 – V ZR 251/98, MDR 2000, 260 = NJW 2000, 951 = DB 2000, 616 = DNotZ 2000, 635; v. 13.6.2002 – VII ZR 321/00, MDR 2002, 1187 = NJW 2002, 2559 = DStR 2002, 1680 = NotBZ 2002, 297 m. Anm. Otto = DNotZ 2002, 944; vgl. dazu auch Seeger, MittBayNot 2003, 11 ff. 5 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1475; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 356 unter Hinweis auf BGH v. 12.2.2009 – VII ZR 230/07, DNotZ 2009, 619. 6 BGH v. 22.7.2010 – VII ZR 246/08, BGHZ 186, 345 = MDR 2010, 1313 = DNotZ 2011, 196 = MittBayNot 2011, 218 = ZfIR 2011, 17.
556 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.228 Kap. 3
henden Grundstückskaufvertrages. In diesem Fall ist ein Bauvertrag beurkundungsbedürftig, wenn die Parteien des Bauvertrages übereinstimmend davon ausgehen, dass der Grundstückserwerb nach dem Willen der Parteien des Kaufvertrages von dem Bauvertrag abhängt.
2. Anwendbarkeit der MaBV Umstritten1 ist in den Fällen des sog. verdeckten Bauträgervertrages vor allen Din- 3.226 gen, ob und in welchen Fällen §§ 650u, 650v BGB i.V.m. den Regelungen der MaBV anzuwenden ist. Stets anzuwenden sind §§ 650u, 650v BGB und §§ 3, 7 MaBV jedenfalls dann, wenn Grundstückskauf- und Werkvertrag aus einer Hand angeboten werden2. Allenfalls in Ausnahmefällen kann das anders sein, wenn ein Verknüpfungswille im in Rz. 3.225 geschilderten Sinne fehlt und zunächst das Grundstück dem Käufer übereignet wird und tatsächlich erst anschließend die Beteiligten sich zum Abschluss eines Werkvertrages entschließen.
3.227
Praxishinweis: Dem Bauträger zu empfehlen, zunächst nur den Grundbesitz zu veräußern, ihn nach Zahlung des Grundstückskaufpreises dem Käufer zu übereignen und erst danach den Vertrag über die Bauleistung zu schließen3, ist schon deshalb selten mit einem tatsächlichen Vorteil für den Bauunternehmer verbunden, weil unabhängig von der Anwendbarkeit der MaBV auch das zivilrechtliche Vorleistungsverbot (§ 632a Abs. 1 Satz 1 BGB) dazu führt, dass Zahlungen für das Bauwerk nur nach Baufortschritt verlangt werden können (s. Rz. 3.231 ff.)4; auch § 650m Abs. 1 und 2 BGB sind anwendbar (s. Rz. 3.230).
Streitig ist die Fallgruppe, in denen dem Käufer das Grundstück von einem mit 3.228 dem Bauträger wirtschaftlich oder persönlich eng verbundenen Dritten zum Erwerb angeboten wird (weil es dann an einer unmittelbaren Übereignungspflicht des Bauunternehmers fehlt, was aber jedenfalls für die direkte Anwendung von § 650u BGB Voraussetzung ist und auch in § 3 Abs. 1 Satz 1 MaBV wortlautmäßig vorausgesetzt ist). Ist, wie im Beispielsfall in Rz. 3.221, die Werkleistung so mit der Grundstücksübereignung verbunden, dass erst nach vollständiger Begleichung der Gegenleistung für beide Leistungen der Eigentumsübergang erfolgen soll, so ist nach verbreiteter Meinung die MaBV aber dennoch entweder direkt oder zumindest entsprechend anwendbar5; gleiches gilt, wenn der Werkunternehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung „das Grundstück an der Hand hat“ und bestimmenden Einfluss auch auf den Grundstückskaufvertrag besitzt (beispielsweise, weil ihm der Eigentümer ein Verkaufsangebot mit Benennungsrecht und Auflassungsvollmacht gemacht
1 Siehe Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 357; Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 75 ff. 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 357. 3 Unter Hinweis auf BGH v. 22.3.2007 – VII ZR 268/05, BGHZ 171, 364 = NJW 2007, 1947 = DNotZ 2007, 925 = ZfIR 2007, 618; zu den Nachteilen dieser Gestaltung für den Bauunternehmer Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 71. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 71. 5 Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 77.
Leiß 557
Kap. 3 Rz. 3.228 Bauträgerkaufvertrag
hat)1. Anders ist diese Konstellation nach dieser Auffassung nur dann zu beurteilen, wenn das Grundstückseigentum dem Käufer sofort und unabhängig von der Durchführung des Werkvertrages übertragen wird. So haben im Wesentlichen auch der BGH2 und das BVerwG3 entschieden. Gleichzeitig hat das BVerwG allerdings klargestellt, dass in Ausnahmefällen, insbesondere bei Umgehungsversuchen, dennoch die Grundsätze der MaBV Anwendung finden können. Dies gilt insbesondere, wenn bauträgervertragsähnliche Risiken erzeugt werden, so z.B. bei einer Rückübertragungsverpflichtung des Grundstücks gegenüber dem Verkäufer bei einer vorzeitigen Beendigung des Werkvertrages4.
3.229 Den vorstehend geschilderten Konstellationen, bei denen das Eigentum nicht sofort auf den Käufer übergeht, sind nach hier vertretener Ansicht wohl auch die Fälle gleichzustellen, in denen der Bauträger, also der Werkleistende, zur Finanzierung seiner Werkleistungen auf den vom Käufer zu erwerbenden Grundbesitz Grundpfandrechte bestellt und diese erst nach Bezahlung auch der Bauleistung vom Gläubiger freigegeben werden5. Enthält ein Vertrag trotz eines einheitlichen Angebots von Grundstück und Bauleistungen Bestimmungen, die von den Vorgaben der MABV, insbesondere hinsichtlich der Kaufpreisraten, abweichen, hält Basty im Hinblick auf die Entscheidung des OLG München vom 17.3.2015 – 9 U 1662/11, MittBayNot 2017, 45, folgenden Hinweis seitens des Notars für berufsrechtlich geboten: M41a Belehrung möglicher Anwendbarkeit der MaBV „Der Notar hat auf die Bestimmungen der Makler und Bauträgerverordnung (MaBV) hingewiesen und erläutert, unter welchen Voraussetzungen diese anwendbar ist. Er hat weiter dargestellt, dass die nachstehend getroffenen Regelungen zur Fälligkeit des Kaufpreises und der Vergütung für geschuldete Werkleistungen in verschiedener Hinsicht von der MaBV abweichen und die Folgen eines Verstoßes aufgezeigt, insbesondere dass bei Anwendbarkeit der MaBV Kaufpreis und Werklohn infolge der vereinbarten Abwei-
1 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 357. Ebenso: OLG München v. 17.3.2015 – 9 U 1662/11, MittBayNot 2017, 45 (s. dazu auch Scheibengruber, notar 2016, 86 (87). A.A.: Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1477; auch Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 75 und 77 vertritt in Abgrenzung insbesondere zur Entscheidung des OLG München v. 17.3.2015 – 9 U 1662/11, MittBayNot 2017, 45, dass „die Beschränkungen durch die MaBV, jedenfalls sofern nicht Wohnungseigentum Vertragsgegenstand ist, […] ab dem Zeitpunkt nicht mehr zu beachten [sind], ab dem der Erwerber/Grundstückskäufer Eigentümer des Grundstücks (frei von Belastungen zugunsten des Verkäufers, des Bauunternehmers oder deren Grundpfandrechtsgläubiger) ist.“ 2 BGH v. 26.1.1978 – VII ZR 50/77, MDR 1978, 657 = NJW 1978, 1054 = DB 1978, 1638 = DNotZ 1978, 344. 3 BVerwG v. 10.6.1986 – 1 C 9/85, NJW 1987, 511 = MittBayNot 1987, 109. 4 In diesen Fällen hält auch Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1488 die MaBV für anwendbar. 5 Basty, Der Bauträgervertrag10, Rz. 77.
558 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.232 Kap. 3
chung insgesamt möglicherweise erst nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme des Bauwerks fällig würden und zuvor erhaltene Zahlungen – u.U. zuzüglich eines Zinsausgleichs – zurückzuzahlen wären. Hierzu erklären die Beteiligten, dass nach ihrer übereinstimmenden Einschätzung die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der MaBV nicht gegeben sind, weil … im Verhältnis der Vertragsteile allein die Zahlung des Grundstückskaufpreises Voraussetzung des lastenfreien Eigentumserwerbs ist …. Der Notar hat darüber belehrt, dass die Richtigkeit dieser Einschätzung unsicher ist und die MaBV und deren Voraussetzungen nicht der Disposition der Vertragsteile zugänglich sind und die skizzierten Folgen demnach ggf. unabhängig von ihren derzeitigen Überzeugungen eintreten würden. Die Beteiligten wünschten trotz der bestehenden Zweifel und trotz der genannten Konsequenzen im Falle einer Fehleinschätzung die vorstehende Gestaltung“.
Die Beurkundung einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht 3.230 ist auch bei Aufspaltung in einen Kauf- und einen Bauwerkvertrag nichtig (s. Rz. 3.165). Zu beachten ist außerdem, dass eine Fertigstellungssicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB auch erforderlich sein kann, wenn die MaBV nicht anwendbar sind: § 650m Abs. 2 BGB gilt nach seinem Wortlaut auch für den Generalübernehmervertrag, anders als in §§ 650u, 650v BGB muss der Unternehmer nicht zusätzlich verpflichtet sein, dem Erwerber Eigentum an Grundbesitz zu verschaffen1; auch § 650m Abs. 1 BGB setzt keine Übereignungspflicht voraus. 3. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB, Kündigung des Generalübernehmervertrages, Vertragsgestaltung Unabhängig von der Anwendbarkeit der MaBV ist jedoch bei allen diesen Gestal- 3.231 tungen die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB entscheidend. Für die Fälligkeit des Gebäudepreises sind § 307 Abs. 2 BGB und § 309 Nr. 2 BGB zu beachten, wonach Ratenzahlungen den Wert der Teilleistungen nicht übersteigen dürfen. Sonst würden durch Vorleistungspflichten des Käufers Zurückbehaltungsrechte beeinträchtigt werden; auch wenn der Bauwerkvertrag also nicht unmittelbar §§ 650u, 650v BGB und den Regelungen der MaBV unterfallen sollte, lässt das Vorleistungsverbot im Formular- oder Verbrauchervertrag Abschlagszahlungen nur nach dem Baufortschritt zu2. Als Anhaltspunkt für die Vertragsgestaltung sind dann wiederrum § 3 Abs. 2 Nr. 2 3.232 MaBV heranzuziehen3; auf die früher zu § 632a Abs. 1 BGB a.F. diskutierte Frage („Abschlagszahlungen nur bei in sich geschlossenen Werken?“) kann es insoweit
1 Siehe auch Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 358. 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 337. 3 Siehe auch die Empfehlung der Landesnotarkammer Bayern, „Bauträgermerkblatt“, Seite 32, downloadbar unter: www.notare.bayern.de (Abruf vom 14.11.2021 bei „Presse“/„Informationsbroschüren“).
Leiß 559
Kap. 3 Rz. 3.232 Bauträgerkaufvertrag
nicht mehr ankommen, s. § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.: Der Unternehmer kann „… eine Abschlagszahlung in der Höhe verlangen, in der der Besteller durch die Leistung einen Wertzuwachs erlangt hat“. Aus Sicht des Generalübernehmers ist seit der Bauvertragsrechtsreform bei der Vereinbarung von Abschlagszahlungen zusätzlich der in Rz. 3.230 geschilderte Umstand zu bedenken: Gemäß § 650m Abs. 1 BGB sind die Abschläge beim Verbraucherbauvertrag auf 90 % der vereinbarten Vergütung begrenzt. Des Weiteren ist – soweit es sich beim Generalunternehmervertrag um einen Verbraucherbauvertrag handelt und insoweit nicht anders als beim „regulären Bauträgervertrag“ – dem Erwerber die Vertragserfüllungssicherheit gem. § 650m Abs. 2 BGB zu stellen.
3.233 Für die Vertragsgestaltung spielen beim sog. Generalübernehmermodell auch Erwägungen zum Kündigungsrecht des Auftraggebers gem. § 648 BGB (das beim Bauträgervertrag gem. § 650u Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist) eine wichtige Rolle. Der Ausschluss dieses Rechts oder seine Beschränkung auf Fälle des wichtigen Grundes verstößt im Generalübernehmervertrag gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB1. Auch das Recht zu Kündigung aus wichtigem Grund, § 648a, sowie das Anordnungsrecht nach § 650b sind beim Bauträgervertrag gem. § 650u Abs. 2 BGB ausgeschlossen, nicht aber beim Generalübernehmermodell. Zu regeln ist also insbesondere auch das Verhältnis von Kauf- und Werkvertrag, insbesondere zur Frage, inwieweit sich eine etwaige Unwirksamkeit oder Rückabwicklung eines Vertrages auf den jeweils anderen Vertrag auswirkt2. 3.234 Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich für die Vertragsgestaltung, wenn Vertragsgegenstand des Generalübernehmervertrags anders als im Beispielsfall nicht ein Einfamilienhaus ist, sondern es sich um ein Vorhaben im Geschosswohnungsbau handelt: Neben dem Verhältnis des Erwerbers zum Grundstücksverkäufer und zum Generalübernehmer ist in diesen Konstellationen auch das Verhältnis der Erwerber untereinander zu bedenken. Insbesondere können Regelungen für den Fall erforderlich sein, dass einer oder mehrere der anderen Erwerber „ausfallen“, z.B. weil ein Erwerber seinen Generalübernehmervertrag gem. § 648 BGB kündigt. Begründen diese Regelungen z.B. eine Bauherrengemeinschaft oder eine „Aufbaugesellschaft“ zwischen den einzelnen Erwerbern, tragen die Erwerber u.U. füreinander das „Ausfallrisiko“, weshalb viele Stimmen in der Literatur davon abraten, ein Vorhaben im Geschosswohnungsbau nach dem Generalübernehmermodell bzw. als verdeckten Bauträgervertrag zu gestalten3. 3.235–3.250 Einstweilen frei.
1 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1488; Schulz, NotF Bauträgerrecht, § 3 Rz. 6. A.A: aber wohl Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 358. 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 358. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 355; Schulz, NotF Bauträgerrecht, § 3 Rz. 6.
560 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.253 Kap. 3
4. Isolation der Haftungsrisiken, Vereinbarung von VOB Entsprechende Generalübernehmermodelle kommen gelegentlich auch vor, wenn 3.251 eine Privatperson zwar Grundstücke unmittelbar verkaufen, aber nicht selbst als Bauträger handeln will. Der Private sucht dann einen Bauunternehmer, mit dem er ein Konzept entwickelt, die Baugenehmigung einholt und die einzelnen Parzellen verkauft. Beide Verträge sind zu beurkunden. Zweifelhaft könnte sein, ob der Privatverkäufer ggf. durch die koordinierte Vorgehensweise und den Verkauf in einem rechtlich einheitlichen Vertrag evtl. auch in eine Mithaftung für eventuelle Baumängel des Bauunternehmers einbezogen werden könnte, auch wenn ausdrücklich eine solche Mithaftung füreinander vertraglich mit dem jeweiligen Käufer ausgeschlossen wird. Das OLG Hamm1 hat eine solche Mithaftung zu Recht abgelehnt. Auch wenn beide Verträge nach § 311b BGB gemeinsam beurkundet werden müssen, so kann allein die koordinierte Vorgehensweise einander fremder Personen nicht zu einer Gesamthaftung führen, wenn tatsächlich jeder Vertragsteil nur getrennte und voneinander unabhängige Leistungsteile zu erbringen hat. Dies sollte in dem Vertragswerk durch geeignete vertragliche Regelungen klargestellt werden2. Von der Vereinbarung der VOB Teil B wird für den Verbraucherbauvertrag aus Gründen der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle abgeraten3. 5. Steuern Für die grunderwerbsteuerliche Beurteilung ist nicht die (formelle) Einheitlichkeit 3.252 oder Auftrennung der Verträge, sondern der objektive Zusammenhang von ausschlaggebender Bedeutung4. Maßgeblich ist, ob der Käufer bei Erwerb des Grundstücks noch frei war, den Bauwerkvertrag nach eigener Entscheidung abzuschließen5. Dies kann auch bei einander fremden Personen auf Veräußererseite ausgeschlossen sein, wenn diese einvernehmlich zusammenwirken. Danach ist nach der Rechtsprechung des BFH selbst dann die Grunderwerbsteuer 3.253 (neben der 19%igen Umsatzsteuer für die Werklieferung) aus Grundstück und Gebäude als Bemessungsgrundlage zu erheben, wenn unterschiedliche Vertragspartner an dem Vertragsbündel beteiligt sind6. Dies hatte der BFH bereits 1989 so entschie-
1 2 3 4
OLG Hamm v. 21.2.2006 – 24 U 112/05, NJW-RR 2006, 1164. Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 358. Schulz, NotF Bauträgerrecht, § 3 Rz. 11. BFH v. 23.8.2006 – II R 42/04, DStRE 2007, 430; v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269 = BB 2006, 421; vgl. a. BFH v. 18.10.1989 – II R 85/87, BStBl. II 1990, 181 und v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. II 1990, 183 = DB 1990, 512 = MittRhNotK 1990, 230. 5 BFH v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24 Rz. 18 = DStRK 2018, 17 = ZfIR 2018, 149. 6 BFH v. 21.9.2005 – II R 49/04, BStBl. II 2006, 269 = BB 2006, 421.
Leiß 561
Kap. 3 Rz. 3.253 Bauträgerkaufvertrag
den1; er hält an dieser Rechtsprechung unverändert fest2 (s. auch Rz. 1.1125). – Der Bauträgervertrag wäre demgegenüber grds. von der Umsatzsteuer befreit.
3.254 Weitere wissenswerte Einzelfallentscheidungen sind in diesem Zusammenhang: (1) Nach der Rechtsprechung des BFH3 liegt bei Erwerb von Wohnungseigentum stets ein grunderwerbsteuerlich einheitliches Vertragswerk vor, da es unmöglich sei, eine WEG-Einheit ohne die anderen und ohne den Grund und Boden zu errichten. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer eines Grundstücksmiteigentumsanteils und der Werkunternehmer ansonsten nicht miteinander verbunden sind.
3.255 (2) Grunderwerbsteuer wird auf die Gegenleistung aus einem Bauvertrag nicht erhoben, wenn der Verkäufer bereits mit einem Bauunternehmer einen Bauvertrag abgeschlossen hatte und der Käufer diesen Bauvertrag übernimmt, ihn aber keinerlei eigene Haftung für die Erbringung der Bauleistungen trifft4. Diese Konstruktion steht und fällt jedoch damit, dass der Verkäufer und der Bauunternehmer nicht systematisch in einem abgestimmten Verhalten ihren Vertrieb koordinieren. Es handelte sich um einen Einzelfall. 3.256 (3) Den Grundsätzen des einheitlichen Leistungsgegenstandes steht nicht entgegen, wenn der Erwerber die Planung und Konzeption durch den Anbieter wesentlich mitbestimmt hat5. III. Tausch mit dem Bauträger Literatur: Albrecht, Der Tausch mit dem Bauträger, DNotZ 1997, 269 ff.; Basty, Der Bauträgervertrag, 10. Aufl. 2021, Kap. 1 Rz. 88 ff.; Blank, Bauträgervertrag, Rz. 755 ff. (mit kommentiertem Mustervertrag); Hertel in Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2021, Teil 2 Kap. 3 Rz. 369 ff.; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 5. Aufl. 2018, Rz. 1027 ff.; F. Schmidt, Bauträgerfragen, MittBayNot 1995, 434 ff.
3.257 Beispiel: Privatier P verfügt über ein großes Grundstück, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut werden soll. Der Bauträger B ist an dem Grundstück interessiert. Er hat jedoch derzeit Schwierigkeiten, dem P das Grundstück sofort in voller Höhe zu bezahlen. Er möchte seine Finanzierungskosten so niedrig wie möglich halten und wäre im Übrigen froh darüber, bereits die Absatzsorgen insoweit zu reduzieren, als er in der Person des P gerne auch gleich einen Käufer finden würde. P wiederum ist aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase an einer
1 BFH v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. 1990, 183 = DB 1990, 512 = MittRhNotK 1990, 230; kritisch hierzu Flume, DB 1990, 1432. 2 BFH v. 30.8.2017 – II R 48/15, BStBl. II 2018, 24 Rz. 18 ff. = DStRK 2018, 17 = ZfIR 2018, 149; BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86 = DStRE 2013, 108 = ZfIR 2013, 148, rkr. (BVerfG v. 20.5.2013 – 1 BvR 2766/12, juris). 3 BFH v. 23.6.1982 – II R 155/80, BStBl. II 1982, 741 = DStR 1982, 694. 4 BFH v. 22.5.2002 – II R 1/00, GmbHR 2002, 1042 = DStRE 2002, 1459. 5 BFH v. 23.8.2006 – II R 42/04, DStRE 2007, 430.
562 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.259 Kap. 3
„Geldanlage in Immobilien“ interessiert. P und B treffen sich also zu einer Vorbesprechung, um sich über mögliche Gestaltungen aufklären zu lassen.
1. Grundstückstauschmodell P gibt dem B das Grundstück hin. Als Gegenleistung hierfür erhält er zwei vorher 3.258 genau bezeichnete Eigentumswohnungen zurück. Es handelt sich um einen Tausch i.S.d. § 480 BGB (mit der Folge, dass keine Vorkaufsrechte ausgeübt werden können)1. Werkvertragsrecht ist für den Rücktausch anwendbar, ebenso §§ 650u, 650v BGB und die MaBV2. Da als Gegenleistung jedoch die Überlassung eines Grundstücks geschuldet ist, kann mangels möglicher Baufortschrittsraten der Vertrag nicht nach § 3 MaBV abgewickelt werden, sondern lediglich nach § 7 MaBV3. Diese Bürgschaft muss jedenfalls in Höhe des Gesamtwerts der an P veräußerten Wohnung gestellt sein (also auch bezogen auf den Grundstücksanteil) und ist bis zur Fertigstellung der an P veräußerten Wohnung in voller Höhe aufrechtzuerhalten4. – Fraglich ist allerdings, ob eine solche Bürgschaft ausreichend ist, um einen Verstoß gegen §§ 305 ff. BGB zu vermeiden: die Übereignung des Grundstücks vor Erbringung der Bauleistung stellt eine Vorleistung dar; der Anwendungsbereich für die diesbezügliche Inhaltskontrolle (§§ 307, 641 BGB) kann auch bei einem „einmaligen“ Geschäft eröffnet sein (§ 310 Abs. 3 MaBV)5. – Das spricht dafür, bei entsprechenden Gestaltungsaufträgen nicht nur eine Bürgschaft vorzuschlagen, die den Anforderungen des § 7 MaBV genügt, sondern eine umfassende Erfüllungsbürgschaft. Jedenfalls ist P analog § 650m Abs. 2 BGB eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel zu stellen, und zwar in der Regel als Bürgschaft i.S.d. § 650m Abs. 3 BGB, die mit Umschreibung des Eigentums am Baugrundstück auszuhändigen ist6. Grunderwerbsteuer fällt wie stets beim Tausch grundsätzlich doppelt an, § 1 Abs. 5 3.259 GrEStG. Wurde allerdings die Rückübertragung der Eigentumswohnung innerhalb von zwei Jahren gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vollzogen, war nach früherem Verständnis sowohl die Grunderwerbsteuer für die anteilige Übereignung als auch für die Rückübereignung aufzuheben bzw. nicht zu erheben. Diesbezüglich hat der BFH jedoch zwischenzeitlich anders entschieden (Argument: die durch die WEGTeilung entstehenden Miteigentumsanteile sind weder identisch noch teilidentisch mit dem veräußerten Grundstück); die bislang angenommene (anteilige) Ersparnis ist also derzeit im Rahmen des Grundstücksmodells nicht mehr gesichert7.
1 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1029. 2 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1030. 3 Albrecht, DNotZ 1997, 269 (273); Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 375; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1030. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 89. 5 Siehe auch die von Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1032 geäußerten Bedenken. 6 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 92. 7 BFH v. 19.2.2014 – II B 106/13, BFH/NV 2014, 901.
Leiß 563
Kap. 3 Rz. 3.260 Bauträgerkaufvertrag
3.260 Übersicht: Grundstückstauschmodell
P
unbebautes Grundstück
§ 480 BGB
⎧ ⎨ ⎩
B
2. Stundungsmodell
3.261 Anders als beim Grundstückstauschmodell werden hier zwei separate gegenläufige Kaufverträge abgeschlossen, wobei der Kaufpreis aus dem Verkauf des P an B gestundet wird und jeweils mit Fälligwerden der Raten nach der MaBV durch Herstellung des Gebäudes bei B verrechnet wird. Der erste Kaufvertrag P an B richtet sich grundsätzlich nach den normalen Vorschriften eines Grundstückskaufvertrages eines Privaten an einen Bauträger (ggf. aber mit dem Unterschied, dass der Eigentumsübergang unabhängig von der Zahlung herbeigeführt wird). Für die Stundung des Kaufpreises sollte eine reguläre Bürgschaft (nicht § 7 MaBV) zugunsten des P gestellt werden (die sich also mit der jeweiligen Teilaufrechnung der Höhe nach in dem Umfang reduzieren kann, wie sich der von B noch zu entrichtende Restkaufpreis verringert)1 – oder der Eigentumsübergang auf den B erfolgt erst nach Erbringung derjenigen Bauleistungen, die durch Verrechnung den vollständigen Kaufpreis des P abdecken. Der zweite gegenläufige Kaufvertrag des B an P ist ein regulärer MaBV-Vertrag. – Die einzige Besonderheit des ersten Kaufvertrages besteht bei diesem Modell darin, dass der Kaufpreis solange gestundet ist, bis entsprechend dem MaBV-Vertrag dessen Raten fällig werden. Insoweit ist – nach bestrittener Ansicht2 – eine Abwicklung des zweiten Kaufvertrags (von B an P) nach § 3 MaBV möglich (auch insoweit braucht also keine Bürgschaft nach § 7 MaBV gestellt zu werden)3. Die Erfüllungssicherheit nach § 650m Abs. 2 BGB ist auch bei diesem Modell regelmäßig durch Bürgschaft i.S.v. § 650m Abs. 3 BGB zu erbringen4.
1 Basty, Der Bauträgervertrag10; Kap. 1 Rz. 90; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 371. 2 A.A. (für den Bauträgerkaufvertrag B an P muss Bürgschaft nach § 7 MaBV gestellt werden): Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1034. 3 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 90; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 371. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 92.
564 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.265 Kap. 3
Grunderwerbsteuerlich steht das Stundungsmodell ebenso wie das Grundstückstauschmodell.
3.262
Beurkundungstechnisch sind die beiden Verträge, die inhaltlich miteinander ver- 3.263 knüpft sind, entweder in einer Urkunde zu beurkunden oder aber in getrennten Urkunden, die jedoch wechselseitig aufeinander verweisen und ggf. geeignete Rücktrittsrechte vorsehen müssen1. Anders als beim Grundstückstauschmodell ist beim Stundungsmodell für den Kaufvertrag P an B möglich, dass ein Vorkaufsrecht ausgeübt wird2.
3.264
Übersicht: Stundungsmodell
§ 433 BGB
unbebautes Grundstück
B
Stundung
P
P
B §§ 433, 631 BGB, MaBV
3. Anteilsmodell In diesem Fall überträgt P lediglich einen Miteigentumsanteil an B; das dann im Mit- 3.265 eigentum stehende Grundstück wird gemeinsam bebaut3. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer aus dem ersten Kaufvertrag ist (wegen der nur anteiligen Veräußerung) niedriger als in den beiden anderen Gestaltungsmodellen. Anschließend erfolgt eine Teilung nach § 3 WEG, wobei dem P die Wohnungen zugewiesen werden, die er als Gegenleistung erhalten soll. Bei Wertgleichheit der bisherigen Miteigentumsanteile und zugewiesenen Wohnungen ist dieser Vorgang vollständig von der Grunderwerbsteuer befreit, § 7 Abs. 1 GrEStG4. Für die Sachmängelgewährleis-
1 Vgl. dazu OLG Stuttgart v. 9.6.2000 – 5 U 181/98, DNotI-Report 2001, 100; Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 371. 2 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1033. 3 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 375 (mit zahlreichen Einzelhinweisen zur Vertragsgestaltung). 4 Vgl. Pahlke5, § 2 GrEStG Rz. 58.
Leiß 565
Kap. 3 Rz. 3.265 Bauträgerkaufvertrag
tung gilt Werkvertragsrecht, sofern der Privatier dem Bauträger den Werkvertragsauftrag zur Errichtung seiner Wohnung erteilt; es handelt sich i.d.R. um einen Verbraucher-Bauvertrag (bei dem für die Vertragsgestaltung zu bedenken ist, dass nach den gesetzlichen Regelungen dem Besteller Kündigungsrechte nach §§ 648, 648a BGB und das Anordnungsrecht nach § 650b BGB zustehen)1. Die MaBV findet jedoch keine Anwendung, da P Eigentümer des Grundstücks ist, auf dem die Bauleistungen erbracht werden sollen2. Hinsichtlich etwaiger Erfüllungs-, Rückzahlungsoder Schadensersatzansprüche ist der Grundstückseigentümer (wie in den anderen Modellen) durch eine Bankbürgschaft abzusichern, da er auch nach dieser Gestaltungsvariante durch die „vorgezogene“ Übereignung des Grundstücksanteils eine Vorleistung auf das vom Bauträger noch herzustellende Objekt erbringt3.
3.266 Aus steuerlicher Sicher sind für das Anteilsmodell folgende Aspekte zu beachten: Die Grunderwerbsteuer fällt zwar wesentlich niedriger aus als in den anderen Modellen. Demgegenüber ist aber für die Erbringung der Bauleistungen Umsatzsteuer (19 %) zu zahlen. Außerdem finden die §§ 48 ff. EStG in diesem Fall Anwendung, da der Privatier auch als Bauherr anzusehen ist. Ein einkommensteuerliches Problem besteht zudem auch darin, die Abfärbegefahr des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu vermeiden. Wollen Verkäufer und Bauträger-Käufer das Immobilienobjekt gemeinsam in GbR bebauen, so ist der Bauträger in jedem Fall gewerblich tätig. Verkauft er Immobilienobjekte aus der GbR heraus, so färbt die Betriebsvermögenseigenschaft auch auf den anderen Mitgesellschafter ab. Gangbar ist dieser Weg daher nur dann, wenn die tatsächliche Bebauung ausschließlich durch den Bauunternehmer durchgeführt wird, der die Bauleistungen als Gegenleistungen dem Verkäufer zu erbringen hat. Eine Mitunternehmerschaft ist in jedem Fall zu vermeiden! – Außerdem gilt: Wird das Anteilsmodell – anders als in Rz. 3.265 dargestellt – so gestaltet, dass zunächst P das Grundstück nach § 8 WEG aufteilt und erst dann die für B bestimmten Einheiten an diesen veräußert, läuft P Gefahr gewerblichen Grundstückshandel zu betreiben (Drei-Objekt-Grenze)4.
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 1 Rz. 91. 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 376; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1036. 3 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1037 (mit dem Hinweis, dass sich die betreffende Bürgschaft – weil außerhalb des Anwendungsbereichs von § 7 MaBV – mit dem Baufortschritt reduzieren kann); Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 377. 4 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1035.
566 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.269 Kap. 3
3.267
Übersicht: Anteilsmodell
1 P
unbebautes Grundstück
1/2
2
B
3 P
B B
§ 3 WEG mit § 631 BGB keine MaBV
P
IV. Sanierungsmodelle, Baudenkmale etc. 1. Einführung Die Veräußerung vollständig oder teilweise sanierter Altbauten nimmt in der Ge- 3.268 staltungspraxis eine bedeutsame Stellung ein. Dabei gilt: Erwirbt ein Käufer aus einer Hand (und zum Festpreis) sowohl das Grundstück mit Altbauobjekt (oder – im Fall der WEG-Teilungen – einen Miteigentumsanteil daran) als auch die in einer Baubeschreibung näher dargestellten Bau- bzw. Sanierungsleistungen, handelt es sich um eine Vereinbarung, für die im Wesentlichen diejenigen Grundsätze zur Anwendung kommen, die auch für den Bauträgervertrag über ein neu zu errichtendes Objekt gelten. Das bedeutet insbesondere, (a) dass der Veräußerungsvertrag im vollen Umfang (d.h. einschließlich der Vereinbarungen über die Bauleistungen) beurkundet werden muss, (b) dass §§ 650u, 650v BGB und die MaBV anzuwenden sind, (c) dass der Vertrag der Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unterliegt und (d) sich die Mängelhaftung hinsichtlich der vereinbarten Bauleistungen nach den Regeln des Werkvertrags richtet1. Für die Vertragsgestaltung ist zu beachten, dass unter Umständen ein Mietervor- 3.269 kaufsrecht aus § 577 BGB bestehen kann (das ist dann der Fall, wenn das Sanierungsobjekt erst nach Begründung des bei Beurkundung des Kaufvertrags noch bestehenden Mietverhältnisses in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt worden ist) und dass für etwaige Eigenbedarfskündigungen u.U. die Wartefrist des § 577a BGB besteht (die bis zu zehn Jahre betragen kann, § 577a Abs. 2 BGB). Außerdem können die entsprechenden Verträge, wenn das Sanierungsobjekt in einem förmlich fest-
1 Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 1023.
Leiß 567
Kap. 3 Rz. 3.269 Bauträgerkaufvertrag
gesetzten Sanierungsgebiet (§§ 136 ff. BauGB) liegt, der sanierungsrechtlichen Genehmigung bedürfen (§ 144 BauGB)1.
3.270 Für § 650u Abs. 1 BGB sowie für die Abschlagszahlungsverordnung i.d.F. des Forderungssicherungsgesetzes sind Bauträgerverträge zu Sanierungsobjekt über den Begriff „Umbau“ erfasst;2 in § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV ist auf ein „Bauvorhaben“ abgestellt. Unter den Begriff des Umbaus i.S.v. § 650u Abs. 1 BGB sollen dabei „alle Umgestaltungen eines vorhandenen Objekts mit wesentlichen Eingriffen in Konstruktion oder Bestand“ fallen3. Nicht um einen Vertragstyp im hier besprochenen Sinne handelt es sich dagegen, wenn die vom Unternehmer übernommenen Werkleistungen im Verhältnis zur Vertragssumme ganz geringfügig bleiben oder es sich um bloße Schönheitsreparaturen handelt4; unter Umständen kann in solchen Fällen aber für etwaige Renovierungspflichten, die der Verkäufer eingeht – wenn auch die Schwelle zum „Bauträgervertrag“ i.S.v. § 650u Abs. 1 BGB und MaBV (noch) nicht erreicht ist – dennoch neben dem Kaufrecht Werkvertragsrecht anwendbar sein5. Praxishinweis: Als Abgrenzungskriterium für die Frage, ob ein Bauträgervertrag i.S.d. § 650u Abs. 1 BGB (bzw. ein „Bauvorhaben“ gem. § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV) vorliegt, wird vor allem das Verhältnis des Werts der Bauleistung zum Gesamtkaufpreis genannt6, wobei aber keine pauschale Festlegung erfolgt (maßgebend sei stattdessen, ob die geschuldeten Arbeiten bei einer Gesamtbetrachtung von Bedeutung für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder die Erneuerung des Gebäudes sind)7. Als Beispiele für unwesentliche Renovierungsarbeiten oder Schönheitsreparaturen werden genannt: Bloßer Neuanstrich des Treppenhauses oder einfache Erneuerung der Fensteranstriche sowie eine Fassadensanierung8.
2. Verschärfung der Bauträgerhaftung und Baubeschreibung
3.271 Der BGH hatte seine Rechtsprechung für Sanierungsmodelle schon einige Jahre vor Inkrafttreten der Bauvertragsrechtsreform erheblich verschärft. Verspricht der Veräußerer eines Altbaus eine Sanierung bis auf die Grundmauern, darf der Erwerber 1 Zur Vertragsgestaltung, wenn in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet nach Abschluss der Sanierung ein sog. „Ausgleichsbetrag“ verlangt wird: Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 6 Rz. 18 ff. Zur einkommensteuerlichen Behandlung des Ausgleichsbetrages s. Rz. 1.495. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 158. 3 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 158; Münchener Kommentar/Busche8, § 650u BGB Rz. 13; Karczewski, NZBau 2018, 328. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 159. 5 BeckOK BGB/Voit, § 650u BGB Rz. 5 (62.Ed. Stand 1.5.2022). 6 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 159. 7 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 459 f. (unter Hinweis auf eine Entscheidung des BayObLG v. 1.10.2004 – 3Z BR 129/04, MDR 2005, 230 = MittBayNot 2005, 304, worin ein Modernisierungsanteil von circa 11 % des Gesamtkaufpreises als nicht ausreichend erachtet wurde, um daraus eine Anwendbarkeit der MABV abzuleiten). 8 Pause, Der Bauträgervertrag6, Rz. 51.
568 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.272 Kap. 3
dies nach Ansicht des BGH grundsätzlich dahin verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten1. Diese Rechtsprechung hat der BGH mit einer Folgeentscheidung weiter konkretisiert. Danach2 haftet der Veräußerer eines Altbaus oder einer Altbauwohnung für Sachmängel der gesamten Bausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts, wenn er vertraglich Bauleistungen übernommen hat, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind. Bauleistungen, die mit Neubauarbeiten vergleichbar sind („Totalsanierung“), haben nach der Rechtsprechung ein derartiges Gewicht, dass es gerechtfertigt ist, Werkvertragsrecht auch auf die von den Herstellungspflichten unberührt gebliebenen Bauteile anzuwenden3. Praxishinweis: Zum Ratenplan der MaBV kann in den Fällen einer vollständigen Entkernung des Altbaus bzw. eines „Neubaus hinter historischer Fassade“ die Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV ausgeschlossen sein und nur eine unmittelbare Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 MaBV in Betracht kommen, weil insgesamt Neues entsteht (was insbesondere auf die Frage Auswirkungen hat, ob der Baubeginn für die Fälligkeit des ersten Kaufpreisteilbetrags Voraussetzung ist)4. Für die Frage, ob § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV einschlägig ist, muss also in „zwei Richtungen“ abgrenzt werden: Einerseits muss überhaupt ein „Bauvorhaben“ bzw. „Umbau“ vorliegen (und also z.B. nicht nur Schönheitsreparaturen versprochen sein), andererseits ist zu prüfen, ob nicht anstelle einer Sanierung ein Neubau erstellt wird.
Trotz der in Rz. 3.271 geschilderten Grundsätze gilt aber, dass der Bauträger beim 3.272 Verkauf eines modernisierten Altbaus – soweit es sich nicht um eine Totalsanierung handelt – seine Gewährleistung für die Altbausubstanz und das Grundstück in den Grenzen des § 309 Nr. 7 BGB (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit ober bei grobem Verschulden) ausschließen kann. Ausgenommen von einem solchen Haftungsausschluss muss dabei allerdings die Haftung wegen einer Verletzung einer Pflicht zur Untersuchung der Altbausubstanz sein5. – Um entsprechende Abgrenzungsfragen zu vermeiden, sollte bei Verträgen über Sanierungsobjekte entweder unmittelbar im Bauträgervertrag selbst oder jedenfalls in der Baubeschreibung genau bezeichnet werden, welche Gebäudeteile im Rahmen der Sanierungsmaßnahme unverändert bleiben und in welcher Hinsicht das Gebäude deshalb dem heutigen Stand der Technik nicht entspricht (z.B. hinsichtlich des Schallschutzes oder energetischer Gesichtspunkte)6. Insoweit findet sich in der Literatur die einprägsame Empfehlung, eine Sanierungsbeschreibung solle „neben der eigentlichen Leistungs-
1 BGH v. 16.12.2004 – VII ZR 297/03, DNotZ 2005, 464. 2 BGH v. 26.4.2007 – VII ZR 210/05, MDR 2007, 1012 = NJW 2007, 3275 = DNotZ 2008, 66 = ZfIR 2007, 540; v. 6.10.2005 – VII ZR 117/04, BGHZ 164, 225 = MDR 2006, 260 = NJW 2006, 214 = DNotZ 2006, 280 = ZfIR 2006, 50. 3 Vgl. auch Schwenker, IBR 2006, 29. 4 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 159 und 172. 5 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 363. 6 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 362.
Leiß 569
Kap. 3 Rz. 3.272 Bauträgerkaufvertrag
beschreibung auch eine negative Baubeschreibung/Nichtleistungsbeschreibung enthalten“1.
3.273 Außerdem gilt zu beachten: Der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten knüpft zwingend an die Abnahme an, wenn es sich um einem dem Werkvertragsrecht unterliegenden Vertrag handelt; ebenso der Beginn der Verjährungsfrist. 3. MaBV-Ratenplan beim Sanierungsvertrag
3.274 Auch bei einem Bauträgervertrag über ein Sanierungsobjekt gelten zum Fälligkeitszeitpunkt der einzelnen Abschlagszahlungen die in § 3 Abs. 2 Satz 2 MaBV festgelegten Vomhundertsätze. Nicht etwa rechtfertigt es der Umstand, dass bei solchen Vorhaben einerseits Altbausubstanz vorhanden ist und andererseits ggf. einzelne Gewerke gar nicht zu erbringen sind, die einzelnen Abschlagszahlungen nach einer auf den Einzelfall bezogenen Bewertung festzulegen. Beispielsweise gilt auch dann der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV angeordnete Höchstsatz für die Grundstücksrate (30 % der Vertragssumme), wenn der Wert der für die Sanierung zu erbringenden Werkleistungen im Verhältnis zum Wert des Grundstücks und der vorhandenen Altbausubstanz nur gering ist2. Zur Begründung verweist die herrschende Meinung auf den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV: die dort für Altbauvorhaben angeordnete „entsprechende“ Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 MaBV solle nach dem Willen des Verordnungsgebers ausdrücklich keine „sinngemäße“ Anwendung sein3. 3.275 Dennoch können sich bei Sanierungsobjekten für den Käufer unter Umständen deutlich früher Zahlungspflichten ergeben, als das bei Neubauvorhaben der Fall ist: § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV ordnet an, dass der Bauträger diejenigen (nach den Vorgaben in § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 bestimmten) Vomhundertsätze, die auf Gewerke entfallen, die bereits in der Altbausubstanz enthalten sind und für die der Bauträger keine Werkleistungen schuldet, bereits dann anfordern kann, wenn die allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen i.S.d. § 3 Abs. 1 MaBV vorliegen. Aus § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV ergibt sich also, dass die Zahlungen für den Grundstücksanteil (höchstens 30 %, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV) und für die mit der unveränderten Altbausubstanz „erbrachten“ Gewerke (d.h. die entsprechenden dafür in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MaBV ausgewiesenen Vomhundertsätze) bereits unabhängig vom Beginn der Modernisierungsarbeiten fällig gestellt werden können4. 3.276 Praxishinweis: Letzteres ist für den Grundstücksanteil umstritten, wenn Erdarbeiten (wie z.B. die Errichtung von Drainagen oder die Neuverlegung von Leitungen bzw. die Neugestaltung von Außenanlagen) geschuldet sind; dann soll es nach teilweise vertretener Ansicht für die betref1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 11 Rz. 156. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 163. 3 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 162; Blank5, Bauträgervertrag, Rz. 996; Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 461 f. 4 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 220.
570 Leiß
C. Besondere Gestaltungssituationen
Rz. 3.278 Kap. 3
fende Rate – wie beim Neubau – auf den Beginn der betreffenden Erdarbeiten bzw. Modernisierungsarbeiten ankommen. Soll § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV für die Grundstücksrate jedoch nicht weitgehend leerlaufen (Erdarbeiten im vorgenannten Sinne werden wahrscheinlich bei einer großen Vielzahl von Sanierungsobjekten geschuldet sein), spricht jedoch mehr dafür, § 3 Abs. 2 Satz 4 MaBV auf die Grundstücksrate anzuwenden, unabhängig davon, ob im Rahmen der vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen (auch) Erdarbeiten geschuldet sind (d.h. die § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MaBV entsprechende Abschlagszahlung wird – unabhängig vom Baubeginn – fällig, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV erfüllt sind)1.
Nicht anwendbar ist bei Sanierungsobjekte für diejenigen Gewerke, die bereits in 3.277 der Altbausubstanz enthalten sind, § 3 Abs. 2 Satz 3 MaBV2: die betreffenden Vomhundertsätze werden also nicht etwa anteilig auf die zu erbringenden Gewerke verteilt, sondern – s. Rz. 3.275 – in der ersten Rate „zusammengezogen“ und können bei Vorliegen („nur“) der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV abgerufen werden. In der Literatur findet sich dazu u.a. als Beispiel: Wird der vorhandene Estrich unverändert übernommen und sind deshalb Estricharbeiten nicht erforderlich, kann die hierauf entfallende Rate unabhängig vom Beginn der Baumaßnahme nach allgemeiner Fälligkeit abgerufen werden (also bereits dann, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MaBV erfüllt sind)3. Entsprechendes soll für die Rate „Rohbaufertigstellung einschließlich Zimmererarbeiten“ gelten, wenn „im Rahmen der Sanierung der Rohbau einschließlich Dachstuhl im Wesentlichen unverändert übernommen“ wird und also „keine größeren Eingriffe oder Veränderungen am Rohbau“, z.B. hinsichtlich tragender Wände, Treppen, der tragenden Deckenkonstruktion und hinsichtlich der Dachkonstruktion vorgenommen werden4. Die sog. „Fertigstellungsrate“ soll aber stets gesondert auszuweisen sein (d.h. auch wenn keine Außenanlagen herzustellen sind)5. 4. Steuerliche Rahmenbedingungen Für Sanierungsgebiete und Baudenkmale gibt es im Fall der Vermietung von Ge- 3.278 bäuden noch als letzten Rest der früheren Fördermodelle besondere Steuervergünstigungen im Bereich der Einkommensteuer. Insbesondere sind höhere Absetzungen möglich als im Regelfall (s. §§ 7h, 7i EStG), sog. „Sonder-AfA“ (z.B. gem. § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG jährlich 9 % bzw. 7 % „der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind“). Insoweit wird auf die Darstellung in Rz. 1.887 ff. (§ 7h EStG: erhöhte Absetzungen in Sanierungsgebieten) bzw.
1 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 167 und 171 (mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung). Entsprechend: Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 220; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle6, Rz. 342; Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 467 f. 2 Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 5 Rz. 166. 3 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 465. 4 Schiffner in Reithmann/Terbrack, Kauf vom Bauträger8, Teil C Rz. 469 (von dort sind auch die gekennzeichneten Zitate entnommen). 5 Pause, Der Bauträgervertrag6, Rz. 344.
Leiß 571
Kap. 3 Rz. 3.278 Bauträgerkaufvertrag
Rz. 1.896 (§ 7i EStG: erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen) verwiesen. Der Sonderausgabenabzug für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale und Gebäude in Sanierungsgebieten gem. § 10f EStG ist in Rz. 1.907 ff. dargestellt. – Wichtige Gestaltungsempfehlungen für die Praxis sind in diesem Zusammenhang: (a) Die Baumaßnahmen dürfen erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags durchgeführt werden und (b) im Kaufvertrag sollte aufgeschlüsselt werden, welcher Anteil aus dem Kaufpreis auf Grund und Boden sowie die Altbausubstanz entfällt (beides nicht förderbar) und welcher Anteil sich auf die (förderbaren), nach Abschluss des Kaufvertrags noch vorzunehmenden Baumaßnahmen bezieht.1
3.279 Hertel2 schlägt aufgrund der in § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG normierten Voraussetzungen vor, in einen Bauträgervertrag über eine teilsanierte Altbauwohnung folgende Beschaffenheitsvereinbarungen aufzunehmen: M41b Denkmaleigenschaft „Der Verkäufer erklärt, dass alle Sanierungsleistungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung i.S.d. § 7i EStG erforderlich sind“. „Als Beschaffenheit ist vereinbart: Das Haus ist ein Baudenkmal (Einzeldenkmal/Kulturdenkmal) i.S.d. § 7i EStG und des Landesdenkmalschutzgesetzes (z.B. Art. 1 Abs. 1 BayDenkmalschutzG; § 3 Abs. 2 Nds. DenkmalschutzG; § 2 Abs. 2 DenkmalschutzG NRW; bzw. Kulturdenkmal § 2 Abs. 1 DenkmalschutzG BW; § 2 Abs. 2 DenkmalschutzG Hessen; § 2 Abs. 1 Sächs. DenkmalschutzG). Die Nutzung zu Wohnzwecken (als Büro oder freiberufliche Praxis) ist auch öffentlich-rechtlich zulässig“.
3.280 Praxishinweis: Eine einprägsame Formel zur Höhe der AfA-Sätze bei „Denkmalabschreibungen“ lautet: „8 × 9 % und 4 × 7 %“3. 3.281–3.300 Einstweilen frei.
D. Steuerrechtliche Einzelfragen I. Einkommensteuer
3.301 Zur Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie zu Fragen des Abzugs von Werbungskosten wird auf die Schilderung in Rz. 1.873 ff. verwiesen. Dort werden zu den Werbungskosten u.a. behandelt: – Absetzungen für Abnutzung (s. Rz. 1.881 ff.), einschließlich der besonderen steuerlichen Rahmenbedingungen für Gebäude in Sanierungsgebieten (s. Rz. 1.887 ff.) und bei Baudenkmalen (s. Rz. 1.896 ff.); 1 Klein, GStB 2017, 60 (63). 2 Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 366 f. 3 Schmidt/Kulosa41, § 7i EStG Rz. 17.
572 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.303 Kap. 3
– Finanzierungsaufwendungen (s. unten Rz. 3.302 ff. und Rz. 1.931 ff.), – Damnum (s. Rz. 1.943 f.) und – Erhaltungsaufwendungen und Erschließungsbeiträge (s. Rz. 1.945, 1.964 ff.). Zur sog. „Bauabzugsteuer“ s. Rz. 1.1031 ff. Kosten der Finanzierung, der Finanzierungsvermittlung, der Geldbeschaffung sowie 3.302 Gebühren für Garantien oder für Treuhandleistungen können, soweit es sich um ein Anleger-, Fonds- oder Bauherrenmodell handelt, nur nach Maßgabe der im sog. Bauherrenerlass1 niedergelegten Grundsätze sofort als Werbungskosten geltend gemacht werden. Soweit danach keine Werbungskosten vorliegen, fallen solche Aufwendungen unter den Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenbegriff und sind nur über die AfA berücksichtigungsfähig. Erforderlich für eine Berücksichtigung als sofort abziehbare Werbungskosten ist, dass – bereits vor der Zahlung klare Vereinbarungen über den Grund und die Höhe dieser Aufwendungen bestehen; – die vereinbarten Leistungen und das jeweils zugehörige Entgelt den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Der Rechtsgedanke des § 42 AO darf dem Werbungskostenabzug in der begehrten Höhe nicht entgegenstehen; – die Aufwendungen von den übrigen Aufwendungen, die mit der Anschaffung des Erwerbsgegenstandes in Zusammenhang stehen, einwandfrei abgrenzbar sind; – die Vergütung nur geschuldet wird, wenn der Anleger die Gegenleistung in Anspruch nimmt; – die rechtliche und tatsächliche Abwahlmöglichkeit der Leistung und die dann eintretende Ermäßigung des Gesamtpreises in dem Vertrag klar und eindeutig zum Ausdruck kommt2. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kommen als sofort abziehbare Werbungskos- 3.303 ten insbesondere die folgenden Beträge in Betracht: Schuldzinsen, Zinsfreistellungsgebühren, marktübliches Damnum (s. Rz. 1.943), Bearbeitungs- und Auszahlungsgebühren, Kosten der Darlehenssicherung (soweit sie die Notariats- und Grundbuchkosten betreffen), Gebühr der Endfinanzierung bis zu 2 % des Darlehens, Bürgschafts- und Garantiegebühren bis zu 0,5 % des in Anspruch genommenen Darlehens, Kosten für Vermietungs- und Mietgarantiegebühren (differenzierend je nach Verflechtung und Dauer der Mietgarantie) sowie Beiträge zu Sach- und Haftpflichtversicherung, soweit der Anleger sie als Versicherungsnehmer zahlt.
1 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546 = DStR 2003, 1974; s. hierzu auch Fleischmann/Meyer-Scharenberg, DStR 2004, 20. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546 = DStR 2003, 1974 Tz. 11.
Leiß 573
Kap. 3 Rz. 3.304 Bauträgerkaufvertrag
II. Grunderwerbsteuer
3.304 Der Bauträgervertrag unterliegt der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach der Summe der Gegenleistungen aus Grundstücksanteil und Gebäudeherstellungskosten. Bei Sanierungsobjekten wird auch die Gegenleistung für die Altgebäudesubstanz der Grunderwerbsteuer unterworfen. 3.305 Der BFH1 hält an seiner ständigen Rechtsprechung zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung des einheitlichen Vertragswerks fest. Danach sind bei dem Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes Bauleistungen wie bisher in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, selbst dann, wenn diese bereits aufgrund eines gesondert abgeschlossenen Werkvertrages der Umsatzsteuer unterlegen haben. Die Finanzverwaltung2 folgt dem BFH. In diesen Fällen entsteht eine Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer3. 3.306 Hinsichtlich der allgemeinen Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer s. Rz. 1.1118 ff. 3.307 Erschließungskosten, die der Bauträger an die Gemeinde zu zahlen hat und die er dem Käufer als unselbständigen Teil der Gegenleistung in Rechnung stellt, erhöhen ebenfalls die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. 3.308 Die Ratenzahlung nach der MaBV stellt keine weitere Vorleistung des Käufers dar, die als weitere Gegenleistung des Käufers die Bemessungsgrundlage erhöht. Anders ist dies hingegen, wenn der Käufer auf eigenen Wunsch den vollständigen Kaufpreis zahlt und dafür eine Kaufpreisreduktion von z.B. 10.000 t erhält. Die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bemisst sich dann aus dem Kaufpreis zzgl. der 10.000 t. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betrag von 10.000 t sich aus der Abzinsung der voraussichtlich zu zahlenden Raten errechnet4. 3.309–3.320 Einstweilen frei. III. Umsatzsteuer Literatur: Everts, Alle Jahre wieder: Umsatzsteuererhöhung und Bauträgervertrag, ZfIR 2006, 661; Wagner, Bauleistungen im Bauträgerkaufvertrag umsatzsteuerpflichtig?, DStR 1996, 1873. DNotI-Gutachten: Mehrwertsteuererhöhungsklausel im Bauträgervertrag, DNotI-Report 2006, 77.
1 BFH v. 27.10.1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, 34 = DStR 1999, 2027 = ZfIR 2000, 58 = MittBayNot 2000, 63. 2 Vgl. FinMin. Baden-Württemberg, DStR 2000, 778. 3 Vgl. auch DNotI-Report 1995, 133 ff. 4 BFH v. 25.4.2002 – II R 57/00, DStRE 2002, 1542 f. = MittBayNot 2003, 242.
574 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.322 Kap. 3
1. Wohnraum Der Bauträgervertrag ist auf das fertiggestellte Bauwerk samt Grundstück gerichtet. 3.321 Da der Erwerb durch Bauträgervertrag der Grunderwerbsteuer unterliegt, ist dieser Umsatz gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (s. allg. Rz. 1.1200 ff.) nach ganz h.M. umsatzsteuerbefreit1. Der Vorteil dieser Befreiung wird in der Praxis, insbesondere bei kleineren Einheiten, von Bauträgern zu wenig beachtet. Zwar können bei der Befreiung von der Umsatzsteuer auch Vorsteuern nicht geltend gemacht werden; dennoch steht aber fest, dass bei Wohnraum die Belastung des gesamten Erwerbs mit Grunderwerbsteuer per toto günstiger ist als eine Gestaltung, wonach nur der Grundstücksumsatz der Grunderwerbsteuer unterworfen und anschließend durch Baubetreuungsvertrag die Errichtung des Gebäudes durchgeführt wird. In diesem Fall unterliegt nämlich die gesamte Gebäudeerrichtung der 19%igen Umsatzbesteuerung, die auch unter Berücksichtigung des Vorsteuerabzuges zu einer Mehrbelastung gegenüber der Grunderwerbsteuer für den Gesamtumsatz führt2 (Rz. 3.253). Im Übrigen erhebt die Finanzverwaltung auch bei einer Trennung des Vertragswerkes in einen Grundstückskaufvertrag und in einen Baubetreuungsvertrag Grunderwerbsteuern aus dem Wert des Grundstückes und dem Wert der Bebauung3. 2. Gewerberaum Sofern der Verkäufer bei einem grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerb zusätzlich für 3.322 die Umsatzsteuer optiert, um den Vorsteuerabzug zu erhalten, führte dies nach früherer Rechtslage zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer4. Durch die Neufassung des § 13b UStG handelt es sich jetzt um eine originäre Umsatzsteuerschuld des Käufers. Daher kann die Umsatzsteuerschuld nicht mehr als Gegenleistung für den Grundstückserwerb bei der Grunderwerbsteuer angesehen werden. Vereinbaren die Parteien eines Grundstückskaufvertrages, dass der Erwerber die Grunderwerbsteuer allein zu tragen hat, rechnete früher die Hälfte der Grunderwerbsteuer zum Entgelt für die Grundstücksveräußerung im umsatzsteuerlichen Sinne5. Dies galt auch nach der Neufassung des § 13b UStG fort, wurde zwischenzeitlich jedoch vom BFH6 aufgegeben. Nach der neuen Auffassung des BFH zählt die Grunderwerbsteuer gar nicht mehr zur Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.
1 Vgl. Wagner, DStR 1996, 1874; a.A. Hasselberg, UR 1996, 41. 2 Vgl. Pelka/Niemann, DB 1983, 467. 3 Vgl. BFH v. 18.10.1989 – II R 85/87, BStBl. II 1990, 181; v. 18.10.1989 – II R 143/87, BStBl. II 1990, 183 = DB 1990, 512 = MittRhNotK 1990, 230; sowie Bestätigung in BFH v. 27.9.2012 – II R 7/12, BStBl. II 2013, 86 = DStRE 2013, 108 = ZfIR 2013, 148, rkr. (BVerfG v. 20.5.2013 – 1 BvR 2766/12, juris). 4 BMF v. 16.12.1980 – IV A 2-S 7200-67/80, BStBl. I 1981, 24. 5 BFH v. 10.7.1980 – V R 23/77, BStBl. II 1980, 620 = DStR 1980, 632. 6 BFH v. 20.12.2005 – V R 14/04, DStR 2006, 754 = MittBayNot 2006, 540; dazu Gottwald, NotBZ 2006, 307 ff.
Leiß 575
Kap. 3 Rz. 3.323 Bauträgerkaufvertrag
3.323 Beispiel bisher: Nettoentgelt für Grundstück + halbe Grunderwerbsteuer davon 19 % Umsatzsteuer Beispiel BFH neu: Nettoentgelt für Grundstück davon 19 % Umsatzsteuer
100.000 t 1.750 t 101.750 t 19.332,50 t 100.000 t 19.000 t
3.324 Die Veräußerung eines bebauten Grundstückes, für dessen Anschaffung oder Herstellung innerhalb der letzten zehn Jahre Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG in Anspruch genommen wurde, führt zur Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG, wenn nicht die Veräußerung freiwillig, zusätzlich zur Grunderwerbsteuer, der Umsatzbesteuerung unterworfen wird oder es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt. Im Übrigen s. zu den umsatzsteuerlichen Problemen des Grundstückskaufs detaillierter Rz. 1.1200 ff. 3.325–3.340 Einstweilen frei. IV. Verlustzuweisungsmodelle (§ 15b EStG) Literatur: Beck, Verlustausgleichsverbot bei Steuerstundungsmodellen: Der neue § 15b EStG, DStR 2006, 61; Brandtner/Lechner/Schmidt, Verluste bei Steuerstundungsmodellen: Anmerkungen zum Anwendungsschreiben des BMF zu § 15b EStG, BB 2007, 1922; Fleischmann, Anwendungsschreiben zu § 15b EStG – BMF-Schr. v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 – b/07/0001 –, mit Anmerkungen, DB 2007, 1721; Lüdicke/Naujok, Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen, DB 2006, 744; Naujock, Anmerkungen zum Anwendungsschreiben zu § 15b EStG vom 17.7.2007, DStR 2007, 1601.
3.341 § 15b EStG1 ist grundsätzlich auf Bauträgermodelle anwendbar; in der Praxis wird dies aber nur selten der Fall sein. Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG2 liegt nach dessen Abs. 2 vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Diese Vorschrift befindet sich systematisch im Bereich der gewerblichen Einkünfte. Sie ist über § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG jedoch auch auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzuwenden3. Hier hat § 15b EStG jedoch praktisch keinen Anwendungsbereich, da derzeit entsprechende modellhafte Gestaltungen kaum anzutreffen sind. Ferner sind im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so schnell die Grenzen zur Liebhaberei (s. dazu Rz. 1.810 ff.) überschritten, dass es kaum noch auf § 15b
1 Siehe hierzu BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 = DStR 2007, 1347. 2 Eingefügt durch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, 3683 = BStBl. I 2006, 80). 3 So auch die Vorbemerkung zum Schreiben des BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 = DStR 2007, 1347.
576 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.342 Kap. 3
EStG ankommt. Denn die Liebhabereigrundsätze gelten vorrangig1. Als Rechtsfolge des § 15b EStG können Verluste aus einem Steuerstundungsmodell nicht sofort bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden, sondern erst mit zukünftigen Gewinnen aus dem gleichen Modell verrechnet werden. Der Anwendungsbereich des § 15b EStG ist nicht auf Gesellschaften, Gemeinschaf- 3.342 ten oder Fondsstrukturen beschränkt, sondern kann auch Einzelanleger treffen. Erforderlich ist aber stets eine modellhafte Gestaltung, die zumindest zwischenzeitlich auf das Erzielen von Werbungskostenüberschüssen gerichtet ist2. Auch der Bauträgervertrag wird in dem BMF-Schreiben ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 15b EStG einbezogen: „Der Erwerb einer Eigentumswohnung vom Bauträger zum Zwecke der Vermietung stellt grundsätzlich keine modellhafte Gestaltung dar, es sei denn, der Anleger nimmt modellhafte Zusatz- oder Nebenleistungen (z.B. Vermietungsgarantien) – vom Bauträger selbst – von dem Bauträger nahestehenden Personen sowie von Gesellschaften, an denen der Bauträger selbst oder diesem nahestehende Personen beteiligt sind, oder – auf Vermittlung des Bauträgers von Dritten in Anspruch, die den Steuerstundungseffekt ermöglichen sollen. Zur Annahme einer Modellhaftigkeit ist es nicht erforderlich, dass der Anleger mehrere Nebenleistungen in Anspruch nimmt. Bereits die Inanspruchnahme einer einzigen Nebenleistung (wie z.B. Mietgarantie oder Bürgschaft für die Endfinanzierung) führt daher zur Modellhaftigkeit der Anlage3.“ Die Prüfung der vorstehenden Voraussetzungen erfolgt anlegerbezogen, so dass bei einem einheitlichen Baugebiet der eine Käufer nicht in den Anwendungsfall des § 15b EStG fallen kann, der andere hingegen unter Umständen schon. Die Verlustverrechnung ist nach Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 17.7.2007 nur zu beschränken, wenn innerhalb der Anfangsphase die prognostizierten Verluste 10 % des gezeichneten und nach dem Konzept aufzubringenden Kapitals übersteigen. Bei Einzelinvestoren führt ein von vornherein eingeplanter (angestrebter) Verlust von mehr als 10 % des eingesetzten Eigenkapitals zur Anwendung des § 15b EStG. Als Anfangsphase definiert der BMF nicht einen bestimmten, in Jahren festgelegten Zeitraum, sondern die Zeit in der nach der Konzeption die Anlaufverluste typischer Weise entstehen.
1 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 = DStR 2007, 1347 Tz. 2. 2 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 = DStR 2007, 1347 Tz. 7, 8. 3 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2-S 2241-b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 = DStR 2007, 1347 Tz. 9.
Leiß 577
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag
3.343 M42 Bauträgervertrag über eine noch zu errichtende Eigentumswohnung Sachverhalt1: Ehegatten erwerben zu privaten Zwecken eine Eigentumswohnung nebst Kellerraum, Tiefgaragenstellplatz und Stellplatz im Freien. Dieses Vertragsobjekt liegt in einer Wohnanlage, die von der Wohnschön-Bauträger GmbH errichtet wird. Die für die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentumseinheiten erforderliche Teilungserklärung ist bei Vertragsschluss bereits im Grundbuch vollzogen; der Baubeginn ist jedoch noch nicht erfolgt. Die Keller und Tiefgaragenstellplätze bilden nach der Teilungserklärung jeweils eigenständige Teileigentumseinheiten. Für die Stellplätze im Freien wurden in der Gemeinschaftsordnung Sondernutzungsrechte begründet und in den einzelnen Kaufverträgen den jeweiligen Vertragsobjekten zugewiesen. Die Absicherung der Kaufpreiszahlung erfolgt nach § 3 MaBV (nicht nach § 7 MaBV).
Bauträgervertrag (Eigentumswohnung) Heute, den […] sind vor mir, […], Notar in […], in meinen Amtsräumen in […]: gleichzeitig anwesend: 1. Herr […], geboren am […], geschäftsansässig in […], mir, dem beurkundenden Notar, persönlich bekannt, hier handelnd nicht für sich selbst im eigenen Namen, sondern für die WohnschönBauträger GmbH mit Sitz in […], als deren Geschäftsführer; die hierzu erforderliche notarielle Vertretungsfeststellung erfolgt gesondert; 2. die Ehegatten Herr […], geboren am […], und Frau […], geboren am […], beide wohnhaft […], nach Angabe im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet, beide ausgewiesen durch amtlichen deutschen Lichtbildausweis. Nach Grundbucheinsicht beurkunde ich, Notar, auf Antrag gemäß den vor mir abgegebenen Erklärungen folgenden:
Vertrag I. Vertragsobjekt 1. Grundbuchstand, Grundrissplan Im Grundbuch des AG […] von […] a) Blatt […]
1 Nach Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 1 sowie Basty, Der Bauträgervertrag10, Kap. 17 Rz. 1.
578 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.343 Kap. 3
b) Blatt […] c) Blatt […] ist die Firma Wohnschön-Bauträger GmbH als Alleineigentümerin des folgenden Wohnungs- und Teileigentums (nachfolgend auch „Grundbesitz“) eingetragen: a) […]/1000 Miteigentumsanteil am Grundstück der Gemarkung […] Flst. Nr […], Gebäude- und Freifläche zu […] qm, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr […] bezeichneten Wohnung; b) […]/1000 Miteigentumsanteil am vorgenannten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr […] bezeichneten Kellerraum; c) […]/1000 Miteigentumsanteil am vorgenannten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr […] bezeichneten Tiefgaragenstellplatz. Dieser Grundbesitz ist im Grundbuch wie folgt belastet Abteilung II: lfd. Nr. 1 […] Bezeichnung Dienstbarkeit lt. Grundbuch […] lfd. Nr. 2 […] Bezeichnung Dienstbarkeit lt. Grundbuch […] Abteilung III: lfd. Nr. 1 und 2 je Buchgrundschulden für […]-Bank/Sparkasse mit Sitz in […]
2. Teilungserklärung Die Wohnschön-Bauträger GmbH errichtet auf dem vorgenannten Grundstück eine Wohnanlage, bestehend aus zwei Mehrfamilienwohnhäuser und einer Tiefgarage. Die Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgte zur Urkunde des amtierenden Notars vom […], URNr. […] Diese Urkunde enthält auch die Gemeinschaftsordnung und die Baubeschreibung sowie die genehmigten Aufteilungspläne einschließlich Abgeschlossenheitsbescheinigung.
3. Stellplatz In Ausübung ihres in der vorgenannten Teilungserklärung vorbehaltenen Rechts weist die Wohnschön-Bauträger GmbH der vertragsgegenständlichen Wohnungseigentumseinheit Nr. […] als Sondernutzungsrecht gem. §§ 10, 15 WEG zu: das Recht, den im Plan Sondernutzungsrechte (Anlage […] der Teilungserklärung) als „ST […]“ bezeichneten oberirdischen Stellplatz unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer allein zu nutzen. Die Eintragung dieser Gebrauchsregelung in das Grundbuch wird hiermit bewilligt und beantragt.
5. Verweisung, 14-Tages-Frist Die Beteiligten verweisen auf die in Ziff. 2. genannte Urkunde einschließlich der Pläne (Verweisungsurkunde). Die Ehegatten […] bestätigen, diese Urkunde bereits zwei Wochen vor der Beurkundung in beglaubigter Abschrift erhalten zu haben – ebenso wie Leiß 579
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag den Entwurf dieses Kaufvertrages – (hinsichtlich der Pläne nur auszugsweise für das heutige Vertragsobjekt; bei der Beurkundung wurden ihnen daher auch die übrigen Pläne des Aufteilungsplans zur Durchsicht vorgelegt und von ihnen genehmigt). Die Verweisungsurkunde liegt bei der heutigen Beurkundung in Urschrift vor. Die Beteiligten erklären, dass ihnen der Inhalt der Urkunde bekannt ist und sie auf das Vorlesen sowie das Beifügen zu dieser Niederschrift verzichten.
II. Verkauf Die Wohnschön-Bauträger GmbH – nachstehend „Bauträger“ oder „Verkäufer“ genannt – verkauft an die Ehegatten […] und […] – nachstehend „Erwerber“ oder „Käufer“ genannt – zum Miteigentum zu gleichen Teilen den in Abschnitt I Ziff. 1. aufgeführten Grundbesitz mit allen Bestandteilen, insbesondere einschließlich der noch zu erbringenden Bauleistungen, – nachstehend „Vertragsobjekt“ genannt –. Zubehör oder sonstige bewegliche Gegenstände, insbesondere eine Einbauküche oder andere Möbel, sind nicht mitverkauft.
III. Bauverpflichtung 1. Bauausführung Der Verkäufer verpflichtet sich, das Vertragsobjekt entsprechend der Baubeschreibung samt Bauplänen, wie sie die in Abschnitt I genannte Verweisungsurkunde enthält, und der anerkannten Regeln der Bautechnik schlüsselfertig und funktionsfähig für die vereinbarte Wohnnutzung herzustellen. Bei Zweifeln geht die Baubeschreibung den Bauplänen vor. In die Baupläne etwa eingezeichnete Möblierungen oder sonstige Ausstattungsgegenstände sind nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie in der Baubeschreibung ausdrücklich aufgeführt sind. Die Bauausführung muss unter Beachtung der gesetzlichen und behördlichen Anforderungen erfolgen. Für jedes Gewerk sind die im Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten bzw. der Bestellung der einzubauenden Teile anerkannten Regeln der Bautechnik und einschlägigen DIN-Vorschriften einzuhalten; später erhöhte Anforderungen müssen nur dann eingehalten werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Ausführung der betreffenden Arbeiten bzw. der Bestellung schon zuverlässig erkennbar waren.
2. Sonderwünsche, Eigenleistungen a) Sonderwünsche (d.h. Abweichung von der Baubeschreibung über die dort festgelegten Wahlrechte hinaus) sind keine vereinbart, ebenso wenig Eigenleistungen des Erwerbers.
580 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.343 Kap. 3
b) Will der Erwerber unmittelbar mit den einzelnen Baufirmen Sonderwünsche vereinbaren, ist dies bis zur vollständigen Fertigstellung nur mit Zustimmung des Bauträgers zulässig. Zur Erbringung derartiger Sonderwünsche ist dann allein die betreffende Baufirma nach Maßgabe des zwischen ihr und dem Erwerber abgeschlossenen Vertrages verpflichtet. Der Bauträger haftet – unbeschadet seiner Koordinierungspflicht – weder für die Durchführung noch für Mängel oder Schäden hierdurch. Die Durchführung des Sonderwunsches ist mit dem Bauträger abzustimmen; sie darf den Baufortschritt nicht behindern. Der Kaufpreis mindert sich um den Betrag, den der Bauträger durch die wegfallende Leistung erspart; er hat darüber ggf. Rechnung zu legen.
3. Bauliche Änderungen Der Bauträger behält sich einseitige bauliche Änderungen vor, soweit sie auf nachträglichen behördlichen Auflagen beruhen oder sich sonst nachträglich rechtlich oder technisch als erforderlich erweisen. Ebenso zulässig sind an anderen Einheiten auf Wunsch der jeweiligen Erwerber vorgenommene Änderungen (wie z.B. Einbau oder Änderung von Fenstern, Dachfenstern oder -gauben, Änderung der Wandkonstruktion, Wand- oder Deckendurchbrüche, Sichtschutzelemente oder Pergolen), vorausgesetzt die Änderung beeinträchtigt weder die Statik noch die Gesamtansicht (bei äußerlich sichtbaren Änderungen). Alle Abweichungen dürfen den Wert und die Gebrauchsfähigkeit des Vertragsobjekts nicht mindern und müssen dem Erwerber zumutbar sein. Der Festpreis ändert sich dadurch nicht.
4. Wohnfläche Die Wohnfläche beträgt ca […] qm (in Worten: […] Quadratmeter) – berechnet nach der Wohnflächenverordnung. Dabei sind Dachschrägen zwischen einem und zwei Metern mit der Hälfte, Balkone und Terrassen […] mit der Hälfte/einem Viertel […] ihrer Grundfläche angesetzt. Ein mögliches Flächenmindermaß von bis zu 3 % muss der Erwerber hinnehmen, ohne dass ihm deshalb Mängel- oder Schadensersatzansprüche etc. zustehen.
IV. Fertigstellungstermin 1. Das Vertragsobjekt ist bis spätestens zum […] bezugsfertig, bis spätestens […] vollständig herzustellen (einschließlich Gemeinschafts- und Außenanlagen). 2. Die Fristen verlängern sich jeweils um vom Bauträger nicht zu vertretende Bauverzögerungen (z.B. durch höhere Gewalt, Arbeitskampf oder witterungsbedingter Unmöglichkeit der Baufortführung i.S.d. § 175 Abs. 6 SGB III) und Verzögerungen durch Sonderwünsche. 3. Wegen verspäteter Bezugsfertigstellung kann der Erwerber nur zurücktreten, wenn er dem Bauträger erfolglos eine Nachfrist von mindestens 14 Tagen gesetzt hat. Der Rücktritt kann frühestens einen Monat nach dem vereinbarten Bezugsfertigkeitstermin erklärt werden. Fristsetzung und Rücktritt bedürfen der Schriftform.
Leiß 581
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag
V. Kaufpreis 1. Betrag Der Kaufpreis beträgt […] Euro (in Worten: […] Euro).
2. Allgemeine Fälligkeitsvoraussetzungen Allgemeine Fälligkeitsvoraussetzungen für den Kaufpreis sind (nach § 3 Abs. 1 Maklerund Bauträgerverordnung – MaBV): a) dass der Vertrag rechtswirksam ist und alle für seine Wirksamkeit oder für seinen Vollzug erforderlichen Genehmigungen vorliegen; b) dass eine Auflassungsvormerkung für den Erwerber am Vertragsobjekt eingetragen ist (und auch die Sondernutzungsrechte dem Vertragsobjekt zugewiesen sind), wobei dieser Vormerkung außer den in Abschnitt I dieser Urkunde genannten Belastungen nur solche Rechte im Range vorgehen dürfen, deren Bestellung der Erwerber zugestimmt hat; c) dass die Lastenfreistellung für vor- oder gleichrangig zur Vormerkung eingetragene und nicht vom Käufer übernommene Grundstücksbelastungen gesichert ist, indem entweder die erforderlichen Unterlagen dem Notar in grundbuchtauglicher Form vorliegen oder – bei Grundpfandrechten für Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland – sich der Gläubiger nach § 3 Abs. 1 MaBV dergestalt zur Freistellung verpflichtet, dass die nicht zu übernehmenden Grundpfandrechte im Grundbuch gelöscht werden, und zwar, wenn das Bauvorhaben vollendet wird, unverzüglich nach Zahlung der geschuldeten Vertragssumme, andernfalls unverzüglich nach Zahlung des dem erreichten Bautenstand entsprechenden Teils der Vertragssumme durch den Erwerber. Für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht vollendet wird, kann sich die Grundpfandrechtsgläubigerin vorbehalten, anstelle der Freistellung alle vom Erwerber vertragsgemäß geleisteten Zahlungen bis zum anteiligen Wert des Vertragsobjekts zurückzuzahlen. Diese Erklärung muss dem Käufer ausgehändigt sein (Kopie genügt). d) Ebenso ist Voraussetzung, dass die Baugenehmigung erteilt wurde oder, wenn eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, die zuständige Behörde bestätigt hat, dass die Baugenehmigung als erteilt gilt und dass nach den baurechtlichen Vorschriften mit dem Vorhaben begonnen werden darf, und seit Eingang der Bestätigung beim Erwerber mindestens ein Monat vergangen ist. Hierzu erklärt der Verkäufer, dass die Baugenehmigung bzw. Genehmigungsfreistellung bereits vorliegt. Weitere Fälligkeitsvoraussetzung ist, dass der Notar den Eintritt der Voraussetzungen a) bis c) durch schriftliche Mitteilung an den Erwerber bestätigt. Die Beteiligten beauftragen den Notar, die Fälligkeitsmitteilung durch Einwurfeinschreiben an die eingangs genannte Adresse der Erwerber zu versenden; der Bauträger erhält eine einfache Abschrift zur Kenntnis. Die Erteilung der Baugenehmigung (bzw. die Genehmigungsfreiheit) muss der Notar nicht prüfen und prüft er auch nicht.
3. Abschlagszahlungen a) Der Bauträger kann Zahlung in bis zu sieben Abschlagszahlungen nach dem erreichten Baufortschritt verlangen. Die Abschlagszahlungen kann er nach seinem billi582 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.343 Kap. 3
gen Ermessen aus nachstehenden, in § 3 Abs. 2 MaBV festgelegten Prozentsätzen zusammenstellen: – 30 % nach Beginn der Erdarbeiten, – 28,0 % nach Rohbaufertigstellung, einschließlich Zimmererarbeiten, – 5,6 % nach Herstellung der Dachflächen und Dachrinnen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Heizungsanlagen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Sanitäranlagen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Elektroanlagen, – 7,0 % nach Einbau der Fenster einschließlich der Verglasung, – 4,2 % für den Innenputz ausgenommen Beiputzarbeiten, – 2,1 % nach Fertigstellung der Estricharbeiten, – 2,8 % für die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich, – 8,4 % nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe, – 2,1 % für die Fassadenarbeiten, – 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung. Die einzelnen Abschlagszahlungen müssen innerhalb von 14 Tagen gutgeschrieben sein, nachdem sowohl die Grundvoraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit (Ziffer V.1.) vorliegen als auch der Bauträger dem Erwerber schriftlich mitgeteilt hat, dass der für die jeweilige Abschlagszahlung erreichte Baufortschritt erreicht ist. b) Der Erwerber kann nach § 650m Abs. 2 BGB als Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Bauwerkes ohne wesentliche Mängel 5 % des Gesamtkaufpreises von der ersten Abschlagszahlung einbehalten (so dass die Baubeginnsrate dann nur 25 % statt 30 % des Kaufpreises beträgt). Dieser Einbehalt ist an den Bauträger zu zahlen, sobald dieser – entweder eine Bürgschaft eines in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers i.H.v. 5 % des vereinbarten Kaufpreises als Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Bauwerkes ohne wesentliche Mängel stellt oder – das Bauwerk rechtzeitig und ohne wesentliche Mängel hergestellt ist und die allgemeinen Fälligkeitsvoraussetzungen vorliegen (also im Regelfall zeitgleich mit der Fertigstellungsrate).
4. Konto Zahlungen sind nach Maßgabe der Fälligkeitsmitteilung des Notars, i.ü. ausschließlich auf das Baukonto des Bauträgers Kontonummer […] bei der […]-Bank/Sparkasse (BLZ […]) zu erbringen. Der Käufer weiß, dass nur dann die Lastenfreistellung gesichert ist. Der Bauträger erklärt, seinen Anspruch in voller Höhe an das Kreditinstitut abgetreten zu haben; trotz Abtretung stehe ihm ein Anspruch auf Zahlung an das Kreditinstitut zu.
Leiß 583
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag
5. Nebenkosten Der Kaufpreis ist ein Festpreis. Er enthält sämtliche Kosten für den Grundstücksanteil sowie die Herstellung des Vertragsobjektes gemäß der Baubeschreibung mit Außenanlagen, einschließlich der Kosten der Grundstücksvermessung. Eventuelle Lohn- oder Materialpreiserhöhungen etc. gehen zu Lasten des Bauträgers. Die Kosten für die Gebäudeeinmessung hat jedoch der Erwerber zu tragen.
6. Erschließungskosten Der Bauträger trägt sämtliche Kosten für die Ersterschließung des Vertragsobjekts, insbesondere nach Baugesetzbuch wie nach Kommunalabgabengesetz, ebenso die Hausund Grundstücksanschlusskosten. Die Kosten von Erschließungsmaßnahmen, die bei Bezugsfertigkeit des Kaufobjektes von der Gemeinde noch nicht beschlossen waren, sowie später neu erlassene Auflagen gehen zu Lasten des Käufers. Ebenso hat der Käufer die Gebühren für Fernmeldeanlagen (Telefon, TV/Radio, Internet u.Ä.) selbst zu tragen, soweit sich nicht aus der Baubeschreibung ausdrücklich anderes ergibt. Der Notar wies darauf hin, dass der Erwerber nach Eigentumsumschreibung für ausstehende Erschließungsbeiträge haftet. Nach Angabe des Bauträgers sind die Erschließungsbeiträge etc., die sich aus der beabsichtigen Bebauung ergeben, bereits an die Gemeinde gezahlt. Der Notar wies den Erwerber darauf hin, dass er über ggf. noch zu erwartende Erschließungskosten am sichersten Auskunft bei der Gemeinde einholen kann.
7. Zahlungsverzug und Rücktrittsrecht Zahlt der Erwerber bei Fälligkeit nicht, schuldet er kraft Gesetzes Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) – unbeschadet eines möglichen weitergehenden Schadensersatzanspruches. Übt der Bauträger bei Zahlungsverzug des Käufers gesetzliche Rücktrittsrechte aus oder verlangt er Schadensersatz anstelle der Erfüllung, so ist die Erklärung nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt und der Erklärung an den Erwerber die Bürgschaft eines deutschen Kreditinstituts beigefügt ist, die den Anspruch auf Rückzahlung aller auf den Kaufpreis geleisteter Zahlungen unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage unbefristet absichert.
VI. Abnahme, Besitzübergang 1. Abnahme Nach bezugsfertiger Herstellung ist das Vertragsobjekt hinsichtlich des dann erreichten Bautenstandes abzunehmen (auch für das Gemeinschaftseigentum). Später durchgeführte Arbeiten sind nach vollständiger Fertigstellung abzunehmen. Bei der Abnahme erfolgt eine gemeinsame Besichtigung des Vertragsobjekts. Darüber ist ein von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnendes Abnahmeprotokoll anzufertigen. Darin sind alle vom Erwerber gerügten Mängel und ausstehenden Leistungen aufzunehmen.
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D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.343 Kap. 3
Andere Formen der Abnahme sind damit nicht ausgeschlossen. Der Notar wies insb. auf die gesetzliche Regelung des § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB hin. Danach steht es der Abnahme gleich, wenn der Erwerber das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Bauträger bestimmten angemessenen Frist annimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
2. Besitzübergabe Der Besitz geht von dem Zeitpunkt an auf den Erwerber über, ab dem dieser das Vertragsobjekt aufgrund Übergabe durch den Verkäufer nutzen darf. Die Übergabe hat mit der Abnahme zu erfolgen, sofern der Erwerber alle zu diesem Zeitpunkt geschuldeten Zahlungen erbracht hat oder Zug um Zug gegen Übergabe leistet. Werden zu diesem Zeitpunkt geschuldete Zahlungen später geleistet, erfolgt die Übergabe Zug um Zug gegen die Zahlung. Mit dem Besitz gehen Nutzen, Lasten und Gefahr einschließlich der Verkehrssicherungspflicht und der Verpflichtungen und Rechte aus für das Vertragsobjekt bestehenden Versicherungen – jedenfalls im Innenverhältnis der Kaufvertragsparteien – über. Ebenso gehen bei einer vorzeitigen Nutzung Lasten und Gefahr (einschließlich Verkehrssicherungspflicht über). Der Erwerber darf die Baustelle bereits vor Abnahme zur Prüfung des Baufortschritts in Abstimmung mit der Bauleitung und unter Einhaltung der von dieser vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen betreten.
3. Eintritt in die Eigentümergemeinschaft Der Erwerber tritt vom Tag des Besitzübergangs an in alle Rechte und Pflichten ein, die sich für ihn aus der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ergeben. Er hat seine etwaigen Rechtsnachfolger in diese Rechtsverhältnisse eintreten zu lassen. Das Wohngeld für das Vertragsobjekt hat bis zum Besitzübergang der Veräußerer ab diesem Zeitpunkt der Erwerber zu zahlen.
VII. Beschaffenheit, Rechte bei Mängeln 1. Grundstücksbelastungen Der Erwerber übernimmt die in Abteilungen II, lfd. Nr […] eingetragenen Dienstbarkeiten unter (anteiligem) Eintritt in die die zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verpflichtungen. Im Übrigen ist der Grundbesitz lastenfrei zu übereignen, ausgenommen Rechte, die unter Mitwirkung oder Zustimmung des Käufers bestellt wurden (insb. der Finanzierungsgrundschuld des Käufers). Die Beteiligten stimmen den Erklärungen zur Lastenfreistellung mit Antrag auf Vollzug zu.
2. Sachmängel a) Hinsichtlich des Grundstücks werden Schadensersatzansprüche wegen der Grundstücksgröße und Bodenbeschaffenheit ausgeschlossen, ausgenommen Grundstücksmängel, wegen derer das Gebäude auf dem Grundstück nicht errichtet werden kann Leiß 585
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag oder die zu Sachmängeln am Bauwerk führen oder die auf einer Verletzung einer Pflicht zur Bodenuntersuchung beruhen. Unberührt bleibt die Haftung aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der Bauträger die Pflichtverletzung zu vertreten hat, und wegen sonstiger Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Bauträgers beruhen. Einer Pflichtverletzung des Bauträgers steht die eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich (§ 309 Nr. 7 BGB). b) Im Übrigen gelten für Mängel des Bauwerks die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Werkvertrag, für Mängel des Grundstücks die Bestimmungen über den Kaufvertrag. Die Verjährungsfrist für Sachmängel des Gebäudes beträgt nach dem Gesetz fünf Jahre ab der jeweiligen Abnahme, für Mängel des Grundstücks zwei Jahre. Ist die Pflichtverletzung unerheblich – etwa bei geringfügigen Sachmängeln, die den vertragsgemäßen Gebrauch nur unerheblich beeinträchtigen, kann der Erwerber nur Minderung oder Schadensersatz verlangen, aber nicht vom Vertrag zurücktreten. Der Bauträger wies darauf hin, dass normaler Verschleiß keinen Sachmangel darstellt und dass eine sachgerechte Wartung durchzuführen ist.
IX. Grundbucherklärungen 1. Eigentumsvormerkung Zur Sicherung des Erwerbsanspruchs bewilligen und beantragen die Beteiligten, eine Eigentumsvormerkung zugunsten des Käufers am Vertragsobjekt einzutragen – bei mehreren im angegebenen Erwerbsverhältnis –, im Rang nur nach den in Abschnitt I genannten Belastungen sowie ggf. nach Finanzierungsgrundpfandrechten des Erwerbers, an nächst offener Rangstelle nur auf Antrag des Notars. Die Löschung dieser Vormerkung unmittelbar nach Vollzug der Auflassung wird bereits jetzt bewilligt und beantragt, vorausgesetzt es erfolgte keine Zwischeneintragung ohne Zustimmung des Erwerbers.
2. Eigentumsübertragung (Auflassung) Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer das Eigentum am Vertragsobjekt Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Kaufpreises zu verschaffen. Die Vertragsteile sind einig (Auflassung), dass am Vertragsobjekt das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer (im Erwerbsverhältnis gem. Abschnitt II.) übergeht. Diese Auflassung ist unbedingt; sie enthält aber keinen Eintragungsantrag und keine Eintragungsbewilligung. Der Verkäufer erteilt dem amtierenden Notar einseitig unwiderruflich und unbedingt Vollmacht, die Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch nach schriftlicher Zustimmung des Verkäufers zu bewilligen; zu dieser Zustimmung ist der Verkäufer spätestens dann verpflichtet, wenn der geschuldete Kaufpreis bezahlt ist. Sollte der Verkäufer das Bauwerk endgültig nicht mehr vertragsgemäß fertig stellen, kann der Käufer die Zustimmung des Verkäufers zum Vollzug der Auflassung auch dann ver-
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D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.343 Kap. 3
langen, wenn der Käufer seine bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Kaufpreisraten, gegebenenfalls anteilig entsprechend dem Bautenstand, entrichtet hat. Der Eintragungsantrag ist für den Käufer zu stellen.
X. Vollmacht für den Bauträger 1. Vollmacht Der Erwerber erteilt dem Bauträger Vollmacht – mit der Befugnis, Untervollmacht zu erteilen, und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB: a) die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu ändern und zu ergänzen (einschließlich der Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum und umgekehrt), soweit sich dadurch das Sondereigentum und Sondernutzungsrechte des Erwerbers nicht ändern sowie dem Erwerber keine höheren Zahlungsverpflichtungen auferlegt werden, b) Dienstbarkeiten wie Geh- und Fahrtrechte sowie für Ver- oder Entsorgungsleitungen zugunsten der jeweiligen Eigentümer von Nachbargrundstücken oder von öffentlichen oder privaten Versorgungsträgern zu bestellen und diesen Rang vor der Auflassungsvormerkung des Erwerbers sowie vor Belastungen in Abt. III zu verschaffen. Von dieser Vollmacht kann nur vor dem amtierenden Notar, seinem Vertreter oder Amtsnachfolger Gebrauch gemacht werden. Der Notar hat die Einhaltung der im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen zu überwachen und dem Erwerber mitzuteilen, wenn von dieser Vollmacht Gebrauch gemacht wurde. Im Außenverhältnis unterliegt die Vollmacht keinen weiteren Einschränkungen. Die Vollmacht erlischt mit Umschreibung des Eigentums an sämtlichen Wohnungsund Teileigentumseinheiten am Grundstück auf etwaige Erwerber.
2. Innenverhältnis Im Innenverhältnis ist der Erwerber verpflichtet, Änderungen der Teilungserklärung (etwa durch Zusammenlegen oder Aufteilung anderer Sondereigentumseinheiten, Zuweisung von Sonder- oder Gemeinschaftseigentum oder Sondernutzungsrechten) zuzustimmen, soweit sie den Gebrauch und den Wert seines Sondereigentums und seiner Sondernutzungsrechte nicht beeinträchtigen sowie den Gebrauch der Gemeinschaftseinrichtungen nur unwesentlich beeinträchtigen. Ebenso ist der Erwerber im Innenverhältnis verpflichtet, Nutzungsbeschränkungen oder Anlagen auf dem Vertragsgrundstück zu dulden sowie deren Absicherung durch Dienstbarkeiten oder schuldrechtliche Nutzungsrechte zuzustimmen, soweit diese behördlicherseits als Voraussetzung für die Bebauung oder Nutzung des in Abschnitt I. bezeichneten Grundstücks verlangt werden oder sonst für die Ver- und Entsorgung dieses Grundbesitzes erforderlich oder zweckdienlich sind. Auch diese Verpflichtung besteht nur, wenn der Gebrauch des Sondereigentums des Erwerbers und der seiner Sondernutzungsrechte nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Auch damit verbundene bauliche Änderungen sind zu dulden. Etwaige Wertminderungen sind in Geld auszugleichen.
Leiß 587
Kap. 3 Rz. 3.343 Bauträgerkaufvertrag
XI. Kaufpreisfinanzierung ([…] Finanzierungsvollmacht wie „allgemein“ bei Kaufvertrag über eine Immobilie […])
XII. Notarvollmacht ([…] wie „allgemein“ beim Kaufvertrag über eine Immobilie […])
XIII. Hinweise des Notars 1. Der Notar belehrte den Erwerber: – Die vorliegende Vertragsgestaltung entspricht den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV). Das Gesetz sieht vor, dass Zahlungen nur nach Baufortschritt erbracht werden. Es bietet aber keinen lückenlosen Schutz, insbesondere nicht bei einem Steckenbleiben des Baus. – Erklärt der Erwerber den Rücktritt oder verlangt er Schadensersatz anstelle der Vertragserfüllung, so hat er einen Rückzahlungsanspruch gegen den Bauträger. Dieser ist aber nicht zusätzlich abgesichert (außer wenn ihm der Bauträger hierfür eine Bürgschaft gestellt hat, insbesondere nach § 7 MaBV). – Der Grundbesitz haftet für rückständige öffentliche Lasten, insbesondere für nicht gezahlte Erschließungsbeiträge. Hier ist eine Absicherung etwa durch eine Bürgschaft oder einen Sicherungseinbehalt möglich. 2. Ferner belehrte der Notar die Beteiligten insbesondere über Folgendes: – Zur Rechtswirksamkeit des Vertrages und aus steuerlichen Gründen müssen die Beteiligten sämtliche Vereinbarungen richtig und vollständig beurkunden. – Das Eigentum geht erst über mit Umschreibung im Grundbuch. Dafür muss die Unbedenklichkeitsbescheinigung über die erfolgte Grunderwerbsteuerzahlung vorliegen (und ggf. erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigungen).
XIV. Kosten und Steuern, Abschriften ([…] wie „allgemein“ beim Kaufvertrag über eine Immobilie […]) Pläne zur Durchsicht vorgelegt, vom Notar verlesen, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben. […] […] (Unterschriften aller Beteiligten sowie des Notars)
588 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.344 Kap. 3
3.344
M43 Bauträgervertrag über teilsanierte Altbauwohnung Sachverhalt1: Käufer und Verkäufer sind wie in Muster M42, Rz. 3.343. Es handelt sich jedoch um ein anderes Vertragsobjekt: Der Verkäufer (Wohnschön-Bauträger GmbH) saniert ein denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus und teilt es nach dem Wohnungseigentumsgesetz in rechtlich selbständige Wohnungs- und Teileigentumseinheit auf. Die Teilungserklärung ist im Grundbuch bereits vollzogen. Oberirdische Pkw-Stellplätze und Gartenflächen zu Erdgeschosswohnungen werden als Sondernutzungsrechte ausgewiesen. Der Käufer will erhöhte AfA gem. § 7i EStG geltend machen. UR-Nr […]/2012
Bauträgervertrag (Teilsanierte Altbauwohnung) ([…] Urkundeneingang wie Muster Eigentumswohnung, M42, Rz. 3.343)
I. Vertragsobjekt 1. Grundbuchstand ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
2. Teilungserklärung ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343 mit Anpassungen zum Sachverhalt […])
3. Vertragsobjekt ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
4. Stellplatz ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
5. Verweisung ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
II. Verkauf ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
III. Bauverpflichtung 1. Bauausführung a) Der Verkäufer verpflichtet sich, das Vertragsobjekt entsprechend der Baubeschreibung samt Bauplänen, wie sie die in Abschnitt I genannte Verweisungsurkunde enthält, und – für neue Gewerke – der anerkannten Regeln der Bautechnik schlüsselfertig und funk1 Nach Würzburger Notarhandbuch/Hertel6, Teil 2 Kap. 3 Rz. 363.
Leiß 589
Kap. 3 Rz. 3.344 Bauträgerkaufvertrag tionsfähig für die vereinbarte Wohnnutzung herzustellen. Bei Zweifeln geht die Baubeschreibung den Bauplänen vor. In die Baupläne etwa eingezeichnete Möblierungen oder sonstige Ausstattungsgegenstände sind nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie in der Baubeschreibung ausdrücklich aufgeführt sind. Die Bauausführung muss unter Beachtung der gesetzlichen und behördlichen Anforderungen erfolgen. Für neu zu erstellende Gewerke sind die im Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten bzw. der Bestellung der einzubauenden Teile anerkannten Regeln der Bautechnik und einschlägigen DIN-Vorschriften einzuhalten; später erhöhte Anforderungen müssen nur dann eingehalten werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Ausführung der betreffenden Arbeiten bzw. der Bestellung schon zuverlässig erkennbar waren. b) Der Verkäufer weist darauf hin, dass er nur eine Teilsanierung vornimmt. Änderungen an der bestehenden Altbausubstanz über die Baubeschreibung hinaus sind nicht geschuldet, dies gilt insbesondere für: – […] Auflistung derjenigen Bereiche der Altbausubstanz, die unverändert bleiben […] – […] Daher wird das Gebäude auch nach Abschluss der Teilsanierung voraussichtlich nicht allen Standards für Neubauten genügen, insbesondere nicht beim Schall- und Wärmeschutz. Der Verkäufer erklärt, dass er das Gebäude geprüft hat und über die vereinbarten Sanierungsarbeiten hinaus keinen aktuellen Sanierungsbedarf feststellen kann.
2. Sonderwünsche, Eigenleistungen 3. Bauliche Änderungen 4. Wohnfläche ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
IV. Fertigstellungstermin ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
V. Kaufpreis 1. Betrag Der Kaufpreis beträgt […] Euro (in Worten: […] Euro). Davon entfallen: – auf den Grundstücksanteil ein Teilbetrag von […] Euro, – auf den Anteil des Erwerbers an der Altbausubstanz […] Euro, – auf die (teilweise) noch zu erbringenden Sanierungsarbeiten […] Euro. Der Verkäufer erklärt, dass alle Sanierungsleistungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung i.S.d. § 7i EStG erforderlich sind. 590 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.344 Kap. 3
2. Allgemeine Fälligkeitsvoraussetzungen ([…] wie M42, Rz. 3.343 […], evtl. – bei förmlich festgesetztem Sanierungsgebiet (§§ 136 ff. BauGB – ist die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung (§ 144 BauGB) als weitere Fälligkeitsvoraussetzung vorzusehen […])
3. Abschlagszahlungen a) 30 % des Kaufpreises sind dann binnen 14 Tagen nach Zugang der Fälligkeitsmitteilung des Notars fällig. (Anmerkung: zu diesen 30 % können noch die Prozentsätze für die in der Altbausubstanz bereits vorhandenen Gewerke hinzugezählt werden, s. Rz. 3.275.) b) Der Bauträger kann Zahlung in bis zu sechs weiteren Abschlagszahlungen nach dem erreichten Baufortschritt verlangen. Die Abschlagszahlungen kann er nach seinem billigen Ermessen aus nachstehenden, in § 3 Abs. 2 MaBV festgelegten Prozentsätzen zusammenstellen: – 28,0 % nach Rohbaufertigstellung, einschließlich Zimmererarbeiten, – 5,6 % nach Herstellung der Dachflächen und Dachrinnen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Heizungsanlagen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Sanitäranlagen, – 2,1 % für die Rohinstallation der Elektroanlagen, – 7,0 % nach Einbau der Fenster einschließlich der Verglasung, – 4,2 % für den Innenputz ausgenommen Beiputzarbeiten, – 2,1 % nach Fertigstellung der Estricharbeiten, – 2,8 % für die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich, – 8,4 % nach Bezugsfertigkeit und Zug um Zug gegen Besitzübergabe, – 2,1 % für die Fassadenarbeiten, – 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung. Die einzelnen Abschlagszahlungen sind binnen 14 Tagen zu erbringen (Zahlungseingang auf dem Konto der Gläubigerin entscheidet), nachdem sowohl die Grundvoraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit (Ziffer V.1.) vorliegen als auch der Bauträger dem Erwerber schriftlich mitgeteilt hat, dass der für die jeweilige Abschlagszahlung erreichte Baufortschritt erreicht ist. c) Der Erwerber kann nach § 650m Abs. 2 BGB als Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Bauwerkes ohne wesentliche Mängel 5 % des Gesamtkaufpreises von der ersten Abschlagszahlung einbehalten ([…] weiter wie in Muster M42, Rz. 3.343)
4. Konto 5. Nebenkosten 6. Erschließungskosten 7. Umsatzsteuererhöhung Leiß 591
Kap. 3 Rz. 3.344 Bauträgerkaufvertrag
8. Zahlungsverzug und Rücktrittsrecht ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
VI. Abnahme, Besitzübergang ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
VII. Beschaffenheit, Rechte bei Mängeln 1. Grundstücksbelastungen ([…] wie Muster M42, Rz. 3.343)
2. Denkmaleigenschaft Als Beschaffenheit ist vereinbart: – Das Haus ist ein Baudenkmal (Einzeldenkmal/Kulturdenkmal) i.S.d. § 7i EStG und des einschlägigen Landesdenkmalschutzgesetzes. – Die Nutzung zu Wohnzwecken (als Büro oder freiberufliche Praxis) ist auch öffentlich-rechtlich zulässig.
3. Sachmängel a) Hinsichtlich des Grundstücks und der nach der Baubeschreibung unverändert bleibenden Teile der Altbausubstanz werden Ansprüche wegen Sachmängeln ausgeschlossen (insb. wegen Grundstücksgröße, Bodenbeschaffenheit oder „Altlasten“ in Boden oder Altbausubstanz). Unberührt bleiben Ansprüche aus der Verletzung von Untersuchungspflichten sowie wegen Mängeln, die der vereinbarungsgemäßen Nutzung des Bauwerks entgegenstehen. Unberührt bleiben ferner Ansprüche bei Vorsatz, arglistigem Verschweigen oder grobem Verschulden sowie Ansprüche aus der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 309 Nr. 7 BGB). b) Im Übrigen gelten für Mängel des Bauwerks (d.h. insb. für die vom Verkäufer geschuldeten Bauleistungen) die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über den Werkvertrag. Die Verjährungsfrist für Sachmängel des Gebäudes beträgt nach dem Gesetz fünf Jahre ab der jeweiligen Abnahme. Ist die Pflichtverletzung unerheblich – etwa bei geringfügigen Sachmängeln, die den vertragsgemäßen Gebrauch nur unerheblich beeinträchtigen, kann der Erwerber allenfalls Minderung oder Schadensersatz verlangen, aber nicht vom Vertrag zurücktreten. Der Bauträger wies darauf hin, dass normaler Verschleiß keinen Sachmangel darstellt und dass eine sachgerechte Wartung durchzuführen ist.
VIII. Genehmigungen und gesetzliche Vorkaufsrechte ([…] wie allgemein beim Kaufvertrag über eine Immobilie; ggf. ist eine sanierungsrechtliche Genehmigung einzuholen, § 144 BauGB, wenn das Sanierungsobjekt in einem 592 Leiß
D. Steuerrechtliche Einzelfragen
Rz. 3.344 Kap. 3
förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet liegt, §§ 136 ff. BauGB; unter Umständen kann auch das Mietervorkaufsrecht gem. § 577 BGB zu beachten sein […])
IX. Grundbucherklärungen ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
X. Vollmacht für den Bauträger ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
XI. Kaufpreisfinanzierung ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
XII. Notarvollmacht ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
XIII. Hinweise des Notars ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
XIV. Kosten und Steuern, Abschriften ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343)
XV. Abschriften ([…] jeweils wie Muster M42, Rz. 3.343) Pläne zur Durchsicht vorgelegt; vom Notar verlesen, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben. […] […] (Unterschriften aller Beteiligten sowie die Unterschrift des Notars mit Zusatz „Notar“)
Leiß 593
Kapitel 4 Wohnungs- und Teileigentum A. Zivilrechtliche Gestaltung I. Gründe für die Wahl von Wohnungseigentum 1. Schaffung selbständig verfügbarer Einheiten . . . . . . . . . 2. Vorsorgliche Teilung . . . . . . . . II. Die Begründung von Wohnungseigentum – dingliche Seite 1. Grundstückssituation . . . . . . . 2. Vertragliche/Einseitige Begründung a) Vertragliche Begründung . b) Einseitige Begründung . . . 3. Aufteilungsplan, Sondereigentumsfähigkeit . . . . . . . . . 4. Abgeschlossenheitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . 5. Behördliche/Gerichtliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . 6. Größe der Miteigentumsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sukzessive Begründung von Wohnungseigentum (Mehrhausanlage) . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zustimmung Drittberechtigter zur Wohnungseigentumsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . 9. Aufteilungsplanwidrige Bauausführung . . . . . . . . . . . . III. Die Gemeinschaftsordnung – Grundnutzung: Wohnungseigentum/Teileigentum . . . . . . . 1. Geschosswohnungsbau, Betreutes Wohnen . . . . . . . . . 2. Gemischte Nutzung Wohnung/Gewerbe, Beruf . . . . . . . 3. Doppelhaushälften, Reihenhäuser in der Rechtsform des Wohnungseigentums . . . . 4. Begründung von Sondernutzungsrechten und von Annex-Sondereigentum . . . . . . .
4.1 4.2
4.3 4.5 4.7 4.8 4.16 4.17 4.18 4.19 4.24 4.25
4.31 4.32 4.38 4.43 4.46
a) Begründung von Sondernutzungsrechten durch Ausschluss aller und Zulassung Einzelner . . . . . . . . b) Anbindung der Sondernutzungsrechte bei einer Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschluss unter der Bedingung der Zuweisung eines Sondernutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Begründung eines Sondernutzungsrechtes aufgrund Öffnungsklausel . . . 5. Veräußerungsbeschränkung und ihre Aufhebung . . . . . . . . 6. Nutzen und Lasten, Verteilungsschlüssel . . . . . . . . . . . . . 7. Vorrecht für Hausgeldbeträge in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Eigentümerversammlung . . . a) Regelung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Feststellung der Mehrheit . c) Abstimmungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschluss-Sammlung . . . . 9. Bestellung und Kompetenzen des Verwalters . . . . . . . . . . IV. Interne und externe Veränderungen am Wohnungseigentum 1. Unterteilung, Vereinigung . . . 2. Veräußerung einzelner Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum und umgekehrt . . . . . 4. Änderungen der Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . . . . . a) Änderung durch Vereinbarung, Zustimmung Drittberechtigter . . . . . . . .
4.49 4.51
4.53 4.55 4.56 4.58 4.61 4.62 4.63 4.64 4.65 4.66 4.67
4.91 4.99 4.103 4.106 4.108
Rapp/Schallmoser 595
Kap. 4 Wohnungs- und Teileigentum b) Änderungen aufgrund Öffnungsklausel . . . . . . . . 4.109 c) Änderung aufgrund Anpassungsverpflichtung . . . 4.112 d) Gesetzliche Öffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . 4.113 5. Veräußerung/Aufhebung von Sondernutzungsrechten a) Form, Zustimmungsbedürftigkeit, gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . 4.114 b) Erwerberkreis . . . . . . . . . . . 4.116 c) Nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . . . . 4.117 d) Aufhebung von Sondernutzungsrechten . . . . . . . . 4.120 6. Externe Veränderungen am Wohnungseigentumsgrundstück a) Wegmessungen vom Wohnungseigentumsgrundstück . . . . . . . . . . . . . 4.121 b) Hinzuerwerb einer Fläche zum Wohnungseigentumsgrundstück . . . . . . . . 4.123 7. Rechtsfähigkeit und Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.124 a) Die Bezeichnung der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . 4.125 b) Der sachliche Bereich der Rechtsfähigkeit – Verwaltungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . 4.128 c) Die Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft . . . . . . . . 4.129 d) Gemeinschaftsvermögen (früher Verwaltungsvermögen) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.132 e) Die Haftungsverfassung aa) Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . 4.133 bb) Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . 4.133a
596 Rapp/Schallmoser
f) Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit; Werdender Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Einpersonen-Eigentümergemeinschaft . . . . . . . . . . . V. Veräußerung von Wohnungseigentum 1. Bezeichnung des Vertragsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährleistung bezüglich des Gemeinschaftseigentums a) Werkvertragsansprüche in Ansehung des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . b) Legitimation zur Geltendmachung der verschiedenen Gewährleistungsansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwalterzustimmung . . . . . . 4. Anspruch auf Veräußerungszustimmung, Unwiderruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eintritt in die Rechtsverhältnisse der Gemeinschaft; eintragungspflichtige Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unanfechtbar gewordene Beschlüsse der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abrechnung der Bewirtschaftungskosten . . . . . . . . c) Haftung für rückständige Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gemeinschaftsvermögen und Rechtsnachfolge . . . . . e) Nachhaftung des Veräußerers . . . . . . . . . . . . 6. Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Kündigungsschutzvorschriften für den Mieter . . . . . . . . . . . . . b) Das gesetzliche Mietervorkaufsrecht . . . . . . . . . . .
4.134 4.135
4.161 4.168 4.169
4.174 4.183 4.186
4.188 4.189 4.193 4.194 4.200 4.201 4.202 4.203 4.204
Wohnungs- und Teileigentum VI. Übergangsvorschriften zum WEModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuerliche Fragen I. Bewertungsrecht 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehung von Wohnungsund Teileigentum . . . . . . . . . . 3. Mindestanforderungen bei Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundbesitzwert für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke . . . . . . . . . 5. Grundbesitzwert für Grundsteuerzwecke . . . . . . . . . . . . . . II. Einkommensteuer 1. Vermietetes Wohnungs- und Teileigentum im Privatvermögen a) Einkünftetatbestand . . . . . b) Werbungskosten . . . . . . . . aa) Instandhaltungsrücklage . . . . . . . . . . . . bb) Absetzungen für Abnutzung (1) Beginn . . . . . . . . . . . . . (2) Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . (3) Vermietete Denkmalschutzobjekte sowie Gebäude in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen . . cc) Haushaltsnahe Dienstleistungen . . . . . c) Bauabzugssteuer . . . . . . . . d) Veräußerung . . . . . . . . . . . . 2. Selbstbewohntes Wohnungsund Teileigentum . . . . . . . . . . 3. Wohnungs- und Teileigentum im Betriebsvermögen a) (Eigen-)Betriebliche Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veräußerung . . . . . . . . . . . . 4. Gemischt genutzte Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbauseinandersetzung . . . aa) Mischnachlass . . . . . . .
4.205
4.241 4.244 4.245 4.249 4.252
4.271 4.272 4.273 4.276 4.277
4.278 4.279 4.280 4.281 4.301
4.302 4.303 4.304 4.305 4.306
Kap. 4
bb) Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermeidung der Infizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . aa) Mischnachlass . . . . . . . bb) Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . c) Atypisch stille Gesellschaft statt Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . d) Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewerbesteuer 1. Wohnungs- und Teileigentum im Privatvermögen . . . . . 2. Wohnungs- und Teileigentum im Betriebsvermögen . . . IV. Umsatzsteuer 1. Veräußerung von Wohnungs- und Teileigentum . . . . 2. Vermietung und Verpachtung von Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungen zwischen Eigentümergemeinschaft und Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . V. Grunderwerbsteuer 1. Entgeltliche Übertragung von Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung und Aufhebung von Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufteilung durch Teilungserklärung gem. § 8 WEG . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung des Wohnungseigentums durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum gem. § 3 WEG . . . . . . . . . . c) Entziehung des Wohnungseigentums . . . . . . . . . d) Aufhebung von Wohnungseigentum . . . . . . . . .
4.307 4.308 4.309 4.310
4.312 4.314
4.331 4.332
4.351 4.354 4.355
4.381 4.384 4.385
4.386 4.389 4.390
Rapp/Schallmoser 597
Kap. 4 Rz. 4.1 Wohnungs- und Teileigentum 3. Begründung, Aufhebung und entgeltliche Übertragung von Wohnungserbbaurechten . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte; Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bemessungsgrundlage . . . . . . VI. Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Erbschaft- und Schenkungsteuer 1. Steuerbarkeit unbenannter (ehebedingter) Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.391 4.392 4.393 4.411
2. Steuerbefreiung für Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) a) Übertragung unter Lebenden; gemischt genutzte Grundstücke . . . . . . . . . b) Erwerb von Todes wegen . VIII. Abgabenrechtliche Fragen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Pflichten des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesonderte Feststellung gem. § 180 AO . . . . . . . . . . . .
4.416 4.419 4.441 4.442 4.446
4.413
Literatur: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2018; Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017; Bamberger/Roth/Hau/Poseck (BRHP) BGB, 4. Aufl. 2019, WEG bearbeitet von Hügel §§ 1-42, Scheel §§ 43 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp, 7. Aufl. 2019; Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentum, 3. Aufl. 2015; BeckOGK, WEG 2019; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 2021; Grüneberg (früher Palandt), BGB, 81. Aufl. 2022 (WEG bearbeitet von Wicke); Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, 2003; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021; Hügel, Handbuch Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021; Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2022; Langhein/ Naumann, NotarFormulare Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2018; Lehmann-Richter/ Wobst, WEG-Reform 2020, 2020; Münchener Kommentar zum BGB, WEG, 8. Aufl. 2021; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 6. Aufl. 2015; M. Müller, Änderungen des sachenrechtlichen Grundverhältnisses der Wohnungseigentümer, 2010; Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl. 2020; Palandt, s. Grüneberg; Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, Nomos-Kommentar zum BGB, Band 3, 4. Aufl. 2016 (WEG bearbeitet von Heinemann/Schulzky); Riecke/Schmid, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2014; Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht, 2021; Schmidt-Räntsch, Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum WEG, ZWE 2015, 429; ZWE 2016, 429; ZWE 2018, 2; ZWE 2019, 3; ZWE 2020, 1; ZWE 2021, 1; Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017; Staudinger/Bearbeiter, WEG, 2017; Timme, WEG, 2. Aufl. 2014; Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Aufl. 2005.
A. Zivilrechtliche Gestaltung I. Gründe für die Wahl von Wohnungseigentum 1. Schaffung selbständig verfügbarer Einheiten
4.1 Nach den Regelungen in §§ 93, 94 BGB ist das Grundstück mit seinen wesentlichen Bestandteilen, insbesondere mit einem darauf errichteten Gebäude, eine Sache im Rechtsinne. Dementsprechend kann bei einem Mehrfamilienhaus eine Wohnung für sich allein weder verkauft noch belastet werden. Durch das WEG wird dies jedoch in der Weise ermöglicht, dass einzelne Wohnungen zum Sondereigentum er598 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.4 Kap. 4
klärt werden, welches mit einem Miteigentumsanteil am ansonsten gemeinschaftlichen Eigentum verbunden wird. Damit können einzelne Einheiten zum Gegenstand des Rechtsverkehrs gemacht werden. 2. Vorsorgliche Teilung Mit Blick auf die Wohnungsknappheit in vielen Ballungsgebieten wird immer wie- 4.2 der die Forderung erhoben, die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen zu verbieten oder zumindest einer Genehmigungspflicht zu unterstellen. Die Umwandlung führt, so die Erfahrung, zur Verdrängung der bisherigen Mieter, da diese nach einer zumeist durchgeführten Sanierung/Modernisierung der Wohnungen die danach erhöhte Miete nicht aufbringen können. Dem ist der Gesetzgeber mit dem Baulandmobilisierungsgesetz vom 14.6.20211 (in Kraft getreten am 23.6.2021) zumindest teilweise nachgekommen. Der neue § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB ermächtigt die Landesregierungen durch Rechtsverordnung Gebiete zu bestimmen, innerhalb derer die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum bei Gebäuden, die bereits vor Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung bestanden, der Genehmigung bedarf 2. Eine Genehmigungspflicht kann auch im Geltungsbereich von Erhaltungssatzungen (§ 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB) sowie in Fremdenverkehrsgemeinden (§ 22 BauGB) bestehen. Auch Mieterschutzvorschriften (Mietervorkaufsrecht, eingeschränkte Kündigungsrechte) knüpfen an die Begründung von Wohnungseigentum an. Durch die rechtzeitige Begründung von Wohnungseigentum können u.U. diese Schwierigkeiten vermieden werden („vorsorgliche Teilung“). II. Die Begründung von Wohnungseigentum – dingliche Seite 1. Grundstückssituation Nach §§ 3, 8 WEG kann Wohnungseigentum nur an einem Grundstück gebildet wer- 4.3 den. Das gleiche gilt für Wohnungserbbaurecht gem. § 30 WEG. Soll sich deshalb eine Wohnungseigentumsanlage über mehrere Grundstücke erstrecken, so müssen diese gem. § 890 Abs. 1, 2 BGB zu einem Grundstück im Rechtssinne vereinigt werden. Bei einem Überbau ist darauf zu achten, dass dieser rechtmäßig ist. Es muss ver- 4.4 mieden werden, dass bei einem vorsätzlich oder grob fahrlässigen Überbau der übergebaute Gebäudeteil Eigentum des Nachbarn wird3. Nur dies schützt davor, dass ein Miteigentumsanteil besteht, der ohne Sondereigentum ist, was dann eintreten würde, wenn z.B. ein Tiefgaragenabstellplatz komplett auf dem Nachbargrundstück liegt. Ein rechtmäßiger Überbau besteht dann, wenn der Nachbar entweder zugestimmt
1 Ges. zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14.6.2021, BGBl. I 2021, 1802. 2 Zu Einzelheiten s. Battis u.a., BauGB, 15. Aufl. 2022, Erläuterungen zu § 250 BauGB. 3 BGH v. 27.3.2015 – V ZR 216/13, NJW 2015, 2489 Rz. 31 f.; v. 30.5.2008 – V ZR 184/07, NJW 2008, 3122 Rz. 7 m.w.N.; Grüneberg/Wicke81, § 1 WEG Rz. 6–8.
Rapp 599
Kap. 4 Rz. 4.4 Wohnungs- und Teileigentum
hat oder eine Grunddienstbarkeit eingeräumt wurde. Ob ein Überbau stattfindet, ergibt sich aus dem amtlichen Lageplan, der Bestandteil des Aufteilungsplanes ist1. 2. Vertragliche/Einseitige Begründung a) Vertragliche Begründung
4.5 Eine vertragliche Begründung von Wohnungseigentum kommt nach § 3 Abs. 1 WEG in Betracht, wenn zwei oder mehr Miteigentümer eines Grundstücks vorhanden sind. Dabei muss es sich um Miteigentum nach Bruchteilen (§§ 741 ff. BGB) handeln, wie sich aus der Verweisung auf § 1008 BGB ergibt. Gesamthänderisches Miteigentum (Erbengemeinschaft, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) muss in diesen Fällen vorweg in Bruchteilsmiteigentum durch entsprechende Auseinandersetzung und Auflassung gebildet werden. Dabei muss jeder Miteigentumsanteil mit Sondereigentum verbunden werden; „freie Miteigentumsanteile“ dürfen nicht bestehen bleiben2. Mit einem Miteigentumsanteil können jedoch mehrere Sondereigentumseinheiten verbunden werden3, was unter steuerlichen Gesichtspunkten relevant sein kann (vgl. Rz. 4.281, 4.303). Das aufzuteilende Gebäude kann bereits bestehen oder es ist erst noch zu errichten. § 3 Abs. 1 WEG enthält eine entsprechende Definition des Sondereigentums. 4.6 Die vertragliche Begründung von Wohnungseigentum ist eine teilweise Auseinandersetzung des Gemeinschaftseigentums, das bezüglich der in sich abgeschlossenen Wohnungen zum Sondereigentum wird. Konsequent sieht das Gesetz für diesen Eigentumswechsel die Form der Auflassung gem. § 4 WEG, § 925 BGB vor. Die Verpflichtung hierzu bedarf der notariellen Beurkundung (§ 311b BGB). Die Auflassungsform unter Mitwirkung aller Eigentümer ist auch bei bestehendem Wohnungseigentum zu beachten, wenn Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum (oder umgekehrt) umgewandelt werden soll. Der Vorgang ist in allen Grundbuchblättern der Anlage im Bestandsverzeichnis einzutragen. Damit wird der Gegenstand des Sondereigentums an allen Grundbuchstellen in identischer Weise abgebildet und damit eine widersprüchliche Eintragung (die einen gutgläubigen Erwerb ausschließt) verhindert. b) Einseitige Begründung
4.7 Nach § 8 Abs. 1 WEG kann der Grundstückseigentümer durch einseitige, amtsempfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Grundbuchamt sein Eigentum 1 Ausführliche Darstellungen zur Thematik Überbau finden sich bei Tersteegen, RNotZ 2006, 453; Hügel5, § 2 Rz. 51 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 20 ff.; DNotI-Gutachten v. 26.8.2021 fre-dd 186799. 2 BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, BGHZ 109, 179 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 447 = DB 1990, 1232 = DNotZ 1990, 377; Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 19 ff.; zum sog. Kellereigentum s. BayObLG v. 7.11.1991 – BReg 2 Z 137/91, MDR 1992, 155 = NJW 1992, 700 = DNotZ 1992, 718 sowie Staudinger/Rapp, § 5 WEG Rz. 18. 3 BayObLGZ 1971, 102.
600 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.10 Kap. 4
in Miteigentumsanteile aufteilen, die jeweils mit Sondereigentum verbunden werden. Dies gilt sowohl für ein Gebäude, das bereits besteht, als auch für ein solches, das erst noch errichtet werden soll. Auch mehrere Grundstückseigentümer – gleich in welchem Gemeinschaftsverhältnis – können ihr Eigentum gem. § 8 WEG teilen; in diesem Falle setzt sich das ursprüngliche Gemeinschaftsverhältnis an den durch Teilung entstehenden neuen Einheiten fort. 3. Aufteilungsplan, Sondereigentumsfähigkeit Nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG ist der Eintragungsbewilligung zur Begründung von 4.8 Wohnungseigentum zwingend der Aufteilungsplan beizufügen. Dieser Aufteilungsplan hat eine vergleichbare Funktion wie der amtliche Lageplan für das Grundstück: Beim Grundstück zeigt der Lageplan die Grenzen zwischen den verschiedenen Grundstücken auf. Der Aufteilungsplan zeigt die Grenzen zwischen den verschiedenen Sondereigentumseinheiten sowie den Grundstücksteilen, die im Sondereigentum stehen, ferner zwischen dem Sondereigentum und dem gemeinschaftlichen Eigentum; er nimmt am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil1. Der Aufteilungsplan muss bei bestehenden Gebäuden eine Baubestandszeichnung sein und bei zu errichtenden Gebäuden den bauaufsichtlichen Vorschriften entsprechen. Maßgebend dafür ist die allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG und gem. § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG vom 12.7.2021 (BAnz)2. Im Aufteilungsplan sind alle zu demselben Wohnungseigentum gehörenden Einzel- 4.9 räume und Teile des Grundstücks mit der jeweils gleichen Nummer zu kennzeichnen (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 WEG). Dies bedeutet aber nicht, dass die identische Nummer in jedem Raum, der zur selben Einheit gehört, eingetragen sein muss3. Es genügt, wenn für eine Einheit eine Eintragung, z.B. WE 1 oder TE 1, vorgenommen wird. Bei der Erklärung zum Sondereigentum muss der sachenrechtliche Bestimmtheits- 4.10 grundsatz beachtet werden. Aus dem Aufteilungsplan und auch aus der Aufteilungs-
1 BGH v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 = MDR 2008, 1266 = NJW 2008, 2982 = ZfIR 2008, 734 = DNotZ 2009, 50 = ZWE 2008, 426; OLG München v. 24.9.2010 – 34 Wx 115/10, ZWE 2010, 463. 2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (AVA) v. 6.7.2021, BAnz AT 12.07.2021 B2. Die AVA wurde mit Blick auf die erweiterten Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 WEG) und das Freiflächen-Sondereigentum (§ 3 Abs. 2 WEG) neu erlassen; s. hierzu Wobst, DNotZ 2021, 582; DNotI-Abrufgutachten betr. Bemaßungskette v. 21.12.2021 stk-dd 189115. 3 OLG München v. 24.9.2018 – 34 Wx 194/18, DNotZ 2019, 532 Rz. 15 ff. = MittBayNot 2019, 349; Grziwotz, DNotZ 2009, 407; Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 35. Die Vorschrift gilt auch nur für die erstmalige Begründung von Wohnungseigentum, s. OLG Düsseldorf v. 30.11.2015 I-3 Wx 272/15, RNotZ 2016, 239; Jennißen/Abramenko7, § 7 WEG Rz. 35; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 29b; Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 37.
Rapp 601
Kap. 4 Rz. 4.10 Wohnungs- und Teileigentum
erklärung muss sich demnach eindeutig ergeben, was Sondereigentum wird und was gemeinschaftliches Eigentum bleibt1.
4.11 Die Begründung von Sondereigentum setzt voraus, dass der Gegenstand sondereigentumsfähig ist. Dies sind nach § 5 Abs. 1 WEG zunächst „die gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG bestimmten Räume“. Durch das WEModG ist die Sondereigentumsfähigkeit erweitert worden: – Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG gelten Stellplätze als Räume i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG. Damit sind Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge aller Art und für Stellplätze aller Art, auch für „Mehrfachparker“, gemeint. Danach sind auch Stellplätze ohne Raumqualität sondereigentumsfähig; diese wird durch § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG fingiert2. – Nach § 3 Abs. 2 WEG kann das Sondereigentum auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks erstreckt werden, ausgenommen den Fall, dass das Raumsondereigentum wirtschaftlich nicht die Hauptsache bleibt. Dieses Sondereigentum ist unselbständiger Bestandteil eines Wohnungseigentums/Teileigentums (Annex-Sondereigentum). Es kann an Freiflächen – ausgenommen Stellplätze aller Art – und an Bauwerken, die keine Gebäude sind, sich jedoch auf dem Grundstück befinden (z.B. Ver- und Entsorgungseinrichtungen) begründet werden3. Für Stellplätze und für Annex-Sondereigentum schreibt § 3 Abs. 3 WEG eine Kennzeichnung im Aufteilungsplan durch Maßangaben vor. Oberirdische offene Stellplätze und Freiflächen, die ausschließlich zu einer Einheit gehören sollen, wurden bisher als Sondernutzungsrechte ausgewiesen. Dies ist auch weiterhin zulässig. Die Gestaltung als Sondereigentum ist lediglich eine Option für die Eigentümer. Die Sondereigentumsfähigkeit von Gebäudeteilen ist vielfach umstritten. So wird z.B. für Balkone angenommen, dass ihr Innenbereich sondereigentumsfähig ist, während die tragende Konstruktion zum Gemeinschaftseigentum zählt4. Gerade bei Balkonen (Betonsanierung!) hat dies für die Kostentragung bei Instandhaltung/Instandsetzung große Bedeutung. Der sicherste Weg wird so beschritten, dass man die Eigentumsfrage am Balkon offenlässt und die alleinige Kostentragung demjenigen Sondereigentum zuweist, von dessen Wohnung aus der Balkon genutzt werden kann.
1 OLG Frankfurt v. 4.4.2011 – 20 W 75/08, ZMR 2012, 31; Jennißen/Abramenko7, § 7 WEG Rz. 37. 2 Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 58 ff., dies. DNotZ 2021, 5; Wobst, MittBayNot 2021, 332. 3 Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 66 ff., dies. DNotZ 2021, 5; Wobst, MittBayNot 2021, 332. 4 BGH v. 16.11.2012 – V ZR 9/12, MDR 2013, 22 = NJW 2013, 681 = MittBayNot 2013, 128; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 247/11, DNotZ 2012, 364 = MittBayNot 2012, 215; Jennißen/Abramenko7, § 7 WEG Rz. 36; Bärmann/Armbrüster14, § 7 WEG Rz. 58 ff.; Hügel5, Teil 1 Rz. 40; a.A. Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, III. Rz. 29 d; Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 32; § 5 WEG Rz. 50 „Balkon“; zur Heizungsanlage s. Staudinger/Rapp, § 5 WEG Rz. 33 ff.; Hügel/Elzer3, § 5 WEG „Heizungsanlage“.
602 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.15 Kap. 4
Sondereigentumsfähig sind ferner gem. § 5 Abs. 1 WEG „die zu diesen Räumen ge- 4.12 hörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird.“ Neben dieser positiven Umschreibung des Sondereigentums ist jedoch auch § 5 Abs. 2 WEG zu beachten, wonach „Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, nicht Gegenstand des Sondereigentums sind, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume oder Teile des Grundstücks befinden.“ Für Stellplatzeigentum und Annex-Sondereigentum gilt § 94 BGB entsprechend (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WEG). Bezüglich den zu den Sondereigentumsräumen „gehörenden Bestandteile des Gebäu- 4.13 des“ ist deshalb entscheidend, dass die Zugehörigkeit zum Sondereigentum oder zum Gemeinschaftseigentum durch die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des § 5 Abs. 1 und 2 WEG festgelegt wird. Eine Vertragsfreiheit der Wohnungseigentümer besteht insoweit nicht1. Die in der Praxis häufig verwendeten Aufzählungen von Gegenständen des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums in der Teilungserklärung hat deshalb, wenn sie richtig ist, lediglich deklaratorische Bedeutung, wenn sie falsch ist, schafft sie nur Verwirrung. Für Pkw-Stellplätze aller Art (gleich ob innerhalb oder außerhalb des Gebäudes gelegen, z.B. Mehrfachparkanlagen), wurde durch das WEModG die Sondereigentumsfähigkeit erweitert, § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG. Entsprechendes gilt nach § 3 Abs. 2 WEG für das Annex-Sondereigentum an Freiflächen. Aus § 5 Abs. 2 WEG ergibt sich, dass alle Zugänge zum Gemeinschaftseigentum 4.14 und auch zum Sondereigentum ausschließlich über Gemeinschaftseigentum erfolgen müssen. Dies gilt z.B. für den Heizungsraum im Keller genauso wie für jede Sondereigentumseinheit und für den im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachspeicher. Eine Ausnahme gilt für das Freiflächen-(Annex-)Sondereigentum; hier genügt auch die Zugänglichkeit vom Sondereigentum aus, mit dem es verbunden ist, und/oder auch vom Gemeinschaftseigentum aus. Bauträger haben häufig den Wunsch, Kaufinteressenten möglichst frühzeitig zu bin- 4.15 den. Sie lassen deshalb, weil die Baugenehmigung und damit auch die behördlich bestätigte Abgeschlossenheitsbescheinigung noch nicht vorliegen, die Aufteilungsurkunde mit vorläufigen Bauplänen beurkunden. Diese sind der Urkunde gem. 1 BGH v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, MDR 2013, 456 = NJW 2013, 1154 = ZfIR 2013, 377 = DNotZ 2013, 522 Rz. 10 ff.; Hügel/Elzer, DNotZ 2012, 4 (7 f.); Hügel/Elzer3, § 5 WEG Rz. 10; Schmid, MittBayNot 2012, 181 re; Jennißen, ZMR 2011, 974; missverständlich BGH v. 8.7.2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 = ZfIR 2011, 833 = MittBayNot 2012, 212.
Rapp 603
Kap. 4 Rz. 4.15 Wohnungs- und Teileigentum
§ 9 Abs. 1 Satz 3 BeurkG als Bestandteil beizufügen. Bauträgerkaufverträge über Wohnungseigentum können alsdann durch Bezugnahme gem. § 13a BeurkG auf diese Aufteilungsurkunde samt den vorläufigen Aufteilungsplänen beurkundet werden. Liegen alsdann die behördlich bestätigten Aufteilungspläne samt der Abgeschlossenheitsbescheinigung vor, so ist in einer Nachtragsurkunde zur Teilungserklärung durch den Eigentümer die grundbuchmäßige Beschreibung der gebildeten Einheiten anhand der behördlichen Dokumente vorzunehmen1. 4. Abgeschlossenheitsbescheinigung
4.16 Die Abgeschlossenheit i.S.v. § 3 Abs. 3 WEG bedeutet die feste und dauerhafte räumliche Abgrenzung und Abschließbarkeit einer jeden Einheit gegenüber den anderen Einheiten und dem gemeinschaftlichen Eigentum2. Für Stellplätze (innerhalb oder außerhalb des Gebäudes) sowie für Annex-Sondereigentum wird die Abgeschlossenheit durch Maßangaben im Aufteilungsplan ersetzt. Dabei handelt es sich um eine Sollvorschrift, deren Verletzung gleichwohl das Entstehen von Sondereigentum nicht hindert3. Die Bescheinigung wird von der Baubehörde erteilt4. Für Stellplätze (innerhalb und außerhalb des Gebäudes) wird die Abgeschlossenheit fingiert, wenn ihre Flächen durch Maßangaben ersichtlich sind (§ 3 Abs. 3 Alt. 2 WEG). Das Grundbuchamt ist an die Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht gebunden, sondern hat diesbezüglich ein eigenes Prüfungsrecht5.
1 Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 31; DNotI-Report 1999, 19; BayObLG v. 12.12.2002 – 2Z BR 112/02, MittBayNot 2003, 127; teilweise a.A. Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 41. 2 BGH v. 30.6.1992 – GmS-OGB 1/91, BGHZ 119, 42 = MDR 1993, 344 = NJW 1992, 3290 = DB 1992, 2547; v. 22.12.1989 – V ZR 339/87, BGHZ 110, 36 = MDR 1990, 325 = NJW 1990, 1111 = DB 1990, 579. 3 BGH v. 20.5.2011 – V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rz. 22; v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 = MDR 2008, 1266 = NJW 2008, 2982 = ZfIR 2008, 734 = DNotZ 2009, 50 = ZWE 2008, 426 Rz. 14, jew. zur Abgeschlossenheit von Räumen. Für fehlende Maßangaben wird man von fehlender sachenrechtlicher Bestimmtheit ausgehen müssen mit der Folge der Unwirksamkeit. Dies gilt aber nicht für Eintragungen vor dem 1.12.2020 (Inkrafttreten WEModG) auf der Basis von § 3 Abs. 2 WEG a.F. Die Maßangaben ersetzen die Abgeschlossenheit. Sie sind daher Voraussetzung für die Grundbucheintragung; DNotI-Gutachten v. 13.8.2021 – rlo-je 186451 und v. 13.8.2021 pme-jbu 186611. Das Wohnungseigentum kann auch mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Wohnungseigentums des Inhalts belastet werden, dass der Berechtigte die AnnexSondereigentumsfläche in bestimmter Weise (z.B. Geh- u. Fahrtrecht) benutzen darf. Zum Dienstbarkeit-Ausübungsbereich Sondernutzungsrecht vgl. BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 = MDR 2020, 783 = ZfIR 2020, 533 = ZWE 2020, 328 = DNotZ 2021, 37; DNotI-Gutachten a.a.O. 4 Siehe hierzu Wobst, DNotZ 2021, 582 zur Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem WEG (BAnz. v. 12.7.2021). 5 BGH v. 30.6.1992 – GmS-OGB 1/91, BGHZ 119, 42 = MDR 1993, 344 = NJW 1992, 3290 = DB 1992, 2547; OLG Frankfurt v. 7.4.2011 – 20 W 156/11, ZWE 2012, 34; Staudinger/Rapp, § 7 WEG Rz. 28 ff.; Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 57.
604 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.19 Kap. 4
5. Behördliche/Gerichtliche Genehmigung Behördliche Genehmigungen zur Begründung von Wohnungseigentum sind unter 4.17 den Voraussetzungen des § 22 BauGB (Fremdenverkehrsgemeinden) und des § 172 BauGB (Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung) sowie in einem Umlegungsgebiet (§ 51 BauGB; zu Enteignungsverfahren s. §§ 108, 109 BauGB) erforderlich. Durch das Baulandmobilisierungsgesetz (in Kraft getreten am 23.6.2021) ist mit dem neuen § 250 BauGB bei entsprechender Verordnung des Landesgesetzgebers die Begründung von Wohnungseigentum (auch Wohnungserbbaurechte) genehmigungspflichtig. Eine betreuungsgerichtliche (familiengerichtliche) Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn eine Teilung nach § 8 WEG erfolgt, da damit die Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz nicht verändert werden. Anders ist dies bei dem Begründungsvorgang nach § 3 WEG zu beurteilen. Er unterfällt § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB1. 6. Größe der Miteigentumsanteile Gesetzliche Vorschriften über die Bestimmung der Größe der Miteigentumsanteile 4.18 bestehen nicht. Zu beachten ist jedoch, dass gem. § 16 Abs. 1, 2 Satz 1 WEG mangels einer anderweitigen Regelung sich Nutzen und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmen. Diese sind auch Berechnungsgrundlage im öffentlichen Abgabenrecht, z.B. § 134 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Auch für die Außenhaftung der Wohnungseigentümer wird nach § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG auf das Verhältnis der Miteigentumsanteile abgestellt. Üblicherweise wird deshalb die Größe der Miteigentumsanteile nach dem Verhältnis der Wohn- bzw. Nutzfläche berechnet. 7. Sukzessive Begründung von Wohnungseigentum (Mehrhausanlage) Eine Mehrhausanlage liegt vor, wenn auf einem Grundstück mehrere Gebäude (auch 4.19 Reihenhäuser oder Doppelhaushälften) in der Rechtsform des Wohnungseigentums errichtet werden sollen. Planung und Bauerstellung erfolgen dabei regelmäßig entsprechend dem Verkaufserfolg. Dies kann dazu führen, dass Käufer aus dem ersten Bauabschnitt ihre Wohnungen bereits benutzen und als Eigentümer eingetragen sind, während für den letzten Bauabschnitt die Planung erst aufgenommen wird. Die Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgt dabei zunächst nach den Plänen für den ersten Bauabschnitt. Die Pläne für die weiteren Bauabschnitte existieren erst zu einem späteren Zeitpunkt. Das wohnungseigentumsrechtliche Problem besteht darin, dass bei Bestehen einer Wohnungseigentümergemeinschaft (erster Bauabschnitt) weiteres Sondereigentum nur in der vertraglichen Form des § 3 WEG begründet werden kann. Das Gebäude des zweiten Bauabschnittes wird zunächst Gemeinschaftseigentum2. Sondereigentum kann hier nur dadurch entstehen, dass alle Eigentümer in einem Vertrag gem. § 3 WEG zusammenwirken und die sondereigen1 Bärmann/Armbrüster14, § 2 WEG Rz. 30 ff.; Staudinger/Rapp, § 8 WEG Rz. 20; für Genehmigungspflicht sowohl bei § 3 wie auch bei § 8 WEG Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 49. 2 Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 37.
Rapp 605
Kap. 4 Rz. 4.19 Wohnungs- und Teileigentum
tumsfähigen Einheiten des zweiten (und der weiteren) Bauabschnitte zu Sondereigentum bestimmt werden. Damit setzt der von Anfang an geplante und gewünschte Erfolg die Mitwirkung der Eigentümer aus dem ersten Bauabschnitt voraus. Der übliche Weg besteht darin, im ersten Bauabschnitt einen überdimensionalen Miteigentumsanteil zu bilden, der dann vertraglich für die weiteren Bauabschnitte gem. § 3 WEG unterteilt und mit Sondereigentumseinheiten verbunden wird. Wohnungseigentumsrechtlich geht es darum, die Mitwirkung der Eigentümer aus dem ersten Bauabschnitt dinglich abzusichern. Vollmachten an den Bauträger sind zwar möglich; sie können jedoch aus wichtigem Grund widerrufen werden und sind außerdem wirkungslos, wenn ein Eigentümer aus dem ersten Bauabschnitt seine Einheit weiter veräußert hat und der nachfolgende Eigentümer in dem Erwerbsvertrag nicht die identische Vollmacht an den Bauträger erteilt.
4.20 Das von Hügel1 entwickelte Konzept geht dahin, dass die Erwerber des ersten Bauabschnittes sich dazu verpflichten, alles rechtlich gebotene für die grundbuchmäßige Bildung der weiteren Bauabschnitte zu erklären und hierzu dem Bauträger eine unwiderrufliche Vollmacht zu erteilen. Zur Sicherung dieser Verpflichtung wird die Weiterveräußerung von Einheiten aus dem ersten Bauabschnitt gem. § 12 WEG an die Zustimmung des Bauträgers gebunden. Gibt ein Erwerber die erforderlichen Erklärungen samt Vollmachten nicht ab, so wird die Zustimmung verweigert. Der Lösungsweg von Hügel ist jedoch nicht unumstritten2. Zu Einzelheiten der Sukzessivbegründung ist auf die wohnungseigentumsrechtliche Literatur3 zu verweisen.
4.21 Was die Zustimmung Drittberechtigter, insbesondere von Grundpfandrechtsgläubigern, bei der Sukzessivbegründung von Wohnungseigentum anbelangt, so sind Pfandfreigabeerklärung auf jeden Fall von den Gläubigern an dem überdimensionalen Miteigentumsanteil erforderlich. Darüber hinaus verlangt das BayObLG4 auch die Zustimmung der Gläubiger an allen bereits bestehenden Einheiten in den grundbuchmäßig bestehenden Bauabschnitten. Zur Begründung wird ausgeführt, der Miteigentumsanteil (aus dem ersten Bauabschnitt) umfasse auch das gemeinschaftliche Eigentum in den weiteren Bauabschnitten. Dieses werde durch die Bildung von neuem Sondereigentum geschmälert. 4.22 Die Schwierigkeiten bei der abschnittsweisen Begründung von Wohnungseigentum sollten als erstes zu der Prüfung veranlassen, ob nicht für jedes Gebäude eine eigene Wohnungseigentümergemeinschaft gebildet werden kann. Die Sicherung der Benutzung gemeinschaftlicher Anlagen und Einrichtungen, die für alle Gebäude notwendig sind, kann dann über Grunddienstbarkeiten erfolgen (z.B. Ver- und Entsorgung, Heizung, Kinderspielplatz etc.).
1 DNotZ 2003, 517; s.a. Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 37 ff. 2 Armbrüster, ZMR 2005, 249; Schneider in Harz/Riecke/Schmid7, § 12 WEG Rz. 146; Staudinger/Kreuzer, § 12 WEG Rz. 46. 3 Hügel5, Teil 6 Rz. 28 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 36 ff. 4 BayObLG v. 19.10.1995 – 2Z BR 99/95, DNotZ 1996, 301.
606 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.25 Kap. 4
Sollte eine Realteilung nicht in Betracht kommen, kann dadurch geholfen werden, 4.23 dass der Bauträger so lange Alleineigentümer aller Einheiten bleibt, bis die Aufteilung der weiteren Bauabschnitte auch grundbuchmäßig vollzogen ist. In den Kaufverträgen aus dem ersten Bauabschnitt ist die Zustimmung der Käufer als Vormerkungsberechtigte gem. §§ 877, 876 Satz 3 BGB aufzunehmen durch Unterteilung des überdimensionalen Miteigentumsanteils weiteres Sondereigentum zu begründen. Diese Zustimmung wirkt auch gegenüber einem Rechtsnachfolger des ersten Käufers, schließt jedoch den Weiterverkauf des Objektes durch diesen nicht aus. Alternativ kann auch die Abtretung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des Erstkäufers gegenüber dem Verkäufer (Bauträger) durch Vereinbarung gem. § 399 BGB von der Zustimmung des Bauträgers abhängig gemacht werden (s. § 308 Nr. 9 BGB, gültig seit 1.10.2021; bei Grundstückskaufverträgen ist Abtretungsausschluss im Hinblick auf Verkäufersicherung – z.B. Vormerkungslöschung bei Rücktrittsrecht des Verkäufers – wirksam1), wobei dieser zur Zustimmung für den Fall verpflichtet wird, dass der Zweitkäufer seinerseits die Zustimmung zur weiteren Begründung von Wohnungseigentum durch den Bauträger diesem gegenüber erteilt. 8. Zustimmung Drittberechtigter zur Wohnungseigentumsbegründung Lastet ein dingliches Recht am gesamten Grundstück, so führt die Begründung von 4.24 Wohnungseigentum sowohl im Falle des § 3 WEG als auch im Falle des § 8 WEG dazu, dass eine Gesamtbelastung entsteht. Die Zustimmung Drittberechtigter ist hierzu nicht erforderlich. Dies gilt auch nach Einführung des Rangklassenprivilegs für rückständiges Wohngeld gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG, welches eine gesetzlich angeordnete Rangverschlechterung für eingetragene Grundpfandrechte zur Folge hat. Bei Einzelbelastungen an einzelnen Miteigentumsanteilen (Begründungsweg § 3 WEG) ist die Zustimmung der Berechtigten gem. §§ 876, 877 BGB erforderlich, da sich der Inhalt des belasteten Rechts verändert2. 9. Aufteilungsplanwidrige Bauausführung Veranlasst durch Käuferwünsche oder auch durch eigene Erkenntnis wird bei der 4.25 Erstellung von Wohnungseigentumsanlagen häufig vom behördlich bestätigten Aufteilungsplan abgewichen. Solange die Planabweichung nur den internen Bereich einer Wohnung betrifft, ist dies unschädlich. Bewirkt jedoch die Planabweichung, dass die Trennmauern zwischen verschiedenen Sondereigentumseinheiten oder von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum nicht mehr entsprechend dem Plan gebaut werden, so stellt sich die Frage, wo alsdann die rechtlich relevante Grenze verläuft. Hier muss man sich auf das allgemeine Grundstücksrecht besinnen: Ge-
1 Siehe DNotI v. 3.9.2021 mho-je 187074. 2 BGH v. 9.2.2012 – V ZB 95/11, MDR 2012, 396 = NJW 2012, 1226 = ZfIR 2012, 245 = DNotZ 2012, 531 = ZWE 2012, 219; OLG München v. 18.5.2011 – 34 Wx 220/11, NJW 2011, 3588 = ZfIR 2011, 571; Schmidt-Räntsch, ZWE 2012, 445; Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 20; DNotI-Abrufgutachten v. 22.11.2021 – stk-jbu 188424.
Rapp 607
Kap. 4 Rz. 4.25 Wohnungs- und Teileigentum
nauso wenig, wie bei einem normalen Grundstückseigentum die Grenze durch Versetzung z.B. eines Zaunes oder einer Grenzmauer verändert werden kann, ist dies bei Wohnungseigentum möglich. Die rechtliche Grenze bleibt deshalb auch bei abweichender Bauausführung die Grenze des Aufteilungsplanes1. Eine Ausnahme besteht lediglich für den Fall, dass die Bauausführung so erheblich von dem Aufteilungsplan abweicht, dass das darin vorgesehene Sondereigentum in der Örtlichkeit nicht mehr festzustellen ist; dann entstehen sondereigentumslose Miteigentumsanteile, die alsdann durch eine Änderung der Teilungserklärung mit Sondereigentumsrechten versehen werden müssen. Der Erwerber/Eigentümer hat (unbeschadet eines vertraglichen Gewährleistungsanspruchs gegenüber dem Verkäufer/Bauträger) einen Anspruch gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Herstellung eines plangerechten Sondereigentums2. Das Verhältnis zwischen den Eigentümern, bei denen planabweichend gebaut wurde, kann u.U. nach den Grundsätzen des Überbaues (§§ 912 ff. BGB) geregelt werden3.
4.26 M44 Bauausführung, Abweichung vom Aufteilungsplan Formulierungsbeispiel: Die Vertragsteile vereinbaren, dass abweichend vom genehmigten Bauplan und vom Aufteilungsplan die Trennmauer zwischen den Wohnungen Nrn. 2 und 3 um 0,6 m nach Osten verschoben wird, wodurch sich die Einheit Nr. 2 – vertragsgegenständliche Einheit – um ca. 3 qm vergrößert. Der Verkäufer ist verpflichtet, entsprechend geänderten behördlich bestätigten Aufteilungsplan beizubringen und die Aufteilungserklärung dementsprechend abzuändern. Die Änderung ist in einem vorläufigen Plan, der dieser Urkunde beigefügt ist und der den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt und von ihnen genehmigt wurde, rot eingezeichnet. Bei der Änderung der Teilungserklärung ist ferner der Miteigentumsanteil der Einheit Nr. 2 um 17/1000 zu vergrößern und derjenige der Einheit Nr. 3 um 17/1000 zu verkleinern. Vertragsgegenstand ist somit ein auf 153/1000 Miteigentumsanteil vergrößerter Miteigentumsanteil, der künftig verbunden ist mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Einheit, erweitert gemäß Plan, der dieser Urkunde beigefügt ist. Der Verkäufer verpflichtet sich, die für die Vormerkungseintragung zugunsten des Käufers erforderlichen Bewilligungen abzugeben, sobald der behördlich bestätigte geänderte Aufteilungsplan vorliegt. (Im Hinblick auf das Erfordernis der MaBV, dass die Käufervormerkung am Vertragsgegenstand einge-
1 BGH v. 20.11.2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 = MDR 2016, 147 = NJW 2016, 473 Rz. 25, 29; v. 18.7.2008 – V ZR 97/07, BGHZ 177, 338 = MDR 2008, 1266 = NJW 2008, 2982 = ZfIR 2008, 734 = DNotZ 2009, 50 = ZWE 2008, 426 Rz. 12; F. Schmitt, ZWE 2008, 424 li.; Rapp, MittBayNot 2016, 474, Staudinger/Rapp, § 3 WEG Rz. 78 a; MünchKomm/ Krafka, § 3 WEG Rz. 37; Schmidt-Räntsch, ZWE 2016, 429; für Gemeinschaftseigentum sowohl bei mangelnder Identifizierbarkeit der tatsächlichen Bebauung anhand des Planes als auch bei unwesentlichen und wesentlichen Planabweichungen Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 99 bis 103. 2 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, MDR 2018, 1366 = NJW-RR 2018, 1165 = ZfIR 2018, 695 = DNotZ 2018, 831, Rz. 12. 3 Staudinger/Rapp, § 3 WEG Rz. 78e.
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Rz. 4.31 Kap. 4
tragen sein muss, ist die entsprechende Änderung im Grundbuch für die Vormerkungseintragung abzuwarten; im Anwendungsbereich der MaBV ist es danach unzulässig, eine Vormerkung bei der Wohnung Nr. 2 und bezüglich eines 17/1000 Anteils, verbunden mit dem Teil-Sondereigentum von ca. 3 qm bei der Wohnung Nr. 3 einzutragen.)
Einstweilen frei.
4.27–4.30
III. Die Gemeinschaftsordnung – Grundnutzung: Wohnungseigentum/Teileigentum Das WEG kennt zwei Formen der Grundnutzung von Einheiten, nämlich das Woh- 4.31 nungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) und das Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG). Das WEG selbst enthält keine Definition der „Wohnung“. Der Mensch wohnt – soweit er dies selbst bestimmen kann – in einer Wohnung. Die selbstbestimmte Gestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sind danach charakteristisch und entscheidend für das Wohnen1. Der traditionelle Begriff der Wohnung wird dabei, auch unter Einfluss der Schutzwirkung des Art. 14 GG, weit verstanden und umfasst auch beispielsweise die Ferienwohnung oder die Räume einer studentischen Wohngemeinschaft. Bei einer interessengerechten Auslegung des Begriffs „wohnen“ sind dort jedoch auch solche nichtwohnungsmäßigen Nutzungen zulässig, die die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigen, das bei einer Nutzung als Wohnung typischerweise zu erwarten ist2. Demgegenüber erlaubt das Teileigentum sämtliche nach öffentlichem und privatem Recht zulässigen Nutzungen, ausgenommen die Wohnnutzung. Das Teileigentum ist danach nutzbar für gewerbliche, berufliche, künstlerische, soziale, kulturelle, kommunale und sonstige öffentliche Zwecke. Einschränkungen von außen können sich nur nach öffentlich-rechtlichen oder allgemeinen nachbarrechtlichen Gesetzen ergeben. Gerade bei gemischt genutzten Gebäuden erfordert ein konfliktfreies Nebeneinander von Wohnen mit sonstigen Nutzungen die Einschränkung der Nutzungsbreite des Teileigentums durch Vereinbarungen gem. § 10 Abs. 1 Satz 2, § 19 Abs. 1 WEG. Bei Fehlen von Nutzungsangaben bezüglich des Teileigentums ist dieses uneingeschränkt nutzbar. Angaben in dem Aufteilungsplan stellen, sofern die Auslegung nicht zweifelsfrei etwas anderes ergibt, keine Nutzungsbeschreibung dar3. Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 10 ff. WEG. Diese Vorschriften definieren also den gesetzlichen In-
1 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 = MDR 2018, 80 = NJW 2018, 41 = ZfIR 2018, 17 = DNotZ 2018, 521 = ZWE 2018, 28 Rz. 8; v. 15.1.2020 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = NJW 2010, 3093 = DNotZ 2010, 837 = ZWE 2010, 130 Rz. 15; SchmidtRäntsch, DNotZ 2021, 879 (880). 2 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 72/09, MDR 2010, 499 = NJW 2010, 3093 = DNotZ 2010, 837 = ZWE 2010, 130 Rz. 16; Schmidt-Räntsch, DNotZ 2021, 884 f. 3 BGH v. 8.3.2019 – V ZR 330/17, MDR 2019, 543 = NJW-RR 2019, 519 = ZfIR 2019, 542 = DNotZ 2019, 749 Rz. 19–21; Schmidt-Räntsch, DNotZ 2021, 879 ff.
Rapp 609
Kap. 4 Rz. 4.31 Wohnungs- und Teileigentum
halt des Wohnungseigentums. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG räumt den Wohnungseigentümern jedoch die Möglichkeit ein, von den Vorschriften des Gesetzes abweichende Vereinbarungen zu treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Diese abweichenden Vereinbarungen nennt man „Gemeinschaftsordnung“. Diese Vereinbarungen und Beschlüsse aufgrund einer solchen Vereinbarung (Öffnungsklausel) können nach § 5 Abs. 4 Satz 1, § 8 Abs. 2 WEG als „Inhalt des Sondereigentums“ in das Grundbuch eingetragen werden mit der Wirkung, dass gem. § 10 Abs. 3 WEG solche Vereinbarungen und Beschlüsse gem. einer Öffnungsklausel gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers wirken. Sie können auch bedingt oder befristet abgeschlossen werden, was jedoch ausdrücklich in das Grundbuch eingetragen werden muss (keine Bezugnahme gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 WEG). Das Gesetz räumt damit den Eigentümern die Möglichkeit ein, das besonders enge Nachbarschaftsverhältnis der Sondereigentümer untereinander sachgerecht entsprechend den baulichen Gegebenheiten und der Gebäudenutzung zu regeln. Auf diese Regelung (Gemeinschaftsordnung) sind die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht anwendbar; die Wohnungseigentümer können die Gemeinschaftsordnung einstimmig, bei gesetzlichen oder vertraglichen Öffnungsklauseln durch Mehrheitsbeschluss ändern und auf diese Weise unbillige Regelungen beseitigen. Möglich ist jedoch eine Missbrauchskontrolle gem. § 242 BGB1. Dabei haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet: 1. Geschosswohnungsbau, Betreutes Wohnen
4.32 Im Geschosswohnungsbau bestehen folgende potentiellen Konfliktfelder: Wohnungsmäßige Nutzung mit oder ohne Ausnahmen für nicht störende berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten; bauliche Veränderungen (Markise, Balkonverglasung, Pergolaabdeckung, Wintergarten, Gartenhäuschen, Wand- und Deckendurchbruch etc.); Lastentragung (Trennung zwischen Tiefgarage und Wohnungen); Liftkostenschlüssel; Nichtbeteiligung einzelner Eigentümer an Kosten, die für sie keinen Nutzen haben2; alleinige Verpflichtung zur Instandhaltung/Instandsetzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums die ausschließlich von einem Wohnungseigentümer alleine genutzt werden, z.B. Balkone, Wohnungseingangstüren3; Stimmrecht (Verhältnis Miteigentumsanteile, pro Eigentumswohnung eine Stimme, pro Wohnungseigentümer eine Stimme); Bestellung, Bestellungszeitpunkt und Bestellungsdauer für den Verwalter sowie seine Aufgaben und Befugnisse; Mehrhausanlage: getrennte Verwaltung pro Gebäude4.
1 BGH v. 20.11.2020 – V ZR 196/19, BGHZ 227, 289 = DNotZ 2021, 754 Rz. 20, 21, 28; Wobst, MittBayNot 2021, 333 f.; Esbjörnsson, notar 2022, 73 (76). 2 BGH v. 28.6.1984 – VII ZB 15/83, BGHZ 92, 18 = MDR 1984, 928 = NJW 1984, 2576 = DB 1984, 2555; OLG Schleswig v. 26.4.2006 – 2 W 234/05, ZMR 2006, 889 (890); Hügel/Elzer3, § 16 WEG Rz. 10. 3 BGH v. 2.3.2012 – V ZR 174/11, NJW 2012, 1722 Rz. 9; OLG München v. 30.1.2007 – 34 Wx 116/06, DNotZ 2007, 690. 4 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 49 ff.
610 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.36 Kap. 4
Als eine neue Form des Wohnens hat sich in den letzten Jahren das „Betreute Woh- 4.33 nen“ herausgebildet1. Ziel ist es, älteren Menschen solange wie möglich die Führung eines selbständigen Haushaltes durch Zurverfügungstellung der hierfür notwendigen Mittel zu ermöglichen. Dabei soll eine möglichst homogene Bewohnerstruktur rechtlich gesichert werden. Dies geschieht dadurch, dass die Benutzung der Einheiten Personen ab einem bestimmten Alter oder einer bestimmten Betreuungsbedürftigkeit vorbehalten bleibt2. Charakteristisch für das Betreute Wohnen sind auch Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Speisesaal, Veranstaltungsraum oder Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung oder Räume für externe Dienstleister (z.B. Arzt, Physiotherapie).
4.34
M45 Betreutes Wohnen, Nutzungsbeschränkung Formulierungsbeispiel: Die Wohnanlage dient dem seniorengerechten Wohnen mit der Zielsetzung, im Falle der Pflegebedürftigkeit eines Bewohners auf dessen Wunsch hin den Umzug in ein Pflegeheim nach Möglichkeit auszuschließen. Jedes Sondereigentum darf deshalb nur von Personen genutzt werden, die das 60. Lebensjahr vollendet haben – bei mehreren nutzenden Personen muss mindestens eine das 60. Lebensjahr vollendet haben – oder die pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes sind. Nutzt ein Wohnungseigentümer seine Einheit nicht persönlich, ist er verpflichtet, diese einer Person zur Nutzung zu überlassen, die entweder 60 Jahre alt ist oder pflegebedürftig ist.
Die Kostentragungspflicht für das erweiterte Gemeinschaftseigentum ergibt sich aus 4.35 § 16 WEG. Danach können beispielsweise die Kosten der Notrufeinrichtung in gleicher Weise umgelegt werden wie die Kosten sonstiger Gemeinschaftseinrichtungen ohne Rücksicht darauf, ob die Einrichtung durch den einzelnen Eigentümer tatsächlich benutzt wird. Jeder Wohnungseigentümer ist nämlich verpflichtet, die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile (oder nach dem sonst vereinbarten Kostentragungsschlüssel) zu tragen, wobei die Nichtbenutzung einer Gemeinschaftseinrichtung durch einen Wohnungseigentümer nicht zu einer Kostenbefreiung führt3. Vertragspartner für den Notrufservice ist die rechtsfähige Gemeinschaft der Woh- 4.36 nungseigentümer (§ 9a WEG). Die Einrichtung dient der vereinbarten Nutzung der einzelnen Einheiten; ihre Vorhaltung im Gemeinschaftseigentum ist deshalb eine Ver1 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 = MDR 2018, 80 = NJW 2018, 41 = ZfIR 2018, 17 = DNotZ 2018, 521 = ZWE 2018, 28 Rz. 20 zur Abgrenzung des „Betreuten Wohnens“ zum Altenpflegeheim und zur häuslichen Pflege; Rapp, MittBayNot 2012, 432; Heinemann, MittBayNot 2002, 76; Forst, RNotZ 2003, 298. 2 BGH v. 13.10.2006 – V ZR 289/05, NJW 2007, 213; Hügel5, Teil 6 Rz. 25 ff. 3 BGH v. 28.6.1984 – VII ZB 15/83, BGHZ 92, 18 = MDR 1984, 928 = NJW 1984, 2576 = DB 1984, 2555; Staudinger/Kreuzer, § 16 WEG Rz. 18 ff.; Grüneberg/Wicke81, § 16 WEG Rz. 2; Hügel/Elzer3, § 16 WEG Rz. 28.
Rapp 611
Kap. 4 Rz. 4.36 Wohnungs- und Teileigentum
waltungsmaßnahme. Werden Betreuungs- und Pflegeleistungen im gemeinschaftlichen Eigentum angeboten (z.B. Essen in einem Restaurant, Pflegeleistungen in einem Raum des gemeinschaftlichen Eigentums), kommt eine Zahlungspflicht nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme aufgrund Einzelvertrages in Betracht. Durch § 16 Abs. 2 WEG können nur die Kosten des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums geregelt werden, nicht jedoch eine Verbrauchs- und/oder Abnahmeverpflichtung statuiert werden. Insoweit wäre lediglich eine schuldrechtliche Abnahmeverpflichtung denkbar. Es kann auch festgelegt werden, dass nur bestimmte Personen/Unternehmen zur Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen zugelassen werden. Rechtstechnisch kann dies dadurch erfolgen, dass die Erbringung solcher Dienste generell untersagt wird, es sei denn, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschlussfassung bestimmte Personen/Unternehmen zulässt. In Analogie zur Regelung bei Unterlassungsdienstbarkeiten muss auch hier das Verbot der übermäßig langen Bindung (mehr als zehn Jahre) berücksichtigt werden1.
4.37 M46 Betreutes Wohnen, Kostentragung Formulierungsbeispiel: Soweit unter Benutzung des Gemeinschaftseigentums Pflegeleistungen i.S.d. Pflegeversicherungsgesetzes erbracht werden sollen, ist dies nur nach einer entsprechenden Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zulässig. Diese können nur einen gemäß dem Pflegeversicherungsgesetz anerkannten Pflegedienst und zeitlich höchstens begrenzt auf zehn Jahre zulassen. Die Kosten der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen unterfallen nicht den Kosten gem. § 16 Abs. 2 WEG. Die Eigentümergemeinschaft stellt insoweit lediglich räumliche/technische Voraussetzungen zur Verfügung.
2. Gemischte Nutzung Wohnung/Gewerbe, Beruf
4.38 Verschiedene Nutzungen in einem Gebäude führen leicht zu Konflikten zwischen den Sondereigentümern. Die Wohnungseigentümer empfinden die Berufs-/Gewerbeausübung als Störung ihres Rechtes auf ruhiges Wohnen, die Eigentümer der Teileigentumseinheiten empfinden Einschränkungen als Störung ihres Rechtes auf freie berufliche Entfaltung. Bei einem gemischt genutzten Gebäude sind deshalb folgende Regelungen zu empfehlen: 4.39 – In welchen Einheiten dürfen berufliche/gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt werden? – Welche Arten von Berufen oder gewerblichen Tätigkeiten dürfen ausgeübt werden? – Sind Konkurrenzschutzklauseln zulässig? – Wo und in welcher Größe dürfen Werbeanlagen angebracht werden? 1 Grüneberg/Herrler81, § 1018 BGB Rz. 25; Staudinger/Weber, § 1018 BGB Rz. 119 f.
612 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.41 Kap. 4
Als Grundsatz ist hier festzuhalten, dass die Ausweisung als „Teileigentum“ ohne weitere Festlegungen dazu führt, dass alle nach öffentlichem Recht zulässigen Nutzungen realisiert werden dürfen1. Die Nutzungsangaben im Aufteilungsplan (z.B. Laden, Gastronomie) bezeichnen zivilrechtlich nur die Nutzungsart, die zunächst vorgesehen ist, enthält jedoch keine Festlegung über spätere Nutzungsmöglichkeiten oder Nutzungsänderungen2. Nutzungsbeschränkungen können deshalb nur durch Vereinbarung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG getroffen werden. Nur soweit eine widerspruchsfreie Einschränkung vorliegt, entfällt bei einem Teileigentum die umfassende Nutzungsmöglichkeit3.
4.40
M47 Teileigentum, Nutzungsart Formulierungsbeispiel: In den Teileigentumseinheiten ist jede gewerbliche/berufliche Nutzung, die nach öffentlichem Recht in der Einheit zulässig ist, gestattet. Die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht maßgeblich; maßgeblich ist nur diese Gemeinschaftsordnung.
Alternative: In den Teileigentumseinheiten ist jede gewerbliche/berufliche Tätigkeit zulässig, jedoch nur zu den üblichen Geschäftszeiten, wie sie durch das Ladenschlussgesetz und örtliche Gepflogenheiten bestimmt sind. In Teileigentumseinheiten sind ausgeschlossen: – Anstößige Gewerbe oder Tätigkeiten, z.B. Sexshop oder Bordellbetrieb, – Gewerbe, die für die anderen Eigentümer mit unzumutbaren Lärm- oder Geruchsbelästigungen oder Erschütterungen verbunden sind.
Besonderes Augenmerk ist bei gemischt genutzten Gebäuden auf die Lastentragung 4.41 zu legen: Soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, sollte eine getrennte Lastentragung für die Teileigentumseinheiten einerseits und die Wohnungseigen-
1 MünchKomm/Scheller, § 13WEG Rz. 13; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 9a. 2 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 = MDR 2018, 80 = NJW 2018, 41 = ZfIR 2018, 17 = DNotZ 2018, 521 = ZWE 2018, 28 Rz. 30; v. 16.11.2012 – V ZR 246/11, ZWE 2013, 20 Rz. 5; v. 15.1.2010 – V ZR 40/09, MDR 2010, 434 = NJW-RR 2010, 667 = DNotZ 2010, 782 = ZWE 2010, 178; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 106; s.a. die Gesamtdarstellung bei Schmidt-Räntsch, DNotZ 2021, 879. 3 BGH v. 8.3.2019 – V ZR 330/17, MDR 2019, 543 = NJW-RR 2019, 519 = ZfIR 2019, 542 = DNotZ 2019, 749 Rz. 19; v. 16.7.2021 – V ZR 284/19, MDR 2021, 1524 = ZfIR 2021, 489 = DNotZ 2022, 82 = ZWE 2021, 451 Rz. 29; BayObLG v. 30.11.1999 – 2Z BR 143/99, ZWE 2000, 130 = ZfIR 2000, 554; OLG München v. 25.4.2007 – 32 Wx 137/06, ZMR 2008, 71; OLG Düsseldorf v. 10.4.2000 – 3 Wx 425/99, NJW-RR 2000, 1683 = ZfIR 2000, 557 = ZWE 2000, 538; Hügel/Elzer3, § 15 WEG Rz. 22; Schmidt-Räntsch, DNotZ 2021, 879 (882).
Rapp 613
Kap. 4 Rz. 4.41 Wohnungs- und Teileigentum
tumseinheiten andererseits statuiert werden. Dabei sind die Lasten nach dem Verursacherprinzip zuzurechnen1.
4.42 Es ist auch zu diskutieren, ob einzelnen Eigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ihre Einheiten von Wohnungseigentum in Teileigentum oder umgekehrt umzuwandeln. Eine solche Umwandlung ist eine Änderung der Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG und deshalb, wenn in der Gemeinschaftsordnung nicht ein einseitiges Umwandlungsrecht vorgesehen ist, nur einstimmig durch neue Vereinbarung möglich2. 3. Doppelhaushälften, Reihenhäuser in der Rechtsform des Wohnungseigentums
4.43 Doppelhaushälften/Reihenhäuser werden (gelegentlich) in der Rechtsform des Wohnungseigentums begründet. Grund hierfür ist, dass örtliche Bauvorschriften Mindestgrößen für Baugrundstücke vorschreiben, die unterschritten werden würden, wenn die geplanten Bauwerke jeweils auf einem rechtlich selbständigen Grundstück errichten werden würden. Veranlassung zur Begründung von Wohnungseigentum kann auch sein, dass durch die Bauplanung eine solche Gebäudeanordnung vorgegeben wird, bei der die Erschließung und die zweckentsprechende Nutzung der Einzelgrundstücke nur durch eine unübersehbare Vielzahl von Grunddienstbarkeiten gewährleistet werden könnte (Beispiel: Gebäudeanordnung in U-Form; Gemeinschaftsanlagen wie z.B. Kinderspielplatz innerhalb des „U“; Tiefgaragenanlage unter den Gebäuden und unter der Innenfläche des „U“). Hier ist die Interessenlage der Eigentümer der Doppelhaushälften/Reihenhäuser, was die Gestaltung der Gemeinschaftsordnung anbelangt, eine völlig andere als bei dem Geschosswohnungsbau. Diese Eigentümer wollen im wirtschaftlichen Ergebnis so gestellt werden, als ob sie reales Grundstückseigentum, vermessen und ohne die Beschränkung des WEG erworben hätten. Es ist deshalb eine individualistische Gemeinschaftsordnung erforderlich. 4.44 Dies kann dadurch erreicht werden, dass für die überbaute Fläche sowie für den Vorgarten und Garten eines jeden Gebäudes ein umfassendes Sondernutzungsrecht oder ein Annex-Sondereigentum eingeräumt wird, wobei diese Bereiche sogar amtlich vermessen werden könnten. Dieses ausschließliche Recht berechtigt zu jeder gärtnerischen und freizeitmäßigen Nutzung, ferner zur Errichtung weiterer Bauwerke (z.B. Wintergarten, Gartenhaus) ebenso zur Beseitigung von Gebäuden. Das Sondernutzungsrecht (ein Annex-Sondereigentum ist hier ausgeschlossen, da es sich nicht um einen Grundstücksteil gem. § 3 Abs. 2 WEG handelt) besteht ferner an
1 Beck’sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht/H. Müller4, D.V. Anm. 12 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 50. 2 BayObLG v. 15.2.1989 – BReg 2 Z 129/88, NJW-RR 1989, 652 = DNotZ 1990, 42; KG v. 29.11.2010 – 1 W 325/10, MDR 2011, 414 = ZWE 2011, 84; OLG München v. 15.5.2017 – 34 Wx 207/16, ZWE 2017, 307; v. 4.2.2014 – 34 Wx 434/13, ZWE 2014, 164; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 23.
614 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.45 Kap. 4
den im zwingenden Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen. Die Unterhaltungs- und Betriebskosten sind gebäudeweise vollkommen zu trennen. Auch die zwingenden Teile des Gemeinschaftseigentums am Gebäude, an denen ein Sondernutzungsrecht besteht, unterliegen der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht durch den einschlägigen Sondereigentümer. Die Gemeinschaft hat diesbezüglich kein Verwaltungsrecht gem. § 19 Abs. 1 WEG und damit auch keine Beschlusskompetenz. Zwischen den Sondernutzungsbereichen (oder dem Freiflächen-Sondereigentum) gelten die allgemeinen Nachbarvorschriften entsprechend1. Möglicherweise sind jedoch über das allgemeine Nachbarrecht hinausgehende Bepflanzungsbeschränkungen zweckmäßig. Jeder Wohnungseigentümer sollte auch ermächtigt werden, nicht nur bezüglich seines Sondereigentums, sondern auch bezüglich seiner Sondernutzungsbereiche alle Rechte und Ansprüche geltend zu machen, die einem Alleineigentümer zustehen, auch im Prozesswege, und zwar in gewillkürter Prozessstandschaft. Er hat auch insoweit den anderen Eigentümer vollumfänglich freizustellen. M48 Doppelhaushälften bzw. Reihenhäuser, Gemeinschaftsordnung Formulierungsbeispiel: 1. Bezüglich der Gebäude steht jedem Wohnungseigentümer das ausschließliche Sondernutzungsrecht an denjenigen Teilen des zwingenden Gemeinschaftseigentums zu, die sich im Bereich seines Sondereigentums befinden, bezüglich der gemeinsamen Trennmauer bis zur Mitte derselben. 2. Bezüglich der unbebauten Teile des gemeinschaftlichen Grundstücks werden mit Ausnahme gemeinschaftlich genutzter Zugänge und Zufahrten Sondernutzungsrechte (oder Annex-Sondereigentum) in der Weise begründet, dass die Nutzung dieser Flächen ausschließlich dem Eigentümer eines Wohnungseigentums zur beliebigen Benutzung im Rahmen des allgemeinen Nachbarrechtes zusteht: … 3. Soweit das öffentliche Baurecht nicht entgegensteht, können die Sondernutzungsbereiche (oder Annex-Sondereigentum) auch für eine weitere Bebauung genutzt werden. Ein für das Gesamtgrundstück vorhandenes weiteres Baurecht darf dabei von jedem Eigentümer nur entsprechend der Größe seines Sondernutzungsbereiches (Annex-Sondereigentumsbereiches) ausgenutzt werden. 4. Soweit Sondernutzungsrechte (oder Annex-Sondereigentum) bestehen, hat der berechtigte Eigentümer insoweit gegenüber Dritten alle Rechte und Verpflichtungen, wie sie einem Alleineigentümer zustehen. Er ist ermächtigt, diese Rechte und Verpflichtungen im eigenen Namen geltend zu machen, auch im Prozesswege. 5. Auf gemeinsame Kosten aller Eigentümer ist eine Versicherung gegen Eigentümerhaftpflicht in ausreichender Höhe zu nehmen und zu unterhalten.
1 BGH v. 28.9.2007 – V ZR 276/06, BGHZ 174, 20 = MDR 2008, 135 = NJW 2007, 3636 = DNotZ 2008, 378 = ZWE 2008, 50; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 55; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 115.
Rapp 615
4.45
Kap. 4 Rz. 4.45 Wohnungs- und Teileigentum 6. Jeder Eigentümer darf Teile des Gebäudes, in dem sich sein Sondereigentum befindet, beliebig verändern, soweit dadurch nicht die Sicherheit und der Bestand des Gebäudes gefährdet werden. 7. Jeder Eigentümer ist verpflichtet, die Räume und Anlagen seines Sondereigentums einschließlich aller Teile des Gebäudes, in dem sich die Räume seines Sondereigentums befinden, auch soweit sie gemeinschaftliches Eigentum sind, und die seiner Sondernutzung (seinem Annex-Sondereigentum) unterliegenden Teile des Grundstücks einschließlich der Einfriedung auf der Grundstücksgrenze auf seine Kosten in ordnungsgemäßem Zustand zu unterhalten, instandzusetzen und zu erneuern. 8. Soweit nach dem öffentlichen Abgabenrecht öffentliche Abgaben zwingend nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile veranlagt werden, sind die Eigentümer untereinander verpflichtet, sich in der Weise auszugleichen, dass auf jedes Wohnungseigentum der Betrag entfällt, der entfallen würde, wenn der jeweils zugewiesene Sondernutzungsbereich (Annex-Sondereigentumsbereich) einschließlich der Gebäulichkeiten, die sich auf diesem befinden, Alleineigentum des entsprechenden Wohnungseigentümers wäre.
4. Begründung von Sondernutzungsrechten und von Annex-Sondereigentum
4.46 Ein Sondernutzungsrecht ist die Befugnis eines einzelnen Eigentümers1 oder einer Gruppe von Eigentümern, Teile des Gemeinschaftseigentums unter Ausschluss aller anderen Eigentümer oder einer anderen Gruppe von Eigentümern zu nutzen2. Es kann nur durch Vereinbarung oder bei Begründung von Wohnungseigentum durch den teilenden Eigentümer bei Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, nicht aber durch Beschluss der Wohnungseigentümer (Ausnahme Öffnungsklausel, s. Rz. 4.55) begründet werden3. Es kann auch gutgläubig erworben werden, auch für den Fall, dass es zwar im Grundbuch eingetragen ist, aber mate-
1 Oder auch nur eines Miteigentümers nach Bruchteilen an einer Einheit, BGH v. 10.5.2012 – V ZB 279/11, MDR 2012, 1024 = NJW-RR 2012, 1157 = ZfIR 2012, 752 = DNotZ 2012, 769 = ZWE 2012, 359. 2 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676 = ZfIR 2012, 182 = ZWE 2012, 175 Rz. 10; KG v. 29.12.2006 – 12 U 117/06, ZMR 2007, 449; BGH v. 8.4.2016 – V ZR 191/15, MDR 2016, 1324 = NJW 2017, 64 = ZfIR 2017, 12 = ZNotP 2017, 380 = ZWE 2016, 453 Rz. 11; Schmidt-Räntsch, ZWE 2016, 431. 3 BGH v. 13.1.2017 – V ZR 96/16, MDR 2017, 511 = ZfIR 2017, 403 = ZNotP 2017, 280 = ZWE 2017, 224 Rz. 30 ff.; v. 20.2.2014 – V ZB 116/13, MDR 2014, 520 = NJW 2014, 1879 = ZfIR 2014, 441 = DNotZ 2014, 448 = ZWE 2014, 211 Rz. 16; v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 (162) = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZfIR 2000, 877 = DNotZ 2000, 854; OLG München v. 27.3.2017 – 34 Wx 114/14, ZWE 2017, 211; SchmidtRäntsch, ZWE 2016, 432; eine Änderung des Sondernutzungsrechtes erfolgt deshalb nach den Regeln der Inhaltsänderung (§ 10 Abs. 2 WEG), BGH v. 22.3.2019 – V ZR 298/16, MDR 2019, 928 = NJW 2019, 3716 = ZfIR 2019, 405 = DNotZ 2019, 927 = ZWE 2019, 318 Rz. 12.
616 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.47 Kap. 4
riell nicht besteht1. Die geläufigsten Sondernutzungsrechte bestehen bezüglich oberirdischer Pkw-Abstellplätze, bezüglich Gartenflächen, als Ersatzlösung für Sondereigentum (z.B. Doppelhaushälfte, Balkone), oder auch für Hinweis- und Werbeschilder. Die Begründung von Sondernutzungsrechten muss dem sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernis genügen. Erforderlich ist deshalb ein Lageplan, der jedoch nicht zwingend Teil des Aufteilungsplanes sein muss2. Die Abgrenzung zwischen einem Sondernutzungsrecht und einer Benutzungsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG besteht darin, dass bei letzterer alle Wohnungseigentümer – wenn auch mit Modalitäten – die Möglichkeit haben, den fraglichen Teil des Gemeinschaftseigentums zu benutzen. Kein Wohnungseigentümer darf bei einer Benutzungsregelung vollständig von der Nutzung des fraglichen Teils des Gemeinschaftseigentums ausgeschlossen werden. Sondernutzungsrechte sind, soweit es um die Nutzung des unbebauten Grundstücks geht (vor allem für Stellplätze, Gartenflächen), der Ersatz für nicht mögliches Sondereigentum (es fehlt an dem sondereigentumsfähigen Raum). Hier ist durch das WEModG eine Änderung eingetreten3: Stellplätze außerhalb des Gebäudes können als separates Teileigentum, sonstige Grundstücksflächen können als Sondereigentum und – zwingend – als Bestandteil einer separaten Einheit (Wohnungs- oder Teileigentum) ausgewiesen werden (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG). Soweit es sich um Stellplätze oder um sonstige Grundstücksflächen handelt, hat der aufteilende Eigentümer die Wahl zwischen Sondernutzungsrecht und Sondereigentum. Handelt es sich nicht um eine Flächennutzung, z.B. um die Verlegung einer Leitung, oder um die Nutzung von im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteilen, z.B. Nutzung einer Außenwand für Werbezwecke oder Nutzung eines Kellerraumes, so ist nur ein Sondernutzungsrecht möglich. Der grundlegende Unterschied besteht im Folgendem: Das Annex-Sondereigentum ist Eigentum i.S.v. § 903 BGB und betrifft danach den „Gegenstand des Sondereigentums“, also das sachenrechtliche Grundverhältnis. Dagegen betrifft das Sondernutzungsrecht den „Inhalt des Sondereigentums“ i.S.v. §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 10 Abs. 3 WEG. Bei einer Duplex-Garage ist der einzelne Stellplatz nach h.M. und der Rechtslage 4.47 vor dem 1.12.2020 (Inkrafttreten des WEModG) nicht sondereigentumsfähig, sondern nur die Duplex-Garage insgesamt4. Wird eine solche Einheit durch zwei ver1 BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = NJW-RR 2017, 712 = ZfIR 2017, 355 = DNotZ 2017, 852 = ZWE 2017, 169 Rz. 19. 2 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676 = ZfIR 2012, 182 = ZWE 2012, 175 Rz. 13; OLG Düsseldorf v. 28.6.2010 – I-3 Wx 54/10, RNotZ 2010, 573 = ZWE 2010, 368. 3 Zur Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen aller Art und dem Annex-Sondereigentum (Freiflächensondereigentum) s. Hügel/Elzer3, § 3 WEG Rz. 58–72; MünchKomm/Krafka, § 3 WEG Rz. 50–58; Grüneberg/Wicke81, § 3 WEG Rz. 10–13; Lehmann-Richter/Wobst, WEG Reform 2020, S. 393 ff.; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 1. 4 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 75/11, MDR 2012, 17 = NJW-RR 2012, 85 = ZWE 2012, 81; LG München I v. 5.11.2012 – 1 S 1504/12 WEG, RNotZ 2013, 177 = ZWE 2013, 166.
Rapp 617
Kap. 4 Rz. 4.47 Wohnungs- und Teileigentum
schiedene Käufer erworben, ist das Benutzungsrecht durch eine Miteigentümervereinbarung gem. § 1010 BGB zu regeln. Wegen der Musterformulierung für eine Duplex-Garage wird auf die Vorauflage verwiesen. Seit Inkrafttreten des WEModG sind die einzelnen Plätze eines Mehrfach-Parkers sondereigentumsfähig (s. oben Rz. 4.11).
4.48 M49 Duplex-Parker (Stellplatzsondereigentum, § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG n.F.) Formulierungsbeispiel: Im Untergeschoss des zu errichtenden Gebäudes auf FlNr. 100 der Gemarkung Schönstadt werden vier Duplex-Parker mit jeweils zwei Pkw-Stellplätzen, im Aufteilungsplan bezeichnet mit den laufenden Nrn. ST 1 bis ST 8, errichtet. Mit einem Miteigentumsanteil zu 1/1000 wird verbunden das Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Stellplatz – unterer Stellplatz –, mit einem weiteren 1/1000 Miteigentumsanteil wird verbunden das Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Stellplatz – oberer Stellplatz – … . Durch diese Aufteilung entstehen acht separate Teileigentumsrechte. Diese Teileigentumsrechte dürfen nur für das Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt werden. Jeder Duplex-Parker hat eine Hebeanlage, die gemeinschaftlich von den Teileigentümern der jeweils unten und oben gelegenen Stellplätze genutzt wird. Diese Hebeanlage steht im gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungs- und Teileigentümer. Die Benutzung steht jedoch ausschließlich den jeweiligen Teileigentümern zu, die auch alle Kosten und Lasten gem. § 16 WEG gemeinschaftlich zu gleichen Anteilen zu tragen haben. Die jeweiligen Teileigentümer sind verpflichtet, alle übrigen Wohnungs- und Teileigentümer von der Inanspruchnahme durch Dritte freizustellen.
In der Praxis haben sich drei verschiedene Wege zur Zuweisung der Sondernutzungsrechte herausgebildet: a) Begründung von Sondernutzungsrechten durch Ausschluss aller und Zulassung Einzelner
4.49 Dabei werden in der Gemeinschaftsordnung zunächst alle Wohnungseigentümer von der Benutzung der Sondernutzungsbereiche ausgeschlossen (negative Komponente). Dem derzeitigen Eigentümer wird die Befugnis eingeräumt, einzelnen Wohnungseigentümern das Sondernutzungsrecht zuzuweisen (positive Komponente). Es entsteht alsdann mit entsprechender Eintragung im Grundbuch, wobei die Zuweisungsbefugnis erlischt, wenn der Bauträger nicht mehr Eigentümer zumindest einer Einheit ist1. Die Zuweisung und Grundbucheintragung bedarf nicht der Zustimmung
1 BGH v. 2.12.2011 – V ZR 74/11, MDR 2012, 207 = NJW 2012, 676 = ZfIR 2012, 182 = ZWE 2012, 175 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 2.3.1998 – 20 W 54/98, MittBayNot 1998, 443; OLG Schleswig v. 26.9.2016 – 2 Wx 56/16, ZWE 2017, 213; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 130.
618 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.52 Kap. 4
der anderen Wohnungseigentümer und auch nicht dinglich Berechtigter an allen Einheiten der Anlage, da durch die negative Komponente diese von der Benutzung ausgeschlossen sind1. Sie muss jedoch dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen2. Das Erfordernis der Abgeschlossenheit, das beim Stellplatz-Sondereigentum durch Maßangaben ersetzt wird (§ 3 Abs. 3 WEG), gilt für das Sondernutzungsrecht nicht. Die sachenrechtliche Bestimmtheit kann deshalb zwar auch durch Maßangaben, aber auch (wie bei der früheren Rechtslage) durch eine dauerhafte Markierung hergestellt werden.
4.50
M50 Sondernutzungsrechte, Zuweisung I Formulierungsbeispiel: Solange der derzeitige Eigentümer aller Einheiten, die Firma XY, Eigentümer noch mindestens einer Einheit in der Anlage ist, sind alle anderen Eigentümer von der Nutzung der im Sondernutzungsplan mit den Nummern ST 1 bis ST 14 eingezeichneten oberirdischen Kfz-Stellplätze ausgeschlossen. Der derzeitige Eigentümer ist berechtigt, Erwerbern von Einheiten das Sondernutzungsrecht an einzelnen Kfz-Stellplätzen zuzuweisen und dies zur Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Aufschiebend bedingt durch den Eingang eines entsprechenden Eintragungsantrages beim Grundbuchamt entsteht dadurch das Sondernutzungsrecht zugunsten des jeweiligen Wohnungseigentümers.
b) Anbindung der Sondernutzungsrechte bei einer Einheit Die Sondernutzungsrechte werden sofort gebildet und sämtliche mit einer Einheit 4.51 verbunden3. Wird ein Sondernutzungsrecht zusammen mit einer Wohnung verkauft, so wird mit Vollzug der Auflassung das Sondernutzungsrecht von der bisherigen Einheit abgetrennt und mit der neuen Einheit verbunden. Auch hier ist die negative Komponente von Anfang an vorhanden, so dass es keiner Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder dinglich Berechtigter bedarf (s. Rz. 4.49).
4.52
M51 Sondernutzungsrechte, Zuweisung II Formulierungsbeispiel: Dem Eigentümer des im Aufteilungsplan mit Nr. 14 bezeichneten Tiefgaragenstellplatzes steht das alleinige Sondernutzungsrecht an den im Sondernutzungsplan mit den Nummern St 1 bis St 4 bezeichneten oberirdischen Kfz-Abstellplätzen zu. Der Eigentü1 BGH v. 22.6.2012 – V ZR 73/11, ZWE 2012, 377, unter II. 1.b. der Gründe. 2 BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = NJW-RR 2017, 712 = ZfIR 2017, 355 = DNotZ 2017, 852 = ZWE 2017, 169 Rz. 14. 3 KG v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, ZMR 2007, 384 (387) = RNotZ 2007, 151 = ZWE 2007, 237; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 134 und § 13 WEG Rz. 62; Beck’sches Notarhandbuch/ Rapp7, Rz. 62.
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Kap. 4 Rz. 4.52 Wohnungs- und Teileigentum mer dieser Teileigentumseinheit ist berechtigt, einzelne Sondernutzungsrechte von der Einheit abzutrennen und sie mit anderen Einheiten aus derselben Wohnanlage zu verbinden. Die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer/Teileigentümer oder dinglich Berechtigter ist hierzu nicht erforderlich.
c) Ausschluss unter der Bedingung der Zuweisung eines Sondernutzungsrechtes
4.53 Die dritte Möglichkeit zur Begründung eines Sondernutzungsrechtes geht zunächst davon aus, dass das gemeinschaftliche Eigentum allen Eigentümern zum Mitgebrauch offensteht. Die künftigen Erwerber können jedoch von dem aufteilenden Eigentümer unter der aufschiebenden Bedingung der Zuweisung eines Sondernutzungsrechtes von der Mitbenutzung bestimmter Teile des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen werden1. Diese Zuweisungsbefugnis erlischt nicht dadurch, dass der Zuweisungsberechtigte nicht mehr Eigentümer einer Einheit in der Wohnanlage ist2. 4.54 M52 Sondernutzungsrechte, Zuweisung III Formulierungsbeispiel: Die Wohnungseigentümer sind von der Nutzung der im Aufteilungsplan mit ST 1 bis ST 20 bezeichneten Pkw-Abstellplätze unter der aufschiebenden Bedingung ausgeschlossen, dass an diesen Abstellplätzen einzelnen Wohnungseigentümern ein Sondernutzungsrecht zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen wird. Die Zuweisung kann nur durch den derzeitigen Eigentümer aller Einheiten, also die Firma XYZ, erfolgen. Sie erfordert eine Erklärung in grundbuchtauglicher Form gegenüber dem Grundbuchamt. Das Zuweisungsrecht erlischt nicht, wenn der derzeitige Eigentümer nicht mehr Eigentümer mindestens einer Einheit der Anlage ist (es kann aber auch das Gegenteil vereinbart werden).
d) Begründung eines Sondernutzungsrechtes aufgrund Öffnungsklausel
4.55 Eine weit gefasste Öffnungsklausel in einer Gemeinschaftsordnung kann eine Eigentümermehrheit auch dazu ermächtigen, durch Beschluss ein Sondernutzungsrecht zu begründen3. Dieses Sondernutzungsrecht kann nach dem WEModG im Grund1 OLG Hamm v. 16.6.2017 – 15 W 474/16, MDR 2017, 1294 = DNotZ 2018, 225 = ZWE 2017, 445 = ZMR 2018, 59; OLG München v. 27.6.2012 – 34 Wx 71/12, ZWE 2012, 487; KG v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, ZMR 2007, 384 (387) = RNotZ 2007, 151 = ZWE 2007, 237. 2 OLG Frankfurt v. 25.6.2015 – 20 W 54/15, MittBayNot 2017, 48 = ZWE 2016, 171 Rz. 17. 3 Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 171 f.; Gaier, ZWE 2005, 40; a.A. OLG Köln v. 10.12.1997 – 16 Wx 250/97, ZMR 1998, 373; sehr zurückhaltend auch BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18,
620 Rapp
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Rz. 4.57 Kap. 4
buch eingetragen werden (§ 10 Abs. 3 Satz 1 WEG). Ein gutgläubiger Erwerb eines solchen Sondernutzungsrechtes ist nach Grundbucheintragung noch möglich. Umstritten ist, ob es hierfür der Zustimmung der Grundpfandrechtsgläubiger gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG analog bedarf 1. Eine vergleichbare Problematik wie bei einer Öffnungsklausel besteht dann, wenn zugunsten eines Wohnungskäufers bei vollzogener Teilungserklärung eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist und hier nachträglich durch den Bauträger ein Sondernutzungsrecht an der gemeinschaftlichen Grundstücksfläche begründet werden soll. Hierfür ist gem. §§ 877, 876 BGB die Zustimmung des Vormerkungsberechtigten erforderlich. Hierzu kann der Bauträger-Käufer auch den Bauträger selbst mit einer sog. „Bauträgervollmacht“ bevollmächtigt haben. Bei Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes der Vollmacht kann die Zustimmung des Bauträgerkäufers vom Bauträger in dessen Namen erklärt werden2. 5. Veräußerungsbeschränkung und ihre Aufhebung Als Inhalt des Sondereigentums kann vereinbart werden, dass ein Wohnungseigen- 4.56 tümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer oder eines Dritten, insbesondere des Verwalters, bedarf. Bei der Beratung des Notars mit den Beteiligten, ob eine solche Veräußerungsbeschränkung eingeführt werden soll oder nicht, ist auf den Gesetzeszweck der Vorschrift abzustellen. Es soll verhindert werden, dass entweder wirtschaftlich nicht leistungsfähige oder in persönlicher Beziehung störende Personen in die Eigentümergemeinschaft gelangen. Die diesbezüglichen Erkenntnismöglichkeiten des Verwalters, vor allem wenn dieser nicht ortsansässig ist, sind jedoch eingeschränkt. Der Erwerber von Wohnungseigentum hat weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Verpflichtung gegenüber dem Verwalter Auskunft zu erteilen. Entschließt man sich dennoch zur Einführung der Verwalterzustimmung, so sollte gleichzeitig über Ausnahmen gesprochen werden. Solche sind sinnvoll, um die Beleihbarkeit nicht zu erschweren. Zustimmungsfrei sollte deshalb veräußert werden können vom Insolvenzverwalter oder von einem Grundpfandrechtsgläubiger, der eine Einheit erstanden hat. Zu prüfen ist auch, ob an Ehegatten oder Verwandte oder an einen anderen Wohnungseigentümer zustimmungsfrei veräußert werden kann. § 12 Abs. 4 WEG a.F. sah vor, dass durch eine nicht einschränkbare Regelung mittels 4.57 Beschluss der Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit3 die VeräußerungsBGHZ 221, 373 = MDR 2019, 657 = NJW 2019, 2083 ZfIR 2019, 760 = DNotZ 2019, 933 Rz. 19 ff., im Hinblick auf „mehrheitsfeste“ Positionen, z.B. Änderung der Zweckbestimmung durch Mehrheitsbeschluss ohne Zustimmung des betroffenen Eigentümers. 1 Abramenko, ZMR 2007, 336; Briesemeister, ZWE 2007, 422; Beck’sches Notarhandbuch/ Rapp7, Rz. 62b. 2 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, MDR 2020, 251 = NJW 2020, 610 = ZfIR 2020, 196 = DNotZ 2020, 604 = ZWE 2020, 130 Rz. 15 ff. 3 Dabei war das für die Gemeinschaft maßgebliche Stimmrechtsprinzip anzuwenden: Hügel/ Elzer3, § 12 WEG Rz. 80; Schneider in Harz/Riecke/Schmid5, § 12 WEG Rz. 68c; Bärmann/
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Kap. 4 Rz. 4.57 Wohnungs- und Teileigentum
beschränkung wieder aufgehoben werden konnte. Nach der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 1 WEG durch das WEModG ist die Vorschrift dispositiv. Es kann jetzt vereinbart werden, dass keine (oder nur eine modifizierte) Beschlusskompetenz zur Aufhebung der Veräußerungsbeschränkung besteht1. Die Aufhebungswirkung tritt nach § 12 Abs. 4 Satz 1 WEG mit entsprechender Beschlussfassung ein; die Löschung im Grundbuch ist danach rein deklaratorischer Natur2. Gleichwohl wird in der Praxis die Löschung im Grundbuch bei einer Weiterveräußerung als erforderlich angesehen. Solange die Veräußerungsbeschränkung eingetragen ist, ist sie vom Grundbuchamt von Amtswegen zu beachten. Auch für die Fälligstellung von Kaufpreisen ist bei eingetragener Veräußerungsbeschränkung die Löschung im Grundbuch Voraussetzung. 6. Nutzen und Lasten, Verteilungsschlüssel
4.58 Die Betriebskosten (s. § 556 BGB) sowie die sonstigen Kosten und Lasten im Bereich des Gemeinschaftseigentums werden, falls nicht eine anderweitige Regelung besteht, gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilt. Ökologisch und gerecht ist es jedoch, Verbrauchskosten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, nach dem Verbrauch zu ermitteln und abzurechnen. Für die Heizkosten ist dies gesetzlich vorgeschrieben (HeizkostenVO). Bei Mehrhausanlagen ist getrennte Kostenermittlung pro Gebäude sinnvoll.
4.59 M53 Mehrhausanlage, Haftungsregelung Formulierungsbeispiel: Entscheidet eine Untergemeinschaft (wirtschaftliche Einheit bezüglich eines Gebäudes) über die Durchführung einer Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahme bzw. eine sonstige bauliche Veränderung, darf der Verwalter den entsprechenden Vertrag mit dem hierzu beauftragten Unternehmen erst dann abschließen, wenn die betreffende Untereigentümergemeinschaft über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. (Formulierung nach Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht – 2007, § 3 Rz. 33). Alternative: Der Verwalter darf Rechtsgeschäfte, die nur die Eigentümer in einer wirtschaftlichen Einheit betreffen, nur namens der Wohnungseigentümer dieser wirtschaftlichen Einheit abschließen. Diese Wohnungseigentümer sind verpflichtet, dem Verwalter hierzu ausdrückliche Vollmacht zu erteilen. Die Verpflichtung trifft auch diejenigen Wohnungseigentümer, die an der entsprechenden Versammlung nicht teilgenommen haben oder dem Beschluss widersprochen haben. Die betreffenden Wohnungseigentümer sind verpflichtet, die Vollmacht schriftlich dem Verwalter zu erteilen.
Suilmann14, § 12 WEG Rz. 52; Jennißen/Grziwotz5, § 12 WEG Rz. 43; Rapp, DNotZ 2009, 347; a.A. Merle, ZWE 2009, 18; Häublein, ZMR 2007, 410. 1 Hügel/Elzer3, § 12 WEG Rz. 80; Grüneberg/Wicke81, § 12 Rz. 17. 2 Hügel/Elzer3, § 12 WEG Rz. 83; Häublein, ZMR 2007, 414.
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Rz. 4.63 Kap. 4
Derselbe Verteilungsschlüssel wie bei den Kosten und Lasten sollte auch bei der 4.60 Erhaltungsrücklage (früher Instandhaltungsrückstellung) § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG angewendet werden. Für Mehrhausanlagen empfiehlt sich konsequenterweise für jedes Gebäude eine separate Rücklage. Die Vergütung des Verwalters, die die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft schuldet, sollte abweichend von der gesetzlichen Regelung (§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG) mit einem Pauschalsatz pro Wohnung festgelegt werden1. Die Höhe der Verwaltervergütung wird jedoch in dem zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter abzuschließenden Verwaltervertrag geregelt. 7. Vorrecht für Hausgeldbeträge in der Zwangsversteigerung Seit dem 1.7.2007 besteht gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG in der Zwangsversteigerung des 4.61 Wohnungseigentums ein gesetzliches Vorrecht der Hausgeldansprüche (§§ 19 Abs. 2 Nr. 4, 5; 28 Abs. 1 Satz 1 WEG) gegenüber den Grundpfandrechtsgläubigern. Das Vorrecht bezieht sich auf 5 % des Verkehrswertes des Wohnungseigentums und auf das fällig werden der Hausgeldansprüche im Jahr des Verkaufs oder in den beiden davorliegenden Jahren. Das Vorrecht bewirkt in seinem Umfang einen gesetzlichen Rangrücktritt der Grundpfandrechte hinter die Hausgeldforderung. 8. Eigentümerversammlung Gesetzliche Grundlagen sind die §§ 23 bis 25 WEG. In den meisten Fällen ist rege- 4.62 lungsbedürftig die Frage des Stimmrechts (Rz. 4.63), die Frage der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses (Rz. 4.64) und die Möglichkeit der Vertretung des Eigentümers in der Versammlung bzw. Einschränkung der Vertretungsmöglichkeit (Rz. 4.65) sowie die Fertigung der Versammlungsniederschrift gem. § 24 Abs. 6 WEG. Für die ordnungsmäßige Einberufung der Versammlung genügt die Absendung der Ladung an die dem Verwalter zuletzt bekanntgegebene Adresse des Wohnungseigentümers2; eine virtuelle Versammlung ist auch in Pandemiezeiten nicht zulässig. a) Regelung des Stimmrechts Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme, und zwar 4.63 unabhängig davon, ob er eine oder mehrere Wohnungen hat und auch unabhängig von der Größe seiner Wohnung. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Mitbestimmungsrechte des Eigentümers mit seiner Verpflichtung zur Lastentragung kongruent sein sollten, empfiehlt es sich, das Stimmrecht dem Lastentragungsschlüssel
1 Zu Grundsatzfragen des Verwaltungsvertrages s. BGH v. 5.7.2019 – V ZR 278/17, MDR 2020, 217 = NJW 2020, 988 = ZfIR 2020, 142 = ZWE 2020, 83. 2 BGH v. 20.11.2020 – V ZR 64/20, MDR 2021, 476 = DNotZ 2021, 615 = ZWE 2021, 223 Rz. 35 ff.; Wobst, MittBayNot 2021, 337; Hügel/Elzer3, § 24 WEG Rz. 60; DNotI-Gutachten v. 27.8.2021 – stk-je 187053, auch zur Verwalterbestellung nach § 6 COVMG.
Rapp 623
Kap. 4 Rz. 4.63 Wohnungs- und Teileigentum
anzupassen. Denkbar ist auch das sog. Objektprinzip, das bedeutet pro Wohnung eine Stimme1. Ist ein Wohnungseigentum mit einem Nießbrauch belastet, steht das Stimmrecht (und auch das Anfechtungsrecht gem. § 44 WEG) gleichwohl dem Eigentümer allein zu, da der Nießbraucher nicht Wohnungseigentümer ist2. b) Feststellung der Mehrheit
4.64 Die Eigentümerversammlung beschließt, soweit nicht in der Gemeinschaftsordnung etwas anderes vorgesehen ist, mit der einfachen Mehrheit der in der Versammlung vertretenen Stimmen. Stimmenthaltungen sind nicht mitzuzählen3. Zulässig ist ein durch die Gemeinschaftsordnung eingeräumtes Vetorecht eines Wohnungseigentümers4. c) Abstimmungsberechtigung
4.65 Abstimmungsberechtigt ist der im Grundbuch legitimierte Wohnungseigentümer, auch wenn er erst ein durch Vormerkung gesicherter „werdender Wohnungseigentümer“ ist5. Er kann sich durch einen Bevollmächtigten (Vollmachtsnachweis in Textform, § 25 Abs. 3 WEG) vertreten lassen; dieses Recht kann jedoch auf einen bestimmten Kreis von Bevollmächtigten eingeschränkt werden6. Bei Mehrhausanlagen besteht kraft Gesetzes das Stimmrecht aller Eigentümer, auch wenn nur die Eigentümer eines bestimmten Gebäudes betroffen sind. Es empfiehlt sich deshalb, die Abstimmungsberechtigung für Maßnahmen, die nur die Eigentümer eines Gebäudes betreffen, auf diese Eigentümer zu begrenzen7.
1 BGH v. 20.11.2020 – V ZR 64/20, MDR 2021, 476 = DNotZ 2021, 615 = ZWE 2021, 223 Rz. 18 ff. 2 BGH v. 10.7.2015 – V ZR 194/14, MDR 2015, 1122 = NJW 2015, 2968 = ZfIR 2015, 773 = ZWE 2015, 376 Rz. 8; v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, MDR 2002, 1003 = NJW 2002, 1647 = ZfIR 2002, 384; BayObLG v. 25.6.1998 – 2Z BR 53/98, MDR 1999, 152 = NJW-RR 1999, 1535 = ZfIR 1998, 611 = DNotZ 1999, 585; Bärmann/Merle14, § 25 WEG Rz. 16 ff. 3 BGH v. 8.12.1988 – V ZB 3/88, BGHZ 106, 179 = MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1090 = DB 1989, 523 = DNotZ 1990, 31; Hügel/Elzer3, § 25 WEG Rz. 6; die Neufassung des § 25 Abs. 1 WEG durch das WEModG hat hieran nichts geändert. 4 BayObLG v. 2.4.1997 – 2Z BR 36/97, NJW-RR 1997, 1305 = DNotZ 1997, 970 = ZfIR 1997, 361. 5 BGH v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087 = DB 1989, 524 = DNotZ 1989, 422; v. 11.5.2012 – V ZR 196/11, MDR 2012, 958 = NJW 2012, 2650 = ZfIR 2012, 603 = ZWE 2012, 369 Rz. 5. Das Recht des „werdenden Wohnungseigentümers“ ist nunmehr in § 8 Abs. 3 WEG kodifiziert. 6 BGH v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236 (240) = MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329; Hügel/Elzer3, § 25 WEG Rz. 82 ff. 7 BGH v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, ZMR 2012, 979 (980) = NJW-RR 2012, 1291 = ZWE 2012, 494; OLG München v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, MDR 2007, 711 = ZMR 2007, 392; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 47; Häublein, ZWE 2010, 149.
624 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.68 Kap. 4
d) Beschluss-Sammlung Sie ist seit dem 1.7.2007 für jede Wohnungseigentümergemeinschaft zwingend vor- 4.66 geschrieben (§ 23 Abs. 7 WEG). Die Eintragungen in ihr haben jedoch im Gegensatz zum Grundbuch keinen öffentlichen Glauben. Es ist jederzeit und mit allen zulässigen Beweismitteln möglich nachzuweisen, dass eine Eintragung fehlt oder inhaltlich unrichtig ist. Auch richtige Eintragungen besagen nichts darüber, ob ein Beschluss angefochten ist oder nichtig ist1. 9. Bestellung und Kompetenzen des Verwalters Der Verwalter wird nach Maßgabe des § 26 WEG durch Beschluss der Wohnungs- 4.67 eigentümer bestellt auf die Dauer von höchstens fünf Jahren, im Falle der ersten Bestellung nach der Begründung von Wohnungseigentum auf höchstens drei Jahre. Er kann jederzeit vor Ablauf der Bestellungszeit abberufen werden. Bei Abberufung des Verwalters endet der Verwaltervertrag spätestens sechs Monate danach (§ 26 Abs. 3 Satz 2 WEG). Gemäß § 6 Abs. 1 COVID-19-Gesetz v. 27.3.20202 wird die Handlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft dadurch sichergestellt, dass der zuletzt bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Die Vorschrift gilt sowohl für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft3. Die Zuständigkeiten des Verwalters sind in § 27 WEG festgelegt und seit 1.12.2020 neu definiert. § 27 Abs. 1 WEG betrifft dabei das Innenverhältnis des Verwalters gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. § 9b WEG betrifft die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Hier ist die Vertretungsmacht grundsätzlich unbeschränkt, für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages oder eines Darlehensvertrages ist jedoch, auch mit Wirkung im Außenverhältnis, ein voriger oder nachträglicher Beschluss der Wohnungseigentümer erforderlich. Die Vertretungsmacht des Verwalters kann nicht eingeschränkt, wohl aber erweitert werden. Die Erweiterung ist insbesondere bei großen Gemeinschaften sinnvoll, da sie die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft verbessert.
4.68
M54 Verwalter, Kompetenzen Formulierungsbeispiel: Der Verwalter ist ermächtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit es sich um einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn die Finanzierung der Geschäfte aus den laufenden Einnahmen der Gemeinschaft entsprechend dem Wirtschaftsplan gewährleistet ist. Er ist darüber hinaus berechtigt, 1 Vgl. hierzu Hügel/Elzer3, § 24 WEG Rz. 173 ff.; Häublein, ZMR 2007, 415; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7 Rz. 73b. 2 BGBl. 2020 I Nr. 14 v. 27.3.2020. 3 Wälzholz/Bayer, DNotZ 2020, 285 (308).
Rapp 625
Kap. 4 Rz. 4.68 Wohnungs- und Teileigentum Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen unter Entnahme von Mitteln aus der Rücklage in Auftrag zu geben, soweit die vertragliche geschuldete Leistung Euro … im Einzelfalle nicht übersteigt. Im Übrigen ist die Versammlung der Wohnungseigentümer berechtigt, durch Beschluss mit Stimmenmehrheit weitere Ermächtigungen des Verwalters einzuführen.
4.69–4.90 Einstweilen frei. IV. Interne und externe Veränderungen am Wohnungseigentum 1. Unterteilung, Vereinigung
4.91 Ein Wohnungseigentum kann real geteilt werden, wozu die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht erforderlich ist1. Nach § 250 Abs. 1 BauGB ist eine Teilung eines Wohnungseigentums im Geltungsbereich einer entsprechenden Rechtsverordnung genehmigungspflichtig. Dadurch können z.B. aus einer Vierzimmerwohnung zwei Zweizimmerwohnungen entstehen. Hierfür ist ein geänderter Aufteilungsplan samt Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich. Ergibt sich in diesem Zusammenhang eine Änderung der Grenze zwischen Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum so ist der Eigentumswechsel durch eine entsprechende Auflassung und Grundbucheintragung zu vollziehen, wobei alle Wohnungseigentümer bei der Auflassung gem. § 4 WEG beteiligt sein müssen2. 4.92 Bei der Unterteilung müssen auch alle bisher im Sondereigentum stehenden Räume weiterhin mit einem Miteigentumsanteil verbunden sein. Wird beispielsweise bei der Unterteilung die Zuweisung eines bisher im Sondereigentum stehenden Kellerraumes an eine der unterteilten Wohnungen vergessen, so ist die Unterteilung nichtig3. 4.93 Die Unterteilung von Wohnungseigentum kann auch Einfluss auf das Stimmrecht haben. Verringert sich durch die Unterteilung das Stimmgewicht einzelner Wohnungseigentümer, so ist deren Zustimmung erforderlich. Es kommt deshalb darauf an, welche Stimmrechtsreglung in der Gemeinschaft gilt: – Besteht das Stimmrecht nach der gesetzlichen Regelung gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG, so ändert die Unterteilung zunächst nichts an der Anzahl der Stimmen. 1 BGH v. 17.1.1968 – V ZB 9/67, BGHZ 49, 250 = WM 1968, 284; v. 24.11.1978 – V ZB 2/78, BGHZ 73, 150 = MDR 1979, 389 = NJW 1979, 870 = DB 1979, 494 = DNotZ 1979, 493 = ZMR 1979, 312; v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 (366 f.) = MDR 2004, 1403 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72 = ZMR 2004, 834; v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 = MDR 2012, 959 = ZfIR 2012, 558 = ZNotP 2012, 234 = ZMR 2012, 639 Rz. 8. 2 BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159 (168 f.) = NJW 2004, 3413 = MDR 2004, 1403 = ZfIR 2004, 946; Schmidt-Räntsch, ZWE 2016, 430. 3 BayObLG v. 10.11.1987 – Breg 2 Z 75/86, BayObLGZ 1987, 394 f. = DNotZ 1988, 316; v. 19.3.1998 – 2Z BR 113/97, BayObLGZ 1998, 70 = ZMR 1999, 46; zur Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs (umstr.) in diesem Falle s. Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 51; Bärmann/ Armbrüster14, § 2 WEG Rz. 99 ff.; Staudinger/Rapp, § 6 WEG Rz. 4b.
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Rz. 4.95 Kap. 4
Bei einer Veräußerung einer Einheit wird angenommen, dass die Eigentümer der aus der Unterteilung hervorgegangenen Einheiten ihr Stimmrecht nur nach Bruchteilen und nicht analog § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG zur gesamten Hand ausüben können1. Das Stimmgewicht der anderen Wohnungseigentümer wird also durch die Unterteilung nicht geschmälert, so dass deren Zustimmung nicht erforderlich ist2. – Ist das Stimmrecht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile oder nach dem Verhältnis der Wohnflächen zueinander geordnet, dann ergibt sich durch die Unterteilung ebenfalls keine Verringerung für das Stimmgewicht der anderen Wohnungseigentümer3. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer ist deshalb nicht erforderlich. – Besteht dagegen pro Eigentumswohnung eine Stimme (was zulässig ist4) so führt die Vermehrung der Zahl der Wohnungen durch Unterteilung zu einer Verringerung des Stimmgewichtes der anderen Wohnungseigentümer, falls man jeder neuen Einheit eine Stimme zubilligt. Das Stimmgewicht teilt sich jedoch bei Unterteilung entsprechend der Anzahl der neuen Einheiten gleichmäßig auf 5. Eine Zustimmung zur Unterteilung durch die anderen Wohnungseigentümer ist also auch hier nicht erforderlich. In der Gemeinschaftsordnung kann das Stimmrecht bei Unterteilung geregelt wer- 4.94 den, also z.B. bei Geltung des Objektprinzips auch nach Unterteilung pro Wohnung eine Stimme.
4.95
M55 Unterteilung von Wohnungseigentum Formulierungsbeispiel: Im Wohnungsgrundbuch von … Band … Blatt … ist vorgetragen 153/1000 Miteigentumsanteil am Grundstück der Gemarkung X FlNr. 100, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 4 bezeichneten Wohnung, dem mit Nr. 4 bezeichneten Kellerraum sowie ferner verbunden mit dem im Aufteilungsplan mit Nr. 4 1 BGH v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 = MDR 2012, 959 = ZfIR 2012, 558 = ZNotP 2012, 234 = ZMR 2012, 639 Rz. 8 = MDR 2012, 959 = ZfIR 2012, 558 = ZnotP 2012, 234 = ZMR 2012, 639 Rz. 8; zur gesamten Stimmrechtsproblematik s. Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 50 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 85 a. 2 BGH v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 = MDR 2012, 959 = ZfIR 2012, 558 = ZNotP 2012, 234 = ZMR 2012, 639 Rz. 8 =. 3 OLG Frankfurt v. 5.12.2011 – 20 W 70/11, ZWE 2012, 272; Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 55. 4 BGH v. 28.10.2011 – V ZR 253/10, BGHZ 191, 245 = MDR 2012, 209 = NJW 2012, 921 = ZMR 2012, 282 Rz. 8 ff. 5 BGH v. 27.4.2012 – V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 = MDR 2012, 959 = ZfIR 2012, 558 = ZNotP 2012, 234 = ZMR 2012, 639 Rz. 8; v. 7.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354 (367) = MDR 2004, 1403 = NJW 2004, 3413 = ZWE 2005, 72 = ZMR 2004, 834; v. 1.12.1988 – V ZB 6/88, MDR 1989, 435 = NJW 1989, 1087 = DB 1989, 524 = DNotZ 1989, 422 (424); Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 52.
Rapp 627
Kap. 4 Rz. 4.95 Wohnungs- und Teileigentum bezeichneten Tiefgaragenabstellplatz. Gemäß im Grundbuch eingetragener Gemeinschaftsordnung steht dem Eigentümer der Einheit Nr. 4 ferner das ausschließliche Sondernutzungsrecht an dem im Sondernutzungsplan mit Nr. ST 12 bezeichneten oberirdischen Pkw-Abstellplatz zu. Der Wohnungseigentümer nimmt Bezug auf den vorliegenden, behördlich bestätigten geänderten Aufteilungsplan samt Abgeschlossenheitsbescheinigung, ausgestellt vom Landratsamt X am 7.9.2021. Danach wird das Sondereigentum der Wohnung Nr. 4 ohne Veränderung des räumlichen Umfangs desselben unterteilt in die Einheiten Nr. 4 (neu) und Nr. 4a. Der Wohnungseigentümer unterteilt die bisherige Einheit Nr. 4 durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt in entsprechender Anwendung des § 8 WEG wie folgt: – Mit einem Miteigentumsanteil von 75/1000 am Grundstück FlNr. 100 wird verbunden das Sondereigentum an der im geänderten Aufteilungsplan vom 7.9.2021 mit Nr. 4 (neu) bezeichneten Wohnung samt Kellerraum Nr. 4 gemäß dem bisherigen Aufteilungsplan und – mit einem Miteigentumsanteil von 78/1000 am Grundstück FlNr. 100 wird verbunden das Sondereigentum an der im geänderten Aufteilungsplan vom 7.9.2021 mit Nr. 4a bezeichneten Wohnung samt Tiefgaragenabstellplatz Nr. 4 gemäß dem bisherigen Aufteilungsplan. Bezüglich des Sondernutzungsrechtes am oberirdischen Pkw-Stellplatz Nr. ST 12 wird festgelegt, dass im Verhältnis der beiden Einheiten zueinander ausschließlich der Eigentümer der Einheit Nr. 4 (neu) zur Ausübung desselben berechtigt ist. Dies wird zur Eintragung in das Grundbuch bewilligt und beantragt.
4.96 Wohnungseigentumseinheiten können auch gem. § 890 Abs. 1 BGB vereinigt werden. Die Miteigentumsanteile werden dabei addiert, wodurch ein einheitlicher, vereinigter Miteigentumsanteil entsteht, der mit dem Sondereigentum an zwei (oder mehr) Wohnungen verbunden ist. Die Wohnungen müssen auf dem gleichen Grundstück liegen, aber nicht benachbart sein. Dies ist zulässig1. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer hierzu ist nicht erforderlich2. Bei verschiedenartigen Belastungen der zu vereinigenden Einheiten ist im Hinblick auf § 5 GBO eine Rangregulierung erforderlich. 4.97 Vereinigungen von Wohnungseigentum sind häufig dadurch veranlasst, dass ein Wohnungseigentümer eine benachbarte Wohnung hinzuerwirbt und diese durch einen entsprechenden Wand- oder Deckendurchbruch faktisch mit seiner bisherigen Wohnung vereinigt. Hier ist zu prüfen, ob der Wanddurchbruch nur Sondereigentum betrifft oder auch Gemeinschaftseigentum. Beim Deckendurchbruch ist stets von Gemeinschaftseigentum auszugehen. Bei Gemeinschaftseigentum ist § 20 WEG (bauliche Veränderung) zu beachten.
1 BGH v. 10.2.1983 – V ZB 18/82, MDR 1983, 568 = NJW 1983, 1672 = DB 1983, 1093 = DNotZ 1983, 487; OLG Düsseldorf v. 30.11.2015 – 3 WX 272/15, ZWE 2016, 165. 2 BayObLG v. 24.11.1998 – 2Z BR 152/98, DNotZ 1999, 674 = ZMR 1999, 266.
628 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.100 Kap. 4
In allen Fällen dieser faktischen Vereinigung durch Schaffung eines Mauer- oder 4.98 Deckendurchbruchs wird die Abgeschlossenheit der Wohnungen aufgehoben. Dies alleine ist jedoch von den anderen Wohnungseigentümern gem. § 14 Nr. 2 WEG hinzunehmen1. Zu prüfen ist jedoch, ob die baulichen Maßnahmen eine Gefahr für die Statik, die Brandsicherheit oder die Schalldämmung des Gebäudes bewirkt. Ist dies zu bejahen, so ist die Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer erforderlich. 2. Veräußerung einzelner Räume Sondereigentumsfähige Räume können unter verschiedenen Eigentümern derselben 4.99 Wohnanlage veräußert werden. Für die Veräußerung ist notarielle Beurkundung und Auflassung erforderlich (§§ 4 Abs. 3, 2 WEG, § 311b BGB). Auch hierfür ist, bei Bestehen einer entsprechenden Rechtsverordnung, eine Genehmigung nach § 250 Abs. 1 BauGB erforderlich.
4.100
M56 Sondereigentumsfähige Räume, Tausch Formulierungsbeispiel: Herr A ist Alleineigentümer des im Grundbuch von … Blatt … vorgetragenen Wohnungseigentums Nr. 17 am Grundstück FlNr. 100 der Gemarkung X, zu dem ausweislich des grundbuchamtlichen Bestandsverzeichnisses und des Aufteilungsplanes auch der Kellerraum Nr. 17 gehört. Das Wohnungseigentum ist lediglich in Abteilung III des Grundbuchs belastet mit einer Grundschuld ohne Brief zu 100.000 b für die Sparkasse S. Die Eheleute B sind Miteigentümer zu gleichen Anteilen des im Grundbuch von … Blatt … vorgetragenen Wohnungseigentums Nr. 21 am Grundstück FlNr. 100 der Gemarkung X, zu dem ausweislich des grundbuchamtlichen Bestandsverzeichnisses und des Aufteilungsplanes auch der Kellerraum Nr. 21 gehört. Dieses Wohnungseigentum ist lediglich belastet mit einem Nießbrauch für Frau Katharina M. Es vertauschen jeweils mit allen Rechten, Pflichten, Bestandteilen und Zubehör: 1. Herr A das Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 17 bezeichneten Kellerraum an die Eheleute B zum Miteigentum zu gleichen Anteilen und 2. die Eheleute B den im Aufteilungsplan mit Nr. 21 bezeichneten Kellerraum an Herrn A zum Alleineigentum. Die Kellerräume Nr. 17 und Nr. 21 werden jeweils von dem Miteigentumsanteil, zu dem sie bisher gehören, abgetrennt und neu verbunden mit dem Miteigentumsanteil des jeweiligen Erwerbers. Das erworbene Sondereigentum wird dem Wohnungseigentum des jeweiligen Erwerbers als Bestandteil gem. § 890 Abs. 2 BGB zugeschrieben. Das hinzuerworbene Sondereigentum wird allen Belastungen des Wohnungseigentums, zu dem es künftig gehört, als weiteres Pfand (ggf. mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung) unterstellt.
1 BGH v. 21.12.2000 – V ZB 45/00, MDR 2001, 497 = NJW 2001, 1212.
Rapp 629
Kap. 4 Rz. 4.100 Wohnungs- und Teileigentum Die Beteiligten sind über diesen Eigentumsübergang einig und bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Sie stimmen allen der Lastenfreistellung dienenden Erklärungen mit dem Antrag auf Grundbuchvollzug zu, ferner beantragen sie die Eintragung von Pfanderstreckungen in der Weise, dass das erworbene Sondereigentum allen Belastungen des Wohnungseigentums, zu dem es künftig gehört, unterstellt wird.
4.101 Wird bei einem Wohnungseigentum ein vollständiger Raum abgetrennt und einem benachbarten Wohnungseigentum zugeschlagen, so ist ein geänderter Aufteilungsplan samt Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich, u.U. auch die Zustimmung betroffener Wohnungseigentümer gem. § 20 WEG. Sinnvoll ist es in diesen Fällen, auch einen Miteigentumsanteil an den erwerbenden Wohnungseigentümer mit zu veräußern. 4.102 Möglich ist natürlich auch ein Tausch von Gemeinschaftseigentum gegen Sondereigentum. Dabei ist an dem bisherigen gemeinschaftlichen Eigentum Sondereigentum unter Mitwirkung aller Wohnungseigentümer zu begründen und zwar in der Form des § 4 WEG1. Da sich der Belastungsgegenstand verändert, ist auch die Zustimmung von Drittberechtigten am bisherigen Gemeinschaftseigentum (d.h. alle Drittberechtigten an allen Einheiten) erforderlich, soweit sie ihre Rechte nicht nur außerhalb des Bauwerkes ausüben2. Im Gegenzug ist das Sondereigentum an dem anderen Tauschgegenstand aufzuheben. Auch dies erfordert die Mitwirkung aller Wohnungseigentümer gem. § 4 WEG. 3. Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum und umgekehrt
4.103 Die Qualifikation einer Einheit als Wohnungseigentum oder Teileigentum hat Vereinbarungscharakter gem. § 10 Abs. 2 WEG3. Eine Umwandlung ist deshalb eine Änderung der Vereinbarung, die grundsätzlich nur unter Mitwirkung aller Wohnungseigentümer4 möglich ist, wobei jedoch die Zustimmung von Grundpfandrechts- und Reallastberechtigten nach § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht erforderlich ist5.
1 BGH v. 5.10.1998 – II ZR 182/97, MDR 1998, 1471 = NJW 1998, 3712 = ZfIR 1998, 712 = ZMR 1999, 182; BayObLG v. 4.8.1988 – BReg 2 Z 57/88, DNotZ 1990, 37. 2 Dabei kann auch das Unschädlichkeitszeugnis des jeweiligen Bundeslandes verwendet werden, s. Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, § 3 Rz. 103. 3 BGH v. 27.10.2017 – V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 = MDR 2018, 80 = NJW 2018, 41 = ZfIR 2018, 17 = DNotZ 2018, 521 = ZWE 2018, 28 Rz. 6; v. 26.9.2003 – V ZR 217/02, MDR 2004, 84 = NJW 2004, 364 = DNotZ 2004, 145; KG v. 22.12.2006 – 24 W 126/05, ZMR 2007, 299; OLG München v. 4.2.2014 – 34 Wx 434/13, ZWE 2014, 164; OLG München v. 15.5.2017 – 34 Wx 207/16, ZWE 2017, 307 Rz. 25 f.; MünchKomm/Krafka, § 1 WEG Rz. 53; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 22. 4 Eine Öffnungsklausel dahin, dass der umwandlungswillige Wohnungseigentümer allein dazu ermächtigt ist, ist jedoch zulässig, OLG München v. 15.5.2017 – 34 Wx 207/16, ZWE 2017, 307 Rz. 26. 5 KG v. 29.11.2010 – 1 W 325/10, ZWE 2010, 84 II.2.
630 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.106 Kap. 4
Bei Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum ist eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich, weil das Ausstattungserfordernis für Wohnungseigentum und Teileigentum verschieden ist1. Für eine umgekehrte Umwandlung gilt dies nicht. Die Gemeinschaftsordnung kann vorsehen, dass der Wohnungseigentümer/Teilei- 4.104 gentümer eine Umwandlung durch einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt vornehmen kann und er hierzu der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht bedarf 2. Bei gemischt genutzten Gebäuden sollte im Interesse der Flexibilität eine solche einseitige Umwandlungsmöglichkeit vorgesehen werden.
4.105
M57 Umwandlung, Wohnungseigentum/Teileigentum Formulierungsvorschlag: Jeder Wohnungseigentümer ist berechtigt, sein Wohnungseigentum in Teileigentum umzuwandeln. In einem solchen Teileigentum sind jedoch nur nicht störende gewerbliche Betätigungen oder eine freiberufliche Berufsausübung zulässig. Tritt infolge der Umwandlung eine stärkere Benutzung des Gemeinschaftseigentums ein, so bestimmt der Verwalter nach billigem Ermessen, dass dieser Eigentümer einen erhöhten Anteil an den gemeinschaftlichen Lasten und Kosten zu tragen hat.
4. Änderungen der Gemeinschaftsordnung Bei Änderungen der Gemeinschaftsordnung geht es um Änderungen der Rechts- 4.106 beziehungen der Wohnungseigentümer untereinander, nicht dagegen um eine dinglich wirkende Neuzuordnung des Eigentums am Grundstück und seiner wesentlichen Bestandteile, insbesondere des Gebäudes. Soll die Größe von Miteigentumsanteilen oder der räumliche Umfang von Sondereigentum/Gemeinschaftseigentum (also der Gegenstand des Sondereigentums) geändert werden, so ist zwingend die Form der Auflassung und die Grundbucheintragung vorgeschrieben (§ 925 BGB, § 4 WEG). Dies gilt auch für die spätere Begründung oder Änderung von Freiflächensondereigentum oder von Stellplatzsondereigentum an Freiflächen. Vereinbarungen der Wohnungseigentümer untereinander oder Beschlüsse der Versammlung der Wohnungseigentümer sind insoweit wegen Formverstoßes gem. § 125 BGB nichtig3. Für die Eintragung von Vereinbarungen oder Beschlüssen schaffen jedoch §§ 7 Abs. 2 Satz 1, 5 Abs. 4 Satz 1 und 24 Abs. 6 WEG eine Erleichterung, indem die Bewilligung der in § 24 Abs. 6 WEG genannten Personen ausreicht.
1 KG v. 23.4.2013 – 1 W 343/12, ZWE 2013, 322; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 24. 2 BGH v. 16.7.2021 – V ZR 284/19, MDR 2021, 1524 = ZfIR 2021, 489 = DNotZ 2022, 82 = ZWE 2021, 451 = ZMR 2021, 992; BayObLG v. 15.2.1989 – BReg 2 Z 129/88, NJW-RR 1989, 652 = DNotZ 1990, 44; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 23. 3 BGH v. 12.4.2013 – V ZR 103/12, MDR 2013, 765 = NJW 2013, 1962 Rz. 8 ff.; Kreuzer, ZWE 2002, 286; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 38; Reymann, ZWE 2013, 316.
Rapp 631
Kap. 4 Rz. 4.106 Wohnungs- und Teileigentum
Durch § 10 Abs. 3 WEG werden Beschlüsse, die aufgrund einer vertraglichen Öffnungsklausel gefasst werden, einer Vereinbarung (zur Änderung des Inhalts des Sondereigentums) gleichgestellt. Solche Beschlüsse sind daher im Grundbuch eintragungsfähig und auch – zwecks Bindung eines Sonderrechtsnachfolgers – eintragungsbedürftig1.
4.107 Demgegenüber sind Vereinbarungen Verträge, die vom materiellen Recht her formfrei abgeschlossen werden können, die jedoch, damit sie Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern entfalten, der Eintragung in das Grundbuch bedürfen, § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG (s. Rz. 4.106 a.E.). Ohne Eintragung wirkt die Vereinbarung nur zwischen den Vertragsschließenden selbst und gegenüber einem Rechtsnachfolger nur, wenn er in diese – mit Zustimmung der anderen Vertragsschließenden – schuldbefreiend eingetreten ist. Die Rechtsicherheit schaffende Eintragung der Vereinbarung im Grundbuch bedarf der Eintragungsbewilligung gem. § 29 GBO durch alle Wohnungseigentümer2. Für die Änderung eingetragener Gemeinschaftsordnungen gibt es folgende Wege: a) Änderung durch Vereinbarung, Zustimmung Drittberechtigter
4.108 Der einfachste Weg der Änderung einer Gemeinschaftsordnung ist der, dass alle Wohnungseigentümer eine Änderungsvereinbarung abschließen. Hierfür müssen, genauso wie bei der Begründung von Wohnungseigentum, lediglich die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des WEG eingehalten werden. Die Zustimmung aller Wohnungseigentümer entspricht auch dem Eigentumsbegriff, dessen Wesenskern die Festigkeit gegenüber Mehrheitsentscheidungen ist. Die im Grundbuch eingetragene Änderungsvereinbarung wird, genauso wie die eingetragene Gemeinschaftsordnung selbst, Inhalt des Sondereigentums (§ 5 Abs. 4 Satz 1 WEG). Sie bewirkt also eine dingliche Änderung des Eigentumsinhaltes. Hierfür wäre nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 877, 876 BGB die Zustimmung der Drittberechtigten, vor allem der Grundpfandrechtsgläubiger, an allen Wohnungseigentumseinheiten erforderlich3. Hier gilt seit 1.7.2007 eine Erleichterung: Grundpfandrechtsgläubiger müssen Änderungen der Gemeinschaftsordnung nicht mehr zustimmen, ausgenommen den Fall, dass es um die Einräumung, Änderung oder Aufhebung eines oder mehrerer Sondernutzungsrechte geht. Danach bedürfen beispielsweise Nutzungsänderungen (z.B. Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum oder umgekehrt), Änderungen der Kostenverteilung oder Änderungen des Stimmrechts
1 Hügel/Elzer3, § 5 WEG Rz. 61; § 10 WEG Rz. 215; Rapp, DNotZ 2021, 320; MünchKomm/ Burgmair, § 10 WEG Rz. 54; Grüneberg/Wicke81, § 10 WEG Rz. 28. 2 BayObLG v. 19.4.1983 – BReg 2 Z 20/83, MDR 1983, 671 = DNotZ 1984, 101; v. 14.12.1978 – BReg 2 Z 14/78, DNotZ 1979, 174; OLG Hamm v. 19.9.2007 – 15 W 444/06, DNotZ 2008, 382. 3 BGH v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = MDR 1984, 830 = NJW 1984, 2409; BayObLG v. 27.10.2004 – 2Z BR 150/04, BayObLGZ 2005, 306 = NJW 2005, 444 = ZMR 2005, 300 = ZfIR 2005, 325 = DNotZ 2005, 390.
632 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.111 Kap. 4
keiner Zustimmung von Grundpfandrechtsgläubigern. Nicht freigestellt ist dagegen das Zustimmungserfordernis von Berechtigten der Abteilung II des Grundbuchs. b) Änderungen aufgrund Öffnungsklausel Eine Öffnungsklausel liegt vor, wenn die Gemeinschaftsordnung es erlaubt, dass 4.109 mittels eines Mehrheitsbeschlusses dieselbe geändert wird. Dies ist rechtlich zulässig1 und nunmehr in § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG durch den Gesetzgeber auch bestätigt worden. Der sachliche Umfang der Öffnungsklausel wird durch diese selbst bestimmt2. Der Rechtsgedanke des § 35 BGB, wonach Sonderrechte eines Mitglieds nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden dürfen, ist anwendbar. So kann z.B. einem Wohnungseigentümer auf keinen Fall ein Sondernutzungsrecht ohne dessen Zustimmung entzogen werden oder ein Teileigentum in Wohnungseigentum umgewandelt werden3. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung auf der Grundlage einer vertraglichen Öff- 4.110 nungsklausel durch Beschluss der Eigentümerversammlung ist nach der Neufassung der § 5 Abs. 4 Satz 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG im Grundbuch eintragungsfähig. Damit hat der Gesetzgeber die ausdrückliche gegenteilige Regelung im (bisherigen) § 10 Abs. 4 Satz 2 WEG, die in sich dogmatisch widersprüchlich war, korrigiert. Die hierzu ergangene Rechtsprechung4 ist daher überholt. Eintragungsfähige Beschlüsse auf der Basis des § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG werden auch als „Mehrheitsvereinbarung“5 charakterisiert.
4.111
M58 Gemeinschaftsordnung, Änderung Formulierungsbeispiel: Die Wohnungseigentümer, auch diejenigen, die an der Beschlussfassung nicht teilgenommen haben oder dagegen gestimmt haben, sind verpflichtet, eintragungsfähige Beschlüsse zur Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Die Kosten trägt die Eigentümergemeinschaft. Eine erhebliche Vereinfachung bringt die Neufassung des § 7 Abs. 2 WEG. Danach bedarf es alternativ zur bisherigen Regelung nicht der Eintragungsbewilligung aller Wohnungseigentümer; antragsberechtigt ist auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WEG), vertreten (§ 9b Abs. 1 WEG) durch den Verwalter6.
1 BGH v. 27.6.1985 – VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137 = NJW 1985, 2832 = MDR 1986, 138 = DNotZ 1986, 83 = ZMR 1986, 19. 2 Staudinger/Kreuzer, § 10 WEG Rz. 168; Armbrüster, ZWE 2013, 242. 3 BGH v. 12.4.2019 – V ZR 112/18, BGHZ 221, 373 = MDR 2019, 657 = NJW 2019, 2083 ZfIR 2019, 760 = DNotZ 2019, 933 Rz. 16. 4 OLG München v. 13.11.2009 – 34 Wx 100/09, MDR 2010, 102 = NJW 2010, 450 = DNotZ 2010, 196; Armbrüster, ZWE 2013, 242; Bärmann/Suilmann14, § 10 WEG Rz. 190. 5 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 9 f. 6 Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 66.
Rapp 633
Kap. 4 Rz. 4.112 Wohnungs- und Teileigentum
c) Änderung aufgrund Anpassungsverpflichtung
4.112 Der Gesetzgeber hat die bisher zu § 242 BGB ergangene Rechtsprechung in Bezug auf grob unbillige und einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellende Gemeinschaftsordnungen in § 10 Abs. 2 WEG kodifiziert. Danach kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderung der Gemeinschaftsordnung im Sinne einer gerechten und billigen Regelung verlangt werden1. Es handelt sich grundsätzlich um Einzelfallentscheidungen wobei auch berücksichtigt werden muss, ob z.B. eine nicht sachgerechte Kostenverteilung bereits beim Erwerb des Wohnungseigentums absehbar oder gar bekannt war2. Der Anspruch aus § 10 Abs. 2 WEG geht auf die Abgabe einer Willenserklärung zum Zustandekommen einer geänderten Vereinbarung und deren Eintragung in das Grundbuch3. d) Gesetzliche Öffnungsklauseln
4.113 In §§ 12 Abs. 4, 16 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 2 und 21 Abs. 5 WEG hat der Gesetzgeber eine Reihe neuer gesetzlicher Öffnungsklauseln geschaffen. Beschlussfassungen zu den dort genannten Themenfeldern ändern entweder das Wohnungseigentum mit gesetzlichem Inhalt. Entsprechend diesen gesetzlichen Öffnungsklauseln muss jeder Wohnungseigentümer damit rechnen, dass zu dem bezeichneten Thema durch die Wohnungseigentümer ein von der gesetzlichen Regelung abweichender Beschluss gefasst wurde. Ein solcher Beschluss ist bereits im Gesetz angelegt, daher vorhersehbar und nach der Entscheidung des Gesetzgebers nicht im Grundbuch eintragungsfähig. Einer solchen gesetzlichen Öffnungsklausel steht eine vertragliche Öffnungsklausel gleich, die aber die Abweichung spezifiziert. Beispiel: „In der Einheit Nr. 5 ist der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes zulässig. Durch Beschluss der Eigentümerversammlung mit 3/4 Mehrheit kann in dieser Einheit der Betrieb einer Gaststätte zugelassen werden.“ Eine solche Änderung ist auch nicht überraschend; das Gesetz sieht deshalb für solche Beschlüsse auch keine Grundbucheintragung vor, ausgenommen im Falle des § 12 Abs. 4 WEG (Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung). Anderes gilt für Öffnungsklauseln die nicht im Gesetz selbst, sondern ausschließlich in der Gemeinschaftsordnung ihre (nicht spezifizierte) Grundlage haben. Beispiel: Allgemeine Öffnungsklausel; „die GO kann mit 2/3 Mehrheit geändert werden, so-
1 BGH v. 18.1.2019 – V ZR 72/18, MDR 2019, 984 = NJW-RR 2019, 909 = ZfIR 2019, 447 = ZNotP 2019, 295 = ZWE 2019, 403 Rz. 15; v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 = NJW 2010, 3296 = ZfIR 2010, 684 = ZWE 2010, 330 Rz. 19; v. 25.9.2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192, MDR 2004, 86 = NJW 2003, 3476 = DNotZ 2004, 366 = ZWE 2004, 66 = ZMR 2003, 937; v. 13.7.1995 – V ZB 6/94, BGHZ 130, 304 (312) = MDR 1995, 1112 = NJW 1995, 2791 = DB 1995, 2162 = ZMR 1995, 483; v. 11.6.2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 = NJW 2010, 3296 = ZMR 2010, 778 = ZfIR 2010, 684 = ZWE 2010, 330. 2 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 114/09, NJW 2010, 2129 = ZfIR 2010, 360 = ZMR 2010, 542 Rz. 31; BayObLG v. 19.2.1987 – BReg 2 Z 114/86, BayObLGZ 1987, 69 = NJW-RR 1987, 714; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 184; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 125. 3 Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 186; Rapp, DNotZ 2009, 345.
634 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.116 Kap. 4
weit nicht zwingende Vorschriften entgegenstehen.“ Änderungsbeschlüsse sind hier eintragungsbedürftig1. 5. Veräußerung/Aufhebung von Sondernutzungsrechten a) Form, Zustimmungsbedürftigkeit, gutgläubiger Erwerb Die Übertragung eines dinglichen (also im Grundbuch eingetragenen) Sondernut- 4.114 zungsrechtes kann materiell-rechtlich formfrei erfolgen, da dieses kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht ist. Die §§ 311b, 925 BGB sind nicht anwendbar. Jedoch ist die (formlos mögliche) Einigung und Grundbucheintragung gem. §§ 877, 873 BGB und die Zustimmung Drittberechtigter am abgebenden Wohnungseigentum nötig2. Es gilt jedoch der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz3. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zur Veräußerung des Sondernutzungsrechtes ist nicht erforderlich, auch wenn für die Veräußerung des Wohnungseigentums selbst eine Verwalterzustimmung erforderlich wäre4. Ein lediglich schuldrechtlich vereinbartes Sondernutzungsrecht geht durch Abtretungsvertrag gem. §§ 398, 413 BGB auf den Erwerber über5; eine Grundbucheintragung ist weder notwendig noch überhaupt möglich. Das dingliche Sondernutzungsrecht kann auch in entsprechender Anwendung des 4.115 § 893 BGB gutgläubig erworben werden, und zwar nicht nur, wenn es für den falschen Berechtigten eingetragen ist – materiell also existiert –, sondern auch, wenn es eingetragen ist, aber materiell überhaupt nicht besteht6. Bei einem schuldrechtlichen Sondernutzungsrecht ist dagegen ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, da es mangels Grundbucheintragung an einem Rechtsscheintatbestand fehlt. b) Erwerberkreis Erwerber eines Sondernutzungsrechtes kann nach h.M. nur ein Eigentümer aus der- 4.116 selben Wohnungseigentumsanlage sein7. Deshalb kann ein Sondernutzungsrecht 1 Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 1 (7 f.); DNotI-Gutachten v. 27.12.2021 – pme-cp 189119/ 189287. 2 BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 = MDR 2020, 783 = ZfIR 2020, 533 = ZWE 2020, 328 = DNotZ 2021, 37 Rz. 42 ff.; v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = NJW 1979, 548 = DB 1979, 888 = DNotZ 1979, 168; OLG München v. 21.11.2011 – 34 Wx 357/11, ZWE 2012, 92 = NotBZ 2012, 55 = RNotZ 2012, 126. 3 BayObLG v. 22.4.2002 – 2Z BR 129/01, ZWE 2002, 403; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 123. 4 BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = NJW 1979, 548 = DB 1979, 888 = DNotZ 1979, 168; BayObLG v. 7.8.2001 – 2Z BR 117/01, ZWE 2002, 81. 5 Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 161. 6 BGH v. 21.10.2016 – V ZR 78/16, MDR 2017, 388 = NJW-RR 2017, 712 = ZfIR 2017, 355 = DNotZ 2017, 852 = ZWE 2017, 169 Rz. 19; BayObLG v. 30.6.1989 – BReg 2 Z 47/89, DNotZ 1990, 381; OLG Hamm v. 21.10.2008 – 1-15 Wx 140/08, DNotZ 2009, 383; Staudinger/Rapp, § 5 WEG Rz. 74 ff. 7 BGH v. 24.11.1978 – V ZB 11/77, BGHZ 73, 145 = MDR 1979, 299 = NJW 1979, 548 = DB 1979, 888 = DNotZ 1979, 168.
Rapp 635
Kap. 4 Rz. 4.116 Wohnungs- und Teileigentum
auch nicht selbständig mit einer Dienstbarkeit belastet werden. Gehört jedoch zu einem Wohnungs-/Teileigentum ein Sondernutzungsrecht, so kann bei Belastung der Einheit mit einer Dienstbarkeit vereinbart werden, dass der Dienstbarkeitsberechtigte auch die Sondernutzungsfläche benutzen kann1. c) Nachträgliche Begründung von Sondernutzungsrechten
4.117 Wird bei einer bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft nachträglich ein Sondernutzungsrecht begründet, so kann dies nur im Wege einer einstimmigen Vereinbarung erfolgen2. Beschlüsse der Wohnungseigentümer können ein Sondernutzungsrecht nicht begründen, auch wenn sie nicht angefochten werden und deshalb als vereinbarungsersetzende Beschlüsse behandelt werden3. Solche Beschlüsse entziehen den nicht begünstigten Wohnungseigentümern ein elementares, sich aus dem Miteigentum ergebendes Recht, nämlich dasjenige zum Mitgebrauch gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG. 4.118 Eine Ausnahme hiervon gilt nur für den Fall, dass eine weite Öffnungsklausel auch die Begründung von Sondernutzungsrechten zulässt, was nach § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG in das Grundbuch einzutragen ist4. 4.119 Die Drittberechtigten am Wohnungseigentum, insbesondere Grundpfandrechtsgläubiger, müssen, damit das Sondernutzungsrecht in das Grundbuch eingetragen werden kann, dieser Vereinbarung zustimmen, § 5 Abs. 4 Satz 2 WEG. Ob dies auch für die beschlussmäßige, auf einer Öffnungsklausel beruhende Begründung von Sondernutzungsrechten gilt, ist umstritten5. d) Aufhebung von Sondernutzungsrechten
4.120 Die Aufhebung eines Sondernutzungsrechtes bedarf materiell-rechtlich einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer. § 875 BGB – einseitiger Verzicht auf das Sondernutzungsrecht – ist nicht entsprechend anwendbar6. Die Rechtsprechung lässt
1 BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 = MDR 2020, 783 = ZfIR 2020, 533 = ZWE 2020, 328 = DNotZ 2021, 37 Rz. 10, Rz. 31 bis 40; a.A. s. die Nachweise bei BGH, a.a.O., Rz. 32; Staudinger/Rapp, § 1 WEG Rz. 68; Ott, DNotZ 1998, 128. 2 BGH v. 20.1.2012 – V ZR 125/11, MDR 2012, 702 = ZMR 2012, 651 = DNotZ 2012, 684 = ZWE 2012, 258; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 131. 3 BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 = ZMR 2000, 771 = ZfIR 2000, 877 = DNotZ 2000, 854; OLG München v. 21.2.2007 – 34 Wx 103/05, NJW-RR 2007, 806 = ZMR 2007, 561 = RNotZ 2007, 345; Staudinger/Kreuzer, § 15 WEG Rz. 78. 4 Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7 Rz. 62d; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 172, dort auch zur gegenteiligen Auffassung. 5 Abramenko, ZWE 2007, 337; Briesemeister, ZWE 2007, 422; Bärmann/Suilmann14, § 13 WEG Rz. 73; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 62d. 6 BGH v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = MDR 2001, 80 = NJW 2000, 3643 = ZfIR 2000, 884; Bärmann/Suilmann14, § 13 WEG Rz. 114.
636 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.123 Kap. 4
jedoch für den grundbuchmäßigen Vollzug der Aufhebung eines Sondernutzungsrechtes die einseitige Eintragungsbewilligung des Sondernutzungsberechtigten genügen1. Die Aufhebung des Sondernutzungsrechtes bedarf auch der Zustimmung der Berechtigten der Abteilung II des Grundbuchs (soweit betroffen), in jedem Fall jedoch der Zustimmung der Berechtigten der Abteilung III, jeweils der sondernutzungsberechtigten Einheit (§ 5 Abs. 3 Satz 2 WEG)2. 6. Externe Veränderungen am Wohnungseigentumsgrundstück a) Wegmessungen vom Wohnungseigentumsgrundstück Trotz der Begründung von Wohnungseigentum besteht das Grundstück als solches 4.121 weiter; die Summe aller Wohnungseigentumsrechte ist identisch mit dem ungeteilten Grundstück. Aus diesem Grundstück kann deshalb auch eine reale Teilfläche durch alle Wohnungseigentümer an einen Dritten veräußert werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 747 Satz 2 BGB). Die veräußerte Teilfläche darf jedoch nicht mit einem im Sondereigentum stehenden Gebäudeteil bebaut sein, es sei denn, dass gleichzeitig insoweit das Sondereigentum aufgehoben wird3. Eine Auflassungsvormerkung kann nur an allen Einheiten gleichzeitig eingetragen werden4. Für die veräußerte Fläche ist das Wohnungseigentum aufzuheben5. Die Lastenfrei- 4.122 stellung der weggemessenen Fläche kann durch Unschädlichkeitszeugnis erleichtert werden6. b) Hinzuerwerb einer Fläche zum Wohnungseigentumsgrundstück Der Hinzuerwerb durch alle Wohnungseigentümer ist möglich, jedoch nur im Ver- 4.123 hältnis ihrer Miteigentumsanteile7. Das hinzuerworbene Grundstück ist dem Wohnungseigentumsgrundstück als Bestandteil zuzuschreiben. Eine Verpflichtung zum Hinzuerwerb besteht jedoch, abgesehen davon, dass dies in den Fällen des § 10 Abs. 2 WEG von den Eigentümern vereinbart ist, nicht, auch nicht zu einem unent1 BGH v. 13.9.2000 – V ZB 14/00, BGHZ 145, 133 = MDR 2001, 80 = NJW 2000, 3643 = ZfIR 2000, 884; OLG Düsseldorf v. 22.3.2013 – 3 Wx 8/13, ZWE 2013, 210; kritisch hierzu Bärmann/Suilmann14, § 13 WEG Rz. 114; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 136a; Hügel/Elzer3, § 10 WEG Rz. 163. 2 BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, BGHZ 225, 136 = MDR 2020, 783 = ZfIR 2020, 533 = ZWE 2020, 328 = DNotZ 2021, 37 Rz. 43; v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = MDR 1984, 830 = NJW 1984, 2409. 3 KG v. 25.10.2011 – 1 W 479/11, 1 W 480/11, ZMR 2012, 462; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 39. 4 BayObLG v. 13.3.1974 – BReg 2 Z 12/74, BayObLGZ 1974, 118 = MDR 1974, 669 = DNotZ 1975, 36; OLG Düsseldorf v. 22.3.2013 – 3 Wx 240/12, ZWE 2013, 208. 5 OLG Frankfurt v. 16.1.1990 – 20 W 501/89, DNotZ 1991, 604. 6 Art. 120 EGBGB i.V.m. den einschlägigen Landesgesetzen, z.B. für Bayern Gesetz vom 9.11.2012, BayGVBl. 2012, 534; s. hierzu Demharter, MittBayNot 2013, 104. 7 OLG Zweibrücken v. 8.2.1990 – 3 W 163/89, DNotZ 1991, 605; Elzer, ZWE 2011, 17; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 43.
Rapp 637
Kap. 4 Rz. 4.123 Wohnungs- und Teileigentum
geltlichen Erwerb. Eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer bezüglich eines Zuerwerbs besteht nicht, da ein solcher keine Verwaltung des bisherigen Vertragsgegenstandes darstellt1. Die hinzuerworbene Fläche ist in Wohnungseigentum aufzuteilen und der für das Wohnungseigentumsgrundstück gültigen Gemeinschaftsordnung zu unterstellen2. Für die Lastenausdehnung gilt bei Rechten der Abteilung III § 1131 BGB; Rechte in Abteilung II sind Pfand zu unterstellen. Alternativ kann jedoch die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft selbst ein Grundstück erwerben. Dies ist dann Gemeinschaftsvermögen (§ 9a Abs. 1, Abs. 3 WEG). 7. Rechtsfähigkeit und Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
4.124 Nach vorgängiger Entscheidung des BGH wurde vom Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung 2007 in § 10 Abs. 6 WEG a.F. die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft kodifiziert. Seit der Gesetzesänderung 2020 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 9a Abs. 1 WEG unbeschränkt rechtsfähig3. a) Die Bezeichnung der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsverkehr
4.125 Aus der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer folgt, dass diese im Rechtsverkehr unter einer bestimmten Bezeichnung auftreten muss (§ 9a Abs. 1 Satz 3 WEG). Als Rechtsform muss dabei die Bezeichnung „Wohnungseigentümergemeinschaft“ verwendet werden, gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks. 4.126 M59 Wohnungseigentümergemeinschaft, Bezeichnung Formulierungsbeispiel: Die Wohnungseigentümergemeinschaft führt die Bezeichnung „Wohnungseigentümergemeinschaft Schönstadt, Hauptplatz 1, FlNr. 1 Gemarkung Schönstadt“.
1 Elzer, ZWE 2011, 17; Riecke in Harz/Riecke/Schmid7, § 20 WEG Rz. 86; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 41. 2 OLG Frankfurt v. 12.12.2005 – 20 W 304/05, ZWE 2006, 345; Hügel/Elzer3, § 1 WEG Rz. 42. 3 BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 = DStR 2005, 1283 = ZfIR 2005, 506 = DNotZ 2005, 776; zur Teilrechtsfähigkeit s. Schmidt-Räntsch, ZWE 2016, 432. Zu einkommensteuerlichen Konsequenzen der Rechtsfähigkeit im Hinblick auf die Werbungskosten – Abzugsfähigkeit der Erhaltungsrücklage s. Hafner/Ostermann, DStR 2021, 2052.
638 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.128 Kap. 4
Das Gesetz unterscheidet zwischen der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungs- 4.127 eigentümer gem. § 9a Abs. 1 WEG und der sachenrechtlichen Bruchteilsgemeinschaft gem. § 1 Abs. 5 WEG, der das gemeinschaftliche Eigentum gehört. Der rechtsfähigen Gemeinschaft ist das Gemeinschaftsvermögen (früher Verwaltungsvermögen gem. § 10 Abs. 7 WEG a.F.) gem. § 9a Abs. 3 WEG zugeordnet, der Bruchteilsgemeinschaft das gemeinschaftliche Eigentum gem. § 1 Abs. 5 WEG1. b) Der sachliche Bereich der Rechtsfähigkeit – Verwaltungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft Nach der bis zum 1.12.2020 gültigen Rechtslage (§ 10 Abs. 6 WEG a.F.) konnte die 4.128 Wohnungseigentümergemeinschaft „im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Daraus wurde eine Teil-Rechtsfähigkeit abgeleitet, die auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt war. Da nach altem Recht nur eine „ordnungsmäßige Verwaltung“ (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 WEG a.F.) rechtmäßig war, konnte die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht immer zweifelsfrei festgestellt werden. Die bisherige Regelung wurde durch § 9a Abs. 1 WEG n.F. abgelöst. Danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Formulierung entspricht der Definition der Rechtsfähigkeit bei den handelsrechtlichen Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist damit unbeschränkt rechts- und prozessfähig. Sie wird gerichtlich und außergerichtlich durch den Verwalter vertreten (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG). Fehlt ein Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam. Bei Rechtshandlungen, die der Verwalter namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vornimmt, ist deshalb stets von deren Rechtsfähigkeit auszugehen. Eine Ausnahme besteht nur für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages oder eines Darlehensvertrages; bei solchen Rechtsgeschäften besteht die Vertretungsmacht des Verwalters nur bei Vorliegen eines Beschlusses der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG). Die wichtigste (Pflicht-)Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besteht gem. § 18 Abs. 1 WEG in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hier kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung verlangen, die den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen entspricht (§ 18 Abs. 2 WEG). Diese Verwaltungszuständigkeit besteht sowohl nach innen, also gegenüber einem Wohnungseigentümer, der seinen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft verletzt, als auch nach außen gegenüber Dritten, die das gemeinschaftliche Eigentum i.S.v. § 1004 BGB stören. Die Kompetenz nach innen ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG, die Kompetenz nach außen folgt aus § 9a Abs. 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nimmt eigene Rechte und Pflichten wahr, also z.B. jene aus einem von ihr selbst abgeschlossenen Rechtsgeschäft sich ergeben-
1 BGH v. 12.12.2006 – I ZB 83/06, NJW 2007, 518 = ZMR 2007, 286.
Rapp 639
Kap. 4 Rz. 4.128 Wohnungs- und Teileigentum
den. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Rechtsfähigkeit. Sie nimmt aber auch jene Rechte und Pflichten wahr, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer gem. § 1 Abs. 5 WEG ergeben. Benutzt also beispielsweise ein Dritter rechtswidrig gemeinschaftliches Eigentum, so wird der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht. In Abweichung zu § 1011 BGB ist ein einzelner Wohnungseigentümer nicht zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert; ihm steht jedoch gegen die Gemeinschaft ein Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG zu. Die §§ 18, 19 WEG führen danach in Ansehung des gemeinschaftlichen Eigentums zu einer Rechtsverlagerung vom einzelnen Wohnungseigentümer auf die rechtsfähige Gemeinschaft. Demgegenüber stehen bezüglich des Sondereigentums jedem Wohnungseigentümer das alleinige Verwaltungs- und Benutzungsrecht und die sich hieraus ergebenden Rechtsbehelfe (z.B. Klage aus § 1004 BGB) zu1. c) Die Grundbuchfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
4.129 Aus der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer leitet sich zwanglos deren Grundbuchfähigkeit ab. Sie wurde jedoch bereits nach dem bisherigen Rechtsstand bejaht2. Bei der bisherigen Fassung des § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG (Rechtsfähigkeit „im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“) war eine Auslegung dahingehend möglich, die Rechtsfähigkeit auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bereichsmäßig zu beschränken. Nach § 9a Abs. 1 WEG ist ein solches Verständnis ausgeschlossen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer steht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit auf einer Stufe mit Verbänden wie dem eingetragenen Verein, den Personen- und Kapitalgesellschaften sowie der Genossenschaft3. Auch bei Grundbuchgeschäften wird sie durch den Verwalter vertreten. Der Nachweis seiner Vertretungsberechtigung wird in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 3 WEG erbracht4. 4.130 Die Rechtsfähigkeit und damit die Erwerbsfähigkeit ist deshalb für die Wohnungseigentümergemeinschaft stets zu bejahen. Die rechtsfähige Gemeinschaft kann deshalb nicht nur Grundpfandrechtsgläubigerin sein, sie kann auch Berechtigte einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit sein5, wobei jedoch Vorsicht insoweit gebo-
1 Im Einzelnen s. die Erläuterungen zu §§ 18, 19 WEG bei Hügel/Elzer3; Lehmann-Richter/ Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 76–252; Dötsch/Schultzky/Schischack, WEG-Recht 2021, Kap. 3; Ruge/Tyarks Das neue Wohnungseigentumsrecht § 3 Nr. 4. 2 BGH v. 18.3.2016 – V ZR 75/15, NJW 2016, 2177 = MDR 2016, 577 = ZfIR 2016, 459 = ZWE 2016, 268 = ZNotP 2016, 98 Rz. 27; v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 = DStR 2005, 1283 = ZfIR 2005, 506 = DNotZ 2005, 776; OLG Hamm v. 20.10.2009 – 15 Wx 81/09, 15 Wx 81/09, NJW 2010, 1464; v. 12.8.2010 – 15 Wx 63/10, NJW 2010, 3586; OLG Celle v. 26.2.2008 – 4 W 213/07, NJW 2008, 1537. 3 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 13. 4 OLG München v. 16.11.2016 – 34 Wx 305/16, ZWE 2017, 93 Rz. 19 ff. 5 Hügel, DNotZ 2007, 338; Rapp, MittBayNot 2005, 458.
640 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.131 Kap. 4
ten ist, als mit Beendigung der Gemeinschaft (§ 9 Abs. 1 WEG) die beschränkt persönliche Dienstbarkeit erlischt. Die Gemeinschaft kann auch Wohnungseigentum oder ein Grundstück erwerben1. Beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrages, gleichgültig ob die Wohnungsei- 4.131 gentümergemeinschaft als Käufer oder als Verkäufer auftritt, besteht die Vertretungsbefugnis des Verwalters nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG). Diese Beschränkung der Vertretungsmacht ist jedoch dispositiv; die Vertretungsmacht kann durch Vereinbarung (Gemeinschaftsordnung) dahin erweitert werden, dass das Beschlusserfordernis entfällt2. Die Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft, Grundbesitz zu erwerben, bedarf ferner eines Beschlusses gem. § 19 Abs. 1 WEG. Dieser hat jedoch nur Bedeutung für das Innenverhältnis zwischen dem Verwalter und der Gemeinschaft; er ist dem Grundbuchamt nicht vorzulegen. Dagegen ist der Ermächtigungsbeschluss gem. § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG samt dem Beschluss über die Bestellung des Verwalters in der Form des § 29 GBO für das Grundbuchamt der Kaufurkunde beizufügen3. Die Verwalterbestellung ist vereinfacht in der Form des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG nachzuweisen4. Praxisbeispiel – Hausmeisterwohnung: In einer größeren Wohnanlage soll eine Wohnung für Hausmeisterzwecke vorgehalten werden. Es gibt zwei Gestaltungsalternativen: – Die Wohnung wird, obwohl die Voraussetzungen dafür vorliegen, nicht zum Sondereigentum ausgewiesen. Sie bleibt gemeinschaftliches Eigentum und erhält folglich auch keinen Miteigentumsanteil, der mit Sondereigentum zu verbinden wäre. Diese Wohnung steht im Eigentum aller Wohnungseigentümer gem. § 1 Abs. 5 WEG. – Die Wohnung wird zu Sondereigentum ausgewiesen; sie steht im Eigentum des teilenden Eigentümers (Bauträger). Sie wird, sobald ein Verwalter bestellt ist, an die rechtsfähige Gemeinschaft aufgelassen mit nachfolgender Grundbucheintragung. Die zweite Lösung hat den Vorteil, dass die Wohnung verkehrsfähig ist. Sollte die Zweckbestimmung als Hausmeisterwohnung später entbehrlich werden, kann das Wohnungseigentum durch die rechtsfähige Gemeinschaft problemlos an einen Dritten veräußert werden5. 1 BGH v. 18.3.2016 – V ZR 75/15, MDR 2016, 577 = NJW 2016, 2177 = ZfIR 2016, 459 = ZWE 2016, 268 = ZNotP 2016, 98: Das Beurkundungserfordernis des § 311b Abs. 1 BGB gilt für den abzuschließenden Kaufvertrag, nicht jedoch für die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer gem. § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG. Dieser Ermächtigungsbeschluss begründet die Vertretungsmacht des Verwalters. Diese ist in der Form des § 29 GBO nachzuweisen. Dies geschieht durch ein Protokoll gem. § 26 Abs. 4 WEG, wobei zusätzlich in gleicher Weise die Verwalterbestellung zu dokumentieren ist, Hügel/Elzer3, § 9b WEG Rz. 9; für Beschlussprotokoll ohne Beglaubigung gem. § 26 Abs. 4 WEG Bremkamp/Echternach, DNotZ 2021, 162 (167); s.a. Häublein, ZWE 2007, 475 ff.; Wenzel, ZWE 2006, 7. 2 Hügel/Elzer3, § 9b WEG Rz. 8; Dötsch/Schultzky/Schischack, Rz. 93; Ruge/Tyarks, Das neue Wohnungseigentumsrecht Rz. 135; a.A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rz. 250. 3 Hügel/Elzer3, § 9b WEG Rz. 9. 4 Hügel/Elzer3, § 9b WEG Rz. 13. 5 Zu den Fragen einer „Insichmitgliedschaft“ s. Häublein, ZWE 2007, 479.
Rapp 641
Kap. 4 Rz. 4.132 Wohnungs- und Teileigentum
d) Gemeinschaftsvermögen (früher Verwaltungsvermögen)
4.132 Die rechtsfähige Gemeinschaft ist Inhaberin des Verwaltungsvermögens gem. § 9a Abs. 3 WEG. § 9a Abs. 3 WEG betrifft danach das Vermögen der rechtsfähigen Gemeinschaft. Es ist zu unterscheiden von dem gemeinschaftlichen Eigentum (gebundenes Bruchteilseigentum) der Wohnungseigentümer gem. § 1 Abs. 5 WEG. § 9a Abs. 3 WEG ordnet jedoch durch die Verweisung auf § 18, § 19 Abs. 1 und § 27 WEG an, dass für die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 1 Abs. 5 WEG) und die Benutzung des Gemeinschaftsvermögens die zitierten Vorschriften entsprechend anzuwenden sind und dass dies zu den Aufgaben des Verwalters gehört (§ 27 WEG). Zum Gemeinschaftsvermögen gehört alles, was die Gemeinschaft erworben hat. Die Bestimmung des § 10 Abs. 7 Satz 1 bis 3 WEG a.F. ist zwar aufgehoben; die dortige Beschreibung des Verwaltungsvermögens ist jedoch unverändert auf das Gemeinschaftsvermögen gem. § 9a Abs. 3 WEG anzuwenden. Nach § 10 Abs. 7 Satz 4 WEG a.F. war angeordnet, dass bei Vereinigung aller Wohnungseigentumsrechte in einer Person eine partielle Gesamtrechtsnachfolge der Art eintritt, dass das Verwaltungsvermögen dem Grundstückseigentümer zufällt. Diese Regelung ist aufgehoben; die rechtsfähige WEG besteht weiter, auch wenn sie nur noch ein Mitglied hat. Die Rechtsträgerschaft bezüglich des Gemeinschaftsvermögens bleibt unverändert. Praxisbeispiel – Gemeinschaftsvermögen: Zur Abfindung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum hat ein Bauträger der Wohnungseigentümergemeinschaft drei Tiefgaragenstellplätze übereignet. Eigentümerin ist die rechtsfähige Gemeinschaft. Mit Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Aufhebung gem. § 9 Abs. 1 WEG endet auch die rechtsfähige Gemeinschaft1.
e) Die Haftungsverfassung aa) Haftung im Außenverhältnis
4.133 Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist zwar gem. § 9a Abs. 1 WEG rechtsfähig, sie ist jedoch keine juristische Person. Für die Außenhaftung diente § 128 HGB als Vorbild, jedoch wurde anstelle einer gesamtschuldnerischen Haftung lediglich eine teilschuldnerische Haftung (entsprechend dem Miteigentumsanteil gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG) angeordnet. Diese Außenhaftung ist jedoch zwingend und einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer untereinander nicht zugänglich2. Für die teilschuldnerische Außenhaftung ist es unbeachtlich, dass die Kostentragung gem. § 16 Abs. 2 WEG im Innenverhältnis abweichend von den Miteigentumsanteilen geregelt ist. 1 Vgl. Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 37, 38. 2 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 150, die Regelung entspricht dem bisherigen Recht; es kann auch nicht durch Mehrheitsbeschluss eine gesamtschuldnerische Haftung begründet werden, BGH v. 28.9.2012 – V ZR 251/11, NJW 2012, 3179 = MDR 2012, 1398 = ZMR 2013, 127 Rz. 13.
642 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.134 Kap. 4
Die Außenhaftung gem. § 9a Abs. 4 WEG schließt es nicht aus, dass Wohnungseigentümer zur Erhöhung der Kreditwürdigkeit auch im Falle einer Mehrhausanlage Verträge im eigenen Namen (auch mit gesamtschuldnerischer Haftung) abschließen und den Verwalter ausdrücklich hierzu bevollmächtigen1. Die teilschuldnerische Haftung gem. § 9a Abs. 4 WEG schließt es nicht aus, dass durch ein besonderes Gesetz eine gesamtschuldnerische Haftung aller Wohnungseigentümer vorgeschrieben wird2. Zahlt ein Wohnungseigentümer gem. § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG über den ihn treffenden Anteil hinaus, erlangt er einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Gemeinschaft gem. § 426 Abs. 1 BGB analog. Dies ist der Fall, wenn die Außenhaftung entsprechend dem Miteigentumsanteil höher ist als die ihn im Innenverhältnis treffende Zahlungslast gem. § 16 Abs. 2 WEG. bb) Haftung im Innenverhältnis Im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer ist zahlungspflichtig, vor allem bezüg- 4.133a lich des Hausgeldes, derjenige Wohnungseigentümer, der im Zeitpunkt der Fälligkeit (maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt, der im Beschluss gem. § 28 WEG festgelegt wurde) als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen ist3. Besteht beim Erwerb eines Wohnungseigentums (maßgeblicher Zeitpunkt ist die Eigentumseintragung) ein Rückstand an Hausgeldverpflichtungen (auch für Sonderumlagen) so haftet schuldrechtlich weder der Erwerber4 noch besteht für den Erwerber eine dingliche Haftung des Wohnungseigentums5. Eine persönliche (schuldrechtliche) Erwerberhaftung besteht jedoch ausnahmsweise für den Fall, dass in der Gemeinschaftsordnung eine solche festgelegt wurde. Sie ist als Warnhinweis gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG ausdrücklich in das Grundbuch einzutragen; eine Bezugnahme gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 WEG genügt nicht. Es besteht für die Eintragung eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2025, s. § 48 Abs. 3 Satz 3 WEG. f) Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit; Werdender Wohnungseigentümer Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft beginnt mit deren Ent- 4.134 stehung, also mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher, § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG. Mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht somit eine Ein-Personen-Ge1 BGH v. 28.9.2012 – V ZR 251/11, MDR 2012, 1398 = NJW 2012, 3179 = ZMR 2013, 127; v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 = DStR 2005, 1283 = ZfIR 2005, 506 = DNotZ 2005, 776; Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 153. 2 BGH v. 14.2.2014 – V ZR 100/13, MDR 2014, 397 = NJW 2014, 1093 = ZWE 2014, 165 Rz. 8. 3 BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, MDR 2018, 586 = NJW 2018, 2044 = ZfIR 2018, 408 = MittBayNot 2018, 552 Rz. 12 ff. 4 BGH v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, MDR 1994, 580 = NJW 1994, 2950 = DNotZ 1995, 42, unter III. 3. der Gründe. 5 BGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/12, BGHZ 198, 216 = MDR 2013, 1309 = NJW 2013, 3515 = ZfIR 2013, 806 = DNotZ 2014, 115 Rz. 5.
Rapp 643
Kap. 4 Rz. 4.134 Wohnungs- und Teileigentum
meinschaft1. Zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis derselben gehört auch der „werdende Wohnungseigentümer“ nach der Definition des § 8 Abs. 3 WEG2. Die Regelung des § 8 Abs. 3 WEG (Demokratisierungsinteresse der Erwerber) entspricht der bisherigen Rechtsprechung; danach ist jemand werdender Wohnungseigentümer, wenn zu seinen Gunsten ein wirksamer Erwerbsvertrag mit dem aufteilenden Eigentümer besteht, zur Sicherung seines Übereignungsanspruchs eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist und ihm der Besitz vom Bauträger übertragen wurde3. Der Status eines „werdenden Wohnungseigentümers“ hat keine Vorwegnahme der dinglichen Rechtslage zur Folge. Im Außenverhältnis gegenüber Dritten bleibt der aufteilende Eigentümer berechtigt und verpflichtet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft endet in ihrer Rechtsfähigkeit mit Aufhebung des Wohnungseigentums gem. § 9 WEG. Die Vereinigung aller Eigentumsrechte in einer Person begründet im Gegensatz zur früheren Rechtslage (§ 10 Abs. 7 Satz 4 WEG a.F.) keine Beendigung der Gemeinschaft. Das Gesetz erkennt nunmehr die Ein-Personen-Gemeinschaft an. g) Einpersonen-Eigentümergemeinschaft
4.135 Die früher umstrittene Frage, ob es eine Ein-Personen-Eigentümergemeinschaft geben kann, hat sich durch die Neufassung des § 9a Abs. 1 Satz 2 WEG erledigt. Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher, auch im Falle der einseitigen Teilung gem. § 8 WEG, entsteht, ist die Folge, dass bei jeder Begründung von Wohnungseigentum mit Grundbuchvollzug auch die rechtsfähige Gemeinschaft existiert. Bereits vor dem dinglichen Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft kann schuldrechtlich ein Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum unter Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes begründet werden4. Für die Ein-Personen-Gemeinschaft gelten keine besonderen Vorschriften. Die Versammlung der Wohnungseigentümer besteht aus dem aufteilenden Eigentümer alleine. Eine Kontrolle durch andere Wohnungseigentümer findet nicht statt, was die Missbrauchsanfälligkeit erhöht5. Die nachfolgenden Erwerber von Wohnungseigentum sind an die Rechtshandlungen des aufteilenden Eigentümers zunächst gebun-
1 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 35. 2 Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 82 f., 72. Die Regelung wurde für den Erwerb von dem nach § 8 WEG teilenden Eigentümer entwickelt. Sie kann jedoch für einen Erwerb mit Teilung nach § 3 WEG analog angewendet werden BGH v. 26.2.2021 – V ZR 33/20, NJW-RR 2021, 664; Esbjörnsson, notar 2022, 73, 77. 3 BGH v. 11.12.2015 – V ZR 80/15, MDR 2016, 264 = ZMR 2016, 299 = DNotZ 2016, 522 Rz. 10 f.; Schmidt-Räntsch, ZWE 2016, 431; s. jetzt Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 70. 4 BGH v. 5.6.2008 – V ZB 85/07, BGHZ 177, 53 = MDR 2008, 1088 = NJW 2008, 2639 = ZWE 2008, 378 = ZfIR 2008, 866 = DNotZ 2008, 930 Rz. 15. 5 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 45.
644 Rapp
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Rz. 4.163 Kap. 4
den. Sie können jedoch, den allgemeinen Regeln folgend, frühere Beschlüsse des alleinigen Wohnungseigentümers aufheben oder abändern. Einstweilen frei.
4.136–4.160
V. Veräußerung von Wohnungseigentum 1. Bezeichnung des Vertragsgegenstandes Durch die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung wird der Vertragsgegen- 4.161 stand in seiner tatsächlichen Lage und Dimension sowie in seiner rechtlichen Ausgestaltung beschrieben. Steht der Grundbuchvollzug der Teilungserklärung noch aus, so kann gleichwohl mit dem Weiterverkauf von Einheiten begonnen werden (s. Rz. 4.135). Die Situation ist derjenigen vergleichbar, dass bei einem Grundstück eine Teilfläche herausgemessen worden ist, die durch die Katasterbehörde eine neue Flurnummer erhalten hat, dies aber noch nicht im Grundbuch gewahrt ist. Bei nichtvollzogener Teilungserklärung ist auf diese gem. § 13a BeurkG zu verweisen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung beurkundet ist gem. §§ 8 ff. BeurkG. Nur in diesem Falle (nicht jedoch bei einer Unterschriftsbeglaubigung) kann auf eine andere Urkunde verwiesen werden. Ist die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung bereits grundbuchamtlich 4.162 vollzogen, so ist eine Verweisung auf diese Urkunde nicht mehr erforderlich, da bereits ein sachenrechtlich wirksames Rechtsverhältnis entstanden ist1. Ist eine Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zwar beurkundet, aber noch 4.163 nicht im Grundbuch vollzogen, so kann der Eigentümer diese – sachenrechtlich gesehen – ohne Zustimmung Dritter beliebig ändern. Dies gilt auch, falls bereits beurkundete Kaufverträge über Einheiten vorliegen, diese aber noch nicht im Grundbuch zur Eintragung einer Vormerkung vorliegen. Hier ist zwar der Verkäufer schuldrechtlich gebunden und verhält sich u.U. vertragswidrig; die §§ 877, 876 BGB sind jedoch mangels Vormerkungseintragung nicht anwendbar. Ist Wohnungseigentum veräußert und zugunsten eines Erwerbers bereits eine Vormerkung eingetragen, so ist eine Änderung der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung gegenüber dem Vormerkungsberechtigten nur wirksam, wenn dieser gem. den §§ 877, 876 BGB zugestimmt hat2. Die Vormerkung sichert dem Erwerber den Erwerb des Wohnungseigentums mit dem Gegenstand und dem Inhalt, wie es im Grundbuch eingetragen ist. Soll hier eine Änderung eintreten, ist die Zustimmung des Vormerkungsberechtigten notwendig.
1 BGH v. 4.3.1994 – V ZR 241/92, MDR 1994, 579 = NJW 1994, 1348 = ZMR 1994, 270 = DNotZ 1994, 476; v. 20.12.1974 – V ZR 132/73, BGHZ 63, 364. 2 BGH v. 19.9.2019 V ZB 118/18, NJW 2020, 610 Rz. 12; v. 14.6.1984 – V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 = MDR 1984, 830 = NJW 1984, 2409 – hat für Sondernutzungsrechte gem. § 5 Abs. 4 Satz 2, 3 WEG nach wie vor Gültigkeit; BayObLG v. 15.10.1998 – 2 ZBR 42/98, DNotZ 1999, 667; KG v. 4.12.2006 – 24 W 201/05, ZWE 2007, 237 (238) = ZMR 2007, 384 = RNotZ 2007, 151; Schneider in Harz/Riecke/Schmid7, § 7 WEG Rz. 210.
Rapp 645
Kap. 4 Rz. 4.164 Wohnungs- und Teileigentum
4.164 In der Vertragspraxis, vor allem mit Bauträgern, hat es sich deshalb eingebürgert, dass der Käufer im Kaufvertrag dem Verkäufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Vollmacht erteilt, die Zustimmung zur Abänderung der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung zu erklären1. Mit Änderung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung muss auch ein Kaufvertrag, der über einzelne Einheiten bereits abgeschlossen wurde, geändert werden. Die sachenrechtliche Änderung des Wohnungseigentums führt dazu, dass sich der Leistungsgegenstand zwischen dem auf der früheren Grundbuchlage basierenden Kaufvertrag und der neuen Grundbuchlage ändert. Hierin liegen sowohl Probleme der sachenrechtlichen Bestimmtheit einer Änderungsvollmacht und der AGB-rechtlichen Grenzen der §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 2 BGB. Ein Änderungsvorbehalt samt Änderungsvollmacht könnte folgenden Wortlaut haben:
4.165 M60 Bauträgervertrag – Änderungsvorbehalt, Änderungsvollmacht Formulierungsbeispiel: 1. Der Käufer räumt dem Verkäufer unter Beachtung von § 308 Nr. 4 BGB das Recht ein, die hier vereinbarte vertragliche Leistung zu ändern, wenn hierfür auf Seiten des Verkäufers ein triftiger Grund gegeben ist2. Ein solcher liegt insbesondere vor, wenn Änderungen planerischer, bautechnischer oder rechtlicher Art durch das Nachfrageverhalten eines Kaufinteressenten veranlasst sind oder öffentlich-rechtliche Anforderungen der Baubehörde oder bautechnische Notwendigkeiten eine solche Änderung veranlassen. 2. Die Änderungen dürfen keine erhebliche Wertminderung des Vertragsgegenstandes zur Folge haben. Änderungen bezüglich des Sondereigentums und dazugehöriger Sondernutzungsrechte sind ausgeschlossen. Der Miteigentumsanteil darf nur geringfügig (maximal +/– 3 %) verändert werden. Eine Aufhebung, erhebliche Verkleinerung oder Verlegung von Verkehrsflächen und solcher Bereiche, bei denen dem Käufer ein zweckbestimmtes Mitgebrauchsrecht zusteht, sind ausgeschlossen. Es darf keine Kostenmehrbelastung von über 5 % gegenüber dem früheren Zustand eintreten und das Stimmgewicht darf nicht über diese Größe hinaus vermindert werden. Schließlich darf die Eigenart der Anlage nicht verändert werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise darf eine erhebliche Wertminderung des Vertragsgegenstandes nicht bewirkt werden3. 3. Der Käufer erteilt dem Verkäufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die unwiderrufliche und über den Tod des Vollmachtgebers hinaus bestehende Vollmacht, Änderungen der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung vorzunehmen und dies zum Grundbuchvollzug zu bringen. Die Vollmacht erlischt, sobald der 1 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 118/18, NJW 2020, 610 Rz. 27. 2 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, MDR 2020, 251 = NJW 2020, 610 = ZfIR 2020, 196 = DNotZ 2020, 604 = ZWE 2020, 130 Rz. 29 bis 35; v. 23.6.2005 – VII ZR 200/04, NJW 2005, 3420 Abschn. II.2.b) bb). 3 Siehe hierzu auch Kilian, notar 2011, 89; Beck’sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht/H. Müller/Kreuzer4, B.II. Anm. 1.
646 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.168 Kap. 4
Verkäufer nicht mehr Eigentümer einer Einheit in der Wohnanlage ist. Die Vollmacht kann nur vor dem amtierenden Notar, seinem amtlich bestellten Vertreter oder Amtsnachfolger ausgeübt werden. Diese haben die Vollmachtsbeschränkungen im Innenverhältnis zu beachten und in Zweifelsfällen dem Vollmachtgeber (Käufer) rechtliches Gehör zu gewähren. Widerspricht der Käufer dem Grundbuchvollzug (auch bei Widerruf der Änderungsvollmacht), so hat der Notar in einem rechtsmittelfähigen Vorbescheid den Vollzug der Urkunde anzukündigen1. Werden Änderungen durchgeführt, so kann hieraus weder ein einzelner Eigentümer noch die Eigentümergemeinschaft Rechte oder Ansprüche aus dem Kaufvertrag gegenüber dem Verkäufer herleiten. 4. Die Vollmacht ist im Außenverhältnis, insbesondere gegenüber dem Grundbuchamt, unbeschränkt2. Die vorstehenden Einschränkungen gelten nur im Verhältnis der Vertragsteile zueinander und sind für das Grundbuchamt unbeachtlich. 5. Bedürfen die Änderungen einer Baugenehmigung, so wird ein Kaufpreis erst fällig, wenn diese erteilt und vom Verkäufer dem Käufer nachgewiesen wurde. Im baurechtlichen Freistellungsverfahren ist nachzuweisen, dass mit dem Bau gemäß der geänderten Planung begonnen werden darf.
Eine instruktive Gesamtdarstellung der Problematik unter dem Gesichtspunkt der 4.166 notariellen Praxis findet sich bei Schüller, RNotZ 2011, 203 und DNotI-Gutachten vom 24.8.2012, Abruf-Nr. 114351. In allen Fällen, in denen Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung grundbuch- 4.167 amtlich noch nicht vollzogen sind, können gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MaBV Kaufpreise nicht fällig gestellt werden. Im Anwendungsbereich der MaBV ist nämlich Fälligkeitsvoraussetzung, dass die Vormerkung am gebildeten, vertragsgegenständlichen Wohnungseigentum eingetragen ist. Fälligkeiten aufgrund von Notarbestätigungen sind ausgeschlossen. 2. Gewährleistung bezüglich des Gemeinschaftseigentums Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH richten sich die Gewährleistungsan- 4.168 sprüche des Erwerbers von neu herzustellendem Wohnungseigentum sowohl bezüglich des Sondereigentums als auch bezüglich des Gemeinschaftseigentums nach Werkvertragsrecht3. Dies gilt in allen Fällen, auch bei Altbauobjekten, wenn den
1 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, MDR 2020, 251 = NJW 2020, 610 = ZfIR 2020, 196 = DNotZ 2020, 604 = ZWE 2020, 130 Leitsatz 4. 2 BGH v. 19.9.2019 – V ZB 119/18, MDR 2020, 251 = NJW 2020, 610 = ZfIR 2020, 196 = DNotZ 2020, 604 = ZWE 2020, 130 Rz. 28. 3 BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = ZfIR 2016, 570 = ZWE 2016, 318 = DNotZ 2016, 856 Rz. 25; v. 10.10.1985 – VII ZR 325/84, BGHZ 96, 129 = MDR 1986, 224 = NJW 1986, 315 = DB 1986, 428 = ZMR 1986, 49; v. 26.4.2007 – VII ZR 210/05, NJW 2007, 3276 = MDR 2007, 1012 = ZfIR 2007, 540 Rz. 19.
Rapp 647
Kap. 4 Rz. 4.168 Wohnungs- und Teileigentum
„Verkäufer“ eine Herstellungs- oder Sanierungsverpflichtung trifft1. Dies gilt auch dann, wenn das neue Bauwerk bereits fertiggestellt ist2; wird der Erwerbsvertrag jedoch mehr als drei Jahre nach der Errichtung geschlossen, wendet der BGH Kaufrecht an, so dass sich der Nacherfüllungsanspruch dann aus § 437 Nr. 1, § 439 BGB ergibt3. a) Werkvertragsansprüche in Ansehung des Gemeinschaftseigentums
4.169 Die werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche setzen zunächst die Abnahme des bestellten Werkes durch den Besteller voraus, § 640 Abs. 1 BGB. Das Sondereigentum nimmt – selbstverständlich – jeder Erwerber individuell ab. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt nach der h.M. ebenfalls durch jeden Erwerber individuell4. Mängelrechte nach § 634 BGB können grds. erst nach Abnahme des Werkes mit Erfolg geltend gemacht werden; zur Verjährung des Herstellungsanspruchs sollte vereinbart werden, dass diese erst mit Abnahme beginnt5. 4.170 An dieser Rechtslage hat sich durch § 9a Abs. 2 WEG (gültig seit 1.12.2020) nichts geändert. Die Abnahme der Werkleistung ist ein Recht und eine Pflicht des Erwerbers aus seinem individuellen Erwerbsvertrag. Das Recht ergibt sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum i.S.v. § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG. Auch die Alt. 2 ist nicht einschlägig, da die Abnahme nicht eine einheitliche Rechtsverfolgung „erfordert“6. Sie kann auch gesondert durch jeden Erwerber einzeln erfolgen. 4.171 M61 Abnahme, Gemeinschaftseigentum Formulierungsbeispiel: Abnahme des Gemeinschaftseigentums (in den Kaufvertrag aufzunehmen) 1. Das gemeinschaftliche Eigentum wird nach Baufertigstellung von den Erwerbern individuell abgenommen. Die Feststellung der technischen Voraussetzungen für die Abnahmeerklärung wird vom Verwalter, falls dieser von der Wohnungseigentümerversammlung bestellt wurde, getroffen, der hierzu einen einschlägig qualifizierten Sach-
1 BGH v. 6.10.2006 – V ZR 20/06, NJW 2007, 509 = ZfIR 2007, 583 = MittBayNot 2007, 211; v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03, NJW 2005, 1115 = MDR 2005, 622 = DNotZ 2005, 464. 2 BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = ZfIR 2016, 570 = ZWE 2016, 318 = DNotZ 2016, 856 Rz. 21. 3 BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 = ZfIR 2016, 419 = DNotZ 2016, 525 Rz. 25; für Kaufrecht in jedem Falle der Fertigstellung Brambring, DNotZ 2001, 906. 4 BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = ZfIR 2016, 570 = ZWE 2016, 318 = DNotZ 2016, 856 Rz. 45. 5 BGH v. 19.1.2017 – VII ZR 301/13, BGHZ 213, 349 = MDR 2017, 328 = NJW 2017, 1604 = ZfIR 2017, 276; v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = ZfIR 2016, 570 = ZWE 2016, 318 = DNotZ 2016, 856 Rz. 33 f.; Krick, MittBayNot 2014, 401; Popescu, ZWE 2014, 109; Suilmann, ZWE 2013, 305; Ott, ZWE 2013, 253; Basty, Bauträgervertrag10, Rz. 1008 ff.; OLG Karlsruhe v. 27.9.2011 – 8 U 106/10, NJW 2012, 237; Esbjörnsson, notar 2022, 73 (76). 6 Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 136.
648 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.174 Kap. 4
verständigen zuzuziehen hat. Die Wohnungseigentümerversammlung kann jedoch beschließen, dass anstelle des Verwalters Wohnungseigentümer rechtsgeschäftlich beauftragt und bevollmächtigt werden; so ist zu verfahren, falls der Verwalter nicht von der Wohnungseigentümerversammlung bestellt wurde. 2. Der Verwalter bzw. die beauftragten Wohnungseigentümer haben nach Feststellung der technischen Voraussetzungen der Abnahme den Wohnungseigentümern hierüber zu berichten und eine Empfehlung darüber abzugeben, ob die Abnahme erklärt oder verweigert werden soll. Der Verkäufer wird dem Käufer eine Frist von einem Monat setzen, die Abnahme zu erklären, falls eine Verpflichtung hierzu gem. § 640 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB besteht. Erklärt der Käufer die Abnahme nicht, obwohl er hierzu verpflichtet ist, so gilt das gemeinschaftliche Eigentum als abgenommen, § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB. 3. Die erklärte Abnahme wirkt für und gegen den Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers. 4. Derjenige Wohnungseigentümer, dem gegenüber die Abnahme zu erklären ist (Bauträger), ist in allen Angelegenheiten, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums betreffen, von der Ausübung des Stimmrechtes ausgeschlossen.
Einstweilen frei.
4.172–4.173
b) Legitimation zur Geltendmachung der verschiedenen Gewährleistungsansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums Den Käufern steht zunächst aufgrund ihrer individuellen Kaufverträge das Recht 4.174 der Gewährleistung nach den Werkvertragsvorschriften des BGB sowohl für das Sondereigentum als auch für das Gemeinschaftseigentum zu. Daneben besteht die Pflichtaufgabe der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft zur ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierzu gehört insbesondere die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG). Das WEModG hat an dieser dualen Struktur der Gewährleistung bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nichts geändert1. Die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft hat hierauf keinen Einfluss2. Nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist die Wohnungseigentümergemeinschaft zur ordnungsmäßigen Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verpflichtet, was auch die Beseitigung von anfänglichen Baumängeln einschließt3. 1 BT-Drucks. 19/18791, 47; Hügel/Elzer3, § 9a WEG Rz. 124. 2 BGH v. 20.7.2018 – V ZR 56/17, MDR 2018, 1366 = NJW-RR 2018, 1165 = ZfIR 2018, 695 = DNotZ 2018, 831 Rz. 11; v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, MDR 2007, 1006 = NJW 2007, 1952 = DNotZ 2007, 939 Rz. 14; v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1 = MDR 2007, 207 = NJW 2006, 3275 = ZfIR 2006, 752 = DNotZ 2007, 22; Bärmann/Suilmann14, § 10 WEG Anhang Rz. 9. 3 BGH v. 14.11.2014 – V ZR 118/13, MDR 2015, 452 = NJW 2015, 2027 = ZMR 2015, 320 Rz. 20; v. 27.7.2006 – VII ZR 276/05, BGHZ 169, 1 = MDR 2007, 207 = NJW 2006, 3275 = ZfIR 2006, 752 = DNotZ 2007, 22 Rz. 21; Wenzel, NJW 2007, 1905.
Rapp 649
Kap. 4 Rz. 4.175 Wohnungs- und Teileigentum
4.175 Der Wohnungseigentumskäufer hat also einerseits den Anspruch aus der werkvertraglichen Komponente seines Kaufvertrages, andererseits den Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung gegenüber der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. 4.176 Die primären Gewährleistungsansprüche (Nacherfüllung, Ersatzvornahme, Kostenvorschuss für Ersatzvornahme) können dabei von jedem Erwerber allein geltend gemacht werden; eine zwingende und alleinige Zuständigkeit der Gemeinschaft gibt es hier nicht. Eine ausschließliche Ausübungsbefugnis gem. § 9a Abs. 2 WEG besteht lediglich bezüglich der sekundären Gewährleistungsansprüche der Minderung bzw. des kleinen Schadenersatzes (gemeinschaftsbezogene Rechte). Hier erfordert der Schutz des Verkäufers vor einer doppelten Inanspruchnahme eine abschließende Entscheidung durch die Gemeinschaft. Es muss ausgeschlossen werden, dass ein Käufer, wenn auch nur für seine Einheit, Minderung durchsetzt und anschließend ein anderer Käufer Nacherfüllung verlangt, was wegen des gezahlten Minderungsbetrages zu einer ungerechtfertigten Mehrbelastung des Verkäufers führt1. 4.177 Von den sekundären Gewährleistungsansprüchen bleiben das Rücktrittsrecht und das Recht auf großen Schadenersatz in der alleinigen Disposition des Erwerbers. Ihre Ausübung bewirkt die Rückgängigmachung des Erwerbsvertrages, wodurch der Bauträger wieder an die Stelle des Erwerbers tritt. Die Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme des Bauträgers besteht nicht2. 4.178 Neben der zwingenden Ausübungsbefugnis begründet § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG die Zuständigkeit der rechtsfähigen Gemeinschaft jedoch auch für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Über diese Frage hat die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss zu fassen. Es entspricht zwischenzeitlich einer gesicherten Rechtsprechung, dass die rechtsfähige Gemeinschaft auf dieser Rechtsgrundlage auch die Geltendmachung der Nacherfüllung an sich ziehen kann, was ein einzelnes Vorgehen durch einen einzelnen Erwerber ausschließt3. Der Erwerber kann aber weiterhin den Rücktritt oder den Anspruch auf großen Schadenersatz selbständig geltend machen4. 1 Grundlegend BGH v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, MDR 2007, 1006 = NJW 2007, 1952 = DNotZ 2007, 939 Rz. 18, 19. 2 BGH v. 6.3.2014 – VII ZR 266/13, MDR 2014, 519 = NJW 2014, 1377 = ZfIR 2014, 437 = DNotZ 2014, 619 Rz. 32; v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, MDR 2010, 1247 = NJW 2010, 3089 = ZfIR 2010, 802 Rz. 22. 3 BGH v. 15.1.2010 – V ZR 80/09, MDR 2010, 433 = NJW 2010, 933 Rz. 9 = ZfIR 2010, 243; v. 12.4.2007 – VII ZR 236/05, MDR 2007, 1006 = NJW 2007, 1952 = DNotZ 2007, 939 Rz. 20. 4 BGH v. 6.3.2014 – VII ZR 266/13, MDR 2014, 519 = NJW 2014, 1377 = ZfIR 2014, 437 = DNotZ 2014, 619 Rz. 32; v. 7.2.2014 – V ZR 25/13, MDR 2014, 453 = NJW 2014, 1090 = ZfIR 2014, 382 Rz. 6, 17; v. 19.8.2010 – VII ZR 113/09, MDR 2010, 1247 = NJW 2010, 3089 = ZfIR 2010, 802 Rz. 22 ff.; v. 24.7.2015 – V ZR 167/14, MDR 2015, 1055 = NJW 2015, 2874 = ZfIR 2015, 801 = DNotZ 2015, 828 Rz. 9; v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, BGHZ 210, 206 = MDR 2016, 762 = NJW 2016, 2878 = ZfIR 2016, 570 = ZWE 2016, 318 = DNotZ 2016, 856 Rz. 34; Wenzel, ZWE 2007, 114; Grüneberg/Wicke81, § 9a WEG Rz. 11.
650 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.182 Kap. 4
Für die Praxis des Notars haben die vorstehenden Ausführungen Bedeutung für die 4.179 Fälle der Veräußerung von Wohnungseigentum. M62 Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Bindung Rechtsnachfolger
4.180
Formulierungshinweis: Der Notar hat darauf hingewiesen, dass bezüglich Baumängeln am Gemeinschaftseigentum von der Versammlung der Wohnungseigentümer Beschlüsse gefasst werden können, die die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch den Käufer einschränken oder ausschließen, da der Erwerber an solche Beschlüsse gebunden ist.
Empfehlenswert ist es auch, in der Gemeinschaftsordnung eine Regelung darüber 4.181 aufzunehmen, wer zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Umfange berechtigt ist, Gewährleistungsansprüche bezüglich Baumängeln am Gemeinschaftseigentum geltend zu machen. M63 Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Wahrnehmung durch WE-Gemeinschaft Formulierungsvorschlag (für Gemeinschaftsordnung): 1. Jeder Wohnungseigentümer ist berechtigt, seine sich aus dem Erwerbsvertrag ergebenden Ansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums auf Nacherfüllung einschließlich des Anspruchs auf Ersatzvornahme und auf Kostenvorschuss hierfür alleine und ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer in der Weise geltend zu machen, dass er Leistung an alle Wohnungseigentümer verlangt. Die Ansprüche auf Schadenersatz statt der gesamten Leistung (großer Schadenersatzanspruch) und das Recht auf Rücktritt können ebenfalls von jedem Wohnungseigentümer alleine geltend gemacht bzw. ausgeübt werden. Die Gemeinschaft kann jedoch beschließen, dass Ansprüche auf Erfüllung bzw. Nacherfüllung bezüglich der ordnungsmäßigen Herstellung des Gemeinschaftseigentums gemeinschaftlich durchzusetzen sind. Der Anspruch auf Minderung oder auf Schadenersatz statt der Leistung (kleiner Schadenersatzanspruch) kann nur geltend gemacht werden, wenn vorher ein entsprechender Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit gefasst worden ist. Der aufteilende Grundstückseigentümer (Bauträger) hat hierbei kein Stimmrecht. Mit entsprechenden Beschlussfassungen der Wohnungseigentümergemeinschaft und Zugang des Beschlusses bei dem Verkäufer können Ansprüche auf Nacherfüllung nicht mehr neu geltend gemacht werden. 2. Stehen die in Abs. 1 bezeichneten Ansprüche bzw. Rechte vertraglich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (§ 9a Abs. 3, 18 Abs. 1 WEG), so ist gleichwohl jeder einzelne Wohnungseigentümer ermächtigt, den Anspruch auf Nacherfüllung, auf Ersatzvornahme sowie auf Kostenvorschuss hierfür alleine im eigenen Namen mit der Maßgabe geltend zu machen, dass die Leistung an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erfolgen hat.
Rapp 651
4.182
Kap. 4 Rz. 4.183 Wohnungs- und Teileigentum
3. Verwalterzustimmung
4.183 Ist gem. § 12 Abs. 1 WEG für die Veräußerung des Wohnungseigentums die Zustimmung des Verwalters erforderlich, dann ist das Rechtsgeschäft sowohl im schuldrechtlichen als auch im dinglichen Teil schwebend unwirksam, solange die Verwalterzustimmung noch nicht erteilt ist1. Eine erforderliche Verwalterzustimmung muss im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes ausdrücklich vermerkt werden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 WEG). Die Eintragungspflicht war bisher in § 3 Abs. 2 WGV enthalten, was jedoch nur als Ordnungsvorschrift beurteilt wurde. Die vereinbarte Veräußerungszustimmung als Inhalt des Sondereigentums wurde durch die mögliche Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung für die Eintragung als ausreichend angesehen. Ist nach neuer Rechtslage die Eintragung entgegen § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG unterblieben, so ist die Veräußerungsbeschränkung gegenüber einem gutgläubigen Sonderrechtsnachfolger unwirksam. Ist nach früherer (allerdings fehlerhafter) Praxis die ausdrückliche Eintragung unterblieben, so ist die Veräußerungsbeschränkung nicht wirksam entstanden2. Eine erteilte Verwalterzustimmung bleibt auch wirksam, wenn die Verwalterbestellung, gleich aus welchen Gründen, vor Stellung des Antrages auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt endet3.
4.184 Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Zugrundelegung der jetzigen Rechtslage bei jeder Wohnanlage, bei der im Bestandsverzeichnis die Veräußerungszustimmung nicht vermerkt ist, eine Nachprüfung in den Grundakten entbehrlich ist. Die unterlassene Eintragung (gleichgültig ob die Wohnungseigentümergemeinschaft vor oder nach dem WEModG – 1.12.2020 – begründet wurde) ermöglicht einen gutgläubigen Erwerb, auch mit der Konsequenz, dass eine Weiterveräußerung zustimmungsfrei ist4. Für Veräußerungsbeschränkungen, die gem. § 12 Abs. 1 WEG vereinbart (begründet) wurden, besteht nach § 48 Abs. 2 Satz 3 WEG eine Übergangsregelung nur insoweit, als sie auch nach dem 1.12.2020 erleichtert im Grundbuch eingetragen werden können. 4.185 Bedenklich ist es, wenn ein Verwalter, dessen Zustimmung zur Veräußerung einer Wohnung erforderlich ist, den Wohnungseigentümern seine Dienste als Immobilienmakler beim Verkauf anbietet, da hier ein Interessenkonflikt zwischen der Verwalterstellung und der Maklertätigkeit besteht5. Es wird in diesem Falle angenom-
1 BGH v. 6.12.2018 – V ZB 134/17, MDR 2019, 731 = ZfIR 2019, 410 = ZWE 2019, 313 = DNotZ 2019, 844 Rz. 17; v. 20.7.2012 – V ZR 241/11, MDR 2012, 1151 = NJW 2012, 3232 = ZWE 2012, 499 Rz. 14; v. 8.7.1960 – V ZB 8/59, BGHZ 33, 76. 2 Hügel/Elzer3, § 12 WEG Rz. 10. 3 BGH v. 11.10.2012 – V ZB 2/12, MDR 2013, 22 = NJW 2013, 299 = ZfIR 2013, 25 = DNotZ 2013, 362 Rz. 7 ff.; OLG München v. 15.6.2020 – 34 Wx 131/20, DNotZ 2021, 341, unter II. 2. D der Gründe, zu § 5 ErbbauRG. 4 MünchKomm/Krafka, § 48 WEG Rz. 8; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 172. 5 BayObLG v. 12.5.1997 – RE-Miet 1/96, MDR 1997, 726 = NJW-RR 1997, 1371 = ZMR 1997, 405.
652 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.187 Kap. 4
men, dass zwar die Verwalterzustimmung gem. § 12 WEG wirksam ist1, wegen des institutionalisierten Konflikts mit den Interessen des Käufers der Verwalter jedoch nicht dessen Makler sein kann mit der Folge, dass ein Anspruch auf Maklerlohn nicht besteht2. § 181 BGB ist entsprechend anzuwenden, wenn der Verwalter selbst als Veräußerer oder Erwerber an dem zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäft beteiligt ist3. Diese Rechtsprechung bestreitet zwar nicht den Interessenkonflikt, in dem der Verwalter bei dieser Konstellation steht. § 181 BGB sei jedoch nicht anwendbar, weil die Verwalterzustimmung ein einseitiges Rechtsgeschäft sei, das der Verwalter nicht „mit sich selbst“, sondern gegenüber dem anderen Vertragsteil vornehme. 4. Anspruch auf Veräußerungszustimmung, Unwiderruflichkeit Der Anspruch auf Veräußerungszustimmung ist gem. § 12 Abs. 2 WEG unabding- 4.186 bar. Sie darf nur aus wichtigem Grund versagt werden. Ein solcher liegt nur vor, wenn die Veräußerung eine gemeinschaftswidrige Gefahr für andere Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft herbeiführt. Die Verwalterzustimmung ist ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. 4.187 Sie kann sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber abgegeben werden, § 182 BGB. Die Verwalterzustimmung ist sowohl zum schuldrechtlichen als auch zum dinglichen Teil des Rechtsgeschäftes erforderlich. Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung kommt ein Widerruf der Verwalterzustimmung gem. § 183 BGB nicht in Betracht4. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt der unterzeichnende Verwalter diese Funktion noch inne hat oder nicht. Seine Erklärungen werden deshalb nicht dadurch unwirksam, dass seine Bestellung vor dem Antrag auf Eigentumsumschreibung erlischt oder aufgehoben wird5.
1 Gutachten v. 30.4.2008, DNotI-Rep 2008, 57; a.A. Schneider in Harz/Riecke/Schmid7, § 12 WEG Rz. 83. 2 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 226/89, BGHZ 112, 240 = MDR 1991, 132 = NJW 1991, 168 = DB 1990, 2518 = MittBayNot 1991, 20. 3 Bärmann/Suilmann14, § 12 WEG Rz. 27; Hügel/Elzer3, § 12 WEG Rz. 41; a.A. – Unanwendbarkeit des § 181 BGB – OLG Düsseldorf v. 15.11.2019 – 3 Wx 217/19, NJW-RR 2020, 263 = ZMR 2020, 431 = ZWE 2020, 75 = MittBayNot 2020, 332 Rz. 9 f.; KG v. 3.2.2004 – 1 W 244/03, MDR 2004, 740 = NJW-RR 2004, 1161 = DNotZ 2004, 391. 4 BGH v. 6.12.2018 – V ZB 134/17, MDR 2019, 731 = ZfIR 2019, 410 = ZWE 2019, 313 = DNotZ 2019, 844 Rz. 16 ff. 5 BGH v. 11.10.2012 – V ZB 2/12, MDR 2013, 22 = NJW 2013, 299 = ZfIR 2013, 25 = DNotZ 2013, 362 Rz. 12 ff.; KG v. 28.2.2012 – 1 W 41/12, MDR 2012, 575 = NJW-RR 2012, 1158 = ZWE 2012, 227 = ZMR 2012, 653 = DNotZ 2012, 773.
Rapp 653
Kap. 4 Rz. 4.188 Wohnungs- und Teileigentum
5. Eintritt in die Rechtsverhältnisse der Gemeinschaft; eintragungspflichtige Beschlüsse
4.188 Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung wirken nach § 10 Abs. 3 Satz 2 WEG auch gegen Sonderrechtsnachfolger. Sie sind nicht eintragungsbedürftig (im Gegensatz zu Vereinbarungen) und deshalb auch nicht eintragungsfähig. Eine Ausnahme besteht gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG nur für Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung (Öffnungsklausel) gefasst werden und die die Gemeinschaftsordnung ändern. Sie wirken gegenüber Sonderrechtsnachfolgern eines Wohnungseigentümers nur dann, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind (§ 5 Abs. 4 Satz 1 WEG). Die Eintragung solcher Beschlüsse ist durch § 7 Abs. 2 Satz 1 WEG dadurch erleichtert, dass das Versammlungsprotokoll mit beglaubigten Unterschriften der in § 24 Abs. 6 bezeichneten Personen genügt. Eintragungspflichtig sind jedoch nur vereinbarungsändernde Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung (Öffnungsklausel) gefasst werden. Gesetzesändernde Beschlüsse, die auf einer gesetzlichen Öffnungsklausel (z.B. § 16 Abs. 2 Satz 2; § 21 Abs. 5; § 23 Abs. 3 Satz 2, § 27 Abs. 2; § 28 Abs. 3) basieren, können nicht eingetragen werden. Bei gesetzlichen Öffnungsklauseln ist die Abweichung vom gesetzlichen Normalfall oder von einer bestehenden Vereinbarung bereits im Gesetz angelegt. Der Wohnungseigentümer muss deshalb damit rechnen, dass die Rechtslage aufgrund eines entsprechenden Beschlusses geändert worden ist. Ein Beschluss ist auch nicht einzutragen, wenn er auf einer vertraglichen Öffnungsklausel beruht, die eine spezifizierte Abweichung ermöglicht. Besteht dagegen eine solche Ermächtigungsklausel nicht, besteht Eintragungspflicht. Beispiel: Nach § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG beträgt die Frist für die Einberufung einer Eigentümerversammlung, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, mindestens drei Wochen. Besteht eine allgemeine Öffnungsklausel zur Abweichung von dispositiven Gesetzesvorschriften, so kann ein Beschluss des Inhalts gefasst werden, dass die Einladungsfrist vier Wochen beträgt1. Ein solcher Beschluss ist eintragungspflichtig. Gegenbeispiel: Für das Teileigentum Nr. 1 ist vereinbart, dass es als Gaststätte genutzt wird. Weiter ist vereinbart, dass nach entsprechendem Beschluss der Eigentümer das Teileigentum auch für ein Einzelhandelsgeschäft genutzt werden kann. Ein solcher Beschluss ist nicht eintragungsfähig. a) Unanfechtbar gewordene Beschlüsse der Gemeinschaft
4.189 Die Geltung von Beschlüssen gegenüber Rechtsnachfolgern hängt nicht davon ab, dass dieser sie kennt. Es kommt auch nicht darauf an, ob sie in die Beschluss-Sammlung eingetragen wurden.
1 Hügel/Elzer3, § 5 WEG Rz. 61 bis 64; § 7 WEG Rz. 67 ff.; § 10 WEG Rz. 177.
654 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.193 Kap. 4
4.190
M64 Versammlung der Wohnungseigentümer, Protokoll Formulierungsbeispiel: Der Verwalter ist verpflichtet, über die Beschlüsse der Versammlung der Wohnungseigentümer eine Niederschrift gem. § 24 Abs. 6 WEG anzufertigen. Er hat diese Niederschrift jedem Wohnungseigentümer an die ihm zuletzt bekannt gegebene Adresse bis spätestens zwei Wochen nach dem Versammlungstermin zuzusenden und über die Absendung in seinen Akten einen Vermerk anzufertigen.
Der Notar hat gem. § 17 BeurkG die Beteiligten darüber zu belehren, dass der Erwer- 4.191 ber kraft Gesetzes in getroffene und unanfechtbare Beschlüsse eintritt. Der oft zu findende Hinweis, dass der Erwerber rechtsgeschäftlich in Beschlüsse und in Entscheidungen gem. § 44 Abs. 1, Abs. 3 WEG eintritt, ist entbehrlich; es handelt sich hier um eine gesetzliche Folge. Der Eintritt in die Beschlüsse bezieht sich nicht nur auf Verwaltungsregelungen und 4.192 laufende Zahlungen, sondern auch auf einmalige Umlagen (Sonderumlagen). Die Haftung des Erwerbers für solche Sonderumlagen besteht jedenfalls dann, wenn in der Gemeinschaftsordnung eine dementsprechende Haftung ausdrücklich festgelegt ist (§ 7 Abs. 3 Satz 2 WEG) oder wenn zwar der Beitrags- oder Umlagebeschluss während der Eigentumszeit des Veräußerers gefasst, aber die Zahlungspflicht erst nach Eigentumserwerb des Erwerbers fällig wird1. b) Abrechnung der Bewirtschaftungskosten Der im Grundbuch eingetragene Wohnungseigentümer hat die Lasten und Kosten 4.193 nach § 16 Abs. 2 WEG auch dann zu tragen, wenn er das Wohnungseigentum veräußert hat, Besitzübergang erfolgt ist und für den Erwerber eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist2. Bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers kommt es deshalb für die Lastentragungsverpflichtung ausschließlich auf die dingliche Grundbuchlage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung gem. § 28 Abs. 2 WEG an3. Der Erwerber haftet der Gemeinschaft solange nicht, wie er nicht als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Eine Ausnahme gilt gem. § 8 Abs. 3 WEG für den werdenden Wohnungseigentümer (Erwerb vom aufteilenden Eigentü1 BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, MDR 2018, 586 = NJW 2018, 2044 = ZfIR 2018, 408 = MittBayNot 2018, 552 Rz. 12 ff.; v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290 = MDR 2000, 21 = ZfIR 1999, 914 = DNotZ 2000, 198; v. 21.4.1988 – V ZB 10/87, BGHZ 104, 197 = MDR 1988, 765 = NJW 1988, 1910 = DB 1988, 2355 = DNotZ 1989, 148; Bärmann/Suilmann14, § 10 WEG Rz. 192; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 186 f. 2 BGH v. 23.9.1999 – V ZB 17/99, BGHZ 142, 290 = MDR 2000, 21 = ZfIR 1999, 914 = DNotZ 2000, 198; v. 2.12.2011 – V ZR 113/11, ZWE 2012, 90. 3 BGH v. 24.2.1994 – V ZB 43/93, MDR 1994, 580 = NJW 1994, 2950 = DNotZ 1995, 42; v. 18.5.1989 – V ZB 14/88, BGHZ 107, 285 = MDR 1989, 981 = NJW 1989, 2697 = ZMR 1989, 434 = DNotZ 1990, 371.
Rapp 655
Kap. 4 Rz. 4.193 Wohnungs- und Teileigentum
mer). Er haftet gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 16 Abs. 2 WEG für die Lasten und Kosten, nicht aber Gläubigern gem. § 9a Abs. 4 WEG1. c) Haftung für rückständige Lasten
4.194 Eine Haftung für rückständige laufende Hausgeldzahlungen besteht nach der Rechtsprechung für den Erwerber nur dann, wenn dies in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen ist; dies muss nach § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG im Grundbuch ausdrücklich eingetragen werden2. Bei Erwerb in der Zwangsversteigerung besteht jedoch für den Erwerber auch bei einer entsprechenden Festlegung in der Gemeinschaftsordnung eine solche Haftung nicht3. Ein dementsprechender Beschluss der Eigentümerversammlung ist nichtig, da er sich zu Lasten Dritter (nämlich der Grundpfandrechtsgläubiger) auswirkt4. 4.195 Umstritten war dagegen lange die Situation, dass die Beschlussfassung erst nach Eintragung des Erwerbers als neuer Eigentümer stattfand, die konkretisierte Zahlungsverpflichtung jedoch einen Zeitraum betraf, in dem der Erwerber noch nicht Eigentümer war. Nach schwankender Rechtsprechung gilt nunmehr: Die Zahlungsverpflichtung entsteht nur mit der entsprechenden Beschlussfassung5. Es haftet derjenige, der zu diesem Zeitpunkt der grundbuchmäßige Eigentümer ist. Die Regelungen im Innenverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bleiben hiervon natürlich unberührt. 4.196 Ein Wohnungseigentümer haftet sonach für Verbindlichkeiten gegenüber der Gemeinschaft, die einen Zeitraum betreffen, zu dem er noch nicht Wohnungseigentümer war, nur unter folgenden Voraussetzungen: – der die Zahlungsverpflichtung begründende Beschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG ist nach dem Zeitpunkt seiner Eintragung als Eigentümer gefasst worden oder – der Beschluss wurde vor dem Zeitpunkt der Eintragung als Eigentümer gefasst, die Fälligkeit der beschlossenen Verpflichtung tritt jedoch gemäß dem Beschluss erst zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Erwerber bereits als Eigentümer eingetragen ist6 oder 1 Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 82, § 9a WEG Rz. 149. 2 BGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/12, BGHZ 198, 216 = MDR 2013, 1309 = NJW 2013, 3515 = ZfIR 2013, 806 = DnotZ 2014, 115 Rz. 5; v. 22.1.1987 – V ZB 3/86, BGHZ 99, 358 = NJW 1987, 1638 = MDR 1987, 485 = DnotZ 1988, 27; Bärmann/Suilmann14, § 10 WEG Rz. 192; Hügel/Elzer3, § 7 WEG Rz. 13. 3 BGH v. 22.1.1987 – V ZB 3/86, BGHZ 99, 358 = MDR 1987, 485 = NJW 1987, 1638 = DnotZ 1988, 27; v. 13.10.1983 – VII ZB 4/83, BGHZ 88, 302 = MDR 1984, 222 = NJW 1984, 308 = DnotZ 1984, 556. 4 BayObLG v. 25.7.1984 – Breg 2 Z 108/83, MDR 1984, 1028 = DNotZ 1985, 416; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 194. 5 BGH v. 18.5.1989 – V ZB 14/88, BGHZ 107, 285 = MDR 1989, 981 = NJW 1989, 2697 = ZMR 1989, 434 = DNotZ 1990, 371. 6 Abramenko in Harz/Riecke/Schmid7, § 28 WEG Rz. 90; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, Rz. 195.
656 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.200 Kap. 4
– die Gemeinschaftsordnung legt fest, dass der rechtsgeschäftliche Erwerber für Zahlungsverpflichtungen des früheren Eigentümers gegenüber der Gemeinschaft haftet. Für die Vertragsgestaltung hat diese Rechtslage zur Folge, dass der rechtsgeschäftli- 4.197 che Erwerber gegen Forderungen der Eigentümergemeinschaft, die den Zeitraum vor dem Besitzübergang betreffen, gesichert werden muss. Es empfiehlt sich deshalb zunächst, den Verkäufer versichern zu lassen, dass alle abgelaufenen Wirtschaftsjahre der Eigentümergemeinschaft unanfechtbar abgerechnet sind und dass Rückstände für Vorschüsse, die vom Verwalter gemäß dem beschlossenen Wirtschaftsplan abgerufen werden, nicht bestehen (§ 28 Abs. 2 WEG). Kann oder wird eine solche Versicherung nicht abgegeben, so sind Sicherheitsleistungen zu empfehlen. Durch das WEG-Änderungsgesetz wurde mit Wirkung vom 1.7.2007 die neue Be- 4.198 stimmung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG geschaffen, die den Hausgeldansprüchen quantitativ und zeitlich beschränkt den Vorrang vor den Grundpfandrechten einräumt. Aus dem Gesetzestext wurde entnommen, dass für die Hausgeldansprüche eine dingliche Haftung des Wohnungseigentums bestehe mit der Folge, dass auch ein Sonderrechtsnachfolger hierfür haftet1. Diese Rechtsansicht wurde jedoch vom BGH2 abgelehnt. Dem ist uneingeschränkt 4.199 zuzustimmen. Eine dingliche Haftung von Grundbesitz besteht gemäß dem Publizitätsprinzip des Sachenrechtes nur dann, wenn das entsprechend Recht aus dem Grundbuch ersichtlich ist. Nur für fiskalische Privilegien (Grundsteuer, Erschließungsbeiträge etc.) besteht im öffentlichen Interesse hiervon eine Ausnahme. Für die Hausgeldbeträge nach dem WEG besteht jedoch eine solche Privilegierung nicht; sie ist weder gesetzlich angeordnet noch besteht ein Bedürfnis für eine solche. Es ist Aufgabe des Verwalters, Hausgeldansprüche rechtzeitig zu titulieren und gegen den Eigentümer und Hausgeldschuldner durchzusetzen. d) Gemeinschaftsvermögen und Rechtsnachfolge Aus der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ergibt sich, dass 4.200 diese auch ein eigenes Vermögen – das Gemeinschaftsvermögen – haben kann (§ 9a Abs. 3 WEG). Es besteht aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten. Bei der Veräußerung eines Wohnungseigentums bedarf es keiner Übertragung von Gegenständen des Gemeinschaftsvermögens an den Erwerber. Es bedarf auch keines Eintritts in Vertragsverhältnisse mehr, insbesondere in Dauerschuldverhältnisse, da Vertragspartner regelmäßig die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Die Mit1 LG Berlin v. 28.9.2010 – 55 S 87/10, ZMR 2011, 156. 2 BGH v. 13.9.2013 – V ZR 209/12, BGHZ 198, 216 = MDR 2013, 1309 = NJW 2013, 3515 = ZfIR 2013, 806 = DNotZ 2014, 115; v. 9.5.2014 – V ZB 123/13, BGHZ 201, 157 = MDR 2014, 988 = NJW 2014, 2445 = ZfIR 2014, 654 = DNotZ 2014, 769 Rz. 15; Weber, DNotZ 2014, 738; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, A III Rz. 196a.
Rapp 657
Kap. 4 Rz. 4.200 Wohnungs- und Teileigentum
gliedschaft in der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft wird kraft Gesetzes mit dem Eigentumserwerb erlangt und mit dessen Verlust wieder verloren. e) Nachhaftung des Veräußerers
4.201 Nach § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG haftet jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind. § 160 HGB ist entsprechend anzuwenden. Diese Außenhaftung ist zwingend; sie kann nicht durch die Gemeinschaftsordnung modifiziert oder abbedungen werden. 6. Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen
4.202 Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ist bürgerlichrechtlich ohne Schwierigkeiten möglich. Zu beachten sind jedoch einige Mieterschutzvorschriften. a) Besondere Kündigungsschutzvorschriften für den Mieter
4.203 Die Vorschrift des § 577a BGB (früher § 564b BGB) setzt voraus, dass nach der Überlassung von Wohnraum an den Mieter vom bisherigen Eigentümer oder auch von seinem Rechtsvorgänger Wohnungseigentum gem. § 3 WEG begründet worden ist und dieses alsdann veräußert wurde. Mit § 577a Abs. 1a BGB wurde diese Kündigungsbeschränkung dahingehend erweitert, dass sie auch bei vermieteten Wohnraum anzuwenden ist, wenn die Veräußerung an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber erfolgt. Der Bestandschutz des Mieters wird damit auf Fälle ausgedehnt, in denen nach der Rechtsprechung keine Umwandlung in Wohnungseigentum vor der Kündigung vorlag. Der Mieterschutz besteht darin, dass eine Eigenbedarfskündigung und die Verwertungskündigung eines Erwerbers gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 BGB auf mindestens drei Jahre ausgeschlossen ist. Eine Kündigung ist erst nach Ablauf der Sperrfrist zulässig, und zwar mit der Frist des § 573c BGB1. b) Das gesetzliche Mietervorkaufsrecht
4.204 Seit 1.9.1993 besteht an vermieteten Wohnräumen, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, ein gesetzliches schuldrechtliches Vorkaufsrecht des Mieters (§ 577 BGB) für den ersten Verkaufsfall. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH2 auch bei der Realteilung eines Grundstücks, durch die mehrere Einzelgrundstücke entstehen, wenn 1 Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, § 3 Rz. 201. 2 BGH v. 27.4.2016 – VIII ZR 61/15, NJW-RR 2016, 910 = ZMR 2016, 530 = ZNotP 2016, 189; v. 23.6.2010 – VIII ZR 325/09, MDR 2010, 976 = NJW 2010, 3571 = ZMR 2010, 939 = ZNotP 2010, 342 Rz. 14; v. 28.5.2008 – VIII ZR 126/07, MDR 2008, 908 = NJW 2008, 2257 = DNotZ 2008, 771 Rz. 9. Das Vorkaufsrecht besteht auch für einen Mieter, der –
658 Rapp
A. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 4.240 Kap. 4
diese anschließend verkauft werden. Es besteht für den ersten Verkaufsfall und ist rein schuldrechtlicher Natur. Zugunsten des Mieters besteht danach keine Vormerkungswirkung gem. § 1098 Abs. 2 BGB1. Die Nichtbeachtung des Mietervorkaufsrechtes führt deshalb (lediglich) zu einer Schadensersatzverpflichtung des Verkäufers gem. § 280 Abs. 1 BGB gegenüber dem Mieter2. Für die notarielle Praxis ist deshalb zu empfehlen, dass ein Rücktrittsrecht des Verkäufers gegenüber dem Erstkäufer bei Ausübung des Mietervorkaufsrechtes vereinbart wird. Auf das Mietervorkaufsrecht nach § 577 BGB kann auch nicht vor Abschluss des Drittkaufvertrages wirksam verzichtet werden3. Dies wäre eine gem. § 577 Abs. 5 BGB unwirksame abweichende Vereinbarung zu Lasten des Mieters. VI. Übergangsvorschriften zum WEModG Das Wohnungseigentums-Modernisierungsgesetz ist zum 1.12.2020 in Kraft getre- 4.205 ten.
4.206
Das WEModG enthält in den §§ 47, 48 WEG Übergangsvorschriften. – Nach § 47 WEG verdrängen die ab 1.12.2020 geltenden Vorschriften bisherige Vereinbarungen in Gemeinschaftsordnungen. Es gilt also das neue Recht, soweit sich nicht aus der bisher gültigen Gemeinschaftsordnung ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen. – Beispiel: Die bisherige Gemeinschaftsordnung sieht eine Einberufungsfrist für die Eigentümerversammlung von zwei Wochen vor. Ab 1.12.2020 gilt die neue Frist von drei Wochen des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG. – Nach § 48 Abs. 1 können Beschlüsse, die nach bisherigem Recht nicht eintragungsfähig waren, (vor allem gemeinschaftsordnungsändernde Beschlüsse) nunmehr eingetragen werden. Sie bleiben jedoch bis zum 31.12.2025 auch ohne Eintragung gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger wirksam4. Nach § 48 Abs. 3 WEG können die in § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG genannten Vereinbarungen (Veräußerungsbeschränkung § 12 WEG, Haftung für Geldschulden) nachträglich ausdrücklich (und nicht nur wie bisher durch Bezugnahme) eingetragen werden. Ohne ausdrückliche Eintragung erwirbt ein Erwerber die Einheit ohne Veräußerungsbeschränkung (gutgläubiger Erwerb). Die Haftung für Geldschulden besteht weiter – auch ohne ausdrückliche Eintragung – bis zum 31.12.2025. Einstweilen frei.
1 2 3 4
4.207–4.240
ohne dass der Mietvertrag geändert worden wäre – die Wohnung nicht mehr bewohnt, DNotI-Gutachten v. 21.9.2021 – wma-lam 187276. Falkner, MittBayNot 2012, 519. BGH v. 21.1.2015 – VIII ZR 51/14, MDR 2015, 328 = NJW 2015, 1516 = ZfIR 2015, 278 = NotBZ 2015, 224 Rz. 26 ff. Langhein, DNotZ 1993, 663; Falkner, MittBayNot 2012, 520; Grüneberg/Weidenkaff81, § 577 BGB Rz. 2; Beck’sches Notarhandbuch/Rapp7, § 3 Rz. 201 a. Hügel/Elzer3, § 8 WEG Rz. 76, 77.
Rapp 659
Kap. 4 Rz. 4.241 Wohnungs- und Teileigentum
B. Steuerliche Fragen I. Bewertungsrecht 1. Allgemeines
4.241 In seinen Beschlüssen vom 22.6.1995 hat das BVerfG die unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen bei der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer mit dem Gleichheitssatz unvereinbar erklärt, da es wegen der Belastung von einheitswertgebundenem Vermögen nach Vergangenheitswerten einerseits und von nicht einheitswertgebundenem Vermögen nach Gegenwartswerten andererseits zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen komme. Mit Beschluss vom 10.4.20181 hat das Bundesverfassungsgericht die „realitätsfernen“ Bewertungsregeln für die Bemessung der Grundsteuer als gleichheitswidrig und mit der Verfassung unvereinbar angesehen; der Gesetzgeber hat hierauf mit dem Erlass von Grundsteuerreformgesetzen regiert (s. Rz. 4.411). 4.242 Zu den drei Vermögensarten des Bewertungsrechts zählt das Grundvermögen, zu dem (auch) das Wohnungs- und Teileigentum, nach dem WEG gehört (§ 176 Abs. 1 Nr. 3, § 181 Abs. 1 Nr. 3, § 243 Abs. 1 Nr. 3, § 244 Abs. 3 Nr. 3 BewG). 4.243 Für die Bewertung von Wohnungs- und Teileigentum zu Erbschaftsteuerzwecken sieht § 182 BewG unterschiedliche Bewertungsverfahren (Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren) vor, deren Anwendung in den §§ 183 ff. BewG näher geregelt ist (s. Rz. 4.249). Dabei bilden der Miteigentumsanteil und das jeweilige Sondereigentum bewertungsrechtlich eine Einheit: Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 181 Abs. 5 BewG), Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 181 Abs. 5 BewG). Für die Bewertung von Wohnungs- und Teileigentum zu Grundsteuerzwecken sieht § 250 Abs. 2 Nr. 4 BewG als Bewertungsverfahren das Ertragswertverfahren vor, dessen Anwendung in den §§ 252 ff. BewG näher geregelt ist. Dabei bilden der Miteigentumsanteil und das jeweilige Sondereigentum bewertungsrechtlich eine Einheit: Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 249 Abs. 5 BewG), Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 249 Abs. 6 BewG).
1 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, BGBl. I 2018, 531 = BVerfGE 148, 147 = DStR 2018, 791.
660 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.247 Kap. 4
2. Entstehung von Wohnungs- und Teileigentum Wann entsteht bewertungsrechtlich Wohnungs- und Teileigentum? Ist – nach der 4.244 Errichtung des Gebäudes – das Datum der Teilungserklärung, die Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt oder die Anlegung von Grundbuchblättern entscheidend? Der BFH1 hat hierzu entschieden, dass der zuletzt genannte Zeitpunkt, also die zivilrechtliche Betrachtung, für das Bewertungsrecht maßgeblich ist. Soweit steuerliche Vorschriften an das Bewertungsrecht anknüpfen, also Wohnungs- oder Teileigentum Voraussetzung für Steuervergünstigungen ist, sollte daher die Grundbucheintragung2 abgewartet werden. Die Erbschaftsteuerrichtlinien3 sehen insoweit vor, dass für die Erbschaft- und Schenkungsbesteuerung der Zeitpunkt der Beurkundung und die Beantragungsmöglichkeit beim Grundbuchamt maßgebend sind. 3. Mindestanforderungen bei Wohnungs- und Teileigentum Die für die Bildung von Wohnungseigentum erforderliche Abgeschlossenheitsbe- 4.245 scheinigung (gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG) wird nur erteilt, wenn eine Wohnung vorliegt; dazu gehören stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie Wasserversorgung, Ausguss und WC4. Der Rechtsprechung5 verlangt zudem eine gewisse Mindestgröße; weniger als 23 qm 4.246 sind grundsätzlich nicht ausreichend, das Vorhandensein einer Toilette, einer Küche oder Kochgelegenheit, eines Bades oder einer Dusche ist erforderlich (ein Waschbecken allein ist unzureichend)6. Darüber hinaus müssen die Räume grundsätzlich Wohnzwecken dienen. Für Gebäude, die vor dem 1.1.1973 bezugsfertig errichtet wurden, gelten weniger strenge Anforderungen. Die aufgeführten Kriterien gelten nicht für Teileigentum, an das geringere Anforde- 4.247 rungen gestellt werden; insbesondere sind keine sanitären Räume zur Anerkennung erforderlich. Auch die strengeren Baurechtsnormen, die für die Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen für Wohnungen gelten, werden nicht für Teileigentum angewandt: Aus diesem Grund war es in München möglich, auch während der
1 BFH v. 24.7.1991 – II R 132/88, BStBl. II 1993, 87. 2 Tritt der Erbfall ein, bevor der Erblasser als Eigentümer des von ihm gekauften Grundstücks in das Grundbuch eingetragen wurde, ist der Anspruch auf Eigentumsübertragung für die Erbschaftsteuer auch dann mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem Grundbesitzwert anzusetzen, wenn dem Erblasser bereits ein Anwartschaftsrecht zugestanden hatte, vgl. BFH v. 16.5.2007 – II R 61/99, DStRE 2007, 1382 = UVR 2007, 261 = ZEV 2007, 394. 3 R E 9.1 ErbStR 2020. 4 Vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG v. 19.3.1974, BAnz Nr. 58 v. 23.3.1974. 5 Vgl. BFH v. 20.6.1985 – III R 71/83, BStBl. II 1985, 582. 6 Vgl. BFH v. 26.3.1985 – III R 124/84, BStBl. II 1985, 496 und v. 4.7.1990 – II R 74/87, BStBl. II 1991, 131; Ritzer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, A IV Rz. 74.
Schallmoser 661
Kap. 4 Rz. 4.247 Wohnungs- und Teileigentum
Zeit der Nichterteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen für Altbauten die sog. Keller- und Garagenmodelle1 zu entwickeln, wonach die Abgeschlossenheitsbescheinigung nur für Kellerräume oder Garagen erteilt und die Wohnräume als Sondernutzungsrecht zugeordnet wurden.
4.248 Einstweilen frei. 4. Grundbesitzwert für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke
4.249 Für Wohnungseigentum gelten folgende Grundsätze (allg. zur Erb- und schenkungssteuerlichen Bewertung s. Rz. 1.1360 ff.): Auszugehen ist von dem gesondert festzustellenden Grundbesitzwert gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG. Dabei ist nach § 177 BewG der gemeine Wert zugrunde zu legen. Bei Wohnungseigentum ist regelmäßig das Vergleichswertverfahren anzuwenden (§§ 182 Abs. 2 Nr. 1, 2; 183 Abs. 1 Satz 1 BewG). Bei dem Vergleichswertverfahren sind Kaufpreise von Objekten heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Wohnungseigentum hinreichend übereinstimmen. Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise. Mietwohngrundstücke sind demgegenüber im Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG).
4.250 Liegen Vergleichspreise nicht vor, erfolgt die Bewertung von Wohnungs- und Teileigentum gem. § 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG im Sachwertverfahren. Bei diesem werden der Bodenwert, das ist der Wert des unbebauten Grundstücks auf der Basis der von den Gutachterausschüssen ermittelten Bodenrichtwerte, und der Gebäudesachwert ermittelt und addiert. Der Gebäudesachwert geht von den Regelherstellungskosten des Gebäudes aus (§ 190 Abs. 1 BewG). 4.251 Teileigentumseinheiten (z.B. Praxen, Geschäftsräume) werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet (§§ 182 Abs. 3 Nr. 2, 184 ff. BewG). Der Bodenwert ist dabei wiederum den Richtwerten des Gutachterausschusses zu entnehmen (§ 184 Abs. 2, 179 BewG). Ihm wird der Gebäudeertragswert, ermittelt gem. § 185 BewG, hinzugerechnet (§§ 184 Abs. 3 BewG). 5. Grundbesitzwert für Grundsteuerzwecke
4.252 Mit der Verabschiedung des Grundsteuer-Reformgesetzes2, des Gesetzes zur Einführung einer besonderen Grundsteuer für baureife Grundstücke3 und des Grundsteu-
1 Pause, NJW 1990, 3178. 2 Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetzes – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. Zu Verfassungsfragen s. Kirchhof, DStR 2018, 2661. 3 Ges. zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 (BGBl. I 2019, 1875).
662 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.272 Kap. 4
erreform-Umsetzungsgesetzes1 (s. Rz. 1.1330) gelten ab dem 1.1.2025 geänderte Bewertungsmaßstäbe für die Berechnung der Grundsteuer. Die Bewertung von Wohnungs- und Teileigentum ist nach § 250 Abs. 2 Nr. 4 BewG im Wege des Ertragswertverfahrens vorzunehmen2. Dabei ist der kapitalisierte Reinertrag (§ 253 BewG) des Grundstücks zu ermitteln, 4.253 der sich aus dem Rohertrag des Grundstücks (§ 254 BewG) abzüglich der Bewirtschaftungskosten (§ 255 BewG) ergibt. Der jährliche Rohertrag bemisst sich aus den in Anlage 39 zum BewG nach Land, Gebäudeart, Wohnfläche und Baujahr des Gebäudes angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche einschließlich der in Abhängigkeit der Mietniveaustufen festgelegten Zu- und Abschläge (§ 254 BewG). Hiervon sind die Bewirtschaftungskosten (§ 255 BewG), d.h. jährliche Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten und das Mietausfallwagnis abzuziehen (s. Anlage 40 zum BewG), soweit diese nicht durch Umlagen oder sonstige Kostenübernahmen gedeckt sind. Der so bestimmte jährliche Reinertrag wird mit einem Abzinsungsfaktor (Vervielfältiger, s. Anlage 37 zum BewG) multipliziert, um den Barwert des Reinertrags bzw. den kapitalisierten Reinertrag zu erhalten. Der Vervielfältiger ergibt sich aus der Restnutzungsdauer (Differenz zwischen Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 38 BewG und Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag) und dem Liegenschaftszinssatz (§ 256 BewG). § 257 BewG regelt die Abstufung der Liegenschaftszinssätze in Abhängigkeit vom Bodenrichtwert oder vom Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG. Die Summe aus abgezinstem Bodenwert und kapitalisiertem Reinertrag ergibt den Grundsteuerwert (§ 252 Satz 1 BewG).
4.254–4.270
Einstweilen frei. II. Einkommensteuer 1. Vermietetes Wohnungs- und Teileigentum im Privatvermögen a) Einkünftetatbestand
Durch eine zeitlich begrenzte Überlassung von im Privatvermögen befindlichem 4.271 Wohnungs- und Teileigentum verwirklicht der Eigentümer den Tatbestand der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz Nr. 1 EStG; s. Rz. 1.807 ff.), soweit er dabei mit Einkünfteerzielungsabsicht handelt (s. Rz. 1.810 ff.). b) Werbungskosten Als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann 4.272 der Steuerpflichtige anteilig auch die Aufwendungen der Wohnungseigentümer1 Ges. zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2931. 2 Siehe im Einzelnen Kußmaul/Schmeer, StB 2021, 121.
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Kap. 4 Rz. 4.272 Wohnungs- und Teileigentum
gemeinschaft geltend machen. Der abzugsfähige Anteil ergibt sich aus der Verwalterabrechnung. aa) Instandhaltungsrücklage Literatur: Drasdo, Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Beurteilungen ZWE 2013, 297; Drasdo, Darstellung der Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung, NJW-Spezial 2017, 33; Grürmann, Instandhaltungsrücklage: Chance zur Vereinfachung vertan, DStR 2009, 2087; Sauren, Beiträge zur Instandhaltungsrücklage nach dem WEG direkt abzugsfähig?, DStR 2006, 2161.
4.273 Nach den Regelungen in § 10 Abs. 6, 7 WEG besitzt die der Wohnungseigentümergemeinschaft (Teil-)Rechtsfähigkeit1. Gleichwohl beurteilt der BFH die Frage, zu welchem Zeitpunkt die zur Instandhaltungsrücklage geleisteten Beiträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, unabhängig von der zivilrechtlichen Einstufung der Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümer und Eigentümergemeinschaft. Danach sind Beiträge zur Instandhaltungsrücklage mit ihrer Zahlung aufgrund ihrer Zuordnung zum bzw. der Bindung im Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar aus dem frei verfügbaren Vermögen des einzelnen Wohnungseigentümers abgeflossen. Sie können aber beim einzelnen Wohnungseigentümer erst dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Verwalter sie für die Wohnungseigentümergemeinschaft tatsächlich – etwa für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für andere Maßnahmen – verausgabt und der Aufwand beim jeweiligen Steuerpflichtigen durch die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung veranlasst ist2. 4.274 Vor diesem Hintergrund müssen die im Wohngeld enthaltenen Instandhaltungsrücklagenanteile ausgegliedert werden. Erst nach der Bezahlung durchgeführter Reparaturen ist der Wohnungseigentümer zum Ansatz der anteilig auf ihn entfallenden Reparaturkosten berechtigt3. Folgerichtig muss aus dem Kaufpreis für eine gebrauchte Eigentumswohnung der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Anteil an der Instandhaltungsrücklage aus den Anschaffungskosten ausgliedert werden, da insoweit die anteilige Rücklage „angeschafft“ wird. Der Erwerber kann für die ab Erwerb durchgeführten Reparaturen die (anteiligen) aus der Instandhaltungsrücklage bezahlten Handwerkerrechnungen als Werbungskosten geltend machen.
1 Der Gesetzgeber ist insoweit der Rechtsprechung des BGH v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, DStR 2005, 1283 = MDR 2005, 1156 = NJW 2005, 2061 = ZfIR 2005, 506 = DNotZ 2005, 776 und v. 7.3.2007 – VIII ZR 125/06, MDR 2007, 899 = NJW 2007, 2987 = DNotZ 2007, 747, gefolgt. 2 St. Rspr., s. BFH v. 26.1.1988 – IX R 119/83, BStBl. II 1988, 577; v. 21.10.2005 – IX B 144/05, BFH/NV 2006, 291; v. 9.12.2008 – IX B 124/08, DStRE 2009, 524; v. 8.10.2012 – IX B 131/12, BFH/NV 2013, 32; OFD Frankfurt/Main v. 30.3.2000, DB 2000, 1102; a.A. Bub, WE 1988, 118; Grürmann, DStR 2009, 2087. 3 H 21.2 EStH 2020 „Werbungskosten“.
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B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.277 Kap. 4
Auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der soforti- 4.275 ge Werbungskostenabzug für Instandhaltungsbeiträge u.E. dadurch erreichbar sein, dass die Wohnungseigentümer eine (beteiligungskonforme) „Reparatur-GmbH“ errichten, die die Instandhaltung der Wohnanlage übernimmt. Die Wohnungseigentümer können auch formlos durch Beschluss den Verwalter der Wohnungseigentumsanlage beauftragen, diese GmbH zu errichten und als Treuhänder den GmbHAnteil für die Wohnungseigentümergemeinschaft halten1. Sofern die Zuführungen zur Reparaturrücklage unmittelbar an die „Reparatur-GmbH“ geleistet werden, liegt ein Abfluss vor, der den Werbungskostenabzug eröffnet. Die „Reparatur-GmbH“ kann für die erzielten Einnahmen eine entsprechende Rückstellung für die übernommene Reparaturverpflichtung bilden. Ein Durchgriff durch die „Reparatur-GmbH“ in der Weise, dass die anteilige von der „Reparatur-GmbH“ gebildete Reparaturrücklage den Wohnungseigentümern zugerechnet würde, ist u.E. nach den allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen unzulässig. bb) Absetzungen für Abnutzung (1) Beginn Die AfA für eine Eigentumswohnung wird ab deren bautechnischer Fertigstellung 4.276 unabhängig von der Rechtslage nach dem WEG gewährt. Eine Eigentumswohnung ist auch dann bereits mit der Bezugsfertigkeit „fertiggestellt“ i.S.v. § 7 Abs. 4 EStG, wenn zu diesem Zweck bürgerlich-rechtlich noch kein Wohnungseigentum begründet und die Teilungserklärung noch nicht erstellt worden ist2. Bei der Fertigstellung oder dem Erwerb während eines Jahres wird die AfA pro rata temporis nach der Anzahl der Monate seit Fertigstellung bzw. Anschaffung gewährt. (2) Bemessungsgrundlage Bei der schätzungsweisen Aufteilung eines Kaufpreises für eine angeschaffte oder her- 4.277 gestellte Eigentumswohnung ist grds. der Sachwert des Grund- und Bodenanteils und des Gebäudeanteils anhand der Normalherstellungskosten (d.h. ohne Ansatz von allgemeinen Bauträgergemeinkosten und eines kalkulatorischen Bauträgergewinns) schätzweise zu ermitteln3. Die sog. „Vergleichswertmethode“ ist keine geeignete Schätzungsmethode4; die Ertragswertmethode wird aber vom BFH5 im (begründeten) Ausnahmefall zugelassen (näher s. Rz. 1.320. Unbeschadet dessen ist eine Einigung der Vertragsparteien über die Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf 1 Vgl. Spiegelberger, WE 1989, 88. 2 Vgl. BFH v. 26.1.1999 – IX R 53/96, DB 1999, 1245. Zur Abgrenzung von Anschaffungsund Herstellungskosten bei Umbau und Modernisierungsmaßnahmen vgl. BFH v. 17.12.1996 – IX R 47/95, DStR 1997, 489. 3 Vgl. BFH v. 31.7.2001 – IX R 15/98, DStRE 2002, 267; Sauer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, B I Rz. 464. 4 Vgl. BFH v. 15.1.1985 – IX R 81/83, BStBl. II 1985, 252; v. 10.10.2000 – IX R 86/97, BStBl. II 2001, 183. 5 Vgl. BFH v. 10.10.2000 – IX R 86/97, BStBl. II 2001, 183.
Schallmoser 665
Kap. 4 Rz. 4.277 Wohnungs- und Teileigentum
Grund und Boden sowie Gebäude anzuerkennen, solange die Vereinbarung nicht nur zum Schein getroffen wurde (§ 41 Abs. 2 AO) sowie keinen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) darstellt und zum anderen die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse nicht in grundsätzlicher Weise verfehlt oder wirtschaftlich nicht haltbar erscheint1. Es empfiehlt sich daher, eine solche Aufteilung schon im notariell beurkundeten Kaufvertrag vorzunehmen, um späteren Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung vorzubeugen (näher s. Rz. 1.320). (3) Vermietete Denkmalschutzobjekte sowie Gebäude in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen Verwaltungsanweisung: BMF-Schreiben v. 16.5.2007 zur Reichweite der Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2, § 7i Abs. 2 EStG, BStBl. I 2007, 475
4.278 Bei vermieteten denkmalgeschützten Eigentumswohnungen kann der Steuerpflichtige erhöhte Absetzungen für Abnutzung gem. § 7i Abs. 1 EStG geltend machen (s. Rz. 1.887 ff.); entsprechendes gilt nach § 7h EStG für Eigentumswohnungen in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen (s. Rz. 1.896 ff.). Die für den Werbungskostenabzug notwendige Bescheinigung der jeweiligen Gemeindebehörde (s. Rz. 1.894 und Rz. 1.901 ff.) muss objektbezogen sein, d.h. dass die Voraussetzungen der §§ 7h, i EStG müssen hinsichtlich einer bestimmten Eigentumswohnung (und nicht lediglich hinsichtlich des gesamten Gebäudes) bescheinigt werden2. cc) Haushaltsnahe Dienstleistungen Literatur: Beck, Haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG, ZWE 2008, 313; Beck, Die Ausstellung der Bescheinigung über haushaltsnahe Dienstleistungen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht § 35a EStG, Berlin, 2. Aufl. 2010; Hofele, Die Wohnungseigentumsgemeinschaft im Steuerrecht, NWB 2019, 1549; Hogenschurz, Die Verwaltung von Wohnungseigentum in Zeiten der „Corona“-Pandemie, MDR 2020, 534; Laschet/Kontny, Haushaltsnahe Dienstleistungen für Wohnungseigentümergemeinschaften, FR 2006, 967.
4.279 § 35a EStG begünstigt haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Abzugsberechtigt ist grundsätzlich der Arbeitgeber bzw. der Auftraggeber. Indes kann auch der Mieter einer Wohnung
1 Vgl. BFH v. 15.1.1985 – IX R 81/83, BStBl. II 1985, 252 = BB 1985, 906; v. 26.5.1992 – IX R 190/87, BFH/NV 1993, 92; v. 10.10.2000 – IX R 86/97, BStBl. II 2001, 183; v. 31.7.2001 – IX R 15/98, BFH/NV 2002, 324; v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397 = FR 2016, 228 = NJW 2016, 591. 2 BFH v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 367 und v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523, jew. zu § 7h EStG; ferner BFH v. 16.9.2014 – X R 29/12, BFH/NV 2015, 194, zu § 7i EStG; kritisch hierzu Beck, DStR 2017, 1469.
666 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.280 Kap. 4
die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für Leistungen beanspruchen, die der Vermieter (bzw. die Wohnungseigentümergemeinschaft) in Auftrag gegeben hat, wenn der Mieter vertraglich verpflichtet ist, diese Leistungen finanziell zu tragen und der Vermieter hierüber abrechnet. Entsprechendes gilt, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit Wirkung für und gegen alle Gemeinschafter Handwerkerleistungen in Auftrag gibt. Werden die Rechnungen aus dem Gemeinschaftsvermögen (§ 10 Abs. 7 WEG) beglichen, entstehen dem einzelnen Wohnungseigentümer Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen1. Leistet demgegenüber der Mieter einer Dienstwohnung an den Vermieter pauschale Zahlungen für die Durchführung von Schönheitsreparaturen, so handelt es sich hierbei nicht um Aufwendungen für Handwerkerleistungen i.S.d. § 35a Abs. 2 EStG, wenn die Zahlungen unabhängig davon erfolgen, ob und ggf. in welcher Höhe der Vermieter tatsächlich Reparaturen an der Wohnung des Mieters in Auftrag gibt2. Besteht das Dienstleistungsverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft (z.B. bei Reinigung und Pflege von Gemeinschaftsräumen) oder ist die Wohnungseigentümergemeinschaft Auftraggeber der haushaltsnahen Dienstleistung bzw. der handwerklichen Leistung, kommt für den einzelnen Wohnungseigentümer eine Steuerermäßigung in Betracht, wenn in der Jahresabrechnung die im Kalenderjahr unbar gezahlten Beträge nach den begünstigten haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen, Dienstleistungen und Handwerkerleistungen jeweils gesondert aufgeführt sind, der Anteil der steuerbegünstigten Kosten ausgewiesen ist und der Anteil des jeweiligen Wohnungseigentümers individuell errechnet wurde3. Der Verwalter kann eine Bescheinigung über Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen gem. § 35a EStG steuerwirksam auch außerhalb der Jahresabrechnung erteilen; ein Anspruch hierauf besteht allerdings nur, wenn dies im Verwaltervertrag so vereinbart ist4. c) Bauabzugssteuer Soweit die Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ver- 4.280 pflichtet ist, Bauabzugssteuer i.H.v. 15 % der Bruttovergütung einzubehalten und unmittelbar an das für den jeweiligen Werkunternehmer zuständige Betriebsfinanzamt unter Beifügung einer entsprechenden Erklärung abzuführen5, ist diese Zahlung in der Jahresabrechnung gesondert auszuweisen6. Der Steuerabzug kann unterbleiben, wenn das beauftragte Unternehmen eine Freistellungsbescheinigung seines zuständigen Finanzamtes vorlegt oder die vom Gesetz vorgegebenen Bagatellgrenzen gem. § 48 Abs. 2 EStG nicht überschritten werden (s. allg. Rz. 1.1031 ff.).
1 BMF v. 10.1.2014 – IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, BStBl. I 2014, 75 Tz. 27. 2 BFH v. 5.7.2012 – VI R 18/10, BStBl. II 2013, 14; dazu Heger, jurisPR-SteuerR 7/2013 Anm. 4. 3 BMF v. 9.11.2016 – IV C 8-S 2296-b/07/10003:008, BStBl. I 2016, 1213, unter IV.2. 4 Hogenschurz, MDR 2020, 534 (537 f.). 5 BMF v. 4.9.2003 – IV A 5-S 2272b-20/03, BStBl. I 2003, 431 Rz. 64 ff. 6 Vgl. Staudinger/Häublein, § 28 WEG Rz. 100.
Schallmoser 667
Kap. 4 Rz. 4.281 Wohnungs- und Teileigentum
d) Veräußerung
4.281 Anschaffung und entgeltliche Veräußerung von nicht selbstbewohnten Eigentumswohnungen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erfüllen den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, es sei denn, die Einkünfte gem. Abs. 2 der Vorschrift sind einer anderen Einkunftsart zuzurechnen (s. allg. Rz. 12.1 ff.). 4.282–4.300 Einstweilen frei. 2. Selbstbewohntes Wohnungs- und Teileigentum
4.301 Die Regelung in § 10f EStG ist nach dem Wegfall der Eigenheimzulage (s. Rz. 1.1041 ff.) die letzte Subventionsnorm im EStG, die einen Abzug von Aufwendungen für eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung gewährt. Danach besteht ein Sonderausgabenabzug für selbstgenutzte denkmalgeschützte Eigentumswohnungen sowie für Eigentumswohnungen in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen (s. Rz. 1.906 ff.). Die für den Sonderausgabenabzug notwendigen Voraussetzungen müssen von der jeweiligen Gemeindebehörde objektbezogen bescheinigt werden1. 3. Wohnungs- und Teileigentum im Betriebsvermögen a) (Eigen-)Betriebliche Nutzung
4.302 Der Wohnungseigentümer, der sein Wohnungs- oder Teileigentum ganz oder teilweise gewerblich oder beruflich nutzt, kann die AfA aus der Herstellung oder Anschaffung (s. Rz. 1.881 ff.), die Finanzierungskosten (s. Rz. 1.931 ff.) sowie den entsprechenden Teil der Bewirtschaftungskosten als Betriebsausgaben geltend machen. b) Veräußerung
4.303 Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung wird beim Verkauf von Vermögensgegenständen des Betriebsvermögens im Allgemeinen als erfüllt angesehen, wenn der Gegenstand ausgeliefert, der Anspruch auf die Gegenleistung entstanden und die Gefahr des zufälligen Untergangs (sog. Preisgefahr) auf den Käufer übergegangen ist. Die Forderung aus dem Verkauf eines Grundstücks ist demnach realisiert mit dem Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten; das ist der Zeitpunkt der Übergabe. Bei Werkverträgen bedarf es außer der Übergabe der Abnahme des Werkes durch den Besteller, um den Übergang der Preisgefahr und damit die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund sieht die Rechtsprechung den Gewinn aus der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen als realisiert an, wenn mehr als die Hälfte der Erwerber das im 1 BFH v. 6.5.2014 – IX R 15/13, BStBl. II 2015, 367; v. 16.9.2014 – X R 29/12, BFH/NV 2015, 194; v. 6.12.2016 – IX R 17/15, BStBl. II 2017, 523; kritisch hierzu Beck, DStR 2017, 1469.
668 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.307 Kap. 4
Wesentlichen fertig gestellte Gemeinschaftseigentum ausdrücklich oder durch mindestens drei Monate lange rügelose Ingebrauchnahme konkludent abgenommen haben; die Gewinnrealisierung betrifft allerdings nur die von diesen Erwerbern geschuldeten Entgelte1. Zur Gewinnrealisierung kommt es mithin auch dann, wenn unwesentliche Arbeiten am Gemeinschaftseigentum wie Außenputz und Außenanlagen noch nicht fertiggestellt sind. 4. Gemischt genutzte Grundstücke Bei gemischt genutzten Grundstücken kann sich aus den nachfolgend geschilderten 4.304 Gründen die Notwendigkeit der Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum ergeben, um eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen oder eine gewerbliche Infizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu vermeiden. a) Erbauseinandersetzung
4.305
Beispiel: Die von ihren drei Kindern beerbte Erblasserin betrieb in den Erdgeschossräumen ihres Mehrfamilienhauses eine Wäscherei, die sie durch Teilungsanordnung ihrem Sohn S zuwendet; S will die Wäscherei fortführen. Die übrigen Wohnungen waren fremdvermietet. Wie kann die Erbauseinandersetzung einkommensteuerneutral vorgenommen werden?
aa) Mischnachlass Zu Lebzeiten der Erblasserin waren die der Wäscherei dienenden Räume als not- 4.306 wendiges Betriebsvermögen zu klassifizieren, während die vermieteten Wohnungen steuerliches Privatvermögen darstellten. Durch den Erbfall ergab sich keine Änderung: Die Erben traten in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Erbengemeinschaft gem. § 1922 BGB unverändert im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung der Erblasserin ein und waren nach deren Ableben als Mitunternehmer anzusehen; eine Infizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG des Privatvermögens trat nicht ein. bb) Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum Im Fall der Erbauseinandersetzung muss, um eine Aufdeckung stiller Reserven zu 4.307 vermeiden, das steuerliche Privatvermögen und das Betriebsvermögen dinglich durch Aufteilung des Gebäudes in Wohnungs- und Teileigentum dem jeweiligen Nutzenden zugeordnet werden, so dass dem Miterben S, der die Wäscherei fortführt, das Alleineigentum an den Wäschereiräumen zugeordnet werden muss und den übrigen Erben das Eigentum an den Wohnungen zugeteilt werden kann. Sofern kein
1 Vgl. BFH v. 8.9.2005 – IV R 40/04, BStBl. II 2006, 26.
Schallmoser 669
Kap. 4 Rz. 4.307 Wohnungs- und Teileigentum
Wertausgleich in bar stattfindet oder der Wertausgleich durch Schuldübernahme erfolgt, können die Buchwerte der Erblasserin fortgeführt werden1. b) Vermeidung der Infizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
4.308 Beispiel: Witwe W hat die von ihrem verstorbenen Ehemann betriebene Metzgerei verpachtet; die in dem Gebäude weiter vorhandenen Wohnungen sind vermietet. W und ihr Mann lebten in Zugewinngemeinschaft; ein Testament war nicht vorhanden. Welche Problematik ergibt sich bei einer Übertragung auf die beiden Kinder als Gesellschafter bürgerlichen Rechts?
aa) Mischnachlass
4.309 Solange die Erbengemeinschaft (W ist Erbin zu 1/2, beide Kinder zu je 1/4) den verpachteten Gewerbebetrieb und die Vermietung von Wohnungen in Erbengemeinschaft „fortführt“, ergibt sich gegenüber der einkommensteuerlichen Beurteilung zu Lebzeiten der W keine Änderung. Die Erbengemeinschaft ist Inhaberin von Betriebs- und Privatvermögen, ohne dass eine Infizierung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eintritt2. bb) Erbauseinandersetzung
4.310 Bei der Umwandlung der Erbengemeinschaft in eine GbR entsteht Gesamthandseigentum bei einer „anderen Personengesellschaft“ i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, so dass auch die vermieteten Wohnungen automatisch Betriebsvermögen würden. Dieser Infizierung kann nur in der Weise vorgebeugt werden, dass die Miterben zwei personenidentische Personengesellschaften bilden, von denen eine das Betriebsvermögen und die andere das steuerliche Privatvermögen, also die vermieteten Wohnungen, innehat. Diese Zuordnung ist mit dinglicher Wirkung nur durch Bildung von Wohnungs- und Teileigentum zu erreichen. 4.311 Ob eine Benutzungsregelung gem. § 1010 BGB ohne Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum zu wirtschaftlichem Eigentum3 führt und damit dieselbe Zuordnung einkommensteuerlich erreicht werden kann, ist fraglich; die Frage ist, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden4. Eine dahingehende Wertung setzt u.E. zumindest voraus, dass der Anspruch auf Auseinandersetzung zeitlich unbefristet ausgeschlossen wird (§ 749 Abs. 2 i.V.m. § 1010 Abs. 1 BGB).
1 2 3 4
Vgl. BMF v. 14.3.2006 – IV B 2-S 2242-7/06, BStBl. I 2006, 253 Tz. 32. Vgl. Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 603. Z.B. Hardt, ZEV 2004, 408 (412) für die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Eine von der quotalen Zurechnung abweichende Regelung wird vom BFH v. 22.1.1980 – VIII R 74/77, BStBl. II 1980, 244 anerkannt, wenn die Miteigentümer gem. § 745 Abs. 2 BGB eine anderweitige Verwaltung und Nutzung vereinbart haben und diese Vereinbarung dem Interesse der Miteigentümer entspricht; vgl. hierzu auch Sauer in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, Kap. C I Rz. 49.
670 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.330 Kap. 4
c) Atypisch stille Gesellschaft statt Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum
4.312
Beispiel: Kfz.-Meister K betreibt auf einem insgesamt ca. 1 ha großen Grundstück eine Kfz.-Werkstatt, wobei auf zahlreichen einzelnen Grundstücksflächen gebrauchte Pkws zum Verkauf abgestellt sind. Das Finanzamt hat den betrieblich genutzten Flächenanteil auf 50 % geschätzt. Eine genaue planmäßige Erfassung ist nie erfolgt und nach den baulichen Gegebenheiten auch nicht durchführbar. K will mit seinem Sohn S eine Personengesellschaft errichten und diesen zu 50 % daran beteiligen. Eine Infizierung des privaten Grundstücksareals soll vermieden werden.
Eine „Infizierung“ i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei der Bildung von Gesellschaften 4.313 kann dadurch vermieden werden, dass der Schenker mit dem Beschenkten nur eine atypisch stille Gesellschaft gründet. In diesem Fall entsteht einkommensteuerrechtlich kein Rechtsträgerwechsel, auch wenn der Beschenkte nach der h.L. schenkungsteuerrechtlich so behandelt wird, als ob quotal Betriebsvermögen unentgeltlich auf ihn übergegangen wäre1. Hiergegen hat sich die OFD Rheinland und Münster2 gewandt, die die Auffassung vertritt, dass eine atypische Beteiligung schenkungsteuerrechtlich nicht als Teilhabe am Betriebsvermögen beurteilt werden kann; die einkommensteuerrechtliche Beurteilung bleibt davon allerdings unberührt. d) Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels
4.314
Beispiel: Eine Erbengemeinschaft, bestehend aus sechs Personen, errichtet auf einem geerbten Grundstück ein Gebäude mit zwölf Wohnungen. Während der Bauzeit werden sechs Eigentumswohnungen und fünf Tiefgaragenplätze verkauft, während die übrigen Einheiten von den Miterben zu eigenen Wohnzwecken im Wege der Erbauseinandersetzung erworben werden.
Die Rechtsprechung bejaht bei dem vorstehend geschilderten Sachverhalt eine ge- 4.315 werbliche Tätigkeit der Erbengemeinschaft3. Hätten die Erben in dem vorstehend geschilderten Fall das gemeinschaftliche Grundstück bereits vor Baubeginn in zwölf Eigentumswohnungen in der Weise aufgeteilt, dass jeder Miterbe gem. § 3 WEG das Alleineigentum an zwei Wohneinheiten übernommen hätte, wäre die Drei-Objekt-Grenze von keinem Erben überschritten worden. Plant eine Grundstücksgemeinschaft oder eine Privatvermögen verwaltende Grundstücksgesellschaft Veräußerungen, ist mithin die Möglichkeit einer vorherigen Aufteilung durch Errichtung einer Teilungserklärung gem. § 3 WEG zu prüfen. Einstweilen frei.
4.316–4.330
1 Vgl. Schuck in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 7 ErbStG Rz. 180 ff., 182; Gebel in troll/Gebel/ Jülicher/Gottschalk, § 7 ErbStG Rz. 122. 2 OFD Rheinland und Münster, ZEV 2007, 295. 3 BFH v. 22.3.1990 – IV R 23/88, BStBl. II 1990, 637.
Schallmoser 671
Kap. 4 Rz. 4.331 Wohnungs- und Teileigentum
III. Gewerbesteuer Literatur: Siehe vor Rz. 1.1060.
1. Wohnungs- und Teileigentum im Privatvermögen
4.331 Mit der Veräußerung von im steuerlichen Privatvermögen befindlichen Wohnungsund Teileigentum endet lediglich die private Vermögensverwaltung des Steuerpflichtigen; waren die veräußerten Immobilienobjekte auf Dauer vermietet (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), fällt daher im Zuge der Veräußerung auch keine Gewerbesteuer an. 2. Wohnungs- und Teileigentum im Betriebsvermögen
4.332 Unter gewerbesteuerrechtlichen Aspekten problematisch kann es sein, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft eine personenidentische Betriebs-GmbH gründet und Sondereigentumseinheiten an diese vermietet. Im Falle einer Kurhotelanlage, die in 140 Hotelappartements und drei andere Raumeinheiten aufgeteilt wurde und in deren Teilungserklärung vereinbart war, dass die Veräußerung der Zustimmung des Verwalters bedürfe, wenn der Erwerber nicht gleichzeitig einen Geschäftsanteil an der Hotelbetriebs-GmbH erwerbe, hat der BFH1 gewerbliche Einkünfte als Besitzunternehmen angenommen, soweit die einzelnen Wohnungen aufgrund einer Gebrauchsregelung (§ 15 WEG) an eine personenidentische Betriebs-GmbH vermietet wurden. 4.333 Auch die Aufdeckung stiller Reserven bei der Veräußerung von Sondereigentum unterliegt nach den allgemeinen Grundsätzen nicht nur der Einkommensteuer, sondern auch der Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 GewStG. Bei natürlichen Personen und Personenunternehmen erlaubt § 35 EStG die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer der Beteiligten, so dass nur bei einem Anrechnungsüberhang eine definitive Steuerbelastung entsteht. 4.334–4.350 Einstweilen frei. IV. Umsatzsteuer 1. Veräußerung von Wohnungs- und Teileigentum
4.351 Die Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung ist als grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerbefreit (s. Rz. 1.1283). Auf die Steuerbefreiung kann verzichtet werden (§ 9 Abs. 1 UStG); eine – mit dem Recht auf Vorsteuerabzug verbundene – Option ist – jenseits der für Altfälle geschaffenen Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 UStG – nach § 9 Abs. 2 UStG indes nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze 1 BFH v. 10.4.1997 – IV R 73/94, BStBl. II 1997, 569.
672 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.354 Kap. 4
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen nachzuweisen (s. Rz. 1.1216 f.). Vor diesem Hintergrund ist die Option zur Umsatzsteuer gem. § 9 Abs. 2 UStG bei 4.352 zu Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnungen wohl in den meisten Fällen ausgeschlossen. Bei Eigentumswohnungen, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden (z.B. Praxisräume) und bei Teileigentum (z.B. Ladenräume) kann aber ggf. – unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 UStG – die Option zur Umsatzsteuer eine Rolle spielen (zu den Voraussetzungen s. näher Rz. 1.1216). Ist das veräußerte Immobilienobjekt umsatzsteuerpflichtig vermietet, liegt ggf. ei- 4.353 ne nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor (s. hierzu Rz. 1.1241). Soll für eine bisher nicht umsatzsteuerpflichtig vermietete Immobilie die Umsatzsteueroption erfolgen, muss dies gem. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG im notariellen Kaufvertrag erfolgen (s. hierzu M7, Rz. 1.1256). Der Käufer ist gem. § 13b Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 UStG als Leistungsempfänger der Schuldner der Umsatzsteuer, soweit der Umsatz unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt (s. Rz. 1.1274); lediglich für mitverkaufte bewegliche Sachen oder Betriebsvorrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verbleibt es bei der Steuerschuldnerschaft des Verkäufers. Soweit der Verkäufer nicht Steuerschuldner ist, ist er zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG), in der die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (§ 14a Abs. 5 Satz 3 UStG; s. Rz. 1.1281). Neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 1 UStG ist in den Rechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG). Für den Fall, dass in der Rechnung dieser Hinweis fehlt, wird der Leistungsempfänger von der Steuerschuldnerschaft nicht entbunden. Im Fall des gesonderten Steuerausweises durch den leistenden Unternehmer wird die Steuer von diesem (neben dem Käufer!) nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet; der unzutreffende Ausweis kann aber berichtigt werden (s. Rz. 1.1281). Der Käufer benötigt als Steuerschuldner zum Vorsteuerabzug keine Rechnung (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG)1. 2. Vermietung und Verpachtung von Wohnungs- und Teileigentum Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Grundstücksteilen sowie 4.354 die Bestellung, Übertragung und Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken sind nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a bis c UStG umsatzsteuerbefreit; somit ist auch die Vermietung von Eigentumswohnungen grundsätzlich umsatzsteuerfrei (s. Rz. 13.131). Die Steuerbefreiung greift nicht ein2 bei – kurzfristigen Beherbergungsumsätzen3 – der kurzfristigen Vermietung von Parkplätzen
1 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier, § 15 UStG Rz. 484. 2 Siehe näher Schuhmann in Sauer/Ritzer/Schuhmann, Handbuch Immobilienbesteuerung, Kap. H VI Rz. 2. 3 Es gilt der ermäßigte Steuersatz, § 12 Abs. 1 Nr. 11 UStG.
Schallmoser 673
Kap. 4 Rz. 4.354 Wohnungs- und Teileigentum
– der kurzfristigen Vermietung auf Campingplätzen1 – der Vermietung von Betriebsvorrichtungen, auch wenn sie Bestandteil eines Grundstücks sind. Auf die Steuerbefreiung kann unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1, 2 UStG verzichtet werden (s. Rz. 13.138). 3. Leistungen zwischen Eigentümergemeinschaft und Eigentümer
4.355 Leistungen der Eigentümergemeinschaft an die Eigentümer sind steuerpflichtig, soweit sie im Zusammenhang mit dem Sondereigentum der einzelnen Eigentümer stehen (z.B. Reparaturen in den einzelnen Wohnungen; s. hierzu Rz. 1.1284 ff.). 4.356 Leistungen der Eigentümergemeinschaft an die Eigentümer sind demgegenüber nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfrei, soweit es sich handelt um – die Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung (bspw. Waschküchenund Waschmaschinenbenutzung, Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, Flurbeleuchtung, Schornsteinreinigung, Feuer- und Haftpflichtversicherung, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Entwässerung)2 und – die im Zusammenhang mit dem Sondereigentum stehenden Lieferungen (bspw. von Wärme, Strom und Wasser) an die Eigentümer durch die Gemeinschaft (s. Rz. 1.1286).
4.357 Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann insoweit zur Umsatzsteuer optieren (s. Rz. 1.1287). Ab Ausübung der Option hat die Eigentümergemeinschaft, die von dem Verwalter vertreten wird, alle umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG zu erfüllen. Als Vertreter der Eigentümergemeinschaft erklärt der Verwalter die Umsatzsteueroption gegenüber dem Finanzamt, sobald ein entsprechender Mehrheitsbeschluss gefasst wurde. Danach ist es auch Aufgabe des Verwalters, die Umsatzsteuererklärungen beim Finanzamt einzureichen und die Umsatzsteuer fristgerecht abzuführen. In diesem Zusammenhang dürfte die Einschaltung eines Steuerberaters regelmäßig veranlasst sein. 4.358 Ferner hat der Verwalter auch den Eigentümern, in deren Interesse von der Eigentümergemeinschaft optiert wurde, eine Rechnung gem. § 14 UStG zu erteilen, damit diese vorsteuerabzugsberechtigt sind. Die bloße Übersendung der Abrechnung reicht nicht aus, um dem Empfänger die Vorsteuerabzugsberechtigung zu vermitteln, da der jeweilige Dritte nicht anteilig an den betroffenen Wohnungs- und Teileigentümer liefert, sondern an die Eigentümergemeinschaft, die ihrerseits wiederum einen Umsatz dem einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer gegenüber durchführt und hierfür eine Rechnung zu erstellen hat. 1 Es gilt der ermäßigte Steuersatz, § 12 Abs. 1 Nr. 11 UStG. 2 Siehe näher Spilker in Weymüller, BeckOK, § 4 Nr. 13 UStG Rz. 33 ff.; Bunjes/Heidner20, § 4 UStG Nr. 13 Rz. 2.
674 Schallmoser
Rz. 4.382 Kap. 4
B. Steuerliche Fragen
Eine Vorsteuerabzugsberechtigung des jeweiligen Wohnungs- und Teileigentümers ergibt sich im Einzelfall allerdings nur dann, wenn dies ausdrücklich mit Zustimmung der Eigentümergemeinschaft vereinbart wurde. Voraussetzung dafür ist, dass die Eigentümergemeinschaft in einem entsprechenden Mehrheitsbeschluss die Umsatzsteueroption ausgeübt und auf die Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 13 verzichtet hat1. Ein solcher Beschluss der Miteigentümergemeinschaft ist indes ein Organisations- 4.359 akt, auf den der einzelne Wohnungs- oder Teileigentümer keinen Rechtsanspruch hat. Sofern die Eigentümergemeinschaft im Interesse eines Wohnungs- und Teileigentümers einen derartigen Beschluss fasst, kann sie verlangen, dass der Begünstigte die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer von den entstehenden steuerlichen Zahllasten- und Haftungsrisiken sowie den Unkosten für diese Geschäftsbesorgung freistellt2.
4.360–4.380
Einstweilen frei. V. Grunderwerbsteuer Literatur: Siehe vor Rz. 1.1100.
1. Entgeltliche Übertragung von Wohnungs- und Teileigentum Das Wohnungs- und Teileigentum an einem Grundstück – d.h. das mit einem Mit- 4.381 eigentumsanteil verbundene Sondereigentum an einer Eigentumswohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen – fällt grunderwerbsteuerlich unter den Begriff des „Grundstücks“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG3; seine entgeltliche Übertragung unterliegt als steuerpflichtiger Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer4 (s. Rz. 1.1101). Dies gilt auch für die Übertragung von Wohnungseigentum auf einen Treuhänder5. Die §§ 5 und 6 GrEStG enthalten Vergünstigungsvorschriften für die Grundstücks- 4.382 übergänge, die zwischen den an einer Gesamthand Beteiligten (Gesamthändern) und der Gesamthandsgemeinschaft sowie zwischen einer Gesamthandsgemeinschaft und den Gesamthändern oder auch zwischen einer Gesamthand und einer anderen Gesamthand stattfinden6. Erfasst sind der
1 OLG Hamm v. 12.5.1992 – 15 W 33/92, BB 1992, 1308 = NJW-RR 1992, 1232; Sauren, BB 1986, 438; Spiegelberger, WE 1988, 83; OLG Hamm v. 12.5.1992 – 15 W 33/92, BB 1992, 1308; Staudinger/Häublein, § 28 WEG Rz. 97. 2 Vgl. Staudinger/Häublein, § 28 WEG Rz. 98; Sauren, BB 1986, 439; Weimann, UR 1999, 486; s.a. BayObLG v. 13.6.1996 – 2Z BR 28/96, UR 1997, 481. 3 BFH v. 25.6.1980 – II R 28/79, BStBl. II 1981, 332; v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667. 4 Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 280. 5 Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 284. 6 Siehe näher Viskorf/Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 2 ff., § 6 GrEStG Rz. 2 ff.
Schallmoser 675
Kap. 4 Rz. 4.382 Wohnungs- und Teileigentum
– Übergang von mehreren Miteigentümern (§ 5 Abs. 1 GrEStG) oder von einem Alleineigentümer (§ 5 Abs. 2 GrEStG) auf eine Gesamthand; – Übergang von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer Gesamthänder (§ 6 Abs. 1 GrEStG) oder in das Alleineigentum eines Gesamthänders (§ 6 Abs. 2 GrEStG) und der – Übergang von einer Gesamthand auf eine andere (§ 6 Abs. 3 GrEStG). Die Grunderwerbsteuer wird in diesen Fällen insoweit nicht erhoben, als der Eigentumsbruchteil jedes erwerbenden Miteigentümers oder das Eigentum des erwerbenden Alleineigentümers dem Anteil entspricht, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt war. Die Vorschriften beruhen auf dem Grundgedanken, dass einem Grundstückserwerber insoweit Steuerfreiheit gewährt werden soll, als er bereits im Rahmen seiner gesamthänderischen Berechtigung am Gesellschaftsvermögen am Wert des erworbenen Grundstücks beteiligt war1.
4.383 Nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gehört die „Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung“ zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Wohnungseigentums. Nach der gesetzlich anerkannten Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 6 WEG) gehört diese Instandhaltungsrücklage zum Verwaltungsvermögen der (teil-)rechtsfähigen Gemeinschaft, § 10 Abs. 7 WEG. Bei einem Eigentumswechsel geht das Mitgliedschaftsrecht an der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft kraft Gesetzes auf den neuen Eigentümer über. Eine besondere Übertragung der Instandhaltungsrücklage, wie sie unter der früheren Rechtslage gängig war, ist nicht mehr erforderlich. Der Erwerb des Mitgliedschaftsrechtes an der (teil-)rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist jedoch kein dem § 1 GrEStG unterliegender Rechtsvorgang2. Deshalb bleibt nicht nur der Übergang der Instandhaltungsrücklage zusammen mit der Mitgliedschaft grunderwerbsteuerfrei, sondern auch der Übergang des sonstigen Verwaltungsvermögens der rechtsfähigen Gemeinschaft. 2. Begründung und Aufhebung von Wohnungs- und Teileigentum
4.384 Wohnungseigentum wird gem. § 2 WEG durch Teilung (§ 8 WEG; s. Rz. 4.7) oder durch die vertragliche Einräumung von Sondereigentum (§ 3 WEG; s. Rz. 4.5) begründet. a) Aufteilung durch Teilungserklärung gem. § 8 WEG
4.385 Die bloße Begründung von Wohnungs- und Teileigentum durch den Eigentümer eines Grundstücks gem. § 8 WEG stellt keinen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG dar; denn es findet kein Rechtsträgerwechsel statt3.
1 Vgl. BFH v. 27.7.2001 – II B 20/01, BFH/NV 2002, 70. 2 Behrens/Wachter/Lieber2, § 2 GrEStG Rz. 11. 3 Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 278.
676 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.388 Kap. 4
b) Begründung des Wohnungseigentums durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum gem. § 3 WEG Bei der Begründung von Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung von 4.386 Sondereigentum beschränken die Miteigentümer eines Grundstücks ihr Eigentum in der Weise, dass jedem der Miteigentümer das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung in einem auf dem Grundstück errichteten oder noch zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (§ 3 Abs. 1 WEG; s. Rz. 4.5). Dabei erhält jeder Miteigentümer das „restliche Miteigentum“ und damit das Sondereigentum an „seiner“ Wohnung und gibt das bisherige Miteigentum an den anderen Wohnungen auf 1. Da der Erwerb von Miteigentum ebenso die Steuer entstehen lässt wie der Erwerb von Alleineigentum, unterliegt der Erwerb des „restlichen Miteigentums“ hinsichtlich der einzelnen Wohnung aus der Hand der anderen Beteiligten der Grunderwerbsteuer2. Nach § 7 Abs. 1 GrEStG wird bei der Umwandlung von Miteigentum in „Flächeneigentum“ – hier in Sondereigentum gem. § 3 WEG – die Grunderwerbsteuer in Höhe der gleichbleibenden Beteiligung nicht erhoben. Für einen „Mehrerwerb“ bleibt die Steuer zu erheben. Dies gilt auch, soweit die Wohnungen erst errichtet werden sollen3. § 7 GrEStG verlangt aber, dass die Teilung des Grundstücks und die anschließende 4.387 Zuweisung der Sondereigentumseinheiten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgen4. Das Erfordernis eines engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, wohl aber aus seinem Sinn und Zweck. Denn diese Vorschrift will erkennbar nicht den Fall begünstigen, dass Miteigentümer mehrerer rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Grundstücke sich durch Tausch von Miteigentumsanteilen jeweils Alleineigentum verschaffen. Ließe man das Erfordernis eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs entfallen, wäre eine derartige „Aufteilung“ mehrerer nunmehr selbständiger Grundstücke entgegen dem Zweck der Norm immer dann begünstigt, wenn ihm irgendwann eine Grundstücksteilung vorausgegangen wäre5. An den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang sind keine überspitzten Anfor- 4.388 derungen zu stellen. Ein unmittelbares Aufeinanderfolgen der beiden Rechtsakte ist jedenfalls nicht erforderlich6. Es reicht vielmehr aus, wenn die zur Aufteilung erforderlichen Rechtsakte auf Grund „planmäßiger Durchführung“ in „engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ erfolgen7. Auch muss im Zeitpunkt der Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 277. BFH v. 30.7.1980 – II R 19/77, BStBl. II 1980, 667. Viskorf/Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 23. Siehe BFH v. 8.8.1990 – II R 20/88, BStBl. II 1990, 922; Viskorf/Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 27; Pahlke6, § 7 GrEStG Rz. 6; Bärmann/Seuß/Fischl7, Praxis des Wohnungseigentums, § 62 Rz. 5. 5 Viskorf/Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 27. 6 Viskorf/Viskorf20, § 7 GrEStG Rz. 28. 7 Vgl. BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 1995, 156. 1 2 3 4
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Kap. 4 Rz. 4.388 Wohnungs- und Teileigentum
Grundstücksteilung nicht bereits genau feststehen, welcher der Miteigentümer welches Grundstück erhalten soll. Die allgemeine Absicht der nachfolgenden Aufteilung der Grundstücke reicht insoweit aus1. Nach diesen Grundsätzen verneint die Rechtsprechung2 einen zeitlichen Zusammenhang, wenn bei der Aufteilung eines der Gesamthand gehörenden Grundstücks durch die Gesamthänder gem. § 8 WEG die neu entstandenen Wohnungseinheiten erst mehr als ein Jahr nach erfolgter Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseinheiten auf einzelne Gesamthänder übertragen werden. Ist aber zunächst ein Rechtsstreit mit den Eigentümern der übrigen Wohnungen auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung erforderlich, kann auch ein noch längerer Zeitraum unschädlich sein3. c) Entziehung des Wohnungseigentums
4.389 Hat sich ein Wohnungseigentümer einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht, können die anderen Wohnungseigentümer von ihm die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen (§ 18 WEG). Leistet er diesem Verlangen nicht freiwillig Folge, müssen die anderen Wohnungseigentümer gegen ihn ein Urteil auf Veräußerung seines Wohnungseigentums erwirken, welches die für die freiwillige Versteigerung des Wohnungseigentums und die für die Übertragung des Wohnungseigentums auf den Ersteher erforderlichen Erklärungen ersetzt (§ 19 WEG). Dieses Urteil lässt die Grunderwerbsteuer noch nicht entstehen, weil weder eine Verpflichtung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) noch eine Auflassungserklärung beider Beteiligten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) vorliegt4. Ein grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (Kaufvertrag) liegt vielmehr erst in der im Zuge der Versteigerung des Wohnungseigentums (§§ 53 f. WEG) stattfindenden Zuschlagserteilung (§ 57 WEG)5. d) Aufhebung von Wohnungseigentum
4.390 Wird die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgehoben (§ 17 WEG), tritt hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums keine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ein. Dagegen erwirbt jeder Beteiligte Miteigentum an den Wohnungen der übrigen Beteiligten; dies stellt einen grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsvorgang dar. Dem Wortlaut nach greift keine der Vergünstigungen der §§ 5 bis 7 GrEStG ein. In Umkehrung des Rechtsgedankens aus § 7 GrEStG i.V.m. § 5 GrEStG sind jedoch nur Wertverschiebungen im Sinne eines Mehrerwerbs zu besteuern6.
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BFH v. 8.8.1990 – II R 20/88, BStBl. II 1990, 922. Vgl. BFH v. 16.2.1994 – II R 96/90, BFH/NV 2 1995, 156. FG Düsseldorf v. 11.3.2009 – 7 K 3964/08 GE, EFG 2009, 1329: drei Jahre. Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 286. Behrens/Wachter/Lieber2, § 2 GrEStG Rz. 78. FinMin. Baden-Württemberg v. 27.9.2005 – 3-S 4514/19 –, juris; Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 285; Bärmann/Seuß/Fischl7, Praxis des Wohnungseigentums, § 62 Rz. 5.
678 Schallmoser
Rz. 4.410 Kap. 4
B. Steuerliche Fragen
3. Begründung, Aufhebung und entgeltliche Übertragung von Wohnungserbbaurechten Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können 4.391 die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (sog. Wohnungserbbaurecht bzw. Teilerbbaurecht, § 30 Abs. 1 WEG; s. Rz. 4.3). Nimmt der Erbbauberechtigte die Möglichkeit wahr, das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung des § 8 WEG teilen (§ 30 Abs. 2 WEG), kann es in diesem Zusammenhang zu grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsvorgängen i.S.d. § 1 GrEStG kommen, da das Erbbaurecht in § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleichgestellt wird. Die Ausführungen zum Wohnungs- und Teileigentum gelten insoweit entsprechend (s. Rz. 4.381 ff.). 4. Dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte; Dauerwohnrecht Durch die Einfügung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG – als Reaktion auf die Gestaltung 4.392 sog. Keller- und Garagenmodelle1 – hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte gem. § 15 WEG und eine Benutzungsregelung gem. § 1010 BGB der Grunderwerbsteuer unterliegen. Demgegenüber unterliegen in § 1 GrEStG bezeichnete Rechtsvorgänge, die ein Dauerwohnrecht – d.h. eine dingliche Grundstücksbelastung, nach der derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, unter Ausschluss des Eigentümers eine bestimmte Wohnung in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude zu bewohnen oder in anderer Weise zu nutzen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WEG) – nicht der Grunderwerbsteuer2. Entsprechendes gilt für das Dauernutzungsrecht an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen3 (s. Rz. 6.31). Im Einzelfall kann die Bestellung eines Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrechts den Tatbestand der Einräumung einer Verwertungsbefugnis erfüllen (§ 1 Abs. 2 GrEStG); die vertragliche Ausgestaltung des Rechts müsste aber so weit gehen, dass dem Berechtigten die Substanz an dem Gebäude oder Gebäudeteil zusteht4. 5. Bemessungsgrundlage Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung, die 4.393 der Erwerber zur Erlangung des Objektes zu dem vereinbarten Zustand aufbringen muss (s. Rz. 1.1118). Einstweilen frei.
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4.394–4.410
Vgl. Pause, NJW 1990, 3178. Behrens/Wachter/Lieber2, § 2 GrEStG Rz. 80. Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 289. Behrens/Wachter/Lieber2, § 2 GrEStG Rz. 80.
Schallmoser 679
Kap. 4 Rz. 4.411 Wohnungs- und Teileigentum
VI. Grundsteuer Literatur: Siehe vor Rz. 1.1330.
4.411 Die Erhebung der Grundsteuer entspricht dem Grunde nach und in ihrer wesentlichen Struktur der Verfassung; mit der Grundsteuer-Reform hat der Gesetzgeber geänderte Bewertungsmaßstäbe für die Berechnung der Grundsteuer ab dem 1.1.2025 geschaffen (s. Rz. 1.1330). 4.412 Für die Bemessung der Grundsteuer ist im Rahmen einer Hauptfeststellung zum 1.1.2022 (§§ 221 Abs. 1, 266 Abs. 1 BewG n.F.) die Neubewertung von Wohnungsund Teileigentum durchzuführen (zu Einzelheiten s. Rz. 4.252); die hierbei festgestellten Grundsteuerwerte werden im Rahmen der Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 der Grundsteuer-Festsetzung zugrunde gelegt (§ 266 Abs. 1 BewG, § 36 GrStG). Sodann werden die Grundsteuerwerte in Zeitabständen von je sieben Jahren – nach Maßgabe der Verhältnisse zu Beginn des jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkts – neu festgestellt (§ 221 Abs. 1, 2 BewG n.F.). Bei der Berechnung der Grundsteuer ist nach § 13 Abs. 1 GrStG von einem Steuermessbetrag auszugehen. Dieser ist durch Anwendung eines Promillesatzes (Steuermesszahl, § 15 GrStG) auf den Grundsteuerwert zu ermitteln. Der Steuermessbetrag wird mit dem jeweiligen Hebesatz der Gemeinde multipliziert. Mit der im Zuge der Grundsteuerreform eingeführten Öffnungsklausel (Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG) können die Bundesländer eigene Bewertungsvorschriften erlassen und dabei von den bundesgesetzlich geregelten Grundsteuerwerten abweichen. Hiervon haben bereits einige Länder Gebrauch gemacht (s. Rz. 1.1330). Zur Steuererhebung im Einzelnen s. Rz. 1.1332 ff. VII. Erbschaft- und Schenkungsteuer 1. Steuerbarkeit unbenannter (ehebedingter) Zuwendungen
4.413 Die gesetzlichen Ehegüterstände (Zugewinngemeinschaft als Regelgüterstand, Gütertrennung als subsidiärer Güterstand) sehen keinen Vermögensausgleich während bestehender Ehe (oder Lebenspartnerschaft; s. § 7 Satz 2 LPartG) vor. Vor diesem Hintergrund kann im Einzelfall ein berechtigtes Bedürfnis nach einem solchen Vermögensausgleich bestehen, bspw. wegen der Sicherung der Altersvorsorge des Ehe- oder Lebenspartners, wegen gleichberechtigter Teilhabe beider an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens, wegen besserer haftungsmäßiger Organisation des Familienvermögens oder wegen Schaffung einer gemeinsamen Wohngrundlage. Solchen Zwecken dienende Vermögensverschiebungen zwischen Ehe- oder Lebenspartnern werden als unbenannte oder ehebezogene Zuwendungen bezeichnet1.
1 Eingehend Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 7 ErbStG Rz. 170.
680 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.416 Kap. 4
Unbenannte Zuwendungen sind im Erbrecht grundsätzlich wie eine Schenkung zu 4.414 behandeln1. Die Schenkungsteuerpflicht solcher Zuwendungen beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Diese Regelung verlangt, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt; sie muss (objektiv) unentgeltlich sein, was nicht allein deswegen verneint werden kann, weil bspw. die Ehefrau den gemeinsamen Haushalt geführt, die gemeinsamen Kinder betreut und den Ehemann bei dessen geschäftlichen Aktivitäten unterstützt hat („Ausgleich für geleistete Mitarbeit und angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens“)2. Die grundsätzliche Steuerbarkeit unbenannter Zuwendungen bedeutet indes nicht, 4.415 dass Vermögensbewegungen zwischen Eheleuten stets Schenkungsteuer auslösen. Insbesondere der Erwerb oder die Herstellung einer Wohngrundlage rechtfertigt keine dahingehenden steuerlichen Belastungen. So sahen die (später aufgehobenen) gleich lautenden Ländererlasse vom 10.11.19883 vor, dass Zuwendungen an den Ehepartner, die mit dem Erwerb eines Familienwohnheimes zusammenhängen, generell nicht der Schenkungsteuer unterliegen sollten. Eine dahingehende Begünstigung ist nunmehr in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG enthalten. 2. Steuerbefreiung für Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) Literatur: Hardt, Ungelöste Probleme bei der Zuwendung des Familienwohnheims, ZEV 2004, 408; Wachter, Vorsicht bei Schenkungen des Familienwohnheims, ZNotP 2020, 97.
a) Übertragung unter Lebenden; gemischt genutzte Grundstücke Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten4 Ei- 4.416 gentum oder Miteigentum an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG) verschafft, sind dem Grunde nach steuerbar (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), sind jedoch nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG steuerbefreit, soweit darin eine Wohnung (tatsächlich) zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim; s. Rz. 1.1399 ff.). Gleiches gilt, wenn er den Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 letzter Halbs. ErbStG) oder wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 2 ErbStG). Es muss sich nicht notwendig um eine freigebige Zuwendung nach § 7
1 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, NJW 1992, 564 = MDR 1992, 264 = DNotZ 1992, 513. 2 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. II 1994, 366. 3 BStBl. I 1988, 513. 4 Die Regelung für Zuwendungen zwischen Lebenspartnern entsprechend (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 ErbStG).
Schallmoser 681
Kap. 4 Rz. 4.416 Wohnungs- und Teileigentum
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG handeln; die Vorschrift gilt auch für Abfindungsleistungen für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als Schenkungen unter Lebenden gelten. Die Steuerbefreiung bezieht sich nach ihrem Sinn und Zweck auch nicht nur auf das Haus verstanden als Gebäude, sondern auch auf das Grundstück, dessen wesentlicher Bestandteil es nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB ist1.
4.417 Beispiel: Facharzt Dr. R betreibt im Erdgeschoss seines Hauses eine Röntgenfachpraxis, die er bei seinem Eintritt in den Ruhestand an einen Kollegen vermietet. Im Obergeschoss wohnt Dr. R mit seiner Ehefrau. Er will seine Ehefrau an dem Anwesen beteiligen, ohne den Erbschaftsteuerfreibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Anspruch zu nehmen.
4.418 Nutzen Eheleute nur einen Teil des gemischt genutzten Grundstücks zu eigenen Wohnzwecken, während der andere Teil von Dritten bewohnt wird oder anderen als Wohnzwecken dient, und wendet der eine Ehegatte dem anderen freigebig das Eigentum oder Miteigentum an dem gesamten Grundstück zu, ist die Zuwendung nur hinsichtlich der von den Ehegatten selbst bewohnten Flächen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG steuerfrei2. b) Erwerb von Todes wegen
4.419 Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG wird der Erwerb des Familienheimes – auch von Wohnungseigentum, § 181 Abs. 1 Nr. 3 BewG – durch den überlebenden Ehepartner oder Lebenspartner von Todes wegen der Zuwendung unter Lebenden gleichgestellt. Dies gilt für jedes eigengenutzte Wohnungseigentum, gleich mit welcher Größe oder Ausstattung. Der Erwerber muss jedoch die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung übernehmen und diese zehn Jahre lang praktizieren, es sei denn, dass ihn zwingende Gründe an der weiteren Selbstnutzung hindern (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG, sog. Nachsteuervorbehalt, s. Rz. 1.1404). Dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, ob die Aufgabe des Eigentums an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb durch den überlebenden Partner auch dann nachsteuerschädlich ist, wenn jener das Familienheim weiter selbst zu Wohnzwecken nutzt. Dennoch hat der BFH3 die genannte Vorschrift in diesem Sinne – über ihren Wortlaut hinaus – ausgelegt. Das bedeutet: Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten – bspw. ein Kind – überträgt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs, der im Rahmen der Übergabe vereinbart wurde, fortsetzt4.
1 BFH v. 27.10.2010 – II R 37/09, BStBl. II 2011, 134; v. 26.2.2009 – II R 69/06, BStBl. II 2009, 480 (jeweils m.w.N.). 2 BFH v. 26.2.2009 – II R 69/06, BStBl. II 2009, 480. 3 BFH v. 11.7.2019 – II R 38/16, BStBl. II 2020, 314. 4 Zu möglichen Vermeidungsstrategien und Reparaturmöglichkeiten s. Wachter, ZNotP 2020, 97.
682 Schallmoser
B. Steuerliche Fragen
Rz. 4.444 Kap. 4
Auch Kinder oder Kinder verstorbener Kinder (sog. Waisenenkel) können nach 4.420 § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG eine Steuerbefreiung beanspruchen, jedoch nur bezüglich einer Wohnfläche bis zu 200 qm. Bei dieser Beschränkung des Erwerbs mittels einer quantitativen Angemessenheitsgrenze handelt es sich um eine Art „Freibetrag“; wird die Fläche überschritten, tritt nur hinsichtlich dieses übersteigenden Anteils die Steuerpflicht ein1 (s. Rz. 1.1405). Einstweilen frei.
4.421–4.440
VIII. Abgabenrechtliche Fragen 1. Allgemeines Aufgrund der dem Wohnungseigentumsverwalter obliegenden Vermögensverwaltung hat die Verwalterabrechnung die Entwicklung des Rücklagenkontos sowie der Erträge und Unkosten der Eigentümergemeinschaft zu enthalten2.
4.441
2. Steuerliche Pflichten des Verwalters Nach § 27 Abs. 1 Nr. 6 WEG hat der Verwalter die der Gemeinschaft zustehenden 4.442 „eingenommen Gelder“ zu verwalten. Die Aufgabe der Vermögensverwaltung umfasst auch die Berechtigung gem. Abs. 1 Nr. 4 und 5 und Abs. 2 Nr. 3 dieser Bestimmung, alle Leistungen zu bewirken und entgegenzunehmen, die mit der laufenden Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenhängen und Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Wohnungseigentumsverwalter stehen in einem besonderen Pflichtenverhältnis zur 4.443 Finanzverwaltung. Nach § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die gesetzlichen Pflichten eines gesetzlichen Vertreters, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Gemäß § 34 Abs. 3 AO haben Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, denen natürliche oder juristische Personen unterliegen. Daraus ergeben sich Buchführungspflichten, Auskunftspflichten und darüber hinaus die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, über die die Vermögensverwalter verfügen3. Der Wohnungseigentumsverwalter ist aufgrund der Verpflichtungen, die ihm das 4.444 Wohnungseigentumsgesetz auferlegt, als Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO anzusehen4, ggf. auch als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümergemein-
1 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 13 ErbStG Rz. 75a; Bärmann/Seuß/Fischl7, Praxis des Wohnungseigentums, § 65 Rz. 29. 2 Ausführlich hierzu Staudinger/Häublein, § 28 WEG Rz. 59 ff. 3 Vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 34 AO Rz. 45 ff. 4 BMF v. 5.11.2002 – IV C 1-S 2401-22/02, BStBl. I 2002, 1338 Tz. 43; vgl. a. BMF v. 26.10.1992 – IV B 4-S 2000-252/92, BStBl. I 1992, 693 Tz. 7.
Schallmoser 683
Kap. 4 Rz. 4.444 Wohnungs- und Teileigentum
schaft (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 AO)1. Gemäß § 69 Satz 1 AO haftet er, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge von vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolge dessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
4.445 Sofern die Eigentümergemeinschaft für alle oder einzelne Wohnungseigentümer zur Umsatzsteuer optiert, treffen den Wohnungseigentumsverwalter die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungs- und Zahlungsverpflichtungen. Dem Sondereigentümer, zu dessen Gunsten optiert wurde, ist eine gesonderte Rechnung zu erteilen. 3. Gesonderte Feststellung gem. § 180 AO
4.446 Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte ganz oder teilweise gesondert festgestellt, wenn an dem Gegenstand der Einkunftserzielung mehrere Personen beteiligt sind (z.B. bei Zinsen aus der Reparaturrücklage, Vermietung der Hausmeisterwohnung oder von Gemeinschaftsparkplätzen, Erträge aus der Einspeisung von Strom aus einem durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft als gewerbliche Mitunternehmerschaft betriebenen Blockheizkraftwerk). 4.447 Erzielen die Beteiligten einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit den auf die Anlage der Instandhaltungsrücklage gezahlten Zinsen gemeinschaftlich Einnahmen aus Kapitalvermögen, die dem Verwalterkonto zufließen, wären diese daher nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO grundsätzlich einheitlich und gesondert festzustellen. Die Finanzbehörden sehen es aber im Allgemeinen als ausreichend an, wenn der Wohnungseigentumsverwalter die anteiligen Einnahmen aus Kapitalvermögen nach dem Verhältnis der Mieteigentumsanteile aufteilt und sie dem einzelnen Wohnungseigentümer mitteilt2. In diesem Fall kann von einer gesonderten Feststellung abgesehen werden. Im Rahmen der laufenden Verwaltung von Wohnungs- und Teileigentum besteht daher regelmäßig kein Bedürfnis für die Erstellung eines Feststellungsbescheides, so dass alle Wohnungseigentümer, gestützt auf die Angaben des Verwalters in seiner Abrechnung, ihren Anteil an den Erträgen der Eigentümergemeinschaft selbst zu ermitteln und in ihrer Steuererklärung anzugeben haben. Hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zum Betrieb eines Blockheizkraftwerks begründet, ist für sie ein Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO durchzuführen3.
1 BFH v. 20.9.2018 – IV R 6/16, BStBl. II 2019, 160 = DStR 2019, 36 = NJW 2019, 387 = ZWE 2019, 332 = MittBayNot 2019, 405, zum Betrieb eines Blockheizkraftwerks durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft als gewerbliche Mitunternehmerschaft. 2 BMF v. 5.11.2002 – IV C 1-S 2401-22/02, BStBl. I 2002, 1338 Tz. 43. 3 BFH v. 20.9.2018 – IV R 6/16, BStBl. II 2019, 160 = DStR 2019, 36 = NJW 2019, 387 = ZWE 2019, 332 = MittBayNot 2019, 405.
684 Schallmoser
Kapitel 5 Erbbaurecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts I. Abgrenzung zu anderen dinglichen Rechten . . . . . . . . . . . . . . II. Errichtung eines Bauwerks – Bebautes Grundstück . . . . . . . . III. Sachenrechtsbereinigungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Belastungsgegenstand . . . . . . . . V. Dauer des Erbbaurechts . . . . . . VI. Absolut erste Rangstelle . . . . . . VII. Dinglicher Inhalt des Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Regelungen . . . . . 2. Fakultativer vertragsmäßiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungen über die Errichtung, Instandhaltung und die Verwendung des Bauwerkes . . . . . . . . . . . . . . b) Versicherung des Bauwerks und sein Wiederaufbau im Falle der Zerstörung, § 2 Nr. 2 ErbbauRG . . . . . . . . . . . . . . c) Tragung der öffentlichen und privatrechtlichen Lasten und Abgaben, § 2 Nr. 3 ErbbauRG . . . . . . d) Regelungen zum Heimfall, § 2 Nr. 4 ErbbauRG . . e) Vertragsstrafen, Erneuerungsvorrecht und Verkaufsverpflichtung, § 2 Nr. 5 ErbbauRG . . . . . . f) Zustimmungsvorbehalt für Belastung und Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Erbbauzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die versteigerungsfeste Erbbauzinsreallast . . . . . . . . . . .
5.1
5.5 5.8 5.10 5.11 5.15 5.18 5.22 5.24 5.30
5.31
5.37
5.38 5.41
5.50 5.53 5.54 5.60
C. Einkommensteuer I. Erstmalige Bestellung eines Erbbaurechtes an einem unbebauten Grundstück . . . . . . . . 1. Behandlung im Privatvermögen gehaltener Grundstücke beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten) . . 2. Behandlung im Betriebsvermögen gehaltener Grundstücke beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten) a) Einnahmen . . . . . . . . . . . . . b) Entnahme . . . . . . . . . . . . . . II. Behandlung beim Erbbauberechtigten 1. Laufende Werbungskosten/ Betriebsausgaben . . . . . . . . . . . 2. Anschaffungskosten/vorausbezahlter Erbbauzins/Rechnungsabgrenzungsposten . . . . 3. Art und Maß der Absetzung für Abnutzung, Gebäude . . . . 4. Erbbauzinsen keine Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechtes an bebautem Grundbesitz 1. Veräußerung aus dem Privatvermögen und § 23 EStG . 2. Gewerblicher Grundstückshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veräußerung aus dem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . IV. Veräußerung eines bebauten Erbbaurechts 1. Veräußerung aus dem Privatvermögen, § 23 EStG und gewerblicher Grundstückshandel . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung aus dem Betriebsvermögen . . . . . . . . . .
5.61
5.62
5.72 5.73
5.84 5.87 5.91 5.94
5.96 5.105 5.106
5.111 5.114
Rapp/Schallmoser 685
Kap. 5 Erbbaurecht V. Heimfall und Erlöschen des Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollständiger Ausschluss einer Abfindung . . . . . . . . . . . 2. Mit Abfindungszahlung . . . . 3. Nacherwerb des Grundstücks und Aufhebung des Eigentümererbbaurechts . . . . 4. Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks . . . . . VI. Bilanzielle Darstellung eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Behandlung von Erschließungskosten im Rahmen von Erbbaurechtsverträgen 1. Behandlung beim Erbbauberechtigten . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Bereich des Privatvermögens . . . . . . . . . . . . . b) Zum Bereich des Betriebsvermögens . . . . . . 2. Behandlung beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten) . . . . . . . . . . . . a) Zum Bereich des Privatvermögens . . . . . . . . . . . . . b) Zum Bereich des Betriebsvermögens . . . . . . D. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . I. Beim Erbbauberechtigten . . . . II. Beim Grundstückseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bewertungsrecht I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Erbschaftund Schenkungsteuer 1. Zwei wirtschaftliche Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertermittlung für Erbbaurecht und Erbbaugrundstück a) Vergleichswert . . . . . . . . . . b) Einzelbewertung des Erbbaurechts nach finanzmathematischer Methode, § 193 Abs. 2 bis 5 BewG aa) Bodenwertanteil . . . . . bb) Gebäudewertanteil . .
686 Rapp/Schallmoser
5.117 5.118 5.121 5.123 5.128 5.130
5.134 5.135 5.136 5.138 5.139 5.142 5.145 5.146 5.153 5.191
5.196
5.197
5.198 5.199
c) Einzelbewertung des Erbbaugrundstücks nach finanzmathematischer Methode, § 194 Abs. 2 bis 4 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Grunderwerbsteuer 1. Erwerb ohne Gegenleistung und Bedarfsbewertung in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung des Werts für Erbbaurecht und Erbbaugrundstück im Vergleichswertverfahren . . . . . . . . . . . . . IV. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Grundsteuer 1. Eine wirtschaftliche Einheit . 2. Ermittlung des Gesamtwerts . F. Schenkungsteuer I. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . III. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedarfsbewertung . . . . . . . . . . . G. Grunderwerbsteuer I. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage 1. Veräußerung des Erbbaugrundstücks . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsträgerwechsel beim Erbbaurecht mit Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsträgerwechsel beim Erbbaurecht ohne Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei Aufhebung, Erlöschen durch Zeitablauf und Heimfall . . . . . . . . . IV. Grunderwerbssteuerbefreiung und -erstattung bei der Rückübertragung von Erbbaurechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verlängerung des Erbbaurechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Erfordernis der Unbedenklichkeitsbescheinigung . . . . . . . VII. Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks . . . . . .
5.201
5.205
5.207
5.210 5.211 5.219 5.225 5.230 5.231 5.241
5.245 5.246 5.249
5.250
5.271 5.273 5.274 5.276
Erbbaurecht VIII. Gebäudeherstellungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . X. Bedarfsbewertung . . . . . . . . . . . H. Umsatzsteuer I. Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . II. Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erbbaurecht als umsatzsteuerrechtliche Dauerleistung . . . . . J. Grundsteuer I. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . III. Bedarfsbewertung . . . . . . . . . . .
5.277 5.278 5.279 5.306 5.307 5.308 5.310 5.311 5.312
Kap. 5
K. Checkliste Erbbaurecht . . . . . . . L. Veräußerung eines Erbbaurechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundbuchstand . . . . . . . . . . . . . II. Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Veräußerung und Belastung . . . . . . III. Fälligkeitsregelungen . . . . . . . . . IV. Rechtskauf – Sachkauf . . . . . . . . V. Eintritt in den Erbbaurechtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vertragsmuster . . . . . . . . . . . . . .
5.316 5.331 5.332
5.333 5.336 5.338 5.340 5.361
Literatur (Auswahl – Zivilrecht): Amann, Erbbauzinslose kommunale Erbbaurechte infolge Ersitzung?, DNotZ 2017, 328; ders., Erbbaurechtsverlängerung durch den Eigentümer zur Abwendung seiner Entschädigungspflicht für das Bauwerk, MittBayNot 2019, 539; Bamberger/Roth/Hau/Posak, BGB, 4. Aufl. 2019, Erbbaurecht bearbeitet von Maass; Böttcher, Entwicklungen beim Erbbaurecht und Wohnungseigentum seit 2000, RPfleger 2004, 21; Böttcher, Zulässigkeit und Probleme von gesamten Rechten an Grundstücken, MittBayNot 1993, 129; Böttcher, Entwicklungen beim Erbbaurecht, Rpfleger 2004, 21; 2007, 526; 2009, 550; Böttcher, Praktische Fragen des Erbbaurechts, 9. Aufl. 2020; Bräuer, Die zwangsversteigerungsfeste Erbbauzins-Reallast, RPfleger 2004, 401; Buchner, Der Verkehrswert erbbaurechtsbelasteter Grundstücke bei bestehender Ankaufsverpflichtung, FS Schippel (1996), S. 111 ff.; Demmer, Kaufzwangklauseln in Erbbaurechtsverträgen, NJW 1983, 1636; Didekind, Konflikt zwischen Erbbauzinsreallast und Finanzierungsgrundpfandrecht, MitRhNot 1993, 109; Diekgräf, Gesamterbbaurecht am ideellen Miteigentumsanteil eines Zuwegungsgrundstücks, DNotZ 1996, 338; Dieckmann, Das Vorkaufsrecht der Gemeinschaft der Wohnungserbbauberechtigten am Erbbaugrundstück, ErbbauZ 2020, 173; ders., Der Rangvorbehalt nach § 881 BGB für ein Erbbaurecht (Erbbaurechts-Vorrang-Vorbehalt), ErbbauZ 2021, 104; ders., Erbbaurecht pret-a-porter, ErbbauZ 2021, 136; Eichel, Neuregelung des Erbbauzinses nach dem SachenRÄndG, MittRhNotK 1995, 193; Eisele, Verfassungsrechtliche Zweifel an der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Erbbaurechten, DStR 2002, 1654; Eisele, Die steuerliche Bedarfsbewertung von Grundvermögen im Anwendungsbereich der §§ 148, 149 BewG, ZEV 2000, 139; Esser, Richterrecht und Privatautonomie im Erbbaurecht, NJW 1974, 921; Freckmann/ Frings/Grziwotz, Das Erbbaurecht in der Finanzierungspraxis, 3. Aufl. 2018; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 9. Aufl. 2011; Gebel, Zuwendung von Erbbaurechten, BB 2002, 2365; Götz, Die Beleihbarkeit von Erbbaurechten, DNotZ 1980, 3; Graf Wolffskeel von Reichenberg in Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 4 Erbbaurecht; Graf Wolffskeel von Reichenberg, Eigentümer und Verwalterzustimmung bei Veräußerung von Wohnungserbbaurechten, ErbbauZ, 2020, 130; ders., Der Verkauf eines Erbbaurechtes als Vorkaufsfall, NJW 2019, 354; Grauel, Einbeziehung eines selbständigen Grundstücks in ein bestehendes Erbbaurecht, ZNotP 1998, 71; Grauel, Teilung eines Erbbaurechts, ZNotP 1997, 21; Groth, Erbbaurecht ohne Erbbauzins, DNotZ 1983, 652; 1984, 372; Habel, Rechtliche und wirtschaftliche Folgen zum Untererbbaurecht, MittBayNot 1998, 315; Heinemann, Das Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Grundstückseigentümers nach § 7 Abs. 3 ErbbauRG, ErbbauZ 2020, 34; Heller, Erhöhung des Erbbauzinses bei Veräußerung des Erbbau-
Rapp/Schallmoser 687
Kap. 5 Erbbaurecht rechts? BWNotZ 1966, 98; Henseler, Die Teilung eines Erbbaurechts, AcP 161 (1962), 44; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 11. Aufl. 2018; Kesseler, Die Sicherung des Erbbauzinses ohne Reallast, Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, 169; Knothe, Das Erbbaurecht 1987; Kollhosser, Kaufzwangklauseln in Erbbaurechtsverträgen, NJW 1974, 1302; Krämer, Grenzüberschreitende Bebauung benachbarter Grundstücke in Ausübung von Erbbaurechten, DNotZ 1974, 647; Lemke, Immobilienrecht, Kommentar 2. Aufl. 2015, Erbbaurecht bearbeitet von Czub; Limmer, Erbbaurecht, 2001; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl. 2003; Lohaus, Erbbaurecht und Grunderwerbsteuer, NotBZ 2001, 53; Lutter, Gesamterbbaurecht und Erbbaurechtsteilung, DNotZ 1960, 80; Maaß, Das Erbbaurecht unter besonderer Berücksichtigung der durch das SachenRÄndG eingeführten Neuregelungen, DStR 1995, 1230; Maaß, Die Beendigung des Erbbaurechts, NotBZ 2002, 389; Macke, Die rechtliche Behandlung von Kaufzwangklauseln in Erbbaurechtsverträgen, NJW 1977, 2233; Münchener Kommentar/Heinemann, 8. Aufl. 2020, ErbbauRG (Bd. 3, Sachenrecht); Muth, Der Rang des Erbbauzinses als Streitpunkt zwischen Darlehensgeber und Grundstückseigentümer, WM 1985, 1281; NK-BGB/Heller, 4. Aufl. 2016; von Oefele, Hauptsacheeigenschaft des Bauwerks gemäß § 1 Abs. 2 ErbbauVO, MittBayNot 1992, 29; von Oefele, Vorschläge zur Erbbaurechtsreform, DNotZ 2011, 503; Ott, Änderung des Ausübungsbereiches beim bestehenden Erbbaurecht, notar 2014, 265; Ott, Das Erlöschen des Erbbaurechtes, notar 2015, 75; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, Erbbaurecht bearbeitet von Wicke; Rapp, Identische Strukturen bei Erbbaurecht und Wohnungseigentum, FS Joachim Wenzel, 2005, S. 271 ff.; Rapp, Die versteigerungsfeste Erbbauzinsreallast, FS für Brambring 2011, S. 305 ff.; Rapp, Erbbaurecht und Dienstbarkeiten – sichere Vertragsgestaltung für Dienstbarkeitsberechtigte sowie Grundstückseigentümer, ZfIR 2017, 89; ders., Erbbaurecht: Kein Widerruf der Veräußerungszustimmung des Grundstückseigentümers, DNotZ 2018, 413; Rethmeier, Rechtsfragen des Wohnungserbbaurechtes, MitRhNot 1993, 145; Reul, Der Zustimmungsvorbehalt bei der Belastung eines Erbbaurechtes, Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, 217; Riedel, Gesamterbbaurecht und Erbbaurechtsteilung, DNotZ 1960, 375; Rothoeft, Grenzüberschreitende Bebauung bei Erbbaurechten, NJW 1974, 665; Schlögel, Einheimischenmodelle und Erbbaurecht, ZfIR 2016, 175; Schmenger, Aktuelle Fragen des Erbbaurechts, BWNotZ 2006, 73; Schneider, Das Untererbbaurecht, DNotZ 1976, 411; Schraepler, Gemeinsames Bebauen benachbarter Grundstücke im Erbbaurecht, NJW 1972, 1981; Schraepler, Gebäudeschicksal nach Heimfall oder Erlöschen von Nachbarerbbaurechten, NJW 1973, 738; Schreiber/Ruge, Immobilienrechthandbuch, 4. Aufl. 2020, Erbbaurecht Kap. 10 bearbeitet von Ruge; Schreinert, Aktuelles zum Erbbaurecht, notar 2019, 363; Stahl/Zura, Formen der Bestellung eines Erbbaurechts, DNotZ 1981, 604; Staudinger/Rapp, ErbbauRG, 2021; Stöber, Erlöschen der Auflassungsvormerkung und Erbbauzins-Reallast bei der Insolvenzverwalterversteigerung, NJW 2000, 3600; Teerstegen, Der Überbau in der notariellen Praxis, RNotZ 2006, 433; Tradt, Der Erbbauzins und die Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes, DNotZ 1994, 370; Weber, Rangvorbehalt bei der neuen Erbbauzinsreallast, Rpfleger 1998, 5; Wilhelm, Ersitzung als Rechtsgrund?, NJW 2017, 993; Wilsch, Das kommunalaufsichtliche Genehmigungserfordernis von Erbbaurechten im Grundbuchverfahren, ErbbauZ 2020, 170; ders., NotarFormulare Erbbaurecht, 2016; Winkler, Das Erbbaurecht, NJW 1992, 2514; Winkler, Erbbaurechtsbestellung durch den nichtbefreiten Vorerben ohne Zustimmung des Nacherben, DNotZ 1970, 651; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht, 7. Aufl. 2021; Wufka, Rechtseinheit zwischen Kausalgeschäft und Einigung bei Erbbaurechtsbestellungen, DNotZ 1985, 651; Wufka, Der Erbbauzins in der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts, DNotZ 1970, 390; Wufka, Erbbaurechtsveräußerung und Erbbauzins, DNotZ 1987, 362; Wufka, Einzelproblembereiche des Erbbaurechts, MittBayNot 1989, 13. Literatur (Auswahl – Steuern): Albrecht, Die neue Bewertung des Erbbaurechts und des belasteten Grundstücks, DStR 1998, 147; Behrens/Meyer-Wirges, Erbbaurechte im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2006, 1866; Bleschick, Veräußerung eines unentgeltlich bestellten Erbbau-
688 Rapp/Schallmoser
A. Einführung
Rz. 5.2 Kap. 5
rechts kein privates Veräußerungsgeschäft, EStB 2018, 129; Drasdo, Die grunderwerbsteuerlichen Folgen der Verlängerung eines Erbbaurechts, ZfIR 2021, 316; Durst, Erbbaurecht: Zivil- und steuerrechtliche Gestaltungen, KÖSDI 2006, 15250; Fabry, Versagung des Sofortabzugs von vorausgezahlten Erbbauzinsen im Privatvermögen durch die Finanzverwaltung, DStR 1997, 691; Flues, Umsatzsteuerklauseln bei Grundstückskaufverträgen (einschließlich der Rechtslage bei Erbbaurechten), RNotZ 2012, 528; Halaczinsky, Keine Erhöhung der steuerlichen Bedarfswerte durch das Jahressteuergesetz 2007, DStR 2007, 326; Lohmeyer, Die Einkommen- und gewerbesteuerliche Behandlung der Erbbauzinsen, DStZ 1983, 144; Kleisel, Grunderwerbsteuerliche Behandlung von Erbbaurechtsvorgängen, MittBayNot 1973, 187; Korn, Betriebsaufgabe eines Landwirts bei Erbbaurechtsbestellung, KÖSDI 1998, 11672; Küster, Entrichtung des Erbbauzinses in einem Einmalbetrag bei einem Erbbaurecht im Privatvermögen, NWB Fach 3, 9983; Küster, Aufwendungen für ein Erbbaurecht im Privatvermögen, NWB Fach 3, 9587; Mathiak, Rechtsprechung des BFH zum Bilanzsteuerrecht – Erbbaurecht als Wirtschaftsgut und Bilanzierung, DStR 1992, 449, 451; Paus, Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken und Erbbaurechtsbestellung, NWB Fach 3, 12083; G. Söffing, Umfang des Betriebsvermögens bei gewerblichem Grundstückshandel, NWB Fach 3, 10665; Spindler, Zur steuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten, DB 1994, 650; Sproß, Das Erbbaurecht, DStZ 1994, 673; Stuhrmann, Die steuerrechtliche Behandlung vorausgezahlter Erbbauzinsen, Stbg 1997, 108; Weinmann, Grundstücksbewertung für Erbschaftsteuerzwecke unter Berücksichtigung der gleichlautenden Ländererlasse, ZEV 1997, 359; Bilanzierung von Erbbaurechten, DStZ 1984, 378; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht, 7. Aufl. 2021.
A. Einführung Das Erbbaurecht hat zivil- wie steuerrechtlich eine Doppelnatur1. Einerseits ist es 5.1 selbst ein grundstücksgleiches Recht; andererseits stellt es eine Grundstücksbelastung dar und gewährt ein Nutzungsrecht an fremdem Grund und Boden, nämlich das veräußerliche und vererbliche Recht, auf einem Grundstück ein Bauwerk zu haben. Diese Doppelnatur hat auch Auswirkungen auf die einkommensteuerliche Behandlung des Erbbaurechts. Die Bedeutung des Erbbaurechts besteht steuerlich vor allem darin, dass wirtschaftli- 5.2 che Situationen geschaffen werden können, als wäre ein Veräußerungsvorgang durchgeführt worden. Gleichwohl treten die steuerlichen Konsequenzen eines Veräußerungsvorgangs nicht ein, soweit der Vorgang steuerlich als Nutzungsüberlassung gegen Entgelt zu werten ist. Aus diesem Grunde lässt sich das Erbbaurecht insbesondere in folgenden Konstellationen zur Vertragsgestaltung fruchtbar machen: – zur Vermeidung eines privaten Veräußerungsgeschäftes gem. § 23 EStG (vgl. Rz. 5.98, Rz. 5.111 ff. und Kap. 12), – zur Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels (vgl. Rz. 5.105, Rz. 5.113 und Kap. 11),
1 Vgl. Grüneberg/Wicke81, Vor ErbbauRG Rz. 3.
Rapp 689
Kap. 5 Rz. 5.2 Erbbaurecht
– zur Verkürzung der Absetzungszeiten im Rahmen der AfA1, (s. Rz. 5.92), – zur Vermeidung der Entnahme von Betriebsvermögen eines Landwirtes oder sonstigen Gewerbetreibenden, (s. Rz. 5.73 ff.) und – zur Vorbereitung einer vorweggenommenen Erbfolge2.
5.3 Hinsichtlich der Besteuerung eines Erbbaurechts ist zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen erstmalig ein Erbbaurecht bestellt wird, und denen, in welchen ein bereits bestelltes Erbbaurecht veräußert wird. In der ersten Fallgruppe unterscheiden sich die Rechtsfolgen wesentlich danach, ob das Grundstück, an dem das Erbbaurecht bestellt werden soll, bereits bebaut war oder ob dies erst nach der Erbbaurechtsbestellung durch den Erbbauberechtigten erfolgen soll. 5.4 Bevor die steuerlichen Folgen des Erbbaurechts näher beleuchtet werden, seien im Folgenden die zivilrechtlichen Grundlagen erläutert.
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts I. Abgrenzung zu anderen dinglichen Rechten
5.5 Das Erbbaurecht unterscheidet sich von anderen Nutzungsrechten wie Dienstbarkeiten oder dem Nießbrauchsrecht durch seine Vererblichkeit und Veräußerlichkeit. Das Erbbaurecht wird daher üblicherweise ins Auge gefasst, wenn der Nutzungsinteressent ein Bauwerk errichten will und die langfristige Nutzung im Vordergrund steht – einschließlich der Möglichkeit der Verwertung des Nutzungsrechts. Die Vererblichkeit und Veräußerlichkeit des Erbbaurechts gehört zu den zwingenden Mindestanforderungen eines Erbbaurechts, ohne die ein Erbbaurecht nicht entstehen kann3, § 1 Abs. 1 ErbbauRG. Das Erbbaurecht führt zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Trennung von Grundstück und darauf befindlichen Gebäuden. Der Grundsatz der rechtlichen Einheit von Grundstück und Gebäude wird daher beim Erbbaurecht aufgehoben. Das Gebäude wird nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG zum wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts und gehört damit dem Inhaber des Erbbaurechts. Das Gebäude ist in Bezug auf das Grundstück Scheinbestandteil gem. § 95 Abs. 1 BGB. 5.6 Vom Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. § 31 WEG unterscheidet sich das Erbbaurecht insbesondere im Hinblick auf seine Beleihbarkeit. Während das Erb1 Lohmeyer, DStZ 1983, 144 ff.; vgl. BFH v. 7.6.1972 – I R 199/70, BStBl. II 1972, 850 = DB 1972, 1960; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 104. Der Ausschluss einer Entschädigungsforderung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG kann den Effekt noch verstärken. 2 So z.B., wenn die vorweggenommene Erbfolge aufgrund von Gleichstellungsgeldern als teilentgeltliches Rechtsgeschäft zu werten wäre und in diesem Fall ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht würde. Hier lässt sich bis zum Ablauf der zehnjährigen Veräußerungsfrist ein Erbbaurecht zugunsten des Abkömmlings bestellen und anschließend auch der Grund und Boden übertragen. 3 Ingenstau/Hustedt11, § 1 ErbbauRG Rz. 49; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 25, 28.
690 Rapp
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.10 Kap. 5
baurecht mit Grundpfandrechten belastet werden kann und damit dem Erbbauberechtigten eine wirtschaftlich wesentlich stärkere Position einräumt, kann das Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht nur durch Verpfändung des Rechts beliehen werden. Diese Art der Kreditsicherung findet in der Praxis eine deutlich geringere Akzeptanz. Das Erbbaurecht entsteht gem. § 873 BGB durch Einigung des Grundstückseigen- 5.7 tümers mit dem Erbbauberechtigten und Eintragung des Rechts im Grundbuch, § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG. Die dingliche Einigung für die Entstehung des Erbbaurechts ist materiell rechtlich formlos wirksam, § 11 ErbbauRG i.V.m. § 873 BGB. § 925 BGB findet darauf keine Anwendung1, § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG. Die Eintragung des Erbbaurechts als Belastung des dienenden Grundstücks erfolgt in Abteilung II des Grundbuchs. Für das Erbbaurecht selbst wird ein eigenes Grundbuchblatt angelegt. Das schuldrechtliche Grundgeschäft bedarf nach § 11 Abs. 2 ErbbauRG i.V.m. § 311b BGB der notariellen Beurkundung. II. Errichtung eines Bauwerks – Bebautes Grundstück Gemäß § 1 Abs. 1 ErbbauRG kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass 5.8 dem Dritten das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Das Erbbaurecht erstreckt sich dabei grundsätzlich nicht nur auf das Gebäude, sondern wird in der Regel auch auf den für das Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Grundstücks erstreckt. Das Bauwerk muss dabei jedoch wirtschaftlich die Hauptsache bleiben, § 1 Abs. 2 ErbbauRG2. Vom Wohnungseigentum unterscheidet sich das Erbbaurecht auch dadurch, dass ein „Bauwerk“ kein „Gebäude“ sein muss. Auch an bebauten Grundstücken kann ein Erbbaurecht bestellt werden mit der Fol- 5.9 ge, dass gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG das Bauwerk in das Eigentum des Erbbauberechtigten übergeht und dieser befugt ist, das Bauwerk zu nutzen. III. Sachenrechtsbereinigungsgesetz Durch die Wiedervereinigung hat das Erbbaurecht eine besondere Bedeutung er- 5.10 langt. Im Bereich des früheren Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB) mit den vielen eigentumsähnlichen, meist grundbuchmäßig nicht erfassten Nutzungsrechten hat der Gesetzgeber durch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz3 vom 21.9.1994 den Konflikt zwischen dem Grundstückseigentümer einerseits und dem Hersteller des Gebäudes andererseits zu lösen versucht. Dadurch konnte das Gebäuderecht der DDR in ein Rechtsinstitut des BGB übergeleitet werden. Gemäß § 32 SachenRBerG haben Nut-
1 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1715. 2 Vgl. dazu auch BGH v. 10.1.1992 – V ZR 213/90, MDR 1992, 581 = NJW 1992, 1681 = DNotZ 1992, 566, zum Begriff „Bauwerk“ s. Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 12. 3 BGBl. I 1994, 2457.
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Kap. 5 Rz. 5.10 Erbbaurecht
zer und Eigentümer das Recht, den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages zu verlangen. IV. Belastungsgegenstand
5.11 Als Belastungsgegenstand eines Erbbaurechts kommt nur das gesamte Grundstück in Betracht1; die bloße Belastung eines Miteigentumsanteils ist hingegen nicht zulässig2, da das Erbbaurecht ein Gebrauchsrecht ist und das ganze Grundstück unmittelbar betrifft. Möglich ist es jedoch, ein Erbbaurecht mit einem Erbbaurecht zu belasten (Untererbbaurecht). Grundstück in diesem Sinne ist ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer eigenen laufenden Nummer vorgetragen ist. Die Bestellung eines an einem vermessenen Flurstück, das im Grundbuch aber noch als Teil einer Grundstückseinheit eingetragen ist, ist daher ausgeschlossen. In diesem Falle muss das Grundstück zuerst in zwei Grundstücke geteilt werden. Soll ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz bereits aufgeteiltes Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet werden, so sind hierfür Besonderheiten zu beachten3. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen zunächst ein gesamtes Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet wird und anschließend das Erbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt wird, § 30 WEG4 (Wohnungserbbaurecht). 5.12 Soll sich das Erbbaurecht lediglich auf einen Teil eines Grundstücks im Rechtssinne erstrecken, so ist eine echte Teilflächenbelastung nicht zulässig. Das Grundstück ist – soweit noch nicht vermessen – zu vermessen und nach § 7 GBO als selbständiges Grundstück im Grundbuch einzutragen5. Der schuldrechtliche Vertrag über die Bestellung des Erbbaurechts kann auch schon vor der Vermessung unterzeichnet werden; die Entstehung des Erbbaurechts erfolgt dann aber erst nach der Vermessung mit Eintragung in das Grundbuch. In einem solchen Fall sollten die zukünftigen Grenzen des mit dem Erbbaurecht zu belastenden Flurstücks so genau wie möglich bezeichnet werden. Ist die Abrede zu unbestimmt, kann der Vertrag unwirksam sein6. Zur Vermeidung dessen wird üblicherweise einem Vertragsteil das Bestimmungsrecht nach § 315 BGB eingeräumt. Die bloße Angabe der Größe der Teilfläche ohne Bestimmung von dessen Lage ist nicht ausreichend7. Wird sowohl eine Quadratmetergröße angegeben und eine Bezeichnung der Lage des Flurstücks in einem Lageplan bezeichnet, so ist zu regeln, welche Angabe vorrangig gelten soll. 1 KG v. 16.4.1991 – 1 W 7518/88, NJW-RR 1992, 214 = DNotZ 1992, 312. 2 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1692; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 15a. 3 OLG Hamm v. 27.3.1998 – 15 W 332/97, NJW-RR 1999, 234 = MittBayNot 1998, 347 = DNotI-Rep 1998, 13 ff.; hierzu Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 15. 4 Vgl. dazu Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1437 ff.; Staudinger/Rapp, § 30 WEG Rz. 1 ff. 5 Grüneberg/Wicke81, § 1 ErbbauRG Rz. 1; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 16. 6 Zur Änderung des Ausübungsbereiches eines bestehenden Erbbaurechtes s. Ott, notar 2014, 267. 7 BGH v. 8.11.1968 – V ZR 58/65, MDR 1969, 126 = NJW 1969, 132 = BB 1969, 382; v. 19.4.2002 – V ZR 90/01, MDR 2002, 1001 = NJW 2002, 2247 = DNotZ 2002, 937.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.15 Kap. 5
Fehlt eine solche Angabe, so hat im Zweifel der Plan Vorrang vor der Flächenangabe1. Der Erbbauzins wird in diesen Fällen meist als Ca.-Größe vereinbart, die nach Vorliegen des Messungsergebnisses entsprechend der tatsächlichen Grundstücksgröße anzupassen ist. Als Alternative kommt die Belastung des gesamten Grundstücks unter Beschrän- 5.13 kung der tatsächlichen Ausübung auf einen realen Grundstücksteil in Betracht, § 1 Abs. 2 ErbbauRG. Dies ist auch ohne Vermessung zulässig. Das Erbbaurecht muss auch in diesem Fall ausschließlich erste Rangstelle erhalten, um entstehen zu können, § 10 ErbbauRG. Bei dieser Gestaltung sind nur diejenigen Gebäude, die sich auf der Teilfläche befinden, welche der Nutzungsbefugnis des Erbbauberechtigten unterliegen, wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts. Die Teilflächen, auf die sich die Ausübungsbefugnis des Erbbaurechts erstreckt, und die davon nicht betroffene Teilfläche sind wiederum mit hinreichender dinglicher Bestimmtheit zu bezeichnen2. Insoweit gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. Es sollte also ein möglichst präziser Plan die Grenzen darstellen. Das Erfordernis eines Planes mit Maßangaben (§ 3 Abs. 3 WEG) für sondereigentumsfähige Stellplätze sowie für Freiflächen-Sondereigentum gilt jedoch für das Erbbaurecht nicht. Ein Erbbaurecht kann auch als einheitliches Recht an mehreren Grundstücken las- 5.14 ten (Gesamterbbaurecht), auch wenn dies nicht ausdrücklich in dem ErbbauRG normiert ist (vgl. § 6a GBO). Die unterschiedlichen belasteten Grundstücke können auch verschiedenen Eigentümern gehören3. Das Gesamterbbaurecht kann sowohl von Anfang an durch Bestellung an mehreren nicht vereinigten Grundstücken als auch durch nachträgliche Teilung eines ursprünglich einheitlichen Grundstücks oder durch spätere Erstreckung auf weitere Flurstücke entstehen. Die Bestellung eines einheitlichen Erbbaurechts an nicht unmittelbar aneinander angrenzenden Grundstücken soll nur erfolgen, wenn die Grundstücke „nah beieinander liegen“4. V. Dauer des Erbbaurechts Ein Erbbaurecht kann auf jede beliebige Dauer bestellt werden. Eine gesetzliche Min- 5.15 dest- oder Höchstfrist ist nicht vorgesehen, so dass beispielsweise auch eine Bestellung für ein Jahr oder auf unendliche Zeiten zulässig wäre5. Unbefristete, also ewige Erbbaurechte sind jedoch praktisch nie anzutreffen. Üblicherweise orientiert sich die Dauer des Erbbaurechts an der voraussichtlichen wirtschaftlichen Nutzungsdauer 1 BGH v. 13.6.1980 – V ZR 119/79, DNotZ 1981, 235. 2 Siehe KG v. 16.4.1991 – 1 W 7518/88, NJW-RR 1992, 214 (215) = DNotZ 1992, 312. 3 Ingenstau/Hustedt11, § 1 ErbbauRG Rz. 42; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 22 f.; umstritten ist die Zulässigkeit des Nachbarerbbaurechtes – ein Gebäude auf zwei Grundstücken (vertikale Gebäudeteilung) auf der Grundlage von zwei verschiedenen Erbbaurechtsverträgen, s. einerseits OLG Köln v. 6.5.2013 – 2 Wx 128/13, MittBayNot 2014, 157, andererseits Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 34. 4 BayObLG v. 1.9.2013 – 2Z BR 144/03, BayObLGZ 2003, 219 = NJW-RR 2004, 73 = ZfIR 2004, 196 = MittBayNot 2004, 260; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 22. 5 Beck’sches Notarhandbuch/Eichel7, A IV Rz. 56; Winkler, NJW 1992, 2516.
Rapp 693
Kap. 5 Rz. 5.15 Erbbaurecht
der zu errichtenden Gebäude. Bei zeitlich nicht beschränkter Dauer des Erbbaurechts wird steuerlich regelmäßig die Abgrenzung schwieriger, ob das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück auf den Erbbauberechtigten übergeht. Für den Regelfall ist dies u.E. gleichwohl zu verneinen.
5.16 Gemäß § 1 Abs. 4 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nicht durch eine auflösende Bedingung beschränkt werden. Diese Regelung bezweckt, die Beleihbarkeit des Erbbaurechts zu sichern. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift hat die Nichtigkeit des Erbbaurechts zur Folge1. Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung ist hingegen nach h.M. zulässig2. 5.17 Aufgrund des Verbots eines auflösend bedingten Erbbaurechts ist auch die Bestellung eines Erbbaurechts durch einen nichtbefreiten Vorerben ohne Zustimmung des Nacherben unwirksam3. Das Verbot eines auflösend bedingten Erbbaurechts betrifft nach dem Gesetzeswortlaut lediglich den Fall eines ungewissen Ereignisses zu einem ungewissen Zeitpunkt. Nach dem gesetzlichen Wortlaut müsste es daher zulässig sein, eine Befristung des Erbbaurechts hinsichtlich eines gewissen Ereignisses mit einem ungewissen Zeitpunkt zu vereinbaren (Befristung). Die Regelungen in § 1 Abs. 4 ErbbauRG werden über den Wortlaut hinaus jedoch überzeugend so ausgelegt, dass beispielsweise auch ein auf den Tod eines Menschen befristetes Erbbaurecht unzulässig ist, da auch dieses die Beleihbarkeit wesentlich einschränken würde4. Üblich ist die Bestellung eines Erbbaurechtes auf eine bestimmte Zeit. Vor Ablauf der Zeit kann das Erbbaurecht nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers aufgehoben werden (§ 26 Satz 1 ErbbauRG). Diese Abweichung von § 875 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigt sich dadurch, dass der Grundstückseigentümer am Bestand des Erbbaurechtes ein eigenes Interesse haben kann, z.B. das Interesse zum Bezug der Erbbauzinsen. Mit Zeitablauf erlischt jedoch das Erbbaurecht kraft Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG). Dem Erbbauberechtigten steht für das Bauwerk, das nach § 12 Abs. 3 ErbbauRG in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergeht, eine Entschädigung zu. Der Grundstückseigentümer kann jedoch seine Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung dadurch abwenden, dass er dem Erbbauberechtigten das Erbbaurecht vor dessen Ablauf für die voraussichtliche Standdauer des Bauwerks verlängert. Dabei handelt es sich um ein Angebot des Grundstückseigentümers an den Erbbauberechtigten. Der Grundstückseigentümer verliert seinen Anspruch auf Entschädigung sowohl für den Fall, dass der Erbbauberechtig1 Grziwotz in Erman16, § 1 ErbbauRG Rz. 21 a.E.; Grüneberg/Wicke81, § 1 ErbbauRG Rz. 13; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 38. 2 Grüneberg/Wicke81, § 1 ErbbauRG Rz. 13; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 29. 3 BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, BGHZ 52, 269 = MDR 1969, 918 = DNotZ 1970, 32 ff.; Ingenstau/Hustedt11, § 1 ErbbauRG Rz. 110; MünchKomm/Heinemann8, § 1 ErbbauRG Rz. 80. 4 BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, BGHZ 52, 269 ff. = MDR 1969, 918 = DNotZ 1970, 32 ff.; Grziwotz in Erman16, § 1 ErbbauRG Rz. 21 (zu Recht weist Grziwotz darauf hin, dass für diesen Fall jedoch der Heimfall vorgesehen werden könne); Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1682 a.E.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.18 Kap. 5
te das Angebot annimmt und das Erbbaurecht damit verlängert wird, als auch für den Fall, dass der Erbbauberechtigte das Angebot nicht annimmt. Das Abwendungsrecht des Grundstückseigentümers gem. § 27 Abs. 3 ErbbauRG kann jedoch (auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen) abbedungen werden1. VI. Absolut erste Rangstelle § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG enthält die besondere gesetzliche Hürde, dass ein Erb- 5.18 baurecht nur an absolut erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen werden kann. Sofern das betreffende Grundstück z.B. mit einer Dienstbarkeit belastet ist, kommt eine Erbbaurechtsbestellung nur in Betracht, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte im Rang zurücktritt. Einen uneingeschränkten Anspruch auf einen Rangrücktritt hat der Eigentümer nur dann, wenn dies bei Bestellung der Dienstbarkeit ausdrücklich vereinbart wurde. Ist dies nicht der Fall, gibt es einen Anspruch auf Rangrücktritt gem. § 242 BGB dann, wenn die Sicherheit der Dienstbarkeit sowohl während der Dauer des Erbbaurechtes als auch nach dessen Beendigung uneingeschränkt, also wie vor der Erbbaurechtsbestellung, gewährleistet ist. Die Absicherung des im Rang zurücktretenden Dienstbarkeitsberechtigten, selbst wenn die Dienstbarkeit am Erbbaurecht selbst eingetragen wird, ist problematisch, da im Falle des Heimfalls die Dienstbarkeit gem. § 33 Abs. 1 Satz 3 ErbbauRG erlischt; das Erbbaurecht besteht aber gleichwohl weiter und kann vom Eigentümer genutzt und verwertet werden. Die Dienstbarkeit ist in diesem Fall entwertet, da sie nur noch im Rang nach dem Erbbaurecht am Grundstück eingetragen ist. Allerdings wird auch diskutiert, § 33 Abs. 1 Satz 3 ErbbauRG teleologisch dahingehend eingeschränkt auszulegen, dass Rechte, die vom Eigentümer selbst oder mit seiner Zustimmung bestellt wurden, nicht unter die Erlöschensregelung fallen2. Eine „Rettung“ der Dienstbarkeit ist jedoch auch dadurch möglich, dass die Ausübung des Heimfallrechtes davon abhängig gemacht wird, dass der Grundstückseigentümer die Dienstbarkeit neu und im selben Range wie am Grundstück Zug um Zug mit Eintragung des Heimfalles in das Erbbau-Grundbuch eintragen lässt3. Der Grundstückseigentümer muss also die Rangrücktrittserklärungen der bestehenbleibenden Grundpfandrechte (§ 33 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG) beibringen (worauf er aber keinen Anspruch gegen diese hat). Alternativ hierzu kann zugunsten des Dienstbarkeitsberechtigten eine Vormerkung am Erbbaurecht auf Neueintragung derselben für den Fall der Ausübung des Heimfalles vereinbart werden4. Die Rechtsprechung tendiert neuerdings dazu, unter den Voraussetzungen des § 242 BGB einen Rechtsanspruch des Grundstückseigentümers gegenüber dem Dienstbarkeitsberechtigten auf Rangrücktritt hinter das neu zu bestellende Erbbaurecht anzunehmen, wenn dem Dienstbarkeitsberechtigten die
1 BGH v. 23.11.2018 – V ZR 33/18, MDR 2019, 606 = NJW-RR 2019, 755 = ZfIR 2019, 489 = DNotZ 2019, 627 Rz. 8, Rz. 15; Staudinger/Rapp, § 27 ErbbauRG Rz. 16 ff. 2 Rapp, ZfIR 2017, 89; Staudinger/Rapp, § 10 ErbbauRG Rz. 15 ff. und § 28 ErbbauRG Rz. 2 ff. 3 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 2 Rz. 100a. 4 Staudinger/Rapp, § 10 ErbbauRG Rz. 15; § 33 Rz. 12; Rapp, MittBayNot 2014, 412.
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Kap. 5 Rz. 5.18 Erbbaurecht
Ausübung der Dienstbarkeit während der gesamten Dauer des Erbbaurechts und auch anlässlich dessen Beendigung uneingeschränkt gewährleistet ist1. Hierzu gehört auch, dass bei Beendigung des Erbbaurechts die Entschädigungsforderung gem. § 27 ErbbauRG im Erbbaurechtsvertrag den Nachrang nach den am Grundstück eingetragenen Dienstbarkeiten erhält2. Damit wird bei einer Zwangsversteigerung aus der Entschädigungsforderung festgelegt, dass die Dienstbarkeit in das geringste Gebot fällt und daher auch nach der Zwangsversteigerung fortbesteht.
5.19 Misslingt die Rangbeschaffung, haftet der Grundstückseigentümer dem Erbbauberechtigten auf Schadensersatz, im Regelfall gem. § 311a Abs. 2 bzw. § 283 BGB, ein Verschulden vorausgesetzt. Auch nach altem Recht bestand bereits eine Schadensersatzhaftung. Diese sollte im Regelfall vertraglich ausgeschlossen werden, da der Grundstückseigentümer regelmäßig die Rangbeschaffung kaum mit hinreichender Sicherheit beeinflussen kann. 5.20 Sofern die erste Rangstelle nicht beschafft werden kann, kommen andere dingliche und schuldrechtliche Nutzungsrechte in Betracht, insbesondere ein Dauerwohnoder Dauernutzungsrecht, da diese Nutzungsrechte wie das Erbbaurecht veräußerlich und vererblich sind und durch Verpfändung beliehen werden können. 5.21 Sofern die dinglichen Nutzungsrechte vor der Errichtung eines Bauwerkes bestellt werden, stellt das aufgrund eines dinglichen Nutzungsrechtes erstellte Bauwerk einen Scheinbestandteil dar, so dass der Hersteller auch das bürgerlich-rechtliche Eigentum gem. § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB an dem Gebäude erwirbt. Da für ein derartiges Gebäude – mit Ausnahme des Erbbaurechts – aber kein eigenes Grundbuchblatt gebildet werden kann, kommt für die Beleihung nur die Verpfändung des Nutzungsrechts in Betracht. Die Verpfändung ist aber nicht bei allen Nutzungsrechten möglich – beispielsweise bei einer Dienstbarkeit ist sie ausgeschlossen. Damit fehlt aber jede sachenrechtliche Publizität für ein Pfandrecht, was in der Praxis mangels der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs die Beleihung ausschließt. VII. Dinglicher Inhalt des Erbbaurechts
5.22 Hinsichtlich der Bestellung eines Erbbaurechts sind mehrere unterschiedliche Ebenen zu unterscheiden. Einerseits gibt es das dingliche Verfügungsgeschäft, das durch Eintragung im Grundbuch zur Entstehung des Erbbaurechts führt. Durch die Eintragung im Grundbuch entsteht ein Erbbaurecht, das einen bestimmten dinglichen Inhalt hat. Darüber hinaus besteht im Rahmen der §§ 2, 5, 8, 27 und 32 ErbbauRG die Möglichkeit, fakultativ den dinglichen Inhalt des Erbbaurechtes zu erweitern. 5.23 Neben dem dinglichen Bestellungsakt sowie den Regelungen über den dinglichen Inhalt des Erbbaurechts selbst liegt der Bestellung eines Erbbaurechts regelmäßig ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft zugrunde, das meistens ein Rechtskauf gem.
1 OLG Hamm v. 27.6.2013 – 22 U 165/12, MittBayNot 2014, 431. 2 Staudinger/Rapp, § 28 ErbbauRG Rz. 2a, 2b.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.26 Kap. 5
§ 453 BGB ist1. Für dieses zugrunde liegende Rechtsgeschäft gilt das Beurkundungserfordernis des § 311b BGB entsprechend, § 11 Abs. 2 ErbbauRG. 1. Zwingende Regelungen Zum zwingenden Mindestinhalt eines Erbbaurechtes gehören lediglich die Rege- 5.24 lungen in § 1 ErbbauRG, also – die Bezeichnung des zu belastenden Grundstücks, – die Bezeichnung des Erbbauberechtigten, – die Bezeichnung, dass das Recht veräußerlich und vererblich sein soll, – die Vereinbarung des Inhalts, dass dem Berechtigten das Recht zusteht, ein bestimmtes Bauwerk auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks zu haben. Weiterer zwingender Inhalt ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Fakultativ, und 5.25 in der Praxis auch üblich, kann jedoch im Rahmen der §§ 2 bis 8, 27, 32 ErbbauRG der dingliche Inhalt des Erbbaurechtes erweitert werden. Unter den Begriff des Bauwerks fallen grundsätzlich alle Gebäude, aber auch ande- 5.26 re Bauwerke, die eine feste Verbindung mit dem Boden haben2. Die ungefähre Beschaffenheit des Bauwerks ist im Erbbaurechtsvertrag zu bezeichnen, damit dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz Genüge getan wird3. Üblicherweise ist die Bezeichnung des Bauwerks bzw. der Anzahl der Gebäude unproblematisch. Anders ist dies hingegen bei der Anlegung beispielsweise einer Straße, einer Gleisanlage, eines Golfplatzes oder eines Tennisplatzes4. Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz steht in der Praxis gelegentlich im Konflikt mit der gewünschten Flexibilität des Erbbauberechtigten, der sich in einem frühen Planungsstadium noch nicht zu sehr festlegen und sich auch spätere Erweiterungen vorbehalten möchte. Sofern der Grundstückseigentümer damit einverstanden ist, wird es als zulässig angesehen, wenn der Erbbauberechtigte befugt ist, jede Art baurechtlich zulässiger Gebäude zu errichten5. Maßgeblich ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Begründung des Erb1 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 5 Rz. 6, mit der Gegenüberstellung zwischen altem und neuem Schuldrecht; BGH v. 20.12.1985 – V ZR 263/83, MDR 1986, 392 = NJW 1986, 1605 = DB 1986, 585 = DNotZ 1986, 286. 2 BGH v. 10.1.1992 – V ZR 213/90, MDR 1992, 581 = NJW 1992, 1681 (1983) = DNotZ 1992, 566 (zum Golfplatz als Bauwerk); OLG Hamm v. 27.6.2013 – 22 U 165/12, MittBayNot 2014, 431. 3 BGH v. 10.1.1992 – V ZR 213/90, MDR 1992, 581 = NJW 1992, 1681 (1683) = DNotZ 1992, 566. 4 Vgl. zum Golfplatz BGH v. 10.1.1992 – V ZR 213/90, MDR 1992, 581 = NJW 1992, 1681 = DNotZ 1992, 566. Siehe die Aufzählung von Problemfällen bei Ingenstau/Hustedt11, § 1 ErbbauRG Rz. 63; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 12. 5 Zur Darstellung der baurechtlichen Zulässigkeit kann auch auf öffentlich-rechtliche Bauvorschriften, z.B. einen Bebauungsplan, Bezug genommen werden, vgl. BGH v. 22.4.1994 – V ZR 183/93, BGHZ 126, 12 = MDR 1994, 913 = NJW 1994, 2024 = DNotZ 1994, 886; v. 12.6.1987 – V ZR 91/86, BGHZ 101, 143; v. 23.5.2014 – V ZR 208/12, NJW 2014, 3439
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Kap. 5 Rz. 5.26 Erbbaurecht
baurechts (statische Verweisung). Die Rechtsprechung lässt jedoch auch eine dynamische Verweisung zu1. Auch die Angabe der Gattungsart „ein Wohnhaus“ oder „mehrere Wohnhäuser“ ist nach Ansicht des BGH2 hinreichend bestimmt. Ein Verweis auf die „Festsetzungen des noch aufzustellenden Bebauungsplanes“ ist jedoch zu unbestimmt3.
5.27 Meistens werden Regelungen dahingehend getroffen, welche Art von Gebäude errichtet werden soll, da der Grundstückseigentümer für den Fall der Beendigung des Erbbaurechtes durch Heimfall oder Zeitablauf ein Interesse daran hat, Einfluss auf die Art der Grundstücksnutzung zu nehmen. So kann beispielsweise festgelegt werden, dass ausschließlich Inhalt des Erbbaurechtes die Bebauung mit Wohngebäuden oder umgekehrt die Bebauung mit gewerblichen Hallen, Produktionsanlagen o.Ä. ist. Auch für die Höhe der Entschädigung/Vergütung des Erbbauberechtigten bei solchen Ereignissen ist die zulässige Nutzung von Bedeutung. 5.28 Eine Beschränkung auf einen Teil eines einheitlichen Gebäudes ist nach § 1 Abs. 3 ErbbauRG ausgeschlossen. Handelt es sich hingegen um mehrere Gebäude auf einem einheitlichen Grundstück, so kann sich das Erbbaurecht auch auf eine Teilfläche und damit auf nur eines von mehreren selbständigen Gebäuden beziehen. Umstritten ist, ob zwei Erbbaurechte auf benachbarten Grundstücken für ein Gebäude bestellt werden können (Nachbarerbbaurecht)4. 5.29 Erbbauberechtigter kann der Eigentümer selbst5 oder eine dritte Person sein. Möglich ist sowohl eine natürliche Person als auch eine juristische Person. Mehrere Personen können Inhaber des Erbbaurechtes als Bruchteilseigentümer, also in Miteigentümergemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB sein. Ebenso ist ein Erwerb in GbR gem. §§ 705 ff. BGB möglich. Die Bestellung des Erbbaurechtes zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines bestimmten Grundstücks (subjektiv-dingliches Recht) ist hingegen unzulässig6. 2. Fakultativer vertragsmäßiger Inhalt
5.30 Die fakultativen Regelungen des § 2 ErbbauRG sind möglicher dinglicher Inhalt des Erbbaurechtes. Sie gehen also automatisch mit dem Übergang des Erbbaurechtes auf einen Sonderrechtsnachfolger über. Ein Sonderrechtsnachfolger kann also das Erb-
1 2 3 4 5 6
= ZNotP 2014, 218 Rz. 25; Lemke/Czub2, § 1 ErbbauRG Rz. 14; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 14. BGH v. 23.5.2014 – V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 = ZNotP 2014, 218 Rz. 25; ebenso Ingenstau/Hustedt, § 1 Rz. 84 mit Fn. 157; Dieckmann, ErbbauZ 2020, 109. BGH v. 22.4.1994 – V ZR 183/93, BGHZ 126, 12 = MDR 1994, 913 = NJW 1994, 2024 = DNotZ 94, 886; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 14b. OLG Hamm v. 14.8.2019 – 15 W 284/19, MittBayNot 2020, 346. OLG Köln v. 6.5.2013 – 2 Wx 128/13, MittBayNot 2014, 157 m. Anm. Rapp, MittBayNot 2014, 159; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 34 a ff. BGH v. 11.12.1981 – V ZR 222/80, MDR 1982, 657 = NJW 1982, 2381 = DB 1982, 1054; Ingenstau/Hustedt110, § 1 ErbbauRG Rz. 35 ff. Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 4d.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.32 Kap. 5
baurecht nur mit diesem Inhalt erwerben. Einer Vertragsübernahme bedarf es insoweit nicht. Daher ist stets streng zwischen den schuldrechtlichen und den dinglichen Abreden des Erbbaurechtes zu unterscheiden. Die Abreden des § 2 ErbbauRG bedürfen schuldrechtlich zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Sie werden durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbbauRG) dinglicher Inhalt des Erbbaurechtes. Einer gesonderten Grundbucheintragung bedarf es insoweit nicht. Trotz der Verdinglichung des Erbbaurechtsinhaltes des § 2 ErbbauRG tritt der Erwerber eines Erbbaurechtes nicht in eine Haftung des Veräußerers gegenüber dem Grundstückseigentümer wegen Verstößen gegen Pflichten aus § 2 ErbbauRG ein1. Es handelt sich um eine „Binnenrechtsordnung“ zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erbbauberechtigten2. a) Regelungen über die Errichtung, Instandhaltung und die Verwendung des Bauwerkes Aus dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz folgt, dass ein Erbbaurechtsver- 5.31 trag sich nicht auf die Regelung beschränken kann, auf dem Grundstück dürfe ein Bauwerk jeglicher Art errichtet werden. Während die Rechtsprechung zunächst dieses Kriterium sehr streng betrachtet hat, legt sie in der Zwischenzeit weniger strenge Maßstäbe an. Ausreichend ist es insoweit, wenn die Bebauung des Erbbaurechtes mit Gebäuden aller Art gestattet ist, soweit diese mit einem bereits bestehenden Bebauungsplan übereinstimmen oder sonst baurechtlich errichtet werden dürfen3. Im Gegensatz zum Wohnungseigentum ist die Beifügung eines (genehmigten) Bauplanes zur Urkunde über die Bestellung eines Erbbaurechtes nicht erforderlich4. Als weiterer dinglicher Inhalt des Erbbaurechtes wird üblicherweise die Verpflich- 5.32 tung zur Bebauung des Grundstücks vereinbart sowie bestimmte Nutzungen untersagt oder eine bestimmte Verwendung vorgegeben, § 2 Nr. 1 ErbbauRG. Diese Verpflichtung kann auch die genauen Details der Bauausführung vorgeben und eine Frist für Baubeginn und Fertigstellung vorsehen. Das Recht zur Bebauung kann jedoch nicht von der freien Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängig gemacht werden. Dies widerspräche dem zwingenden Inhalt des Erbbaurechtes, ein Bauwerk auf dem Erbbaugrundstück zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Ein Recht des Grundstückseigentümers zur Prüfung der Baupläne besteht jedoch insoweit, als es um die Übereinstimmung der Baupläne mit der vereinbarten Nutzung geht. Zu 1 BGH v. 25.10.2019 – V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 = MDR 2020, 84 = NJW 2020, 921 = ZfIR 2020, 314 Rz. 17; v. 6.11.2015 – V ZR 165/14, BGHZ 207, 334 = MDR 2016, 389 = ZfIR 2016, 324 = NJW 2016, 3167 = DNotZ 2016, 448 Rz. 17 ff.; Erman/Grizwotz16, § 2 ErbbauRG Rz. 1; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 5, mit Hinweis auf die persönliche Haftung des Sonderrechtsnachfolgers gem. § 1108 BGB für rückständige Erbbauzinsen, sowie § 2 ErbbauRG Rz. 20b ff. 2 Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 5. 3 BGH v. 23.5.2014 – V ZR 208/12, NJW 2014, 3439 = ZNotP 2014, 218 Rz. 25; v. 12.6.1987 – V ZR 91/86, BGHZ 101, 143 = NJW 1987, 2674; v. 22.4.1994 – V ZR 183/93, BGHZ 126, 12 = MDR 1994, 913 = NJW 1994, 2024 = DNotZ 1994, 886; s. Rz. 5.26. 4 Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 14b.
Rapp 699
Kap. 5 Rz. 5.32 Erbbaurecht
große Details wird der Erbbauberechtigte jedoch regelmäßig als übermäßige Einschränkung betrachten. Die Regelung einer Verpflichtung zur Herstellung des Gebäudes wäre problematisch, wenn dies als Gegenleistung die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer erhöhen würde. Dies ist nach Ansicht des BFH1 jedoch nicht der Fall, so dass entsprechende Vereinbarungen problemlos getroffen werden können. Es kann jedoch auch von einer Bebauungsverpflichtung abgesehen werden. Nach § 2 Nr. 1 ErbbauRG ist auch eine Verpflichtung zur Herstellung von Erschließungsanlagen möglich2. Umstritten ist, ob als Annexkompetenz mit dinglicher Wirkung ein Besichtigungsrecht zugunsten des Eigentümers des Grundstücks nach § 2 Nr. 1 ErbbauRG vereinbart werden kann3. U.E. stellt sich diese Frage gar nicht, da es einer entsprechenden Abrede nicht bedarf, sondern der Eigentümer auch ohne entsprechende verdinglichte Abrede dazu in den üblichen Grenzen des Zumutbaren befugt ist. Dies ist der einfachste Weg um zu überprüfen, ob der Erbbauberechtigte seiner Verpflichtung zur Errichtung, zur Instandhaltung und Verwendung des Bauwerkes nachgekommen ist. Über § 2 Nr. 1 ErbbauRG kann auch die Verwendung, d.h. die Art der Nutzung, des aufgrund des Erbbaurechtes errichteten Gebäudes festgelegt werden. Es können alle Arten der Nutzung vereinbart werden, z.B. wohnungsmäßige, berufliche, gewerbliche, kommunale und soziale Zwecke. Ist eine solche Nutzung vereinbart, so besteht sie für die gesamte Dauer des Erbbaurechtes4.
5.33 § 2 Nr. 1 ErbbauRG erfasst nicht nur den anfänglichen Ausbau eines Gebäudes, sondern kann auch Regelungen hinsichtlich späterer Veränderungen vorsehen. Spätere bauliche Veränderungen können daher von der Zustimmung des Grundstückseigentümers abhängig gemacht werden5. Dabei darf jedoch der Grundstückseigentümer nur prüfen, ob auch das umgebaute Gebäude von der ursprünglichen Gebäudebeschreibung und der vereinbarten Nutzung gedeckt ist. Dabei ist auch der Gedanke des § 20 Abs. 3, 4 WEG – Modernisierung, ökologische Gesichtspunkte – heranzuziehen. Ist dies zu bejahen, so besteht ein Anspruch auf Zustimmung6.
1 BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199 = DStRE 2003, 304 = NotBZ 2003, 200. 2 Ingenstau/Hustedt11, § 2 ErbbauRG Rz. 14 m.w.N.; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 12. 3 Bejahend Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1749 m.w.N.; ablehnend Ingenstau/Hustedt11, § 2 ErbbauRG Rz. 17 m.w.N. 4 BGH v. 8.2.2019 – V ZR 176/17, MDR 2019, 478 = NJW 2019, 2016 = DNotZ 2019, 440 Rz. 21; v. 16.3.2018 – V ZR 306/16, MDR 2018, 1055 = ZfIR 2018, 655 = DNotZ 2019, 91 Rz. 28; v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 3436 = DNotZ 2015, 761 Rz. 24. 5 Siehe BGH v. 29.9.1967 – V ZR 131/64, BGHZ 48, 296 = NJW 1967, 2351; beiläufig BGH v. 30.4.1986 – V ZR 80/85, NJW-RR 1986, 1269; OLG Saarbrücken, ErbbauZ 2020, 52; 2021, 26; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 15b; Erman/Grizwotz16, § 2 ErbbauRG Rz. 3. 6 BayObLG v. 11.12.1986 – BReg 3 Z 113/86, BayObLGZ 1986, 501; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 15 b.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.37 Kap. 5
Der Erbbauberechtigte kann nach § 2 Nr. 1 ErbbauRG verpflichtet werden, das 5.34 Grundstück sowie die darauf errichteten Gebäude ordnungsgemäß auf eigene Kosten instand zu halten1. Die Details können in den Grenzen des Zumutbaren vorab festgelegt werden. Ohne Regelung einer ausdrücklichen Instandhaltungspflicht im Erbbaurechtsvertrag bestehen keine Instandhaltungspflichten für den Erbbauberechtigten. Er wird dies dann nur veranlassen, soweit er dies für eigene Zwecke benötigt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes erfasst § 2 Nr. 1 ErbbauRG nur die Instandhaltung des Bauwerks, aber nicht das Grundstück. Ob das Gesetz tatsächlich so eng am Wortlaut orientiert auszulegen ist, erscheint jedoch zweifelhaft. Verstöße gegen die Pflichten des § 2 Nr. 1 ErbbauRG können Unterlassungs-, Ab- 5.35 wehr- und Schadensersatzansprüche nach §§ 1004, 823 BGB begründen; ferner können gravierende Verstöße als Heimfallgrund vereinbart werden. Die Ausübung dieses Heimfallrechts unterliegt jedoch einer Ausübungskontrolle nach Treu und Glauben2. Schließlich können nach § 2 Nr. 1 ErbbauRG auch Regelungen zur generellen Ver- 5.36 wendung des Bauwerks getroffen werden3. Dies berechtigt aber nicht dazu, die Vermietung dinglich an die Zustimmung des Grundstückseigentümers zu knüpfen4, wie ein Rückschluss aus §§ 5, 7 ErbbauRG ergibt. Dies wäre nur auf schuldrechtlicher Ebene möglich. b) Versicherung des Bauwerks und sein Wiederaufbau im Falle der Zerstörung, § 2 Nr. 2 ErbbauRG Im Erbbaurechtsvertrag kann näher festgelegt werden, welche Arten von Versiche- 5.37 rungen für das Bauwerk abzuschließen sind und wer die Beiträge zu der Versicherung zu zahlen hat. Darüber hinaus kann eine Verpflichtung zum Wiederaufbau des Gebäudes für den Fall der Zerstörung begründet werden, § 2 Nr. 2 ErbbauRG. Wird eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen, besteht keine Wiederaufbauverpflichtung für den Erbbauberechtigten5. Die Verpflichtung zum Wiederaufbau wird von der h.M. zu Recht jedoch dahingehend eingeschränkt, dass sie nur dann eingreift, wenn dies zumutbar ist6. In erster Linie kommt es auf den Willen
1 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1749; Staudinger/Rapp, § 1 ErbbauRG Rz. 40; § 2 ErbbauRG Rz. 13. 2 BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 3436 = DNotZ 2015, 761 Rz. 36; v. 8.7.1983 – V ZR 53/82, BGHZ 88, 91 (95). 3 BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 3436 = DNotZ 2015, 761 Rz. 14: Einheimischenmodell im Erbbaurecht; Schlögel, ZfIR 2016, 175 (177). 4 Vgl. BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 3436 = DNotZ 2015, 761 Rz. 41 f.; v. 12.4.1967 – VIII ZR 252/64, MDR 1967, 835 = DNotZ 1968, 302; BayObLG v. 25.10.2001 – 2Z BR 131/01, BayObLGZ 2001, 304 = NJW-RR 2002, 885 = DNotZ 2002, 294. 5 Grziwotz in Erman16, § 2 ErbbauRG Rz. 4. 6 Streitig, vgl. Münchener Vertragshandbuch/Winkler8, Band 6, VII 1. Anm. 16 einerseits und Limmer in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis10, Teil 10 Rz. 51 andererseits, jeweils m.w.N.; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 16.
Rapp 701
Kap. 5 Rz. 5.37 Erbbaurecht
der Beteiligten bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrages an; ob eine Wiederaufbaupflicht unter allen Umständen, auch bei Zerstörung durch höhere Gewalt, gewollt ist, ist nach § 157 BGB im Wege der Vertragsauslegung zu entscheiden. Der sorgfältig formulierte Erbbaurechtsvertrag enthält hier eindeutige Festlegungen. c) Tragung der öffentlichen und privatrechtlichen Lasten und Abgaben, § 2 Nr. 3 ErbbauRG
5.38 Entsprechende Regelungen zur Lastentragung können nach § 2 Nr. 3 ErbbauRG zum dinglichen Inhalt des Erbbaurechtes vereinbart werden. So sind insbesondere folgende Belastungen zu verteilen1: – Grundsteuer, – Erschließungskosten nach BauGB, – Anliegerbeiträge nach Kommunalabgabenrecht, – Beiträge und Gebühren für Entwässerung, Müllabfuhr, – Beiträge zu Sanierungsverfahren nach §§ 144 ff. BauGB, – Zinsen aus dem Grundstück, Hypotheken, Grundschulden oder Reallasten, soweit diese auf dem Grundstück selbst lasten; Tilgungsbeiträge gehören hingegen nicht dazu. Die einschlägigen Gesetze ordnen die meisten Abgaben dieser Art dem Erbbauberechtigten zu, z.B. § 12 GrdStG, § 134 Abs. 2 BauGB, Art. 5 Abs. 7 Satz 1 BayKAG.
5.39 Die Verteilung obliegt den Vereinbarungen im Einzelfall. Der Begriff der privatrechtlichen Lasten entspricht der Regelung des § 1047 BGB, also den Bestimmungen zum Nießbrauch2. Regelungen zur Verkehrssicherungspflicht zählen nach h.M. weder zu den regelbaren Gegenständen des § 2 Nr. 1 ErbbauRG noch zu denen des § 2 Nr. 3 ErbbauRG3. 5.40 Ohne besondere Regelung trägt der Grundstückseigentümer die Lasten des Grundstücks und der Erbbauberechtigte die Lasten des Gebäudes4. Für die Erschließungsbeiträge gemäß dem BauGB und die einmaligen Abgaben der landesrechtlichen Kommunalabgabengesetze wird jedoch durch Gesetz der Erbbauberechtigte anstelle des Grundstückseigentümers als beitragspflichtig erklärt (§ 134 Abs. 1 Satz 2 BauGB; Art. 5 Abs. 9 [z.B. Bay]KAG). Ist der Erschließungsbeitrag jedoch bereits vor der Bestellung des Erbbaurechtes entstanden, so verbleibt es bei der persönlichen Haftung des Grundstückseigentümers und der dinglichen Haftung (öffentliche Last) des
1 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1752. 2 Münchener Vertragshandbuch/Winkler8, Band 6, VII 1. Anm. 19. 3 BayObLG v. 9.9.1999 – 2Z BR 127/99, BayObLGZ 1999, 254 = NJW-RR 2000, 162 = MittBayNot 1999, 563; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 4 Rz. 75; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 17. 4 Siehe Ingenstau/Hustedt11, § 2 ErbbauRG Rz. 33.
702 Rapp
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.42 Kap. 5
Grundstücks. Bei einer nachfolgenden Zwangsversteigerung des Grundstücks fällt das Erbbaurecht zwar nicht in das geringste Gebot, gleichwohl bleibt es gem. § 25 ErbbauRG bestehen. d) Regelungen zum Heimfall, § 2 Nr. 4 ErbbauRG Die Regelungen zum Heimfall stellen einen entscheidenden Kernpunkt der Rege- 5.41 lungen eines jeden Erbbaurechtsvertrages dar. Mittels der Regelung der Voraussetzungen für einen Heimfall kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen, insbesondere unter welchen wirtschaftlichen Fehlentwicklungen, bei welchen Pflichtverletzungen und unter welchen sonstigen Umständen das Erbbaurecht vom Erbbauberechtigten auf den Grundstückseigentümer zu übertragen ist. Der Heimfall führt nicht zum Erlöschen des Erbbaurechts. Das Erbbaurecht fällt vielmehr dem Grundstückseigentümer bei Ausübung des Heimfalls an (Eigentümer-Erbbaurecht)1, wobei Grundpfandrechte und Reallasten bestehen bleiben, wodurch die Kreditfähigkeit des Erbbaurechtes gewährleistet wird. Zur Ausübung des Heimfalls berechtigt ist derjenige Grundstückseigentümer, der bei Verwirklichung des Heimfalltatbestandes Grundstückseigentümer war; bei einem Eigentumswechsel geht jedoch der Anspruch gem. § 3 ErbbauRG zwingend auf den Rechtsnachfolger über. Verpflichtet ist der Erbbauberechtigte, in dessen Person der Heimfallanspruch realisiert wurde. Wird also nach dem Heimfallereignis das Erbbaurecht veräußert, so kann der Anspruch nicht gegenüber dem neuen Erbbauberechtigten geltend gemacht werden2. Dabei tritt der Übergang des Erbbaurechtes nicht automatisch mit der Ausübung ein, sondern es entsteht lediglich ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf Übertragung des Erbbaurechts3, der separater Erfüllung bedarf. Nach Geltendmachung des Heimfalls kann der entstandene Übertragungsanspruch durch Vormerkung gem. § 883 BGB gesichert werden4. Der Eigentümer kann auch die Abtretung des Erbbaurechtes an eine von ihm zu benennende dritte Person verlangen, § 3 ErbbauRG. Problematisch sind die Folgen des Heimfalls bei einem Gesamterbbaurecht an meh- 5.42 reren Grundstücken, die unterschiedlichen Eigentümern gehören. Dasselbe gilt für das Wohnungserbbaurecht. Dies gilt sowohl für die Ausübung als auch für die Person des Erwerbsberechtigten5. 1 BGH v. 11.12.1981 – V ZR 222/80, MDR 1982, 657 = NJW 1982, 2381 = DB 1982, 1054; MünchKomm/Heinemann8, § 2 ErbbauRG Rz. 24; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 19. 2 BGH v. 6.11.2015 – V ZR 165/14, BGHZ 207, 334 = MDR 2016, 389 = ZfIR 2016, 324 = NJW 2016, 3167 = DNotZ 2016, 448 Rz. 17 ff. 3 BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 34 = DNotZ 2015, 761 Rz. 9. 4 BGH v. 6.11.2015 – V ZR 165/14, BGHZ 207, 334 = MDR 2016, 389 = ZfIR 2016, 324 = NJW 2016, 3167 = DNotZ 2016, 448 Rz. 18. 5 Siehe Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 3 Rz. 46; s. auch Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 20 a; § 12 ErbbauRG Rz. 20; § 27 ErbbauRG Rz. 7; § 32 ErbbauRG Rz. 3; Staudinger/ Rapp, § 30 WEG Rz. 8.
Rapp 703
Kap. 5 Rz. 5.43 Erbbaurecht
5.43 Übliche Regelungen, unter denen sich der Grundstückseigentümer den Heimfall vorbehält, sind: – Pflichtverstöße trotz Mahnung gegen bestimmte im Erbbaurechtsvertrag bezeichnete Verpflichtungen (beispielsweise Herstellung, Instandhaltung, Versicherungen, Verwendung etc.), – Eröffnung des Insolvenzverfahren oder dessen Ablehnung mangels Masse1, – Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens oder die Anordnung der Zwangsverwaltung über das Erbbaurecht, – Rückstand des Erbbauberechtigten mit der Zahlung des Erbbauzinses i.H.v. insgesamt mindestens zwei Jahresraten, § 9 Abs. 4 ErbbauRG, – das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der die Fortsetzung des Erbbaurechtes aus Gründen, die in der Person des Erbbauberechtigten liegen, unzumutbar erscheinen lässt, – Veräußerung des Erbbaurechtes vor Errichtung des Bauwerks2, – Veräußerung des Erbbaurechts, ohne dass der Erwerber in die schuldrechtlichen Abreden des Erbbaurechtsvertrages eintritt3; dies gilt vor allem für die schuldrechtliche Wertsicherungsklausel bzgl. des Erbbauzinses.
5.44 Auch der Tod des Erbbauberechtigten oder des Grundstückseigentümers können den Heimfall auslösen4. Dies steht nicht im Widerspruch zu der oben geschilderten Auslegung des § 1 Abs. 4 ErbbauRG, da durch den Heimfall das Erbbaurecht nicht erlischt und die Beleihbarkeit des Erbbaurechtes durch den Heimfall nicht beeinträchtigt wird. Die jeweiligen vereinbarten Heimfallgründe sollten hinreichend bestimmt sein. Das jederzeitige an keinerlei Voraussetzungen geknüpfte Heimfallrecht wird nach h.M. als unzulässig angesehen5. Auch der Nichteintritt eines Erwerbers in den schuldrechtlichen Teil des Erbbaurechtsvertrages für den Fall der Veräußerung des Erbbaurechtes kann als Heimfallgrund vereinbart werden6. Die Verwendung allgemeiner, unbestimmter Rechtsbegriffe ist grundsätzlich zulässig7.
1 Siehe BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325 = DNotZ 2007, 682 m. Anm. Reul, S. 649. 2 Auflistung nach Münchener Vertragshandbuch/Winkler8, Band 6, VII 1. § 7; Kersten/Bühling/Wolfsteiner26, § 64 Rz. 41 M (neu); Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 21. 3 Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 21 a. 4 OLG Karlsruhe v. 31.5.2000 – 19 U 232/98, NJW-RR 2002, 413; OLG Hamm v. 2.2.1965 – 15 W 286/64, DNotZ1966, 41; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1456; Limmer in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis10, Teil 10 Rz. 61; NK-BGB/Heller, § 2 ErbbauRG Rz. 12. 5 Grüneberg/Wicke81, § 2 ErbbauRG Rz. 5; Grziwotz in Erman16, § 2 ErbbauRG Rz. 6. 6 OLG Oldenburg v. 18.12.1987 – 5 W 63/87, DNotZ 1988, 591. 7 BGH v. 11.7.2003 – V ZR 56/02, MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1524 = DNotZ 2004, 143.
704 Rapp
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.47 Kap. 5
Neben einer Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 138 BGB und § 242 BGB sol- 5.45 len nach einer verbreitet vertretenen Ansicht auch die §§ 305 ff. BGB anwendbar sein1. Vor allem überraschende Klauseln sind danach unwirksam. Ob der Kirchenaustritt bei einem kirchlichen Grundstückseigentümer den Heimfall rechtfertigen kann, ist strittig2. Bei Ausübung des Heimfalls durch die öffentliche Hand ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und der angemessenen Vertragsgestaltung (vgl. § 11 Abs. 2 BauGB) zu beachten3. Die Vereinbarung des Heimfalls wegen Insolvenz, Zwangsvollstreckung oder Ver- 5.46 zugs ist wirksam und verstößt nicht gegen § 138 BGB oder § 119 InsO4. § 119 InsO findet auf Erbbaurechtsverträge ab der Eintragung des Erbbaurechtes in das Grundbuch keine Anwendung mehr, da der Rechtskauf mit der Eintragung in das Grundbuch vollständig erfüllt ist, so dass das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO durch die Abrede über den Heimfall nach Ansicht des BGH nicht beeinträchtigt werden kann. Gleichwohl sieht der BGH in dieser üblichen Heimfallregelung eine gläubigerschädigende Abrede, weil sie der Masse das Nutzungsrecht Erbbaurecht entzieht, § 133 Abs. 1 InsO. Der BGH stellt dabei allein auf den Entzug des Nutzungsrechts ab und lässt es offen, ob die Vereinbarung einer angemessenen Entschädigung dieses Urteil vermeiden könnte. Der BGH scheint es jedoch als nicht anfechtbar zu akzeptieren, wenn der Heimfall auf den zweijährigen Verzug mit den Reallastzahlungen abstellt. Für den Fall des Heimfalls wie auch für den Fall des Zeitablaufes wird üblicherweise 5.47 eine Entschädigung des Erbbauberechtigten vereinbart. Sind keine Regelungen getroffen, so ist nach § 32 Abs. 1 ErbbauRG eine angemessene Vergütung zu gewähren, die sich grundsätzlich am realen Wert des Bauwerks orientiert5. Als Inhalt des Erbbaurechtes können jedoch auch Vereinbarungen über die Höhe dieser Vergütung und die Art ihrer Zahlung sowie ihre Ausschließung getroffen werden, § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG. Ob der Ausschluss der Vergütung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann, ist streitig6. Der BGH7 hat sich in der Kontroverse nicht festgelegt. Der Ausschluss der Vergütung basiert jedoch auf einer gesetzlichen Öffnungsklausel. Vielfach ist auch der Ausschluss einer Entschä-
1 BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, MDR 2015, 1061 = NJW 2015, 3436 = DNotZ 2015, 761 Rz. 29 ff.; Ingenstau/Hustedt110, § 2 ErbbauRG Rz. 46; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 21 f.; § 11 ErbbauRG Rz. 33. 2 Siehe Ingenstau/Hustedt110, § 2 ErbbauRG Rz. 47; Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 21 d. 3 BGH v. 26.6.2015 – V ZR 144/14, NJW 2015, 3446 Rz. 15 ff. 4 BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325 = DNotZ 2007, 682 m. Anm. Reul, S. 649; s. dazu auch Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 4 Rz. 87a. 5 BGH v. 6.12.1974 – V ZR 95/73, DB 1975, 685; vgl. auch BGH v. 20.4.1990 – V ZR 301/88, BGHZ 111, 154 = MDR 1990, 909 = NJW 1990, 2067 = DNotZ 1991, 393; Staudinger/ Rapp, § 32 ErbbauRG Rz. 6. 6 Vgl. Staudinger/Rapp, § 27 ErbbauRG Rz. 8d ff. 7 BGH v. 23.11.2018 – V ZR 33/18, MDR 2019, 606 = NJW-RR 2019, 755 = ZfIR 2019, 489 = DNotZ 2019, 627 Rz. 22.
Rapp 705
Kap. 5 Rz. 5.47 Erbbaurecht
digung bei bestimmten Bauwerken interessengerecht, weil deren Verkäuflichkeit eingeschränkt ist, z.B. bei Sportstätten, Schulen, Supermärkten1. Damit kann eine solche Öffnungsklausel keine unbillige Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB darstellen2. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Erbbaurecht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses minder bemittelter Bevölkerungskreise bestellt wurde. Anderenfalls besteht weitestgehende Gestaltungsfreiheit. Sie kann sogar in voller Höhe ausgeschlossen werden3. Üblich sind insoweit Bewertungsabschläge von einem bis zwei Drittel des Verkehrswerts. Soweit die Beteiligten sich nicht über den Wert der Gebäude einigen können, wird üblicherweise eine Schiedsgutachterklausel vereinbart. Einer besonders herabgesetzten Abfindung kann jedoch bei wirksamer Ausübung des Heimfallrechts die Einwendung des § 146 Abs. 2 InsO entgegenstehen, wenn die Herabsetzung der Abfindung in anfechtbarer Weise begründet wurde4.
5.48 Der Grundstückseigentümer hat in Anrechnung auf eine ggf. zu zahlende Entschädigung die am Grundbesitz lastenden Grundpfandrechte einschließlich der durch die Grundpfandrechte gesicherten Verbindlichkeiten zu übernehmen5. Bei herabgesetzten Heimfallentschädigungen kann daher eine hohe Belastung mit Grundpfandrechten und Verbindlichkeiten dazu führen, dass der Heimfall nicht ausgeübt werden kann oder durch die Schuldübernahme eine höhere Zahlungspflicht entsteht, als nach der Abfindungsklausel eigentlich geschuldet wäre. Durch den Vorbehalt einer Belastungszustimmung gem. § 5 Abs. 2 ErbbauRG kann der Eigentümer ein solches Ergebnis vermeiden. Eine Verpflichtung zur Ausübung des Heimfallrechtes besteht nicht, da es sich lediglich um ein Recht des Eigentümers handelt6. Eine entsprechende Verpflichtung kann schuldrechtlich aber als begleitende Abrede zum dinglichen Erbbaurecht getroffen werden. 5.49 Die Regelungen zum Bestehenbleiben von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden oder Reallasten sind zwingend. Sie können ebenso wenig abbedungen werden, wie die in § 33 Abs. 2 ErbbauRG geregelte Erfüllungsübernahme7, da sie dem Interesse der Realgläubiger dienen und die Beleihbarkeit des Erbbaurechtes gewährleisten. e) Vertragsstrafen, Erneuerungsvorrecht und Verkaufsverpflichtung, § 2 Nr. 5 ErbbauRG
5.50 Als weiteren dinglichen Regelungsinhalt sieht § 2 Nr. 5 bis 7 ErbbauRG vor, dass Vereinbarungen über die Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Zahlung von 1 2 3 4
Amann, MittBayNot 2019, 539 Fn. 7. Staudinger/Rapp, § 27 ErbbauRG Rz. 8 f. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1460. BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325 = DNotZ 2007, 682 m. Anm. Reul, S. 649. 5 Grziwotz in Erman16, § 33 ErbbauRG Rz. 7. 6 Grziwotz in Erman16, § 2 ErbbauRG Rz. 6; zur Verwendung des Heimfallanspruchs als zusätzliche Kreditsicherheit s. Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rnz.19. 7 Grüneberg/Wicke81, § 33 ErbbauRG Rz. 2; Staudinger/Rapp, § 33 ErbbauRG Rz. 10.
706 Rapp
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.53 Kap. 5
Vertragsstrafen, über ein Vorrecht nach Zeitablauf und über die Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das Grundstück an den jeweiligen Erbbauberechtigten zu verkaufen, getroffen werden können. Das Vorrecht auf Erneuerung ist in § 31 ErbbauRG geregelt. Daraus ergibt sich, 5.51 dass dieses nur dann ein Recht auf Verlängerung des Erbbaurechtes gewährt, wenn der Grundstückseigentümer mit einem Dritten einen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechtes abschließt und das Erbbaurecht den gleichen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Mit Ablauf von drei Jahren nach Zeitablauf des Erbbaurechtes erlischt auch das Vorrecht. Es handelt sich in seiner Konstruktion also um ein dem Vorkaufsrecht nachgebildetes Recht. Einen unbedingten Anspruch des Erbbauberechtigten auf Verlängerung gewährt es nicht, so dass dieses Recht sehr schwach ausgeprägt ist. Das Vorrecht auf Erneuerung des Erbbaurechtes gehört – bei entsprechender Vereinbarung – zum Inhalt des Erbbaurechtes, § 2 Nr. 6 ErbbauRG. Es ist deshalb nur im Erbbaugrundbuch und nicht im Grundbuchblatt des Grundstücks einzutragen. Dies ergibt sich aus § 31 Abs. 4 Satz 3 ErbbauRG; sonst wäre nämlich diese Vorschrift nicht notwendig gewesen, wonach bei dem Vorrecht auf Erneuerung eine derartige Vormerkung erst später unter bestimmten Voraussetzungen von Amts wegen einzutragen ist1. Die Verkaufsverpflichtung nach § 2 Nr. 7 ErbbauRG leidet an dem Problem, dass 5.52 die Gegenleistung für das Grundstück im Erbbaurechtsvertrag bereits möglichst bestimmt bezeichnet sein muss2. Dies führt meist zu der folgenden Alternativregelung: Üblicherweise werden wechselseitige Vorkaufsrechte an Grundstück und Erbbaurecht für den jeweiligen anderen Berechtigten für alle Verkaufsfälle bestellt. Insoweit wird die Kaufpreisfindung durch den Eintritt des Vorkaufsfalls bestimmt. Die wechselseitigen Vorkaufsrechte sind nicht dinglicher Inhalt des Erbbaurechts3. f) Zustimmungsvorbehalt für Belastung und Veräußerung Der Grundstückseigentümer ist im Falle des Heimfalls verpflichtet, die auf dem Erb- 5.53 baurecht eingetragenen Grundpfandrechte und Reallasten einschließlich der zugrunde liegenden persönlichen Verpflichtungen zu übernehmen (§ 33 ErbbauRG). Er haftet also für diese Verbindlichkeiten. Sie sollten deshalb die Heimfallvergütung gem. § 32 ErbbauRG nicht überschreiten. Vor diesem Hintergrund hat der Grundstückseigentümer ein Interesse daran, Einfluss auf die Veräußerung und Übertragung des Erbbaurechtes sowie dessen Belastung zu erhalten. Dies ermöglichen ihm die §§ 5 ff. ErbbauRG. Hiernach ist, falls eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde, eine Übertragung oder Belastung eines Erbbaurechtes erst wirksam, wenn der Grundstückseigentümer dem zugestimmt hat. Allerdings liegt die Zustimmung
1 Staudinger/Rapp, § 14 ErbbauRG Rz. 14. 2 Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1462 f. 3 Zum Ankaufsrecht des Erbbauberechtigten s. Staudinger/Rapp, § 2 ErbbauRG Rz. 31.
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Kap. 5 Rz. 5.53 Erbbaurecht
zu entsprechenden Verfügungen nicht im freien Ermessen des Erbbauberechtigten1; der Erbbauberechtigte ist vielmehr grundsätzlich verpflichtet, der Veräußerung oder Belastung zuzustimmen, soweit der mit der Bestellung des Erbbaurechtes verfolgte Zweck2 nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird und die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung aus dem Erbbaurechtsvertrag bietet und bei Belastungen die Belastung den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht3. Der Anspruch auf Zustimmung durch den Grundstückseigentümer ist allerdings bei einer Veräußerung anders ausgestaltet als bei einer Belastung; danach kann ein Anspruch auf Zustimmung zur Veräußerung bestehen, nicht jedoch ein solcher auf Zustimmung zur Belastung. Es empfiehlt sich deshalb, bei einem Kaufvertrag über ein Erbbaurecht, bei dem der Kaufpreis finanziert werden soll und das entsprechende Darlehen durch Grundpfandrechte am Erbbaurecht abgesichert werden soll, die Fälligkeit des Kaufpreises davon abhängig zu machen, dass auch die Zustimmung zur Belastung erteilt wird4. Bei zu Unrecht verweigerter Zustimmung kann der Erbbauberechtigte in einem gerichtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 7 ErbbauRG die Zustimmung erzwingen. Die Belastungsbeschränkung kann nur für die in § 5 Abs. 2 ErbbauRG bezeichneten Rechte vereinbart werden, nicht hingegen für Dienstbarkeiten oder Untererbbaurechte5.
1 Grziwotz in Erman16, § 7 ErbbauRG Rz. 2; Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 25 ff. 2 Zum Zweck des Erbbaurechtes gehört aus Sicht des Grundstückseigentümers vor allem auch der Anspruch auf den Erbbauzins, auch soweit dieser nicht dinglich gesichert ist, BGH v. 13.7.2017 – V ZB 186/15, BGHZ 215, 250 Rz. 15, 17. Die Veräußerungszustimmung gem. § 5 Abs. 1 ErbbauRG kann deshalb auch dann verweigert werden, wenn der Erwerber nicht in entsprechende schuldrechtliche Anpassungsvereinbarungen bezüglich des Erbbauzinses eintritt, BGH, a.a.O., Rz. 23; vgl. auch OLG Schleswig v. 17.9.2020 – ((Az.)) 2 U 10/19, ErbbauZ 2021, 19 Rz. 83, wonach die Veräußerungszustimmung versagt werden kann, wenn der Erwerber nicht einer bestimmten Personengruppe angehört, für die das Erbbaurecht ausschließlich bestimmt ist; im Ganzen s. Staudinger/Rapp, §§ 5–7 Rz. 26b. 3 Vgl. zum Sicherungsumfang der Grundschuld, die sich durch die Grundschuldzinsen erhöht, BGH v. 28.9.1999 – XI ZR 90/98, MDR 1999, 1517 = NJW 1999, 3705 = DStR 1999, 1914 = DNotZ 2000, 59; OLG Frankfurt v. 12.7.2005 – 20 W 63/04, NZM 2005, 919 = NJW-RR 2006, 387 (zur Einbringung eines Erbbaurechts in eine haftungsbeschränkte GmbH & Co. KG); OLG Hamm v. 13.10.1994 – 15 W 201/94, NJW-RR 1995, 399 = MittRhNotK 1995, 201; v. 22.5.1990 – 15 W 77/90, NJW-RR 1991, 20; BayObLG v. 19.10.1988 – BReg. 1a Z 24/88, DNotZ 1989, 368 = MittRhNotK 1988, 257; OLG Hamm v. 13.7.1995 – 15 W 187/95, MittBayNot 1996, 37, 39 = MittRhNotK 1996, 272; v. 30.5.1996 – 15 W 52/96, MittBayNot 1996, 380; LG Regensburg v. 18.4.2007 – 5 T 61/07, MittBayNot 2008, 55. 4 BGH v. 2.6.2005 – III ZR 306/04, NJW 2005, 3495 = ZfIR 2005, 728 = DNotZ 2005, 847; vgl. hierzu Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 12 ff., Rz. 31a. 5 Grüneberg/Wicke81, § 5 ErbbauRG Rz. 5; Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 8. Im Hinblick auf § 42 Abs. 2 WEG wird angenommen, dass auch die Belastung des Erbbaurechts mit einem Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG dem Zustimmungsvorbehalt gem. § 5 Abs. 2 ErbbauRG unterstellt werden kann; s. Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 4; a.A. Lemke/Czub2, § 5 ErbbauRG Rz. 13.
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B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.56 Kap. 5
VIII. Erbbauzins Die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses gem. §§ 9 ff. ErbbauRG ist nicht 5.54 dinglicher Inhalt des Erbbaurechtes1. Um den Grundstückseigentümer dennoch zu sichern, wird eine Erbbauzinsreallast am Erbbaurecht zugunsten des Grundstückseigentümers eingetragen. Der Erbbauberechtigte unterwirft sich in der Regel hinsichtlich der Zahlungsverpflichtungen aus der Erbbauzinsreallast persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Dabei ist es nach h.M. möglich, sich nicht nur hinsichtlich des Ausgangsbetrages, sondern auch hinsichtlich des Wertsicherungsbetrages der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen2. Die Vereinbarung einer Gegenleistung, insbesondere eines Erbbauzinses, ist kein zwingendes Kennzeichen des Erbbaurechtsvertrages. Geht man jedoch bei der Einräumung eines Erbbaurechtes von einem Rechtskauf aus, so wäre der Kaufpreis Zug um Zug mit der Rechtseinräumung zur Zahlung fällig. Durch die Vereinbarung eines Erbbauzinses wird jedoch die Fälligkeit der Gegenleistung, vergleichbar wie bei einer Stundung, über den bei einem Rechtskauf üblichen Zeitpunkt hinaus, abweichend von dem Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung, in die Zukunft verschoben3. Verpflichtet sich deshalb eine Gemeinde als Erbbaurechtsnehmerin zur Zahlung eines Erbbauzinses, so liegt, kommunalrechtlich betrachtet, ein kreditähnliches Rechtsgeschäft vor, das nach den einschlägigen landesrechtlichen Gemeindeordnungen der rechtsaufsichtlichen Genehmigung bedarf 4. Der Erbbauzins wird üblicherweise wertgesichert bestellt. Maßgeblich ist das Preis- 5.55 klauselgesetz vom 13.6.20075. Zulässig sind nach § 4 PreisKlG Preisklauseln in Erbbaurechtsbestellungsverträgen und Erbbauzinsreallasten mit einer Laufzeit von mindestens 30 Jahren. Gleichzeitig sollten diese Preisklauseln hinreichend bestimmt sein. Bei kürzerer Laufzeit führt dies nicht zur automatischen Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel; es sind dann vielmehr die allgemeinen Anforderungen für zulässige Wertsicherungsklauseln einzuhalten6. Die Vollstreckung des Erbbauzinses sowie die Vollstreckung aus Grundpfandrech- 5.56 ten, die einer Erbbauzinsreallast vorgehen, war in der Vergangenheit mit großen Ri1 Münchener Vertragshandbuch/Winkler8, Band 6, VII 1 Anm. 36. 2 Vgl. BGH v. 10.12.2003 – XII ZR 155/01, MDR 2004, 688 = NJW-RR 2004, 649 = DNotZ 2004, 644; Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 11a. Zur Unzulässigkeit einer dinglichen ZV-Unterwerfung s. Rz. 5.57. 3 BGH v. 22.1.2016 – V ZR 27/14, BGHZ 208, 316 = MDR 2016, 320 = NJW 2016, 3162 = ZfIR 2016, 407 = DNotZ 2016, 375 = MittBayNot 2017, 304 Rz. 26; hierzu kritisch Amann, DNotZ 2017, 328 und Wilhelm, NJW 2017, 193. 4 BGH v. 22.1.2016 – V ZR 27/14, BGHZ 208, 316 = MDR 2016, 320 = NJW 2016, 3162 = ZfIR 2016, 407 = DNotZ 2016, 375 = MittBayNot 2017, 304 Rz. 27 f. 5 Ges. über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) v. 7.9.2007, BGBl. I 2007, 2247 (abgedruckt und kommentiert bei Grüneberg/Grüneberg81, Anh. zu § 245 BGB). 6 Siehe auch Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 6 Rz. 151a; Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 25 ff.
Rapp 709
Kap. 5 Rz. 5.56 Erbbaurecht
siken verbunden. Dies hat der Gesetzgeber durch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz1 deutlich verbessert. Danach kann einerseits ein Vorrangvorbehalt für den jeweiligen Erbbauberechtigten geschaffen werden, der es dem Erbbauberechtigten ermöglicht, im Rang vor der Erbbauzinsreallast Grundpfandrechte in bestimmter Höhe eintragen zu lassen. Der Grundstückseigentümer trägt hieraus kein wesentliches Risiko, sofern gleichzeitig vereinbart wird, dass die Reallast abweichend von § 52 Abs. 1 ZVG mit ihrem Hauptanspruch bestehen bleibt, wenn der Grundstückseigentümer aus der Reallast oder der Inhaber eines im Rang vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechts die Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes betreibt. Den dinglichen Rechten steht gleich der Anspruch der rechtsfähigen Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft bzw. ausgleichsberechtigter Wohnungserbbauberechtigter auf Zahlung der gem. §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Kosten und Beiträge bzw. Ausgleichsansprüche. Ohne die Regelung würde die Erbbauzinsreallast bei einer Zwangsversteigerung eines Wohnungserbbaurechtes wegen Ansprüchen der rechtsfähigen Gemeinschaft bzw. ausgleichsberechtigter Wohnungserbbauberechtigter, die in die Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG fallen, erlöschen2. Beides kann zum Inhalt des Erbbauzinses, also der Erbbauzinsreallast gemacht werden. So verliert der Grundstückseigentümer im Falle der zwangsweisen Beitreibung des Erbbauzinses oder für sonstige Fälle der Versteigerung des Erbbaurechtes nicht mehr seinen Erbbauzins. Er ist nicht mehr auf die bisher eintretende Kapitalisierung des Erbbauzinses angewiesen. Darüber hinaus hat der jeweilige Ersteigerer des Erbbaurechtes den Vorteil, dass auch diesem wiederum der Vorrangvorbehalt zur Beleihung des Erbbaurechtes im Rang vor der Erbbauzinsreallast zur Verfügung steht3.
5.57 Eine dingliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung gegen den jeweiligen Inhaber des Erbbaurechtes kann nicht vereinbart werden, da §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 800 ZPO sich nicht auf Reallasten erstrecken. Eine dingliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung kann daher auch nicht im Grundbuch eingetragen werden4. Aus diesem Grund empfiehlt es sich aus Sicht des Grundstückseigentümers, neben der persönlichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung des ersten Erbbauberechtigten diesen zu verpflichten, eine Veräußerung an einen Einzelrechtsnachfolger nur vorzunehmen, wenn dieser sich sowohl wegen der persönlichen Zahlungsverpflichtung der soforti1 Ges. zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet v. 21.9.1994, BGBl. I 1994, 2457, ergänzt durch Art. 11a EuroEG v. 9.6.1998, BGBl. I 1998, 1242. 2 Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 28c, 32. 3 Vgl. zum Ganzen Münchener Vertragshandbuch/Winkler8, Band 6, VII 2. Anm. 8 ff.; Limmer in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis10, Teil 10 Rz. 151 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, § 4 Rz. 140 ff.; Rapp in FS Brambring (2011), 305 ff.; der Rangvorbehalt gem. § 9 Abs. 3 Nr. 2 ErbbauRG ist zwingend für den Fall, dass der Inhaber eines im Range vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechts aus diesem die Zwangsversteigerung betreibt, Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 29 f.; a.A. KG v. 1.3.2018 – 1 W 98/17, MittBayNot 2018, 446, zustimmend Schlögel MittBayNot 2018, 447; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 6 Rz. 57; Lemke/Czub2, § 9 ErbbauRG Rz. 66; Grüneberg/Wicke81, § 9 ErbbauRG Rz. 16. 4 Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 11, 11a.
710 Rapp
B. Zivilrechtliche Grundzüge des Erbbaurechts
Rz. 5.60 Kap. 5
gen Zwangsvollstreckung aus der Erbbauzinsreallast (§ 1108 BGB) in der im Veräußerungszeitpunkt gegebenen Höhe unterwirft (vgl. dazu auch die Ausführungen zum Verkauf eines Erbbaurechtes Rz. 5.342). Zur Behandlung des Erbbauzinses in der Insolvenz des Erbbauberechtigten s. BGH1 5.58 vom 20.10.2005. Danach findet § 108 InsO auf Erbbaurechtsverträge keine Anwendung. § 108 InsO regelt nur den Fortbestand von Miet- oder Pachtverträgen. Ansprüche auf (dinglich nicht gesicherte) Erbbauzinsen begründen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeiten, sondern sind also nur als reguläre Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden und entsprechend quotal zu erfüllen. Diese Rechtslage führt dazu, dass der Grundstückseigentümer nicht mit rückständigen Erbbaurechtszinsen gegen andere Masseforderungen des Insolvenzverwalters gegen den Grundstückseigentümer aufrechnen kann. Umso wichtiger ist die dingliche Reallast. Die dingliche Erbbauzinsreallast kann in dinglicher Weise als wertgesichertes 5.59 Recht bestellt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG i.V.m. § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB)2. Damit erhöht sich bei einer Anknüpfung an den Verbraucherpreisindex (VPI) der Inhalt der Reallast automatisch mit der jeweiligen Anpassung des Lebenshaltungskostenindexes. Dies macht regelmäßige Anpassungen der Reallast mit entsprechenden Grundbucheintragungen und die Bestellung einer Vormerkung zur Sicherung von Erhöhungsbeträgen überflüssig3. Dient ein Erbbaurecht zu Wohnzwecken, so ist nach § 9a ErbbauRG eine Erhöhung des Erbbauzinses nur insoweit zulässig, als sie über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht hinausgeht. Die Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ist identisch mit dem Mittelwert des Verbraucherpreisindexes einerseits und der Änderung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der Industriearbeiter und der Angestellten in Industrie und Handel andererseits4. Die entsprechende Formel lautet: (Anstieg der Lebenshaltungskosten gem. VPI + Anstieg der Einkommen): 2 = Erhöhungsprozentsatz. IX. Die versteigerungsfeste Erbbauzinsreallast Der Zweck des Erbbaurechtes aus Sicht des Erbbauberechtigten besteht darin, dass 5.60 er auf einem ihm fremden Grundstück rechtlich gesichert auf die Laufzeit des Rechtes ein Bauwerk errichten, benutzen und haben kann. Für die Errichtung des Bauwerks benötigt der Erbbauberechtigte einen Kredit, den er am Erbbaurecht selbst absi1 BGH v. 20.10.2005 – IX ZR 145/04, MDR 2006, 470 = NJW-RR 2006, 188 = DStZ 2006, 56. 2 Grüneberg/Wicke81, § 9 ErbbauRG Rz. 5 i.V.m. Grüneberg/Herrler81, § 1105 BGB Rz. 6. 3 Die Entwicklung vom festen zum variablen – wertgesicherten – Erbbauzins ist dargestellt bei Staudinger/Rapp, § 9 ErbbauRG Rz. 19 ff. 4 BGH v. 18.11.2011 – V ZR 31/11, BGHZ 191, 336 Rz. 18; v. 31.10.2008 – V ZR 71/08, NJW 2009, 679 Rz. 17, 18 m.w.N.
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Kap. 5 Rz. 5.60 Erbbaurecht
chern kann, da dieses ein grundstücksgleiches Recht ist (§§ 1 Abs. 1, 11 ErbbauRG). Kreditgebende Banken verlangen dabei regelmäßig eine Grundbuchsicherheit für den Kredit, meistens eine Grundschuld, die am Erbbaurecht einzutragen ist. Sicherheit verlangt jedoch auch der Grundstückseigentümer hinsichtlich der Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Zahlung des Erbbauzinses. Damit ist der Rangkonflikt zwischen dem Grundstückseigentümer und den Kreditgebern vorgezeichnet. Die Sicherheit eines jeden von ihnen hängt von der Rangstelle ab, auf der sein Recht eingetragen ist. Ist die Reallast (Sicherheit des Grundstückseigentümers für den Erbbauzins) an erster Rangstelle eingetragen, die Grundschuld als Sicherheit für den Kreditgeber an zweiter Rangstelle und wird alsdann aus der Reallast die Zwangsversteigerung betrieben, so wird zunächst die kapitalisierte Reallast aus dem Versteigerungserlös bedient und nachrangig der Grundschuldgläubiger. Ist umgekehrt die Grundschuld an erster Rangstelle eingetragen und wird aus dieser die Zwangsversteigerung betrieben, so wird, den allgemeinen Ranggrundsätzen entsprechend, zunächst der Grundschuldgläubiger bedient und aus dem restlichen Versteigerungserlös der Grundstückseigentümer bezüglich seiner Reallast. Je nach Höhe des Erbbauzinses bzw. des Grundschulddarlehens besteht für den jeweils an zweiter Rangstelle eingetragenen Berechtigten die Gefahr, dass er mit seiner Forderung ganz oder teilweise ausfällt. Der Gesetzgeber des ErbbauRG versuchte zunächst, den Konflikt dadurch zu entschärfen, dass er bezüglich des Erbbauzinses in § 9 Abs. 2 ErbbauRG a.F. bestimmte, dass dieser für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtes fest, also unverändert gegenüber dem Ausgangsbetrag, in seiner Höhe sei. Dies war jedoch bei sich verändernden wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen, vor allem wegen inflationären Entwicklungen, nicht auf Dauer zu halten. Die Kautelarjurisprudenz entwickelte deshalb zu dem festen Erbbauzinsanspruch den schuldrechtlichen Anpassungsanspruch an veränderte Geldwertverhältnisse. Der Anpassungsanspruch wurde unter Beachtung des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes durch Vormerkung auf Erhöhung des Erbbauzinses gesichert. Der Kampf der beiden Gläubiger des Erbbauberechtigten um die erste Rangstelle wurde dadurch jedoch nicht beendet. Eine Lösung wurde mit Wirkung zum 1.10.1994 durch den Gesetzgeber geschaffen. Mit dem zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Sachenrechtsänderungsgesetz wurde die versteigerungsfeste Erbbauzinsreallast eingeführt, § 9 Abs. 3 ErbbauRG. Die Versteigerungsfestigkeit wurde dadurch erreicht, dass bei einer Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes die den Erbbauzins sichernde Reallast mit ihrem Hauptanspruch bestehen bleibt, wenn der Grundstückseigentümer aus der Reallast oder ein Grundpfandrechtsgläubiger aus seinem der Reallast im Range vorgehenden Recht die Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes betreibt. Die Reallast erlischt also nicht. Aus der Reallast werden bei der Zwangsversteigerung nur die laufenden Leistungen und rückständige Leistungen bezahlt. Eine Kapitalisierung findet nicht statt. Ist z.B. die Reallast an erster Rangstelle eingetragen und betreibt der Grundstückseigentümer die Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes aus der Reallast, so bleibt diese auch nach dem Zuschlag bestehen. Da keine Kapitalisierung stattfindet, bleibt für das Recht des Grundpfandgläubigers ein erheblich größerer Betrag als der der bei einer Kapitalisierung auf diesen entfallen würde. Ist dagegen das Grundpfand712 Rapp
C. Einkommensteuer
Rz. 5.64 Kap. 5
recht an erster Rangstelle eingetragen, so bleibt auch die nachrangige Erbbauzinsreallast bestehen. Zum Vorteil des Grundstückseigentümers gibt es also in beiden Fällen kein erbbauzinsfreies Erbbaurecht. Die versteigerungsfeste Erbbauzinsreallast muss jedoch ausdrücklich als Inhalt des Erbbaurechtes vereinbart und im Grundbuch eingetragen werden.
C. Einkommensteuer I. Erstmalige Bestellung eines Erbbaurechtes an einem unbebauten Grundstück Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Bestellung eines Erbbaurechtes an ei- 5.61 nem unbebauten Grundstück ist zunächst zu unterscheiden, ob sich das Grundstück bisher im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen befunden hat. 1. Behandlung im Privatvermögen gehaltener Grundstücke beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten)
5.62
Beispiel: Der Steuerpflichtige S ist Eigentümer eines teilweise unbebauten Grundstücks des Privatvermögens, das im Übrigen mit seinem Einfamilienhaus bebaut ist und in einer Gemeinde liegt, die überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt ist. Seine Tochter T möchte auf dem unbebauten Teil des Grundstücks ein Haus errichten. Da er sich noch nicht dauerhaft von dem Grundstück trennen möchte und eine Genehmigung nach §§ 19, 22 BauGB nicht erteilt wird, möchte er der T ein Erbbaurecht1 an dem Grundstück im Wege der unechten Teilflächenbelastung2 einräumen. T soll keinerlei Gegenleistungen erbringen.
Wird ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück des Privatvermögens be- 5.63 stellt, so hat die Erbbaurechtsbestellung keinerlei einkommensteuerliche Auswirkungen beim Grundstückseigentümer, wenn das Erbbaurecht vollständig unentgeltlich eingeräumt wird. Da sich das Erbbaurecht nicht auf den bebauten Teil des Grundstücks erstreckt, geht auch das Eigentum an dem bereits aufstehenden Gebäude nicht auf die T über. In diesem Fall liegt der steuerliche Schwerpunkt im Schenkungsteuerrecht.
5.64
Beispiel: Der Steuerpflichtige S ist Eigentümer eines vollständig unbebauten Grundstücks des Privatvermögens. Da er sich nicht dauerhaft von dem Grundstück trennen möchte oder dies nicht kann, möchte er D ein Erbbaurecht an dem Grundstück einräumen. D verpflichtet sich, dem 1 Alternativ ist es natürlich auch möglich, einen Miteigentumshälfteanteil mit Nutzungsvereinbarung und Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft nach § 1010 BGB zu überlassen oder ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht zu bestellen. Letzteres ist vor allem eine Möglichkeit, wenn die erste Rangstelle nicht erreichbar ist, hat jedoch den Nachteil, dass das Dauerwohnrecht nicht selbständig mit Grundpfandrechten belastet werden kann. 2 Zur Zulässigkeit vgl. Grüneberg/Wicke81, § 1 ErbbauRG Rz. 5.
Rapp und Schallmoser 713
Kap. 5 Rz. 5.64 Erbbaurecht S einen monatlich im Voraus fälligen Erbbauzins i.H.v. 1.000 t zu zahlen, der mit einer wertgesicherten Erbbauzinsreallast am Erbbaurecht abgesichert werden soll.
5.65 Vereinbaren Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigter, wie üblich, die Zahlung von laufenden Erbbauzinsen, so erzielt der Grundstückseigentümer mit den Erbbauzinsen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG)1. Für den Zeitpunkt der Erfassung und Besteuerung der Einnahmen gilt das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 EStG). Zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, die dem Grundstückseigentümer zuzurechnen sind, können auch Erschließungskosten und Straßenanliegerbeiträge zählen, die der Erbbauberechtigte entgegen dem öffentlichen Recht anstelle des Eigentümers übernimmt. Problematisch ist hierbei die Bestimmung des genauen Zeitpunkts des Zuflusses2. 5.66 Abwandlung: Ändert sich etwas an der Besteuerung beim Grundstückseigentümer, wenn der Erbbauzins nicht in laufenden Beträgen gezahlt wird, sondern vorab in einem Betrag von 100.000 t für die gesamte Laufzeit?
5.67 Zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählt ein Erbbauzins auch dann, wenn er in großen Beträgen oder in einer Summe im Voraus bezahlt wird3. Diese Beträge wären dem Grunde nach in voller Höhe im Jahr des Zuflusses zu versteuern (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG); nach der durch das EURLUmsG4 m.W. ab 1.1.2004 eingeführten Sonderregelung (zur Entstehungsgeschichte s. Rz. 5.89) in § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG hat der Steuerpflichtige indes ein Wahlrecht („… kann …“), die für Nutzungsverträge von mehr als fünf Jahren (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG) vorausbezahlten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechtes zu verteilen. 5.68 Die Einräumung eines Erbbaurechtes an einem unbebauten Grundstück führt grundsätzlich nicht zur Veräußerung des unbebauten Grundstücks5. Das Grundstück wird lediglich zur Nutzung auf Zeit überlassen und ist insoweit vergleichbar mit einem langfristigen Miet- bzw. Pachtverhältnis6. Der zivilrechtliche Grundstückseigentü-
1 BFH v. 20.9.2006 – IX R 17/04, BStBl. II 2007, 112 = ErbStB 2007, 34; v. 23.9.2003 – IX R 65/02, BStBl. II 2005, 159 = DStR 2003, 2107 = FR 2004, 167 m. Anm. Fischer; v. 4.7.1969 – VI R 259/67, BStBl. II 1969, 724 f. = DB 1969, 2114; Sproß, DStZ 1994, 673 (674); Kirchhof/Seer/Mellinghoff21, § 21 EStG Rz. 48 „Erbbaurecht“. Siehe ausf. Spindler, DB 1994, 650 ff. 2 Vgl. dazu BFH v. 21.11.1989 – IX R 170/85, BStBl. II 1990, 310 = DB 1990, 355; vgl. auch Spindler, DB 1994, 650; Kirchhof/Seer/Mellinghoff21, § 21 EStG Rz. 48 „Erbbaurecht“. 3 BFH v. 4.7.1969 – VI R 259/67, BStBl. II 1969, 724 f. = DB 1969, 2114. 4 BGBl. I 2004, 3310. Vgl. hierzu Melchior, DStR 2004, 2121; BT-Drucks. 15/3677; BTDrucks. 15/4050; BT-Drucks. 15/3789; BT-Drucks. 15/3922. 5 Vgl. BFH v. 2.5.1984 – VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820 = DStR 1984, 693; Schmidt-Liebig, FR 1998, 177 (181); Sauren, DStR 2000, 60 (61); BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = FR 2000, 1158 Tz. 14; BFH v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = DB 1994, 1800 = GmbHR 1994, 816. 6 Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 7 m.w.N.
714 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.69 Kap. 5
mer bleibt grundsätzlich auch weiterhin wirtschaftlicher und damit auch steuerrechtlich Eigentümer i.S.d. § 39 AO1; denn er bleibt im Regelfall weiterhin zum Verkauf und damit zur Verwertung des belasteten Grundbesitzes befugt. Der Erbbauberechtigte ist demgegenüber lediglich Eigentümer der auf dem belasteten Grundstück errichteten baulichen Anlagen; er besitzt den Grund und Boden in Ausübung des Erbbaurechts für den Grundstückseigentümer2. Lediglich in Ausnahmefällen kann die Einräumung eines langfristigen Erbbaurechtes zu einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erbbauberechtigten führen. Dies ist etwa der Fall, wenn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf ihn übergegangen sind und der rechtliche Eigentumsübergang nachfolgen soll. Anders als bei dem Käufer eines Grundstücks kann bei einem Erbbauberechtigten aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass der bürgerlich-rechtliche Eigentumsübergang nachfolgen soll. Wenn ein Erbbauberechtigter als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden soll, muss sich die Tatsache, dass zwischen den Vertragspartnern Einigkeit über den Übergang auch des bürgerlich-rechtlichen Eigentums am Grundstück bestand, aus anderen Umständen ergeben. Dabei genügt es nicht, dass die Beteiligten bei der Bestellung des Erbbaurechts die Absicht hatten, irgendwann in der Zukunft das Erbbaurecht in bürgerlich-rechtliches Eigentum übergehen zu lassen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Verkauf des Grundstücks zwischen den Beteiligten endgültig beschlossen ist und lediglich der Vollzug dieser Absicht noch von bestimmten Gegebenheiten abhängt3. Ein – gewünschter – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erbbauberechtigten kann u.E. erreicht werden durch eine Kombination mit einem Erbvertrag4 oder durch Kombination des Erbbaurechtes mit einer unbeschränkten Verlängerungsmöglichkeit oder einer unentgeltlichen Erwerbsoption nach Ablauf des Rechtes5. In diesen Fällen kann ggf. schon durch die Erbbaurechtsbestellung ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht werden. Die bloße Bestellung des Erbbaurechtes für unbegrenzte Zeit – ohne weitergehende Einschränkungen für den Grundstückseigentümer – führt hingegen u.E. noch nicht zu einer Veräußerung des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück. Ähnlich ist die Situation im Hinblick auf den gewerblichen Grundstückshandel 5.69 (vgl. dazu Rz. 11.1 ff.). Im Grundsatz führt auch hier die bloße Bestellung eines Erbbaurechtes an nicht bebautem Grund und Boden nicht zu einem Veräußerungsgeschäft i.S.d. Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel; denn das be-
1 BFH v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390 = ZfIR 1999, 311; v. 22.4.1998 – XI R 28/97, BStBl. II 1998, 665 = DStR 1998, 1352 = FR 1998, 837 m. Anm. Paus; v. 2.5.1984 – VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820 = DStR 1984, 693; v. 26.2.1970 – I R 42/68, BStBl. II 1970, 419 = DB 1970, 1156; v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = DB 1994, 1800 = GmbHR 1994, 816. 2 Vgl. BFH v. 2.5.1984 – VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820 = DStR 1984, 693. 3 Vgl. BFH v. 2.5.1984 – VIII R 276/81, BStBl. II 1984, 820 = DStR 1984, 693. 4 Vgl. BFH v. 3.11.1982 – II R 82/81, BStBl. II 1983, 165. 5 Vgl. BFH v. 30.7.1965 – VI 288/63 U, BStBl. III 1965, 613.
Schallmoser 715
Kap. 5 Rz. 5.69 Erbbaurecht
stellte Erbbaurecht ist kein „Objekt“ i.S.d. Drei-Objekt-Grenze1. Insofern kann die Bestellung eines Erbbaurechtes ggf. auch eine Strategie zur Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels darstellen. Anders kann dies im Einzelfall sein, wenn der Grundstückseigentümer zunächst ein Gebäude errichtet und sodann – anschließend an die Bestellung eines Erbbaurechtes an dem bebauten Grundstück – das Eigentum an dem Gebäude oder das Erbbaurecht auf einen Dritten übergehen lässt und damit dessen Marktwert realisiert2. In derartigen Fällen könnte die Bestellung eines Erbbaurechtes im Zusammenspiel mit dem Verkauf des Gebäudes oder des Erbbaurechtes auch die Annahme eines Veräußerungsgeschäfts rechtfertigen. Dies ist bei unbebauten Grundstücken, die mit einem Erbbaurecht belastet werden, u.E. jedoch nur in besonderen Situationen denkbar, etwa wenn durch die Ausgestaltung eines Vertragsbündels bereits das wirtschaftliche Eigentum am Grundstück auf den Erbbauberechtigten übergeht (zu derartigen Konstellationen s. Rz. 12.13)3.
5.70 Der Grundstückseigentümer ist im Rahmen der Ermittlung seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Vornahme von Absetzungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG nicht befugt4, da der Grund- und Boden kein abnutzbares Wirtschaftsgut ist und die Absetzungsbefugnis für ein aufstehendes Gebäude dem Erbbauberechtigten zusteht. Bei unentgeltlicher Einräumung des Erbbaurechtes an einem bebauten Grundstück folgt dies schon aus § 11d EStDV. Auch andere Werbungskosten können vom Grundstückseigentümer insoweit nicht geltend gemacht werden. 5.71 Handelt es sich um belasteten Grundbesitz, insbesondere weil der Grundbesitz erst kurze Zeit vorher kreditfinanziert angeschafft wurde, so hindert den Grundstückseigentümer die Bestellung eines entgeltlichen Erbbaurechtes an einem Grundstück nicht daran, die Zinsen für die Darlehen weiterhin einkommenswirksam geltend zu machen. Die Zinszahlungen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
1 BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = ZNotP 2007, 434; FG Niedersachsen v. 22.5.1991 – VIII 499/86, EFG 1991, 677. Anders allerdings FG München v. 20.4.1999 – 11 K 903/96, DStRE 1999, 700 = EFG 1999, 839 (842) für einen Sonderfall von Branchennähe, in dem neben der Einräumung eines (Unter-)Erbbaurechts wesentliche Planungs- und Ingenieursleistungen erbracht und vergütet wurden. 2 Vgl. BFH v. 24.1.1996 – X R 255/93, BStBl. II 1996, 303 = NJW 1996, 2182 = MittBayNot 1996, 326 – „Supermarkt“, für den Fall der Anschaffung eines unbebauten Erbbaurechts, anschließender Bebauung und Weiterverkauf des Erbbaurechts; vgl. dazu die Anm. Fischer, NWB Fach 3, S. 9755; FG München v. 20.4.1999 – 11 K 903/96, EFG 1999, 839 (842). 3 Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 51. 4 Dies ist unstreitig, s. Kirchhof/Seer/Pfirrmann21, § 7 EStG Rz. 12; BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705. Problematisch ist hingegen, inwiefern der Eigentümer zur Geltendmachung von Absetzungen nach einem Heimfall bzw. nach dem Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf berechtigt ist, da er die Aufwendungen nicht selbst getragen hat – abgesehen von der ggf. zu zahlenden Abfindung bei Beendigung.
716 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.74 Kap. 5
2. Behandlung im Betriebsvermögen gehaltener Grundstücke beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten) a) Einnahmen Ist der Grundbesitz, an dem das Erbbaurecht bestellt werden soll, Teil eines Betriebs- 5.72 vermögens, so sind daraus resultierende Einnahmen nicht den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen, da diese Einkunftsart gem. § 21 Abs. 3 EStG subsidiär ist. Bei dem Erbbauzins handelt es sich um Betriebseinnahmen1. Auch im Bereich der betrieblichen Einkunftsarten können Erbbauzinsen, die in einem Einmalbetrag für viele Jahre vorausbezahlt werden, auf die Jahre verteilt werden, auf die der Erbbauzins wirtschaftlich entfällt2. Buchungstechnisch erfolgt die zeitliche Verteilung des Einmalbetrages linear mittels eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens auf die Dauer des Erbbaurechtes3. Der gezahlte Einmalbetrag ist daher wirtschaftlich als Betriebseinnahmen auf die gesamte Dauer des Erbbaurechtes zu verteilen4. b) Entnahme Besondere Probleme bereitet im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechtes an ei- 5.73 nem unbebauten Grundstück des Betriebsvermögens regelmäßig die Frage, ob hierdurch eine Entnahme gem. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bewirkt wird. Hierbei ist zunächst zwischen der entgeltlichen und der unentgeltlichen Bestellung eines Erbbaurechtes zu unterscheiden. Wird ein Erbbaurecht auf längere Dauer unentgeltlich bestellt, so fließen dem Be- 5.74 trieb keinerlei Erbbauzinsen zu. Das Wirtschaftsgut ist damit faktisch dem Betrieb entzogen und eine Entnahme realisiert5. Nach Meinung der Finanzverwaltung6 liegt eine Entnahme dann vor, wenn der Erbbauzins niedriger ist als 50 % des üblichen Entgeltes. Soll also eine Entnahme vermieden werden, so ist auf die Angemessenheit des Erbbauzinses zu achten (s.a. Rz. 5.79 zur Bestellung von Erbbaurechten an landwirtschaftlichen Flächen unter Beachtung der Geringfügigkeitsgrenze von 10 % für gewillkürtes Betriebsvermögen).
1 Siehe etwa BFH v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = GmbHR 1994, 816, zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück des Sonderbetriebsvermögens. 2 Vgl. Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 96; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 550 „Erbbaurecht“. 3 BFH v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 = FR 1981, 251 = DB 1981, 1372, für die Vorauszahlung von Erschließungskosten des Erbbauberechtigten an den Grundstückseigentümer; v. 26.3.1991 – IV B 132/90, BFH/NV 1991, 736, für im Voraus gezahlte Erbbauzinsen; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 550 „Erbbaurecht“; Kirchhof/Seer/ Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“. 4 Vgl. Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 a. 5 Kirchhof/Seer/Kube21, § 13 EStG Rz. 55; Barth, FR 1988, 323; OFD München, FR 1997, 920. 6 OFD München, FR 1997, 920.
Schallmoser 717
Kap. 5 Rz. 5.75 Erbbaurecht
5.75 Ebenso wird eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. eine gewinnrealisierende Veräußerung durchgeführt, wenn durch die Bestellung des Erbbaurechtes nach den bereits oben in Rz. 5.68 f. geschilderten Grundsätzen das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück auf den Dritten übertragen wird. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Erbbauberechtigte nach Ablauf des Erbbaurechtes berechtigt ist, die unentgeltliche Übereignung des Grundstücks zu verlangen1. 5.76 Beispiel: Der Steuerpflichtige S ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks des Betriebsvermögens. Da er sich nicht dauerhaft von dem Grundstück trennen möchte, bestellt er D ein Erbbaurecht an dem Grundstück. D verpflichtet sich, dem S einen monatlich im Voraus fälligen Erbbauzins i.H.v. 1.000 t zu zahlen, der mit einer wertgesicherten Erbbauzinsreallast am Erbbaurecht abgesichert werden soll.
5.77 Die entgeltliche Bestellung eines Erbbaurechtes führt hingegen grundsätzlich nicht zu einer Entnahme2. Der Fall ist nicht anders zu behandeln als die Vermietung oder Verpachtung von betrieblichem Grund und Boden. Bei einem gewerblichen Grundstückshandel hat der BFH3 dies sogar für einen Fall entschieden, in dem Erbbaurechte an sämtlichen Grundstücken des Betriebsvermögens eines gewerblichen Grundstückshändlers bestellt wurden. Nach Meinung des BFH wird in derartigen Fällen auch keine Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG verwirklicht. Denn der Steuerpflichtige habe in dem streitigen Sachverhalt weder die wesentlichen Grundlagen seines gewerblichen Grundstückshandels veräußert noch veräußern wollen. Er sei vielmehr gerade Eigentümer der Grundstücke geblieben. Der Grundstückseigentümer bleibe ja auch weiterhin zur Veräußerung oder Belastung des Grundstücks befugt. 5.78 Beispiel4: Der Steuerpflichtige S ist Inhaber eines kleinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes mit 5 ha. Nutzgrund, mit dem er Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Da große Teile des Grund und Bodens nun von der Gemeinde als Einheimischengebiet und andere Teile als Golfplatz genutzt werden sollen (insgesamt 3 ha.) und S die Steuerbelastung eines Verkaufs oder einer Entnahme vermeiden will, fragt er seinen Berater, ob er nicht einfach zur Vermeidung einer Entnahmebesteuerung Erbbaurechte an seinen Grundstücken bestellen kann. Pro qm soll ein marktüblicher Erbbauzins vereinbart werden.
1 Vgl. BFH v. 30.7.1965 – VI 288/63 U, BStBl. III 1965, 613; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 92. 2 BFH v. 22.4.1998 – XI R 28/97, BStBl. II 1998, 665 = DStR 1998, 1352 = FR 1998, 837 m. Anm. Paus; v. 26.2.1970 – I R 42/68, BStBl. II 1970, 419 = DB 1970, 1156; v. 26.11.1987 – IV R 171/85, BStBl. II 1988, 490 = MittBayNot 1988, 144; v. 10.4.1990 – VIII R 133/86, BStBl. II 1990, 961 = DB 1990, 2350 = GmbHR 1991, 72 = MittRhNotK 1991, 159; Schmidt/Loschelder41, § 4 EStG Rz. 270, „Erbbaurecht“; Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“. 3 Vgl. BFH v. 22.4.1998 – XI R 28/97, BStBl. II 1998, 665 = DStR 1998, 1352 = FR 1998, 837 m. Anm. Paus. 4 Vgl. BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342. Vgl. auch Kirchhof/Seer/Kube21, § 13 EStG Rz. 55.
718 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.79 Kap. 5
Andere Grundsätze als beim gewerblichen Grundstückshandel gelten bei der Bestel- 5.79 lung eines Erbbaurechtes oder mehrerer Erbbaurechte an landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden1. Auch hier ist zur Vermeidung der Entnahme grundsätzliche Voraussetzung die entgeltliche Einräumung des Erbbaurechtes. Darüber hinaus ist es nach der Rechtsprechung jedoch erforderlich, dass der Grund und Boden weiterhin dem gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet werden kann. Dies ist insofern problematisch, als nach der Bebauung oder Umgestaltung in einen Golfplatz die landwirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen ist2. Damit der belastete Grundbesitz dennoch zum gewillkürten Betriebsvermögen der Landwirtschaft gerechnet werden kann, ist ein gewisser objektiver Zusammenhang mit dem Betrieb weiterhin erforderlich. Der Grundbesitz muss weiterhin dazu geeignet und bestimmt sein, den landwirtschaftlichen Betrieb zu fördern. Schließlich darf das Gesamtbild der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit durch den Umfang des gewillkürten Betriebsvermögens nicht wesentlich verändert werden3. Aus diesen Einschränkungen folgen wesentliche Konsequenzen für die Bestellung eines Erbbaurechtes an landwirtschaftlichem Grund und Boden: Die verbleibende Land- und Forstwirtschaft muss hinsichtlich des Flächenumfangs, des Rohertrags und des Betriebsgewinns (ohne Erbbauzinsen) sowie ihres Wertes weiterhin überwiegen. Nach Meinung des BFH4 soll es auf einen Ertragsvergleich bei Durchschnittsermittlern nach § 13a EStG nur eingeschränkt ankommen. Im Übrigen geht der BFH von einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 % der Nutzflächen aus. Erst ab dem Überschreiten dieser Grenze komme es auch auf die weiteren Kriterien wie den Ertrag an. Da die Bestellung von Erbbaurechten für gewerbliche oder sonstige nicht landwirtschaftliche Zwecke in der Regel wesentlich ertragsstärker ist und zu Wertsteigerungen des Grund und Bodens führt, ist hier große Vorsicht walten zu lassen. Ertragsstarke Erbbaurechte können daher sehr schnell den Charakter der Land- und Forstwirtschaft dominieren und damit zu einer Entnahme des Grund und Bodens führen. Die Grenze von 20–30 % des gesamten landwirtschaftlichen Grund und Bodens wird daher in der Regel kritisch werden. In Zweifelsfällen ist ggf. eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes einzuholen. Nach Meinung der OFD München5 ist das Gesamtbild des Einzelfalles maßgebend. Rechtsunsicherheit ist die Konsequenz. In unklaren Fällen oder bei Verweigerung einer verbindlichen Auskunft seitens der Finanzverwaltung lässt sich das Problem ggf. auch durch vorherige Einbringung des
1 Vgl. zum Ganzen BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342; Verfügung der OFD München v. 5.11.1992, FR 1993, 26; vgl. BFH v. 10.12.1964 – IV 167/64, BStBl. III 1965, 377; v. 28.10.1982 – IV R 73/81, BStBl. II 1983, 106. 2 BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342. 3 OFD München v. 5.11.1992, FR 1993, 26; vgl. BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342; v. 10.12.1964 – IV 167/64, BStBl. III 1965, 377; v. 28.10.1982 – IV R 73/81, BStBl. II 1983, 106. 4 BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342; v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692. 5 OFD München v. 5.11.1992, FR 1993, 26; s. auch OFD München v. 29.9.1997 – S 2239-22 St 426, FR 1997, 920.
Schallmoser 719
Kap. 5 Rz. 5.79 Erbbaurecht
Grund und Bodens in eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG lösen (s. hierzu Rz. 9.9 ff.).
5.80 Beispiel1: Der Steuerpflichtige S ist Inhaber eines betrieblichen Grundstücks. Zur Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel durch die Ehefrau F bestellt er der F ein entgeltliches Erbbaurecht zu fremdüblichen Bedingungen, aufgrund dessen die Frau das neue eigengenutzte Familienwohnheim errichtet, in das beide einziehen. S fragt seinen Berater, ob hierdurch die Gefahr einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen entsteht.
5.81 Nach Meinung des BFH2 ist die Frage zu verneinen. Problematisch ist dies lediglich insoweit, als die Bebauung eines betrieblichen Grundstücks mit dem selbst genutzten Familienwohnheim grundsätzlich zu einer Entnahme zwingt, da es sich dabei um notwendiges Privatvermögen3 handelt. Dies trifft vorliegend hinsichtlich des Gebäudes auch zu. Mittels des Grund und Bodens werden jedoch weiterhin betriebliche Einkünfte erzielt, so dass aufgrund dessen weiterhin der betriebliche Zusammenhang bestehen bleibt. Eine Entnahme liegt daher nicht vor. 5.82 Abwandlung4: Ändert sich in dem vorstehenden Beispiel etwas, wenn der gesamte Betrieb an den Sohn als Betriebsübernehmer verpachtet wurde und dieser dann einen Grundstücksteil mit Zustimmung des Verpächters mit einem selbst genutzten Familienwohnheim bebaut?
5.83 Eigentlich müssten die vorstehenden Grundsätze auch in diesem Fall eingreifen und eine Entnahme zu verneinen sein, da bei einem Bau auf fremden Grund und Boden – wie beim Erbbaurecht – die Zurechnung von Grund und Boden und Gebäude zu unterschiedlichen Eigentümern erfolgt. Dennoch hat der BFH5 anders entschieden und aufgrund folgender besonderer Umstände eine Entnahme bejaht: Aufgrund der tatsächlichen Behandlung des Gebäudes als Privatvermögen, der Ausgestaltung der Betriebsverpachtung (käuflicher Erwerb des beweglichen Anlagevermögens, Übertragung des Firmenwerts, des Kundenstammes und der Rezepturen), die auf eine spätere Betriebsübertragung hindeutet, der Duldung der Bebauung durch den Vater des Klägers als Grundstückseigentümer und der erbrechtlichen Stellung des Klägers gegenüber seinem Vater war bei der Bebauung davon auszugehen, dass bei typischem Geschehensablauf vor Ende der Nutzungsdauer des errichteten Einfamilienhauses der Betrieb des Vaters und damit auch der bebaute Grundstücksteil ins Eigentum des Klägers übergehen würde. In diesem Zeitpunkt hätte spätestens eine Entnahme stattgefunden. Dies wäre bei unentgeltlicher Bestellung eines Erbbaurechtes nicht anders, ist allerdings von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
1 2 3 4 5
Nach BFH v. 26.2.1970 – I R 42/68, BStBl. II 1970, 419 = DB 1970, 1156. BFH v. 26.2.1970 – I R 42/68, BStBl. II 1970, 419 = DB 1970, 1156. Kirchhof/Seer/Bode21, § 4 EStG Rz. 52. Nach BFH v. 18.11.1986 – VIII R 301/83, BStBl. II 1987, 261 = FR 1987, 145. BFH v. 18.11.1986 – VIII R 301/83, BStBl. II 1987, 261 = FR 1987, 145.
720 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.88 Kap. 5
II. Behandlung beim Erbbauberechtigten 1. Laufende Werbungskosten/Betriebsausgaben Für die steuerliche Behandlung beim Erbbauberechtigten ist zunächst zwischen den 5.84 Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht und den laufenden Ausgaben als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu unterscheiden. Wird das Erbbaurecht zur Einkünfteerzielung verwendet, stellt der laufende Erbbau- 5.85 zins selbst sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Dies gilt sowohl im Bereich der Überschusseinkünfte als auch im Bereich der Gewinnermittlung1.
5.86
Einstweilen frei. 2. Anschaffungskosten/vorausbezahlter Erbbauzins/ Rechnungsabgrenzungsposten
Anschaffungskosten des Erbbaurechtes sind im Grundsatz die Aufwendungen, die 5.87 im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erwerb des Erbbaurechtes stehen, also insbesondere die Grundbuch-, Vermessungs- und Beurkundungskosten, die Maklerprovision sowie die Grunderwerbsteuer2. Diese Anschaffungskosten können nicht im Jahr der Verausgabung nach Maßgabe des Zu- und Abflussprinzips steuerlich geltend gemacht werden, sondern sind nach den Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung (§ 7 EStG) abzuschreiben. Dies gilt sowohl für den Bereich des Privatvermögens als auch, wenn der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht zu bilanzieren hat3. Erbbauzinsen, die der Erbbauberechtigte für aktuell abgeschlossene Erbbauverträge 5.88 mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren vorauszahlt (oder in einem Betrag zahlt), sind verteilt auf die (ggf. verbleibende) Laufzeit des Erbbaurechtes abzuziehen; denn nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, „insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird“.
1 BFH v. 23.9.2003 – IX R 65/02, BStBl. II 2005, 159 = DStR 2003, 2107 = FR 2004, 167 m. Anm. Fischer; v. 8.6.1994 – X R 51/91, BStBl. II 1994, 779 = MittBayNot 1994, 483; v. 24.10.1990 – X R 43/89, BStBl. II 1991, 175 = NJW 1991, 1135 = DB 1991, 367; Schmidt/ Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“. 2 BFH v. 27.7.1994 – X R 97/92, BStBl. 1994, 934 = DB 1994, 2219; Kirchhof/Seer/Pfirrmann21, § 7 EStG Rz. 12; Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“; Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 89; Mathiak, DStR 1992, 451 f. 3 Siehe BFH v. 27.7.1994 – X R 97/92, BStBl. 1994, 934 = DB 1994, 2219; v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 = DB 1991, 2570; v. 14.9.1999 – IX R 31/96, DStR 2000, 397 = BFH/NV 2000, 558; Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 170; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“.
Schallmoser 721
Kap. 5 Rz. 5.89 Erbbaurecht
5.89 Derartige Vorauszahlungen stellten auch schon vor Änderung des § 11 EStG durch das EURLUmsG1 nach Meinung des BMF2 im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen für den Erwerb eines befristeten Rechts (und damit Anschaffungskosten) dar. Dem ist der BFH3 nicht gefolgt. Der Gesetzgeber korrigierte diese Rechtsprechung im Rahmen des EURLUmsG vom 9.12.2004 rückwirkend ab 1.1.20044 im Wege des „Nichtanwendungsgesetzes“5. Auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 7.12.20106 hat das BVerfG durch Beschluss vom 25.3.20217 entschieden, dass die gesetzlich vorgesehene Rückwirkung (zum 1.1.2004) verfassungswidrig und nichtig ist; denn die Neuregelungen zur Aufwandsverteilung8 verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit danach Vorauszahlungen auf Erbbauzinsen auch dann zu verteilen sind, wenn diese Vorauszahlungen im Jahr 2004 bis einschließlich 27.10.2004 verbindlich vereinbart und vereinbarungsgemäß noch im Jahr 2004 geleistet worden sind oder wenn sie vor dem Jahr 2004 verbindlich vereinbart und vereinbarungsgemäß im Jahr 2004 spätestens am 15.12.2004 geleistet worden sind. 5.90 Hat der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwandt, sondern zu gewerblichen Zwecken, sind die Aufwendungen als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten auf die Laufzeit des Erbbaurechtes zu verteilen9. Die Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich10, als sie einerseits davon ausgeht, das Erbbaurecht sei kein Wirtschaftsgut, könne daher nicht aktiviert werden und sei auch nicht abzuschreiben. Die Aufwendungen seien vielmehr über Rechnungsabgrenzungsposten periodengerecht zuzuordnen. Ande-
1 Ges. zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3310. 2 BMF v. 10.12.1996 – IV B 3-S 2253-99/96, BStBl. I 1996, 1440 (für Verträge, die nach dem 31.12.1996 abgeschlossen wurden). 3 BFH v. 23.9.2003 – IX R 65/02, BStBl. II 2005, 159 = DStR 2003, 2107 = FR 2004, 167 m. Anm. Fischer. 4 § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG i.d.F. des EURLUmsG. 5 Vgl. hierzu BT-Drucks. 15/3677; BT-Drucks. 15/4050; BT-Drucks. 15/3789; BT-Drucks. 15/3922. 6 BFH v. 7.12.2010 – IX R 70/07, BStBl. II 2011, 346 = FR 2011, 325 m. Anm. Fleischmann. 7 BVerfG v. 25.3.2021 – 2 BvL 1/11, DStR 2021, 1153 = ErbbauZ 2021, 78. 8 § 11 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG i.d.F. des EURLUmsG, BGBl. I 2004, 3310, sowie § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 9 BFH v. 23.9.2003 – IX R 65/02, BStBl. II 2005, 159 = DStR 2003, 2107 = FR 2004, 167 m. Anm. Fischer; v. 26.3.1991 – IV B 132/90, BFH/NV 1991, 736; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“ m.w.N. 10 Vgl. zum Ganzen BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 = FR 1983, 296 = DStR 1983, 336; v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = DB 1994, 1800 = GmbHR 1994, 816; v. 27.7.1994 – X R 97/92, BStBl. 1994, 934 = DB 1994, 2219; v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 = DB 1991, 2570; v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 = FR 1981, 251 = DB 1981, 1372; v. 26.3.1991 – IV B 132/90, BFH/NV 1991, 736 m.w.N.
722 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.92 Kap. 5
rerseits geht die Rechtsprechung teilweise davon aus, das Erbbaurecht sei doch ein Wirtschaftsgut und könne daher aktiviert und abgeschrieben werden. Im Ergebnis bleiben die Konsequenzen jedoch – soweit ersichtlich – die gleichen. 3. Art und Maß der Absetzung für Abnutzung, Gebäude Der Erbbauberechtigte ist einerseits Vertragspartner eines mietähnlichen zeitlich be- 5.91 fristeten1 Nutzungsverhältnisses. Andererseits ist er jedoch auch Inhaber eines dinglichen Rechtes, auf das er Anschaffungskosten getätigt hat (Maklerprovision, Notarkosten, Grundbuchgebühren). Diese Anschaffungskosten auf das Recht selbst kann und muss er grundsätzlich auf die Dauer des Erbbaurechtes gem. § 7 EStG abschreiben. Diese Absetzung der Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht ist unabhängig davon, ob der Erbbauberechtigte nach Zeitablauf eine Entschädigung für den Restwert der Gebäude erhält oder nicht2. Neben der Absetzung der eigentlichen Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht ist 5.92 die Absetzung eines vom Erbbauberechtigten selbst hergestellten oder angeschafften Gebäudes zu unterscheiden3. Errichtet der Erbbauberechtigte aufgrund des Erbbaurechtes ein Gebäude, so trägt er selbst die Herstellungskosten und ist grundsätzlich zivilrechtlicher wie wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes. Er ist daher gem. § 7 Abs. 4, 5 EStG zur Vornahme von AfA berechtigt4. Der Grundstückseigentümer hat demgegenüber keine AfA-Befugnis – im Herstellungsfall gilt dies schon deshalb, weil er keinen Aufwand getragen hat. Die AfA-Höhe richtet sich bei Ausschluss jeglicher Abfindung für den Restwert der Gebäude u.E. jedoch nicht nach den typisierenden Vorgaben des § 7 Abs. 4, 5 EStG, sondern nach der tatsächlichen Laufzeit des Erbbaurechts, wie dies im Erbbaurechtsvertrag vereinbart wurde5. Verlängerungsoptionen bleiben hierbei außer Betracht. Auf diese Art und Weise kann bei relativ kurz laufenden Erbbaurechten eine verkürzte, also schnellere Absetzung der Gebäude erreicht werden6. Die Finanzverwaltung hat dieser Gestaltungspraxis jedoch Grenzen gezogen. So wird dies z.B. bei einem Erbbaurecht, das nur auf die Dauer von fünf Jahren bestellt wird, nicht anerkannt7. Der Erbbauberechtigte sei dann nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes anzusehen. Die Herstellungskosten können auf die Dauer des Erbbaurechtes aber nur dann in voller Höhe 1 In seltenen Fällen fehlt die zeitliche Befristung, weil das Erbbaurecht für unbegrenzte, also ewige Zeiten bestellt wird. Das ändert an der Besteuerung u.E. aber grds. nichts. 2 Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 170. 3 Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 171. 4 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705; Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 171. 5 BFH v. 7.6.1972 – I R 199/70, BStBl. II 1972, 850 = DB 1972, 1960; Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 d; nunmehr aber zweifelnd Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 172 m.w.N. unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung zu Mietereinbauten (Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 365 „Mietereinbauten“), bei denen der BFH unabhängig von der Laufzeit des Mietvertrages keine verkürzte Absetzungsdauer zulässt. 6 BFH v. 7.6.1972 – I R 199/70, BStBl. II 1972, 850 = DB 1972, 1960. 7 Vgl. die Nachweise bei Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 104.
Schallmoser 723
Kap. 5 Rz. 5.92 Erbbaurecht
abgeschrieben werden, wenn der Eigentümer bei Ablauf des Erbbaurechtes keinerlei Abfindung an den Erbbauberechtigten für die zurückfallenden Gebäude zu bezahlen hat. Ist die Nutzungsdauer des Gebäudes kürzer, so ist diese für die Absetzungen maßgeblich1. Ist der Eigentümer hingegen zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet, ist umstritten, ob die Anschaffungskosten für die Absetzungen auf die voraussichtliche Dauer des Erbbaurechtes um den vom Grundstückseigentümer zu erstattenden Betrag zu kürzen2 sind oder ob die Absetzung sich dann nach der regulären Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 4, 5 EStG) richtet und die ungekürzten Anschaffungsund Herstellungskosten abzuschreiben sind3. Eine Klärung durch Rechtsprechung oder Finanzverwaltung ist – soweit ersichtlich – noch nicht erfolgt.
5.93 Die vorstehenden Grundsätze zur Absetzung des Gebäudes gelten unabhängig davon, ob das Erbbaurecht sich im Privat- oder im Betriebsvermögen befindet. 4. Erbbauzinsen keine Sonderausgaben
5.94 Beispiel4: A hat ein Erbbaurecht angeschafft und zahlt dafür laufende Erbbauzinsen. Er nutzt den Grundbesitz allerdings nicht zur Einkunftserzielung, sondern zu eigenen Wohnzwecken. Er fragt seinen Berater, ob er diese Zahlungen als Sonderausgaben steuerlich geltend machen kann.
5.95 Der BFH5 hat dies – bereits vor der Rechtsänderung 2008 (s. Rz. 1.1010 ff.) – abgelehnt: Zwar wurde in der Literatur die Auffassung vertreten, dass Erbbauzinsen die Begriffsmerkmale einer dauernden Last erfüllten6. Der BFH vertrat jedoch die Auffassung, dass die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. eine wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen voraussetze. Eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last liege nicht vor, wenn wiederkehrende Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung seien7. Seit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 (nunmehr: § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) kommt in diesen Fällen ohnehin ein Sonderausgabenabzug nicht mehr in Betracht, da der gesetzliche Anwendungsbereich insoweit beschränkt wurde (s. Rz. 1.1011 ff.).
1 2 3 4
Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191d. So Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 104. Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 172. Nach BFH v. 24.10.1990 – X R 43/89, BStBl. II 1991, 175 = NJW 1991, 1135 = DB 1991, 367. 5 BFH v. 24.10.1990 – X R 43/89, BStBl. II 1991, 175 = NJW 1991, 1135 = DB 1991, 367. 6 RFH v. 6.5.1943 – IV 171/42, RStBl. 1943, 531; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 10 EStG Rz. D 177; Paus, INF 1988, 295 (297). 7 Vgl. auch BFH v. 12.7.1989 – X R 11/84, BStBl. II 1990, 13 = DB 1989, 2461; Kirchhof/ Seer/Bleschik21, § 10 EStG Rz. 12.
724 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.98 Kap. 5
III. Besonderheiten bei der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechtes an bebautem Grundbesitz 1. Veräußerung aus dem Privatvermögen und § 23 EStG
5.96
Beispiel: A besitzt ein langjährig vermietetes Privatgrundstück mit aufstehendem Gebäude, das nach der Vornahme von AfA noch einen steuerlichen „Wert“ von 50.000 t hat. Er bestellt für B ein Erbbaurecht gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. 100.000 t für das bestehende Gebäude und laufende Erbbauzinsen von monatlich 500 t. Leistung und Gegenleistung entsprechen dem zwischen Fremden Üblichen.
Räumt ein Grundstückseigentümer einem Dritten ein Erbbaurecht an bebautem 5.97 Grundbesitz ein, so überträgt („veräußert“) er damit automatisch das Eigentum an dem aufstehenden Gebäude1 (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG). Insoweit decken sich die zivilrechtliche wie die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Vermögensumschichtungen im Privatvermögen sind jedoch grundsätzlich nicht steuerbar (zur Übertragung innerhalb der Frist des § 23 EStG s. nachfolgend Rz. 5.98). Die Zahlungen sind daher entsprechend den Vereinbarungen der Vertragsteile aufzuteilen in das nicht steuerbare Entgelt für die Übertragung des Gebäudes und die Zahlungen für die Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens. Nur letztere führen zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG. Erfolgt die „Veräußerung“ des Gebäudes (durch Bestellung eines Erbbaurechts) in- 5.98 nerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung/Herstellung, stellt sich die Frage, ob hierdurch ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt wird. Dies ist indes nicht der Fall2. Der „Spekulationstatbestand“3 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt stets Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten voraus (Identitätsgrundsatz; sog. „Nämlichkeit“; s. Rz. 12.17 ff.). Selbst wenn der bebaute Grundbesitz durch den Grundstückseigentümer innerhalb von zehn Jahren vor Bestellung des Erbbaurechtes angeschafft worden ist, wird § 23 EStG dennoch nicht verwirklicht. Denn angeschafft wurde der bebaute Grund und Boden, „veräußert“ wird lediglich das aufstehende Gebäude (in Gestalt des Erbbaurechts). Die Identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut ist insoweit nicht gewährleistet4.
1 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705; Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 171. 2 Gl.A. Schmidt-Liebig, FR 1998, 177 (181); Sauren, DStR 2000, 60 (61); FG Bremen v. 13.12.1974 – I 98/73, EFG 1975, 158 (159); wohl auch BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = FR 2000, 1158 Tz. 14; vgl. ferner BFH v. 10.12.1992 – IV R 115/91, BStBl. II 1993, 342 f. 3 Auch wenn der Gesetzgeber den Begriff des „Spekulationsgeschäftes“ aus § 23 EStG eliminiert hat, wird er wegen der griffigen Bezeichnung gleichwohl noch verwendet. 4 Ebenso Kirchhof/Seer/Kube21, § 23 EStG Rz. 4. Dem Erfordernis der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut ist aber teilweise genügt, wenn ein bereits mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und nach Löschung des Erbbaurechts kurzfristig lastenfrei weiterveräußert wird, s. hierzu BFH v. 12.6.2013 – IX R 31/12,
Schallmoser 725
Kap. 5 Rz. 5.98 Erbbaurecht
Dem folgt auch die Finanzverwaltung1, wenn sie im Erlass zu § 23 EStG unter dem Stichwort der „Veräußerung eines bebauten Erbbaurechtes“ lediglich jene Fälle behandelt, in denen innerhalb von zehn Jahren ein Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen und anschließend das bebaute Erbbaurecht weiterverkauft wurde2 oder ein Erbbaurecht angeschafft und anschließend veräußert wird; der BMF betrachtet somit – zu Recht – den Fall der erstmaligen Einräumung eines Erbbaurechtes nicht als steuerpflichtigen Vorgang Dieses Ergebnis wird auch durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bestätigt. Denn der auf ein Gebäude entfallende „Spekulationsgewinn“ wird nur dann in den Gewinn nach § 23 EStG einbezogen, wenn durch den gleichen Veräußerungsvorgang auch ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht wird.
5.99 Abwandlung 1: A besitzt ein langjährig vermietetes Privatgrundstück mit aufstehendem Gebäude, das nach der Vornahme von AfA noch einen steuerlichen Wert von 50.000 t hat. Er bestellt für B ein Erbbaurecht gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. 200.000 t. Laufende Erbbauzinsen sind nicht zu entrichten. Weitere Vereinbarungen sind nicht getroffen.
5.100 Im Ausgangsbeispiel waren die beiden Leistungsteile für die Übertragung des Gebäudes und die Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens auf Zeit genau und angemessen ausgewiesen. Eine entsprechende Aufteilung der in der Abwandlung vereinbarten Gegenleistung hat aber auch in der Abwandlung 1 zu erfolgen3. Denn der Teil der Gegenleistung, der auf das Gebäude entfällt, ist beim Veräußerer eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung im Privatvermögen4. Der Teil der Gegenleistung, der hingegen auf die Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens entfällt, ist Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG auf die Dauer des Erbbaurechtes zu verteilen ist. Beim Erbbauberechtigten mit Privatvermögen ist die aufgewandte Summe, soweit sie auf den Wert des Gebäudes entfällt, als Anschaffungskosten auf das Gebäude anzusetzen und nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 EStG abzusetzen (zur Absetzungsdauer s. Rz. 5.91). Der übrige Betrag ist bei einem Erbbaurecht im Privatvermögen nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG zeitlich verteilt auf die Dauer des Erbbaurechtes als Werbungskosten abzugsfähig. Bei einem Erbbaurecht im Betriebsvermögen erfolgt die periodengerechte Zuordnung des Aufwandes durch Rechnungsabgrenzungsposten.
1 2
3 4
DStR 2013, 1937 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode, sowie die weiteren Erl. in Kap. 12 Rz. 12.19. BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383, Tz. 14. In diesen Fällen steht der Besteuerung nach § 23 EStG auch nicht mehr das Identitätsgebot entgegen (zur alten Rechtslage vgl. BFH v. 30.11.1976 – VIII R 202/72, BStBl. II 1977, 384), da hinsichtlich zwischenzeitlich errichteter Gebäude inzwischen im Gesetz das Identitätsgebot aufgehoben wurde, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG; vgl. Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3, S. 10776 (10778). Vgl. dazu BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705. BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705.
726 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.105 Kap. 5
Für die Praxis empfiehlt es sich, eine Aufteilung der Gegenleistung im Erbbaurechtsvertrag auszuweisen, um Streit mit den Finanzbehörden zu vermeiden.
5.101
Abwandlung 21: A besitzt ein langjährig vermietetes Privatgrundstück mit aufstehendem Gebäude, das nach der Vornahme von AfA noch einen steuerlichen Wert von 50.000 t hat. Er bestellt für B ein Erbbaurecht gegen Zahlung laufender Erbbauzinsen i.H.v. 1.000 t pro Monat. Weitere Vereinbarungen sind nicht getroffen. A will den Verlust des wirtschaftlichen Eigentums an dem Gebäude mit 50.000 t als Werbungskosten bei seinen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geltend machen.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist der zu zahlende Erbbauzins in Wirklichkeit eine 5.102 Gegenleistung für die Übertragung des Gebäudes, die beim Grundstückseigentümer A (Erbbauverpflichteter) nicht steuerbar ist, und gleichzeitig Entgelt für die Nutzungsüberlassung, § 21 EStG. Der zu zahlende Erbbauzins ist wiederum aufzuteilen. Für die Praxis empfiehlt es sich, diese Aufteilung vertraglich zu vereinbaren und entsprechend auszuweisen, um Streit mit den Finanzbehörden zu vermeiden. Beim Erbbauberechtigten führt dies dazu, dass er einerseits Anschaffungskosten für das Gebäude hat (kapitalisierter Wert des Teils der Erbbauzinsen), die er nach den AfA-Vorschriften des § 7 EStG zu verteilen hat. Andererseits kann er die verbleibenden anteiligen laufenden Zahlungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben jährlich erfolgswirksam geltend machen. Da die Übertragung des Gebäudes beim Grundstückseigentümer A nicht steuerbar 5.103 ist, kann er den Verlust des Eigentums an dem Gebäude grundsätzlich nicht als Werbungskosten geltend machen. Anders ist dies nach Meinung des BFH2 nur dann, wenn A das Gebäude ohne Gegenleistung hingegeben hätte, um den Erbbauzins zu erlangen. Dies ist bei Werthaltigkeit des Gebäudes jedoch kaum anzunehmen; denkbar ist dies hingegen bei tatsächlicher Wertlosigkeit für den Erbbauberechtigten.
5.104
Einstweilen frei. 2. Gewerblicher Grundstückshandel
Im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels (vgl. dazu Rz. 11.50) kommt es 5.105 darauf an, ob der Grundstückseigentümer zur Realisierung von Werten durch Umschichtung seines Vermögens sich unter Teilnahme am allgemeinen Markt wie ein Gewerbetreibender betätigt. Aus diesen Gründen nimmt die h.M. an, dass in der erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechtes keine Objektveräußerung i.S.d. Drei-
1 Nach BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705. 2 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705.
Schallmoser 727
Kap. 5 Rz. 5.105 Erbbaurecht
objektgrenze liegt, es sei denn, der Erbbauberechtigte erwirbt wirtschaftliches Eigentum (s.a. Rz. 1.728)1. 3. Veräußerung aus dem Betriebsvermögen
5.106 Beispiel: A hat ein Betriebsgrundstück mit aufstehendem Gebäude, das in seiner Bilanz nach Absetzungen noch mit 50.000 t verbucht ist. Er bestellt für B ein Erbbaurecht gegen Zahlung eines Einmalbetrages i.H.v. 100.000 t für das bestehende Gebäude und laufende Erbbauzinsen von monatlich 500 t. Die Beträge sind angemessen.
5.107 Befand sich das bebaute Grundstück des Grundstückseigentümers im Zeitpunkt der Bestellung des Erbbaurechtes in einem Betriebsvermögen, ist die entgeltliche Einräumung eines Erbbaurechtes ein kaufähnliches Geschäft, das zu einer Veräußerung des Gebäudes führt2. Stille Reserven können dabei aufgedeckt werden, sofern der Erlös des Grundstückseigentümers höher ist als die Herstellungskosten, ggf. gemindert um zwischenzeitlich vorgenommene Absetzungen für Abnutzung3. So liegen die Dinge im vorstehenden Beispielsfall. A hat danach 50.000 t zu versteuern. 5.108 Wird für die Einräumung des Erbbaurechtes kein Entgelt vom Erbbauberechtigten geschuldet, kann hierin entweder eine Entnahme des Gebäudes liegen, sofern die Unentgeltlichkeit aus betriebsfremden, privaten Gründen erfolgt, oder es können bei betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung Betriebsausgaben in der Höhe des Restwertes der Gebäude entstehen4. 5.109 Wird für die Einräumung des Erbbaurechtes an einem bebauten Grundstück einerseits eine Einmalzahlung für das bestehende Gebäude vereinbart und für die dauerhafte Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens ein laufender Erbbauzins, bereitet die Ermittlung des Veräußerungsgewinns sowie der Anschaffungskosten auf das Gebäude, nach denen sich die weiteren Absetzungen richten, keine weiteren Schwierigkeiten. Anders ist dies in solchen Fällen, in denen lediglich bei Einräumung eines Erbbaurechtes an einem bebauten Grundstück ein einheitlicher Erbbauzins vereinbart wird. Wirtschaftlich verbirgt sich hinter einem solchen einheitlichen Erbbauzins in der Regel zweierlei. Einerseits umfasst er das Nutzungsentgelt für den unbebauten Grund und Boden. Anderseits handelt es sich dabei um eine Gegenleistung für die Verschaffung des Eigentums an den Gebäuden. Der Erbbauzins ist insoweit aufzuteilen5. Der auf die Gebäude entfallende Erbbauzinsanteil ist zu kapita-
1 BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = ZNotP 2007, 434; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz. 1133; Kirchhof/Seer/ Krumm21, § 15 EStG Rz. 120. 2 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705; Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 e. 3 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705. 4 BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705. 5 Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 e; BFH v. 19.1.1982 – VIII R 102/78, BStBl. II 1982, 533 = FR 1982, 362 = DB 1982, 1705.
728 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.113 Kap. 5
lisieren und stellt in dem kapitalisierten Wert den Veräußerungserlös des Grundstückseigentümers einerseits und die Anschaffungskosten auf das Gebäude des Erbbauberechtigten andererseits dar. Für den Grundstückseigentümer ermittelt sich danach sein Veräußerungsgewinn. Für den Erbbauberechtigten sind diese Anschaffungskosten die Grundlage für die Absetzungen auf die Gebäude. Der Erbbauberechtigte ist nicht befugt, die AfA des Grundstückseigentümers fort- 5.110 zusetzen. Er hat aufgrund des eigenen Anschaffungsvorgangs selbständig Absetzungen für Abnutzung gem. § 7 EStG vorzunehmen1. Insoweit gelten die in Rz. 5.91 gemachten Ausführungen entsprechend. IV. Veräußerung eines bebauten Erbbaurechts 1. Veräußerung aus dem Privatvermögen, § 23 EStG und gewerblicher Grundstückshandel Die Veräußerung eines bebauten Erbbaurechtes kann zu einem Gewinn aus privaten 5.111 Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG führen2. Dies ist der Fall, wenn der Zeitraum zwischen dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrages und der Veräußerung des bebauten Erbbaurechtes oder der Anschaffung und der Veräußerung des bebauten Erbbaurechtes nicht mehr als zehn Jahre beträgt3. In diesen Fällen besteht wiederum das Erfordernis, genau zwischen der Gegenleistung für die Veräußerung des Gebäudes und dem Erbbauzins zu unterscheiden. Der Erbbauzins selbst ist keine Gegenleistung gegenüber dem Veräußerer. Sinnvollerweise wird daher in dem Vertrag über die Veräußerung eines bebauten Erbbaurechtes die Gegenleistung aufgeteilt in einen Betrag, der als Gegenleistung für die aufstehenden Gebäude vereinbart wird, und den laufenden Erbbauzins, der gegenüber dem Grundstückseigentümer zu erbringen ist. Da der Erwerber des Erbbaurechtes in der Regel den im Erbbaurechtsvertrag vereinbarten Erbbauzins fortzuzahlen hat, wird das gesamte Entgelt des Erwerbers an den Erbbaurechtsveräußerer auf die Gebäude entfallen4. Sind die Voraussetzungen des § 23 EStG wegen Ablaufs der Zehnjahresfrist (s. 5.112 Rz. 12.81 ff.) oder wegen der ausschließlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (s. Rz. 12.91 ff.) nicht erfüllt, ist die Veräußerung des Erbbaurechtes als reine Vermögensumschichtung im Privatvermögen nicht steuerbar. Die Anschaffung und Weiterveräußerung von Erbbaurechten kann ebenfalls als ein 5.113 Objekt i.S.d. gewerblichen Grundstückshandels zählen (s. Rz. 5.105 und Rz. 11.48)5.
1 Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 171; Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 e. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14; BFH v. 30.11.1976 – VIII R 202/72, BStBl. II 1977, 384. 4 So auch BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 Tz. 14 m.w.N. unter Hinweis auf BFH v. 15.11.1994 – IX R 73/92, BStBl. II1995, 374. 5 FG München v. 20.4.1999 – 11 K 903/96, EFG 1999, 839, 842 = DStRE 1999, 700.
Schallmoser 729
Kap. 5 Rz. 5.114 Erbbaurecht
2. Veräußerung aus dem Betriebsvermögen
5.114 Befindet sich ein Erbbaurecht im Betriebsvermögen, kann die Veräußerung des bebauten Erbbaurechtes zur Aufdeckung der darin enthaltenen stillen Reserven führen. Diese sind nach den regulären Grundsätzen des Bestandsvergleichs gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG zu ermitteln und zu versteuern. 5.115 Das Entgelt, das der Erbbauberechtigte für den entgeltlichen Erwerb des Erbbaurechtes aufgewandt hat, ist bei ihm als Anschaffungskosten zu qualifizieren, nicht jedoch die laufenden Erbbauzinsen, die er an den Grundstückseigentümer zu erbringen hat. Seine Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht (genauer gesagt: auf die erworbenen Gebäude) kann der Erbbauberechtigte für die Restdauer des Erbbaurechtes als Absetzungen für Abnutzung gem. § 7 EStG steuerlich bei den mit dem Erbbaurecht erzielten Einkünften geltend machen. Anschaffungskosten auf das Erbbaurecht selbst wie Maklergebühren, Notar- und Grundbuchkosten sind auf die Dauer des Bestehens des Erbbaurechtes abzuschreiben. 5.116 Anschaffungskosten für den Grund und Boden kann der Erbbauberechtigte hierbei im Regelfall nicht geltend machen, da der Grundstückseigentümer grundsätzlich weiterhin wirtschaftlicher Eigentümer bleibt. V. Heimfall und Erlöschen des Erbbaurechts
5.117 Erlischt das Erbbaurecht durch Zeitablauf oder wird es aufgehoben, erwirbt der Grundstückseigentümer das Eigentum an den Bauwerken, § 12 Abs. 3 ErbbauRG. Beim Heimfall fällt das Erbbaurecht samt den Gebäuden hingegen auf den Eigentümer zurück. Im Ausgleich hierfür hat der Grundstückseigentümer im Regelfall Abfindungen an den Erbbauberechtigten zu zahlen. 1. Vollständiger Ausschluss einer Abfindung
5.118 Ist eine Abfindung im vollen Umfang ausgeschlossen, hat der Erbbauberechtigte mit dem Eintritt des Ereignisses Werbungskosten oder Betriebsausgaben in Höhe des Restwertes der ihm noch zustehenden Gebäude1, da er insoweit das Gebäude mit dem Restwert aus seiner Bilanz auszubuchen hat. 5.119 Beim Grundstückseigentümer tritt hingegen eine Vermögensmehrung in Höhe des gemeinen Wertes (§ 6 Abs. 4 EStG) der Gebäude ein, die in dem Moment auf den Grundstückseigentümer übergehen2. Diese Wertsteigerungen sind im Falle von Be-
1 Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 f. Insoweit dürfte bei regulärem Sachverhaltsverlauf jedoch aufgrund der Absetzung auf die Dauer des Erbbaurechts keine große Diskrepanz entstehen – außer bei vorzeitigem Heimfall. 2 Vgl. dazu Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 f.; BFH v. 7.6.1972 – I R 199/70, BStBl. II 1970, 850 = DB 1972, 1960 – insbesondere zum Zeitpunkt des Zuflusses bzw. der Bilanzierung, nämlich erst mit Eintritt des Heimfalls.
730 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.122 Kap. 5
triebsvermögen als Betriebseinnahmen zu erfassen, bei Privatvermögen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG1. Bei besonders niedrig ausgestatteten Abfindungszahlungen sind mithin hohe Steuerbelastungen beim Grundstückseigentümer zu befürchten, sofern die aufstehenden Gebäude noch hohe Restwerte haben. Dies ist insbesondere progressionsschädlich. Eine Verteilung auf mehrere Jahre wird insoweit nicht zugelassen2. Gebäude-AfA kann der Grundstückseigentümer im Regelfall nicht mehr geltend ma- 5.120 chen, sofern er die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung nicht getragen hat. Anders ist dies nur in Fällen, in denen eine unentgeltliche Rechtsnachfolge i.S.d. § 11d EStDV vorliegt. Dies ist insoweit problematisch, als der Übergang des Gebäudes als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung angesehen wird und damit kaum „unentgeltlich“ sein dürfte. Dies führt im Regelfall zum Ausschluss des § 11 EStDV. 2. Mit Abfindungszahlung Wird ein Entgelt in Höhe des vollen Verkehrswertes oder ein darunter liegender Be- 5.121 trag vom Eigentümer an den Erbbauberechtigten geschuldet, realisiert der Erbbauberechtigte bei Betriebsvermögen einen betrieblichen Gewinn, wenn die Ausgleichszahlung des Eigentümers höher ist als der Restbuchwert des Erbbaurechts/des Gebäudes beim Erbbauberechtigten3. Handelt es sich beim Erbbauberechtigten dagegen um Privatvermögen, ist dies nur der Fall, wenn zwischen der Anschaffung des Erbbaurechtes und dem Heimfall oder Erlöschen weniger als zehn Jahre liegen, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies dürfte in der Praxis kaum vorkommen, außer bei vorzeitigem Heimfall wegen unvorhergesehener Vertragsstörungen. Die Unfreiwilligkeit des Heimfalls steht dabei wohl der Anwendung des § 23 EStG nicht entgegen. Der Eigentümer, der dem Erbbauberechtigten eine Abfindung für das oder die Ge- 5.122 bäude zu erstatten hat, hat Anschaffungskosten auf die Gebäude4. Diese Anschaffungskosten kann er nach den allgemeinen Grundsätzen des § 7 EStG als AfA bei seinen Einkünften geltend machen. Dies gilt sowohl im Betriebs- wie auch im Privatvermögensbereich5.
1 BFH v. 11.12.2003 – IV R 42/02, BStBl. II 2004, 353 = DStR 2004, 447 = DB 2004, 573. 2 FG Düsseldorf v. 26.3.2002 – 9 K 5484/99 F, DStRE 2003, 130 ff.; in der Sache bestätigt durch BFH v. 11.12.2003 – IV R 42/02, BStBl. II 2004, 353 = DStR 2004, 447 (aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückverwiesen). 3 Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 f. 4 BFH v. 13.12.2005 – IX R 24/03, BStBl. II 2006, 461 = DStR 2006, 647. 5 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 101. Zum Betriebsvermögen vgl. Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 f.
Schallmoser 731
Kap. 5 Rz. 5.123 Erbbaurecht
3. Nacherwerb des Grundstücks und Aufhebung des Eigentümererbbaurechts
5.123 Beispiel1: A hat ein Erbbaurecht erworben und zahlt monatlich 500 t. Auf dem belasteten Grundstück hat er ein betrieblich genutztes Gebäude errichtet. Für die bei Erwerb bezahlten Maklerkosten, Erschließungskosten, Grunderwerbsteuer etc. hat er Anschaffungskosten aktiviert2 und für Erbbauzinsvorausleistungen in der Form von Erschließungskostenzahlungen einen Rechnungsabgrenzungsposten gebildet. Nun kauft A vor Ablauf des Erbbaurechtes vom Grundstückseigentümer das Grundstück für 100.000 t und hebt das Erbbaurecht auf. Welche steuerlichen Folgen treten ein?
5.124 A hat zunächst Anschaffungskosten i.H.v. 100.000 t auf den Grund und Boden, die er nicht weiter abschreiben kann, da es sich insoweit nicht um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handelt. Hinsichtlich der bisher getätigten Aufwendungen, die sich aufgrund der bisher geltend gemachten AfA und des Rechnungsabgrenzungspostens noch nicht steuerlich ausgewirkt haben, gilt nach Meinung des BFH3 folgendes: 5.125 „Erwirbt der Erbbauberechtigte zu einem späteren Zeitpunkt auch das Eigentum an dem bisher mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstück und hebt er das Erbbaurecht gleichzeitig auf, so liegt in der Aufhebung zugleich der Verzicht auf einen wirtschaftlichen Ausgleich für die als Rechnungsabgrenzungsposten4 ausgewiesenen Vorleistungen. Der Verzicht ist mit dem Betrag des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens zu bewerten, der bei einer Bilanzaufstellung unmittelbar vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück durch den Erbbauberechtigten hätte ausgewiesen werden müssen. Der Wert des Verzichts erhöht die Anschaffungskosten des Grund und Bodens.“ 5.126 Wirkt sich der Verzicht nur auf die Anschaffungskosten des Grund und Bodens aus, sind die damit einhergehenden Aufwendungen erst bei einer Veräußerung des Grundstücks steuerlich zu berücksichtigen. Ein sofortiger Abzug als Betriebsausgaben scheidet daher nach Meinung des BFH aus. 5.127 Soweit der Grundstückseigentümer das Erbbaurecht im Wege einer einvernehmlichen Regelung mit dem Erbbauberechtigten ablöst und dafür eine Abfindung leistet, handelt es sich insoweit um Herstellungskosten für das in der Folge nach einem Abriss zu errichtende Gebäude5.
1 Nach BFH v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280. 2 So h.M., BFH v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 = DB 1991, 2570; Beck’scher Bilanz-Kommentar/Schubert/Gadek12, § 255 HGB Rz. 325 „Erbbaurecht“, m.w.N. Rechnungsabgrenzungsposten sind nur für vorausgeleistete Erbbauzinszahlungen zur periodengerechten Gewinnzuordnung zu bilden. 3 BFH v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280. 4 Gleiches gilt für die noch nicht geltend gemachte AfA. 5 BFH v. 13.12.2005 – IX R 24/03, BStBl. II 2006, 461 = DStR 2006, 647.
732 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.131 Kap. 5
4. Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks
5.128
Beispiel1: A hat ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück und erhält monatlich 500 t Erbbauzins. Nun verkauft A vor Ablauf des Erbbaurechtes als Grundstückseigentümer das Grundstück für 100.000 t an B. Welche steuerlichen Folgen treten bei B ein?
Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes 5.129 Grundstück, führt er nach Ansicht des BFH2 seinem Betriebsvermögen ein um dieses Nutzungsrecht eingeschränktes Eigentum an diesem Grundstück zu. Dingliche Belastungen begründen keine Verbindlichkeiten, deren Übernahme zu Anschaffungskosten des Grundstücks führt. B hat mithin (nur) Anschaffungskosten für das Grundstück in Höhe der an A gezahlten Gegenleistung zzgl. der Anschaffungsnebenkosten wie Grundbuchkosten, Grunderwerbsteuer etc. Die geleisteten Zahlungen an A sind indes nicht um den Wert des übernommenen Erbbaurechtes zu erhöhen. Dies gilt auch dann, wenn der A das Erbbaurecht gegen Einmalzahlung eingeräumt hatte, so dass dem B keinerlei Zahlungen mehr zufließen werden. Dieser Umstand führt zu einer Wertminderung des Grundstücks, die sich in entsprechend niedrigen Anschaffungskosten widerspiegelt. VI. Bilanzielle Darstellung eines Erbbaurechts Die bilanzielle Darstellung des Erbbaurechtes ist umstritten und auch in der Recht- 5.130 sprechung uneinheitlich3. Dies liegt vor allem an der Doppelnatur des Erbbaurechts, nämlich daran, dass es einerseits ein Nutzungsrecht wie ein Mietvertrag gewährt und gleichzeitig – vor allem zivilrechtlich – ein selbständiges dingliches Recht ist. Im Grundsatz gilt Folgendes: Seinem Leistungsinhalt nach steht das Erbbaurechts- 5.131 verhältnis einem entgeltlichen rein schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis wie Miete oder Pacht nahe und wird beim Eigentümer dementsprechend auch bilanzrechtlich als schwebendes Geschäft bewertet4. Das bedeutet: Das Erbbaurecht wird im Grundsatz nicht als selbständiges Recht beim Erbbauberechtigten aktiviert und nicht beim 1 Nach BFH v. 17.11.2004 – I R 96/02, BStBl. II 2008, 296 = FR 2005, 320 m. Anm. WeberGrellet. 2 BFH v. 17.11.2004 – I R 96/02, BStBl. II 2008, 296 = FR 2005, 320 m. Anm. Weber-Grellet. 3 Vgl. BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 = FR 1983, 296 = DStR 1983, 336; v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280; v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 = DB 1991, 2570; v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = DB 1994, 1800 = GmbHR 1994, 816; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“; Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“. 4 BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 = FR 1983, 296 = DStR 1983, 336; v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280; v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 = FR 1981, 251 = DB 1981, 1372; v. 7.4.1994 – IV R 11/92, BStBl. II 1994, 796 = DB 1994, 1800 = GmbHR 1994, 816; Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191.
Schallmoser 733
Kap. 5 Rz. 5.131 Erbbaurecht
Grundstückseigentümer passiviert1. Lediglich die jeweils fließenden Leistungen werden als Ertrag oder Aufwand gewinnwirksam erfasst. Das Erbbaurecht selbst taucht in der Bilanz im Grundsatz also gar nicht auf. Um eine periodengerechte Aufwands- und Ertragszuordnung zu ermöglichen, werden allerdings Vorauszahlungen, also insbesondere Einmalzahlungen auf den Erbbauzins beim Eigentümer wie beim Erbbauberechtigten über Rechnungsabgrenzungsposten auf die Dauer des Erbbaurechtes verteilt2. Dies gilt auch für Erschließungskosten, die der Erbbauberechtigte nach den Bestimmungen des Erbbaurechtes anstelle des Grundstückseigentümers zahlt3. Auch insoweit liegen Vorausleistungen für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtes vor.
5.132 Eine Ausnahme von dem vorstehenden Grundsatz macht die Rechtsprechung vor allem für die einmaligen Erwerbskosten wie Grunderwerbsteuer, Makler-, Notar und Grundbuchkosten. Die Beurteilung von Erschließungskosten wird in Rz. 1.964 ff. dargestellt. Die vorstehenden Einmal-Kosten sind nach Meinung des BFH4 keine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung, sondern stellen echte Anschaffungskosten auf das dingliche Erbbaurecht dar. Sie sind nach den allgemeinen Grundsätzen des § 7 EStG auf die Dauer des Erbbaurechtes abzuschreiben. 5.133 Bei Bilanzierenden gilt der allgemeine Grundsatz, dass schwebende Geschäfte nicht bilanziert, zumindest nicht aktiviert werden dürfen5. Auch wenn ein Erbbaurecht zwar als dingliches Recht bereits entstanden sei, sei es steuerlich und bilanziell dennoch sowohl für den Grundstückseigentümer als auch für den Erbbauberechtigten noch ein solches schwebendes Geschäft. Denn es sei ein fortlaufender Leistungsaustausch wechselseitig geschuldet. Entscheidend für die bilanzrechtliche Beurteilung müsse nach Ansicht des BFH6 sein, dass mit der Bestellung des Erbbaurechtes wiederum ein Dauerrechtsverhältnis mit „verdinglichten“ Rechten und Pflichten entstehe, das teilweise neben das schuldrechtliche Grundgeschäft trete. Das Erbbaurecht sei damit trotz der Verdinglichung des Rechtes dem Miet- oder Pachtvertrag sehr nahestehend. Es könne nach Ansicht des BFH zwar zutreffen, dass das Erbbaurecht bilanzrechtlich ein immaterielles Wirtschaftsgut sei, das entgeltlich erworben und deshalb bilanzierungsfähig sei (§ 5 Abs. 2 EStG). Daraus folge aber noch nicht, dass das Erbbaurechtsverhältnis nicht als schwebendes Geschäft zu beurteilen sei,
1 Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“; Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191. 2 Vgl. Frotscher/Geurts, § 5 EStG Rz. 191 a. 3 BFH v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280; siehe auch Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 89. 4 Brandis/Heuermann/Brandis, § 7 EStG Rz. 170; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erbbaurecht“; Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 89; Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“; BFH v. 27.7.1994 – X R 97/92, BStBl. II 1994, 934 = DB 1994, 2219; v. 4.6.1991 – X R 136/87, BStBl. II 1992, 70 = DB 1991, 2570. 5 BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 = FR 1983, 296 = DStR 1983, 336; v. 26.6.1980 – IV R 35/74, BStBl. II 1980, 506; v. 3.7.1980 – IV R 138/76, BStBl. II 1980, 648. 6 BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 = FR 1983, 296 = DStR 1983, 336.
734 Schallmoser
C. Einkommensteuer
Rz. 5.136 Kap. 5
insbesondere, dass die Erbbauzinsverpflichtung zu passivieren und bei den Anschaffungskosten des Erbbaurechtes auch der Wert der Erbbauzinsverpflichtung zu berücksichtigen sei. VII. Behandlung von Erschließungskosten im Rahmen von Erbbaurechtsverträgen 1. Behandlung beim Erbbauberechtigten Bei der Behandlung von durch den Erbbauberechtigten getragenen Erschließungs- 5.134 kosten ist danach zu differenzieren, ob das Erbbaurecht im Privatvermögen (zur Erzielung von Überschusseinkünften) oder im Betriebsvermögen (zur Erzielung von Gewinneinkünften) gehalten wird. a) Zum Bereich des Privatvermögens Übernimmt der Erbbauberechtigte dem Erbbauverpflichteten obliegende Erschlie- 5.135 ßungskosten, gehören diese beim Erbbauberechtigten zu den Anschaffungskosten eines im Bereich des Privatvermögens gehaltenen Erbbaurechts1. Dies gilt unabhängig davon, an wen – den Erbbauverpflichteten, einen vorherigen Erbbauberechtigten oder den Erschließungsträger – der Erbbauberechtigte leistet2. Der Erbbauberechtigte hat die Anschaffungskosten im Wege der Absetzungen für Abnutzung (§ 7 Abs. 1 EStG) verteilt über die Laufzeit des Erbbaurechtes als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG) abzuziehen. b) Zum Bereich des Betriebsvermögens Im Bereich des Betriebsvermögens mit Bilanzierungsverpflichtung entspricht es 5.136 hingegen der h.M.3, dass Erschließungsbeiträge, die der Erbbauberechtigte zu tra-
1 BFH v. 14.9.1999 – IX R 31/96, DStR 2000, 397 = ZfIR 2000, 650 (bei erstmaliger Bestellung); v. 27.7.1994 – X R 97/92, BStBl. II 1994, 934 = DB 1994, 2219 (für einen Fall des Verkaufs eines vom Bauträger [= Erbbauberechtigten] erst noch zu errichtenden Gebäudes, wenn der Käufer dem Bauträger die Erschließungskosten zu erstatten hat: weitere Anschaffungskosten beim Käufer); v. 23.11.1993 – IX R 84/92, BStBl. II 1994, 292 (zu einem ähnlichen Fall wie dem vorstehend bezeichneten, also derivativer Erwerb des Erbbaurechts; mit guter Darstellung des Streitstandes); BMF v. 16.12.1991 – IV B 3-S 2253-67/91, BStBl. I 1991, 1011; EStH 2020 H 21.2 „Erbbaurecht“; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 102. 2 Gl.A. Spindler, DB 1994, 650. 3 BFH v. 19.10.1993 – VIII R 87/91, BStBl. II 1994, 109 = DB 1994, 455 (auch für Ergänzungsbeiträge); v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280; v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 = FR 1981, 251 = DB 1981, 1372; v. 8.12.1988 – IV R 33/87, BStBl. II 1989, 407 = DB 1989, 858; OFD Düsseldorf, DStR 1997, 15 (16); vgl. auch Kirchhof/Seer/Reddig21, § 5 EStG Rz. 237 „Erbbaurecht“; Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 270 „Erschließungsbeiträge“; kritisch Mathiak, DStR 1992, 451 (453); siehe auch Finanzverwaltung, BB 1992, 2391.
Schallmoser 735
Kap. 5 Rz. 5.136 Erbbaurecht
gen hat, nicht zu Anschaffungskosten des Erbbaurechtes führen, sondern ein weiteres Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grund und Bodens darstellen; sie sind im Wege der Rechnungsabgrenzung periodengerecht zu verteilen. Gehört das Erbbaurecht beim Erbbauberechtigten zum Betriebsvermögen und ermittelt er seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder Durchschnittssatzermittlung (§ 13a EStG), so gelten die gleichen Regeln wie im Privatvermögen1 (s. Rz. 5.135).
5.137 Einstweilen frei. 2. Behandlung beim Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten)
5.138 Auch beim Grundstückseigentümer ist danach zu unterscheiden, ob das Erbbaurecht im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen gehalten wird. a) Zum Bereich des Privatvermögens
5.139 Beispiel2: A hat ein Erbbaurecht erworben und zahlt monatlich 500 t Erbbauzins an den Grundstückseigentümer G. Für das Grundstück hatte A nach den Vereinbarungen im Erbbaurechtsvertrag die Erschließungskosten zu tragen und zahlt daher zu diesem Zweck 150.000 t an die Stadt. Das Finanzamt will die Bereicherung bei G bei diesem als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sofort erfassen, hilfsweise auf Antrag auf zehn Jahre verteilt. Zu Recht?
5.140 Eine Bereicherung des Grundstückseigentümers durch die Erschließungskosten liegt unzweifelhaft vor. Fraglich ist allerdings der Zeitpunkt des Zuflusses dieser Bereicherung (§ 8 EStG). Der BFH3 hat hierzu entschieden: „Zahlt der Erbbauberechtigte entsprechend einer Vereinbarung bei Bestellung des Erbbaurechtes an einem unbebauten Grundstück außer dem Erbbauzins an den Erbbaurechtsverpflichteten (Grundstückseigentümer) auch die Erschließungskosten an die Gemeinde, so setzt der Zufluss entsprechender Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung beim Grundeigentümer die Realisierung eines Wertzuwachses des Grundstücks voraus. Hieran fehlt es so lange, als sich am Grundeigentum des Erbbaurechtsverpflichteten oder an den Bedingungen des Erbbaurechtes nichts ändert.“
5.141 Der Begriff des „Zufließens“ in § 11 Abs. 1 EStG ist wirtschaftlich auszulegen, so dass ein Zufluss erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein in Geld oder Geldeswert bestehendes Wirtschaftsgut verwirklicht wird; das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit,
1 OFD Düsseldorf v. 10.11.1992 S 2133 A-St 11 H, juris = DStR 1992, 15 f. 2 Nach BFH v. 21.11.1989 – IX R 170/85, BStBl. II 1990, 310 = DB 1990, 355; vgl. auch Stracke, FR 1992, 461; Gestaltungsüberlegungen bei L. Schmidt, DStR 1990, 113. 3 BFH v. 21.11.1989 – IX R 170/85, BStBl. II 1990, 310 = DB 1990, 355.
736 Schallmoser
D. Gewerbesteuer
Rz. 5.145 Kap. 5
den Leistungserfolg herbeizuführen1. Die Erschließung des Grundstücks kommt vor allem dem Erbbauberechtigten zugute, weil sie ihm erst die Nutzung des Erbbaurechtes ermöglicht. Der Grundstückseigentümer hat dagegen von der Erschließung seines Grundstücks so lange nichts, als er diesen Wertzuwachs wegen der Grundstücksbelastung mit dem Erbbaurecht nicht realisiert. Die bloße Möglichkeit der Veräußerung ändert daran nichts. Im Zweifel kommt als Zuflusszeitpunkt nur der Heimfall bzw. das Erlöschen des Erbbaurechts in Betracht2. b) Zum Bereich des Betriebsvermögens Ist der Grundstückseigentümer gewerblich tätig und bilanzierungspflichtig gel- 5.142 ten abweichende Grundsätze. Denn in diesen Fällen kommt nicht das Zuflussprinzip der §§ 11, 8 EStG zur Anwendung, sondern die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung. Beim bilanzierenden Grundstückseigentümer (Erbbauverpflichteten) liegt in der Übernahme der Erschließungskosten durch den Erbbauberechtigten ein zusätzliches Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks3. Die Zahlung der Erschließungskosten durch den Erbbauberechtigten führt zu einer Wertsteigerung des Grund und Bodens, die der Erbbauberechtigte dem Grundstückseigentümer zuwendet4. Dabei stellt bereits der vertraglich begründete Anspruch des Grundstückseigentümers gegen den Erbbauberechtigten auf Tragung der Erschließungskosten eine im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs anzusetzende Vermögensmehrung dar, der ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gegenüberzustellen und über die Dauer des Erbbaurechtes verteilt gewinnerhöhend aufzulösen ist5. Einstweilen frei.
5.143–5.144
D. Gewerbesteuer Eine gewerbesteuerrechtliche Relevanz besteht nur, wenn sich entweder das mit dem 5.145 Erbbaurecht belastete Grundstück oder das Erbbaurecht selbst im Betriebsvermögen eines aktiv bewirtschafteten Gewerbebetriebes befindet. Es ist zwischen der Behandlung beim Erbbauberechtigten und beim Grundstückseigentümer zu unterscheiden.
1 BFH v. 10.12.1985 – VIII R 15/83, BStBl. II 1986, 342 = FR 1986, 276 = DB 1986, 1156; v. 13.10.1987 – VIII R 156/84, BStBl. II 1988, 252 = NJW 1988, 2559. 2 BFH v. 21.11.1989 – IX R 170/85, BStBl. II 1990, 310 = DB 1990, 355. 3 BFH v. 20.11.1980 – IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398 = FR 1981, 251 = DB 1981, 1372; v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280. 4 BFH v. 17.4.1985 – I R 132/81, BStBl. II 1985, 617 = FR 1985, 563 = DB 1985, 2280. 5 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 97.
Schallmoser 737
Kap. 5 Rz. 5.146 Erbbaurecht
I. Beim Erbbauberechtigten
5.146 Die Erbbauzinszahlungen sind gewerbesteuerrechtlich grds. Betriebsausgaben und mindern damit die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer. Dieser Sachverhalt wird vom Gesetzgeber als korrekturbedürftig angesehen. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber die Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG geschaffen, die durch die Unternehmensteuerreform 2008 eine Neufassung1 erhalten haben. 5.147 Die maßgebliche Regelung des § 8 Nr. 1 GewStG hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut: „Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind: 1. Ein Viertel der Summe aus a) Entgelten für Schulden. (…) b) Renten und dauernden Lasten. (…) c) Gewinnanteilen des stillen Gesellschafters, d) einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. (…) e) der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, und f) einem Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (…) soweit die Summe den Betrag von 100.000 t übersteigt.“
5.148 Während Erbbauzinsen nach alter Rechtslage (§ 8 Nr. 2 GewStG a.F.) dem Gewerbeertrag als dauernde Lasten hinzugerechnet wurden, hat der BFH im Jahre 2007 seine frühere Rechtsauffassung hierzu aufgegeben und Erbbauzinsen – auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke – rechtlich und wirtschaftlich als Entgelt für die Überlassung eines Grundstücks zur Nutzung und mithin wie Mietentgelte und Pachtentgelte behandelt2. 5.149 Die Berechnung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung erfolgt nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG in drei Schritten. 1. Schritt: Zusammenrechnung aller vom Gewinn abgesetzten hälftigen Erbbauzinsbeträge i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG; 1 Zur gewerbesteuerlichen Auswirkung der Reform (einschließlich Rechtsformwahl) s. Bergemann/Markl/Althof, DStR 2007, 693; Beußer, DB 2007, 1549; Fehling, NWB Fach 5, S. 1617; Förster, DB 2007, 760; Herzig/Lochmann, DB 2007, 1037; Kaminski/Hofmann/Kaminskaite, Stbg 2007, 161 und 210; Messerer, Unternehmensteuerreform 2008, 2007; Ortmann-Babel/Zipfel, BB 2007, 1869; Schiffers, GmbHR 2007, 505; Schiffers, GmbH-StB 2007, 243; Schreiber/Ruf, BB 2007, 1099; Schultes-Schnitzlein/Keese, NWB Fach 3, S. 14683; Thiel, FR 2007, 729. 2 BFH v. 7.3.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654 = DStR 2007, 1033.
738 Schallmoser
E. Bewertungsrecht
Rz. 5.191 Kap. 5
2. Schritt: Abzug des Freibetrages i.H.v. 100.000 t; 3. Schritt: Anwendung des 25 %-Satzes („Ein Viertel der Summe …“) auf den nach vorstehendem Ergebnis verbleibenden Betrag. Erbbauzinsen werden in der beschriebenen Höhe dem gewerbesteuerlichen Ertrag 5.150 wieder hinzugerechnet, sofern sie den Ertrag gemindert hatten. Der tatsächliche Hinzurechnungsprozentsatz für Erbbauzinsen beläuft sich damit – jenseits des Freibetrages von 100.000 t – auf 12,5 %. Eine solche Minderung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage unterbleibt, wenn beispielsweise ein Mitunternehmer seiner Mitunternehmerschaft ein Erbbaurecht an seinem Grundstück des Sonderbetriebsvermögens eingeräumt hat, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Spiegelbildlich müssten diese Aufwendungen nun bei dem Grundstückseigentümer 5.151 wiederum gekürzt werden, um eine gewerbesteuerliche Doppelerfassung zu vermeiden. Da § 9 Nr. 4 GewStG a.F. durch die Unternehmensteuerreform 2008 jedoch aufgehoben wird, bleibt es bei einer Doppelbesteuerung, die lediglich durch § 35 EStG gemildert wird, sofern diese Vorschrift Anwendung findet1.
5.152
Einstweilen frei. II. Beim Grundstückseigentümer
Die Erbbauzinszahlungen führen beim Grundstückseigentümer grds. zu gewerbe- 5.153 steuerpflichtigen Einnahmen. Das bisher im Gewerbesteuerrecht bestehende Korrespondenzprinzip ist weitgehend aufgehoben, so dass die Steuerpflicht der Zahlungen unabhängig von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG beim Erbbauberechtigten besteht. Erfolgt die Einräumung des Erbbaurechtes im Rahmen einer Gesamtbetriebsver- 5.154 pachtung, handelt es sich nicht mehr um einen aktiven, gewerbesteuerlichen Gewerbebetrieb, sondern um einen ruhenden Gewerbebetrieb, so dass die Zahlungen des Erbbauzinses keiner Gewerbesteuer mehr unterliegen. Einstweilen frei.
5.155–5.190
E. Bewertungsrecht I. Allgemeines Durch Beschluss vom 7.11.2006 hat das BVerfG2 die durch § 19 Abs. 1 ErbStG an- 5.191 geordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den 1 Vgl. hierzu auch Butz-Seidl, GStB 2007, 240 ff. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = NJW 2007, 573 = ZNotP 2007, 135 = ZEV 2007, 76 m. Anm. Piltz. Siehe dazu Heinrichshofen, ErbStG 2007, 64; Crezelius,
Schallmoser 739
Kap. 5 Rz. 5.191 Erbbaurecht
Wert des Erwerbs als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, weil sie an Steuerwerte anknüpfe, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genüge. Die Bewertungsprivilegien des geltenden Rechts seien willkürlich und damit verfassungswidrig. Von Verfassungs wegen müsse die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zugrundeliegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssen zudem gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Zur Rechtslage bis einschließlich 2008 s. 1. Auflage Kap. 5 Rz. 155. Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz1 hat der Gesetzgeber mit den §§ 192 bis 194 BewG n.F. neue Vorschriften für die Bedarfsbewertung von Erbbaurechten zu Erbschaftsteuerzwecken eingeführt.
5.192 Durch Beschluss vom 23.6.20152 hat das BVerfG entschieden, dass § 8 Abs. 2 GrEStG i.d.F. des JStG 19973 sowie in allen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Damit konnte die Grunderwerbsteuer, die sich nach § 8 Abs. 1 GrEStG grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung bemisst und für die § 8 Abs. 2 GrEStG in bestimmten Fällen als Ersatzbemessungsgrundlage die Werte i.S.d. § 138 BewG vorsah, nicht mehr nach diesen Bewertungsvorschriften festgesetzt werden. Obwohl das BVerfG schon im Rahmen der Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit des § 19 ErbStG4 (s. Rz. 5.191) festgestellt hatte, dass die Bewertungsvorschriften für Grundvermögen (§§ 145 ff. BewG) und für land- und forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 140 ff. BewG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen und der Gesetzgeber daraufhin die Bewertung für die Erbschaftsteuer mit Wirkung ab dem 1.1.2009 neu geregelt hatte (§§ 158 ff. BewG), war eine Neuregelung der nach § 8 Abs. 2 GrEStG für die Grunderwerbsteuer anzusetzenden Werte zunächst unterblieben. Erst mit dem StÄndG 20155 wurden die Grundlagen für die Ermittlung der Grundbesitzwerte für die Grunderwerbsteuer an die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze angepasst; sie sind nach Maßgabe des § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG zu ermitteln und entsprechen nunmehr den für die Bedarfsbewertung von Erbbaurechten zu Erbschaftsteuerzwecken geltenden Regeln.
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DStR 2007, 415; Daragan, DB 2006, 1751; Eisele, NWB 2007, S. 501; Geck, DStR 2007, 427; Götz, Beraterbrief Erben und Vermögen 2007, Heft 3; Jansen, ZSteu 2006, 426; Lehmann/ Treptow, Stbg 2006, 431; Pahlke, NWB Fach 10, S. 1575; Schöne, DB 2006, 1699; Wälzholz, Beraterbrief Erben und Vermögen 2007, Heft 3; Wälzholz, ZErb 2007, 111 ff. Ges. zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) v. 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018. BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BStBl. II 2015, 871 = DStR 2015, 1678. BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BStBl. II 2015, 871 = DStR 2015, 1678. BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
740 Schallmoser
E. Bewertungsrecht
Rz. 5.195 Kap. 5
Durch Beschluss vom 10.4.2018 hat das BVerfG1 die „realitätsfernen“ Bewertungs- 5.193 regeln, insbesondere die seit 1935 (ostdeutsche Bundesländer) bzw. 1964 (westdeutsche Bundesländer) nicht mehr aktualisierten Einheitswerte für die Bemessung der Grundsteuer als gleichheitswidrig und mit der Verfassung unvereinbar angesehen. Wegen anderenfalls drohender Vollzugsprobleme wurde indes die vorübergehende Fortgeltung der beanstandeten Regelungen angeordnet (s. Rz. 1.1330). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Neuregelung mit der Verabschiedung des Grundsteuer-Reformgesetzes2 fristgerecht geschaffen; im Zuge der Neuregelungen wurden auch die besonderen Bewertungsvorschriften über das Erbbaurecht (§ 92 BewG) mit Wirkung zum 1.1.2025 aufgehoben3; das GrundsteuerReformgesetz hat mit § 261 BewG n.F. eine neue Vorschrift für die Bedarfsbewertung von Erbbaurechten zu Grundsteuerzwecken eingeführt. Durch die vom BVerfG erzwungenen Neureglungen kommt es nunmehr bei der Be- 5.194 wertung von Erbbaurechten und Erbbaurechtsgrundstücken zu einem Auseinanderfallen verschiedener Bewertungsgrundsätze: – Bei der anlassabhängigen Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden das Erbbaurecht und das Erbbaugrundstück weiterhin nach §§ 192 ff. BewG getrennt bewertet, die im Zuge der Grundsteuerreform geringfügig geändert wurden4 (s. Rz. 5.196 ff.). – Bei der Bedarfsbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer wird das Erbbaurecht und das Erbbaugrundstück nach Maßgabe des § 151 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG und mithin nach den Regelungen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bewertet (s. Rz. 5.205 ff.). – Für Zwecke der Ermittlung von Grundsteuerwerten wird das Erbbaurecht mit dem belasteten Grund und Boden zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst und einheitlich bewertet (§§ 244 Abs. 3 Nr. 1, 261 BewG in der ab 3.12.2019 geltenden n.F.5; s. Rz. 5.210 ff.).
5.195
Einstweilen frei. II. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Erbschaft- und Schenkungsteuer Literatur: Brüggemann, Update: Bewertung von Erbbaugrundstücken und Erbbaurechten, ErbBstg 2019, 230; Bruschke, Erbbaurechte und belastete Grundstücke, ErbStB 2012, 310; Eisele, Erbbaurechte bei der Erbschaftsteuerlichen Immobilienbewertung nach dem JStG 2007, 1 Jahressteuergesetz (JStG) 1997 v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, 2049. 2 Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. 3 Siehe Art. 2 Nr. 6 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. 4 Siehe Art. 1 Nr. 7 des Ges. zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2931. 5 Siehe Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794.
Schallmoser 741
Kap. 5 Rz. 5.196 Erbbaurecht DStR 2007, 1023; Feldner/Stoklassa, Die Praxis der Bewertung von Grundvermögen i.R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer, ErbStB 2013, 152 ff. (193 ff.); Grootens, Ermittlung des Bodenwerts bei der Grundbesitzbewertung, ErbStB 2012, 113; Halaczinsky, Erbbaurecht und Erbbaurechtsverpflichtung im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2017, 303; Wiegand, Die Neuregelung des erbschaftsteuerlichen Bewertungsrechts auf der Grundlage der künftigen Bewertungsverordnungen, ZEV 2008, 129.
1. Zwei wirtschaftliche Einheiten
5.196 Die Bedarfsbewertung des Erbbaurechtes und des Erbbaugrundstücks für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer folgt dem zivilrechtlichen Grundsatz der Teilung eines Grundstückes anlässlich der Begründung eines Erbbaurechtes. Das Erbbaurecht als solches setzt sich dabei aus dem Wert des Nutzungsrechtes – Bodenwert – zzgl. dem Wert des Bauwerkes – Gebäudewert – zusammen. Nach §§ 193, 194 BewG wird dabei jede dieser Komponenten gesondert ermittelt. 2. Wertermittlung für Erbbaurecht und Erbbaugrundstück a) Vergleichswert
5.197 Sowohl der Bedarfswert für das Erbbaurecht als auch der für das Erbbaugrundstück ist nach §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 BewG i.V.m. § 183 Abs. 1 BewG im Vergleichswertverfahren zu ermitteln, wenn für das Recht bzw. das Grundstück Vergleichskaufpreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren vorliegen, die von den Gutachterausschüssen (§§ 192 ff. BauGB) mitgeteilt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass eine statistisch relevante Zahl an Verkäufen vorliegt. In der Praxis wird dies nur bei Wohnungserbbaurechten, evtl. auch bei Reihenhäusern in der Rechtsform des Erbbaurechtes gegeben sein. Liegen weder Vergleichskaufpreise noch Vergleichsfaktoren vor, setzt sich der Wert nach der sog. finanzmathematischen Methode1 aus dem Bodenwertanteil (für das Erbbaurecht s. § 193 Abs. 3 BewG, für das Erbbaugrundstück s. § 194 Abs. 3 BewG) und ggf. einem Gebäudewertanteil (für das Erbbaurecht s. § 193 Abs. 5 BewG, für das Erbbaugrundstück s. § 194 Abs. 4 BewG) zusammen. Die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses ist mit der Bewertung des Erbbaurechts abgegolten (§ 192 Satz 2 BewG). b) Einzelbewertung des Erbbaurechts nach finanzmathematischer Methode, § 193 Abs. 2 bis 5 BewG aa) Bodenwertanteil
5.198 Kommt eine Wertermittlung nach Vergleichswerten nicht in Betracht, schreibt § 193 Abs. 2 bis 5 BewG eine Einzelbewertung des Erbbaurechtes nach finanzmathematischen Methoden vor. Dabei ist nach § 193 Abs. 2 BewG ein Bodenwertanteil und
1 R B 193 Abs. 2 Satz 1 ErbStH 2020.
742 Schallmoser
E. Bewertungsrecht
Rz. 5.204 Kap. 5
ein Gebäudewertanteil jeweils gesondert zu ermitteln und anschließend zu addieren. Der Bodenwertanteil ergibt sich aus der Differenz zwischen – dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks nach § 193 Abs. 4 und – dem vertraglich vereinbarten jährlichen Erbbauzins. Der sich so errechnende Betrag ist mit dem Vervielfältiger gem. § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG i.V.m. Anlage 21 BewG zu multiplizieren. Dies ergibt den Bodenwertanteil. bb) Gebäudewertanteil Der Gebäudewert ist, je nach der Nutzungsart des Gebäudes, nach § 182 BewG nach 5.199 dem Ertragswert oder nach dem Sachwert zu ermitteln. Dabei wird berücksichtigt, ob bei dem Entschädigungsbetrag gem. § 27 ErbbauRG eine vollständige Entschädigung vereinbart ist oder ob diese eingeschränkt bzw. eventuell sogar vollkommen ausgeschlossen ist. Wird nach § 27 ErbbauRG eine volle Gebäudeentschädigung gezahlt, so stellt diese den Gebäudewertanteil dar. Bei einer eingeschränkten bzw. ausgeschlossenen Entschädigung gem. § 27 ErbbauRG ist von dem Entschädigungsbetrag der Anteil abzuziehen, der in Folge der Kürzung desselben oder dessen Ausschlusses dem Eigentümer zuzurechnen ist1.
5.200
Einstweilen frei. c) Einzelbewertung des Erbbaugrundstücks nach finanzmathematischer Methode, § 194 Abs. 2 bis 4 BewG
Die Bewertung des Erbbaugrundstücks erfolgt spiegelbildlich zur Bewertung des 5.201 Erbbaurechtes. Der Bodenwertanteil setzt sich hier zusammen aus einem abgezinsten Bodenwert zzgl. des kapitalisierten, vereinbarten jährlichen Erbbauzinses (§ 194 Abs. 3, Abs. 4, Anlage 26 BewG; 193 Abs. 4 Anlage 21 BewG). Beim Gebäudewert ist derjenige Anteil hinzuzurechnen, der auf Grund der gekürzten bzw. ausgeschlossenen Entschädigungsforderung (§ 27 ErbbauRG) dem Grundstückseigentümer zuwächst. Wie üblich steht es den Beteiligten jedoch frei, dass sie einen niedrigeren gemeinen Wert durch Sachverständigengutachten nachweisen können, § 198 BewG, § 199 Abs. 1 BauGB. Für vermietete Wohnimmobilien wird ein Bewertungsabschlag von 10 % vom ge- 5.202 meinen Wert gewährt werden, § 13c ErbStG. Dies hat auch für entsprechende Erbbaurechte zu gelten. Einstweilen frei.
5.203–5.204
1 Mannek/Blum in Stenger/Loose, § 193 BewG Rz. 31; GV-Erlass, BStBl. I 2009, 590 (619).
Schallmoser 743
Kap. 5 Rz. 5.205 Erbbaurecht
III. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Grunderwerbsteuer Literatur: Brüggemann, Update: Bewertung von Erbbaugrundstücken und Erbbaurechten, ErbBstg 2019, 230; Drosdzol, Die Änderungen der steuerlichen Bedarfsbewertung, insb. der Bewertung in Erbbaurechtsfällen und in Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 10.11.2006, UVR 2007, 119; Halaczinsky, Erbbaurecht und Erbbaurechtsverpflichtung im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2017, 303.
1. Erwerb ohne Gegenleistung und Bedarfsbewertung in anderen Fällen
5.205 Eine Bedarfsbewertung von Erbbaugrundstück und Erbbaurecht für Zwecke der Grunderwerbsteuer kommt in Betracht, wenn zwar ein grunderwerbsteuerbarer Erwerb, aber keine Gegenleistung vorliegt. In diesem Fall wird die GrESt nach dem Bedarfswert des Erbbaurechts bemessen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG i.V.m. §§ 151, 157 Abs. 3, 192 ff. BewG). Daneben kann eine Bedarfsbewertung ggf. auch bei fiktivem Rechtsträgerwechsel (§ 1 Abs. 2a GrEStG), bei Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 und 4 GrEStG und § 1 Abs. 3a GrEStG), bei Umwandlungen oder Einbringungen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG) sowie bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erforderlich werden1. Damit entsprechen die Grundlagen zur Ermittlung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer den für die Erbschaftund Schenkungsteuer seit dem 1.1.2009 gültigen Regelungen (s. Rz. 5.195 ff.). Die Regelungen über die Bedarfsbewertung nach § 148 BewG gelten zwar grundsätzlich noch bis zum 31.12.2024 weiter2. Eine Bewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. i.V.m. §§ 138 ff. BewG ist indes wegen des vom BVerfG mit Beschluss vom 23.6.20153 festgestellten Verstoßes der genannten Vorschriften gegen Art. 3 Abs. 1 GG (rückwirkend) ab dem 1.1.2009 nicht mehr möglich4 (s. Rz. 5.192).
5.206 Ein grunderwerbsteuerbarer Erwerb ohne Gegenleistung liegt bspw. vor5 im Fall – eines Erwerbs kraft Gesetzes, – des Ausschlusses eines Anspruchs des Erbbauberechtigten auf Vergütung beim Heimfall (§ 32 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG) oder – der Vereinbarung eines nur symbolischen Erbbauzinses (z.B. 1 t)6. Ein Erwerb ohne Gegenleistung liegt auch vor im Fall eines – nach den Bestimmungen des ErbStG steuerbaren, nach § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbefreiten – Er-
1 2 3 4
Halaczinsky, UVR 2017, 303 (307 f.). Siehe Art. 2 Nr. 9 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BStBl. II 2015, 871 = DStR 2015, 1678. Siehe hierzu Mannek/Blum in Stenger/Loose, § 193 BewG Rz. 5.3; Halaczinsky, UVR 2017, 303 (307 f.). 5 Siehe im Einzelnen Halaczinsky, UVR 2017, 303 (307 f.). 6 BFH v. 29.3.2006 – II R 68/04, BStBl. II 2006, 632 = ZfIR 2006, 774; Nienhaus in Behrens/ Wachter2, § 8 GrEStG Rz. 16.
744 Schallmoser
E. Bewertungsrecht
Rz. 5.211 Kap. 5
werbs von Todes wegen und einer freigebigen Zuwendung, d.h. einer (Voll)-Schenkung. 2. Ermittlung des Werts für Erbbaurecht und Erbbaugrundstück im Vergleichswertverfahren Die Bedarfsbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer folgt damit den Grund- 5.207 sätzen der §§ 192 bis 194 BewG: Sowohl der Bedarfswert für das Erbbaurecht als auch der für das Erbbaugrundstück ist nach §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 BewG i.V.m. § 183 Abs. 1 BewG grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu ermitteln (s. Rz. 5.196). Liegen Vergleichspreise oder aus Kaufpreisen abgeleitete Vergleichsfaktoren für Erb- 5.208 baurecht und Erbbaugrundstück – etwa bei Gutachterausschüssen bei Maklerverbänden – vor, sind diese zugrunde zu legen; Andernfalls ist eine Bewertung nach finanzmathematischer Methode vorzunehmen1 (s. Rz. 5.197 ff.).
5.209
Einstweilen frei. IV. Bedarfsbewertung des Erbbaurechts in der Grundsteuer Literatur: Eichholz, Novellierung der Grundsteuer. Überblick über die wesentlichen Änderungen und Konsequenzen der Grundsteuer-Reform sowie kritische Beurteilung ausgewählter Aspekte, DStR 2020, 1158, 1217; Marfels, Die Neubewertung von Grundvermögen nach dem Entwurf für ein Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG), ErbStB 2019, 266; Stephany, Grundsteuerreform 2019 – neue Bewertungsregeln für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen, AUR 2020, 134; Wünnemann/Koller, Die Grundsteuerreform – ein Resümee aus Sicht der Industrie, BB 2020, 215.
1. Eine wirtschaftliche Einheit Entgegen der bisherigen Rechtslage, nach der Erbbaurecht und belastetes Grundstück 5.210 jeweils für sich zu bewerten waren (§ 92 Abs. 1 BewG in der noch bis 31.12.2024 geltenden a.F.2, s. Rz. 5.193), werden Erbbaurecht und Erbbaurechtsgrundstück nunmehr als eine wirtschaftliche Einheit behandelt und bewertet (§ 244 Abs. 3 Nr. 1 BewG n.F.3). Gleiches gilt für das Wohnungs- bzw. Teilerbbaurecht, die jeweils zusammen mit dem dazu gehörenden Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 244 Abs. 3 Nr. 4 BewG n.F.). 2. Ermittlung des Gesamtwerts Für Zwecke der Ermittlung von Grundsteuerwerten ist für das Erbbaurecht und das 5.211 Erbbaurechtsgrundstück ein Gesamtwert nach §§ 243 bis 260 BewG n.F. zu ermit1 Halaczinsky, UVR 2017, 303. 2 Siehe Art. 2 Nr. 6 i.V.m. Art. 18 Abs. 3 GrStRefG v. 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794. 3 § 244 BewG i.d.F. des Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794.
Schallmoser 745
Kap. 5 Rz. 5.211 Erbbaurecht
teln, der festzustellen wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde1. Der ermittelte Wert ist dem Erbbauberechtigten zuzurechnen.
5.212–5.218 Einstweilen frei.
F. Schenkungsteuer Literatur: Brüggemann, Schenkung: Besteuerung eines Erbbaurechts, ErbBstg 2018, 250; Esskandari/Bick, Gemischte Schenkung und Übertragung eines Erbbaurechts gegen Einräumung von Wohnungsrecht unter Vereinbarung einer Wegzugsklausel, ErbStB 2018, 301; Halaczinsky, Erbbaurecht und Erbbaurechtsverpflichtung im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2017, 303.
I. Steuerpflicht
5.219 Der unentgeltliche Erwerb eines Erbbaurechts wird erbschaftsteuerlich einem Grundstückserwerb gleichgesetzt (§§ 12 Abs. 3 ErbStG, 176 Abs. 1 Nr. 2 BewG); er tritt ein bei Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG) oder durch freigiebige Zuwendung (Schenkung) unter Lebenden (§ 7 ErbStG). Ein steuerbarer Erwerb durch Schenkung kann in einer erstmaligen Bestellung eines Erbbaurechts, einer Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts oder einer Erweiterung oder Verlängerung eines Erbbaurechts liegen2. Auch der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein Erbbaurecht kann u.E. als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllen3. 5.220 Zivilrechtlich entsteht das Erbbaurecht mit der Eintragung in das Grundbuch (§ 11 ErbbauRG i.V.m. § 873 BGB), schenkungsteuerrechtlich gilt es demgegenüber schon dann als entstanden, wenn die dingliche Einigung über die Bestellung des Erbbaurechts erfolgt ist und die Vertragsparteien in der Lage sind, die Eintragung im Grundbuch zu bewirken4. 5.221 Wird ein Erbbaurecht gegen einen zu niedrigen Erbbauzins eingeräumt, liegt ggf. eine gemischte Schenkung vor. Nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung ist der Wert für das Erbbaurecht in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Für die Aufteilung ist das Verhältnis zwischen dem tatsächlich vereinbarten Erbbauzins und dem angemessenen Erbbauzins maßgebend. Bei der Wertermittlung ist zunächst vom steuerlichen Wert des Erbbaurechtes (Bodenwertanteil zzgl. Gebäudewertanteils) gem. § 193 Abs. 2 bis 5 BewG auszugehen. Hieraus ist der
1 Zu Einzelheiten s. etwa Eichholz, DStR 2020, 1158 (1165 f., 1217 ff.); Marfels, ErbStB 2019, 266. 2 Halaczinsky, UVR 2017, 303 (309). 3 Gl.A. Halaczinsky, UVR 2017, 303 (309); vgl. hierzu a. BFH v. 20.5.2014 – II R 7/13, BStBl. II 2014, 896, zum vorzeitigen unentgeltlichen Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht. 4 R B 192.1 Abs. 2 ErbStH 2020.
746 Schallmoser
G. Grunderwerbsteuer
Kap. 5
angemessene Erbbauzins pro Jahr abzuleiten und mit dem tatsächlich gezahlten Erbbauzins in Relation zu setzen. Daraus ergibt sich das Verhältnis des entgeltlichen zum unentgeltlichen Anteil1. Einstweilen frei.
5.222–5.224
II. Steuerbefreiungen Der unentgeltliche Erwerb eines Erbbaurechts unter Ehegatten durch freigiebige 5.225 Zuwendung oder von Todes wegen ist von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, soweit die in Ausübung des Erbbaurechts errichteten Räume als Familienwohnheim zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b ErbStG). Beim Erwerb eines „vermieteten Erbbaurechts“ ist die Steuerbefreiung für zu Wohn- 5.226 zwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG) zu beachten, bei denkmalgeschützten Gebäuden und Grundbesitz, der der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird, kommen die Steuerbefreiungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG in Betracht. Gehört das Erbbaurecht zu einem Betriebsvermögen, sind die Steuerbefreiungen der §§ 13a, 13b und13c ErbStG zu berücksichtigen. Einstweilen frei.
5.227–5.229
III. Anzeigepflicht Beurkundungsvorgänge, die sich auf ein unentgeltlich übertragenes Erbbaurecht be- 5.230 ziehen, sind vom Notar dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen (§§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 35 ErbStG)2. IV. Bedarfsbewertung Der Wert des Erbbaurechts ist im Wege der Bedarfsbewertung zu ermitteln und geson- 5.231 dert festzustellen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 ErbStG, §§ 151, 157 ff. BewG, s. Rz. 5.196 ff.). Einstweilen frei.
5.232–5.240
G. Grunderwerbsteuer Literatur: Behrens/Meyer-Wirges, Erbbaurechte im Grunderwerbsteuerrecht, DStR 2006, 1866; Bruschke, Erbbaurechts-Vorgänge und Grunderwerbsteuer, UVR 1995, 142; Bruschke, Die Behandlung von Erbbaurechten bei der Grunderwerbsteuer, ErbStB 2021, 191; Dorner, Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei der Bestellung von Erbbaurechten, BB 1982, 490; Drasdo, Die grunderwerbsteuerlichen Folgen der Verlängerung eines Erbbaurechts, ZfIR 2021,
1 FinMin. Baden-Württemberg v. 6.12.1999 – S 3806/31, DStR 2000, 247 = FR 2000, 283; Moench/Weinmann, § 7 ErbStG Rz. 61 b. 2 Hartmann in Stenger/Loose, § 34 ErbStG Rz. 11 ff.
Schallmoser 747
Kap. 5 Rz. 5.241 Erbbaurecht 316; Halaczinsky, Erbbaurecht und Erbbaurechtsverpflichtung im Erbschaft- und Grunderwerbsteuerrecht, UVR 2017, 303; Mathäus/Stock, Erbbaurechtstransaktionen in der Grunderwerbsteuer – Neue Erkenntnisse durch den BFH? DStR 2015, 2752; Möllinger, Der Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks durch den Erbbauberechtigten im Grunderwerbsteuerrecht, UVR 1994, 81.
I. Steuerpflicht
5.241 Das Erbbaurecht wird in § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einem Grundstück gleichgesetzt. Damit kann sowohl die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts1, die Bestellung eines Untererbbaurechts2, die Übertragung des Erbbaurechts3 (bzw. der vertragliche Anspruch auf eine solche Übertragung4), die Verlängerung (s. näher Rz. 5.273)5, die Aufhebung vor dem vereinbarten Zeitablauf (s. näher Rz. 5.250)6 sowie der Heimfall (s. näher Rz. 5.254)7 des Erbbaurechtes grunderwerbsteuerpflichtig sein. Demgegenüber unterliegen weder das Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf noch der damit verbundene Übergang des Eigentums an dem auf dem Erbbaurecht vom Erbbauberechtigten errichteten Bauwerk auf den Grundstückseigentümer der Grunderwerbsteuer (s. näher Rz. 5.252). 5.242 Die Ausübung eines Vorrechts auf Erneuerung des Erbbaurechtes nach § 31 ErbbauRG führt zu einem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang, weil hierdurch aufgrund des Vorerwerbsrechtes ein neues Erbbaurecht zur Entstehung gelangt8. 5.243 Auch die sog. Ersatztatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 GrEStG können beim Erbbaurecht zur Anwendung kommen. Dies ist einerseits beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren über ein Erbbaurecht der Fall. Gleiches gilt, wenn die Rechte aus einem Meistgebot einer Zwangsversteigerung übertragen werden oder der Anspruch aus einem Angebot auf Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages übertragen oder die daraus resultierenden Rechte sonst abgetreten werden. 5.244 Soweit grunderwerbsteuerrechtlich Regelungen für Erbbaurechte getroffen sind, gelten diese Bestimmungen auch für Untererbbaurechte, Gesamterbbaurechte, Nachbarerbbaurechte sowie Wohnungs- und Teilerbbaurechte entsprechend9. Die Bestellung eines Eigentümererbbaurechtes ist dagegen grunderwerbsteuerfrei, da ein Rechtsträgerwechsel nicht stattfindet. Auch die einseitige Begründung eines Woh-
1 2 3 4 5 6
BFH v. 3.11.1982 – II R 82/81, BStBl. II 1983, 165. BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135. BFH v. 14.11.2007 – II R 63/06, BFH/NV 2008, 1199. BFH 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136. BFH v. 18.8.1993 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766 = DB 1993, 2063. BFH v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136 = DStR 1980, 237 = MittBayNot 1980, 90; v. 11.7.1984 – II R 69/82, juris. 7 BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130. 8 Im Ergebnis ebenso FinMin. Baden-Württemberg v. 7.3.2002, DStR 2002, 591 Tz. 1.1.3. 9 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 59, 66; FinMin. Baden-Württemberg v. 7.3.2002, DStR 2002, 591 Tz. 1.
748 Schallmoser
G. Grunderwerbsteuer
Rz. 5.246 Kap. 5
nungserbbaurechtes gem. §§ 30, 8 WEG löst keinen Rechtsträgerwechsel aus und bleibt deshalb grunderwerbsteuerfrei1. II. Bemessungsgrundlage 1. Veräußerung des Erbbaugrundstücks Um tatsächlich nur das Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht selbst der Grund- 5.245 erwerbsteuer zu unterwerfen, nicht aber den Anspruch auf den Erbbauzins, stellt § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG klar, dass das Recht des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstückes betrachtet wird. Erwirbt daher ein Erbbauberechtigter oder ein Dritter das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück, unterliegt der mit dem Grundstückserwerb verbundene Erwerb des Erbbauzinsanspruchs nicht der Grunderwerbsteuer, da das Recht auf Erbbauzins – obwohl zivilrechtlich wesentlicher Bestandteil des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks – nicht zum Grundstück gerechnet wird. Der Grunderwerbsteuer unterliegt lediglich der nach Abzug des Kapitalwerts des Erbbauzinsanspruchs vom Kaufpreis verbleibende Unterschiedsbetrag. Der Kaufpreis ist nicht nach der sog. Boruttau’schen Formel aufzuteilen2. 2. Rechtsträgerwechsel beim Erbbaurecht mit Gegenleistung Wird ein Erbbaurecht erstmalig bestellt, übertragen, erneuert oder verlängert, ist 5.246 Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der kapitalisierte Wert des Erbbauzinses (§ 13 BewG)3. Die Kapitalisierung erfolgt gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. der Anlage 9a zum BewG; der Kapitalwert des Erbbauzinses wird nicht durch den gemeinen Wert des Grundstücks begrenzt4. Die in der Regel vereinbarte Wertsicherungsklausel zur Erreichung einer Wertstabilität der Höhe des Erbbauzinses zählt hingegen nicht zur Bemessungsgrundlage und erhöht diese nicht5. Erwirbt der Grundstückseigentümer das Erbbaurecht selbst, so zählt die Erbbauzinsreallast nicht zur Bemessungsgrundlage6. Die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses bleibt zwar als Eigentümerreallast bestehen, stellt aber keine echte Belastung für den Grundstückseigentümer dar; dies gilt unabhängig davon, ob das Erbbaurecht bestehen bleibt oder aufgehoben wird.
1 Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 59. 2 BFH v. 6.5.2014 – II R 8/14, BStBl. II 2014, 853 = DNotZ 2015, 677 = ZfIR 2015, 672; FinMin Bad.-Württ. v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827 tz. 4.1. 3 Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 222; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 60 f. 4 BFH v. 5.12.1979 – II R 103/76, BStBl. II 1980, 135. 5 BFH v. 14.11.1967 – II 166/63, BStBl. II 1968, 752; Pahlke6, § 8 GrEStG Rz. 32. 6 BFH v. 14.11.2007 – II R 64/06, BStBl. II 2008, 486 = DStR 2008, 720; FinMin. Bad.-Württ. v. 16.9.2015, BStBl. I 2015, 827 tz. 4.1.
Schallmoser 749
Kap. 5 Rz. 5.246 Erbbaurecht
Werden neben oder anstelle der Verpflichtung zur Zahlung eines Erbbauzinses weitere Leistungen des Erbbauberechtigten an den Grundstückseigentümer bzw. an den Veräußerer des Erbbaurechtes erbracht, unterliegen auch diese nach § 9 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Hierzu fällt insbesondere ein zusätzlich bezahlter Kaufpreis, z.B. für ein bereits bestehendes oder auch vom Verkäufer erst noch zu errichtendes Gebäude1.
5.247 Der Jahreswert der Erbbauzinsverpflichtung kann nicht auf den 18,6fachen Teil des Wertes des Grundstückes nach § 16 BewG beschränkt werden. Dies ist durch § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG ausgeschlossen2. 5.248 Eigennützige Erwerberleistungen zählen nicht zur Gegenleistung. So erhöht die Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Herstellung und Unterhaltung eines bestimmten Gebäudes nicht die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer3. 3. Rechtsträgerwechsel beim Erbbaurecht ohne Gegenleistung
5.249 In der Praxis besonders bedeutsam sind hier gesellschaftsrechtliche Vorgänge, vor allem Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz und damit einhergehende Rechtsträgerwechsel (z.B. bei Verschmelzung, Spaltung) sowie Einbringungsvorgänge (z.B. bei einer Sachgründung nach § 5 Abs. 4 GmbHG bzw. § 27 AktG). In diesen Fällen findet eine Bedarfsbewertung nach § 8 Abs. 2 GrEStG, §§ 151, 157 Abs. 3 BewG statt (s. Rz. 5.205 ff.). III. Besonderheiten bei Aufhebung, Erlöschen durch Zeitablauf und Heimfall
5.250 Auch die vertragliche Vereinbarung über die (ggf. teilweise) Aufhebung eines Erbbaurechtes (§ 26 ErbbauRG, § 875 BGB) unterliegt der Grunderwerbsteuer4. Die Bemessungsgrundlage für diesen steuerpflichtigen Vorgang richtet sich nach der Gegenleistung des Grundstückseigentümers. Wird für die Aufhebung des Erbbaurechtes eine Einmalzahlung oder sonstige Entschädigung, beispielsweise für das Bauwerk, erbracht, so unterliegt dies der Grunderwerbsteuer. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gegenleistung und Abfindung als Barzahlung oder als Übernahme von Verbindlichkeiten oder in sonstiger Form erbracht wird. Der restliche Wert der für die Restlaufzeit des Erbbaurechtes verbleibenden Erbbauzinsverpflichtung ist hingegen kein Be-
1 Siehe im Einzelnen Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 257; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 62. 2 Pahlke6, § 9 GrEStG Rz. 170; Viskorf/Loose20, § 9 GrEStG Rz. 537. 3 BFH v. 23.10.2003 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199 = DStRE 2003, 304 = NotBZ 2003, 200; Konrad in Behrens/Wachter2, § 9 GrEStG Rz. 223. 4 BFH v. 31.3.1976 – II R 93/75, BStBl. II 1976, 470; v. 5.12.1979 – II R 122/76, BStBl. II 1980, 136; Behrens/Meyer-Wirges, DStR 2006, 1866 (1868); Winkler/Schlögel, Handbuch des Erbbaurechts7, § 10 Rz. 77.
750 Schallmoser
G. Grunderwerbsteuer
Rz. 5.254 Kap. 5
standteil der Gegenleistung1. Dies gilt auch, wenn der Erbbauberechtigte sein Recht ohne Aufhebung an den Eigentümer überträgt2. Wird für eine rechtsgeschäftliche Aufhebung keine Entschädigung vereinbart, so ist die Steuer gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, §§ 138, 148 BewG nach der Bedarfsbewertung des Erbbaurechtes zum Zeitpunkt der Aufhebung zu berechnen3. Wird jedoch ein Eigentümererbbaurecht4 aufgehoben, so fehlt es an einem Rechts- 5.251 trägerwechsel, an den das Grunderwerbsteuergesetz grundsätzlich anknüpft. In diesem Fall ist die Aufhebung daher nicht grunderwerbsteuerpflichtig. Die Aufhebung führt also nur bei Auseinanderfallen von Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigtem zu einer Grunderwerbsteuerbelastung. Im Gegensatz zur Aufhebung eines Erbbaurechtes liegt nach nunmehr h.M.5 kein 5.252 grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vor, wenn das Erbbaurecht durch Zeitablauf erlischt. Das Erlöschen tritt mit Zeitablauf kraft Gesetzes ein. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, inwiefern der Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Bauwerk gem. § 27 ErbbauRG zu zahlen oder ggf. Verbindlichkeiten vom Erbbauberechtigten zu übernehmen hat. Auch der Übergang des Eigentums am Gebäude auf den Grundstückseigentümer 5.253 führt nicht zu einer Grunderwerbsteuerpflicht6. Der Heimfall eines Erbbaurechtes gem. §§ 2 Nr. 4, 32 ErbbauRG ist ebenfalls grund- 5.254 sätzlich grunderwerbsteuerpflichtig7. Dabei wird die Gegenleistung, also die Abfindung für den Heimfall als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuererhebung herangezogen. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist auf den Heimfall grundsätzlich nicht anzuwenden8. Nur ausnahmsweise kann der ursprüngliche grunderwerbsteuerpflichtige Vorgang und der Heimfall selbst nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG steuerfrei sein. Dies ist nach Auffassung der Finanzverwaltung9 dann der Fall, wenn der Heimfallanspruch auf die Nichterfüllung von Vertragspflichten zurückgeht, die in dem der Erbbaurechtsbestellung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag übernommen wurden und zivilrechtlich eine Hauptleistung darstellen10 (s. dazu auch Rz. 5.41 ff.). Kann der Grundstückseigentümer aus Anlass des Heimfalls nicht nur die Übertra1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
FinMin. Baden-Württemberg v. 7.3.2002, DStR 2002, 591 (592). BFH v. 14.11.2007 – II R 64/06, BStBl. II 2008, 486 = DStR 2008, 720. Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 79. Zum Begriff s. BFH v. 28.7.1976 – II R 85/70, BStBl. II 1977, 85. BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BStBl. II 1995, 334 = MittBayNot 1995, 248 = MittRhNotK 1995, 215; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 80. BFH v. 8.2.1995 – II R 51/92, BStBl. II 1995, 334 = MittBayNot 1995, 248 = MittRhNotK 1995, 215. BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130. BFH v. 26.2.1975 – II B 44/74, BStBl. II 1975, 418; Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 69. FinMin. Baden-Württemberg v. 7.3.2002, DStR 2002, 591 Tz. 1.2.4. Ebenso BFH v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683 = MittBayNot 1984, 53 = MittRhNotK 1983, 251.
Schallmoser 751
Kap. 5 Rz. 5.254 Erbbaurecht
gung auf sich, sondern auch auf einen Dritten verlangen und macht er hiervon unmittelbaren Gebrauch, so fällt keine doppelte Grunderwerbsteuer an. Vielmehr wird nur einmal die Grunderwerbsteuer für das Rechtsgeschäft erhoben, das der Weitergabe des Erbbaurechtes an den Dritten dient1.
5.255 Ist im Falle der Übertragung eines Erbbaurechtes oder des Heimfalles keine Gegenleistung vorhanden, so soll sich die Steuer nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG nach den bewertungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 138 ff. BewG errechnen2. Die Finanzverwaltung verkennt jedoch insoweit, dass in zahlreichen entsprechenden Fällen die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG eingreifen wird, sofern es sich um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handelt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kommt es tatsächlich zu einer Besteuerung auf der Grundlage der §§ 138 ff. BewG. 5.256–5.270 Einstweilen frei. IV. Grunderwerbssteuerbefreiung und -erstattung bei der Rückübertragung von Erbbaurechten
5.271 Die Rückübertragung des Erbbaurechtes durch den Erbbauberechtigten wegen Nichtzahlung des Erbbauzinses kann einen zur Grunderwerbssteuerbefreiung bzw. -erstattung führenden Fall des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG darstellen. Dies gilt auch für den dadurch ausgelösten Heimfall3. 5.272 Für andere Fälle des Heimfalls wird die Anwendung des § 16 GrEStG jedoch weitgehend abgelehnt4, da ansonsten die Steuerpflicht für Erbbaurechte ausgehöhlt würde. Denn das Erbbaurecht ist stets nur auf Zeit eingeräumt. Die Rückgewähr nach Zeitablauf kann daher z.B. nicht stets als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zum Wegfall der ursprünglichen Steuerpflicht für die Begründung des Erbbaurechtes führen. V. Verlängerung des Erbbaurechtes
5.273 Die freiwillige oder gem. § 27 Abs. 3 ErbbauRG veranlasste Verlängerung eines Erbbaurechtes wird grunderwerbsteuerlich wie eine Neubestellung eines solchen behandelt, unterliegt also der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist der kapitalisierte, für den Verlängerungszeitraum geschuldete Erbbauzins zzgl. etwaiger weiterer Gegenleistungen des Erbbauberechtigten5. 1 BFH v. 23.9.1969 – II 113/64, BStBl. II 1970, 130. 2 FinMin. Baden-Württemberg v. 7.3.2002, DStR 2002, 591 Tz. 5. 3 Vgl. BFH v. 13.7.1983 – II R 44/81, BStBl. II 1983, 683 = MittBayNot 1984, 53 = MittRhNotK 1983, 251; v. 20.4.2020 – II B 41/19, BFH/NV 2020, 924 = ErbbauZ 2020, 186. 4 Vgl. BFH v. 20.4.2020 – II B 41/19, BFH/NV 2020, 924 = ErbbauZ 2020, 186. 5 BFH v. 18.8.1993 – II R 10/90, BStBl. II 1993, 766 = DB 1993, 2063; v. 23.4.2020 – II B 80/19, BFH/NV 2020, 925 = ErbbauZ 2020, 185; Nds. FG v. 2.10.2019 – 7 K 75/19, ErbbauZ 2020, 79; krit. Drasdo, ZfIR 2021, 316.
752 Schallmoser
G. Grunderwerbsteuer
Rz. 5.278 Kap. 5
VI. Erfordernis der Unbedenklichkeitsbescheinigung Wird neben dem Erbbauzins beispielsweise eine Gegenleistung für ein bereits auf 5.274 dem Erbbaugrundstück vorhandenes Gebäude geleistet, so gehört auch dies zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Die Eintragung des Erbbaurechtes ins Grundbuch kann erst nach Vorliegen der Un- 5.275 bedenklichkeitsbescheinigung gem. § 22 Abs. 1 GrEStG erfolgen. VII. Erwerb des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks Der Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ist in § 2 Abs. 1 5.276 Satz 2 Nr. 3 GrEStG normiert. Der Einführung der Vorschrift war der Beschluss vom 12.4.20001 vorausgegangen, mit dem der BFH sich gegen die damalige Verwaltungsansicht gestellt und die Auffassung vertreten hatte, der vereinbarte einheitliche Kaufpreis sei aufzuspalten in den Wert des Grundstücks und in den Wert des kapitalisierten Erbbauzinses. Letzterer Kaufpreisteil sei der Kauf einer Forderung und unterliege daher nicht der Grunderwerbsteuer2. Klarstellend ist dies nun auch in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GrEStG festgehalten. VIII. Gebäudeherstellungsverpflichtung In der Gebäudeherstellungsverpflichtung des Erbbauberechtigten (Rz. 5.32) liegt re- 5.277 gelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts, weil die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugutekommen3. IX. Anzeigepflicht Beurkundungsvorgänge, die sich auf ein Erbbaurecht beziehen, sind vom Notar dem 5.278 zuständigen Finanzamt nach amtlich vorgeschrieben Vordruck anzuzeigen (§ 18 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GrEStG). Die Anzeigepflicht erfasst neben der erstmaligen Be-
1 BFH v. 12.4.2000 – II B 133/99, BStBl. II 2000, 433 = DB 2000, 1598 = ZfIR 2001, 157. 2 Siehe hierzu auch BFH v. 6.5.2015 – II R 8/14, BStBl. II 2015, 853 = DNotZ 2015, 677 Rz. 12; dabei ist beim Kauf eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks vom Gesamtkaufpreis für Grundstücke und Erbbauzinsforderung (kapitalisiert) der Wert derselben abzuziehen, BFH a.a.O. Rz. 24; dies gilt dann, wenn Gegenstand des Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung (Erbbauzinsanspruch) ist; FinMin. Baden-Württemberg v. 16.9.2015 – 3-S 450.0/93, BStBl. I 2015, 827. 3 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – II R 81/00, BStBl. II 2003, 199 = DStRE 2003, 304 = NotBZ 2003, 200 (ablehnend, also nicht steuerpflichtige Gegenleistung, soweit der Erbbauberechtigte bei Beendigung des Erbbaurechtes den vollen Verkehrswert erhält); Winkler/Schlögel, Erbbaurecht7, § 10 Rz. 62.
Schallmoser 753
Kap. 5 Rz. 5.278 Erbbaurecht
stellung eines Erbbaurechts auch spätere Änderungen und Ergänzungen, die Verlängerung, Übertragung (nicht die Belastung) und die Aufhebung des Erbbaurechts1. X. Bedarfsbewertung
5.279 Steht die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage (Rz. 5.245) fest, ist die Steuer ausgehend von diesem Wert zu berechnen. Liegt ein grunderwerbsteuerbarer Erwerb vor und ist eine Gegenleistung nicht ausbedungen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), ist der Wert des Erbbaurechts im Wege der Bedarfsbewertung zu ermitteln und gesondert festzustellen (§§ 151, 157 Abs. 3, 192 ff. BewG, s. Rz. 5.205 ff.). 5.280–5.305 Einstweilen frei.
H. Umsatzsteuer I. Steuerbefreiung
5.306 Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, sind umsatzsteuerpflichtig, aber nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Bestellung eines Erbbaurechtes ist danach eine umsatzsteuerbefreite Duldungsleistung (Nutzungsüberlassung als Dauerleistung) i.S.d. § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG (s.a. Rz. 1.1201)2. II. Option
5.307 Gemäß § 9 Abs. 2 UStG kann bei der Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten auf die Steuerfreiheit verzichtet werden, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (s. näher Rz. 1.1213 ff.). Die Option hat in dem notariellen Bestellungsvertrag zu erfolgen (s. Rz. 1.1219). Gemäß § 13b UStG ist seit dem 1.4.2004 der Leistende selbst unmittelbar der Steuerschuldner3. Durch diese Rechtsänderung unterliegen im Falle einer Option nach § 9 Abs. 2 UStG auch Erbbauzinsen aus Altverträgen vor dem 1.4.2004 dem Anwendungsbereich des § 13b Abs. 1 Nr. 3 UStG, da die Umsatzsteuer für den Erbbauzins nicht für die gesamte Laufzeit sofort nach Erbbaurechtsbestellung, sondern jeweils zeitanteilig entsteht4.
1 Wachter in Behrens/Wachter2, § 18 GrEStG Rz. 148 ff.; zu weiteren Folgen der weitreichenden Anzeigepflichten s. Wachter, NotBZ 2021, 281 sowie Spiegelberger, Beck’sches Notarhandbuch7, § 29 Rz. 6. 2 BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = NJW 1989, 320. 3 Vgl. Küffner/Zugmaier, DStR 2004, 712. Siehe auch Abschn. 182a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStR. 4 OFD Koblenz v. 9.2.2006 – S 7279 A-St 44 4, juris.
754 Schallmoser
J. Grundsteuer
Rz. 5.310 Kap. 5
III. Erbbaurecht als umsatzsteuerrechtliche Dauerleistung Aufgrund der Behandlung des Erbbaurechtes als fortgesetzte Duldungsleistung ent- 5.308 steht die Umsatzsteuer für den Erbbauzins nicht für die ganze Laufzeit sofort nach Erbbaurechtsbestellung, sondern je zeitanteilig; in gleicher Weise kann nicht sofort die gesamte Vorsteuer abgezogen werden1. Unter Anknüpfung an die vereinbarten (meist jährlichen) Vergütungszeiträume ist davon auszugehen, dass die Duldungsleistung jeweils mit Ablauf des (jährlichen) Abrechnungszeitraums als bewirkt anzusehen ist. Die auf den abschnittsweise (meist jährlich) zu zahlenden Erbbauzins entfallende Umsatzsteuer kann der Erbbauberechtigte bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG als Vorsteuer abziehen.
5.309
Einstweilen frei.
J. Grundsteuer Literatur: Löhr, Beschlussmodell der Länderfinanzminister zur Grundsteuerreform: Der große Wurf? DStR 2016, 1497; Marx, Grundsteuerreform: Fragwürdiges Bewertungsziel mit administrativ aufwendiger Lösung, DB 2016, Heft 49, M5; Stöckel, Bundesratsinitiative zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer, NWB 2016, 2870.
I. Steuerpflicht Auch das Erbbaurecht unterliegt der Grundsteuer. Dies sah schon die bisherige 5.310 Rechtslage (s. § 2 Nr. 1 GrStG a.F. i.V.m. § 68 Abs. 1 Nr. 2 BewG a.F.) so vor und folgt nach Verabschiedung des Grundsteuer-Reformgesetzes2 aus § 2 Nr. 1 GrStG n.F.3 i.V.m. § 244 Abs. 3 Nr. 1 BewG n.F.4 (s. allg. Rz. 1.1332 ff.). Die auf das Erbbaurecht entfallende Grundsteuer richtete sich bislang nach den wertmäßig völlig überholten Einheitswerten (s. Rz. 1.1330). Zur zeitlich beschränkten Fortgeltung des verfassungswidrigen5 alten Rechts und der Neuregelung durch das Grundsteuer-Reformgesetz6, das Gesetz zur Einführung einer besonderen Grundsteuer für baureife Grundstücke7 und das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz8 s. näher Rz. 1.1330 ff. 1 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – X R 4/80, BStBl. II 1988, 744 = NJW 1989, 320. 2 Ges. zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts v. 26.11.2019 (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG), BGBl. I 2019, 1794. 3 Siehe Art. 3 Nr. 2 GrStRefG, BGBl. I 2019, 1794. 4 § 244 BewG i.d.F. des GrStRefG, BGBl. I 2019, 1794. 5 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, BGBl. I 2018, 531 = BVerfGE 148, 147 = DStR 2018, 791. 6 BGBl. I 2019, 1794. Zu Verfassungsfragen s. Kirchhof, DStR 2018, 2661. 7 Ges. zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 (BGBl. I 2019, 1875). 8 Ges. zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2931.
Schallmoser 755
Kap. 5 Rz. 5.311 Erbbaurecht
II. Steuerbefreiungen
5.311 Das für steuerbegünstigte Zwecke genutzte Erbbaurecht bestimmter Rechtsträger ist nach §§ 3, 4 GrStG von der Grundsteuer befreit; die Befreiungsvorschriften werden durch die Regelungen in §§ 5 bis 8 GrStG begrenzt. (s. Rz. 1.32). III. Bedarfsbewertung
5.312 Nach der Neuregelung in § 261 BewG n.F.1 ist für das Erbbaurecht und das Erbbaurechtsgrundstück ein Gesamtwert zu ermitteln, der festzustellen wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde. Denn Erbbaurecht und Erbbaurechtsgrundstück gelten nunmehr als eine wirtschaftliche Einheit (§ 244 Abs. 3 Nr. 1 BewG n.F.). Gleiches gilt für das Wohnungs- bzw. Teilerbbaurecht, die jeweils zusammen mit dem dazu gehörenden Grundstück eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 244 Abs. 3 Nr. 4 BewG n.F.). Der nach §§ 243 bis 260 BewG n.F. ermittelte Gesamtwert ist dem Erbbauberechtigten zuzurechnen (s. Rz. 5.110 f.). Nach der Neukonzeption erfolgt die Zuordnung schon auf der Bewertungsebene, so dass eine gesonderte Regelung innerhalb des GrStG entbehrlich war; gesonderte Bewertungsvorschriften für das Erbbaurecht und den mit dem Erbbaurecht belasteten Grund und Boden gibt es nicht mehr. Das bedeutet aber, dass der Erbbauberechtigte die Belastung allein und unabhängig davon zu tragen hat, in welchem Maße er die Bodenrente über den Erbbauzins an den Grundstückseigentümer abzuführen hat. Dies könnte im schlechtesten Fall zu einer Besteuerung von Grund und Boden führen, auch wenn dieser für den Berechtigten ohne bzw. nur von geringem ökonomischem Wert ist. Gleichzeitig wird in Ballungsräumen, in denen der Bodenanteil am Wert einer Immobilie höher sein kann, finanziell weniger leistungsfähigen Personen der kapitallose Zugang zu Grund und Boden unnötig erschwert2.
5.313–5.315 Einstweilen frei.
K. Checkliste Erbbaurecht 5.316 Checkliste Erbbaurecht Zivilrecht: e Doppelnatur als Nutzungsrecht und grundstücksgleiches Recht e absolut erste Rangstelle erforderlich e zwangsversteigerungsfester Erbbauzins für Bestellungen ab 1.10.1994 e Wertsicherungsklausel bei Wohnraum gem. § 9a ErbbauRG eingeschränkt
1 § 261 BewG i.d.F. des GrStRefG, BGBl. I 2019, 1794. 2 Kritisch hierzu Löhr, DStR 2016, 1497 (1501).
756 Schallmoser und Rapp
L. Veräußerung eines Erbbaurechts
Rz. 5.332 Kap. 5
Einkommensteuer: e Erbbaurechtsbestellung bei unbebauten Grundstücken kein Veräußerungsgeschäft,
anders bei bebauten Grundstücken im Betriebsvermögen e Erbbauzins = Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Privatvermögen e Übernahme der Erschließungskosten durch den Erbbauberechtigten oder redu-
zierte Heimfallentschädigung ergeben Einkünfte beim Grundstückseigentümer e Gebäude-AfA nach Laufzeit des Erbbaurechts, je nach Abfindungsregelung
Schenkungsteuer: e seit 1.1.2007 neu geregelt in § 148 BewG; ab 1.1.2009 (Erbschaftsteuerreform 2008)
nach § 183 BewG gemeiner Wert maßgebend e unentgeltliche oder teilentgeltliche Einräumung führt zu schenkungsteuerlicher
Bereicherung Grunderwerbsteuer: e Bestellung, Übertragung, Verlängerung und Aufhebung sowie Heimfall sind
grunderwerbsteuerpflichtig e Berechnung aus dem kapitalisierten Wert der Jahreserbbauzinsverpflichtung gem.
§ 13 BewG (ohne § 16 BewG) und sonstige Gegenleistungen des Erbbauberechtigten e Erbbauzins ist nicht Bestandteil des Grundstücks bei Erwerb des erbbaurechts-
belasteten Grundstücks Einstweilen frei.
5.317–5.330
L. Veräußerung eines Erbbaurechts Der Verkauf eines Erbbaurechtes bedarf der notariellen Beurkundung, § 11 Erb- 5.331 bauRG i.V.m. § 311b BGB1. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG darf die dingliche Einigung über die Übertragung des Erbbaurechtes weder bedingt noch befristet sein. Beim Verkauf eines Erbbaurechtes sind gegenüber dem Verkauf eines regulären Grundstücks folgende Besonderheiten zu beachten. I. Grundbuchstand In den Grundbuchstand sollten zusätzlich zu dem Grundbuchstand des Erbbau- 5.332 grundbuchs auch die wesentlichen Daten des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks aufgeführt werden. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich regelmäßig der Eigentümer des Grundstücks, die rangrichtige Eintragung des Erbbaurechtes und ein ggf. zugunsten des Erbbauberechtigten bestehendes Vorkaufsrecht. Dies kann 1 Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, Rz. 168.
Rapp 757
Kap. 5 Rz. 5.332 Erbbaurecht
für den Käufer des Erbbaurechtes eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung haben. II. Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Veräußerung und Belastung
5.333 In den meisten Erbbaurechtsverträgen wird gem. § 5 ErbbauRG als Inhalt des Erbbaurechtes vereinbart, dass der Erbbauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechtes sowie zur Belastung des Erbbaurechtes mit einer Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder einer Reallast der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf (s. dazu Rz. 5.53). Diese Regelung wird in der Regel auch auf die Bestellung eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts ausgedehnt1. Dies ergibt eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbbauRG auf Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechte, da diese bei einem Heimfall des Erbbaurechtes gem. § 42 Abs. 2 WEG bestehen bleiben2. Ist eine solche Vereinbarung getroffen, so ist der Vertrag bis zur Genehmigung durch den Grundstückseigentümer schwebend unwirksam3. Soweit der Käufer den Erwerb des Erbbaurechtes mit einem Kredit finanzieren und mit einem Grundpfandrecht absichern muss, so ist auch der Käufer auf die Zustimmung und Mitwirkung des Grundstückseigentümers angewiesen. Denn auch die Grundschuld kann erst nach Zustimmung durch den Grundstückseigentümer des mit dem Erbrecht belasteten Grundstücks im Grundbuch eingetragen werden4. Ggf. sollten beide Zustimmungen miteinander verknüpft werden. Der Käufer ist davor zu schützen, dass der Grundstückseigentümer dem Verkauf zustimmt, nicht aber der Belastung. Denn dann ist der Käufer zur Zahlung verpflichtet, kann dies mangels gesicherter Kaufpreisfinanzierung aber nicht. Gestaltungshinweis: Der Kaufpreis wird erst fällig, wenn auch die Belastungszustimmung des Eigentümers formgerecht vorliegt.
5.334 In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Eintragung der Auflassungsvormerkung bereits vor Zustimmung durch den Grundstückseigentümer beim Grundbuchamt eingereicht werden sollte. Rechtlich ist dies nach h.M. möglich. Die Vormerkung kann trotz der schwebenden Unwirksamkeit also bereits im Grundbuch eingetragen werden5. Im Hinblick auf die Schwierigkeit der Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Nichtmitwirkung des Käufers empfiehlt es sich jedoch, dies nur dann zu
1 Grziwotz in Erman20, § 5 ErbbauRG Rz. 2; Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, § 4 Rz. 92. 2 Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 4, dort auch zu gegenteiliger Auffassung. 3 Grüneberg/Wicke81, § 6 ErbbauRG Rz. 1; KG v. 27.11.2001 – 4 U 9438/00, NZM 2002, 967. 4 Siehe BGH v. 2.6.2005 – III ZR 306/04, NJW 2005, 3495 = ZfIR 2005, 728 = DNotZ 2005, 847 m. Anm. Kesseler = DNotZ 2005, 847. 5 Grziwotz in Erman20, § 6 ErbbauRG Rz. 2 m.w.N.; Grüneberg/Wicke81, § 6 ErbbauRG; Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 16; Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, § 4 Rz. 169.
758 Rapp
L. Veräußerung eines Erbbaurechts
Rz. 5.337 Kap. 5
tun, wenn gleichzeitig eine Löschungsvollmacht1 oder sonstige Löschungserleichterung vereinbart wird. Da diese im Vollzug mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, besteht die einfachere Lösung darin, den Notar anzuweisen, die Auflassungsvormerkung erst nach Zustimmung des Grundstückseigentümers dem Grundbuchamt vorzulegen. Ggf. sollte der Notar darauf hinweisen, dass in der Zwischenzeit der Erwerbsanspruch des Käufers noch nicht vor Gläubigerzugriffen oder einem Verkauf an Dritte gesichert ist. Für den Fall der Nichtgenehmigung der Veräußerung durch den Grundstücks- 5.335 eigentümer sind Rücktrittsrechte und der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen nicht zwingend erforderlich, aber zur Klarstellung möglich. Denn aufgrund der schwebenden Unwirksamkeit folgen aus dem Kaufvertrag noch keine Schadensersatzpflichten, wenn der Verkäufer dem Käufer nicht die Inhaberschaft an dem Erbbaurecht verschaffen kann2. III. Fälligkeitsregelungen Die Fälligkeitsregelungen beim Verkauf eines Erbbaurechtes weichen üblicherweise 5.336 von den Fälligkeitsregelungen anderer Grundstückskaufverträge ab. Dies beruht einerseits darauf, dass ein gemeindliches Vorkaufsrecht gem. § 24 Abs. 2 BauGB nicht besteht. Stattdessen ist jedoch die Wirksamkeit des Verkaufsvertrages davon abhängig, dass der Grundstückseigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks dem Kaufvertrag zustimmt. Daher sollte die Fälligkeit grundsätzlich von dem Vorliegen der entsprechenden Zustimmungserklärung in grundbuchmäßiger Form abhängig sein3. Ferner hat regelmäßig der Grundstückseigentümer ein Vorkaufsrecht für den Fall des Verkaufs des Erbbaurechts. Aus diesem Grund sollte auch insoweit die Nichtausübungserklärung hinsichtlich des Vorkaufsrechts oder der Fristablauf als Fälligkeitsvoraussetzung vorgesehen werden. Da der Notar nicht überprüfen kann, ob das Vorkaufsrecht gegenüber dem Verkäufer ausgeübt wurde, ist zusätzlich eine entsprechende schriftliche Bestätigung des Verkäufers vorzusehen, falls der vorkaufsberechtigte Grundstückseigentümer nicht schriftlich auf die Ausübung des Vorkaufsrechtsfalles verzichtet. Insoweit ist grundbuchmäßige Form nicht erforderlich. Schließlich würde der Vollzug des Verkaufs des Erbbaurechtes scheitern, wenn der 5.337 Grundstückseigentümer zwar der Veräußerung des Erbbaurechtes zustimmt, nicht aber der Bestellung des Kaufpreisfinanzierungsgrundpfandrechtes4. Der Käufer wäre zwar Inhaber eines wirksamen Anspruchs auf Übereignung des Erbbaurechts, könnte seinen Zahlungsverpflichtungen jedoch nicht nachkommen. Um diese Situation zu verhindern, empfiehlt es sich, die Fälligkeit auch an die Zustimmung der
1 2 3 4
Sog. Schubladenlöschung; vgl. Beck’sches Notarhandbuch/Everts7, A I Rz. 424 ff. Grziwotz in Erman16, § 6 ErbbauRG Rz. 2. Vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1557 ff. Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, § 4 Rz. 169: Doppelte Belehrungspflicht des Notars.
Rapp 759
Kap. 5 Rz. 5.337 Erbbaurecht
Belastung des Grundstücks zu knüpfen1. Diese Belastung sollte so konkret wie möglich bezeichnet werden. Gegen diese Gestaltung spricht jedoch, dass damit der Käufer den Vollzug des Kaufvertrages faktisch in der Hand hat. Stellt er dem Grundstückseigentümer gegenüber seine Finanzierungssituation als besonders unsicher dar, wird dieser ggf. nicht zustimmen und so den Kauf vereiteln. IV. Rechtskauf – Sachkauf
5.338 Der Kauf eines Erbbaurechtes ist Rechtskauf 2, richtet sich also nach § 453 BGB, der allerdings inzwischen auf das Sachmängelrecht des Sachkaufs verweist. Grds. richten sich die Rechtsfolgen von Rechts- oder Sachmängeln nach § 437 BGB, die Verjährung nach § 438 BGB3. Beim Erbbaurecht ist der Verkäufer gem. § 453 Abs. 3 BGB nicht nur verpflichtet, dem Käufer ein unbelastetes Erbbaurecht zu verschaffen; die mit dem Erbbaurecht belastete Sache, also das Gebäude selbst, hat vielmehr ebenfalls rechts- und sachmängelfrei zu sein4. 5.339 Gemäß § 453 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer eines Rechtes die Kosten der Begründung und Übertragung des Rechts zu tragen. Diese Vorschrift ist üblicherweise durch Vereinbarung der Kostentragungspflicht des Käufers abzuändern. V. Eintritt in den Erbbaurechtsvertrag
5.340 Der Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechtes besteht in der Regel einerseits aus den Regelungen des dinglichen Inhalts des Erbbaurechts, insbesondere gem. §§ 1–8 ErbbauRG. Daneben bestehen aber zahlreiche schuldrechtliche weitere Vereinbarungen5, die bei einer Veräußerung des Erbbaurechtes nicht auf den neuen Erbbaurechtsinhaber übergehen würden. Um dies zu vermeiden, ist es üblicherweise Inhalt des Erbbaurechtsbestellungsvertrages (des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes), dass der Verkäufer eines Erbbaurechtes verpflichtet ist, seinen Käufer zum Eintritt in alle Rechte und Verpflichtungen aus dem schuldrechtlichen Erbbaurechtsvertrag mit Weitergabeverpflichtung zu verpflichten6. Dementsprechend sollte üblicherweise der Inhalt des Erbbaurechtsvertrages bei Beurkundung des Kaufvertrages vorliegen. Die Beteiligten sollten von dem Erbbaurechtsver-
1 BGH v. 2.6.2005 – III ZR 306/04, NJW 2005, 3495 = ZfIR 2005, 728 = DNotZ 2005, 847; vgl. Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 31; s. oben Rz. 5.333. 2 Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis9, Rz. 1553; Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, § 4 Rz. 159. 3 Unklar ist der genaue Beginn der Verjährungsfrist bei Rechten, die nicht übergeben werden, vgl. dazu Brink, WM 2003, 1361; Eidenmüller, NJW 2002, 1625; Westermann, NJW 2002, 247; Grunewald in Erman20, § 453 BGB Rz. 12. 4 Grunewald in Erman20, § 453 BGB Rz. 15. 5 Vgl. beispielsweise Trojan/Frenz in Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis10, Teil 10 Rz. 118 ff.; Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg, § 4 Rz. 105 ff. 6 Beck’sches Notarhandbuch/Graf Wolffskeel von Reichenberg7, Rz. 105 ff., 168.
760 Rapp
L. Veräußerung eines Erbbaurechts
Rz. 5.361 Kap. 5
trag vor der Beurkundung Kenntnis genommen haben und mit dessen Inhalt einverstanden sein. Besonders wichtig ist es insoweit, dass der Erbbaurechtskäufer sich über die verbleibende Dauer des Erbbaurechts, die Heimfallregelungen und die Abfindungsregelungen informiert. Tritt der Käufer des Erbbaurechtes nicht in die schuldrechtlichen Vereinbarungen des Erbbaurechtsvertrages ein, so berechtigt dies den Grundstückseigentümer, die Zustimmung zur Veräußerung zu versagen1. Der Erbbauberechtigte haftet mit Erwerb des Erbbaurechtes auch für die am Erb- 5.341 baurecht eingetragene Reallast. Gemäß § 1108 BGB haftet der Erwerber dabei nicht nur mit dem erworbenen dinglichen Erbbaurecht, sondern mit seinem gesamten Vermögen hinsichtlich derjenigen Erbbauzinsen, die nach seinem Eigentumserwerb fällig werden2; für rückständige Erbbauzinsen haftet der Erwerber dinglich3. Je nach Einzelfall kann es sich anbieten, dass der Käufer sich im Hinblick auf die Erb- 5.342 bauzinsreallast hinsichtlich des Erbbaurechtes und seines gesamten Vermögens der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Grundstückseigentümer unterwirft. Teilweise wird dies im Erbbaurechtsvertrag als Verpflichtung vorgesehen. Im vorgeschlagenen Muster M66, Rz. 5.362, wird beides als Alternative angeboten. Ist keine persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Käufers aufgenommen, so bedarf es der Klauselumschreibung nach § 727 ZPO durch den Grundstückseigentümer oder der Erhebung einer Leistungsklage. Dies spricht aus Sicht des Grundstückseigentümers dafür, die Zustimmung zum Verkauf nur abzugeben, wenn der Käufer sich hinsichtlich der Erbbauzinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Einstweilen frei.
5.343–5.360
VI. Vertragsmuster
5.361
M65 Erbbaurecht Beurkundet am …
I. Grundbuchstand Laut Vortrag im Grundbuch des AG … für … Blatt … ist Herr … Alleineigentümer des lastenfrei vorgetragenen Grundstückes der Gemarkung … Flurstück Nr. …
1 BGH v. 13.7.2017 – V ZB 186/15, BGHZ 215, 250 Rz. 17 ff.; OLG Hamm v. 3.11.2005 – 15 W 337/05, DNotZ 2006, 206; OLG Celle v. 15.10.1982 – 4 U 145/82, DNotZ 1984, 387; Grziwotz in Erman20, § 6 ErbbauRG Rz. 2; Staudinger/Rapp, §§ 5–7 ErbbauRG Rz. 26b. 2 BGH v. 1.6.1990 – V ZR 84/89, MDR 1991, 138 = NJW 1990, 2380 = DNotZ 1991, 803. 3 Grüneberg/Herrler81, § 1108 BGB Rz. 1; BGH v. 1.6.1990 – V ZR 84/89, NJW 1990, 2380.
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Kap. 5 Rz. 5.361 Erbbaurecht
II. Erbbaurechtsvertrag I. Bestellung (1) Herr … – nachstehend als „Grundstückseigentümer“ bezeichnet –, bestellt hiermit zugunsten von Frau … – nachfolgend als „Erbbauberechtigter“ bezeichnet – an dem in Abschnitt I dieser Urkunde näher bezeichneten Grundstück Flurstück Nr. … ein Erbbaurecht für die Errichtung eines Einfamilienhauses. Dies ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Erdoberfläche von Grundstücken ein oder mehrere Bauwerke nach Maßgabe der näheren Bestimmungen des Vertrages zu haben. (2) Das Erbbaurecht erstreckt sich auch auf den für das Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Erbbaurechtsgrundstückes. II. Vertragsdauer Das Erbbaurecht wird auf die Dauer von 60 Jahren (in Worten: sechzig) eingeräumt, gerechnet ab Eintragung im Grundbuch. III. Bau- und Unterhaltungsverpflichtung (1) Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, das Bauwerk ohne schuldhaftes Zögern ab Erteilung der Baugenehmigung zu errichten. (2) Das Bauwerk ist unter Verwendung guter, ökologischer und dauerhafter Baustoffe und unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und der Bauvorschriften zu erstellen. (3) Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, das von ihm zu errichtende Bauwerk einschließlich der Außenanlagen in einem guten Zustand zu halten und die erforderlichen Reparaturen und Erneuerungen unverzüglich auf eigene Kosten vorzunehmen. Kommt der Erbbauberechtigte diesen Verpflichtungen trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht oder nur ungenügend nach, so ist der Grundstückseigentümer berechtigt, die Arbeiten auf Kosten des Erbbauberechtigten vornehmen zu lassen.
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Rz. 5.361 Kap. 5
IV. Besichtigungsrecht1 Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, das Erbbaugrundstück und das Bauwerk nach vorheriger Absprache zu jeder angemessenen Tageszeit durch Sachverständige, Beauftragte oder Bevollmächtigte besichtigen und auf ihren baulichen Zustand und ihre vertragsgemäße Verwendung prüfen zu lassen. V. Versicherung Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, auf eigene Kosten das zu errichtenden Bauwerk zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum gleitenden Neuwert gegen Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden sowie gegen Elementarschäden zu versichern und zum selben Zeitpunkt eine Eigentümer-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Nachweise hierüber sind dem Grundstückseigentümer jeweils auf Verlangen vorzulegen. Kommt der Erbbauberechtigte den vorstehenden Verpflichtungen nicht nach, so kann der Grundstückseigentümer auf Kosten des Erbbauberechtigten für diese Versicherungen sorgen. VI. Eintritt des Versicherungsfalles (1) Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalles das Bauwerk unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Jahren wertgleich wieder aufzubauen. Dabei sind die Versicherungs- sowie sonstigen Entschädigungsleistungen zur Wiederherstellung zu verwenden. (2) Kommt der Erbbauberechtigte seiner Verpflichtung zum Wiederaufbau trotz schriftlicher Mahnung nicht oder nur ungenügend nach, ist der Grundstückseigentümer berechtigt, die Arbeiten auf Kosten des Erbbauberechtigten vornehmen zu lassen. VII. Lastentragung Der Erbbauberechtigte hat die auf das Grundstück und das Erbbaurecht entfallenden öffentlichen und privatrechtlichen Abgaben und Lasten einschließlich der Erschließungsbeiträge sowie alle sonstigen, mit der Erschließung des Erbbaugrundstückes verbundenen Kosten nach dem Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz, welche ab heute in Rechnung gestellt werden, zu tragen. VIII. Heimfall Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, vom Erbbauberechtigten die Übertragung des Erbbaurechtes oder eines Bruchteils auf sich oder einen von ihm zu benennenden Dritten vor Ablauf der in Abschnitt II vereinbarten Dauer des Erbbaurechtes auf Kosten des Erbbauberechtigten zu verlangen – bei Verstoß gegen die in den Abschnitten III, V und VI dieses Vertrages vereinbarten Verpflichtungen, sofern auch einer Abmahnung keine Folge geleistet wird,
1 Es ist umstritten, ob auch dieses Besichtigungsrecht dinglicher Inhalt des Erbbaurechtes sein kann.
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Kap. 5 Rz. 5.361 Erbbaurecht – bei Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten mit dem Erbbauzins i.H.v. mindestens zwei Jahresbeträgen, – wenn der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht veräußert, ohne dass der Erwerber auch in die schuldrechtlichen Vereinbarungen dieses Vertrages eintritt und sich hinsichtlich des wertgesicherten Erbbauzinses der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft, – bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erbbauberechtigten oder, falls die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird, – bei Anordnung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung des Erbbaurechts, IX. Entschädigung und Räumungsverpflichtung bei Heimfall und Zeitablauf (1) Macht der Eigentümer von seinem Heimfallrecht gem. Abschnitt VIII dieses Vertrages Gebrauch, so hat er dem Erbbauberechtigten eine Vergütung von 2/3 – in Worten: zwei Drittel – des durch Schätzung zu ermittelnden Verkehrswertes des Bauwerkes zu gewähren. (2) Der Grundstückseigentümer kann die Verpflichtung zur Entschädigung bei Zeitablauf des Erbbaurechtes dadurch abwenden, dass er dem Erbbauberechtigten das Erbbaurecht, im Falle der Beendigung durch Zeitablauf fünf Jahre vor dem Ablauf des Erbbaurechtsvertrages, für die Dauer von 25 – fünfundzwanzig – Jahren verlängert. Lehnt der Erbbauberechtigte eine Verlängerung ab, so erlischt sein Anspruch auf Entschädigung. Er ist in diesem Fall verpflichtet, auf Verlangen des Grundstückseigentümers das Bauwerk geräumt ohne Entschädigung zu übergeben. (3) Können sich die Beteiligten über den Verkehrswert gem. Abs. 1 nicht einigen, erfolgt die Festsetzung durch einen öffentlich bestellten und gerichtlich vereidigten Sachverständigen für das Grundstückswesen, der auf Antrag eines Vertragsteils von der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer benannt wird und dessen Schätzung als Schiedsgutachter gem. § 317 BGB für die Beteiligten verbindlich ist.
III. Erbbauzins (1) Der Erbbauzins beträgt für die Fläche von insgesamt 1000 qm jährlich … Euro. (2) Der Erbbauzins wird ab Besitzübergang gem. Abschnitt V dieses Vertrages geschuldet. Der Erbbauzins ist in gleichen monatlichen Teilbeträgen zu bezahlen und zum Ersten eines jeden Kalendermonates im Voraus zahlungsfällig, erstmals zu dem auf die Eintragung des Erbbaurechtes im Grundbuch folgenden Monatsersten. (3) Der Erbbauzins ist auf der Grundlage der Lebenshaltungskosten vereinbart und soll wertgesichert sein. Bei der Bemessung des Erbbauzinses wurden die Wertverhältnisse für Januar des laufenden Jahres zugrunde gelegt. Ändert sich künftig der vom Statistischen 764 Rapp
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Bundesamt in Wiesbaden ermittelte Verbraucherpreisindex für Deutschland – VPI – (Basis 2015 = 100) gegenüber dem Stand für Januar des laufenden Jahres, so erhöht oder vermindert sich der Erbbauzins jeweils im selben prozentualen Verhältnis, sobald eine Indexänderung um 10 % eingetreten ist, ohne dass es einer Aufforderung durch eine Vertragspartei bedarf. (4) Im Hinblick auf die Wohnraumnutzung durch den Erbbauberechtigten kann gem. § 9a ErbbauRG eine Änderung des Erbbauzinses frühestens nach Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab heute, und auch dann wiederum frühestens jeweils nach Ablauf weiterer drei Jahre nach der jeweils letzten Änderung verlangt werden. Ein Erhöhungsanspruch besteht nur, wenn die Erhöhung unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht unbillig ist. (5) Sollte jemals gerichtlich die Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel festgestellt werden, so gilt dies erst ab der gerichtlichen Entscheidung und nicht rückwirkend. In diesem Fall sind die Beteiligten zu regelmäßig wiederkehrenden Verhandlungen spätestens alle fünf Jahre über eine Anpassung nach § 242 BGB entsprechend der eingetretenen Geldwertentwicklung verpflichtet. Sollten die Beteiligten sich nicht einigen können, so entscheidet darüber als Schiedsgutachter der örtlich zuständige Präsident der IHK. Alle noch ausstehenden Genehmigungen sollen mit dem Eingang beim Notar den Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein. (6) Der Erbbauzins samt Wertsicherungsklausel ist im Grundbuch als Reallast einzutragen. Als dinglicher Inhalt des Erbbauzinses wird vereinbart, dass – die Reallast abweichend von § 52 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung mit ihrem Hauptanspruch bestehen bleibt, wenn der Grundstückseigentümer aus der Reallast oder der Inhaber eines im Rang vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechts oder der Inhaber der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des ZVG genannten Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des Wohnungserbbaurechts die Zwangsversteigerung des Erbbaurechtes betreibt und – der jeweilige Erbbauberechtigte dem jeweiligen Inhaber der Reallast gegenüber berechtigt ist, das Erbbaurecht zum Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch mit einem der Reallast im Rang vorgehenden Grundpfandrecht i.H.v. … Mio. Euro nebst Zinsen bis zu 16 % – sechzehn Prozent – jährlich sowie einer einmaligen Nebenleistung bis zu 5 % des Grundschuldbetrages ab Eintragung des vorbehaltenen Rechts im Erbbaugrundbuch zu belasten. Auch bei Ausnutzung des Rangvorbehaltes bedarf die Bestellung des Grundpfandrechtes der Zustimmung durch den Grundstückseigentümer.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Erbbauberechtigte unterwirft sich wegen aller in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zur Leistung bestimmter Geldbeträge und auch wegen der Wertsicherungsklausel, insbesondere wegen aller in Abschnitt III eingegangenen VerpflichRapp 765
Kap. 5 Rz. 5.361 Erbbaurecht tungen, der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen mit der Maßgabe, dass es zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Nachweises der Fälligkeit nicht bedarf. Eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden. Im Falle der Erhöhung des Erbbauzinses durch Neufestsetzung gem. Abschnitt III dieser Urkunde ist der Erbbauberechtigte verpflichtet, sich auf Verlangen des Grundstückseigentümers auch wegen des Erhöhungsbetrages in einer notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Die Kosten hierfür gehen zu Lasten des Erbbauberechtigten.
V. Besitzübergang (1) Besitz, Nutzungen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs gehen mit dem auf die Beurkundung folgenden Monatsersten auf den Erbbauberechtigten über. (2) Der Erbbauberechtigte haftet vom Zeitpunkt der Übergabe ab für den verkehrssicheren Zustand des Erbbaugrundstücks. Er hat den Grundstückseigentümer von etwaigen Schadensersatzansprüchen freizustellen, die wegen Verletzung der genannten Pflichten gegenüber dem Grundstückseigentümer geltend gemacht werden.
VI. Belastung und Veräußerung (1) Die Veräußerung des Erbbaurechtes bedarf der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Das Gleiche gilt für eine Belastung des Erbbaurechtes mit einem Grundpfandrecht, einer Reallast sowie einem Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht. Dies ist dinglicher Inhalt des Erbbaurechts. (2) Der Grundstückseigentümer stimmt bereits jetzt Belastungen des Erbbaurechtes durch den jetzigen Erbbauberechtigten (nicht aber seinen Rechtsnachfolgern) mit Hypotheken und Grundschulden im Gesamtbetrag von … Mio. Euro zugunsten von Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Versicherungsgesellschaften, Banken oder Sparkassen zu. (3) Die Zustimmung zu weiteren Belastungen über die nach Abs. 2 hinaus muss nur für Belastungen erteilt werden, die den Rechten des Grundstückseigentümers (Erbbauzins und Vorkaufsrecht) im Rang nachgehen und die spätestens drei Jahre vor Ablauf des Erbbaurechtes amortisiert und gelöscht werden, und wenn der Erbbauberechtigte seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Löschung der Grundschulden gleichzeitig an den Grundstückseigentümer abtritt und eine entsprechende Vormerkung gem. § 883 BGB bei Eintragung der Grundschuld an dieser eingetragen wird.
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VII. Gegenseitiges Vorkaufsrecht (1) Der Eigentümer des Grundstückes Flurstück Nr. … Gemarkung … räumt hiermit dem jeweiligen Erbbauberechtigten an diesem Erbbaugrundstück ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle während der Dauer des Erbbaurechtes ein. (2) Der Erbbauberechtigte räumt dem Eigentümer des Erbbaugrundstückes am Erbbaurecht ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle mit dem Rang nach dem Erbbauzins (Reallast) ein. (3) Im Übrigen gelten für das Vorkaufsrecht die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 463 ff. und 1094 ff. BGB.
VIII. Grundbuchanträge (1) Die Beteiligten sind über die Bestellung der nachfolgenden Rechte einig und bewilligen und beantragen im Grundbuch einzutragen: a) am Erbbaugrundstück – in Abteilung II an erster Rangstelle das Erbbaurecht gem. Abschnitt II und Abschnitt VI Abs. 1 dieses Vertrages, – das Vorkaufsrecht im Rang nach dem Erbbaurecht, b) am Erbbaugrundbuchblatt – das Erbbaurecht, – die Reallast für den wertgesicherten Erbbauzins zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers samt dem Rangvorbehalt, – das Vorkaufsrecht im Rang nach dem Erbbauzins samt dem Rangvorbehalt. (2) Die Eintragung einer Vormerkung auf Einräumung eines Erbbaurechtes wird nicht gewünscht.
IX. Haftungsausschluss Der Grundstückseigentümer übernimmt keinerlei Gewährleistung und Haftung dafür, dass die erforderliche Rangstelle erreicht und das Erbbaugrundstück in der vom Erbbauberechtigten beabsichtigten Weise bebaut werden kann oder dass das Bauvorhaben in der vom Erbbauberechtigten beabsichtigten Weise geplant und durchgeführt
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Kap. 5 Rz. 5.361 Erbbaurecht werden kann, ferner auch nicht dafür, dass die Voraussetzungen zur Entstehung eines Gesamterbbaurechts hinsichtlich anderer Vertragsbeteiligter erfüllt werden.
X. Schuldrechtliche Nutzungsentschädigung Sofern der Erbbaurechtsvertrag bis zum Besitzübergang nicht im Grundbuch eingetragen wurde, ist bis zur Eintragung des Erbbaurechtes im Grundbuch vom Erbbauberechtigten ein Nutzungsentgelt in Höhe des vereinbarten Erbbauzinses zu zahlen, beginnend ab Besitzübergang.
XI. Weitergabeverpflichtung Der Erbbauberechtigte ist im Fall der Veräußerung des Erbbaurechtes verpflichtet, die schuldrechtlichen Vereinbarungen des Erbbaurechtsvertrages und die Zwangsvollstreckungsunterwerfung dem Erwerber mit derselben Weiterübertragungsverpflichtung aufzuerlegen. Bis dahin kann der Grundstückseigentümer die Zustimmung zur Veräußerung und Übertragung versagen.
XII. Belehrungen Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere auf Folgendes hingewiesen: – das Erbbaurecht entsteht erst durch eine Eintragung im Grundbuch an erster Rangstelle; – zur Eintragung im Grundbuch sind insbesondere notwendig a) die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes wegen der Grunderwerbssteuer, b) die Zahlung aller Kosten, …; – alle Beteiligten haften gesamtschuldnerisch für Kosten und Grunderwerbssteuer; – auf die Haftung des Grundstückes für Rückstände an öffentlichen Lasten und Abgaben und für Erschließungsbeiträge; – dass alle Abreden richtig und vollständig beurkundet sein müssen, insbesondere eine etwaige Abhängigkeit des Vertrages von irgendwelchen Bedingungen oder anderen Geschäften.
XIII. Beauftragung des Notars Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen den Notar zur Erwirkung und Entgegennahme aller erforderlichen Genehmigungen und Zeugnisse, sowie zur Abgabe von Erklärungen, Stellung, auch getrennten Stellung, Änderung und Zurücknahme jeglicher Anträge, welche zum Vollzug notwendig oder zweckdienlich sind. Die Empfangsvollmacht für die behördlichen Genehmigungen gilt nicht für solche unter Bedingungen oder Auflagen und für Versagungen. Genehmigungen sollen mit ihrem Eingang beim Notar allen Beteiligten als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein.
XIV. Salvatorische Klausel Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nicht wirksam sein, so wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen vertraglichen Vereinbarungen nicht berührt. Die Vertragsparteien 768 Rapp
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verpflichten sich in diesem Falle zum Abschluss einer neuen Vereinbarung, die dem mit der unwirksamen Bestimmung gewollten Zweck entspricht oder möglichst nahe kommt bzw. ergänzt.
XV. Kosten Der Erbbauberechtigte hat die Kosten dieses Vertrages einschließlich seiner Durchführung und Änderung sowie die Grunderwerbsteuer zu tragen, ebenso die Kosten der Grundbucheintragung, die Kosten des Heimfalls, der Löschung des Erbbaurechtes und der Schließung des Erbbaugrundbuches.
XVI. Ausfertigungen und Abschriften Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: jeder Vertragsteil beglaubigte Abschriften: das Grundbuchamt … der Erbbauberechtigte einfache Abschriften: das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – der Gutachterausschuss
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M66 Verkauf eines Erbbaurechts URNr. … Kaufvertrag über ein Erbbaurecht Heute, den … erschienen vor mir, Notar … in … 1. Herr … 2. Herr … Nach Einsicht des Grundbuches beurkunde ich auf Ersuchen der Erschienenen, die nach Angabe beide als Unternehmer handeln, ihren bei gleichzeitiger Anwesenheit vor mir abgegebenen Erklärungen gemäß was folgt:
I. Grundbuchstand Erbbaurecht Laut Vortrag im Erbbaugrundbuch des AG … für … ist … Alleineigentümer des nachstehend bezeichneten Erbbaurechtes an dem Grundstück der Rapp 769
Kap. 5 Rz. 5.362 Erbbaurecht Gemarkung … Flurstück Nr. … Das Erbbaurecht wurde begründet mit Bewilligung vom … auf die Dauer von … Jahren ab … Es bestehen folgende Belastungen: Abteilung II: – Erbbauzinsreallast, wertgesichert – Vorkaufsrecht zugunsten des Eigentümers des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks Abteilung III: … Zur Veräußerung und Belastung des Erbbaurechtes mit Grundpfandrechten, Reallasten und Dauerwohn- und Nutzungsrechten ist nach Grundbucheintrag die Zustimmung des Eigentümers des Erbbaugrundstücks erforderlich. Erbbaurechtsgrundstück Das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück beschreibt sich wie folgt. Laut Vortrag im Grundbuch des AG … für ist … Alleineigentümer des nachstehend bezeichneten Grundstückes der Gemarkung … Flurstück Nr. … Es bestehen folgende Belastungen: Abteilung II: – Das bezeichnete Erbbaurecht – Vorkaufsrecht für den jeweiligen Erbbauberechtigten Abteilung III: – Unbelastet
II. Verkauf Herr … – nachstehend als „Verkäufer“ bezeichnet – verkauft hiermit an Herrn … – nachstehend als „Käufer“ bezeichnet – – zu Alleineigentum –
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das in Abschnitt I dieser Urkunde näher bezeichnete Erbbaurecht sowie die darauf errichteten Gebäude mit allen Rechten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör – nachfolgend als Kaufgegenstand bezeichnet –.
lll. Kaufpreis Der Kaufpreis für das vorbezeichnete Erbbaurecht beträgt fest … Euro (in Worten: … Euro). Der Kaufpreis ist 14 Tage nach Absendung einer Notarbestätigung (maßgebend ist das Datum dieses Schreibens, unabhängig vom Zugang des Schreibens) zur Zahlung fällig, wonach – die Auflassungsvormerkung für den Käufer rangrichtig im Grundbuch eingetragen wurde, – die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen, die im Rang vor der zur Eintragung gelangenden Auflassungsvormerkung des Käufers stehen, gesichert ist, also diesbezüglich dem Notar eine Löschungsbewilligung entweder zum bedingungslosen Gebrauch vorliegt oder gebunden lediglich an Zahlungsauflagen, die vollständig aus dem Kaufpreis abgedeckt werden können, und – der Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks der heutigen Veräußerung und der Bestellung des Käuferfinanzierungsgrundpfandrechts i.H.v. … Euro nebst … % Jahreszinsen zugunsten der … Bank in grundbuchmäßiger Form zugestimmt hat und – der Grundstückseigentümer die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für diesen Fall oder allgemein schriftlich dem Notar bestätigt hat oder die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts abgelaufen ist und der Verkäufer dem Notar schriftlich bestätigt hat, dass ihm gegenüber das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wurde (hierzu ist der Verkäufer von sich aus verpflichtet). Der Notar wird zur Erteilung einer Fälligkeitsbestätigung beauftragt. Soweit seitens der Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Lastenfreistellung Zahlungsauflagen gemacht werden, ist der Käufer verpflichtet, in Anrechnung auf den Kaufpreis ausschließlich Zahlungen unmittelbar an die bezeichneten Grundpfandrechtsgläubiger des Verkäufers zu leisten (unechter Vertrag zugunsten Dritter). Sofern im Zuge der Lastenfreistellung nicht anderweitige Zahlungsauflagen der Gläubiger ergehen, ist der Kaufpreis zu bezahlen auf das Konto des Verkäufers IBAN … Der Notar hat auf die Verzugsvoraussetzungen und -folgen hingewiesen.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Käufer unterwirft sich wegen aller in Abschnitt III dieser Urkunde in Haupt- und Nebensache eingegangenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Mehrere Käufer haften als Gesamtschuldner.
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Kap. 5 Rz. 5.362 Erbbaurecht Zur Erteilung der Vollstreckungsklausel nach der Erteilung der notariellen Fälligkeitsbestätigung bedarf es nicht des Nachweises der die Fälligkeit begründenden Tatsachen.
V. Allgemeine Vertragsbestimmungen (1) Besitzübergang Besitz, Nutzen, Lasten und Abgaben aller Art, die Gefahr einer vom Verkäufer nicht verschuldeten Verschlechterung sowie die Verkehrssicherungspflicht gehen ab Kaufpreiszahlung auf den Käufer über. (2) Haftung a) Der Verkäufer haftet für ungehinderten Besitz- und Rechtsübergang und für Freiheit des Grundbesitzes von Belastungen jeder Art, soweit sie nicht ausdrücklich übernommen werden. b) Der Verkäufer verpflichtet sich, nicht übernommene Belastungen unverzüglich auf eigene Kosten zu beseitigen. c) Zugang und Zufahrt zum Vertragsgegenstand sind nach Versicherung des Verkäufers über eine unmittelbar angrenzende öffentliche Gemeindestraße gewährleistet, ebenso die Ver- und Entsorgung. d) Der Käufer übernimmt die in Abteilung II des Grundbuches am Vertragsgegenstand eingetragenen Belastungen gemäß näherer Bezeichnung unter Abschnitt I dieser Urkunde zur weiteren Duldung mit allen sich aus den zugrundeliegenden Bewilligungsurkunden ergebenden Verpflichtungen. e) Der Käufer hat den Vertragsgegenstand eingehend besichtigt und übernimmt ihn, wie er liegt und steht, also im derzeitigen Zustand. Dem Käufer ist bekannt, dass das Gebäude im Jahr … erbaut und seit … Jahren nicht mehr renoviert worden ist. Jede Sachmängelhaftung des Verkäufers wird hiermit abweichend vom Gesetz im Wege unter den Beteiligten ausgehandelter Vereinbarungen ausgeschlossen, insbesondere eine Haftung für Beschaffenheit, Flächenmaß und bestimmte Verwendungsmöglichkeit. f) Der Verkäufer erklärt, dass ihm wesentliche, dem Käufer nicht erkennbare Mängel des Vertragsgegenstandes, insbesondere schädliche Bodenverunreinigungen, nicht bekannt sind. Zustandsveränderungen am Vertragsgegenstand bis zum Tag des vereinbarten Besitzüberganges hat der Verkäufer nur dann zu vertreten, wenn ihn ein Verschulden trifft. (3) Vorkaufsrechte Im Falle der Ausübung eines Vorkaufsrechtes steht dem Käufer kein Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz gegen den Verkäufer zu. Beide Vertragsteile sind für diesen Fall zum Rücktritt von diesem Vertrag befugt. Die Kosten des heutigen Vertrages, seines Vollzuges und des Vollzugs seiner Rückabwicklung trägt für diesen Fall … Der Notar wird beauftragt und bevollmächtigt, unter Entwurfsfertigung den heutigen Vertrag namens der Beteiligten dem Vorkaufsberechtigten in Ausfertigung zuzusenden und die Nichtausübungserklärung entgegenzunehmen. Zur Entgegennahme der Ausübungserklärung des Vorkaufsrechts wird der Notar nicht bevollmächtigt. Der Notar hat die Beteiligten auf die Bedeutung eines Vorkaufsrechts hingewiesen.
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(4) Abtretung/Verpfändung Die Abtretung und Verpfändung von Rechten des Käufers aus diesem Vertrag bedarf bis zur vollen Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen gemäß den näheren Bestimmungen unter Abschnitt III dieser Urkunde der schriftlichen Einwilligung des Verkäufers. (5) Notarermächtigung Der Notar wird zur Erwirkung und Entgegennahme der erforderlichen Genehmigungen sowie zur Abgabe von Erklärungen, Stellung, Änderung und Zurücknahme von Anträgen, die zum Vollzug des Vertrages erforderlich oder zweckdienlich sind, ermächtigt. Alle noch ausstehenden Genehmigungen sollen mit dem Eingang beim Notar den Beteiligten gegenüber als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein.
VI. Kosten und Ausfertigungen (1) Die Kosten dieser Urkunde, etwaiger Genehmigungen und Zeugnisse, des Grundbuchvollzuges, der Katasterfortschreibung sowie die Grunderwerbsteuer trägt der Käufer. Die Lastenfreistellungskosten treffen den Verkäufer. (2) Von dieser Urkunde erhält jeder Vertragsteil sofort eine beglaubigte Abschrift und nach Vollzug im Grundbuch eine Ausfertigung; der Vorkaufsberechtigte und Grundstückseigentümer erhält sogleich und ggf. nach Wirksamkeit des Vertrages eine Ausfertigung; für das Grundbuchamt ist eine beglaubigte Abschrift zu fertigen, das Finanzamt (Grunderwerbsteuerstelle), der Gutachterausschuss erhalten je unbeglaubigte Abschrift. Der Käufer erhält zusätzlich zur Vorlage bei seinem Finanzierungsgeber eine beglaubigte Vertragsabschrift.
VII. Hinweise Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere hingewiesen auf – den Zeitpunkt des Rechtsüberganges und die Eintragungsvoraussetzungen; – die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten für Kosten und Steuern sowie auf die Haftung des Grundbesitzes für Rückstände an öffentlichen Lasten und Abgaben, für Erschließungsbeiträge und Erbbauzinsen; – die notwendige Lastenfreistellung; – Vorkaufsrechte; – die Verpflichtung, alle Vertragsabreden vollständig und richtig anzugeben; – die mögliche Einkommensteuerpflicht bei betrieblichen oder privaten Veräußerungsgeschäften und die Grunderwerbsteuerpflicht und – die Bedeutung und Besonderheiten eines Erbbaurechts.
VIII. Erschließungskosten Alle auf den Vertragsgegenstand entfallenden Erschließungskosten und Anliegerbeiträge nach dem Baugesetzbuch und Kommunalabgabengesetz sowie die Kosten der GrundRapp 773
Kap. 5 Rz. 5.362 Erbbaurecht stücksanschlüsse hat ausschließlich der Käufer zu tragen, es sei denn, dass hierüber bereits bis zum heutigen Tag ein Bescheid dem Verkäufer zugegangen ist. Diese Vereinbarung gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine zugrundeliegende kostenpflichtige Maßnahme ausgeführt wurde. Etwaige Erstattungsansprüche werden an den Käufer abgetreten. Der Verkäufer versichert, dass alle durch Bescheid in Rechnung gestellten Abgaben bezahlt sind. Die vorstehende Kostentragungspflicht gilt nicht, soweit der Grundstückseigentümer hierzu verpflichtet ist.
IX. Grundbucherklärungen (1) Auflassung/Einigung Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Erbbaurecht gem. Abschnitt II auf den Käufer übergeht, und bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. (2) Vormerkung gem. § 883 BGB Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Erbbaurechtes bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Vormerkung gem. § 883 BGB für den Käufer im angegebenen Berechtigungsverhältnis im Rang nach den unter Abschnitt I dieser Urkunde aufgeführten und für die Grundpfandrechtsgläubiger des Käufers gem. Abschnitt XI bestellten Belastungen im Grundbuch und schon heute wiederum die Löschung dieser Vormerkung Zug um Zug gegen Eigentumsumschreibung im Grundbuch, vorausgesetzt, dass weder Zwischeneintragungen ohne Zustimmung des Käufers erfolgt sind noch deren Eintragung beantragt ist. Die Vormerkung kann an nächstoffener Rangstelle eingetragen werden, wenn der Notar dies ausdrücklich beantragt. Der Notar wird angewiesen, die Eintragung der Vormerkung erst nach Vorliegen der Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers dem Grundbuchamt einzureichen. Weitere Sicherungen werden nicht gewünscht. (3) Lastenfreistellung Der Vollzug sämtlicher Erklärungen, die zur Freistellung des Vertragsbesitzes von nicht übernommenen Belastungen erforderlich sind, wird beantragt. Aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der vollständigen Kaufpreiszahlung sind Käufer und Verkäufer sich im oben in Abschnitt II angegebenen Berechtigungsverhältnis über die Abtretung der dem Verkäufer zustehenden Rückgewähransprüche und Eigentümerrechte hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte einig und bewilligen entsprechende Grundbucheintragung. (4) Vollzugsnachricht Um Vollzugsnachricht an die Beteiligten und an den Notar wird gebeten.
X. Notaranweisung Die Vertragsteile weisen den Notar an, diese Urkunde dem Grundbuchamt erst dann zur Rechtsumschreibung einzureichen, wenn der Verkäufer bestätigt oder der Käufer nachgewiesen hat, dass der gesamte Kaufpreis ohne etwaige Verzugszinsen bezahlt ist. Der Käufer verzichtet insoweit auf sein eigenes Antragsrecht.
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Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften dieses Vertrages nur ohne die erklärte Einigung erteilt werden. Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Notar den Eingang des Kaufpreises schriftlich zu bestätigen.
XI. Belastungsvollmacht Der Verkäufer verpflichtet sich, bei der Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken, die zur Finanzierung des Kaufpreises dienen. In die Urkunden über die Bestellung solcher Grundpfandrechte muss als Zweck bis zur Zahlung des Kaufpreises bestimmt werden, dass sie nur Beträge sichern, welche auf den Kaufpreis bezahlt werden. Der Käufer tritt schon heute seine Ansprüche auf Auszahlung der durch diese Grundpfandrechte abgesicherten Darlehen zahlungshalber zur Deckung des Kaufpreises an den Verkäufer ab, welcher die Abtretung annimmt. Soweit eine Abtretung nicht statthaft ist, wird hiermit entsprechende unwiderrufliche Anweisung an die Grundpfandrechtsgläubiger erteilt. Alle übrigen Rechte und Pflichten aus dem Darlehensverhältnis bleiben beim Käufer, der auch allein zur Abrufung der auszuzahlenden Beträge befugt ist. Der Verkäufer erteilt hiermit dem Käufer Vollmacht, Grundpfandrechte bis zum Betrag von … Euro mit beliebigen Nebenleistungen, für beliebige Gläubiger und vollstreckbar nach § 800 ZPO gegenüber dem jeweiligen Erbbauberechtigten am Vertragsgegenstand zu bestellen, Erklärungen, Bewilligungen und sonstige Anträge abzugeben und entgegenzunehmen, je gebunden an die Voraussetzung, dass die vorstehenden Vereinbarungen eingehalten werden und den Verkäufer keine Kosten treffen. Diese Vollmacht kann nur beim amtierenden Notar bzw. dessen amtlichen Vertreter ausgeübt und nur diesen gegenüber widerrufen werden.
XII. Eintritt in den Erbbaurechtsvertrag Die Beteiligten haben Kenntnis von dem Erbbaurechtsvertrag des Notars … in … vom …, der bei Beurkundung im Original/in beglaubigter Abschrift vorlag. Der Käufer tritt in sämtliche Bestimmungen und Verpflichtungen sowie daraus folgenden Rechte ein und übernimmt diese. Der Käufer verpflichtet sich ferner, die übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtungen etwaigen Rechtsnachfolgern mit der Verpflichtung zur Weiterübertragung weiterzugeben. Ferner ist der Käufer verpflichtet, den Verkäufer von allen Ansprüchen insoweit freizustellen. Der Käufer erklärt, dass er insbesondere die Bestimmungen über eine Entschädigung bzw. Vergütung für den Fall des Zeitablaufes sowie den Heimfall genau zur Kenntnis genommen hat. Der Notar hat diese erläutert. Der monatliche/jährliche Erbbauzins beträgt nach Angabe des Verkäufers derzeit … Euro. In Worten … Der Verkäufer garantiert, dass Rückstände dieserhalb nicht bestehen. Alternative 1: Auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung, mit dem Notar erörtert, wird verzichtet.
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Kap. 5 Rz. 5.362 Erbbaurecht Alternative 2 (Regelfall): Der Käufer unterwirft sich hiermit gegenüber dem oben unter Abschnitt I ausgewiesenen Grundstückseigentümer hinsichtlich des Erbbauzinses in der vorstehend bezeichneten Höhe ab dem von heute an folgenden Monatsersten der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen desgleich hinsichtlich der im Grundbuch eingetragen Reallast bezüglich der hieraus bestehenden persönlichen Haftung des Erbbauberechtigten. Der Grundstückseigentümer kann sich auf jederzeit möglichen Antrag ohne weitere Nachweise eine vollstreckbare Ausfertigung der heutigen Urkunde wegen des Erbbauzinses erteilen lassen. Eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden. Vorgelesen vom Notar, …
776 Rapp
Kapitel 6 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG A. Anwendungsbereich I. Überblick: Verwendungsbereiche 1. Herkömmliche Verwendung . . 2. Neue Tendenzen . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zivilrechtliche Grundlagen 1. Nutzungszweck . . . . . . . . . . . . 2. Belastungsgegenstand . . . . . . . 3. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . 6. Abgeschlossenheit . . . . . . . . . . 7. Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bruchteilsberechtigung . . . . . . 9. Gegenseitige Ansprüche . . . . . 10. Vermietungsrecht . . . . . . . . . . . B. Steuerrechtliche Behandlung I. Bewertungsrecht 1. Mietähnliche Dauerwohn-/ Dauernutzungsrechte (Laufzeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigentumsähnliche Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte (Rechtsstellung und aktuelle Beispiele) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigentumsähnliches Dauernutzungsrecht . . . bb) Miteigentumsanteilsübertragung . . . . . . . . . . cc) Testamentarische Regelung . . . . . . . . . . . . . dd) Praxisübernahme . . . . . ee) Gesamthandseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpachteter Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nutzungsüberlassungsvertrag zwischen Erben und dem bisherigen Pächter . . . . . . . . . . . . . .
6.1 6.2 6.4 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15
6.20
6.21 6.24 6.25 6.26 6.27 6.28 6.29 6.30 6.31 6.32
6.33
II. Einkommensteuer 1. Immobilien im steuerlichen Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . 2. Mustervertrag des Bundesministeriums für Wirtschaft . . . 3. Vorbehaltenes Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . 4. Mietähnliches Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . 5. Entgeltlicher Erwerb . . . . . . . . . 6. Erstmalige Bestellung . . . . . . . . 7. Entgeltliche Anschaffung . . . . . III. Verkehrssteuern 1. Grunderwerbsteuer (Grunderwerbsteuerfreiheit) . . . . . . . . . 2. Umsatzsteuer (Umsatzsteuerfreiheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erbschaftsteuer 1. Umfang der Steuerpflicht . . . . . 2. Mietähnliches Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht . . . . . . . . . 3. Gebäude auf fremdem Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vertragsgestaltung: Bestellung eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts I. Vertragliche Regelung 1. Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwingender Inhalt . . . . . . . . . . . II. Dinglicher Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts 1. Allgemeiner Regelungsinhalt a) Vererbung und Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befristung aber keine Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . c) Genehmigungsvorbehalt . . . d) Mitbenützung durch Dritte e) Grundbucheintragung . . . . . f) Nutzungen und Lastentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Wiederaufbau und Versicherung . . . . . . . . . . . . . h) Sicherheitsleistung . . . . . . . .
Spiegelberger
6.40 6.41 6.42 6.43 6.44 6.45 6.46
6.51 6.52 6.53 6.55 6.56
6.60 6.62
6.63 6.64 6.65 6.66 6.67 6.68 6.72 6.73
777
Kap. 6 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG 2. Heimfall und Entschädigung a) Heimfall . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entschädigung . . . . . . . . . . . c) Heimfalleinschränkung . . . . d) Pfändung und Insolvenz . . . e) Eigenbedarf . . . . . . . . . . . . . . f) Mieterschutz . . . . . . . . . . . . . g) Heimfallvormerkung? . . . . . h) Entschädigungsanspruch beim Heimfall . . . . . . . . . . . . 3. Insolvenz- und Versteigerungssicherung a) Schutz des Nutzungsberechtigten gem. § 39 WEG . b) Eingeschränkter Schutz . . . . III. Schuldrechtliche Vereinbarungen 1. Zahlungsverpflichtungen . . . . . 2. Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . .
6.74 6.75 6.76 6.77 6.78 6.79 6.80 6.81
6.82 6.84
6.85 6.86
IV. Veräußerung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts 1. Rechtskauf gem. § 453 BGB . . . 6.90 2. Übergang des Rechtsverhältnisses gem. § 38 Abs. 1 WEG . . 6.91 3. Veräußerung des Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.92 4. Veräußerung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts . . 6.93 5. Schuldrechtliches Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.94 D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht I. Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.100 II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.101 III. Vertragsmuster . . . . . . . . . . . . . . . 6.102
Gesetzesmaterialien: BT-Drucks. 19/24838 v. 30.11.2020: Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz); Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drucks. 19/29396 v. 5.5.2021: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Literatur: Kommentare, Handbücher und Monografien: Bamberger/Roth/Hügel, Kommentar zum BGB, Band 2: §§ 611–1296, AGG, ErbbauRG, WEG, 3. Aufl. 2012; Börstinghaus/ Eisenschmid, Modernisierungs-Handbuch, Wohn- und Geschäftsraum, 1. Aufl. 2014; Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021; Keith/Spiegelberger, Eigentumsähnliches Dauerwohnrecht in: Münchener Vertragshandbuch Bürgerliches Recht, 7. Aufl. 2016; J. Mayer/Geck, Übergabevertrag, 3. Aufl. 2013, § 14; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020; Staudinger/Spiegelberger, Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht, Neubearbeitung 2018. Aufsätze: Becker, Kauf gegen Wohnungsrecht, NJW 2021, 1265; Böhringer, Aufhebung eines Erbbaurechts und Gebäudeeigentums, Rpfleger 2019, 557-564; Dammertz, Wohnungsrecht und Dauerwohnrecht, MittRhNotK 1970, 73; Drexler, Baulandmobilisierungsgesetz – Das Genehmigungserfordernis des § 250 BauGB aus notarieller Sicht, notar 2021, 252-258; Grziwotz, Zum Inhalt des Zustimmungsvorbehalts beim Dauerwohnrecht, §§ 35, 42 WEG, JR 2020, 175; ders., Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und Miteigentümervereinbarungen in Fremdenverkehrsgebieten, MietRB 2018, 185-191 und 220-223; Günther, Bestellung eines Dauerwohn- und -nutzungsrechts nach §§ 31 ff. WEG nicht grunderwerbsteuerbar, ErbStB 2021, 44; ders., Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei wirtschaftlichem Eigentum, AO-StB 2020, 266-269; Heinemann, Zustimmungserfordernis bei Nießbrauchsbestellung an einem Dauernutzungsrecht, MietRB 2019, 140-141; Horst, Sicherung der Ansprüche der Vertragsparteien in der Gewerberaummiete, NZM 2018, 889; Kaßler, Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG: Viele längst überfällige Neuregelungen und ein wenig Nachbesserungsbedarf, ZWE 2020, 148; Kappus, Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz, NJW 2020, 3617; Krause, Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bei Schenkung unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts, NotBZ 2016, 380-382; Lehmann, Dauerwohn- und Dauernut-
778 Spiegelberger
A. Anwendungsbereich
Rz. 6.1 Kap. 6
zungsrecht nach dem WEG, RNotZ, 2011, 1; Lotter, Aktuelle Fragen des Dauerwohnrechts, MittBayNot 1999, 354; Lutter, Regelungsgegenstand einer Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts – wirtschaftliches Eigentum an Tiefgaragenplätzen im Teileigentum aufgrund eines Dauernutzungsrechts, EFG 2020, 1825-1826; J. Mayer, Zur Störfallvorsorge beim Dauerwohnrecht: Heimfallanspruch bei Tod des Berechtigten oder Veräußerung des Rechts, DNotZ 2003, 908; U. Mayer, Dauerwohnrecht statt Wohnungsrecht – unentdeckte Gestaltungsmöglichkeiten beim Übergabevertrag, ZNotP 2000, 354; Mitschang, Erhaltungssatzungen – Planerische Möglichkeiten zur Erhaltung und Sicherung von Wohnraum, UPG 2017, 321-331; Rachlitz/Vedder, Immobilienzuwendungen, notar 2018, 356-363; Scheidler, Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion, UPR 2018, 207-212; Skauradszun, Absicherungen des Mieters mittels Mieterdienstbarkeit und Dauernutzungsrecht im präventiven Restrukturierungsrahmen, InsO- und EuInsVO-Verfahren, NZI 2019, 965-970; Skauradszun/ Ulmer, Anmerkung zu einer Entscheidung des BGH, Beschluss vom 6.12.2018 (V ZB 94/16) – Zum Zustimmungsvorbehalt eines Nießbrauchs an einem Dauernutzungsrecht, ZfIR 2019, 404-405; Spiegelberger, Der Anwendungsbereich des Dauernutzungsrechts, FS Merle 2000, S. 301; ders., Der aktuelle Anwendungsbereich des Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht, FS Bärmann und Weitnauer 1990, S. 647, Wackerbeck, Zurechnung von Mieteinkünften bei einem zwischen nahestehenden Personen vereinbarten Nutzungsrecht, EFG 2021, 1377-1378; Zimmer, Anmerkungen zu einer Entscheidung des BGH, Beschluss vom 6.12.2018 (V ZB 94/16) – Zum Rechtsnießbrauch an einem Dauernutzungsrecht und zum Zustimmungsvorbehalt, NZM 2019, 442-443.
A. Anwendungsbereich I. Überblick: Verwendungsbereiche 1. Herkömmliche Verwendung Das Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht spielt zivilrechtlich als vererbliches und 6.1 veräußerliches Nutzungsrecht eine Rolle; die Gestaltung als eigentumsähnliches Recht führt steuerlich zum wirtschaftlichen Eigentum. Es ist regelmäßig eine verlässliche und kostenrechtlich günstige Möglichkeit, hinsichtlich einzelner oder mehrerer Räume oder gar eines ganzen Hauses das rechtliche – oder zumindest wirtschaftliche – Eigentum von dem Eigentum am Grundstück zu trennen. Das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht bietet besondere zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere in folgender Hinsicht: – Während die beschränkte persönliche Dienstbarkeit – also z.B. ein Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB – mit dem Versterben des Berechtigten erlischt, geht beim Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht die Berechtigung gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) auf den Gesamtrechtsnachfolger über. – Im Unterschied zu den übrigen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten ist das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht auch unter Lebenden übertragbar. – Ein weiterer Vorzug gegenüber den anderen Nutzungsrechten ist die Beleihbarkeit durch Verpfändung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts mit Eintragung im Grundbuch1. 1 Leiß in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 5 Rz. 93.
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779
Kap. 6 Rz. 6.1 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
– Das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht ermöglicht die rechtliche Verselbständigung einer Nutzungseinheit (abgeschlossene Raumeinheiten oder ein ganzes Haus), während die Aufteilung in Eigentumswohnungen immer mehrere Nutzungseinheiten mit der Voraussetzung der Abgeschlossenheit für sämtliche Nutzungseinheiten verlangt. – Während ein Erbbaurecht nur an absolut erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen werden kann, stellt das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht eine nahezu gleichwertige Ausweichgestaltung dar, wenn die erste Rangstelle z.B. aufgrund eingetragener Grunddienstbarkeiten nicht erreichbar ist. – Investitionen auf fremdem Grund und Boden mit schuldrechtlichen Nutzungsrechten sind nicht insolvenzfest, während das dingliche Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht im Rang vor eingetragenen Grundpfandrechten auch für den Fall der Zwangsversteigerung einen Bestandsschutz ergibt. – In der Beurkundungspraxis hat das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht insbesondere dann Bedeutung, wenn der an sich erstrebte Eigentumserwerb aus formelloder materiell-rechtlichen Gründen nicht erreichbar ist, also Wohnungseigentum oder ein Erbbaurecht an formalen Kriterien scheitert. – Teilzeitwohnungsrechte gem. §§ 481 ff. BGB werden häufig in der Rechtsform des Dauerwohnrechts bestellt. – Insbesondere zur Finanzierung eines Neubaus kann ein Dauernutzungsrecht als Sicherheit für die finanzierende Bank oder als Finanzierungshilfe durch den vorgesehenen Nutzungsberechtigten eingesetzt werden (s. Mustervertrag M68). 2. Neue Tendenzen
6.2 Das Dauernutzungsrecht wird in der Literatur im zunehmenden Maß zur Absicherung von langfristigen gewerblichen Pachtverträgen als Sicherungsmittel empfohlen und hat in diesem Bereich Zuspruch gefunden. 6.3 Der weitere wesentliche Faktor ist die Möglichkeit, wirtschaftliches Eigentum zu begründen, um dadurch z.B. nicht eintragungsfähige Erbbaurechte zu ersetzen. Der besondere Reiz beim wirtschaftlichen Eigentum besteht darin, dass es einen zivilrechtlichen Bucheigentümer und den aktiven wirtschaftlichen Eigentümer gibt, sodass eine Spaltung eintritt, die ähnlich wie beim Nießbrauch wirkt. Diese Situation ist insbesondere bei einkommensteuerlichen Zurechnungen von Bedeutung, weil einkommensteuerlich das wirtschaftliche Eigentum an die Stelle des zivilrechtlichen Eigentums tritt. Anders ist es im erbschaftsteuerlichen Bereich. Dort werden z.B. beurkundete, aber im Grundbuch noch nicht eingetragene Übertragungen weiterhin dem Übergeber zugerechnet. Darüber hinaus sind z.B. die Zehn-Jahres-Fristen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b und c ErbStG echte Ausschlussfristen, d.h. wer innerhalb von zehn Jahren seit Erwerb das erworbene Objekt weitergibt, selbst wenn er sich den Nießbrauch vorbe-
780 Spiegelberger
A. Anwendungsbereich
Rz. 6.7 Kap. 6
hält, verliert die erbschaftsteuerliche Vergünstigung, so dass der Vorgang nachbesteuert wird. 3. Steuerrecht Auch in steuerrechtlicher Hinsicht bietet das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht 6.4 Vorteile: – Während ein dingliches Nutzungsrecht gem. § 1010 BGB und ein Sondernutzungsrecht gem. § 15 WEG wegen der Gleichstellung mit einem Grundstück gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig ist, bleibt das Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht von der Grunderwerbsteuer verschont1. – Bei einem eigentumsähnlichen Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht (s. den Gestaltungsvorschlag in Muster M67 unter Rz. 6.102) entsteht im Falle der Einräumung vor der Errichtung des Gebäudes rechtliches Eigentum gem. § 95 BGB oder bei nachträglicher Bestellung zumindest wirtschaftliches Eigentum mit dem Ergebnis, dass der Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht-Berechtigte Absetzungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG (s. allg. Rz. 1.881 ff.) geltend machen kann. Sofern der Eigentumserwerb an einem Grundstück z.B. wegen der nicht erreichba- 6.5 ren Grundstücksverkehrsgenehmigung gem. § 2 GrdstVG scheitert, kann durch ein zeitlich unbeschränktes Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht ein praktisch gleichwertiger Eigentumsersatz mit der entsprechenden steuerlichen Behandlung erreicht werden. II. Zivilrechtliche Grundlagen 1. Nutzungszweck Das Dauerwohnrecht bezieht sich auf eine oder mehrere Wohnungen i.S.d. WEG 6.6 (s. § 31 Abs. 1 WEG), während das Dauernutzungsrecht sich auf nicht zu Wohnzwecken dienende Räume bezieht (§ 31 Abs. 2 WEG). Für das Dauernutzungsrecht gelten die Vorschriften über das Dauerwohnrecht entsprechend (§ 31 Abs. 3 WEG). Soweit im Folgenden von Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht die Rede ist, werden beide Begriffe synonym verwandt, soweit es nicht gerade auf die unterschiedliche Zweckbestimmung der Räumlichkeiten ankommt. 2. Belastungsgegenstand Mit einem Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht kann ein Grundstück belastet wer- 6.7 den, ferner Wohnungseigentum2 und gem. § 42 WEG auch ein Erbbaurecht und Wohnungserbbaurecht. Die Bestellung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts ist
1 Viskorf/Viskorf20, § 2 GrEStG Rz. 288 f. 2 BGH v. 27.9.1978 – V ZR 128/76, MDR 1979, 390 = DB 1979, 545.
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Kap. 6 Rz. 6.7 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
grundsätzlich nicht formbedürftig gem. § 311b BGB1. Ein Grundstück kann mit einem Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht als Einheit bzw. mit einem selbständigen Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht belastet werden2. Im Fall der Bestellung als Einheit bedarf es einer Grundbucheintragung, die beide Zweckbestimmungen zum Ausdruck bringt. 3. Rechtsnatur
6.8 Bei dem der Bestellung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts zugrunde liegenden Grundgeschäft handelt es sich regelmäßig um einen Rechtskauf (§ 453 BGB) oder um eine Schenkung. Mietrecht findet hingegen grundsätzlich keine Anwendung. 4. Entstehung
6.9 Da es sich bei dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht gem. § 31 Abs. 1 WEG um eine Grundstücksbelastung handelt, entsteht das Recht dinglich durch formlose Einigung und Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs gem. § 873 BGB, §§ 13, 19, 29 GBO3. Die bloße Beglaubigungsform reicht daher grundsätzlich aus. 5. Übertragbarkeit
6.10 Im Unterschied zu den anderen dinglichen Nutzungsrechten, z.B. zum Nießbrauch, ist das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht übertragbar, wobei in der Praxis regelmäßig die Zustimmung des Grundstückseigentümers gem. § 35 WEG vereinbart wird. 6. Abgeschlossenheit
6.11 Ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht kann nur bestellt werden, wenn die bestimmten, von dem Recht erfassten Räume in sich abgeschlossen sind. Dies wird gegenüber dem Grundbuchamt durch Vorlage einer Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. § 32 Abs. 2 WEG nachgewiesen. Bei einer Sachverständigenbescheinigung gem. § 32 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 WEG findet § 29 GBO insoweit keine Anwendung. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung und die dazugehörigen Pläne haben sich nur auf die dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten zu beziehen. Eine Abgeschlossenheit der übrigen Räumlichkeiten ist dafür nicht erforderlich4. Dies ermöglicht die Begründung von wohnungseigentumsähnlichen
1 BGH v. 21.10.1983 – V ZR 121/82, MDR 1984, 303 = NJW 1984, 612 = DNotZ 1984, 238; Grüneberg/Wicke81, § 31 WEG Rz. 5. 2 BayObLG v. 28.6.1960 – BReg 2Z 20/60, DNotZ 1960, 596; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3003. 3 Staudinger/Spiegelberger, § 32 WEG Rz. 3 f. 4 BayObLG v. 28.5.1997 – 2Z BR 60/97, NJW-RR 1997, 1233 = DNotZ 1998, 374 = MittBayNot 1997, 289; Lotter, MittBayNot 1999, 354.
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A. Anwendungsbereich
Rz. 6.15 Kap. 6
Rechten durch ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht auch dann, wenn mehrere Einheiten nicht in sich abgeschlossen sind und daher eine Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz nicht zulässig wäre. Dieses Problem stellt sich vor allem bei einem einheitlichen Eingang, wenn der Dauerwohnberechtigte also durch eine andere Wohnung gehen muss, um in seine Wohnung zu gelangen1. 7. Grundbuch Für das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht wird im Unterschied zum Erbbaurecht 6.12 kein eigenes Grundbuchblatt gebildet. Die einzige Möglichkeit der Kreditfinanzierung besteht lediglich in der Verpfändung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts2. Dies erfolgt nach §§ 1273 ff. BGB. 8. Bruchteilsberechtigung Das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht kann auch in der Art und Weise mehreren 6.13 in Bruchteilsberechtigung zugewiesen werden, dass es in 52 Anteile aufgeteilt ist und den Berechtigten durch Benutzungsregelung je eine Woche im Jahr zugewiesen wird (Teilzeitwohnrecht i.S.d. §§ 481 ff. BGB)3. Demgegenüber soll es nicht mit dem Wesen eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts vereinbar sein, wenn an einer Wohnung mehrere gleichrangige, jeweils auf eine Woche befristete Dauerwohn-/ Dauernutzungsrechte bestellt werden4. 9. Gegenseitige Ansprüche Durch die Bestellung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts entsteht ein gesetzli- 6.14 ches Schuldverhältnis zwischen dem Dauerwohnberechtigten und dem Grundstückseigentümer. Auf die Ersatzansprüche des Eigentümers wegen Veränderungen oder Verschlechterungen sowie auf die Ansprüche der Dauerwohnberechtigten auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung sind die §§ 1049, 1057 BGB entsprechend anzuwenden, § 34 Abs. 1 WEG. Hinsichtlich der Störung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts gelten die §§ 985, 1004 BGB gem. § 34 Abs. 2 WEG entsprechend. 10. Vermietungsrecht Der Dauerwohnberechtigte ist – anders als der Wohnungsberechtigte – befugt, das 6.15 Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht zu vermieten. Die mietrechtlichen Folgen für den 1 Staudinger/Spiegelberger, § 32 WEG Rz. 9; Lotter MittBayNot 1999, 354, 356. 2 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3002. 3 Vgl. BGH v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, BGHZ 130, 150 = MDR 1995, 1113 = NJW 1995, 2637 = DNotZ 1996, 88; s. hierzu Hildenbrand, NJW 1995, 2967. 4 OLG Stuttgart v. 28.11.1986 – 8 W 421/85, NJW 1987, 2023 = Rpfleger 1987, 107, zur Belastung eines Hotelappartements mit 52 auf jeweils eine Woche beschränkten Dauerwohnrechten.
Spiegelberger
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Kap. 6 Rz. 6.15 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
Fall einer Beendigung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts durch Zeitablauf, Heimfall oder den Fall der Veräußerung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts sind in § 37 WEG im Wesentlichen entsprechend dem Erbbaurecht geregelt. Lediglich für den Fall des Erlöschens des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts ist der Mieter nicht geschützt und der Dauerwohnberechtigte potentiellen Schadensersatzansprüchen aus §§ 536, 536a Abs. 1 BGB ausgesetzt1.
6.16–6.19 Einstweilen frei.
B. Steuerrechtliche Behandlung I. Bewertungsrecht 1. Mietähnliche Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte (Laufzeit)
6.20 Kurzfristige Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte sind bewertungsrechtlich wie gewöhnliche Nutzungsrechte zu beurteilen, so dass insoweit die allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes gem. §§ 13–16 BewG Anwendung finden. Nur wenn der Dauerwohnberechtigte durch vertragliche Vereinbarungen eine Stellung erlangt, die ihn wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichstellt und er deshalb als wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO anzusehen ist, ist es gerechtfertigt, das Dauerwohnrecht selbständig wie Wohnungseigentum zu bewerten2, so dass für den Dauerwohnberechtigten ein Einheitswertbescheid zu erlassen ist. 2. Eigentumsähnliche Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte (Rechtsstellung und aktuelle Beispiele)
6.21 Nur wenn zeitlich unbegrenzte oder langfristige Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte dem Eigentumsrecht soweit angenähert werden, dass eine einem Grundstückseigentümer vergleichbare Rechtsposition entsteht, wird damit – im steuerlichen Sinn – wirtschaftliches Eigentum begründet. Maßgebliche Bedeutung hat insoweit die Laufzeit des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts. Zeitlich unbefristete Dauerwohnrechte verleihen eine so beherrschende Stellung über das belastete Grundstück, dass der zivilrechtliche Eigentümer von Einwirkungen auf das Grundstück weitgehend ausgeschlossen wird. Damit liegt i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wirtschaftliches Eigentum vor. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn ein Dauerwohnrecht eine Laufzeit von fünfzig Jahren und mehr aufweist3.
1 Münchener Kommentar/Krafka7, § 37 WEG Rz. 2. 2 Vgl. Leiß in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 5 Rz. 109; Mannek in Stenger/Loose, § 93 BewG Rz. 21. 3 Vgl. BFH v. 12.9.1985 – VIII R 336/82, BStBl. II 1986, 255 = DB 1986, 728; Staudinger/ Spiegelberger, Anh. zu § 42 WEG Rz. 3.
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B. Steuerrechtliche Behandlung
Rz. 6.25 Kap. 6
Allerdings ist die Vereinbarung einer Nutzung bis zum vollständigen wirtschaftlichen Verbrauch des Gebäudes nicht erforderlich, um wirtschaftliches Eigentum zu begründen1. Errichten die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam ein Ein- 6.22 familienhaus auf einem Grundstück, das zivilrechtlich im Eigentum nur eines Partners steht, kann nach dieser Entscheidung auch der andere dessen wirtschaftlicher Miteigentümer sein, wenn ihm für den Fall des Scheiterns der Lebensgemeinschaft nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Ausgleichsanspruch gegen den zivilrechtlichen Eigentümer in Höhe des hälftigen Verkehrswertes des Gebäudes zusteht. Die Frage, ob wirtschaftliches Eigentum vorliegt, kann für das Bewertungsrecht und 6.23 die Einkommensteuer nur einheitlich entschieden werden2. Besteht wirtschaftliches Eigentum des Nutzungsberechtigten, ist ein Einheitswertbescheid hinsichtlich der vom Dauerwohnberechtigten angeschafften oder hergestellten Wohnung zu erlassen. Diese ist als Gebäude auf fremdem Grund und Boden zu bewerten3. a) Beispiel 1 Ein deutscher Konzern errichtet auf einem Betriebsgrundstück ein Heizkraftgebäude, um Strom für die Ausweitung des Betriebs selbst zu produzieren. Die Finanzierung des Gebäudes soll durch die Bestellung eines Erbbaurechtes erfolgen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nur zur ausschließlich ersten Rangstelle im Grundbuch bestellt werden. Die gem. § 10 Abs. 2 ErbbauRG vorgesehene landesrechtliche Rechtsverordnung zur Befreiung von dem Erfordernis der ersten Rangstelle besteht nicht. Auf dem Betriebsgrundstück sind zahlreiche Grunddienstbarkeiten, auch für das betroffene Bundesland und die betroffene Gemeinde, eingetragen. Ein Rücktritt dieser Grunddienstbarkeiten hinter das neu zu bestellende Erbbaurecht ist nicht erreichbar. Ein Dauernutzungsrecht kann inhaltlich einem Erbbaurecht weitgehend angeglichen werden. Allerdings ist im Unterschied zu einem Erbbaurecht kein eigenes Grundbuchblatt möglich. Dennoch kann das in Abt. II am Grundstück einzutragende Dauernutzungsrecht durch Verpfändung beliehen werden4. Allerdings sind im Unterschied zur Finanzierung mit einem Erbbaurecht nicht alle Bankinstitute bereit.
6.24
b) Beispiel 2 Frau Dr L betreibt in dem selbstbewohnten Wohnhaus eine internistische Praxis auf einer Fläche von 50 qm und hat durch das Ableben ihres Ehemannes dessen 1/2-Miteigentumsanteil geerbt, so dass sie Alleineigentümerin wurde. Aufgrund der extrem gestiegenen Grundstückspreise in München wird der Erbschaftsteuerwert ihres Hauses von Steuerberater S mit 5 Mio. EUR ermittelt und eine vorweggenommene Erbfolge zu Gunsten der beiden Söhne empfohlen. Welche Gestaltungsvorschläge kommen in Betracht? 1 2 3 4
BFH v. 18.7.2001 – X R 15/01, BStBl. II 2002, 278 = DStR 2001, 2019. Vgl. BFH v. 7.3.1957 – IV 511/55 U, BStBl. III 1957, 392. Vgl. Leiß in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 5 Rz. 113. Staudinger/Spiegelberger, WEG II, Vorbem. § 31 Rz. 11 ff.
Spiegelberger
785
6.25
Kap. 6 Rz. 6.25 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
Dauernutzungsrecht (S2)
½ Miteigentumsanteil
alt
½ Miteigentumsanteil
neu
S1+S2
S1+S2 KG?
aa) Eigentumsähnliches Dauernutzungsrecht Literatur: Spiegelberger in Staudinger, WEG 2 Neubearbeitung 2018, §§ 31–42 WEG.
6.26 Da die 50 m2 umfassenden Praxisräume steuerliches Betriebsvermögen darstellen, müsste Vorsorge getroffen werden, dass durch einen Rechtsträgerwechsel keine einkommensteuerliche Entnahme stattfindet. Mit der Vereinbarung eines eigentumsähnlichen Dauernutzungsrechts gem. § 41 WEG könnte dieses Problem gelöst werden. Allerdings entsteht wirtschaftliches Alleineigentum an dem Praxisraum erst durch die Vereinbarung des wirtschaftlichen Eigentums, so dass die Zehn-Jahres-Frist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b EStG seit dem Erbfall zu beachten ist. bb) Miteigentumsanteilsübertragung
6.27 Die Ehefrau Dr L ist durch Vererbung des Miteigentumsanteils des Ehemannes Alleineigentümerin des Wohnheims geworden und im Grundbuch so eingetragen. Kann gem. § 10 Abs. 3 ErbStG der von der Ehefrau bereits bei dem Kauf des Familienheimes erworbene Miteigentumsanteil steuerunschädlich übertragen werden? § 10 Abs. 3 ErbStG lautet: Die in Folge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten als nicht erloschen. 786 Spiegelberger
B. Steuerrechtliche Behandlung
Rz. 6.31 Kap. 6
M.E. ist nach dem Sinn dieser Bestimmung isoliert der bereits bei dem Kauf des Anwesens erworbene Miteigentumsanteil der Ehefrau übertragbar; allerdings ist bei dem Praxisraum die Zehn-Jahres-Frist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu beachten. cc) Testamentarische Regelung Nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG kommt die An- 6.28 wendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG in Betracht, wonach bei der Selbstnutzung des vom Erblasser bewohnten Familienheims jedem Sohn bei dem Einzug nach dem Ableben der Mutter in das Familienheim eine Wohnfläche von je 200 m2 zu eigenen Wohnzwecken erbschaftsteuerbefreit bliebe. Die geschilderte Entnahmeproblematik wird dadurch nicht gelöst. dd) Praxisübernahme Sofern das Dauernutzungsrecht letztwillig einem Kind zugewendet wird, könnte 6.29 dieses bei Fortführung der Arztpraxis die einkommensteuerliche Beendigung von Betriebsvermögen verhindern. Allerdings ist für einen Oberarzt die Niederlassung in einer Privatpraxis genehmigungsbedürftig durch die kassenärztliche Vereinigung. ee) Gesamthandseigentum Fraglich ist, ob Gesamthandseigentum unter die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 6.30 Nr. 4 a–c ErbStG fällt. Das Gesetz spricht nur von Eigentum und Miteigentum. Eine richterliche Entscheidung zum Gesamthandseigentum ist nicht ersichtlich. Die restriktive Rechtsprechungstendenz des BFH ist Anlass für die Einholung einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 AO. c) Beispiel 3 Installationsmeister I hat vor 36 Jahren den damals 14-jährigen Lehrling L als Auszubildenden in seinen Betrieb aufgenommen und ihn bis zur eigenen Pensionierung beschäftigt. Während dieser Zeit hat L auch die Installationsmeisterprüfung abgelegt und bei der Pensionierung seines Chefs das Unternehmen angepachtet und die Beschäftigtenzahl erheblich erhöht. Die mündlich vereinbarte Betriebsübertragung kommt wegen des plötzlichen Versterbens des Installationsmeisters I nicht mehr zustande. Der verpachtete Büroraum befindet sich im privaten Bungalow des Erblassers und ist Bestandteil der Betriebsverpachtung, deren Rechte und Pflichten auf die Alleinerbin übergegangen sind. Gestaltungsvorschlag: Durch die Alleinerbeinsetzung der Ehefrau sind alle Rechte des Erblassers auf die Ehefrau übergegangen, insbesondere das Recht zur Fortführung der Verpachtung zu den Buchwerten. Im Falle der Betriebsverpachtung kann der Alleinerbe des Betriebes die Möglichkeit gem. § 13a Abs. 1 ErbStG die 85%ige Erbschaftsteuerbefreiung in Anspruch nehmen, wenn er den Betrieb (in der Rechtsform der Betriebsverpachtung) auf die Dauer von fünf Jahren fort-
Spiegelberger
787
6.31
Kap. 6 Rz. 6.31 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG führt. Gemäß § 13a Abs. 10 Nr. 1 ErbStG tritt an die Stelle der 85%igen Befreiung ein Verschonungsabschlag von 100 %. Nach Ablauf von sieben Jahren kann der verpachtete Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Buchwertfortführung und Vereinbarung einer Versorgungsrente auf den Pächter übertragen werden. Gemäß Tz. 12 des BMF-Schreibens zur Einkommensteuerrechtlichen Behandlung wiederkehrender Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung1 ist auch die Übertragung eines verpachteten Betriebes begünstigt, sofern der Betrieb oder Teilbetrieb mangels Betriebsaufgabeerklärung als fortgeführt gilt. Gemä Tz. 4 des vorbezeichneten BMF-Schreibens sind nicht nur nahestehende oder entfernte Verwandte begünstigte Empfänger des Vermögens. Tz. 4 Satz 2 hat folgenden Wortlaut: „Hat der Übernehmer aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen zum Übergeber ein persönliches Interesse an der lebenslangen angemessenen Versorgung des Übergebers oder sind die Vertragsbedingungen allein nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und der Leistungsfähigkeit des Übernehmers vereinbart worden, können sich nahestehende Dritte (z.B. Schwiegerkinder, Neffen und Nichten) und ausnahmsweise auch familienfremde Dritte Empfänger des Vermögens sein (vgl. BFH vom 16.12.1997, BStBl. 1998 II 718).“ Die Büroraumproblematik ist ohne weiteres lösbar. An dem im Privatvermögen der Ehefrau befindlichen Büroraum kann ein eigentumsähnliches Dauernutzungsrecht gem. § 41 Abs. 1 WEG begründet werden, das den Büroraum zum wirtschaftlichen Eigentum des Betriebes macht. § 41 Abs. 1 WEG verlangt eine gewisse Langfristigkeit, keine endgültige Herausnahme des Büroraums aus dem Privateigentum der Ehefrau.
aa) Verpachteter Geschäftsbetrieb
6.32 Gemäß § 13b Abs. 4 ErbStG führt die Verpachtung eines Betriebes nicht zu Verwaltungsvermögen, wenn die dort genannten Einschränkungen beachtet werden. Gemäß § 13b Abs. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa Alt. 2 ErbStG kann die Nutzungsüberlassung nur fortgesetzt werden, wenn der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter als Erben eingesetzt hat. Da die Ehefrau zum Alleinerben berufen ist, scheidet somit die genannte gesetzliche Regelung zur Fortführung der Betriebsverpachtung aus. bb) Nutzungsüberlassungsvertrag zwischen Erben und dem bisherigen Pächter
6.33 Diese im Gesetz nicht geregelte Gestaltung scheint möglich, hat aber die zusätzliche Schwierigkeit, dass sich das Büro des Installationsbetriebes im Wohngebäude des verstorbenen Verpächters befindet und dass eine Betriebsverpachtung nur in Betracht kommt, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einschließlich der Büroräume von dem Pächter benutzt werden können. Das gesamte Wohngebäude befindet sich im notwendigen Privatvermögen des bisherigen Verpächters und ist somit
1 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227.
788 Spiegelberger
B. Steuerrechtliche Behandlung
Rz. 6.41 Kap. 6
nicht Betriebsvermögen. Die Einbeziehung der Büroräume im Wohnhaus der Alleinerbin ist eine besondere Hürde.
6.34–6.39
Einstweilen frei. II. Einkommensteuer 1. Immobilien im steuerlichen Privatvermögen
Einkommensteuerrechtlich werden Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem (zivilrecht- 6.40 lichen) Eigentümer zugerechnet (§ 39 Abs. 1 AO). Abweichend von der zivilrechtlichen Situation wird nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO jedoch derjenige als „Eigentümer“ angesehen, dem das wirtschaftliche Eigentum zusteht; kennzeichnend für den wirtschaftlichen Eigentümer ist, dass er die tatsächliche Herrschaft über das maßgebliche Wirtschaftsgut in einer Weise ausübt, mit der er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Liegt ein solcher Fall vor, ist das Wirtschaftsgut dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen; auf das zivilrechtliche Eigentum kommt es dann nicht an. 2. Mustervertrag des Bundesministeriums für Wirtschaft Das wirtschaftliche Eigentum des Dauerwohnberechtigten wird von der Finanzver- 6.41 waltung ohne weitere Überprüfung anerkannt, wenn sich das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht nach dem Mustervertrag über die Bestellung eines eigentumsähnlichen Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts des Bundesministeriums für Wohnungsbau richtet1. Die Orientierung an diesem Vertragsmuster empfiehlt sich in der Praxis jedoch nicht, da es zahlreiche überflüssige und umständliche Regelungen enthält. Damit stellt sich die Frage, welche Mindestanforderungen zu stellen sind, damit das wirtschaftliche Eigentum anerkannt wird2. M.E sind diese Anforderungen erfüllt, wenn sich – das Rechtsverhältnis von Dauerwohnberechtigtem zu Grundstückseigentümer im Grundsatz nach den Bestimmungen des WEG richtet, – das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht veräußerlich und vererblich ist und – bei Beendigung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts bzw. Heimfall eine angemessene Entschädigung für den Wert des Gebäudes gezahlt wird.
1 Bundesbaublatt 1956, 615; aufzurufen bspw. über https://datenbank.nwb.de/Dokument/ 168431/; siehe ferner Mannek in Stenger/Loose, § 93 BewG Rz. 22; Lotter, MittBayNot 1999, 354 ff.; BFH v. 1.10.1997 – X R 91/94, BStBl. II 1998, 203 = ZfIR 1998, 229; OFD Erfurt, DStR 1999, 2123. 2 Vgl. BFH v. 22.10.1985 – IX R 48/82, BStBl. II 1986, 258 = DStR 1986, 163 = MittBayNot 1986, 104; v. 12.4.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9; v. 14.2.2001 – X R 127/96, BFH/NV 2001, 1108; Staudinger/Spiegelberger, Anh. § 42 WEG Rz. 3 f.
Spiegelberger
789
Kap. 6 Rz. 6.42 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
3. Vorbehaltenes Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
6.42 Wird das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht als Ersatz für einen Nießbrauch bestellt, kann es im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge als vorbehaltenes Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht eingesetzt werden. Der Vorbehalt des Dauerwohn-/ Dauernutzungsrechts stellt dann keine entgeltliche Gegenleistung des Übernehmers an den Übergeber dar. Hinsichtlich der steuerlichen Gegebenheiten sind die Regelungen des Nießbrauchserlasses1 entsprechend anzuwenden. 4. Mietähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
6.43 Wird einem Dritten ein „einfaches“ (d.h. mietähnliches, s. Rz. 6.20) Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht unentgeltlich an einer Immobilie im steuerlichen Privatvermögen eingeräumt, ist der Dauerwohnberechtigte nicht zur Geltendmachung von AfA befugt. Wird hingegen ein eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht unentgeltlich übertragen, ist § 11d EStDV einschlägig: Danach tritt der unentgeltliche Rechtsnachfolger hinsichtlich des wirtschaftlichen Eigentums an dem Gebäude an die Stelle des bisherigen wirtschaftlichen Eigentümers. Die AfA des Rechtsvorgängers wird vom unentgeltlichen eigentumsähnlichen Dauerwohnberechtigten fortgesetzt; es reicht insoweit aus, dass der Rechtsvorgänger die Aufwendungen selbst getragen hat. 5. Entgeltlicher Erwerb
6.44 Erwirbt der Dauerwohnberechtigte das Recht entgeltlich, so erzielt der Grundstückseigentümer hieraus hinsichtlich des Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG (s. allg. Rz. 1.807 ff.). Dies gilt nach h.M. nicht nur für den Fall der monatlich oder jährlich wiederkehrenden Zahlungen, sondern ebenfalls für den Fall der Einmalzahlung2. Insoweit ist § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG entsprechend anzuwenden, so dass der Grundstückseigentümer befugt ist, den Zufluss des Einmalbetrages auf die voraussichtliche Dauer des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts zu verteilen. Soweit der Kaufpreis hingegen Gegenleistung für die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums am Gebäude ist, fällt dies nicht unter § 21 EStG. 6. Erstmalige Bestellung
6.45 Die erstmalige Bestellung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts ist in jedem Fall unproblematisch, unabhängig von der Frage, ob man das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht als grundstückgleiches Recht ansehen will. Denn die erstmalige Einräumung stellt keine Veräußerung eines vorher angeschafften Wirtschaftsgutes dar.
1 Vgl. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004, BStBl. I 2013, 1184. 2 Vgl. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004, BStBl. I 2013, 1184, Tz. 28; vgl. dazu Küster, NWB Fach 3, S. 9983.
790 Spiegelberger
B. Steuerrechtliche Behandlung
Rz. 6.52 Kap. 6
7. Entgeltliche Anschaffung Wird jedoch ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht, das (auch) zur Erzielung von 6.46 Einkünften genutzt wird, entgeltlich angeschafft, ist dessen Veräußerung innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren – bei Anschaffung ab 1.1.2009 – steuerpflichtig (s. näher Rz. 12.6). Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Frist für steuerpflichtige Veräußerungsgeschäfte mit anderen Wirtschaftsgütern als Grundstücken, die aber zumindest in einem Jahr Einkünfte abwerfen, auf zehn Jahre verlängert. Damit entfällt bei ertragbringenden Dauerwohn-/Dauernutzungsrechten die bisher relevante Abgrenzung zwischen Grundstücken und anderen Wirtschaftsgütern. In Sonderfällen hat die Rechtsprechung auch ein gewerbliches Handeln mit Dauerwohn-/Dauernutzungsrechten für möglich gehalten1.
6.47–6.50
Einstweilen frei. III. Verkehrssteuern 1. Grunderwerbsteuer (Grunderwerbsteuerfreiheit)
Ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht ist kein Grundstück i.S.d. Grunderwerbsteu- 6.51 errechts, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Danach sind sowohl die erstmalige Bestellung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts als auch spätere Übertragungen des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts grunderwerbsteuerfrei2. Durch die Bestellung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts tritt grundsätzlich auch keine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG ein3. 2. Umsatzsteuer (Umsatzsteuerfreiheit) Gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. c UStG ist die Bestellung, Übertragung und Über- 6.52 lassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Diese Regelung erfasst auch die entgeltliche Einräumung oder Übertragung von Dauerwohn-/Dauernutzungsrechten i.S.d. § 31 WEG4.
1 Z.B. BFH v. 28.1.1988 – IV R 2/85, BFH/NV 1989, 580: Errichtung eines Gebäudes mit 19 Wohnungen, Anbieten aller Wohnungen zum Erwerb als Dauerwohnrecht mit Kaufoption gegen Zahlung von Einmalentgelten für Wohnung und Grundstücksanteil im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, Übertragung von 14 Dauerwohnrechten mit sich anschließender Aufteilung des Gebäudes in Eigentumswohnungen und deren Übertragung auf die Inhaber der Dauerwohnrechte. 2 FG München v. 21.2.2020 – 4 K 3105/18, MittBayNot 2020, 523; Lieber in Behrens/Wachter2, § 2 GrEStG, Rz. 80; Pahlke6, § 2 GrEStG Rz. 63. 3 Staudinger/Spiegelberger, Anh. zu § 42 WEG Rz. 18. 4 Abschn. 4.12.8 Abs. 1 UStAE; BMF v. 21.1.2016 – III C 3-S 7168/08/10001, BStBl. I 2016, 150 (151).
Spiegelberger
791
Kap. 6 Rz. 6.53 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
IV. Erbschaftsteuer 1. Umfang der Steuerpflicht
6.53 Erbschaftsteuerrechtlich ist u.E. danach zu unterscheiden, ob das Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht eigentumsähnlich ausgestaltet ist. Nur in diesem Fall kann der Vorbehalt des Nutzungsrechtes auch eine Minderung der Bemessungsgrundlage darstellen, da das Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht folgt1 und das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht zivilrechtlich stets ein bloßes Nutzungsrecht ist. 6.54 Da bei der Zuwendung eines eigentumsähnlichen Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts das Eigentum am Gebäude und am unbebauten Grundstück auseinanderfällt, ist dies bei der Bewertung nach § 195 BewG zu berücksichtigen2. Der Gesamtwert der Gebäude ist entsprechend dem Verhältnis vom Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht zu den übrigen Räumen aufzuteilen. 2. Mietähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
6.55 Ist das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht nicht eigentumsähnlich ausgestaltet, betrachtet man erbschaftsteuerlich das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht als bloßes Nutzungsrecht; daher erfolgt die Bewertung nach §§ 13, 16 BewG anhand des kapitalisierten Nutzungswertes. Der Erwerber hat hinsichtlich der Versteuerung wiederkehrender Nutzungen das Wahlrecht nach § 23 ErbStG. Danach besteht für den Erben bzw. Beschenkten das Recht, die Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert der Nutzungen oder als Jahressteuer nach dem jeweiligen Jahreswert zu versteuern3. 3. Gebäude auf fremdem Grund und Boden
6.56 Nach § 184 BewG4 sind bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden die Werte für die wirtschaftliche Einheit des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden und die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks gesondert zu ermitteln. Bei der Wertermittlung sind neben dem Bodenwert und dem Gebäudewert die Höhe des Pachtzinses und die Restlaufzeit des Nutzungsrechts angemessen zu berücksichtigen. Maßgeblich ist stets die Ermittlung des gemeinen Wertes. 6.57–6.59 Einstweilen frei.
1 Grundlegend Crezelius, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 1979. 2 Vgl. zu den daraus bisher folgenden verfassungsrechtlichen Bedenken BFH v. 23.10.2002 – II B 153/01, BStBl. II 2003, 118 = BFH/NV 2003, 235 = DStRE 2003, 229 = DB 2003, 373. Seit dem 1.1.2007 sind diese Probleme durch die Neufassung der §§ 148, 148a BewG gemildert worden. 3 Leiß in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 5 Rz. 109. 4 Regierungsentwurf v. 11.12.2007, BR-Drucks. 4/08.
792 Spiegelberger
C. Vertragsgestaltung: Bestellung
Rz. 6.62 Kap. 6
C. Vertragsgestaltung: Bestellung eines Dauerwohn- oder Dauernutzungsrechts I. Vertragliche Regelung 1. Laufzeit Zivilrechtlich besteht keine Mindest- oder Höchstdauer für die Bestellung eines 6.60 Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts; vgl. aber Rz. 6.20. Dieses kann beispielsweise für nur ein Jahr, genauso gut aber auch zeitlich unbegrenzt bestellt werden (vgl. auch § 41 Abs. 1 WEG). Für langfristige Dauerwohn-/Dauernutzungsrechte – das sind solche, die für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren oder zeitlich unbegrenzt eingeräumt werden – gelten nach § 41 WEG besondere Bestimmungen. Hierfür ist insbesondere eine Versteigerungssicherung im Hinblick auf vorrangig eingetragene Grundpfandrechte vorgesehen. Nach § 41 Abs. 2 WEG ist der Eigentümer dem Dauerwohnberechtigten verpflich- 6.61 tet, eine dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht im Rang vorgehende oder gleichstehende Hypothek oder Grundschuld1 für den Fall löschen zu lassen, dass sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt. Der Dauerwohnberechtigte kann auch die Eintragung einer entsprechenden Löschungsvormerkung in das Grundbuch verlangen2. Die Bestimmung des § 41 Abs. 2 WEG ist abdingbar3. Die Vormerkungswirkung, die vor verbotswidrigen Verfügungen schützt (§ 883 Abs. 2 BGB) tritt nicht automatisch ein, sondern nur, wenn der Dauerwohnberechtigte tatsächlich die Löschungsvormerkung zur Eintragung ins Grundbuch bringt4. 2. Zwingender Inhalt Bei langfristigen Dauerwohn-/Dauernutzungsrechten ist im Übrigen als zwingender 6.62 Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts eine angemessene Entschädigung zu gewähren, wenn vom Heimfallanspruch Gebrauch gemacht wird. Diese Regelung ist unabdingbar5. Die Frage der Angemessenheit hängt vom Einzelfall ab, insbesondere von der Frage, ob laufende Zahlungen oder auch ein Einmalbetrag gezahlt worden ist, wer die dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten errichtet hat und wie lang das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht bis zum Heimfall gelaufen ist. So kann nach h.M. auch eine Festsetzung des Entgeltes auf
1 Im Wortlaut des Gesetzes findet sich die Grundschuld nicht wieder; daher ist die entsprechende Anwendbarkeit strittig; vgl. Grüneberg/Wicke81, § 41 WEG Rz. 2. 2 Staudinger/Spiegelberger, § 41 WEG Rz. 4. 3 Soergel/Stürner, § 41 WEG Rz. 2; Staudinger/Spiegelberger, § 41 WEG Rz. 7. 4 Staudinger/Spiegelberger, § 41 WEG Rz. 5. 5 BGH v. 23.4.1958 – V ZR 99/57, BGHZ 27, 158; Staudinger/Spiegelberger, § 41 WEG Rz. 10; Weitnauer/Hauger9, § 41 WEG Rz. 1.
Spiegelberger
793
Kap. 6 Rz. 6.62 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
null Euro im Einzelfall als angemessen angesehen werden1. Das Grundbuchamt hat insoweit grds. keine Prüfungspflicht2. II. Dinglicher Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts 1. Allgemeiner Regelungsinhalt a) Vererbung und Übertragung
6.63 Nach § 33 Abs. 1 WEG ist ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht stets veräußerlich und vererblich. Der Ausschluss der Veräußerlichkeit oder Vererblichkeit kann nicht wirksam vereinbart werden3. Für die Beendigung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts kann ein fester Zeitpunkt vereinbart werden. Mit Ablauf dieses Zeitpunktes erlischt das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht. b) Befristung aber keine Bedingung
6.64 Unter einer Bedingung kann ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht hingegen nicht bestellt werden, § 33 Abs. 1 Satz 2 WEG. Dementsprechend ist es auch nicht möglich, das Erlöschen des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts für den Fall zu vereinbaren, dass der Dauerwohnberechtigte das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht an fremde Dritte veräußert. Eine Befristung hingegen ist zulässig4. Im Gegensatz zur Bedingung ist der Eintritt des Ereignisses bei der Befristung sicher, lediglich der Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses noch ungewiss. Aus diesem Grunde kann nach wohl h.M. ein Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht auch mit dem Eintritt des Todes des Dauerwohnberechtigten erlöschen. Denn dessen Tod ist kein ungewisses Ereignis und damit keine Bedingung; vielmehr handelt es sich um eine Zeitbestimmung (Befristung)5. Auf diese Art und Weise kann zumindest teilweise sichergestellt werden, dass das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht nicht auf fremde Dritte übergeht. c) Genehmigungsvorbehalt
6.65 Zu diesem Zweck ist es auch üblich und nach § 35 WEG zulässig, dass der Dauerwohnberechtigte zur Veräußerung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts der Zustimmung des Eigentümers oder eines Dritten bedarf. Insoweit gelten die Bestimmungen des § 12 WEG entsprechend. Danach kann die Zustimmung durch den Grundstückseigentümer oder den Dritten nur aus wichtigem Grund versagt werden. Ein vollständiger Überfremdungsschutz kann daher durch § 35 WEG nicht er-
1 2 3 4 5
Weitnauer/Hauger9, § 41 WEG Rz. 3. Staudinger/Spiegelberger, § 41 WEG Rz. 12. Staudinger/Spiegelberger, § 35 WEG Rz. 2. Grüneberg/Wicke81, § 33 WEG Rz. 2. Münchener Kommentar/Krafka7, § 33 WEG Rz. 2; BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, BGHZ 52, 269 zum Erbbaurecht; Grüneberg/Wicke81, § 33 WEG Rz. 2; a.A. Böttcher, MittBayNot 1993, 129.
794 Spiegelberger
C. Vertragsgestaltung: Bestellung
Rz. 6.68 Kap. 6
reicht werden. Diese normative Wertung des § 35 i.V.m. § 12 WEG kann nach h.M. nicht durch die Vereinbarung eines Heimfallgrundes für jeden Fall der Veräußerung außer an den Ehegatten oder leibliche Abkömmlinge ausgehöhlt werden1. Anders als § 5 Abs. 2 ErbbauRG gestattet § 35 WEG lediglich einen Zustimmungsvorbehalt für den Fall der Veräußerung, nicht aber für jeden Fall der Verfügung. Belastungen des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts, insbesondere durch Verpfändung, können nicht dinglich an die Zustimmung des Grundstückseigentümers geknüpft werden2. d) Mitbenützung durch Dritte Auch ohne nähere Vereinbarung ist der Dauerwohnberechtigte befugt, die zum ge- 6.66 meinschaftlichen Gebrauch bestimmten Teile des Gesamtgrundstücks, ebenso solche Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes und Grundstückes mitzubenutzen, soweit nichts anderes vereinbart ist3. Soll also der Dauerwohnberechtigte von der Nutzung bestimmter Grundstücksteile, beispielsweise des Gartens ausgeschlossen sein, so bedarf es insoweit einer ausdrücklichen Vereinbarung als Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts. Entsprechende Vereinbarungen sind möglich und zulässig. e) Grundbucheintragung Gemäß § 32 Abs. 3 WEG soll das Grundbuchamt das Dauerwohn-/Dauernutzungs- 6.67 recht nur dann eintragen, wenn über die nach § 33 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 WEG bezeichneten Angelegenheiten, über die Voraussetzungen des Heimfallanspruches nach § 36 Abs. 1 WEG und über die Entschädigung beim Heimfall Vereinbarungen getroffen sind. Da es sich lediglich um eine Sollvorschrift für das Grundbuchamt handelt, steht das Fehlen entsprechender Regelungen der Wirksamkeit eines dennoch im Grundbuchamt eingetragenen Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts nicht entgegen4. Das Grundbuchamt ist jedoch verpflichtet, jedes Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht auf die Existenz entsprechender Vereinbarungen zu überprüfen. Es handelt sich insoweit bei den Bestimmungen i.S.d. § 32 Abs. 3 WEG um zwingende Vereinbarungen eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts. f) Nutzungen und Lastentragung Gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 1 WEG sind demnach Regelungen zu Art und Umfang der 6.68 Nutzungen zu treffen. Ferner sind Regelungen zu Instandhaltung und Instandsetzung der dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht unterliegenden Gebäudeteile zu treffen (Nr. 2).
1 2 3 4
Münchener Kommentar/Krafka7, § 35 WEG Rz. 1; Weitnauer/Hauger9, § 35 WEG Rz. 1. Staudinger/Spiegelberger, § 35 WEG Rz. 2. Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 44. Weitnauer/Hauger9, § 32 WEG Rz. 8; Grüneberg/Wicke81, § 32 WEG Rz. 2.
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Kap. 6 Rz. 6.69 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
6.69 Ebenso sind nach § 33 Abs. 4 Nr. 3 WEG Regelungen zur Pflicht des Dauerwohnberechtigten zur Tragung öffentlicher und privatrechtlicher Lasten des Grundstücks zu treffen. Möglich ist insoweit auch eine Regelung, wonach der Dauerwohnberechtigte keinerlei Pflicht zur Lastentragung hat1. 6.70 Aus steuerlichen Gründen wird dies aber in der Regel nicht sinnvoll sein; vielmehr sollten die Verhältnisse insoweit zwischen dem Dauerwohnberechtigten und dem Grundstückseigentümer den Verhältnissen von Wohnungseigentümern nachgebildet sein. Danach sollte der Dauerwohnberechtigte hinsichtlich der seinem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten wie ein Sondereigentümer alle darauf entfallenden Lasten zu tragen haben. 6.71 Zur Tragung von Tilgung und Zinsen von am Grundbesitz abgesicherten Verbindlichkeiten sollte der Dauerwohnberechtigte grundsätzlich nicht verpflichtet sein, es sei denn, das Grundpfandrecht und die Darlehen sind wirtschaftlich für seine Rechnung aufgenommen worden. g) Wiederaufbau und Versicherung
6.72 Schließlich ist gem. § 33 Abs. 4 WEG als dinglicher Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts eine Regelung zur Versicherung des Gebäudes und zum Wiederaufbau im Fall der Zerstörung zu treffen. Eine Verpflichtung zum Wiederaufbau besteht ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht2. Empfehlenswert ist eine Wiederaufbauverpflichtung nur insoweit, als zumindest ein bestimmter Prozentsatz von beispielsweise 75 % durch eine Versicherung gedeckt ist3. Eine entsprechende Vereinbarung könnte auch getroffen werden für den Fall eines anderweitigen Ersatzanspruchs i.H.v. mindestens einem bestimmten Prozentsatz der Wiederaufbaukosten. Eine Wiederaufbaupflicht in anderen Fällen würde den Grundstückseigentümer regelmäßig überfordern. Die Versicherungspflicht des Gebäudes steht im freien Belieben der Vereinbarung der Beteiligten4. h) Sicherheitsleistung
6.73 Die Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheitsleistung zugunsten des Grundstückseigentümers kann gem. § 33 Abs. 4 Nr. 5 WEG als Inhalt des Dauerwohn-/ Dauernutzungsrechts vereinbart werden. Eine Verpflichtung besteht hierzu jedoch nicht. Insoweit handelt es sich nicht um zwingend notwendigen Inhalt eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts.
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Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 33. Grüneberg/Wicke81, § 33 WEG Rz. 5. Vgl. Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 34. Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 34.
796 Spiegelberger
C. Vertragsgestaltung: Bestellung
Rz. 6.75 Kap. 6
2. Heimfall und Entschädigung a) Heimfall Ein Kernpunkt der Regelung eines jeden Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts sind die 6.74 Vereinbarungen über den Heimfall, geregelt in § 36 WEG. Der Heimfall tritt nicht automatisch ein, sondern stellt lediglich ein Gestaltungsrecht des Grundstückseigentümers dar. Er kann den Heimfallanspruch geltend machen, muss dies aber nicht. Die Ausübung des Heimfalls führt nicht zum Erlöschen des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts, sondern zur Übertragung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts auf den Grundstückseigentümer bzw. auf einen vom Grundstückseigentümer zu benennenden Dritten1. b) Entschädigung Das Gesetz bestimmt keine Fälle, in denen ein Heimfallanspruch vorzusehen ist oder 6.75 nicht vorgesehen werden darf. Daher können grundsätzlich die Heimfallgründe in den nachfolgenden Grenzen frei vereinbart werden. Die Vereinbarung eines Heimfallanspruchs ohne jegliche weitere Voraussetzung im freien Belieben des Grundstückseigentümers ist jedoch unzulässig2. Insbesondere folgende Gründe können und werden häufig als Heimfallgründe vereinbart3: – Verstöße gegen schuldrechtliche Nebenvereinbarungen, wie regelmäßige oder einmalige Zahlungsverpflichtungen; – Verpflichtungen gegen Instandsetzungs- und Instandhaltungsvereinbarungen; – Verstöße gegen Nutzungsvereinbarungen oder die Einhaltung einer Hausordnung; – grobe Verletzung nachbarrechtlicher Pflichten; – die Vornahme baulicher Veränderungen an den Gebäuden ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers; – Tod des Dauerwohnberechtigten oder des Grundstückseigentümers4; – allgemein das Vorliegen eines wichtigen Grundes; – Zwangsvollstreckung in das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht, Verpfändung oder sonstiger Belastung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers; – Insolvenz des Dauerwohnberechtigten5; 1 Münchener Kommentar/Krafka7, § 36 WEG Rz. 2; Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 2 f. 2 Weitnauer/Hauger9, § 36 WEG Rz. 8 (implizit). 3 Vgl. Münchener Kommentar/Krafka7, § 36 WEG Rz. 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3009. 4 Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 6. 5 Ein solcher Heimfallanspruch für den Fall der Pfändung oder Insolvenz wird jedoch nicht als vollstreckungs- bzw. insolvenzfest angesehen werden können, es sei denn, er wäre durch
Spiegelberger
797
Kap. 6 Rz. 6.75 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
– wenn Gründe vorliegen, die beim Wohnungseigentum zur Entziehung gem. § 18 WEG berechtigen, oder wenn Gründe vorliegen, die im Fall eines Mietvertrages zur Auflösung des Mietverhältnisses oder zur Kündigung berechtigen würden. c) Heimfalleinschränkung
6.76 In Teilen der Literatur wird vertreten, es sei unzulässig, den Heimfall für jeden Fall der Veräußerung vorzusehen1; dies verstoße gegen den Grundsatz der freien Veräußerlichkeit des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts. U.E. wird die Verkehrsfähigkeit von Dauernutzungsrechten durch Heimfallansprüche nicht unangemessen beeinträchtigt. Bei einer Veräußerung an andere Personen als Ehegatten oder Abkömmlinge ist ein Heimfall in jedem Fall gerechtfertigt2. Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, dass auch bei Vereinbarungen konkreter Heimfallgründe der Heimfall nur dann ausgeübt werden könne, wenn der eingetretene Sachverhalt im Einzelfall einen wichtigen Grund darstellt3. Diese Ansicht ist abzulehnen. Es muss klar geregelt sein, unter welchen Voraussetzungen ein Heimfall geltend gemacht werden kann4. Mit der gegenteiligen, von Pick vertretenen Ansicht ist es nicht vereinbar, dass der BGH die Ausübung des Heimfalls auch dann zugelassen hat, wenn die Vertragsverletzung beseitigt und die den Heimfall auslösende Handlung zwischenzeitlich nachgeholt worden ist5. d) Pfändung und Insolvenz
6.77 Für den Fall der Pfändung und Insolvenz wird die Begründung eines Heimfallanspruchs dann als unzulässig angesehen, wenn nicht gleichzeitig ein Entschädigungsanspruch vereinbart wird, der einen gleichwertigen Ersatz für das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht darstellt6. Dem ist so in der Allgemeinheit jedoch nicht zuzustimmen. Unzulässig sind lediglich Vereinbarungen, die den Entschädigungs-
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Vormerkung im Grundbuch zugunsten des Grundstückseigentümers gesichert, § 106 InsO. Vgl. Münchener Kommentar/Krafka7, § 36 WEG Rz. 3; Grziwotz in: Erman BGB20, § 35 WEG Rz. 1; Weitnauer/Hauger9, § 36 WEG Rz. 8; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3009; a.A. J. Mayer, DNotZ 2003, 908 (930); Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 7 (zumindest bei Veräußerung an andere Personen als Ehegatten oder Abkömmlinge). Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 7. Grziwotz in: Erman BGB20, § 35 WEG Rz. 1; Keil in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 36 WEG (Stand: 01.07.2020) Rz. 9; a.A. Staudinger/ Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 5. Dementsprechend erwähnen die meisten Autoren eine entsprechende Beschränkung bei der Ausübung des Heimfalls nicht, vgl. Münchener Kommentar/Krafka7, § 36 WEG Rz. 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3009. BGH v. 29.1.1988 – V ZR 271/86, NJW-RR 1988, 715. Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 19.
798 Spiegelberger
C. Vertragsgestaltung: Bestellung
Rz. 6.81 Kap. 6
anspruch gezielt nur für den Fall von Insolvenz oder Zwangsversteigerung herabsetzen1. e) Eigenbedarf Auch der Eigenbedarf des Eigentümers im mietrechtlichen Sinne kann als Heimfallgrund nach h.M. vereinbart werden2.
6.78
f) Mieterschutz Auch wenn die Heimfallgründe frei vereinbart werden können, hat der Gesetzgeber 6.79 für die Ausübung entsprechender Heimfallgründe eine Beschränkung in Fällen des Mieterschutzes angeordnet, § 36 Abs. 2 WEG. Bezieht sich daher das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht auf Räume, die dem Mieterschutz unterliegen, so kann der Grundstückseigentümer vom Heimfallanspruch nur Gebrauch machen, wenn ein Grund vorliegt, aus dem ein Vermieter die Aufhebung des Mietverhältnisses verlangen oder das Mietverhältnis kündigen könnte, § 36 Abs. 2 WEG3. Unter Mieterschutz sind diejenigen Fälle zu fassen, in denen bei fiktiver Vereinbarung eines Mietvertrages anstelle des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts die §§ 573 ff. BGB anwendbar wären4. g) Heimfallvormerkung? Umstritten ist, ob die Ausübung des Heimfallanspruchs automatisch mit Vormer- 6.80 kungswirkung versehen ist5. Eine gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Nach wohl h.M. tritt die Vormerkungswirkung (erst) mit Geltendmachung des Heimfallanspruchs ein6. Soll der Heimfallanspruch durch eine Vormerkung mit früherem Sicherungszeitpunkt gesichert werden, so wäre ein aufschiebend bedingter schuldrechtlicher Rückübertragungsanspruch an den Grundstückseigentümer zu vereinbaren, der bereits bei Bestellung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts durch eine Vormerkung im Grundbuch gesichert werden könnte. h) Entschädigungsanspruch beim Heimfall Zur Vereinbarung von Heimfallgründen gehört stets auch die Vereinbarung eines 6.81 Entschädigungsanspruchs. Bei langfristigen Dauerwohn-/Dauernutzungsrechten sind hier gem. § 41 WEG strenge Grenzen gezogen. Die Vereinbarung muss stets an1 Vgl. zum Gesellschaftsrecht BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, DStR 2000, 1443 = NJW 2000, 2819; zum Erbbaurecht BGH v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, DNotZ 2007, 682. 2 Vandenhouten in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten13, § 36 WEG Rz. 16. 3 Für Ausübungsbeschränkung BGH v. 23.4.1958 – V ZR 99/57, BGHZ 27, 158. 4 Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 11. 5 Verneinend: Grüneberg/Wicke81, § 36 WEG Rz. 2; bejahend: Mayer, DNotZ 2003, 908, 928. 6 Staudinger/Spiegelberger, § 36 WEG Rz. 14, m.w.N.
Spiegelberger
799
Kap. 6 Rz. 6.81 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
gemessen sein und kann insoweit gerichtlich beim Heimfall überprüft werden. Im Übrigen bestehen keine gesetzlichen Beschränkungen. Die Abfindung kann grundsätzlich auch vollständig ausgeschlossen werden; üblicherweise werden Schiedsgutachterklauseln sowie eine Festlegung der Bewertungsmethode vereinbart1. 3. Insolvenz- und Versteigerungssicherung a) Schutz des Nutzungsberechtigten gem. § 39 WEG
6.82 Ein wichtiges Gestaltungsproblem beim Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht betrifft schließlich die Insolvenz- und Versteigerungssicherung. Im Gegensatz zum Erbbaurecht muss das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht nicht an erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen werden. Häufig gehen dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht daher Reallasten oder Grundpfandrechte vor, die im Falle der Zwangsvollstreckung zum Erlöschen des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts führen können. Aus diesem Grund kann gem. § 39 WEG als Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts vereinbart werden, dass das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks abweichend von § 44 ZVG bestehen bleiben soll, wenn der Gläubiger einer dem Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht im Rang vorgehenden oder gleichstehenden Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast die Zwangsversteigerung in das Grundstück betreibt. 6.83 Die Vereinbarung bedarf zur Wirksamkeit der Zustimmung der vorrangigen Rechtsinhaber. Die Vereinbarung nach § 39 WEG ist sowohl beim Dauerwohn-/ Dauernutzungsrecht als auch beim vorgehenden Recht zu vermerken2. In der Praxis besteht insoweit regelmäßig das Problem, dass vorgehende Gläubiger der entsprechenden Vereinbarung nicht zuzustimmen bereit sind. Dann stellt sich die Frage des Grundbuchvollzuges: anerkannt ist, dass trotz fehlender Zustimmung das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen werden muss. In diesem Fall ist im Grundbuch darauf hinzuweisen, welche vorgehenden Gläubiger nicht zugestimmt haben3. b) Eingeschränkter Schutz
6.84 Der Schutz des Dauerwohnberechtigten greift gem. § 39 Abs. 3 WEG nur ein, wenn der Dauerwohnberechtigte im Zeitpunkt der Feststellung der Versteigerungsbedingungen seine fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Grundstückseigentümer erfüllt hat, § 39 Abs. 3 WEG. Gegenüber Gläubigern, die die Zwangsversteigerung aus Rechten gem. § 10 Nr. 1 bis 3 ZVG betreiben, schützt eine Vereinbarung i.S.d. § 39 WEG nicht4.
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Münchener Kommentar/Krafka7, § 36 WEG Rz. 6. Staudinger/Spiegelberger, § 39 WEG Rz. 8. Vgl Staudinger/Spiegelberger, § 39 WEG Rz. 7. Grüneberg/Wicke81, § 39 WEG Rz. 1.
800 Spiegelberger
C. Vertragsgestaltung: Bestellung
Rz. 6.91 Kap. 6
III. Schuldrechtliche Vereinbarungen 1. Zahlungsverpflichtungen Zusätzlich zu dem dinglichen Inhalt eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts werden 6.85 regelmäßig schuldrechtliche Vereinbarungen getroffen. Diese betreffen insbesondere das schuldrechtliche Grundverhältnis zur Bestellung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts. Dem liegt üblicherweise eine Schenkung oder ein Rechtskauf zugrunde, § 453 BGB. In diesem Zusammenhang werden auch die einmaligen oder mehrfach wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen geregelt; diese können nicht zum dinglichen Inhalt des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts gemacht und nicht durch eine Reallast gem. § 1105 BGB gesichert werden. 2. Verpfändung Eine Verpfändung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts zugunsten des Grund- 6.86 stückseigentümers zur Absicherung der Zahlungsverpflichtungen ist hingegen möglich. Im Übrigen erfolgt die Absicherung in der Regel durch Vereinbarung des Heimfalles für den Fall der Nichtbegleichung. Mietrechtliches Gewährleistungsrecht findet grundsätzlich auf die Einräumung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts keine Anwendung1.
6.87–6.89
Einstweilen frei. IV. Veräußerung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts 1. Rechtskauf gem. § 453 BGB
Die Veräußerung eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts ist Rechtskauf gem. § 453 6.90 BGB. Danach finden die Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten entsprechende Anwendung. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 453 Abs. 2 BGB trägt grundsätzlich der Käufer die Kosten der Begründung und Übertragung des Rechts. Diese Bestimmung entspricht nicht der üblicherweise vereinbarten Lastenverteilung. Sie ist regelmäßig abzubedingen. Ungeklärt ist bisher der Lauf der Verjährungsfristen bei Veräußerung von Rechten2. Beim Verkauf eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts findet auch § 453 Abs. 3 BGB Anwendung. 2. Übergang des Rechtsverhältnisses gem. § 38 Abs. 1 WEG Als spezielle Vorschrift für die Veräußerung von Dauerwohn-/Dauernutzungsrech- 6.91 ten bestimmt § 38 Abs. 1 WEG, dass der Erwerber anstelle des Veräußerers in die sich während der Dauer seiner Berechtigung aus dem Rechtsverhältnis zu dem Eigentümer ergebenden Verpflichtungen eintritt. Der dingliche Inhalt des Dauer-
1 Staudinger/Spiegelberger, § 31 WEG Rz. 16, 44. 2 Vgl. dazu Eidenmüller, NJW 2002, 1625 ff.; Wälzholz, DStR 2002, 500 f.
Spiegelberger
801
Kap. 6 Rz. 6.91 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
wohn-/Dauernutzungsrechts geht selbstverständlich aufgrund der Grundbucheintragung auf den Erwerber eines Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts über. Die Bedeutung des § 38 Abs. 1 WEG besteht in Erweiterung dieses Grundsatzes, dass der Erwerber auch in bloß schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Grundstückseigentümer und Dauerwohnberechtigtem eintritt1. Umstritten ist, ob dies auch für solche schuldrechtlichen Vereinbarungen gilt, die zum dinglichen Inhalt des Dauerwohn-/ Dauernutzungsrechts hätten gemacht werden können, jedoch lediglich schuldrechtlich vereinbart wurden; ein gutgläubiger Erwerb ist grundsätzlich ausgeschlossen2. 3. Veräußerung des Grundstücks
6.92 Den umgekehrten Fall der Veräußerung des Grundstücks regelt § 38 Abs. 2 WEG. Wird ein vermietetes Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht veräußert, so gelten die Mieterschutzvorschriften der §§ 566 ff. BGB nach § 37 Abs. 2 WEG entsprechend. 4. Veräußerung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts
6.93 Die Veräußerung des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts kann unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgen3. Die Absicherung des Erwerbers bzw. Verkäufers kann jedoch wie beim regulären Grundstückskaufvertrag auch durch Eintragung einer Vormerkung auf Erwerb des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts erfolgen. In diesem Fall bestehen keine Besonderheiten gegenüber der Abwicklung eines regulären Grundstückskaufvertrages. Es kann insoweit wiederum die übliche Bewilligungslösung4 gewählt werden. Ebenso könnte die Einigung über den Rechtsübergang ausgesetzt werden, bis der vollständige Kaufpreis beglichen ist. 5. Schuldrechtliches Vorkaufsrecht
6.94 Besondere Vorkaufsrechte sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ein Vorkaufsrecht am Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht kann nicht als dingliches Vorkaufsrecht gem. § 1094 BGB begründet werden5, wohl aber als schuldrechtliches Vorkaufsrecht mit Eintragung einer Vormerkung für den bedingten Anspruch. Ein Vorkaufsrecht am Grundstück zugunsten des Dauerwohnberechtigten kann nach § 1094 Abs. 1 BGB bestellt werden (subjektiv-persönlich). Die Bestellung eines subjektiv dinglichen Vorkaufsrechts am Grundstück gem. § 1094 Abs. 2 BGB zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Dauerwohn-/Dauernutzungsrechts kann hingegen
1 Staudinger/Spiegelberger, § 38 WEG Rz. 3; Weitnauer/Hauger9, § 38 WEG Rz. 7. 2 Einerseits gegen Anwendung des § 38 WEG in diesen Fällen Weitnauer/Hauger9, § 38 WEG Rz. 5; dagegen für Anwendung des § 38 WEG auch in diesen Fällen Staudinger/Spiegelberger, § 38 WEG Rz. 6; Soergel/Stürner, § 38 WEG Rz. 4; Grüneberg/Wicke81, § 38 WEG Rz. 1. 3 Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 21. 4 Vgl. Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, Rz. 506 ff. 5 Staudinger/Spiegelberger, § 33 WEG Rz. 15.
802 Spiegelberger
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
Rz. 6.102 Kap. 6
nicht bestellt werden, da das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht insoweit kein Grundstück, sondern nur eine Dienstbarkeit ist.
6.95–6.99
Einstweilen frei.
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht I. Zivilrecht
6.100
1. Trennung der dinglichen und schuldrechtlichen Bestimmungen 2. Dinglicher Mindestinhalt gem. § 32 Abs. 3, § 33 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 und § 36 WEG a) Art und Umfang der Nutzungen b) Instandhaltung und Instandsetzung c) Tragung öffentlicher und privatrechtlicher Lasten d) Versicherung des Gebäudes und Wiederaufbau e) Heimfall (Voraussetzungen und Entschädigung) II. Steuerrecht
6.101
Einkommensteuer: – Mindestlaufzeit 50 Jahre empfehlenswert – Rechte und Pflichten wie ein Wohnungseigentümer – Entschädigung in jedem Fall der Beendigung Grunderwerbsteuer: Keine, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG; nur ausnahmsweise gem. § 1 Abs. 2 GrEStG Schenkungsteuer: Gebäude auf fremdem Grund und Boden gem. § 195 BewG III. Vertragsmuster
6.102
M67 Eigentumsähnliches Dauerwohnrecht Beispiel: Eltern E räumen ihrer Tochter T und ihrem Sohn S an ihrem Einfamilienhaus im Speicher des Anwesens je ein Dauerwohnrecht ohne Nutzungsentgelt ein. Die beiden Dauerwohnrechtseinheiten sind in sich abgeschlossen, haben einen Zugang aber nur über das Treppenhaus der Eltern, so dass Abgeschlossenheitsbescheinigungen für die beiden Dauerwohnrechte gem. § 32 Abs. 2 Nr. 1 WEG erteilt werden können, nicht jedoch für das gesamte Anwesen gem. § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG, vgl. Lotter, MittBayNot 1999, 354.
Spiegelberger
803
Kap. 6 Rz. 6.102 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG Verhandelt am … in …
I. Grundbuchstand Die Eheleute … sind Eigentümer zu gleichen Teilen des im Grundbuch des AG … für … Blatt … vorgetragenen und in der Gemarkung … gelegenen Grundbesitzes Flurstück Nr. … Der Grundbesitz ist in Abteilung II unbelastet und in Abteilung III des Grundbuches belastet wie folgt: …
II. Bestellung des Dauerwohnrechts Die Eheleute … – nachfolgend als „Eigentümer“ bezeichnet – bestellen zugunsten ihrer Tochter … – nachfolgend als „Dauerwohnberechtigte/r“ bezeichnet – an dem im beigefügten Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Appartement sowie zugunsten ihres Sohnes … – nachfolgend als „Dauerwohnberechtigte/r“ bezeichnet – an dem im Lageplan mit Nr. 2 bezeichneten Appartement vom Tag der Eintragung im Grundbuch an je ein Dauerwohnrecht gem. § 31 Abs. 1 WEG. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. § 32 WEG i.V.m. § 7 WEG ist in der Anlage ebenfalls beigefügt, sie ist jedoch nicht mit auszufertigen. Die Dauerwohnrechte werden im Folgenden mit „DWR 1“ und „DWR 2“ bezeichnet. Das der Tochter T eingeräumte Dauerwohnrecht, im Lageplan mit „DWR 1“ bezeichnet, hat zum Gegenstand die in dem bestehenden Gebäude gelegene Wohnung mit einer Wohnfläche von … qm, bestehend aus … Das dem Sohn S eingeräumte Dauerwohnrecht hat zum Gegenstand die im bestehenden Gebäude gelegene Wohnung, im Lageplan mit „DWR 2“ bezeichnet, mit einer Wohnfläche von … qm, bestehend aus … Jede Wohnung ist in sich abgeschlossen i.S.d. § 32 Abs. 1 WEG; die zu der jeweiligen Wohnung gehörigen Räume sind in dem Aufteilungsplan mit Nr. 1 bzw. Nr. 2 bezeichnet. Durch diesen Vertrag soll der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichgestellt werden.
804 Spiegelberger
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
Rz. 6.102 Kap. 6
III. Inhalt der Dauerwohnrechte (1) Dauer Das jeweilige Dauerwohnrecht wird auf die Dauer von 50 Jahren …/alternativ: auf ewige Zeiten …, beginnend mit dem Tag der Grundbucheintragung, bestellt. (2) Umfang und Nutzung Der jeweilige Dauerwohnberechtigte hat das Recht der alleinigen Nutzung seiner Wohnung und der Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Räume, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes sowie des Gartens. Der Dauerwohnberechtigte ist nicht zur Mitnutzung der im beigefügten Lageplan grün gekennzeichneten Räumlichkeiten und Flächen befugt. Der Dauerwohnberechtigte hat auf die Belange der Mitbewohner, Miteigentümer und ggf. anderen Inhaber von Dauerwohnrechten angemessene Rücksicht zu nehmen. Das Dauerwohnrecht befugt allein zur eigenen Wohnnutzung oder zur Wohnnutzung durch Dritte. Die Ausübung eines Gewerbes oder freien Berufes ist nur mit Zustimmung des Eigentümers und aller anderen Inhaber von Dauerwohnrechten gestattet. (3) Übertragung Das Dauerwohnrecht ist veräußerlich und vererblich. Die Veräußerung bedarf der Zustimmung des Eigentümers, die nur aus wichtigem Grund versagt werden darf. Das Zustimmungserfordernis gilt nicht im Falle der Veräußerung an den Ehegatten, Verwandte in gerader Linie oder Verwandte zweiten Grades in der Seitenlinie oder bei einer Veräußerung des Dauerwohnrechts im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter. (4) Lasten Der Dauerwohnberechtigte ist verpflichtet, anteilig – im Verhältnis der Wohnflächen des Gebäudes –, nämlich der Dauerwohnberechtigte 1 mit einer Quote von … und der Dauerwohnberechtigte 2 mit einer Quote von … die auf dem Anwesen ruhenden ordentlichen und außerordentlichen öffentlichen sowie privaten Lasten, zu tragen, insbesondere anteilig die Grundsteuer, Erschließungs- und Anliegerkosten sowie die Prämien für die Brandversicherung. Das Gleiche gilt für die Unterhaltung und Instandhaltung derjenigen Räume, Gebäude- und Grundstücksteile, die bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem Gesetz von allen Miteigentümern gemeinschaftlich zu tragen sind. Schönheitsreparaturen tragen Eigentümer und Dauerwohnberechtigter getrennt jeweils für die ihrer Nutzung unterliegenden Räume. Eine Instandhaltungsrücklage kann nach Maßgabe eines einstimmigen Beschlusses von Eigentümer und Dauerwohnberechtigtem gebildet werden. (5) Betriebskosten Jeder Dauerwohnberechtigte trägt auch anteilig, nämlich im Verhältnis der vorbezeichneten Quoten, die auf seine Wohnung entfallenden laufenden Betriebskosten, insbesondere für Müllabfuhr, Kaminkehrer, Treppenhaus- und Außenbeleuchtung sowie für die Warmwasser- und Heizungsversorgung.
Spiegelberger
805
Kap. 6 Rz. 6.102 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG (6) Heimfall Der Eigentümer kann die Übertragung des Dauerwohnrechts auf sich oder auf einen von ihm bezeichneten Dritten verlangen, – wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Dauerwohnrecht eingeleitet und nicht innerhalb von drei Monaten aufgehoben werden, – bei Verpfändung oder sonstiger Belastung des Dauerwohnrechts ohne Zustimmung des Eigentümers. Ein dinglich wirkendes Zustimmungserfordernis kann insoweit nicht begründet werden. – wenn über das Vermögen des Dauerwohnberechtigten das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird, – wenn die dem Dauerwohnrecht unterliegenden Gebäude- und Grundstücksteile nachhaltig und trotz Abmahnung zu unzulässigen Zwecken genutzt werden, – wenn der Dauerwohnberechtigte nachhaltig und trotz Abmahnung seinen Zahlungs- und Unterhaltungspflichten nicht nachkommt, – wenn der Dauerwohnberechtigte verstirbt, gleichgültig auf wen das Dauerwohnrecht übergeht – oder sonst dem Grundstückseigentümer die Fortsetzung des Dauerwohnrechts aus Gründen nicht mehr zugemutet werden kann, die aus der Sphäre des Dauerwohnberechtigten stammen. Auf die Beschränkung der Ausübung des Heimfallsgrundes des § 36 Abs. 2 WEG bei Wohnungen, die bei einem Mietvertrag dem Mieterschutz unterliegen, hat der Notar hingewiesen. Der Dauerwohnberechtigte erhält die Entschädigung gem. § 41 Abs. 3 WEG, wenn der Eigentümer vom Recht des Heimfalls Gebrauch macht. Sofern die Beteiligten nicht innerhalb eines Monats nach Ausübung des Heimfallanspruchs eine Einigung erzielen, entscheidet hierüber ein vom örtlich zuständigen Landgerichtspräsidenten zu bestimmender öffentlich bestellter und gerichtlich vereidigter Sachverständiger für das Grundstückswesen als Schiedsgutachter gem. § 317 BGB. (7) Versteigerung aus vorrangigen Rechten Das Dauerwohnrecht bleibt abweichend von § 44 des Gesetzes über Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks bestehen, wenn ein Gläubiger einer dem Dauerwohnrecht im Rang vorgehenden oder gleichstehenden Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld oder Reallast die Zwangsversteigerung betreibt. Der Notar hat auf die nach § 39 Abs. 2 WEG erforderliche Zustimmung der Gläubiger hingewiesen und soll diese namens der Beteiligten einholen. Sollte die Einwilligung der Gläubiger nicht zu erlangen sein, so bleibt die Bestellung des Dauerwohnrechts dennoch wirksam. (8) Weitere Regelungen Der Dauerwohnberechtigte ist zur alleinigen Unterhaltung und Instandhaltung für all diejenigen Räume und Gebäudeteile verpflichtet, die beim Wohnungseigentum der Wohnungseigentümer zu tragen hätte. An den Kosten, die bei einer Wohnungseigentümer-
806 Spiegelberger
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
Rz. 6.102 Kap. 6
gemeinschaft von dieser zu tragen wären, hat der Dauerwohnberechtigte sich zu der in Ziff. III. Abs. (4) genannten Quote zu beteiligen. Alternative 1: Der Anspruch des Dauerwohnberechtigten auf Löschung der vorrangigen Grundpfandrechte nach § 41 Abs. 2 WEG wird ausgeschlossen. Alternative 2: Zur Sicherung des Anspruchs des Dauerwohnberechtigten nach § 41 Abs. 2 WEG bewilligen und beantragen die Beteiligten die Eintragung einer Löschungsvormerkung bei den im Grundbuch in Abteilung III derzeit eingetragenen Rechten. Eine Wiederherstellungspflicht wird nicht begründet. Der Eigentümer ist verpflichtet, folgende Versicherungen abzuschließen: … (9) Bewilligung Die Eintragung der Dauerwohnrechte an Flurstück Nr. … zugunsten von Frau …[T]… und im Gleichrang zugunsten von Herrn …[S]… mit dem vorstehenden Inhalt in das Grundbuch wird bewilligt und beantragt. Ein Vorrangvorbehalt wird nicht vereinbart.
IV. Schuldrechtliche Vereinbarungen (1) Rechte und Pflichten Der Dauerwohnberechtigte hat die Rechte und Pflichten eines Wohnungseigentümers in entsprechender Anwendung der §§ 10–29 WEG. Maßnahmen, für die bei Wohnungseigentümern ein Beschluss der Eigentümerversammlung oder eine einstimmige Vereinbarung der Wohnungseigentümer erforderlich ist, dürfen nur mit Zustimmung der Dauerwohnberechtigten durchgeführt werden. Darüber hinaus werden den Dauerwohnberechtigten Stimmrechte in der Wohnungseigentümerversammlung in Höhe der in Abschnitt III. Abs. (4) genannten Quoten eingeräumt. (2) Aufwendungsersatzanspruch Bei Beendigung des Dauerwohnrechts hat der Dauerwohnberechtigte gegenüber dem Eigentümer den Entschädigungsanspruch gem. §§ 951, 812 BGB für die von ihm eingefügten Bauteile, die in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergegangen sind. (3) Nutzungsentschädigung Für die Nutzung ist auf die Laufzeit des Dauerwohnrechts kein Nutzungsentgelt mit Ausnahme des Ersatzes der Betriebskosten gem. Abschnitt III Abs. 5 dieses Vertrages zu entrichten. (4) Beendigung Sofern das Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht durch Zeitablauf erlischt, hat der Eigentümer dem Dauerwohnberechtigten ebenfalls eine angemessene Entschädigung gem. vorstehendem Abs. (2) zu zahlen, für deren Festsetzung die Regelung in Abschnitt III Abs. (6) entsprechend gilt.
Spiegelberger
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Kap. 6 Rz. 6.102 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG (5) Weiterverpflichtung Soweit diese schuldrechtlichen Verpflichtungen nicht kraft Gesetzes auf Sonderrechtsnachfolger übergehen, sind die Beteiligten verpflichtet, diese Verpflichtungen bei der Veräußerung ihren Sonderrechtsnachfolgern aufzuerlegen und diese in derselben Weise zur Weiterübertragung zu verpflichten. (6) Vorerwerbsrecht Anstelle der Zustimmung zur Veräußerung nach Abschnitt III Abs. 3 dieses Vertrages ist der jeweilige Eigentümer auch berechtigt, die Übertragung zu den vereinbarten Bedingungen auf sich zu verlangen, es sei denn, dass die Veräußerung an den Ehegatten oder an Abkömmlinge des Dauerwohnberechtigten erfolgt. Als Gegenleistung ist mindestens der Betrag zu zahlen, der bei Ausübung des Heimfalls als angemessene Entschädigung zu zahlen wäre. … [Sicherung des bedingten Erwerbsrechts durch Vormerkung je nach Einzelfall]
V. Steuerklausel Durch diesen Vertrag soll der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich und steuerlich einem Wohnungseigentümer gleichgestellt sein. Sollte die Finanzverwaltung die durch diesen Vertrag erstrebten Wirkungen nicht oder nicht mehr anerkennen, verpflichten sich die Beteiligten, eine Regelung herbeizuführen, die die erstrebten Rechtsfolgen bewirkt.
VI. Schlussbestimmungen Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzuges tragen die Dauerwohnberechtigten zu gleichen Teilen. Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: die Vertragsteile beglaubigte Abschriften: das Grundbuchamt einfache Abschriften: das Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – – Bewertungsstelle – Steuerberater S
808 Spiegelberger
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
Rz. 6.103 Kap. 6
6.103
M68 Bauverpflichtung und Dauernutzungsrecht Beispiel: Bauträger SG errichtet auf dem Grundstück des AK ein Wohn- und Geschäftshaus und erhält zur eigenbetrieblichen Nutzung an dem Erd- und Obergeschoss ein Dauernutzungsrecht auf die Dauer von 15 Jahren. Für die Bauleistungen erhält der Bauträger in Raten nach Baufortschritt 150.000 a und bei Heimfall oder Zeitablauf weitere 340.000 a. – Wohnung Eigentümer – Büro – Ladenräume – Kellerräume Beurkundet am …
A. Bauverpflichtung 1. Im Grundbuch des AG … für die Gemarkung … Blatt … ist Herr AK als Alleineigentümer des Grundstücks der Gemarkung … Flst. … (…), zu 2.000 qm, eingetragen. Der Grundbesitz ist lt. Grundbuch belastet wie folgt: In Abteilung II: frei In Abteilung III: lfd. Nr. 1–3 Grundpfandrechte 2. Herr SG plant auf einer Teilfläche aus den vorbezeichneten Grundstücken ein Wohnund Geschäftshaus mit drei Einheiten (Erdgeschoss = Laden, Obergeschoss = Büroräume, Dachgeschoss = Wohnung) zu errichten. Dabei sollen der Laden und die Büroräume sowie Keller 3 und 4 auf Dauernutzungsrechtsbasis Herrn SG zugewiesen werden, während die Wohnung sowie Keller 1 und 2 von Herrn AK genutzt werden. Die Bauherstellung erfolgt von Herrn SG auf dessen Kosten, wobei Herr AK insgesamt nach Baufortschritt einen Betrag i.H.v. 150.000 b (in Worten: einhundertundfünfzigtausend Euro) entrichtet, der wie folgt zur Zahlung fällig ist: a) 25 % nach Beginn der Erdarbeiten sowie b) 28 % nach Rohbaufertigstellung, einschließlich Zimmererarbeiten, c) 5,6 % für die Herstellung der Dachflächen und Dachrinnen d) 2,1 % für die Rohinstallation der Heizungsanlagen e) 2,1 % für die Rohinstallation der Sanitäranlagen f) 2,1 % für die Rohinstallation der Elektroanlagen g) 7 % für den Fenstereinbau einschließlich der Verglasung h) 4,2 % für den Innenputz ausgenommen Beiputzarbeiten i)
2,1 % für den Estrich
j)
2,8 % für die Fliesenarbeiten im Sanitärbereich
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Kap. 6 Rz. 6.103 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG k) 8,4 % nach Bezugsfertigkeit Zug um Zug gegen Abnahme des Bauwerks l)
2,1 % für die Fassadenarbeiten und
m) 3,5 % nach vollständiger Fertigstellung Der Restbetrag von 5 % (Einbehalt) ist zur Zahlung fällig, wenn das Vertragsobjekt ohne wesentliche Mängel fertig gestellt ist. Ist dies nicht der Fall, bestimmt sich die Fälligkeit nach den gesetzlichen Bestimmungen. Dieser Einbehalt ist auch fällig, wenn der Verkäufer eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentliche Mängel mindestens in Höhe des Einbehalts gestellt hat und die betreffende Erklärung dem Käufer zugegangen ist. Die einzelnen Raten müssen vom Verkäufer einzeln schriftlich unter Beifügung einer Bestätigung des Bauleiters oder Architekt über den Baufortschritt abgerufen werden. Die Beträge müssen jeweils innerhalb von zwei Wochen nach Abruf eingegangen sein.
B. Dauernutzungsrechtsbestellung I. Vertragsfläche Die Vertragsfläche ist eine amtlich erst noch zu vermessende Teilfläche aus den in Teil A dieser Urkunde näher bezeichneten Grundstücken Flst. … und … im Ausmaß von ca. 700 m2. Die Vertragsfläche ist in dem dieser Urkunde beigefügten Lageplan schraffiert eingezeichnet. Auf den Lageplan wird verwiesen, er wurde den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt. Sofern die Teilfläche aufgrund dieser Urkunde nicht hinreichend genau beschrieben ist, bezeichnet sie der Grundstückseigentümer gem. § 315 BGB. Das Schnurgerüst für das zu errichtende Gebäude ist anhand der Eingabeplanung anzulegen. Die Grundstücksgrenzen sind so zu ziehen, dass die Abstandsflächen des Vorhabens auf dem Grundstück (Vertragsfläche) liegen. Zur Stellung des Vermessungsantrages wird der Notar beauftragt. Die Kosten der Vermessung trägt der Dauernutzungsberechtigte. Der Notar wies darauf hin, dass durch die Teilung eines Grundstücks in dem Geltungsbereich eines Bebauungsplanes keine Verhältnisse entstehen dürfen, die den Festsetzungen eines Bebauungsplanes widersprechen. Nach Angabe der Vertragsteile wurde die Baugenehmigung bereits erteilt. Der amtierende Notar wird beauftragt und ermächtigt, die Vertragsfläche nach erfolgter Vermessung amtlich zu bezeichnen und den Vollzug des entsprechenden Fortführungsnachweises im Grundbuch zu beantragen. Der Eigentümer ist verpflichtet, die Vertragsfläche von ca. 700 qm bis zum Vollzug der Vermessung im Grundbuch von den eingetragenen Grundpfandrechten freizustellen und nach der Eintragung des Dauerwohnrechts nur im Rang danach zu belasten.
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D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
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II. Dauernutzungsrechtsvertrag § 1 Bestellung Herr AK – nachstehend als „Grundstückseigentümer“ bezeichnet, bestellt hiermit zugunsten von Herrn SG – nachstehend als „Dauernutzungsberechtigter“ bezeichnet – an der Vertragsfläche ein Dauernutzungsrecht für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses gem. der Bauverpflichtung in Teil C. dieser Urkunde. Das Dauernutzungsrecht erstreckt sich auch auf die westlich gelegenen sieben von insgesamt neun Kfz-Stellplätzen, gem. der Bauherstellungsverpflichtung in Teil C. dieser Urkunde, im Plan „Stellplätze“ mit den Nrn. 1–7 bezeichnet.
§ 2 Vertragsdauer Das Dauernutzungsrecht wird auf die Dauer von 15 Jahren (i.W.: fünfzehn) eingeräumt, gerechnet ab 1.1.2022. Der Dauernutzungsberechtigte kann einmalig die Verlängerung des Dauernutzungsrechtsvertrages bis zum 31.12.2050 verlangen, wenn er dies dem Grundstückseigentümer spätestens zwei Jahre vor Vertragsende schriftlich anzeigt.
§ 3 Bau- und Unterhaltungsverpflichtung 1. Der Dauernutzungsberechtigte ist verpflichtet, das Bauwerk ohne schuldhaftes Zögern zu errichten. Für die Bauherstellung gelten die Bestimmungen unter Teil C. dieser Urkunde. 2. Das Bauwerk ist im Übrigen unter Verwendung guter und dauerhafter Baustoffe und unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und der Bauvorschriften zu erstellen. 3. Der Dauernutzungsberechtigte ist verpflichtet, das von ihm zu errichtende Bauwerk einschließlich der Außenanlagen mit Ausnahme der beiden dem Grundstückseigentümer verbleibenden Kfz-Stellplätze in einem guten Zustand zu halten und die erforderlichen Reparaturen und Erneuerungen unverzüglich auf eigene Kosten vorzunehmen. Kommt der Dauernutzungsberechtigte diesen Verpflichtungen trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht oder nur ungenügend nach, so ist der Grundstückseigentümer berechtigt, die Arbeiten auf Kosten des Dauernutzungsberechtigten vornehmen zu lassen.
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Kap. 6 Rz. 6.103 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
§ 4 Besichtigungsrecht Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, das vom Dauernutzungsrecht erfasste Bauwerk nach vorheriger Absprache zu jeder angemessenen Tageszeit durch Sachverständige, Beauftragte oder Bevollmächtigte besichtigen und auf den baulichen Zustand und die vertragsgemäße Verwendung prüfen zu lassen.
§ 5 Versicherung Der Dauernutzungsberechtigte ist verpflichtet, auf eigene Kosten das zu errichtenden Bauwerk zum frühestmöglichen Zeitpunkt zum gleitenden Neuwert gegen Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden zu versichern und zum selben Zeitpunkt eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Nachweise hierüber sind dem Grundstückseigentümer jeweils auf Verlangen vorzulegen. Kommt der Dauernutzungsberechtigte den vorstehenden Verpflichtungen nicht nach, so kann der Grundstückseigentümer auf Kosten des Dauernutzungsberechtigten für diese Versicherungen sorgen. Der Grundstückseigentümer erstattet 1/3 der vorbezeichneten Kosten für die von ihm genutzte Wohnung jeweils nach Nachweis der Zahlung der vorbezeichneten Versicherungsprämie.
§ 6 Eintritt des Versicherungsfalles 1. Der Dauernutzungsberechtigte ist verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalles das Bauwerk unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Jahren wertgleich wieder aufzubauen. Dabei sind die Versicherungs- sowie sonstigen Entschädigungsleistungen zur Wiederherstellung zu verwenden. 2. Kommt der Dauernutzungsberechtigte seiner Verpflichtung zum Wiederaufbau trotz schriftlicher Mahnung nicht oder nur ungenügend nach, ist der Grundstückseigentümer berechtigt, die Arbeiten auf Kosten des Dauernutzungsberechtigten vornehmen zu lassen.
§ 7 Lastentragung Der Dauernutzungsberechtigte hat die auf die Vertragsfläche und das Bauwerk entfallenden öffentlichen und privatrechtlichen Abgaben und Lasten zu tragen. Der Grundstückseigentümer erstattet dem Dauernutzungsberechtigten jeweils 1/3 dieser laufenden Abgaben und Lasten jeweils nach Zahlungsnachweis. Die Erschließungsbeiträge sowie alle sonstigen, mit der Erschließung des Vertragsfläche verbundenen Kosten nach dem BauGB und Kommunalabgabengesetz, welche ab heute in Rechnung gestellt werden, hat der Dauernutzungsberechtigte zu tragen, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Höhe dieser Kosten. Der Grundstückseigentümer verpflichtet sich jedoch, über den in A.3. genannten Betrag i.H.v. 150.000 b (in Worten: einhundertfünfzigtausend Euro) hinaus einen weiteren Betrag i.H.v. 10.000 b (in Worten: zehntausend Euro) nach Fertigstellung aller Hausanschlüsse an SG zu entrichten, ohne dass der Dauernutzungsberechtigte weitere Nachweise zu erbringen hat.
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D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
Rz. 6.103 Kap. 6
§ 8 Heimfall Der Grundstückseigentümer ist berechtigt, vom Dauernutzungsberechtigten die Übertragung des Dauernutzungsrechts oder eines Bruchteils auf sich oder einen von ihm zu benennenden Dritten vor Ablauf der in § 2 vereinbarten Dauer des Dauernutzungsrechtes auf Kosten des Dauernutzungsberechtigten zu verlangen – bei Verstoß gegen die in den §§ 3, 5 und 6 dieses Vertrages vereinbarten Verpflichtungen, sofern auch einer Abmahnung keine Folge geleistet wird, – bei Zahlungsverzug des Dauernutzungsberechtigten mit dem Nutzungsentgelt i.H.v. drei Monatsraten, – bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dauernutzungsberechtigten oder falls die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird, – bei Anordnung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung des Dauernutzungsrechts.
§ 9 Entschädigung und Räumungsverpflichtung bei Heimfall und Zeitablauf 1. Macht der Eigentümer von seinem Heimfallrecht gem. § 8 dieses Vertrages Gebrauch oder tritt Zeitablauf ein, so hat er dem Dauernutzungsberechtigten eine Vergütung von 80 % – achtzig vom Hundert – der vom Dauernutzungsberechtigten nachgewiesenen Anschaffungskosten, höchstens i.H.v. 340.000 b (in Worten: dreihundertvierzigtausend Euro) zu gewähren, mindestens jedoch 80 % des Zeitwertes. 2. Können sich die Beteiligten über die Anschaffungskosten/Zeitwert gem. Abs. 1) nicht einigen, erfolgt die Festsetzung durch einen öffentlich bestellten und gerichtlich vereidigten Sachverständigen für das Grundstückswesen, der auf Antrag eines Vertragsteils von dem örtlich zuständigen Gutachterausschuss benannt wird und dessen Schätzung als Schiedsgutachter gem. § 317 BGB für die Beteiligten verbindlich ist.
§ 10 Eintragungsbewilligung Die Eintragung des vorbestellten Dauernutzungsrechts an der Vertragsfläche zugunsten von Herrn SG mit dem vorstehenden Inhalt in das Grundbuch wird an nächstoffener Rangstelle bewilligt und beantragt. Die Beteiligten werden die erforderliche Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. § 32 WEG i.V.m. § 7 WEG unverzüglich nachreichen. Um Vollzugsnachricht zu Händen des amtierenden Notars wird ersucht.
III. Nutzungsentgelt 1. Mit schuldrechtlicher Wirkung wird ein Nutzungsentgelt i.H.v. monatlich 700 b (in Worten: siebenhundert Euro) für das vom Dauernutzungsrecht erfasste Bauwerk sowie für die Nutzung der im Lageplan ausgewiesenen sieben Kfz-Stellplätze des Dauernutzungsberechtigten fällig. 2. Das Nutzungsentgelt wird ab Bezugsfertigkeit des vom Dauernutzungsrecht erfassten Bauwerks geschuldet, erstmals zu dem auf die Bezugsfertigkeit folgenden Monatsersten.
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Kap. 6 Rz. 6.103 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG 3. Das Nutzungsentgelt soll wertbeständig sein. Es erhöht und vermindert sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für jeden Monat festgestellte und veröffentlichte Verbraucherpreisindex für Deutschland gegenüber dem für den Monat der Fertigstellung der Dauernutzungsräume festzustellenden Index erhöht oder vermindert. Eine Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages tritt jedoch erst dann ein, wenn die Indexveränderung zu einer Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages um mindestens 10 % – Zehn von Hundert – führt.
IV. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Der Dauernutzungsberechtigte unterwirft sich wegen aller in dieser Urkunde eingegangenen Zahlungsverpflichtungen insbesondere wegen aller in Abschnitt III eingegangenen Verpflichtungen, der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen mit der Maßgabe, dass es zur Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Nachweises der Fälligkeit nicht bedarf. Eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden.
V. Besitzübergang 1. Besitz, Nutzungen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs gehen mit sofortiger Wirkung auf den Dauernutzungsberechtigten über, wobei dem Grundstückseigentümer die alleinige Nutzung des Zugangs zu der von ihm genutzten Wohnung und den beiden Kfz-Stellplätzen verbleibt, im Plan „Stellplätze“ mit 8 und 9 bezeichnet. 2. Der Dauernutzungsberechtigte haftet vom Zeitpunkt der Übergabe ab für den verkehrssicheren Zustand der gesamten Vertragsfläche. Er hat den Grundstückseigentümer von etwaigen Schadenersatzansprüchen freizustellen, die wegen Verletzung der genannten Pflichten gegenüber dem Grundstückseigentümer geltend gemacht werden. Die Verkehrssicherungspflicht einschließlich von Räum- und Streupflichten trifft somit für die gesamte Vertragsfläche ausschließlich den Dauernutzungsberechtigten, ohne dass dem Grundstückseigentümer für alle Zugangs- und Zufahrtsflächen irgendeine Haftung verbleibt.
VI. Veräußerungen 1. Die Veräußerung des Dauernutzungsrechtes oder von Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers. 2. Der Grundstückseigentümer kann die Zustimmung versagen, wenn eine Gesellschaft, auf die das Dauernutzungsrecht übertragen wird, im Verhältnis zum Nutzungsentgelt unterkapitalisiert ist. Bei der Übertragung auf eine natürliche Person kann Sicherheitsleistung in Höhe des kapitalisierten Nutzungsentgelts – ohne Wertsicherung – bis zur Beendigung des Dauernutzungsrechts verlangt werden. 3. Abs. 1 gilt nicht für die Erteilung des Zuschlags in einer Zwangsversteigerung des Dauernutzungsrechts (oder von Teilen davon), die aus einem Pfandrecht betrieben wird, das mit Zustimmung des Grundstückseigentümers eingetragen worden ist, falls die Zuschlagserteilung an denjenigen erfolgt, der in diesem Zeitpunkt der Gläubiger des Pfandrechts ist. 814 Spiegelberger
D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
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VII. Belastungen 1. Zur Verpfändung des Dauernutzungsrechts bedarf der Dauernutzungsberechtigte der schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers. 2. Die Belastung darf nur für vertraglich zulässige Baumaßnahmen auf der Vertragsfläche erfolgen. Die bestimmungsgemäße Verwendung hat der Dauernutzungsberechtigte dem Grundstückseigentümer durch eine entsprechende Gläubigerbestätigung in Schriftform nachzuweisen. 3. Sofern die das Bauwerk finanzierende Bank im EU-Raum die Verpfändung des Dauernutzungsrechts für die geplante Baumaßnahme nicht als ausreichend erachtet, ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, bei der Bestellung eines Grundpfandrechts bis zur Höhe von 250.000 b (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) mit Jahreszinsen bis zu 16 % an erster Rangstelle in Abt. III des Grundbuches, hinsichtlich von Rechten in Abt. II an nächstoffener Rangstelle, mitzuwirken, vorausgesetzt, dass in dem Kreditvertrag die gleichmäßige Tilgung in der Weise gesichert ist, dass nach Ablauf von zehn Jahren ab Beginn des Dauernutzungsrechts die Kreditschuld samt Zinsen vollständig getilgt ist. Die Einräumung dieses Rechts kann nur bis zum 31.12.2018 verlangt werden. Eine Neuvalutierung nach planmäßiger Tilgung ist ausgeschlossen. Die Kosten dieser Grundpfandrechtsbestellung hat der Dauernutzungsberechtigte zu tragen. 4. Der Grundstückseigentümer übernimmt im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung keine persönlichen Zahlungspflichten. Der Erwerber hat den Grundstückseigentümer von allen Kosten und sonstigen Folgen der Grundschuldbestellung freizustellen.
VIII. Haftungsausschluss Der Grundstückseigentümer übernimmt keinerlei Haftung dafür, dass die Vertragsfläche in der vom Dauernutzungsberechtigten beabsichtigten Weise bebaut werden kann oder dass das Bauvorhaben in der vom Dauernutzungsberechtigten beabsichtigten Weise geplant und durchgeführt werden kann.
IX. Weitergabeverpflichtung Die Beteiligten sind verpflichtet, im Fall der Veräußerung des Dauernutzungsrechtes oder Teilen davon, die schuldrechtlichen Vereinbarungen des Dauernutzungsrechtsvertrages dem Erwerber mit derselben Weiterübertragungsverpflichtung aufzuerlegen.
C. Bauverpflichtung I. Bauverpflichtung 1. Herr SG – nachstehend „Erwerber“ genannt – plant, auf dem mit dem Dauernutzungsrecht belasteten Grundstück die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit neun Stellplätzen 2. Der Erwerber verpflichtet sich, das Vertragsobjekt herzustellen. a) Er schuldet die Herstellung so, dass sich das Vertragsobjekt für die gewöhnliche Verwendung zu Wohnzwecken (im Dachgeschoss) und geschäftlichen Zwecken Spiegelberger
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Kap. 6 Rz. 6.103 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG (Laden im Erdgeschoss und Büro im Obergeschoss) eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken gleicher Art erwartet werden kann. b) Umfang und Inhalt der Herstellungsverpflichtung werden durch die Baubeschreibung, die in der Anlage zu dieser Urkunde beigefügt ist, bestimmt. Bei Zweifeln über die zu erbringenden Leistungen geht die Baubeschreibung den Plänen vor. c) Soweit die Baubeschreibung und die Pläne keine konkrete Bauausführung vorschreiben, hat der Erwerber die geschuldeten Arbeiten nach den gesetzlichen Anforderungen und behördlichen Vorschriften auszuführen. Außerdem hat er die im Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten für das betreffende Gewerk anerkannten Regeln der Technik einzuhalten; spätere Änderungen dieser Regeln müssen nur beachtet werden, sofern sie zum Zeitpunkt der Ausführung der betreffenden Arbeiten zuverlässig vorhersehbar sind. d) Soweit der Inhalt der Leistungen nach vorstehend a) bis c) nicht abschließend bestimmt ist, ist der Erwerber zur Bestimmung nach billigem Ermessen berechtigt. 3. Abweichungen sind zulässig, wenn sie aufgrund behördlicher Auflagen rechtlich geboten sind, oder wenn sie sich als technisch notwendig erweisen und dem Grundstückseigentümer zumutbar sind. Abweichungen dürfen Güte, Wert und Gebrauchsfähigkeit des Vertragsobjekts nicht mindern. 4. Die Wohnung im Dachgeschoss wird voraussichtlich eine Größe von 113,55 m2 haben; als Beschaffenheit wird jedoch nur eine Mindestgröße der Einheit vereinbart, die dieses Maß um bis zu zwei Prozent unterschreiten darf. Der Erwerber haftet demnach nur dann, wenn die als Beschaffenheit vereinbarte Größe der Einheit unterschritten wird, und nur insoweit, als eine Abweichung nicht durch Sonderwünsche des Grundstückseigentümers veranlasst ist. Flächenangaben wurden berechnet nach der Wohnflächenverordnung, wobei Balkone zu 1/2 ihrer Grundfläche angesetzt wurden. Der Keller wurde nicht berücksichtigt. 5. Der aufgrund der Energieeinsparverordnung für das Vertragsobjekt zu erstellende Energiepass ist dem Grundstückseigentümer spätestens bei Besitzübergabe auszuhändigen. 6. Die im Plan eingezeichneten Möbel und Inventargegenstände sind nach Hinweis des Erwerbers lediglich gestalterische Vorschläge und nicht mitverkauft soweit nicht ausdrücklich in der Baubeschreibung aufgeführt. 7. Der Erwerber verpflichtet sich, das Vertragsobjekt bis spätestens 31.12.2022 bezugsfertig und bis spätestens bis 31.5.2023 vollständig fertig zu stellen. Bei einem Verzug des Erwerbers bleibt es bei den gesetzlichen Rechten des Grundstückseigentümers; eine vom Grundstückseigentümer zu setzende Nachfrist muss jedoch mindestens sechs Wochen betragen. Können Außenarbeiten jahreszeitlich bedingt nicht innerhalb dieser Frist ausgeführt werden, hat sie der Erwerber zu geeigneter Zeit zu erbringen. Die Abnahme des Vertragsobjekts bei Bezugsfertigkeit wird hierdurch nicht berührt. Behinderungen bei der Herstellung des Objekts aus Umständen, die vom Erwerber nicht zu vertreten sind, z.B. höhere Gewalt, Streik, Ausführung von Sonderwünschen, verlängern die Herstellungsfrist um die Dauer der Behinderung.
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D. Checkliste: Eigentumsähnliches Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht
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III. Abnahme, Besitzübergang 1. Die Vertragsteile verpflichten sich gegenseitig zur Abnahme des vertragsgegenständlichen Bauwerks nach dessen bezugsfertiger Herstellung. Bei der Abnahme findet eine gemeinsame Besichtigung des Vertragsobjektes statt. Hierüber ist ein Abnahmeprotokoll anzufertigen, in das noch fehlende Leistungen und Mängel aufzunehmen sind, auch soweit hierüber Streit besteht. Andere Formen der Abnahme sind damit nicht ausgeschlossen. 2. Der Erwerber ist zur Übergabe hinsichtlich der Dachgeschosswohnung verpflichtet, wenn die Abnahme durchgeführt ist.
D. Sonstige Verpflichtungen Bei Beendigung des Dauernutzungsrechts ist der Dauernutzungsberechtigte verpflichtet auf eigene Kosten die Büroräume im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss in funktionsfähige Wohnungen umzubauen, so dass auch Küchenanschlüsse für beide Etagen bestehen. Für diesen Umbau gelten die als Anlage beigefügten Umbaupläne. Sofern der Dauernutzungsberechtigte der Umbauverpflichtung nicht fristgerecht nachkommt, mindert sich die Entschädigung gem. B) § 9 Nr. 1 in der Weise, dass anstelle der Vergütung i.H.v. 80 % nur 70 % der Anschaffungskosten, jedoch mindestens 70 % des Zeitwertes zu erstatten sind.
E. Schlussbestimmungen I. Beauftragung des Notars Die Beteiligten ermächtigen den Notar unter Befreiung von § 181 BGB, sie im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten sowie alle zur Wirksamkeit und zum Vollzug zweckdienlichen Erklärungen, insbesondere Bewilligungen abzugeben, einzuholen (auch unter Übersendung von Entwürfen) und entgegenzunehmen, gegenseitig mitzuteilen und dies festzustellen. Bei Genehmigungen ohne Einschränkungen wird auf Rechtsmittel verzichtet; andere Bescheide sind den Beteiligten selbst zuzustellen. Genehmigungen sollen mit ihrem Eingang beim Notar allen Beteiligten als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein.
II. Salvatorische Klausel Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nicht wirksam sein, so wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen vertraglichen Vereinbarungen nicht berührt. Die Vertragsparteien verpflichten sich in diesem Falle zum Abschluss einer neuen Vereinbarung, die dem mit der unwirksamen Bestimmung gewollten Zweck entspricht oder möglichst nahe kommt bzw. ergänzt.
III. Belehrungen Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere auf Folgendes hingewiesen: a) dass alle Abreden richtig und vollständig beurkundet sein müssen; b) darauf, dass zur Eintragung des Dauernutzungsrechts die Abgeschlossenheitsbescheinigung gem. § 7 WEG erforderlich ist, ebenso die Vermessung der Vertragsfläche. Spiegelberger
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Kap. 6 Rz. 6.103 Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht gem. §§ 31 ff. WEG
IV. Kosten Der Dauernutzungsberechtigte hat die Kosten dieses Vertrages einschließlich seiner Durchführung zu tragen, ebenso die Kosten der Grundbucheintragung, die Kosten des Heimfalls und der Löschung des Dauernutzungsrechtes. Das Dauernutzungsrecht ist kein grundstücksgleiches Recht gem. § 2 Abs. 2 GrEStG, so dass für das Dauernutzungsrecht keine Grunderwerbsteuer erhoben wird.
V. Ausfertigungen und Abschriften Von dieser Urkunde erhalten – unter Verzicht auf Mitausfertigung der Pläne –: Beglaubigte Abschriften: jeder Vertragsteil, das Grundbuchamt Einfache Abschriften: jeder Vertragsteil, das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle, der Gutachterausschuss, die Steuerberater der Beteiligten. Samt Baubeschreibung vorgelesen vom Notar …
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Kapitel 7 Nießbrauch und Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen A. Einführung I. Grundtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zivilrechtliche Gestaltung I. Inhalt und Belastungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer . . . . . . . . . IV. Wohnungseigentum, vermieteter Grundbesitz . . . . . . . . . . . . . V. Pfändung, Überleitung . . . . . . . . VI. Aufhebung, Surrogation, Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ehe-, Erb- und Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einkommensteuer I. Allgemein 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch Bestellung eines Nießbrauchs? . . 3. Fälle des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO . . . . . . . 4. Nießbrauchs- und andere dingliche Nutzungsrechte zugunsten nahestehender Personen (insb. zugunsten Angehöriger) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nießbraucherlasse . . . . . . . . . . II. Zuwendungsnießbrauch . . . . . . . 1. Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch . . . . . . . . . . . III. Vorbehaltsnießbrauch . . . . . . . . . 1. Behandlung beim Nießbraucher a) Einkünfte, AfA, Werbungskosten . . . . . . . . .
7.1 7.2
7.7 7.31 7.40 7.45 7.48 7.49 7.53
7.71 7.75 7.76
7.80 7.88 7.89 7.91 7.96 7.121
7.125
b) Gestaltung des Berechtigungsverhältnisses . . . . . . . . 2. Behandlung beim Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelprobleme 1. Dinglich nicht vollzogenes Nießbrauchsrecht . . . . . . . . . . . 2. Sicherungsnießbrauch . . . . . . . 3. Bruchteils- und Quotennießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei obligatorischen Nutzungsrechten . . . 5. Bestellung eines Wohnrechts . 6. Vermächtnisnießbrauch . . . . . . 7. Mittelbare Grundstücksschenkung mit Vorbehaltsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vorbehaltsnießbrauch und private Veräußerungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wegfall, Ablösung, Surrogation 1. Tod, unentgeltlicher Verzicht, Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablösung a) Vorbehaltsnießbrauch . . . . . b) Zuwendungsnießbrauch . . . c) Dingliches Wohnrecht, obligatorisches Nutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedingung, Befristung . . . . . . . VI. Nießbrauch an betrieblich genutzten Grundstücken 1. Zuwendungsnießbrauch an einem Einzelgrundstück als Entnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorbehaltsnießbrauch an einem Einzelgrundstück . . . . . 3. Zuwendungsnießbrauch am gesamten Einzelunternehmen . 4. Betriebsaufspaltung . . . . . . . . .
7.127 7.129
7.151 7.152 7.154 7.158 7.160 7.163 7.164 7.165
7.167 7.168 7.172 7.191 7.192 7.194
7.195 7.203 7.214 7.219
Fleischer 819
Kap. 7 Nießbrauch und Immobilienübertragung D. Erbschaftsteuer I. Erwerb unter Vorbehalt des Nießbrauchs, Schulden, Familienwohnheim 1. Erwerb unter Vorbehalt des Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Familienheim . . . . . . . . . . . . . . II. Zuwendungsnießbrauch . . . . . . III. Mitberechtigungsnießbrauch . . IV. Wegfall 1. Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . E. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . F. Umsatzsteuer I. Vorbehaltsnießbrauch . . . . . . . . II. Zuwendungsnießbrauch . . . . . .
7.221 7.225 7.228 7.229 7.230 7.234 7.235 7.240 7.241 7.251 7.257
G. Sonstige Steuerfragen I. Baudenkmal, § 7i EStG . . . . . . . . II. Investitionszulage . . . . . . . . . . . . III. Zweitwohnungssteuer . . . . . . . . . H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen I. Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . II. Substitution nicht abzugsfähiger Versorgungsleistungen . . . . . 1. Veräußerungsrente . . . . . . . . . . 2. Kaufvertrag (mit Stundung) . . 3. Vorbehaltsnießbrauch mit Rückvermietung bzw. Quotennießbrauch . . . . . . . . . . . . . 4. Einbringung in GmbH bzw. gewerblich geprägte GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . .
7.271 7.272 7.273
7.281 7.285 7.288 7.295 7.301 7.307
Literatur (Auswahl): Billig, Erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtliche Konsequenzen der Lastentragung bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, UVR 2016, 314; Brüggemann, Neuer Erlass zum Nießbrauch bei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ErbBstg 2014, 13; Carlé, Beratungsbrennpunkt Nießbrauchsgestaltung, KSp. 13, 2012, Tz. D; Deutschländer, Private Vermögensübertragungen gegen dauernde Lasten, NWB 2013, 3636; Fleischer, Vermögensübergabe gegen (private) Versorgungsleistungen nach dem JStG 2008, ZEV 2007, 475; Fleischer, Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen: Steuersystem, steuerliche Änderung und Steuerplanungssicherheit in Wachter (Hrsg.), FS für S. Spiegelberger (2009), 120; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen – steuerliche Problemfelder, notar 2015, 144; Geck, Der Rentenerlass IV zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Schwerpunkt und Bewertung aus Sicht der Beratungspraxis, ZEV 2010, 220; Geck, Die steuerlichen Rahmenbedingungen der vorweggenommenen Erbfolge 2003 bis 2013 – ein Rückblick auf ereignisreiche Jahre, ZEV 2013, 169; Goetze, Der lebzeitige Nießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens im Steuerrecht, RNotZ 2013, 147; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht, 12. Aufl. 2019; Ivens, Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, ZEV 2012, 71; Keller/von Schrenck, Der Vorbehaltsnießbrauch am Privatvermögen in der Nachfolgeplanung, NWB-EV Nr. 5 v. 2.5.2012, S. 165; Korn, Einkommensteuerliche Beurteilung von Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen zur vorweggenommenen Erbfolge im Lichte des „Vierten Rentenerlasses“, KÖSDI 2010, 16920; Lederle/Wanner, Die vorweggenommene Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neuen FG-Rechtsprechung, DStR 2016, 2270; Meyer/Ball, Die entgeltliche Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs an Immobilien, DStR 2011, 1211; Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 17. Aufl. 2021; Neufang/Merz, Einkommen- und erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtliche Folgen bei Wegfall des Nießbrauchs, DStR 2012, 939; Pöppel, Der Grundstücksnießbrauch in der notariellen Praxis, MittBayNot 2007, 85; Risthaus, Begünstigte Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, DB 2010, 803; Schmid, Aktuelle Fragen zum Wohnungsrecht, ZfIR 2013, 489; A. Söffing/M. Söffing, Schuldzinsenabzug bei Grundstücksübertragungen unter
820 Fleischer
A. Einführung
Rz. 7.1 Kap. 7
Nießbrauchsvorbehalt in vorweggenommener Erbfolge, DStR 1993, 1690; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen bei Immobilienübertragungen aufgrund des IV. Rentenerlasses: Die Übertragung von Immobilienvermögen, DStR 2010, 1880; Stalleiken/Hennig, Der „weitergeleitete“ Nießbrauch an den überlebenden Ehegatten in der vorweggenommenen Erbfolge, FR 2015, 389; Strahl/Carlé, Beratungsbrennpunkt Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, KSp. 13, 2012, Tz. B; Stuhrmann, Einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs und der obligatorischen Nutzungsrechte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, DStR 1998, 1405; Günther, Ertragsteuerliche Folgen bei Schenkung eines Privatgrundstücks, ErbStB 2017, 380; Kowanda, Erbschaft- und schenkungsteuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von privatem Grundbesitz, ErbStB 2018, 333; Korn, Nießbrauch; Steuerfallen und Gestaltungsmöglichkeiten, kösdi 2018, 20597; Volland, Steuerliche Gestaltung bei der Nachfolge in Immobilien mittels Nießbrauch, ZEV 2019, 254; Schulz, Grundstücksübertragungen mit Rückfallklausel, FamRZ 2018, 82; Herrler, Risiken und Nebenwirkungen der Aufgabe von Nutzungsrechten, DNotZ 2019, 493.
A. Einführung I. Grundtypen Bei Immobilien (aber auch Wertpapieren, Anteilen an Kapitalgesellschaften im Pri- 7.1 vatvermögen und typischen stillen Beteiligungen im steuerlichen Privatvermögen) ergibt eine Analyse der üblichen Regelungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge folgende Vertragstypeneinteilung:
Überlassung ohne Auflagen und Vorbehalte
Überlassung unter Nießbrauchsvorbehalt
Überlassung gegen wiederkehrende Leistungen
Ausweichlösungen
Bildung von Gesellschaften und Sondervermögen
Beispiele aus dem Immobilienbereich: a) Überlassung ohne Auflagen und Vorbehalte Schenkung eines unbebauten Grundstückes unter Pflichtteilsanrechnung. b) Überlassung unter Nießbrauchsvorbehalt Überlassung eines vermieteten Mehrfamilienhauses, das der Übergeber weiterhin selbst vermieten will, unter Vorbehaltsnießbrauch. c) Überlassung gegen wiederkehrende Leistungen Überlassung eines vermieteten Mehrfamilienhauses, das der Übergeber nicht mehr selbst vermieten will, gegen Rentenzahlungen. Fleischer 821
Kap. 7 Rz. 7.1 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Überlassung eines vom Übergeber bewohnten Gebäudes unter Vereinbarung eines Wohnrechtes sowie von Wart und Pflege. d) Ausweichlösungen Kaufvertragsgestaltungen. e) Bildung von Gesellschaften Sofern vorhandenes Privatvermögen nicht auf einzelne Kinder aufgeteilt werden kann oder soll: Gesellschaftsvertragliche Regelungen. II. Nießbrauch
7.2 „Wie aber, wenn einer das Eigentum an dem Acker nicht innehat, sondern den Nießbrauch daran … darf er dann auch Silber abbauen oder abbauen lassen?“1 Der Nießbrauch ist ein häufig gebrauchtes Nutzungsrecht in der vertragsgestaltenden Praxis und spielt eine große Rolle im Rahmen der Gestaltung einer vorweggenommenen Erbfolge2. Werden Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen oder an Immobilien ein Nießbrauch eingeräumt, ergeben sich für den bisherigen und neuen Eigentümer viele zivilrechtliche und steuerliche Fragen. Die steuerlichen Fragestellungen betreffen nicht nur die Einkommensteuer. Betroffen ist auch die Schenkungsteuer, Umsatzsteuer und die Grunderwerbsteuer. Der Nießbrauchsvorbehalt hat zudem zum 1.1.2009 mit Streichung des § 25 ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 einen neuen Anschub erhalten: der Kapitalwert des Nießbrauchs kann als Last schenkungsteuermindernd abgezogen werden. Damit erscheinen Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt in einem neuen Licht, auch durch das Abzugsverbot von Versorgungsleistungen, die anlässlich einer Immobilienübertragung vereinbart werden. Diese Leistungen müssen nun aus versteuertem Einkommen aufgebracht werden. Ein Abzug als Sonderausgabe ist gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG seit dem 1.1.2008 ausgeschlossen (Rz. 7.283).
7.3 Das Nießbrauchsrecht ermöglicht es vor allem, Einkünfte zu behalten. Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge hat es dabei insbesondere den Vorteil, die Substanz bereits auf die nachfolgende Generation übertragen zu können und gleichzeitig die Erträge der Übergebergeneration vorzubehalten. Die Einräumung von Nießbrauchsrechten kommt jedoch auch in umgekehrter Richtung vor. Erzielen die Eltern beispielsweise sehr hohe Einkünfte, sind sie immer wieder bestrebt, Einkünfte auf ihre Kinder zu verlagern, um durch die Verteilung der Einkünfte auf mehrere Köpfe Progressionsvorteile erzielen zu können. Hierzu ist der Nießbrauch ein geeignetes Gestaltungsmittel. 1 Johannes von Buch, der zwischen 1325 und 1333 das Sachsenspiegel-Landrecht glossierte, s. kösdi 2016, 19823 unter Verweis auf Kästle-Lamperter, Welt der Kommentare, 2016. 2 Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 71: „tendenziell zurückgegangen“?; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 14 ff.
822 Fleischer
B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.7 Kap. 7
Die wichtigste hier relevante Einkunftsart sind die Einkünfte aus Vermietung und 7.4 Verpachtung gem. § 21 EStG. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG verwirklicht und dadurch Einkünfte erzielt1. Den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht derjenige, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist, sofern der Vermieter Sachen bzw. Rechte gem. § 21 Abs. 1 EStG an Dritte („Außenverhältnis“) zur Nutzung gegen Entgelt überlässt2 (s. Rz. 1.1208 ff.).
7.5
Beispiel: A und B sind Eigentümer eines alten vermieteten Mehrfamilienhauses, das bereits vollständig abgeschrieben ist. Da beide hohe Einkünfte erzielen, möchten sie die Mieteinkünfte auf ihre Kinder verlagern. Sie bestellen daher ihren Kindern jeweils einen „Nießbrauch“, wonach diesen die Erträge aus dem Grundbesitz in voller Höhe zustehen sollen. Die tatsächliche Verwaltung und Nutzung, die gesamten Einflussmöglichkeiten werden weiterhin in vollem Umfang A und B vorbehalten. Wird eine solche Gestaltung ertragsteuerlich anerkannt?
Die Verlagerung der Einkünfte vom Eigentümer an den Nutzungsberechtigten (Nieß- 7.6 braucher, Wohnungsrechtsberechtigten bzw. Leiher/Mieter) wird steuerlich nur anerkannt, wenn dem Nutzungsberechtigten die volle Besitz- und Verwaltungsbefugnis zusteht, er die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in mittelbarem Besitz hat und es verwaltet3. Daher ist die Verlagerung der Einkünfte nur anzuerkennen, wenn die tatsächliche Verwaltung durch den Nutzungsberechtigten erfolgt und das Nutzungsrecht ein vollumfängliches ist. Insbesondere ein sog. Ertragsnießbrauch, der die tatsächliche Verwaltung, den mittelbaren Besitz und alle Einflussmöglichkeiten beim Grundstückseigentümer belässt und dem Nutzungsberechtigten lediglich die Erträge zugesteht, ist Einkommensverwendung und kann nicht zur Einkunftsverlagerung auf den Nießbrauchsberechtigten führen. Im vorgenannten Beispielsfall werden A und B ihr Ziel auf diese Art und Weise also nicht erreichen. Die Bezeichnung „Nießbrauch“ ist daher ungenau, es handelt sich um einen schuldrechtlichen Anspruch des „Nießbrauchers“ auf Auskehrung des Gewinns.
B. Zivilrechtliche Gestaltung I. Inhalt und Belastungsgegenstand Der Nießbrauch ist geregelt in §§ 1030 ff. BGB. Es handelt sich dabei um eine Un- 7.7 terform der persönlichen Dienstbarkeit, die sich jedoch allein formal danach von anderen Dienstbarkeiten unterscheidet, als im gesetzlichen Regelfall nicht nur ein-
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 1; BFH v. 7.4.1987 – IX R 103/85, BStBl. II 1987, 707 ff. m.w.N.; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 71. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 1; BFH v. 31.10.1989 – IX R 216/84, BStBl. II 1992, 506 ff.; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 61. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1 - S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 1.
Fleischer 823
Kap. 7 Rz. 7.7 Nießbrauch und Immobilienübertragung
zelne Nutzungen dem Nießbraucher zugewiesen werden, sondern der Nießbraucher befugt ist, sämtliche Nutzungen des belasteten Gegenstandes zu ziehen1. Der Nießbrauch gibt kein Recht zur Umgestaltung (§ 1037 Abs. 1 BGB)2. Grundsätzlich verpflichtet der Nießbrauch den Eigentümer nur dazu, die Nutzungsziehung durch den Nießbraucher zu dulden. Leistungsverpflichtungen werden, abgesehen von den gesetzlich geregelten Lastentragungsverpflichtungen, durch den Nießbrauch nicht begründet3. Der Nießbraucher kann einen zur Zeit als vormaliger Eigentümer entstandenen Schadensersatzanspruch gerichtet auf Naturalrestitution weiterhin geltend machen, wenn die Beschädigung eine Beeinträchtigung der Ausübung des Rechts darstellt4.
7.8 Die Abrede über die Bestellung des Nießbrauchs (= schuldrechtliches Grundgeschäft) kann Gegenstand verschiedenster Verträge sein. Der Nießbrauch entsteht als beschränkt dingliches Recht an Grundstücken durch dingliche Einigung gem. § 873 BGB und Eintragung im Grundbuch (Abstraktionsprinzip). Als Recht an einem Grundstück hängt der wirtschaftliche Wert davon ab, in welchem Rangverhältnis er zu anderen Rechten an dem Grundbesitz steht. Er erlischt durch Zwangsversteigerung, wenn er nicht in das geringste Gebot fällt (§§ 44, 52, 92 Abs. 2 Satz 2 ZVG).
7.9 Folgende Nießbrauchsarten werden unterschieden: – Nettonießbrauch: Nießbrauch mit der gesetzlich vorgegebenen Verteilung von Kosten und Lasten. – Bruttonießbrauch: Der Eigentümer trägt alle auf der Sache ruhenden öffentlichen und privaten Lasten, dem Nießbraucher verbleiben die Bruttoeinnahmen ohne jeden Abzug. – Vorbehaltsnießbrauch: Der Eigentümer behält sich an dem von ihm übertragenen Vermögenswert den Nießbrauch vor. – Zuwendungsnießbrauch: Der Eigentümer räumt einem Dritten den Nießbrauch ein. – Eigentümernießbrauch: Nießbrauchsberechtigter ist der Eigentümer selbst. – Vermächtnisnießbrauch: Der Anspruch auf Einräumung eines Nießbrauchs wird durch ein Vermächtnis zugewandt.
1 BGH v. 20.3.2020 – V ZR 317/18, DNotZ 2021, 37; Staudinger/Heinze (2021), Vorbem. zu §§ 1030 ff. BGB Rz. 4, § 1030 BGB Rz. 1; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 5, 104. 2 Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1037 BGB Rz. 4: schuldrechtlich und dinglich abänderbar. 3 Staudinger/Heinze (2021), § 1030 BGB Rz. 50; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 60; zur Wertsicherung eines Nutzungsentgelts DNotI-Gutachten 186365. 4 Gutachten DNotI-Report 2017, 33.
824 Fleischer
B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.12 Kap. 7
– Bruchteilsnießbrauch: Nießbrauch wird an einem Bruchteil des Nießbrauchsobjektes bestellt. – Quotennießbrauch: Nießbrauch wird zwar am ganzen Nießbrauchsobjekt (Grundstück) bestellt, berechtigt aber nur zur Ziehung der Nutzungen zu einem bestimmten Bruchteil. – Sicherungsnießbrauch: Sichert den Nießbrauchsberechtigten als Gläubiger des Eigentümers für eine schuldrechtliche Forderung (z.B. als Berechtigter von Unterhalts- oder Versorgungsansprüchen) oder als Mieter1. – Schuldrechtlicher Nießbrauch: Nießbrauch an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten wird nicht im Grundbuch eingetragen2. Das Nießbrauchsrecht ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 1059 Satz 1 BGB; Aus- 7.10 nahme § 1059a BGB)3 und nicht vererblich (§ 1061 BGB). Soll ausnahmsweise das Nießbrauchsrecht doch vererblich ausgestaltet sein, so müsste die betreffende Person nach § 428 BGB (s. Rz. 7.33) einbezogen werden oder zwischen mehreren Berechtigten eine GbR oder KG begründet werden. Anschließend könnte durch Vererbung der Gesellschaftsbeteiligungen eine faktische Vererblichkeit des Nießbrauchsrechts erreicht werden, § 1059a Abs. 2 BGB. Alternativ kann aufschiebend bedingt auf das Erlöschen eines ersten Nießbrauchs, ein Nießbrauch zugunsten einer anderen, konkret benannten, Person bestellt werden (Sukzessivberechtigung)4. Abhängig von der Beteiligung der begünstigten Person erfolgt dies durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB) oder durch dreiseitigen Vertrag5. Dieses aufschiebend bedingte Nießbrauchsrecht kann entweder sogleich in das Grundbuch eingetragen oder vorläufig durch eine Vormerkung gesichert werden. Der Inhalt eines Nießbrauchs kann dahingehend beschränkt werden, dass beim 7.11 Nießbrauch einzelne Nutzungen ausgeschlossen sind (§ 1030 Abs. 2 BGB). Diese Regelung darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass von vornherein nur einzelne Nutzungsarten gestattet bleiben. Dann würde es sich um eine reguläre Dienstbarkeit handeln, nicht hingegen um einen Nießbrauch. Beispielsweise kann beim Nießbrauch jedoch das Vermietungsrecht ausgeschlossen werden6. Ein Nießbrauch kann – neben beweglichen Sachen oder sonstigen Rechten – an ei- 7.12 nem ganzen Grundstück, an einem Erbbaurecht, Wohnungs- oder Teileigentum, Erbteilen, Gesellschaftsanteilen sowie einem Dauerwohn- oder -nutzungsrecht bestellt werden7. Auch an einem ideellen Miteigentumsanteil kann ein Nießbrauch 1 Fleischer in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 4 Rz. 21. 2 Richtig wohl: nießbrauchsähnliches obligatorisches Nutzungsrecht; Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 11 Rz. 5: „ohne Grundbucheintragung nie“. 3 OLG Nürnberg v. 27.2.2013 – 15 W 2482/12, NZG 2013, 750: keine Analogie. 4 Lieder/Pommerening, ZEV 2019, 564 (566). 5 Stalleiken/Hennig, FR 2015, 389. 6 Pöppel, MittBayNot 2007, 85 (86); siehe auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1362. 7 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1364; nach überwiegender Meining kann ein Nießbrauchsrecht an der Mitgliedschaft einer grundbesitzenden GbR nicht mehr im Grund-
Fleischer 825
Kap. 7 Rz. 7.12 Nießbrauch und Immobilienübertragung
bestellt werden (§ 1066 BGB)1. Die Ausübung eines Nießbrauchs kann auch auf eine reale Teilfläche eines gesamten Flurstücks beschränkt werden (unechte Teilflächenbelastung). Bei der unechten Teilflächenbelastung sind die strengen Vorgaben des § 7 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 GBO nicht einzuhalten. Belastungsgegenstand ist vielmehr das gesamte Grundstück. Als Inhalt des Nießbrauchs wird lediglich die Ausübung auf einen bestimmten Teil des Flurstücks beschränkt2. Nicht zulässig ist nach der Rechtsprechung die Beschränkung des Nutzungsziehungsrechts an einem bebauten Grundstück auf wesentliche Bestandteile, z.B. einzelne Teile des Gebäudes3. Mehrere Sachen können nicht mit einem einheitlichen Nießbrauch belastet werden.4
7.13 Bei der Übertragung einer Immobilie an vermögensverwaltende Personengesellschaften (s. Kapitel 8) ist zu unterscheiden: – Einbringung der Immobilie in Personengesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt (= Nießbrauch am Grundstück); – Einbringung der Immobilie in Personengesellschaft, Übertragung von Beteiligungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs an diesen Anteilen (= Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen).
7.14 Nicht möglich ist es hingegen, den Nießbrauch ganz auf das Bewohnen einer bestimmten Wohnung eines nicht nach dem WEG aufgeteilten Hauses zu beschränken5. In einem solchen Fall ist ein Wohnungsrecht zu bestellen, bei dem jedoch die Vermietung gestattet werden kann. Möglich ist auch, die Ausübung des Nießbrauchs auf die gewünschte Wohnung zu beschränken. 7.15 Das dingliche Wohnungsrecht nach § 1093 BGB ist eine besondere Form der Dienstbarkeit mit nießbrauchsähnlicher Gestaltung6 auf das für den Nießbrauch geltende Vorschriften Anwendung finden (§ 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB): Recht zur alleinigen
1
2 3 4 5 6
buch eingetragen werden, kritisch Reymann, MittBayNot 2016, 38; bedarf die Übertragung eines Dauernutzungsrechts (nach § 31 WEG) der Zustimmung eines Dritten, so ist auch die Bestellung eines Nießbrauchs am Dauernutzungsrecht nur mit Zustimmung des Dritten möglich, OLG München v. 29.6.2016 – 34 Wx 27/16, MDR 2016, 1135 = RNotZ 2016, 575. Zu den Gestaltungsmöglichkeiten Sikora, Anm. zu OLG München v. 20.10.2016, MittBayNot 2018, 459; DNotI-Report 2022, 1. Bei der Teilungsversteigerung geht das Nießbrauchsrecht am Miteigentumsanteil des Antragstellers nicht unter (§ 182 Abs. 1 ZVG); s.a. Hansen, DNotZ 2014, 246; eine Miteigentümervereinbarung entsprechend § 1010 BGB zwischen dem Alleineigentümer und dem Inhaber eines Quotennießbrauchs kann nicht ins Grundbuch eingetragen werden: OLG Köln v. 17.8.2016 – 2 Wx 188/16, BWNotZ 2016, 136 = RNotZ 2016, 668 = Rpfleger 2017, 139. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1365. Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 90f. Staudinger/Heinze (2021), § 1030 BGB Rz. 20 f. H.M., Staudinger/Heinze (2021), § 1030 BGB Rz. 5; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 91; Pöppel, MittBayNot 2007, 85 (86). Grüneberg/Herrler81, § 1093 BGB Rz. 1.
826 Fleischer
B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.33 Kap. 7
und ausschließlichen Nutzung eines Gebäudes oder Gebäudeteils oder Wohnungseigentum1 zu Wohnzwecken (nicht zur umfassenden Nutzung = Nießbrauch). Der Nießbrauch kann nicht auf einzelne Zimmer oder Gebäude beschränkt werden2. Neben der Dienstbarkeit nach § 1093 BGB kann ein Wohnrecht auch als Dienstbar- 7.16 keit nach §§ 1090 bis 1092 BGB (Mitbenützung zum Wohnen ohne Ausschluss des Eigentümers), Dauerwohnrecht (s. Rz. 6.1 ff.) oder Reallast nach § 1105 BGB bestellt werden3. Auch ein gekoppeltes Wohnungs- und Nießbrauchsrecht (im Nachrang) kann be- 7.17 stellt werden, z.B. im Hinblick auf Pfändung der Ausübung des Nießbrauchs oder Aufgabe des Nießbrauchs wegen Beschwerlichkeit der Ausübung4. Auch die Bestellung eines Quotennießbrauchs5 ist möglich. Bei diesem wird zwar 7.18 die ganze Sache mit dem Nießbrauch belastet, der Nießbraucher ist jedoch nur anteilig befugt, die Nutzungen der Sache zu ziehen.
7.19–7.30
Einstweilen frei. II. Berechtigter Berechtigter kann jede natürliche oder juristische Person sein (§ 1059a BGB).
7.31
Auch der Eigentümer kann Nießbrauchsberechtigter sein (Eigentümernießbrauch), 7.32 ohne dass ein berechtigtes Interesse daran nachgewiesen werden muss6. Hinsichtlich des Berechtigten des Nießbrauchs ist bei mehreren Berechtigten, de- 7.33 nen das Recht ungeschmälert auch als länger Lebenden zustehen soll, eine Gesamtberechtigung nach § 428 BGB (s. Rz. 7.10) zu wählen7. Soweit es sich bei den Berechtigten um Ehegatten handelt, die in Gütergemeinschaft verheiratet sind, ist als Berechtigungsverhältnis die Berechtigung in Gütergemeinschaft, zugleich aufschiebend bedingt für den länger Lebenden allein zu vereinbaren und so ins Grundbuch einzutragen8. Bei Gesamtberechtigung nach § 428 BGB kann die Aufhebung der
1 Becker, notar 10/2014, 323 ff.; ein einheitliches Wohnungsrecht neben dem Wohnungseigentum auch am selbstständigen Keller und Tiefgaragenstellplatz ist nicht möglich, DNotI-Report 2018, 17. 2 Staudinger/Reymann (2021), § 1093 BGB Rz. 5. 3 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1236; Rachlitz/Vedder, notar 2018, 356 (358 ff.). 4 Michael, notar 2013, 370 unter Hinweis auf OLG Hamm v. 14.5.2013, I – 15 W 149/13. 5 Staudinger/Heinze (2021), § 1030 BGB Rz. 26 ff. m.w.N.; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 95 ff. 6 BGH v. 14.7.2011 – V ZB 271/10, NJW 2011, 3517; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 73 f. 7 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 260; alternativ könnten auch zwei eigenständige, gleichrangige Nießbrauchsrechte bestellt werden, wobei das Verhältnis ausführlich geregelt werden müsste; Jung/Szalai, notar 2022, 53 (78). 8 Zustimmend unter Hinweis auf Gegenstimmen Pöppel, MittBayNot 2007, 85 (87).
Fleischer 827
Kap. 7 Rz. 7.33 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Gesamtberechtigung entsprechend § 749 Abs. 1 BGB nicht verlangt werden, worauf hingewiesen werden sollte1.Hinzuweisen ist auf die sozialrechtlichen Auswirkungen in Folge der Zurechnung gemeinsam bezogenen Einkommens, z.B. Gefahr des Wegfalls der kostenfreien Familienmitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung2.
7.34 Besondere Probleme ergeben sich, wenn Minderjährige beteiligt sind: – Liegt ein Vertretungsverbot für die Eltern vor? – Bedarf es einer Genehmigung durch das Familiengericht?3 Eltern können nicht als gesetzlicher Vertreter im Namen des vertretenen Kindes mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (§ 181 BGB mit § 1629 Abs. 2 Satz 1 und § 1795 Abs. 2 BGB). Das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) gilt nicht für ein Insichgeschäft der Eltern, das für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Für ein Rechtsgeschäft, das dem vertretenen Kind lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, gilt ebenso das Vertretungsverbot des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 (mit § 1629 Abs. 2) BGB nicht. Bei Abschluss des Erwerbsgeschäfts braucht für das Kind in einem solchen Fall daher kein Pfleger zu handeln, das beschränkt geschäftsfähige Kind also auch nicht persönlich mitzuwirken. Es kann hier der ein Grundstück abgebende Elternteil zugleich für sich und das Kind handeln und der andere Elternteil als gesetzlicher Mitvertreter des Kindes mithandeln.
7.35 Bei Zuwendung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines Nießbrauchs ist jedenfalls dann der Erwerb lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn der Nießbraucher auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat. Ob dies auch dann gilt, wenn diesbezüglich die gesetzlichen Bestimmungen des Nießbrauchs (§§ 1041, 1047, 1049 BGB) gelten, ist zweifelhaft4. Der BGH5 hält die Schenkung eines Grundstücks nicht bereits deshalb für rechtlich nachteilig, weil der Nießbraucher in Zukunft vielleicht einmal vermieten wird und dann der Eintritt in die Vermieterpflichten nach § 1056 Abs. 1 BGB erfolgt. Diese nur theoretische Möglichkeit sei bei der Beurteilung der rechtlichen Vorteilhaftigkeit außer Acht zu lassen.6 Bei Vorbehalt eines Wohnungs-
1 BGH v. 6.3.2020 – V ZR 329/18, DNotZ 2021, 275 = MittBayNot 2021, 356 mit Anm. Forschner = ZEV 2020, 702 mit Anm. Mayer. 2 Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis6, Rz. 2430. 3 Hannes/Roemer, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge2, A.3.00 Rz. 1 ff.; Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 16; Beckervordersandfort/Steinbrink, ZErb 2022, 87. 4 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3610 b: Pflegerbestellung ratsam; OLG Celle v. 7.11.2013 – 4 W 186/13, MittBayNot 2014, 248 = RNotZ 2014, 317. 5 BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137 (142) = NJW 2005, 1430; OLG Dresden v. 10.2.2021 – 17 W 73/21, ZEV 2021, 648. 6 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3610 k: „widersprüchlich“.
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B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.39 Kap. 7
rechts ist die Zuwendung lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn die Unterhaltspflicht nach § 1021 BGB und der Ersatzanspruch nach § 1049 BGB ausgeschlossen sind1. Die Einräumung eines unentgeltlichen Nießbrauchs an einem Grundstück für einen 7.36 Minderjährigen (Zuwendungsnießbrauch) bringt diesem mit den kraft Gesetzes für den Nießbraucher gegenüber dem Eigentümer entstehenden Verpflichtungen auch rechtlichen Nachteil. Das gilt umso mehr, wenn zu den gesetzlichen Verpflichtungen des Nießbrauchers auch noch vertragliche Verpflichtungen kommen, die der Nießbraucher auf sich nimmt. Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Nießbrauch vertraglich modifiziert wird, da nicht alle gesetzlichen Regelungen dinglich abdingbar (s. Rz. 7.44) sind2. Können weder der Minderjährige selbst noch die Eltern handeln, weil ein Vertre- 7.37 tungsverbot vorliegt bzw. beachtliche Zweifel an der Vertretungsbefugnis bestehen, bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB, § 23a Abs. 1 GVG, §§ 151 Nr. 5, 111 Nr. 2 FamFG).
7.38
Gestaltungshinweis: In Zweifelsfällen sollte als sicherster Weg immer eine Pflegerbestellung angeregt werden und dieser mit den Eltern zustimmen3.
Auch wenn die Vertretungsmacht der Eltern nicht ausgeschlossen ist, bedarf es für 7.39 eine Vielzahl von Rechtsgeschäften für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 BGB). Genehmigungserfordernis (§§ 1819 bis 1831 BGB) besteht auch bei Ergänzungspflegschaft: Die Belastung von Grundbesitz des Kindes mit einem Nießbrauch ist genehmigungspflichtig (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB), ebenso die Inhaltsänderung eines dem Kind zustehenden Nießbrauchs. Keine familiengerichtliche Genehmigung ist erforderlich bei Übertragung eines nießbrauchsbelasteten und vermieteten Grundstücks auf einen Minderjährigen4. Gemäß § 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedürfen Eltern zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück ihres Kindes der Genehmigung des Familiengerichts, wobei das Wohnungseigentum einem Grundstück insoweit gleichgestellt ist. Gegenstand einer solchen Genehmigung ist zwar immer nur das materielle Rechtsgeschäft und nicht die Eintragungsbewilligung gem. § 19 GBO. Wo der materielle Rechtserfolg die Grundbucheintragung voraussetzt, schränkt ein Genehmigungserfordernis gem. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB aber die Bewilligungsbefugnis des Vertreters ein und ist deshalb doch im Grundbuchverfahren von Amts
1 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3610 d; zu einer Rückübertragungsverpflichtung ohne Beschränkung auf § 818 Abs. 3 BGB als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft OLG Brandenburg v. 10.9.2020 – 9 WF 198/20 zitiert bei Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (328 f.). 2 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 16 Rz. 76, Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3610h. 3 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 3603; DNotI, Gutachten-Abrufnummer 128470. 4 OLG Hamm v. 6.8.2014 – 15 W 94/14, ZEV 2014, 556 = FamRZ 2015, 337 = MittBayNot 2014, 534.
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Kap. 7 Rz. 7.39 Nießbrauch und Immobilienübertragung
wegen zu beachten. Zur Bestellung eines Nießbrauchs ist die Genehmigung aber nicht erforderlich, wenn die Bestellung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks erfolgt und sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Teil des Erwerbsvorgangs darstellt, so dass dem Minderjährigen von vornherein nur belastetes Eigentum zukommen soll. Auch eine Rückauflassungsvormerkung bedarf nicht der familiengerichtlichen Genehmigung. Ob die Bewilligung einer Auflassungsvormerkung in den Anwendungsbereich des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB fällt, kann dahinstehen, da die auf den Nießbrauch bezogenen Erwägungen jedenfalls entsprechend gelten. Eine wegen der Akzessorietät der Vormerkung grundsätzlich beachtliche Genehmigungsbedürftigkeit der zugrundeliegenden bedingten Verpflichtung zur Rückübertragung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB wäre zu verneinen, weil diese sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ebenfalls nicht als Schmälerung eines bereits vorhandenen Grundbesitzes des Minderjährigen, sondern als Teil des Erwerbsvorgangs darstellte.1 Der Beschluss des Familien-/Betreuungsgerichts wird mit Rechtskraft wirksam (§ 40 Abs. 2 FamFG; Rechtskraftzeugnis: § 46 FamFG). Gestaltungshinweis: In Zweifelsfällen sollte vorsorglich eine Genehmigung eingeholt werden, kein Negativattest, da dies eine eventuell erforderliche Genehmigung nicht ersetzt.2
Das Reformgesetz vom 4.5.2021 regelt das Vormundschafts- und Betreuungsrecht neu.3 Die Änderungen treten zum 1.1.2023 in Kraft, unabhängig davon, ob an Vorgänge angeknüpft wird, die vor Inkrafttreten stattgefunden haben.4 Das Vertretungsrecht der Eltern bleibt inhaltlich unangetastet. Die bisherigen Vertretungsbeschränkungen gem. §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB werden über den Verweis auf den § 1795 BGB nachempfundenen § 1824 BGB n.F. beibehalten. Die Tatbestände der genehmigungsbedürftigen Geschäfte werden zentral in den §§ 1848-1854 BGB n.F. im Betreuungsrecht geregelt. Auf diese verweisen die §§ 1643, 1799 BGB n.F. für genehmigungsbedürftige Geschäfte der Eltern oder des Vormunds, z.B. § 1850 Nr. 5 BGB n.F., unentgeltlicher Erwerb von Wohnungseigentum bedarf der Genehmigung. III. Verhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer
7.40 Rechtsgrund für eine Nießbrauchsbestellung ist ein schuldrechtliches Kausalgeschäft, z.B. Schenkung, Vermächtnis, Sicherungsvereinbarung. Durch die Bestellung eines Nießbrauchs entsteht zwischen dem Eigentümer und dem Berechtigten ein gesetzliches Schuldverhältnis (§§ 1030 ff. BGB).
1 BGH v. 11.3.2021 – V ZB 127/19, ZEV 2021, 452; Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (328); zur nicht notwendigen familiengerichtlichen Genehmigung bei einem Rückforderungsrecht s. OLG München v. 29.4.2020 – 34 Wx 341/18, MittBayNot 2020, 577; zum nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Ausschluss der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft, OLG München v. 27.9.2021 – 34 Wx 253/21; DNotI-Report 2021, 166. 2 Werner, ZEV 2021, 618 (623). 3 Schwab, FamRZ 2020, 1321. 4 Vgl. Art. 17 Abs. 1 des Reformgesetzes, BGBl. I 2021, 882; DNotI-Report 2021, 165.
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B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.42 Kap. 7
Zur grundlegenden Umgestaltung ist der Nießbraucher grundsätzlich ebenso wenig befugt, wie zu Verfügungen über den Grundbesitz (s. Rz. 7.7). Der Nießbraucher kann folglich insbesondere über den belasteten Grundbesitz nicht verfügen, also diesen nicht veräußern und nicht belasten1. Diese Befugnis kann ihm auch nicht mit dinglicher Wirkung als Inhalt des Nießbrauchs abweichend vom Gesetz eingeräumt werden (s. Rz. 7.44). Entscheidende Bedeutung hat in der Praxis regelmäßig die Frage, wer welche Auf- 7.41 wendungen für den Nießbrauch zu tragen hat (Unterhaltung der Sache, §§ 1041 ff. BGB, Kostentragung, § 1047 BGB). Nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 1041 ff. BGB hat grundsätzlich der Nießbraucher nur hinsichtlich der gewöhnlichen Unterhaltung für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Außerordentliche öffentliche Lasten und solche öffentlichen Lasten, die auf den Stammwert der Sache angelegt sind, hat nach dem gesetzlichen Regelungsmodell des § 1047 BGB der Grundstückseigentümer zu tragen. Hiervon können insbesondere die Erschließungskosten betroffen sein2. Nimmt der Nießbraucher außergewöhnliche Ausbesserungen oder Erneuerungen trotzdem vor, kann er Verwendungsersatz verlangen (§ 1049 BGB) und Bestandteile des Grundstücks verwenden (§ 1043 BGB). Nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen (s. Rz. 7.125) ist es bei der häufigsten Form des Nießbrauchs, dem Vorbehaltsnießbrauch, meist geboten, abweichend vom Gesetz den Nießbraucher sämtliche Aufwendungen des Vertragsgegenstandes tragen zu lassen3. Aus diesem Grund wird üblicherweise geregelt, dass der Nießbraucher beim Vorbehaltsnießbrauch über den gesetzlichen Inhalt hinaus auch alle außergewöhnlichen öffentlichen und privaten Lasten und Aufwendungen zu tragen hat. In der Regel sind für die Dauer des Nießbrauchs auch die am Grundbesitz abge- 7.42 sicherten Verbindlichkeiten einschließlich der Zinsen und Tilgung vom Nießbraucher zu tragen, um bei diesem den Finanzierungszusammenhang weiterhin aufrechtzuerhalten. Denn nur der Nießbraucher kann die Schuldzinsen steuerlich als Aufwand abziehen (s. Rz. 7.125). Nach der gesetzlichen Regelung trägt im Innenverhältnis der Nießbraucher die Zinsen für Grundpfandrechtsdarlehen, bei Sicherungsgrundschulden nur die Zinsen der durch die Grundschuld tatsächlich gesicherten Forderung4. Dem Eigentümer obliegen die Tilgungsleistungen5. Verbleiben die Verbindlichkeiten beim Übergeber (Tilgungsleistungen auf eingetragene Grundpfandrechte sind keine privaten Lasten i.S.v. § 1047 BGB) ist im Rahmen der Nießbrauchbestellung zu regeln, dass bei Erlöschen des Nießbrauchs die noch bestehenden Objektverbindlichkeiten vom Erwerber übernommen werden (aufschie1 Sog. Dispositionsnießbrauch (= Verfügungsnießbrauch), Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1030 BGB Rz. 140, § 1048 BGB Rz. 4.; a.A. Friedrich, NJW 1996, 32 f. 2 Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1047 BGB Rz. 7; Staudinger/Heinze (2021), § 1047 BGB Rz. 11. 3 Münchener Vertragshandbuch/Munzig/Stein8, Band 6, V, Bürgerliches Recht I, Form. IV.2 Anm. 5. 4 Staudinger/Heinze (2021), § 1047 BGB Rz. 21; Grüneberg/Herrler81, § 1047 BGB Rz. 3. 5 Ivens, ZEV 2012, 71 (73) m.w.N.; Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 11 Rz. 76.
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Kap. 7 Rz. 7.42 Nießbrauch und Immobilienübertragung
bend bedingte Schuldübernahme nach §§ 414 f. BGB, hilfsweise Freistellungsverpflichtung1) damit nicht die Erben des Übergebers belastet werden2. Die Verpflichtung des Nießbrauchers zur Lastentragung besteht nur im Innenverhältnis gegenüber dem Eigentümer, z.B. Grundschuldgläubiger erlangen keinen Anspruch gegen den Nießbraucher. Zivilrechtlich führt bereits die (bedingte) Übernahmeverpflichtung zu einer Minderung der Unentgeltlichkeit, wenn auch mit Unwahrscheinlichkeitsabschlag3. Möglich ist auch die sofortige Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber (befreiende Schuldübernahme oder interne Verpflichtung zur Schuldbefreiung). Der Erwerber kann die Verbindlichkeiten auch übernehmen mit gegenläufiger Vereinbarung im Innenverhältnis, dass der Übergeber die Verbindlichkeiten weiterhin verzinst und tilgt bis zum Erlöschen des Nießbrauchs (aufschiebende Bedingung einerseits und auflösende Bedingung andererseits).
7.43 Die Verbindlichkeiten sind regelmäßig durch Eintragung einer Grundschuld auf dem mit dem Nießbrauch belasteten Grundbesitz abgesichert bzw. sollen Grundschulden dem Nießbraucher zur Absicherung künftiger Finanzierungen von objektbezogenen Aufwendungen dienen. Dazu müssen die Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche an die GbR bestehend aus Übergeber und Übernehmer und ab Beendigung des Nießbrauchs allein an den Übernehmer abgetreten werden4. 7.44 Die gesetzlichen Rechte und Pflichten können mit dinglicher Wirkung geändert werden, soweit dadurch nicht das Wesen des Nießbrauchs ausgehöhlt wird. Z.B. entspricht die Haftung des Vorbehaltsnießbrauchers bereits für leichte Fahrlässigkeit üblicherweise nicht dem Willen der Beteiligten. Mit dinglicher Wirkung kann vereinbart werden, dass der Nießbraucher nur für die Sorgfalt einzustehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 277 BGB)5. Soweit dies nicht möglich ist, können Änderungen jedoch schuldrechtlich zwischen Nießbraucher und vertragsschließendem Eigentümer vereinbart werden6.
1 Um bei fehlender Schuldübernahmegenehmigung Bestand des Vertrages nicht zu gefährden und §§ 491 ff. BGB zu beachten, Amann, MittBayNot 2002, 245. 2 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 11 Rz. 80 mit Formulierungsvorschlag. 3 Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis6, Rz. 1630, 56 ff. 4 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 11 Rz. 74 ff. mit Formulierungsvorschlag. 5 Grüneberg/Herrler81, § 1036 BGB Rz. 2; Staudinger/Heinze (2021), § 1036 BGB Rz. 18, a.A. OLG Frankfurt v. 14.1.2014 – 20 W 349/2013; OLG Nürnberg v. 8.11.2021 – 15 W 3774/21, DNotI-Report 2022, 13; 20.12.2021 – 15 W 4441/21; DNotI-Gutachten 181605 (1.4.2021: ungeklärt); Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1036 BGB Rz. 17: widersprüchlich; generell zu dinglichen Gestaltungsmöglichkeiten s. Rachlitz/Vedder, notar 2020, 286 (292 f.); das OLG Bremen hat eine dingliche Wiederaufbauverpflichtung bejaht, v. 17.6.2020 – 3 W 15/20, BWNotZ 2021, 293 m. Anm. Beckers und Lazarets = MittBayNot 2022, 47. 6 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, Tabellarische Übersicht § 11 Rz. 47; die Bündelung der unterschiedlichen Rechte von Nießbraucher und Eigentümer/Rechtsinhaber in einer Innengesellschaft, Hermes, DStR 2019, 177 f., lässt sich nicht in die zwingenden Grundsätze der Rechtsbeziehungen einbauen.
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B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.47 Kap. 7
Z.B. kann im Rahmen des § 1036 Abs. 2 das Umgestaltungsverbot des § 1037 BGB (s. Rz. 7.7) abbedungen werden1. IV. Wohnungseigentum, vermieteter Grundbesitz Der Nießbraucher hat aus den Vorschüssen gem. §§ 16, 28 Abs. 1 Satz 2 WEG die- 7.45 jenigen Positionen zu tragen, die §§ 1041 Satz 1, 1045 BGB unterfallen, nicht die privatrechtlichen Lasten gem. § 1047 BGB. Letzteres ist dinglich abänderbar2. Bei einem Nießbrauch an einer Sondereigentumseinheit i.S.d. WEG stellt sich die Frage, wer zur Ausübung des Stimmrechts befugt ist und an wen die Ladungen zu richten sind. Der Nießbraucher ist nach h.M.3 nicht zur Ausübung des Stimmrechts in einer Wohnungseigentümerversammlung befugt und daher auch nicht zu laden. Dies gilt auch, soweit Angelegenheiten der laufenden Verwaltung der Eigentümergemeinschaft davon betroffen sind. Die Stimmrechtszuweisung kann nicht zum Inhalt des Nießbrauchs gemacht werden. Nur die Teilungserklärung kann dem Nießbraucher Stimmrecht gewähren (jedoch keine allgemeine Stimmrechtsabspaltung). Aus diesem Grunde sollte bei einem Nießbrauch an einer Wohnungseigentumseinheit oder Teileigentumseinheit dem Nießbraucher eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht erteilt werden, wobei gleichzeitig Bindungen für das Innenverhältnis vereinbart werden können. Beschränkungen in der Gemeinschaftsordnung (Kollision mit Vertreterklausel) stehen dem nicht entgegen4. Hinsichtlich des Hausgelds (§§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG) wird in der Regel vereinbart, dass dieses nicht zwischen Eigentümer und Nießbraucher aufgeteilt wird, sondern vollumfänglich vom Nießbraucher zu tragen ist. Ansonsten trägt der Eigentümer nur die Instandhaltungskosten, die über die gewöhnliche Unterhaltung hinausgehen5. Der Wohnungseigentümer bleibt Verantwortlicher gegenüber seinen Miteigentümern, z.B. wenn der Nießbraucher entgegen der Zweckbestimmung vermietet6. Das Wohnungsrecht erfasst auch Sondernutzungsrechte7. Des Weiteren können 7.46 schuldrechtliche Vereinbarungen über die Tragung von Betriebskosten getroffen werden: Betriebskostenkatalog des § 2 BetrKV, aber auch Mehr oder Weniger an Kostenumlegung. Die Beteiligten können, soweit nicht zwingendes Recht der HeizkostenV entgegensteht, auch Vereinbarungen über die Abrechnungsmaßstäbe treffen. Auch ansonsten gilt die HeizkostenV8. Der Vorbehaltsnießbraucher ist unmittelbar gem. § 566 Abs. 1 BGB an den von ihm 7.47 als Eigentümer geschlossenen Mietvertrag gebunden (Nießbraucher bleibt Vermie1 Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1037 BGB Rz. 4; a.A. wohl die h.M. 2 Gutachten des Deutschen Notarinstituts 146120 v. 24.3.2016. 3 BGH v. 7.3.2002 – V ZB 24/01, NJW 2002, 1647 ff.; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1066 BGB Rz. 9 ff. 4 h. L.; näher s. Gutachten DNotI-Report 2015, 140. 5 Staudinger/Heinze (2021), § 1047 BGB Rz. 30. 6 LG Hamburg v. 24.4.2013 – 318 S 49/12, MietRB 2013, 356. 7 OLG Nürnberg v. 18.7.2001 – 4 U 1235/01, MDR 2002, 26. 8 BGH v. 21.10.2011 – V ZR 57/11, ZfIR 2012, 89.
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Kap. 7 Rz. 7.47 Nießbrauch und Immobilienübertragung
ter)1. Für den Fall, dass ein Nießbrauch an einem vermieteten oder verpachteten Grundstück eingeräumt wird, gilt gem. §§ 567, 567b BGB i.V.m. § 566 BGB der Grundsatz „Nießbrauch bricht nicht Miete“ entsprechend. Der Nießbraucher tritt also automatisch mit Entstehung des dinglichen Nutzungsrechts vollständig in die Position des Vermieters2 ein. Endet der Nießbrauch vor dem Mietverhältnis, rückt wiederum der Eigentümer in die Stellung des Vermieters ein („Nießbrauchsende bricht nicht Miete“)3. Er hat ein Sonderkündigungsrecht (§ 1056 Abs. 2 BGB). Dieses besteht jedoch nicht, wenn er selbst den Vertrag vor Nießbrauchsbestellung abgeschlossen hat oder aufgrund erbrechtlicher Stellung nach dem Nießbraucher die Erfüllung schuldet, d.h. Alleinerbe des Vermieters geworden ist4. V. Pfändung, Überleitung
7.48 Das Nießbrauchsrecht ist unabhängig davon pfändbar, ob die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten überlassen werden kann oder nicht (§ 857 Abs. 3 ZPO). Insoweit ist es keine taugliche Gestaltung, die Pfändbarkeit des Nießbrauchs auszuschließen, indem die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs an Dritte ausgeschlossen wird5. Wird die Überlassung der Ausübung ausdrücklich ausgeschlossen, so sollte im Hinblick auf die Streitfrage6, ob dann auch eine Vermietung und Verpachtung untersagt ist, diese Frage klargestellt werden (s.a. Rz. 7.11 und 7.51). Auf den Sozialhilfeträger überleitbar sind jedenfalls die Vermietungsansprüche des Nießbrauchers7 (s.a. Rz. 7.33). Die Belastung eines Grundstücks mit einem (Vorbehalts-)Nießbrauchs-/Wohnungsrecht schließt dessen sozialhilferechtliche Verwertbarkeit als Vermögen nicht aus, soweit kein zusätzliches Verfügungsverbot besteht8. Die Unverwertbarkeit kann sich aber aus tatsächlichen Gründen ergeben9. VI. Aufhebung, Surrogation, Erlöschen
7.49 Die Aufhebung des Nießbrauchs erfolgt durch Aufgabeerklärung des Berechtigten und Löschung im Grundbuch (§ 875 BGB). Hierzu ist eine Löschungsbewilligung
1 Grüneberg/Herrler81, § 1030 BGB Rz. 4; Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1056 BGB Rz. 4. 2 Grüneberg/Weidenkaff81, § 567 BGB Rz. 1. 3 Staudinger/Heinze (2021), § 1056 BGB Rz. 3. 4 BGH v. 12.10.2011 – VIII ZR 50/11, ZEV 2012, 160. 5 BGH v. 21.6.1985 – V ZR 37/84, NJW 1985, 2827; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1389; siehe auch BGH v. 25.10.2006 – VII ZB 29/06, MDR 2007, 486; von Oertzen/Ponath, Asset protection im deutschen Recht, 3. Auflage 2019, § 4 Rz. 84. 6 Vgl. Münchener Kommentar/Pohlmann8, § 1059 BGB Rz. 9 m.w.N. Nach Ansicht des BGH (BGH v. 20.10.1989 – V ZR 341/87, NJW 1990, 443) ist auch bei einem Ausschluss der Überlassung der Ausübung eines Nießbrauchs die Vermietung und Verpachtung als echte eigene Nutzungsziehung gestattet. 7 Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis6, Rz. 1598. 8 BSG v. 12.7.2012 – B 14 AS158–11 R, ZEV 2013, 97 m. Anm. Litzenburger. 9 Gutachten DNotI-Report 2014, 113.
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B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.52 Kap. 7
(§ 19 GBO) des Berechtigten in der Form des § 29 GBO erforderlich. Die Löschungsbewilligung enthält in der Regel die Aufgabenerklärung1. Bei Tod des Berechtigten bedarf es der Bewilligung des Rechtsnachfolgers, es sei denn eine Vorlöschungsklausel nach § 23 Abs. 2 GBO ist eingetragen2. Bei dem Verzicht handelt es sich um eine Schenkung3, die im Fall der Verarmung einen Rückforderungsanspruch auslöst (§§ 528 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB), der überleitbar (s. Rz. 7.48) ist. Der Eigentümer eines Nießbrauchsgrundstücks wird mit dem Erlöschen des Nießbrauchs nicht Rechtsnachfolger des Nießbrauchers. Dessen bestehende Ansprüche gegen einen Dritten erlöschen (§ 1065 i.V.m. §§ 985, 1004 BGB) nur ausnahmsweise nicht4. Eine dingliche Surrogation, nach der sich der Nießbrauch am Surrogat fortsetzt, be- 7.50 steht nach den Vorschriften über den Nießbrauch nur in Ausnahmefällen (§§ 1046, 1066 Abs. 3, 1075 BGB), bei einem Nießbrauch an Immobilien nicht5. Die Surrogationsvorschriften enthalten keinen allgemeinen Grundsatz. In Betracht kommt ein schuldrechtlicher Anspruch auf Einräumung eines Nießbrauchs am Surrogat aus dem Grundgeschäft bzw. kraft Vereinbarung bei der Aufhebung des Nießbrauchs. Der Eigentümer wird mit Erlöschen des Nießbrauchs nicht Rechtsnachfolger des 7.51 Nießbrauchers. Dessen Ansprüche gegen einen Dritten erlöschen6. Das Wohnungsrecht erlischt nicht, wenn es der Berechtigte wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr ausüben kann7. Es besteht im Regelfall keine Pflicht des Eigentümers, die Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten. Auch aus Treu und Glauben ergibt sich keine Gestattungspflicht des Eigentümers, weil dadurch das dingliche Wohnungsrecht in unzulässiger Weise um Elemente eines Nießbrauchs an der Wohnung erweitert würde. Die Wohnung kann weder vom Wohnungsberechtigten noch vom Eigentümer genutzt werden. Bei medizinisch notwendigem Aufenthalt des Wohnungsberechtigten in einem Pflegeheim entsteht in der Regel im Wege der Vertragsanpassung keine Zahlungspflicht des Eigentümers8. Nießbrauchs- und Wohnungsrechte werden manchmal auf Grund des Bestehens ei- 7.52 nes persönlichen Näheverhältnisses bestellt. Sie sollen daher erlöschen, wenn dieses endet. Zur Löschung im Grundbuch muss der Nachweis für das Erlöschen in
1 Gutachten DNotI-Report 2015, 29. 2 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht16, Rz. 1391. 3 OLG Köln v. 9.3.2017 – 7 U 119/16, DNotIR 2017, 95; zum Wohnrecht OLG Nürnberg v. 22.7.2013 – 4 U 1571/12, ZEV 2014, 37; BGH v. 17.4.2018 – X ZR 65/17, DNotIR 2018, 148: Wertersatz in Höhe der durch den Verzicht eintretenden Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstücks und Herausgabe der gezogenen Nutzungen; Herrler, DNotZ 2019, 439; Roth, ZEV 2019, 445; BGH v. 20.10.2020 – X ZR 7/20, ZEV 2021, 264. 4 BGH v. 18.12.2015 – V ZR 269/14, DNotZ 2016, 465 = ZEV 2016, 210. 5 Brambring, DNotZ 2003, 565. 6 BGH v. 18.12.2015 – V ZR 269/14, ZEV 2016, 210. 7 BGH v. 19.1.2007 – V ZR 163/06, ZEV 2007, 391; Grüneberg/Herrler81, § 1093 BGB Rz. 19; Krüger, ZNotP 2010, 4 (10); Everts, Anm. zu OLG Frankfurt v. 27.10.2014 – 20 W 392/13, MittBayNot 2016, 233. 8 BGH v. 13.7.2012 – V ZR 206/11, NJW 2012, 3572.
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Kap. 7 Rz. 7.52 Nießbrauch und Immobilienübertragung
der Form des § 29 GBO geführt werden. Durchführbar ist dies nur, wenn die Beteiligten die notariell beglaubigte Erklärung des Grundstückseigentümers mit dem Inhalt, die Beziehung ist beendet, selbst zur Bedingung des Rechtsuntergangs machen1. VII. Ehe-, Erb- und Pflichtteilsrecht
7.53 Um eine Aushöhlung des Pflichtteilsanspruchs zu vermeiden, können auch bei lebzeitigen Zuwendungen Pflichtteilsansprüche entstehen (§§ 2325, 2329 BGB). Allerdings bleiben Schenkungen unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind (§ 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bei Schenkungen an den Ehegatten (§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB) beginnt die Frist nicht vor Auflösung der Ehe2. Lebzeitige Vermögensübertragungen, z.B. Einräumung von Nutzungsrechten, werden aber unter dem Aspekt der angemessenen Alterssicherung gegebenenfalls nicht von der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB erfasst.3 Der BGH4 hat zum Totalnießbrauchsvorbehalt entschieden, dass die Schenkung ergänzungspflichtig bleibe, wenn der Erblasser den verschenkten Gegenstand aufgrund eines vorbehaltenen dinglichen Rechts oder einer schuldrechtlichen Vereinbarung bis zu seinem Tode selbst weiterhin nutze, weil der Erblasser dann noch nicht einen spürbaren Vermögensverlust erlitten habe. Bei der Schenkung eines Grundstücks unter uneingeschränktem Nießbrauchvorbehalt gibt er den Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht auf (Genusstheorie). Es fehlt an der wirtschaftlichen Ausgliederung des Zuwendungsgegenstands. Daher liegt keine Leistung i.S.v. § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB vor5. 7.54 Gleiches gilt beim Quotennießbrauch, sofern wesentliche Nutzungen (50 %-Grenze hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten?) vorbehalten werden6. 7.55 Bei einem vorbehaltenen dinglichen Wohnungsrecht i.S.v. § 1093 BGB kann in Ausnahmefällen die Frist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB gehindert sein. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles7. Ein umfassendes dingliches Wohnungsrecht ist fristschädigend.
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OLG München v. 18.12.2012 – 34 Wx 452/12, MDR 2013, 330. Nicht verfassungswidrig: BVerfG ZEV 2019, 79; Röhl, notar 2019, 238 (240). OLG Schleswig v. 16.2.2010 – 3 U 39/09, MittBayNot 2011, 148 m. Anm. Herrler. BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395, 398 f. = NJW 1994, 1791 = DNotZ 1994, 784; bestätigt durch BGH v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15, DNotIR 2016, 121 = ErbR 2016, 570 m. Anm. Gockel = ZEV 2016, 445; Ruby/Schindler, ZEV 2017, 29 (31). 5 Zu weiteren Fragen s. DNotI-Report 9/2016, S. 69 ff.; Münchener Kommentar/Lange8, § 2325 BGB Rz. 71 ff. 6 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 9 Rz. 91. 7 BGH v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15, DNotIR 2016, 121 = ErbR 2016, 570 m. Anm. Gockel = ZEV 2016, 445 = MittBayNot 2017, 408; Frhr. v. Proff, ZEV 2016, 681; Ruby/Schindler, ZEV 2017, 29 (31); OLG München v. 14.7.2016 – 23 U/363, ZEV 2017, 276 = MittBayNot 2017, 411; OLG Zweibrücken v. 1.9.2020 – 5 U 50/19, BeckRS 2020, 43164 = MittBayNot 2021, 493 m. Anm. Weidlich, auch tatbestandlich eingeschränktes enumeratives Rückerwerbsrecht hindert Leistung nicht.
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B. Zivilrechtliche Gestaltung
Rz. 7.57 Kap. 7
Das Ziel der Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen lässt sich durch entgeltliche Gestaltungen erreichen1. Auch die Abschmelzungsregelung i.S.v. § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB kann nur bei Vorliegen einer Leistung in diesem Sinne in Anspruch genommen werden. Besteht der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann der Wert des Nießbrauchs (Wohnungsrechts) vom Schenkungswert in Abzug gebracht werden, wenn es für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Schenkung ankommt (Niederstwertprinzip: ergibt inflationsbereinigt Wertvergleich den niedrigeren Wert zur Zeit des Schenkungsvollzugs, ist von diesem Wert der ex ante kapitalisierte Nießbrauch abzuziehen)2. Die Rechtsprechung zu § 2325 Abs. 3 BGB zum Beginn der Zehn-Jahres-Frist ist nicht auf den Fall der Verarmung des Schenkers und darauf gestützter Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers und Widerruf der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nach §§ 528, 529 BGB anzuwenden3. Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO)4 findet auf die Rechtsnachfolge 7.56 von Personen Anwendung, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind. Der sachliche Anwendungsbereich der EuErbVO umfasst alle Fragen der Vermögensübertragung von Todes wegen, nicht aber die Vermögensübertragung unter Lebenden (Art. 1 Abs. 2 lit. g) EuErbVO). Dem Erbstatut unterliegen u.a. (Art. 23 EuErbVO) die Pflichtteilsansprüche, der Ausgleich (§§ 2050 ff. BGB) und die Anrechnung (§§ 2315 ff. BGB) von unentgeltlichen Zuwendungen. Für Schenkung und Überlassung zu Lebzeiten gilt die ROM-I-Verordnung: auch künftig ist deutsches Recht Vertragsstatut. Damit kann es zu einer Divergenz zwischen Vertragsstatut (deutsches Recht) und Erbstatut (ausländisches Recht) kommen. Auch bei der vorweggenommenen Erbfolge sind daher die Auswirkungen der EuErbVO zu beachten. Das Erbstatut im Zeitpunkt der Schenkung ist festzustellen und die Auswirkungen eines Statutenwechsels im Falle eines späteren Umzugs des Erblassers zu bedenken. Die Aufnahme einer allgemeinen erbrechtlichen Rechtswahl in einen lebzeitigen Schenkungs- und Überlassungsvertrag dürfte im Allgemeinen weder zielführend noch gewünscht sein5. Ist ein Vorerbe befreit, kann er entgeltlich, nicht aber unentgeltlich über zum Nach- 7.57 lass gehörigen Grundbesitz verfügen (§ 2113 BGB). Der beim Grundstücksverkauf durch den Vorerben vorbehaltene Nießbrauch (Wohnungsrecht) stellt keine Gegenleistung des Erwerbers dar, sondern mindert den Wert der Leistung des Vorerben.
1 Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 4 Rz. 90; zu Maßnahmen im Nachhinein Weber, ZEV 2017, 117 ff., 252 ff. 2 Bei konkreter Gesundheitsgefährdung: Ex-Post-Betrachtung BGH v. 4.6.1975 – IV ZR 3/74, BGHZ 65, 75 (77). 3 BGH v. 19.7.2011 – X ZR 140/10, ZEV 2011, 666; anders noch SG Freiburg v. 27.7.2011 – S 6 SO 64 85/09, ZEV 2011, 665. 4 ABl. EU v. 27.7.2012 – L 201/107 bzw. 12.2.2013 – L 41/16. 5 Volmer, Rechtspfleger 2013, 421 (425).
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Kap. 7 Rz. 7.57 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Für die Ermittlung des Verkehrswertes des Nießbrauchs (Wohnungsrechts) gilt die Entscheidung des BGH v. 28.9.20161.
7.58 Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2287 BGB (Vertragserbenbeeinträchtigende Schenkung) ist ein in einem Grundstücksübertragungsvertrag vorbehaltener Nießbrauch vor der Prüfung, ob Beeinträchtigungsabsicht vorliegt, bereits bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen2. 7.59 Bei der Frage, ob eine Verfügung über Vermögen im Ganzen (§ 1365 BGB) vorliegt, berücksichtigte der BGH das vom Ehegatten vorbehaltene Wohnungsrecht als bei ihm verbliebenes Vermögen und nicht als unbeachtliche Gegenleistung. Die Bewertung des Wohnungsrechts soll sich nach den Umständen des Einzelfalls richten3. 7.60 Die Wertsteigerung von nach § 1374 Abs. 2 BGB erworbenem Vermögen durch das allmähliche Absinken eines Vorbehaltsnießbrauchs stellt einen nach § 1374 Abs. 2 BGB privilegierten Vermögenserwerb dar, der nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt. Eine auf einzelne Zeitabschnitte aufgeteilte Bewertung des Erwerbsvorgangs ist nicht erforderlich. Das Ergebnis kann bereits dadurch ermittelt werden, dass man bei der Berechnung des Zugewinns auf ein Einstellen des vorbehaltenen Rechts insgesamt verzichtet. Anders, wenn der Wert des Nießbrauchs wegen des Absinkens der Lebenserwartung nicht abnimmt, sondern aufgrund anderer Umstände wie der Wertentwicklung des Grundstücks steigt. In diesem Fall muss der Nießbrauch sowohl im Anfangs- als auch im Endvermögen berücksichtigt werden4. 7.61–7.70 Einstweilen frei.
C. Einkommensteuer I. Allgemein 1. Grundlagen
7.71 Die verschiedenen Arten des Nießbrauchs (s. Rz. 7.9) sind – mit der Folge unterschiedlicher steuerlicher Rechtsfolgen – auch für die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs zu unterscheiden. 7.72 Aus steuerrechtlicher Sicht geht es bei der Frage der Zuordnung einer Immobilie (Bilanzierung, Zuordnung von Einnahmen und Aufwand, Geltendmachung von AfA/AfS, Bestimmung der Steuerschuldnerschaft) darum, welchem Rechtsträger die Immobilie für steuerliche Zwecke zuzurechnen ist. Die wirtschaftliche Ausübung
1 Gutachten DNotI-Report 2016, 182. 2 BGH v. 28.9.2016 – IV ZR 513/15, ZEV 2016, 641 = ErbR 2016, 698 = Zerb 2017, 20 = ErbStB 2017, 105. 3 BGH v. 16.1.2013 – XII ZR 141/10, ZEV 2013, 405 ff. m. kritischer Anm. Litzenburger. 4 BGH v. 6.5.2015 – XII ZB 306/14, DNotI-Report 2015, 93 = ErbStB 2015, 253 m. Komm. Esskandari; Schulz FamRZ 2018, 82 (83).
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.72 Kap. 7
des Nießbrauchs (wer ist Träger der Rechte und Pflichten?) ist Voraussetzung für die Zurechnung von Einkünften beim Nießbraucher1 (s. Rz. 1.808). Für den Nießbrauch an einer vermieteten Immobilie oder dem Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist folgendes zu beachten: – Beim Nießbrauch an einer vermieteten Immobilie erzielt der Nießbraucher die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn er die nach Bestellung des Nießbrauchs an dem Vermietungsgegenstand zustande gekommenen Mietverträge im eigenen Namen abschließt2. Denn maßgeblich ist insoweit, wer die rechtliche oder tatsächliche „Macht“ hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen: Zugerechnet wird demjenigen Steuersubjekt, das Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine entgeltliche Nutzungsüberlassung ist3. Das ist weniger zivilrechtlich, als wirtschaftlich zu verstehen; es kommt mithin darauf an, wer die maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionsbefugnisse über das Mietobjekt besitzt und damit eine Vermietertätigkeit selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter bzw. Verwalter wirtschaftlich ausübt. Das bedeutet: Der Nießbraucher muss evtl. neue Mietverträge im eigenen Namen abschließen; ggf. ist eine rechtsgeschäftliche (oder konkludente4) Vertragsübernahme bestehender Mietverträge unter Zustimmung der Mieter erforderlich5 (im Einzelnen s. Rz. 1.808). – Auch dem Nießbraucher an einem Gesellschaftsanteil können die auf den Gesellschafter entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ganz oder zum Teil persönlich zuzurechnen sein, obwohl er zivilrechtlich kein Gesellschafter wird. Die Zurechnung setzt in diesem Fall voraus, dass dem Nießbraucher eine Stellung eingeräumt wird, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen entspricht, d.h. dass ihm zusätzlich weitere Rechte (insbesondere Stimmrechte) eingeräumt werden, die seine Rechtsstellung der eines Gesellschafters hinreichend annähern6. Das bedeutet: Der Nießbraucher erzielt nur dann anstelle des Gesellschafters die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Einkünfte, wenn und soweit er aufgrund der ihm zur Ausübung überlassenen Stimm- und Verwaltungsrechte in der Lage ist, auch an Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken. 1 Pfirrmann in Hermann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 25, 20; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 71. 2 BFH v. 13.5.1980 – VIII R 128/78, BStBl. II 1981, 299 = DB 1980, 2269 = NJW 1981, 143. 3 Z.B. BFH v. 24.10.2012 – IX R 24/11, BFH/NV 2013, 1228; v. 29.9.2021 – IX R 2/21, BFH/ NV 2022, 228 = BB 2022, 992. 4 Vgl. BFH v. 29.9.2021 – IX R 2/21, BFH/NV 2022, 228 = BB 2022, 992; v. 16.1.2007 – IX R 69/04, BStBl. II 2007, 579 = DStRE 2007, 948 = DB 2007, 1059 = ZEV 2007, 400. 5 Vgl. BFH v. 26.4.2006 – IX R 22/04, BFH/NV 2006, 2046; s.a. BFH v. 22.2.1994 – IX R 141/90, BFH/NV 1994, 866. 6 BFH v. 9.4.1991 – IX R 78/88, BStBl. II 1991, 809 = DB 1991, 1359 = NJW 1992, 335, v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II. 2008, 679 = DStR 2008, 1131 = DB 2008, 1301 = NJW 2008, 3662.
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Kap. 7 Rz. 7.72 Nießbrauch und Immobilienübertragung
– Problematisch kann dies beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil1 sein: Eine als Voraussetzung für die persönliche Zurechnung von Einkünften erforderliche überschießende Stimmrechtszuweisung zum Quotennießbraucher passt regelmäßig nicht zu den Grundlagen des Quotennießbrauchs. Denn anders als der Gewinnanspruch sind Stimmrechte nicht teilbar. Sie müssen einheitlich ausgeübt werden, auch wenn die Zuständigkeit kraft des Quotennießbrauchs (wirtschaftlich eigentlich) auf zwei Personen entfällt. Eine an die Rechtsstellung eines Gesellschafters hinreichend angenäherte Stellung wird dem Quotennießbraucher in einem solchen Fall u.E. nur eingeräumt, wenn er überquotal die wesentlichen Stimm- und Verwaltungsrechte des Gesellschafters auch bei Grundlagengeschäften ohne dessen Mitwirkung ausüben und effektiv durchsetzen kann.
7.73 Eine Zurechnung beim Nießbraucher ist auch vorzunehmen, wenn das unentgeltliche Nutzungsrecht wirksam bestellt und im Grundbuch eingetragen wurde, die Nießbrauchsdauer jedoch kurz2 oder der Nießbrauch jederzeit frei widerruflich3 ausgestaltet ist. Denn entscheidend ist, wer die maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionsbefugnisse über das Vermietungsobjekt selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter bzw. Verwalter ausübt (= Bewirken der notwendigen Leistungen). Die auflösende Bedingung (Widerrufsvorbehalt) oder Befristung (Dauer) ist nur dann von Bedeutung, wenn diese als Eingriff in die Dispositionsbefugnis des begünstigten Nutzungsberechtigten anzusehen sind4. In der Praxis sollte möglichst auf entsprechende grundlose auflösende Bedingungen verzichtet werden. 7.74 Als AfA-Gegenstand kommen das Nießbrauchsrecht, ein vom Nießbraucher in Ausübung des Nießbrauchs angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut (ein Gebäude) und das nießbrauchsbelastete Wirtschaftsgut in Betracht5. Vereinbarungen über die AfA-Berechtigung sind unmaßgeblich6. 2. Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch Bestellung eines Nießbrauchs?
7.75 Auch bei einer Nießbrauchsbestellung gilt die Regelung des § 39 Abs. 1 und 2 AO. Zu unterscheiden ist dabei die vermögensrechtliche Zurechnung des Wirtschafts-
1 Vgl. hierzu FG Düsseldorf v. 9.5.2019 – 10 K 3108/17 F, EFG 2020, 1130, n. rkr., Rev. (Az. des BFH: IX R 4/20), das (u.E. an der Sache vorbei) dem Quotennießbrauchers die anteiligen, auf den Quotennießbrauch entfallenden Einkünfte nur deshalb nicht zugerechnet hat, weil den Grundstücksmietern der Eintritt des Quotennießbrauchers in die Mietverträge nicht mitgeteilt wurde und er deshalb nicht in die Einkünfteerzielung eingeschaltet gewesen sei. 2 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 776 ff. 3 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz. 216. 4 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 781 unter Verweis auf BFH v. 19.11.2003 – IX R 54/00, BFH/NV 2004, 1079; entgegen FG Niedersachsen v. 27.1.2000 – 5 K 53/98, EFG 2000, 938. 5 Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 EStG Rz. 113. 6 Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 EStG Rz. 71.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.76 Kap. 7
guts von der einkommensteuerrechtlichen Zurechnung der Einkünfte aus dem Wirtschaftsgut (s. Rz. 1.808)1. Das Recht, die Nutzungen zu ziehen, macht den Nießbraucher noch nicht zum wirtschaftlichen Eigentümer. Die Befugnis, den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das nießbrauchsbelastete Wirtschaftsgut auszuschließen, steht dem Nießbraucher nicht zu2. Der Vorbehaltsnießbraucher ist auch dann nicht wirtschaftlicher Eigentümer, wenn neben dem Nießbrauch ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot, gesichert durch Rückauflassungsvormerkung, vereinbart wurde, anders wohl, wenn noch zusätzlich unentgeltliches Rückerwerbsrecht für Vorversterben vereinbart wurde3 oder sich die Nießbrauchsbestellung als Verkauf des Wirtschaftsgutes darstellt (Verbrauch bei Beendigung des Nießbrauchs)4. Ist der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer, müssen die nießbrauchsbelasteten Gegenstände nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO steuerrechtlich dem Nießbraucher so zugeordnet werden, als stünde ihm auch das bürgerlich-rechtliche Eigentum zu. Das belastete Wirtschaftsgut ist nicht dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen. 3. Fälle des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO Bei Vereinbarung eines unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs kann die langfris- 7.76 tige Rückvermietung durch den Nießbraucher an den Grundstückseigentümer als Rückgängigmachung oder Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO angesehen werden5 (s. ausführlich dazu Rz. 13.81 ff.). Beispiel: Die Eltern E sind Eigentümer einer vermieteten Immobilie und wollen zur Verlagerung der Einkünfte ihren Kindern einen unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch einräumen. Gleichzeitig lassen sie sich die Immobilie jedoch wieder zurückvermieten, um sie als Zwischenvermieter wiederum an die Endmieter zu vermieten. Auf diese Art und Weise entstehen die Überschüsse aus Vermietung und Verpachtung im Wesentlichen bei den Kindern.
1 Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 25; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 666. 2 Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 60, 71; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz. 212. 3 BFH v. 26.11.1998 – IV R 39/98, BStBl. II 1999, 263 = FR 1999, 385; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 675 m.w.N.; Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021, Nießbrauch C.I.2.b) m.w.N. 4 Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 71. 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184, Rz. 17; BFH v. 18.10.1990 – IV R 36/90, BStBl. II 1991, 205 ff. = FR 1991, 135 (der BFH-Fall betraf einen bis zum 27. Lebensjahr zeitlich befristeten Nießbrauch; diese Rechtsprechung hat jedoch auch in unbefristeten Fällen Bedeutung); nach Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 74 ist diese Rechtsprechung überholt, nach Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 25 zweifelhaft.
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Kap. 7 Rz. 7.77 Nießbrauch und Immobilienübertragung
7.77 Nach Meinung der Finanzverwaltung soll ein Gestaltungsmissbrauch ferner darin bestehen können, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs mit dem Nießbrauchsbesteller, also dem Eigentümer, ein unkündbares Mietverhältnis vereinbart wird1. 7.78 Einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten erblickt die Finanzverwaltung auch darin, dass die Dauer eines befristeten Zuwendungsnießbrauchs auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Nießbrauchers abgestimmt ist2. 7.79 Diese Einschränkung der Vertragsgestaltung gilt nach Meinung des BFH wie auch der Finanzverwaltung3 jedoch nur beim Zuwendungsnießbrauch und nicht beim Vorbehaltsnießbrauch. Sowohl die Vermietung auf Lebenszeit als auch ein unkündbarer Mietvertrag stellen keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Etwas anderes gilt nur, wenn aufgrund ungewöhnlicher Höhe der Miete oder ansonsten der Versorgungscharakter im Vordergrund steht4. Nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde von der Rechtsprechung die gleichzeitige Vereinbarung eines Nießbrauchs und eines Mietvertrages im Rahmen einer teilentgeltlichen Vermögensübertragung, wenn das dingliche Nutzungsrecht lediglich zur Sicherung des Mietverhältnisses vereinbart und nicht tatsächlich ausgeübt wird5 (s. näher Rz. 13.87). 4. Nießbrauchs- und andere dingliche Nutzungsrechte zugunsten nahestehender Personen (insb. zugunsten Angehöriger)
7.80 Bürgerlich-rechtliche Gestaltungen zwischen nahestehenden Personen sind steuerrechtlich nur dann anzuerkennen, wenn sie klar im Vorhinein vereinbart, zivilrechtlich wirksam, ernsthaft gewollt und so auch tatsächlich durchgeführt worden sind6 (s. ausführlich dazu Rz. 13.44 ff.). Dieser Grundsatz gilt auch uneingeschränkt für die Bestellung von Nießbrauchsrechten. 7.81 An der tatsächlichen Durchführung fehlt es nach Meinung des BMF, „wenn äußerlich alles beim Alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nutzungsberechtigten abgeführt werden“7. Diese Anforderungen, dass nicht alles beim Alten blei-
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 17. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 17, a.A. FG Baden-Württemberg v. 13.12.2016 – 11 K 2951/15, DB Heft 30/2017, M 18/20 = ErbStB 2017, 201. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 17, 41. 4 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 864 ff. m.w.N.; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz. 274. 5 BFH v. 3.2.1998 – IX R 38/96, BStBl. II 1998, 539. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 2; BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386 = FR 2000, 810 m. Anm. Kanzler. 7 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 3.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.85 Kap. 7
ben darf, werfen insbesondere Probleme auf, wenn Eltern ihren minderjährigen Kindern einen Nießbrauch oder sonstiges Nutzungsrecht einräumen, aufgrund dessen die minderjährigen Kinder die Vermieterstellung einnehmen sollen. Da sie noch minderjährig sind, wird die Verwaltung des Kindsvermögens weiterhin von den Eltern durchgeführt. Um hier den Anforderungen der Finanzverwaltung zu genügen, sollte in jedem Fall des Handelns der Eltern ausdrücklich dokumentiert werden, dass diese nicht eigenen Namens handeln, sondern namens der minderjährigen Kinder1. Entscheidend ist z.B., dass mit Nießbrauchsbestellung den Mietern neue Kontonummern bekannt gegeben werden, damit das Geld unmittelbar auf Konten der Kinder fließt. Es genügt nicht, dass nur die Erträge an den Nießbraucher abgeführt werden.
7.82
Beispiel: M und F sind Eigentümer eines alten vermieteten Mehrfamilienhauses, das bereits vollständig abgeschrieben ist. Da beide sehr hohe Einkünfte erzielen, möchten sie die Mieteinkünfte auf ihre minderjährigen Kinder lagern. Sie bestellen daher ihren Kindern einen Nießbrauch, wodurch die Kinder in die Vermieterstellung eintreten. Das Familiengericht hat trotz mehrfachen Antrags die Bestellung eines Ergänzungspflegers abgelehnt, da dies nicht erforderlich sei. Steuerliche Anerkennung?
Die Einräumung des Nießbrauchs bringt rechtliche Nachteile für den Minderjähri- 7.83 gen mit sich (s. Rz. 7.34, 7.36). Die Finanzverwaltung verlangt insoweit die Beachtung folgender Vorgaben: Bei Einräumung eines Nießbrauchsrechts zugunsten minderjähriger Kinder bedarf es im Regelfall der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers, da das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher nicht einen lediglich rechtlichen Vorteil begründet. Dies gilt auch in den Fällen der Einräumung eines Bruttonießbrauches. Formfehler zwingen zwar nicht in jedem Fall zur steuerlichen Nichtanerkennung von steuerlich vorteilhaften Verträgen zwischen Angehörigen, da die Gesamtumstände zu beachten sind. Bei Fehlern eines Ergänzungspflegers sind die Chancen für eine Anerkennung allerdings eher gering2. Die Nießbrauchsbestellung ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ist steuerlich jedoch anzuerkennen, wenn die Nichtmitwirkung des Ergänzungspflegers allein darauf beruhte, dass das Familiengericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers als entbehrlich angesehen hat3. Nach allgemeiner Ansicht bedarf es keiner Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für 7.84 die gesamte Dauer des Nießbrauchs und zur Verwaltung des Vermögens, sondern ausschließlich für die Bestellung des Nießbrauchsrechts4. Ein zunächst formunwirksamer Vertrag zwischen nahen Angehörigen ist nach An- 7.85 sicht des BFH ausnahmsweise dann von vornherein steuerlich anzuerkennen, wenn 1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 15; BFH v. 13.5.1980 – VIII R 63/79, BStBl. II 1981, 295. 2 Siehe z.B. BFH v. 12.5.2016 – IV R 27/13, BFH/NV 2016, 1559 = MittBayNot 2017, 153. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 5. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 4; BFH v. 13.5.1980 – VIII R 63/79, BStBl. II 1981, 295.
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Kap. 7 Rz. 7.85 Nießbrauch und Immobilienübertragung
aus den besonderen übrigen Umständen des konkreten Einzelfalles ein ernsthafter Bindungswillen der Angehörigen zweifelsfrei abgeleitet werden kann. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn den Angehörigen aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht anzulasten ist, dass sie die Formvorschriften zunächst nicht beachtet haben, und wenn sie zeitnah nach dem Auftauchen von Zweifeln alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen1 (s. Rz. 13.62).
7.86 Eine Nießbrauchsbestellung ist auch anzuerkennen, wenn das Familien-/Betreuungsgericht eine familien-/betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht für erforderlich hält (entsprechend Rz. 7.82). 7.87 Gestaltungshinweis In der Praxis sollte stets versucht werden, den sichersten Weg zu gehen, d.h. alle auch nur möglicherweise anwendbaren Mitwirkungs- und Genehmigungserfordernisse sollten beachtet werden.
5. Nießbraucherlasse
7.88 Mit Schreiben vom 23.11.19832 hat das BMF die Grundsätze für die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen geregelt. Die Grundsätze für die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Nießbrauchs bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wurden durch das BMF-Schreiben vom 15.11.19843 und durch das BMF-Schreiben vom 24.7.19984 neu gefasst – letzteren hat die Finanzverwaltung unter Einarbeitung der BFH-Rechtsprechung und Aktualisierung der Beispiele neu gefasst: Das BMF-Schreiben vom 30.9.20135 tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 24.7.1998, das BMF-Schreiben vom 9.2.2001 wurde aufgehoben. Die Anweisungen der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Nießbrauchs bei Einkünften aus Kapitalvermögen im Nießbrauchserlass vom 23.11.1983 sind durch die Nießbrauchserlasse vom 15.11.1984 und vom 24.7.1998 nicht geändert worden.
1 Vgl. hierzu BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. II 2000, 386 = FR 2000, 810 m. Anm. Kanzler. 2 BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508. 3 BMF v. 15.11.1984 – IV B 1-S 2253-139/84, BStBl. I 1984, 561. 4 BMF v. 24.7.1998 – IV B 3-S 2253-59/98, BStBl. I 1998, 914, geändert durch BMF v. 9.2.2001 – IV C3-S 2253-18/01, BStBl. I 2001, 171. 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 68 ff.; zur Klarstellung: keine Anwendung findet der gleichlautende Ländererlass vom 2.11.2012, 34 – S. 3812b – 005 – 3814/12, DStR 2012, 2440 („Nießbrauchserlass 2012“). Mit ihm setzt die Finanzverwaltung die BFH-Rechtsprechung zur Zuwendung von Nießbrauchsrechten an Personengesellschaften um. Zugleich wird die Anwendbarkeit der Grundsätze auch für den Nießbrauchsverzicht klargestellt, wenn die Mitunternehmerstellung auf den Gesellschafter übergeht.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.89 Kap. 7
Die Ablösung eines Nießbrauchsrechts hat das BMF mit Schreiben vom 11.3.2010 geregelt, neu gefasst im BMF-Schreiben vom 6.5.20161. Checkliste2: Vorbehaltsnießbrauch (Vermietung durch Nießbraucher) Eigentümer
Vorbehaltsnießbraucher
Mieten
keine Zurechnung
Zurechnung Rz. 41
Grundstücksaufwendungen
kein Abzug Rz. 45
abzugsfähige WK Rz. 43 i.V.m. Rz. 21, 22
Gebäude-AfA
kein Abzug Rz. 45
Abzug Rz. 22
AfA auf Nießbrauchs- – recht
–
Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch (Vermietung durch Nießbraucher) Eigentümer
Zuwendungsnießbraucher
Mieten
keine Zurechnung Rz. 23 Zurechnung Rz. 18 i.V.m. Rz. 14–17
Grundstücksaufwendungen
kein Abzug Rz. 24
abzugsfähige WK Rz. 21
Gebäude-AfA
kein Abzug Rz. 24
kein Abzug Rz. 19
AfA auf Nießbrauchs- – recht
kein Abzug Rz. 20
II. Zuwendungsnießbrauch Beim Zuwendungsnießbrauch ist zwischen entgeltlicher, teilentgeltlicher und unentgeltlicher Bestellung zu unterscheiden. Der Zuwendungsnießbrauch wurde entgeltlich bestellt, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Dabei sind alle Leistungsbündel von beiden Vertragsseiten vollumfänglich zu berücksichtigen3. Bei Verträgen zwischen fremden Dritten ist grundsätzlich von entgeltlichen Verträgen auszugehen4. Bei Personen, die einander nahestehen, besteht im Grundsatz die gegenteilige Vermutung.
1 BMF v. 6.5.2016 – IV C 3 - S 2221/15/10011:004, BStBl. I 2016, 476; OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation v. 21.7.2016, Kurzinformation ESt Nr. 14/2016, DStR 2017, 498. 2 Siehe auch Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021 Nießbrauch, C. III 1. – 4.; die in der Checkliste genannten Rz. nehmen Bezug auf die Rz. im BMF-Schreiben v. 30.9.2013 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 10. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 11.
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7.89
Kap. 7 Rz. 7.90 Nießbrauch und Immobilienübertragung
7.90 Sind Wert von Nießbrauch und Gegenleistung nicht gleichwertig, sind jedoch dennoch Gegenleistungen geschuldet, so ist der Vertrag in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Für jeden Teil gelten die jeweils für einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Nießbrauch geltenden Grundsätze. Die verhältnismäßige Aufteilung richtet sich nach dem Verhältnis des Entgeltes zum Kapitalwert des Nießbrauchs. Unentgeltlich ist ein Nießbrauch auch dann in vollem Umfang, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als 10 % des Wertes des Nießbrauchs beträgt1. Eine Aufspaltung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil unterbleibt in diesen Fällen. 1. Unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch
7.91 Der Hauptnachteil des unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs besteht darin, dass der Nießbraucher Absetzungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG auf das Gebäude nicht steuerlich geltend machen kann2. AfA kann der Nießbraucher nur hinsichtlich solcher Wirtschaftsgüter mit steuerlicher Wirkung beanspruchen, wenn er selbst nachträglich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten trägt oder er zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der Wirtschaftsgüter wird. Dies ist insbesondere bei Anlagen und Einrichtungen i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB der Fall, also wenn das Gebäude in Ausübung des Nießbrauchs errichtet oder Anlagen oder Einrichtungen in Ausübung des Nießbrauchs oder sonst zu einem vorübergehenden Zweck in das dem Nießbrauch unterliegende Gebäude eingebaut werden3. Zivilrechtlich (s. Rz. 7.7) ist der Nießbraucher nicht zur Umgestaltung berechtigt. Dies kann jedoch vereinbart werden (s. Rz. 7.44). 7.92 Auf das Nießbrauchsrecht selbst kann der Nießbraucher keine AfA geltend machen4. Denn insoweit hat er keine „abschreibungsfähigen“ Anschaffungskosten getragen. 7.93 Alle anderen Werbungskosten kann der Nießbraucher grundsätzlich steuerlich geltend machen, sofern er die Lastentragung vertraglich wirksam übernommen und tatsächlich getragen hat oder aufgrund der gesetzlichen Lastenverteilung zu tragen hat, auch wenn der Eigentümer den Erhaltungsaufwand begleicht (abgekürzter Zahlungs-/Vertragsweg)5. Aufwendungen, die der Nießbraucher gem. § 1043 BGB zu tätigen berechtigt ist und die in seinem Interesse erfolgen, kann er ebenfalls geltend machen. Dies ist nach Meinung der Finanzverwaltung jedoch ausgeschlossen, wenn der Ersatzanspruch gem. § 1049 BGB vorher vertraglich ausgeschlossen wur-
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 12, 13. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 19; BFH v. 24.4.1990 – IX R 9/86, BStBl. II 1990, 888; Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 102, Schmidt/ Kulosa41, § 21 EStG Rz. 74. 3 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 906. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 20; BFH v. 28.7.1981 – VIII R 141/77, BStBl. II 1982, 454. 5 Günther, ErbStB 2019, 245.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.99 Kap. 7
de oder von vornherein feststeht, dass der Ersatzanspruch nicht durchsetzbar ist1 (s. Rz. 7.41). Sind die dem Nießbrauchsrecht unterliegenden Gebäude vermietet, so sind die Ein- 7.94 künfte grundsätzlich dem Nießbraucher zuzurechnen und nicht dem Eigentümer, sofern er die Vermietungsleistungen erbringt (s. Rz. 7.72). Der Eigentümer darf mangels Einkunftserzielung die AfA auf das Gebäude oder andere Werbungskosten nicht abziehen2. Denn Werbungskosten sind nur solche Aufwendungen, die in einem steuerrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Ist ein Nutzungsrecht nur auf Teile eines Grundstücks bezogen, so gilt der Ausschluss der AfA-Befugnis nur für diesen Teil.
7.95
Gestaltungshinweis: Aus steuerlicher Sicht ist der Zuwendungsnießbrauch nicht empfehlenswert. Entweder statt Zuwendungsnießbrauch die Vollrechtsübertragung mit Rückübertragungsverpflichtungen wählen3. Wird dennoch Zuwendungsnießbrauch verwandt, so sollten alle Lasten (auch außergewöhnliche Ausbesserungen oder Erneuerungen, s. Rz. 7.41) dem Nießbraucher auferlegt werden, da bei einer Vermietung oder sonstigen Nutzung zur Einkunftserzielung nur er befugt ist, diese Aufwendungen steuerlich geltend zu machen.
2. Entgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch
7.96
Beispiel: A ist Eigentümer eines Hauses. B ist daran interessiert, dieses zum Eigenbezug zu erwerben. Da A nicht zum Verkauf bereit ist, jedoch dringend Bargeld benötigt, lässt B sich gegen Zahlung eines Betrages von 200.000 t einen lebenslänglichen Nießbrauch daran einräumen.
Kauft ein Steuerpflichtiger sich ein Nießbrauchsrecht, um den Grundbesitz zu eige- 7.97 nen Wohnzwecken zu nutzen, so kann er mangels Einkünfteerzielung die Zahlungen nicht als Werbungskosten abziehen.
7.98
Abwandlung: A ist Eigentümer eines ertragreichen Mietshauses. B ist daran interessiert, dieses als Alterskapitalanlage (Vermietung) zu erwerben. Da A nicht zum Verkauf bereit ist, jedoch dringend Bargeld benötigt, lässt B sich gegen Zahlung eines Betrages von 300.000 t einen lebenslangen Nießbrauch daran einräumen. Die durchschnittliche Lebenserwartung des B beträgt noch zehn Jahre.
Nutzt der Nießbraucher im vorstehend bezeichneten Falle eines entgeltlich erworbenen Zuwendungsnießbrauchs das Nießbrauchsrecht zum Zwecke der Vermietung,
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 21; BFH v. 14.11.1989 – IX R 110/85, BStBl. II 1990, 462; v. 5.9.1991 – IV R 40/90, BStBl. II 1992, 192. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 24; Schmidt/ Kulosa41, § 21 EStG Rz. 74; a.A. zur generellen Versagung des Werbungskostenabzugs Götz/ Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 952 f. 3 Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 102.
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7.99
Kap. 7 Rz. 7.99 Nießbrauch und Immobilienübertragung
so kann er die Einmalzahlung als Werbungskosten im Zeitpunkt der Zahlung abzuziehen, sofern die Vorauszahlung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren geleistet wird. Auf die Vorausleistung des für mehr als fünf Jahre geltenden Nießbrauchsrechts ist § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG anzuwenden und mithin auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet wird. Ist der Nießbrauch für die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person eingeräumt, sind die Aufwendungen für den Erwerb des Nießbrauchs nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG auf die mutmaßliche Lebenszeit der betreffenden Person zu verteilen, sofern diese mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt erstmals für Vorauszahlungen, die nach dem 31.12.2003 geleistet wurden1.
7.100 Besteht die Gegenleistung des Nießbrauchers für die Einräumung des Nießbrauchs in gleichmäßig wiederkehrenden Zahlungen, so sind diese Beträge für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind2. 7.101 In der Abwandlung kann der Nießbraucher auch alle übrigen Aufwendungen, die steuerlich als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sind, steuerlich geltend machen, sofern er diese Aufwendungen zu tragen hat. Insoweit besteht kein Unterschied zum unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch (vgl. dazu bereits Rz. 7.93). 7.102 Der Eigentümer hat die vom Nießbraucher gezahlte Gegenleistung als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG zu versteuern. Maßgeblich für die zeitliche Erfassung ist grundsätzlich das Zuflussprinzip gem. § 11 EStG. Bei Vorausleistung des Entgelts durch den Nießbraucher für mehr als fünf Jahre können die Einnahmen auf den Zeitraum verteilt werden, für den die Zahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 EStG)3. 7.103 Da beim entgeltlich bestellten Zuwendungsnießbrauch der Eigentümer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und die Aufwendungen für den Grundbesitz getragen hat, ist er zur Geltendmachung von AfA gem. § 7 EStG berechtigt4. Das Gleiche gilt für die Geltendmachung anderer Aufwendungen als Werbungskosten, soweit diese durch die erzielten Einkünfte, also die Bestellung des Nießbrauchs veranlasst sind, so z.B. Schuldzinsen, § 9 EStG. Das gilt selbstverständlich nur, soweit diese Aufwendungen nicht der Nießbraucher zu tragen hat5. 7.104 Ein teilentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch ist entsprechend dem Wertverhältnis von Gegenleistung zum Wert des Nießbrauchs aufzuteilen. Der entgeltliche Teil richtet sich nach den Grundsätzen eines entgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs, der unentgeltliche nach den oben (Rz. 7.91 ff.) dargestellten Grundsätzen des unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs6. 7.105–7.120 Einstweilen frei. 1 2 3 4 5 6
BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 26, 70. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 26. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 28. Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 70, 71. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 30. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 31.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.125 Kap. 7
III. Vorbehaltsnießbrauch
7.121
Beispiel: A ist Eigentümer eines ertragreichen Mietshauses. Er überlässt dieses aus erbschaftsteuerlichen Gründen seinem Kind und behält sich daran einen voll umfänglichen Nießbrauch nebst den sonst üblichen Sicherungen vor.
Der Vorbehaltsnießbrauch kommt in der Praxis, insbesondere im Rahmen der vor- 7.122 weggenommenen Erbfolge am häufigsten vor. Ein solcher Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn bei Übertragung eines Grundstücks gleichzeitig ein Nießbrauchsrecht für den bisherigen Eigentümer an dem übertragenen Grundstück bestellt wird. Ein Vorbehaltsnießbrauch kann auch im Rahmen einer mittelbaren Grundstücksschenkung vorbehalten werden1 (s. Rz. 7.164). Kein Vorbehaltsnießbrauch liegt vor, wenn zwar ein Nießbrauch in Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung, aber an einem anderen als dem übertragenen Grundstück oder zugunsten eines Dritten (z.B. des Ehegatten des bisherigen Eigentümers = Zuwendungsnießbrauch) bestellt wird2. Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt auch vor, wenn ein Erbe die Erbschaft mit der Maß- 7.123 gabe ausschlägt, dass ihm ein Nießbrauchsrecht an den oder einzelnen zum Nachlass gehörenden Gegenständen eingeräumt wird. Hat ein Erbe die Erbschaft mit der Maßgabe ausgeschlagen, dass ihm ein lebenslanger unentgeltlicher Nießbrauch an einem zum Nachlass gehörenden Grundstück eingeräumt wird, so ist er befugt, AfA als Werbungskosten bei seinen aus den Nachlassgrundstücken erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen3. Die Bestellung des Nießbrauchsrechts im Wege des Vorbehaltsnießbrauchs ist keine 7.124 Gegenleistung des Erwerbers für den Erhalt des übertragenen Vermögens unabhängig davon, ob das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird4. Der Vorbehalt eines Nießbrauchs kann daher grundsätzlich weder einen Veräußerungstatbestand i.S.d. § 23 EStG begründen noch zu zusätzlichen Anschaffungskosten und damit einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen gem. § 7 EStG führen. Bei (teil)entgeltlicher Übertragung kann der spätere Wegfall des Nießbrauchs den steuerlichen Veräußerungsgewinn erhöhen (s. Rz. 7.165). 1. Behandlung beim Nießbraucher a) Einkünfte, AfA, Werbungskosten Beim Vorbehaltsnießbrauch erzielt der Nießbraucher Einkünfte aus Vermietung und 7.125 Verpachtung. Ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) ist nicht darin zu sehen, dass der bisherige Grundstückseigentümer sich den Nießbrauch vorbehält, um anschließend 1 2 3 4
BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 39. Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 EStG Rz. 117. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 39. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 40, BFH v. 24.4.1991 – XI R 5/83, BStBl. II 1991, 793.
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Kap. 7 Rz. 7.125 Nießbrauch und Immobilienübertragung
den Grundbesitz zur Nutzung an den neuen Grundstückseigentümer entgeltlich zur Nutzung zu überlassen1 (s. Rz. 7.79). Der Vorbehaltsnießbraucher ist bei Verwendung des Objektes zur Einkunftserzielung zur Inanspruchnahme der AfA gem. § 7 EStG bzw. § 11d EStDV für das Gebäude berechtigt2. AfA-Bemessungsgrundlage und AfA-Methode bleiben unverändert. Die übrigen beim Nießbraucher anfallenden Werbungskosten kann er ebenfalls steuerlich geltend machen – sofern er nach den Vereinbarungen bei der Nießbrauchsbestellung oder hilfsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Tragung dieser Aufwendungen verpflichtet ist. Dies gilt auch für Schuldzinsen seiner Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er die Verbindlichkeiten zurückbehält und weiterhin Zinsen und Tilgung leistet oder die Schulden auf den Erwerber überschrieben werden, die Schuldzinsen (und Tilgung) jedoch im Innenverhältnis dem Nießbraucher zugeordnet werden (s. Rz. 7.42)3. Dies gilt auch für die Erhaltungsaufwendungen nach §§ 11b oder 7i EStG (s. Rz. 7.271).
7.126 Die AfA des Vorbehaltsnießbrauchers richtet sich nach seinen bisherigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und nachträglichen Herstellungskosten, die er während des Nießbrauchs aufwendet. Sollte er bei der Übertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs eine entgeltliche Gegenleistung erhalten haben, sei es in Form von einmaligen baren Geldbeträgen, sei es in Form der Übernahme von Verbindlichkeiten, so lässt dies die Bemessungsgrundlage für die AfA unberührt4. b) Gestaltung des Berechtigungsverhältnisses
7.127 Beispiel (Zusammentreffen von Vorbehalts- und Zuwendungsnießbrauch):5 Die verheiratete A ist Alleineigentümerin eines vermieteten Grundstücks. Sie möchte den Grundbesitz im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter T übertragen. Der Nießbrauch soll über das Ableben des ersten Ehegatten hinaus dem Längerlebenden uneingeschränkt zustehen.
7.128 Wird der Nießbrauch für den bisherigen Eigentümer und seinen Ehegatten vorbehalten (s. Rz. 7.10), und nutzen beide Ehegatten das Wirtschaftsgut gemeinsam zur Einkunftserzielung (beide treten als Vermieter auf), kann der bisherige Eigentümer als Vorbehaltsnießbraucher nur in Höhe seiner Nießbrauchsquote AfA geltend machen, dem Ehegatten als Zuwendungsnießbraucher steht keine AfA zu. Nutzt der Ehegatte das belastete Wirtschaftsgut allein zur Einkunftserteilung, steht weder ihm
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 41. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 42; BFH v. 30.1.1995 – GrS 4/92, BStBl. II 1995, 281 = FR 1995, 268 m. Anm. Kanzler; Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 60. 3 Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 245; Götz/Hülsmann12, Rz. 974 (nicht ganz klar zur zweiten Variante); Söffing/Söffing, DStR 1993, 1690 (1693). 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 44. 5 Korn, kösdi 2018, 20609.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.130 Kap. 7
noch dem bisherigen Eigentümer AfA zu1. Wird der Nießbrauch allein von dem bisherigen Grundstückseigentümer ausgeübt (s. Rz. 7.72), leitet er seine Nutzungsmöglichkeit voll aus seinem Vorbehaltsnießbrauch ab, Zurechnung der Einkünfte und AfA bleiben in voller Höhe beim bisherigen Eigentümer2. Um jedoch dem Einwand aus § 430 BGB (gleiche Anteile im Innenverhältnis) zu begegnen, wird in der Praxis dem Ehegatten ein aufschiebend bedingter (Zuwendungs-)Nießbrauch für den Fall des Ablebens des Übergebers eingeräumt (s. Rz. 7.10). Für die Dauer des Zuwendungsnießbrauchs geht die Gebäude-AfA verloren3. Erst mit dem Ableben des Ehegatten steht dem Eigentümer die AfA zu4. Übertragen Eheleute das ihnen zu je einem halben Anteil gehörende Grundstück auf Kinder und behalten sich als Gesamtberechtigte den Nießbrauch derart vor, dass dieser dem Längerlebenden allein und in vollem Umfang zustehen soll, kann dieser AfA nur anteilig insoweit beanspruchen, als er als Vorbehaltsnießbraucher das Grundstück nutzt5. 2. Behandlung beim Eigentümer Dem Eigentümer sind im Rahmen eines Vorbehaltsnießbrauchs keine Einkünfte zu- 7.129 zurechnen, es sei denn, es handelte sich um einen Quoten- oder Bruchteilsnießbrauch. Im letzteren Falle gelten die zum Quoten- und Bruchteilsnießbrauch allgemein geltenden Regelungen (Rz. 7.154 f.). Er ist daher auch nicht befugt, Aufwendungen auf den Grundbesitz als Werbungskosten geltend zu machen6. Ausnahmsweise kann er Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehen, wenn er diese im eigenen Interesse als künftiger Nutzer getätigt hat und der Nießbrauch in naher Zukunft aufgehoben werden soll7.
7.130
Gestaltungshinweis: Da beim Vorbehaltsnießbrauch der Eigentümer mangels Einkunftserzielung nicht befugt ist, Werbungskosten geltend zu machen, sollte die Lastenverteilung beim Nießbrauch so ausgestaltet werden, dass der Nießbraucher alle anfallenden Aufwendungen, einschließlich der außerordentlichen Lasten zu tragen hat8. 1 Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 EStG Rz. 119; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 21 EStG Rz. 21. 2 Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 25 unter Verweis auf BFH v. 24.9.1985 – IX R 62/83, BStBl. II 1986, 12. 3 BFH v. 24.9.1985 – IX R 62/83 BStBl. II 1986, 12; nach Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 61, kann der überlebende Ehegatte (bei Gesamtberechtigung wie auch aufschiebend bedingt) die AfA in der bisherigen Höhe in Anspruch nehmen (§ 11d EStDV analog); Ivens, ZEV 2012, 71 (75). 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 46. 5 BFH v. 16.11.1993 – IX R 103/90, DNotIR 18/1994, 7; a.A. wohl auch insoweit Schmidt/ Kulosa41, § 7 EStG Rz. 61. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 45. 7 BFH v. 19.2.2019 – IX R 20/17, NV, DStR 2019, 919 = DStRK 2019, 135; Geck/Messner, ZEV 2019, 463, 368; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 75. 8 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 43, 21, 22.
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Kap. 7 Rz. 7.131 Nießbrauch und Immobilienübertragung
7.131 Ist der Nießbrauch erloschen, kann der Eigentümer die Gebäude-AfA geltend machen1. 7.132 War das Grundstück unentgeltlich unter Vorbehalt eines Nießbrauchs übertragen worden, gilt § 11d EStDV, d.h. der Eigentümer führt die AfA des Rechtsvorgängers fort2. 7.133 Beispiel: A ist Eigentümer eines ertragreichen Mietshauses. Er verkauft das Grundstück voll entgeltlich gegen Zahlung von 300.000 t (Anteil Grund und Boden 20 %) an B und Vorbehalt eines voll umfänglichen, lebenslänglichen Nießbrauch als Teil der Gesamtgegenleistung. Der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs beträgt 100.000 t. A verstirbt nach fünf Jahren.
7.134 Hat der Eigentümer, abgesehen vom Vorbehalt des Nießbrauchs, entgeltliche Gegenleistungen gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer geleistet, so bemisst sich die AfA nur noch nach den Anschaffungskosten des Eigentümers, im Beispielsfall also 240.000 t (80 % von 300.000 t)3. Der Kapitalwert des Nießbrauchs, also die 100.000 t, sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Die Bemessungsgrundlage erhöht sich um zusätzliche Herstellungskosten, die der Eigentümer getragen hat4. § 11d EStDV greift nur bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge. 7.135 Sind in der Zeit zwischen Anschaffung oder Herstellung des Grundbesitzes und dem Erlöschen des Nießbrauchs Abschreibungen vom Vorbehaltsnießbraucher geltend gemacht worden, so mindern diese in der Zwischenzeit geltend gemachten Abschreibungen das AfA-Volumen5. 7.136 Weniger AfA-Reduzierung ergibt sich bei teilentgeltlicher Übertragung6. Bei einem späteren Verkauf ist § 23 EStG zu beachten (s. Rz. 7.165). 7.137 Vorstehende Grundsätze gelten auch, wenn die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt und sofortiger Schuldübernahme des Erwerbers erfolgt (s. Rz. 7.42). Bei Übergang der (Rest-)Verbindlichkeiten erst mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten liegt ein voll unentgeltlicher Vorgang vor. § 11d EStDV findet Anwendung. Sowohl bei Übergang der Verbindlichkeiten durch Erbfolge als auch durch Vereinbarung unter aufschiebender Bedingung bleibt der Finanzierungszusammenhang und damit auch der Werbungskostenabzug erhalten7. 7.138–7.150 Einstweilen frei.
1 2 3 4
BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 46. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 48. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 47. BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 47; BFH v. 7.6.1994 – IX R 33/92, IX R 34/92, BStBl. II 1994, 927. 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 47. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 48. 7 Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 250; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 985, 1579 ff.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.155 Kap. 7
IV. Einzelprobleme 1. Dinglich nicht vollzogenes Nießbrauchsrecht Zivilrechtlich entsteht das dingliche Nießbrauchsrecht erst mit Eintragung im 7.151 Grundbuch (s. Rz. 7.8). Wenn die Beteiligten dinglich ein Nießbrauchsrecht zunächst vereinbaren, lange Zeit jedoch der Grundbuchvollzug nicht betrieben wird und dementsprechend lediglich ein schuldrechtliches Nutzungsrecht stattdessen besteht („fehlgeschlagener“ Nießbrauch) sind die Grundsätze zu den obligatorischen Nutzungsrechten (s. Rz. 7.158) anzuwenden1. 2. Sicherungsnießbrauch Ein Sicherungsnießbrauch, also ein solcher, der lediglich zur Sicherung von Forde- 7.152 rungen des Nießbrauchers eingeräumt wird (s. Rz. 7.9), ist, solange er nicht ausgeübt (s. Rz. 7.72) wird, einkommensteuerrechtlich unbeachtlich2. Der Eigentümer erzielt die Einkünfte aus dem Nießbrauch.
7.153
Beispiel: M und F sind Eigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie überlassen den Grundbesitz im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge ihrem Kind zu Alleineigentum. Gleichzeitig vermietet das Kind die Erdgeschosswohnung lebenslänglich an die Eltern. Zur Sicherung des Mietverhältnisses wird ein Nießbrauch zugunsten der Eltern bestellt.
Die gleichzeitige Vereinbarung eines Nießbrauchs und eines Mietvertrages ist jedenfalls dann kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO), wenn das dingliche Nutzungsrecht lediglich zur Sicherung des Pacht- oder Mietverhältnisses vereinbart und nicht tatsächlich ausgeübt wird3. 3. Bruchteils- und Quotennießbrauch Beim Quotennießbrauch (s. Rz. 7.9) steht dem Nießbraucher der Ertrag lediglich 7.154 hinsichtlich eines bestimmten quotal bezeichneten Anteiles zu. Für die steuerliche Anerkennung ist hierfür erforderlich, dass der Nießbraucher dennoch zur Inbesitznahme und Verwaltung des Grundbesitzes berechtigt bleibt. Dies haben Grundstückseigentümer und Nießbraucher gemeinschaftlich zu erledigen. Unter diesen Voraussetzungen wird ein Quotennießbrauch anerkannt4. Ein Bruchteilsnießbrauch liegt dagegen vor, wenn es sich um einen vollumfängli- 7.155 chen Nießbrauch handelt, der jedoch lediglich an einem Bruchteil des Grundbesitzes lastet. Steuerlich werden beide Fälle gleich behandelt. Auch der Bruchteilsnieß-
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184, Tz. 8; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 25. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 9. 3 BFH v. 3.2.1998 – IX R 38/96, BStBl. II 1998, 539. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 14, 15, 16.
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Kap. 7 Rz. 7.155 Nießbrauch und Immobilienübertragung
brauch wird steuerlich anerkannt, sofern die Aufteilung tatsächlich durchgeführt wird.
7.156 Mietzahlungen auf ein gemeinsames Konto beeinträchtigen die Vermieterstellung des Quoten- oder Bruchteilsnießbrauchers dann nicht, wenn sichergestellt ist, dass der anteilige Überschuss in die alleinige Verfügungsmacht des Nießbrauchers gelangt1. Entscheidend ist dabei, dass die tatsächliche Aufteilung der Erträge in der Realität auch streng durchgeführt wird. 7.157 Handelt es sich bei dem Bruchteils- oder Quotennießbrauch um einen unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch, so kann der Eigentümer die AfA auf das Gebäude nur insoweit abziehen, als sie auf den nicht mit dem Nießbrauch belasteten Eigentumsanteil entfallen. Das Gleiche gilt für den Abzug aller anderen Werbungskosten2. 4. Besonderheiten bei obligatorischen Nutzungsrechten
7.158 Ein Nutzungsrecht kann von vornherein nur schuldrechtlich begründet werden (schuldrechtlicher Nießbrauch, s. Rz. 7.9). Damit kann grundsätzlich dasselbe steuerliche Ergebnis wie bei einem dinglichen Nießbrauchsrecht erzielt werden3. Dies gilt auch bei Nießbrauchsverträgen zugunsten minderjähriger Kinder (Rz. 7.34). Für ein unentgeltlich begründetes obligatorisches Nutzungsrecht zwischen nahestehenden Personen verlangt die Finanzverwaltung, dass dieses schriftlich vereinbart sei und für einen festgelegten Zeitraum4 abgeschlossen wurde. Ist das entsprechende Nutzungsrecht teilweise entgeltlich vereinbart, bedarf es eines schriftlichen Mietvertrages; die Vereinbarung einer Mindestzeit wird nicht verlangt5. Nach Ablauf der Befristung eines schuldrechtlichen Nutzungsrechts kann dieses noch fortbestehen, wenn das Fortbestehen für den Zeitraum nach Ablauf der Bedingung (Befristung) ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde6. 7.159 Voraussetzung für die Anerkennung der Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG beim Nutzungsberechtigten ist, dass dieser zivilrechtlich Vermieter geworden ist. Dies ist beim Nießbraucher mit dinglich wirksamer Bestellung gem. § 567 BGB bereits gesetzliche Folge der Nießbrauchsbestellung (s. Rz. 7.46). Das Gleiche gilt auch bei Bestellung eines dinglichen Wohn1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 16. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 25. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 6 ff.; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 Rz. 25. 4 Wohl mind. ein Jahr: BMF v. 24.7.1998, IV B3-S2253-59/98, BStBl. I 1998, 914 Rz. 7; offener BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 7; a.A. BFH v. 24.12.2012 – IX R 24/11, BFH/NV 2013, 1228; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 21 EStG Rz. 25; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 77: Gestaltungsmöglichkeiten zur (ggf. zeitlich begrenzten) Einkünfteverlagerung. 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 7. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 7; BFH v. 16.1.2007 – IX R 69/04, BStBl. II 2007, 579.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.162 Kap. 7
rechts1. Da § 567 BGB bei rein obligatorischen Nutzungsrechten nicht eingreift, kann der jeweilige Nutzungsberechtigte bei bereits bestehenden Verträgen nur bei einer Vertragsübernahme, also bei Zustimmung der Mieter in das Mietverhältnis als Vermieter einrücken2. Dies ist daher Voraussetzung für eine steuerliche Anerkennung der Einkunftserzielung des Nutzungsberechtigten bei einem zugewendeten obligatorischen Nutzungsrecht. Auch bei Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines obligatorischen Nutzungsrechts stellt die Einräumung dieses Nutzungsrechts keine Gegenleistung dar3. 5. Bestellung eines Wohnrechts Wird ein dingliches Wohnrecht nach § 1093 BGB (Rz. 7.15) zugewendet, sind die 7.160 für einen Zuwendungsnießbrauch geltenden Grundsätze (Rz. 7.89 ff.) entsprechend anzuwenden4. Die Übertragung eines Grundstücks gegen die Verpflichtung, dieses mit einem Wohngebäude zu bebauen und dem Veräußerer ein dingliches Wohnrecht an einer Wohnung zu bestellen, stellt keine entgeltliche Überlassung des Wohnrechts, sondern ein auf die Anschaffung des Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft dar5. Wird ein Grundstück gegen Einräumung eines vorbehaltenen dinglichen Wohn- 7.161 rechts nach § 1093 BGB übertragen, sind die Regeln für den Vorbehaltsnießbrauch (s. Rz. 7.121 ff.) entsprechend anzuwenden6. Die AfA-Bemessungsgrundlage für den unbelasteten Gebäudeteil ist wie folgt zu ermitteln: Die Einräumung des Wohnrechts stellt kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. Der Übernehmer erhält lediglich das von vornherein um das Nutzungsrecht geminderte Vermögen. Der Kaufpreis zzgl. der Nebenkosten ist auf die beiden Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen7. Eine von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter ist grundsätzlich – auch in Fällen einer gemischten Schenkung – der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit der Verkehrswert des jeweiligen Wirtschaftsguts nicht überschritten wird8.
7.162
Beispiel (s.a. Rz. 7.295): V überträgt sein Zweifamilienhaus gegen Übernahme der Verbindlichkeiten i.H.v. 175.000 t an K. Dabei behält V sich ein lebenslängliches dingliches Wohnrecht an der Wohnung im
1 Grüneberg/Weidenkaff81, § 567 BGB Rz. 1 m.w.N. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 36; BFH v. 26.4.1983 – VIII R 205/80, BStBl. II 1983, 502. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 51. 4 Stuhrmann, DStR 1998, 1405 (1408). 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 33, 72. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 49. 7 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 50; BFH v. 31.5.2000 – IX R 50, 51/97, BStBl. II 2001, 594. 8 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 50; BFH v. 27.7.2004 – IX R 54/02, BStBl. II 2006, 9.
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Kap. 7 Rz. 7.162 Nießbrauch und Immobilienübertragung Obergeschoss vor (Kapitalwert des Wohnrechts im Erwerbszeitpunkt 75.000 t). Die Erdgeschosswohnung ist weiterhin vermietet. Beide Wohnungen sind gleich groß. Die Verkehrswerte betragen für das Gebäude 250.000 t und für den Grund und Boden 50.000 t (ohne Berücksichtigung des Wohnrechts). Im notariellen Vertrag ist folgendes vereinbart: Die wohnrechtsbelastete Wohnung geht unentgeltlich über. Als Kaufpreis werden für den Grund und Boden 50.000 t und für die vermietete Wohnung 125.000 t bestimmt. Die Kaufpreiszahlung erfolgt durch Schuldübernahme in entsprechender Höhe.
Die im Kaufvertrag vorgenommene Kaufpreiszuordnung ist steuerlich anzuerkennen, wenn sie weder zum Schein getroffen noch missbräuchlich vorgenommen wurde1. Die AfA-Bemessungsgrundlage für die vermietete Wohnung beträgt hiernach 125.000 t. § 11d EStDV ist auf den unentgeltlich erworbenen und unbelasteten Anteil anzuwenden. Bei einer Darlehensfinanzierung sollte von der Finanzierungsfreiheit Gebrauch gemacht werden (s. Rz. 1.815, 1.933 ff.). 6. Vermächtnisnießbrauch
7.163 Ein Vermächtnisnießbrauch liegt vor, wenn aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Grundstückseigentümers einem Dritten vermächtnisweise ein Nießbrauch an einem Grundstück eingeräumt wird (s. Rz. 7.9). Ein Vermächtnisnießbrauch wird wie ein unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch behandelt2. Der Vermächtnisnehmer ist demnach nicht berechtigt, die AfA des Erblassers fortzuführen3. Die Gestaltung eines Vermächtnisnießbrauchs sollte daher lediglich bei solchen Objekten zur Absicherung beispielsweise des längerlebenden Ehegatten gewählt werden, wenn die Nutzung des zugewandten Objekts ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken erfolgen soll und eine Vermietung ausgeschlossen ist. In allen anderen Fällen ist – abgesehen von den zivilrechtlichen Unterschieden und Nachteilen – die Erbeinsetzung verknüpft mit einer Teilungsanordnung und ggf. Vorausvermächtnis eines eventuellen Mehrwerts vorzuziehen. Aufschiebend bedingt auf das Ableben des Berechtigten aus der Teilungsanordnung kann dieser Miterbe wiederum mit einem Herausgabevermächtnis zugunsten des anderen Miterben bzw. dessen Nachkommen belastet werden. Dieser Anspruch kann bereits dinglich im Grundbuch durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden. Auf diese Art und Weise kann der Nutzungsberechtigte und in dem Fall auch Eigentümer auch die AfA auf den vermieteten Grundbesitz vornehmen und steuerlich geltend machen.
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 50; BFH v. 1.4.2009 – IX R 35/08, BStBl. II, 2009, 663 = FR 2009, 1007 m. Anm. Bode; v. 16.9.2015 – IX R 12/14, BStBl. II 2016, 397 = FR 2016, 228 m. Anm. Bode. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 32. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 32, BFH v. 28.9.1993 – IX R 156/88, BStBl. II 1994, 319 = FR 1994, 152 m. Anm. Stobbe; FG Hamburg v. 17.3.2021 – 2 K 2/19, BeckRS 2021, 1030.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.164 Kap. 7
Beim Vermächtnisnießbrauch erhält der Nießbraucher das Nutzungsrecht vom Erben (daher Zuwendungsnießbrauch). Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt jedoch vor, wenn ein Erbe zugunsten eines anderen ausschlägt und ihm dafür ein Nießbrauchsrecht an einem Nachlassgrundstück eingeräumt wird1. 7. Mittelbare Grundstücksschenkung mit Vorbehaltsnießbrauch Aus erbschaftsteuerlichen Erwägungen wurde häufig zum Mittel der mittelbaren 7.164 Grundstücksschenkung gegriffen. Hierbei stellt der Schenker dem Beschenkten zwar Geld zum Erwerb oder zur Bebauung einer bestimmten Immobilie zur Verfügung. Der Beschenkte wird jedoch tatsächlich ausschließlich durch die Immobilie selbst bereichert, da er das Geld nur zu diesem Zweck verwenden kann und darf. In diesen Fällen haben die Schenker häufig – ebenso wie bei sonstigen Fällen der vorweggenommenen Erbfolge – ein Interesse daran, einen Nießbrauch an der mittelbar geschenkten Immobilie zu erhalten. Dieser ist wie ein regulärer Vorbehaltsnießbrauch zu behandeln, wenn die entsprechende Abrede im Voraus, d.h. vor Erwerb der Immobilie bzw. vor der Bauerrichtung getroffen wird2. Unter diesen Umständen galt bis zum Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform 2008 für den erbschaftsteuerlichen Wert der Zuwendung der Grundbesitzwert gem. § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG. Mit der Reform des Erbschaftsteuerrechts im Jahr 2008 hatte diese Fallgruppe an Attraktivität verloren, weil die Bewertungsunterschiede von Grundbesitz und anderen Vermögensklassen nur noch marginal sind oder gar nicht mehr existieren (Kürzung des Grundbesitzwerts nach § 13c ErbStG um 10 %)3. Bei den derzeit ungebremst steigenden Immobilienpreisen gewinnt sie zunehmend wieder an Attraktivität4. Allerdings hat das FG Düsseldorf im Fall einer mittelbaren Grundstücksschenkung eines Einfamilienhauses den Bedarfswert als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer unmittelbar aus dem Kaufpreis für den zeitnahen Erwerb des mittelbar geschenkten Grundstücks abgeleitet.5 Falls der BFH die Entscheidung bestätigt, hat die mittelbare Grundstücksschenkung ihre schenkungsteuerrechtliche Attraktivität weitestgehend eingebüßt, soweit die Immobilien – z.B. Einfamilienhäuser – im Vergleichsverfahren zu bewerten sind (das gilt nicht für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke sowie sonstige bebaute Grundstücke).6 Höchstrichterlich geklärt ist nun, dass bei einem Einkünfte erzielenden bebauten Grundstück der Beschenkte die AfA auf die vom Schenker getragenen Anschaffungskosten gem. § 11d Abs. 1 EStDV geltend machen kann7. 1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 39. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 39; BFH v. 15.5.1990 – IX R 21/86, BStBl. II 1992, 67 = FR 1991, 85 m. Anm. Drenseck. 3 R E 7.3 ErbStR 2011. 4 Geck/Messner, ZEV 2017, 258 (261). 5 BG v. 26.5.2020 – 11 K 3447/19, EFG 2020, 1197 (Rev. unter AZ. II R 14/20 anhängig). 6 kk, kösdi 2020, 21940 [530]. 7 BFH v. 4.10.2016 – IX R 26/15, BStBl. II 2017, 343 = DStR 2017, 445 = ErbStB 2017, 96 = DStRK 2017, 114; Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 134; Günther, ErbStB 2018, 223, (225); auch bei teilweiser mittelbarer Grundstücksschenkung, Ihle, notar 2018, 55 (64) unter Verweis auf FG Düsseldorf v. 13.11.2002 – 16 K 4405/98 E, DStRE 2003, 780.
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Kap. 7 Rz. 7.165 Nießbrauch und Immobilienübertragung
8. Vorbehaltsnießbrauch und private Veräußerungsgeschäfte
7.165 Beispiel1: Vater V überträgt sein 01 für 1 Mio. Euro angeschafftes Mietwohngrundstück zum 1.1.2009 unter Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauchs (Kapitalwert 600.000 t) auf Sohn S. S übernimmt die auf der Immobilie lastenden Verbindlichkeiten von 400.000 t. V stirbt Ende des Jahres 11. S veräußert daraufhin die Immobilie zum 1.1.2012 für 1 Mio. Euro. Eine Wertsteigerung der Immobilie ist zwischenzeitlich nicht eingetreten. V nahm in den Jahren 09 bis 11 eine Gebäude-AfA i.H.v. jährlich 16.000 t in Anspruch.
Es liegt ein vollentgeltlicher Erwerb vor, da sich der Verkehrswert um den Kapitalwert des Nießbrauchs reduziert2 und die übernommenen Verbindlichkeiten dem Verkehrswert der nießbrauchbelasteten Immobilie entsprechen. Die Übernahme der Schulden stellt ein Entgelt dar. Bei Übernahme von Grundschulden ohne Freistellung von Verbindlichkeiten liegt ein unentgeltlicher Erwerb vor. Keine nachträglichen Anschaffungskosten entstehen, wenn zur Löschung einer übernommenen Grundschuld ohne Schuldübernahme, die Verbindlichkeiten vom Übernehmer zwecks Löschung der Grundschuld getilgt werden3. Damit beginnt mit der Übertragung die Veräußerungsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu laufen. Da innerhalb dieser Frist veräußert wird, entsteht ein Veräußerungsgewinn aus der Differenz von Kaufpreis und Betrag der übernommenen Verbindlichkeiten. Dies kann durch – Verbleib der Verbindlichkeiten bei V (voll unentgeltlicher Erwerb; Sohn S veräußert die Immobilie in diesem Fall außerhalb der Zehn-Jahres-Frist und unter Beachtung des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG), – Verzicht auf eine lebzeitige Schenkung (Erwerb von Immobilie und Verbindlichkeiten durch Erbfall, letztere kein teilentgeltlicher Erwerb) verhindert werden4. Da es sich um die Übertragung von Privatvermögen handelt, wird ein etwaiger Veräußerungsgewinn beim Schenker grundsätzlich nicht steuerbar sein.
7.166 Wird ein Grundstück veräußert, könnte sich der Verkäufer zur Vermeidung oder Reduzierung eines Veräußerungsgewinns einen Nießbrauch vorbehalten, der dann später gegen Zahlung abgelöst wird. Die Sicherstellung der Durchführung der Ablösung
1 Nach Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 217, s.a. Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1511 ff.; s.a. BFH v. 23.4.2021 – IX R 8/20, DB 2021, 2061. 2 Das Grundstück wird gemindert um den Wert der grundbuchmäßigen Belastung übertragen = unentgeltlich, BFH v. 18.11.2014 – IX R 49/13, MittBayNot 2016, 86. 3 BFH v. 3.9.2019 – IX R 8/18, DStR 2020, 33 = MittBayNot 2020, 389 m. Anm. Trossen. 4 Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 218; zur Berechnung der Fristen: BFH v. 8.4.2014 – IX R 18/13, BStBl. II 2014, 826 = DB 2014, 1905 = DStR 2014, 1711.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.168 Kap. 7
erfolgt durch entsprechende Doppeloption. Eine Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO dürfte naheliegen1. V. Wegfall, Ablösung, Surrogation 1. Tod, unentgeltlicher Verzicht, Aufhebung Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) erzielt nunmehr der Ei- 7.167 gentümer. Bei Wegfall eines Vorbehaltsnießbrauchs gehen AfA-Bemessungsgrundlage, AfA-Methode und Steuerwert (Restbuchwert) auf den Eigentümer gem. § 11d Abs. 1 EStDV über2. Der Eigentümer kann auch die noch von ihm nunmehr zu leistenden Zinszahlungen (s. Rz. 7.137) als Werbungskosten abziehen. Es besteht auch nun noch ein Veranlassungszusammenhang zu Krediten aus der Errichtung bzw. Anschaffung der Immobilie3. Erhaltungsaufwendungen, die der Vorbehaltsnießbraucher nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt hat, kann der Eigentümer weder nach einvernehmlicher Beendigung des Nießbrauchs noch bei Tod des Nießbrauchers innerhalb des Verteilungszeitraums in Höhe des verbleibenden Teils als Werbungskosten geltend machen4. Dies ist nicht vergleichbar mit der Geltendmachung im Falle der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks (R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR).5 2. Ablösung a) Vorbehaltsnießbrauch Bei der Ablösung ist zu unterscheiden, ob der Nießbrauch im Rahmen – einer vorweggenommenen Erbfolge oder – sonstigen Vermögensübertragung (= Veräußerungsgeschäft) eingeräumt wurde6. Erfolgt die Ablösung eines bei einer vorweggenommenen Erbfolge eingeräumten Vorbehaltsnießbrauchs im Rahmen eines vollentgeltlichen Verzichts auf das Nießbrauchsrecht, so sind einmalige Zahlungen nachträgliche Anschaffungskosten für
1 A.A. Kessler/Mirsbach, DStR 2015, 926; nicht bei Zeitraum von mehr als zwei Jahren und Sicherung durch Doppeloption; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1515; zur Doppeloption s. Kessler/Mirbach/Egelhof, DB 2014, 2190. 2 Neufang/Merz, DStR 2012, 939 (941). 3 Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 250; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 985. 4 FG Münster v. 15.4.2016 – 4 K 442/15 E (rkr.), ErbStB 2016, 203; BFH v. 13.3.2018 – X R 22/17, ErbStB 2018, 239 = DStRK 2018, 249; Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 126: bei den Einkünften des verstorbenen Nießbrauchers im VZ der Beendigung des Nießbrauchs abzuziehen, ebenso bei unentgeltlicher Übertragung während des Verteilungszeitraums. 5 Dem entgegen BFH v. 10.11.2020 – IX R 31/19, DStR 2021, 910 = DB 2021, 932. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 55, 56; Haase/Jachmann/Geils2, § 16 Rz. 22.
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7.168
Kap. 7 Rz. 7.168 Nießbrauch und Immobilienübertragung
den Vermögensgegenstand Grundstück1, die auf Grund und Boden sowie Gebäude aufzuteilen sind. Die Ablösezahlungen begründen eine eigene AfA-Reihe. Des Weiteren geht die AfA-Basis des Schenkers gem. § 11d Abs. 1 EStDV über2. Für den Nießbraucher, also den Vermögensübergeber, handelt es sich bei der Einmalzahlung um eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung3.
7.169 Erfolgt die Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge nicht durch die Zahlung eines Einmalbetrages, sondern gegen wiederkehrende Leistungen, so galt bis zum 1.1.2008 der Rentenerlass vom 16.9.20044. Handelte es sich beim Nießbrauch um eine ertragbringende Wirtschaftseinheit, so galt danach in einem solchen Fall das Sonderrecht der Versorgungsleistungen, wonach die Zahlungen beim Zahlenden Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG und beim Empfänger eine dauernde Last gem. § 22 Nr. 1b EStG darstellten. Mit dem Inkrafttreten des JStG 2008 (s. Rz. 1.1010 ff.) hat sich die Anerkennung der gleitenden (gestreckten) Vermögensübertragung nicht geändert, es sei denn, die Ablösung des Nießbrauchs dient der lastenfreien Veräußerung des Vermögens5. Der BFH hat mit Urteil vom 12.5.20156 entschieden, dass Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der gleitenden Übergabe von Privatvermögen grundsätzlich weiterhin als Rente oder dauernde Last abgezogen werden können, wenn die Vermögensübertragung vor dem 1.1.2008 vereinbart wurde und die Voraussetzungen von § 52 Abs. 23e Satz 2 EStG i.d.F. JStG 2008 nicht vorliegen. Es kommt insofern nicht darauf an, in welchem Zeitraum der Nießbrauch abgelöst und die Versorgungsleistung vereinbart worden sind. Unerheblich ist, ob die Ablösung des Nießbrauchs und der Zeitpunkt bereits im Übergabevertrag verbindlich vereinbart worden waren. Diese Rechtsauffassung widersprach der Verwaltungsmeinung, welche die Anwendung des alten Rechts (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der vor dem 1.1.2008 geltenden Fassung) an die Bedingung geknüpft hatte, dass die Ablösung des Nießbrauchsrechts gegen Versorgungsleistungen und der Zeitpunkt bereits im Übertragungsvertrag verbindlich vereinbart worden waren. Die Finanzverwaltung hat sich nunmehr der Rechtsauffassung des BFH angeschlossen und im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Rz. 85 des BMF-Schreibens vom
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 57; BFH v. 21.7.1992 – IX R 72/90, BStBl. II 1993, 486 = FR 1993, 538 m. Anm. Drenseck; v. 15.12.1992 – IX R 323/87, BStBl. II 1993, 488; v. 18.11.2014 – IX R 49/13, BStBl. II 2015, 224 = DB 2015, 102 = DStR 2015, 27 (Nießbrauch am GmbH-Anteil) = FR 2015, 332 m. Anm. Bode; BFH v. 3.9.2019 – IX R 8/18, DStR 2020, 33; FG Nds. v. 2.7.2020 – 2 K 228/19, BeckRS 2020, 49240, Rev. Az. BFH IX R 9/21. 2 LfSt Bayern v. 28.1.2011, S. 2196.1.1-2/1 St32, DStR 2011, 312; a.A. Meyer/Ball, DStR 2011, 1211, keine Kürzung der AfA-Basis um den Wert des vorbehaltenen Nießbrauchsrechts. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 58; BFH v. 9.8.1990 – X R 140/88, BStBl. II 1990, 1026. 4 BMF v. 16.9.2004 – IV C 3 - S 2255 - 354/04, BStBl. I 2004, 922; BFH v. 25.11.1992 – X R 34/89, BStBl. II 1996, 663. 5 Geck, ZEV 2010, 161 (166); Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 470 ff. 6 BFH v. 12.5.2015 – IX R 32/14, BStBl. II 2016, 331 = DB 2015, 1935 = ErbStB 2015, 289.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.171 Kap. 7
11.3.20101 durch das BMF-Schreiben vom. 6.5.2016 geändert2. Die Neuregelung ist mit einer den Steuerpflichtigen entgegenkommenden Übergangsregelung für VZ vor 2016 und nach 2015 versehen3. Wird der Vorbehaltsnießbrauch im Rahmen einer sonstigen Vermögensübertragung 7.170 (also keine ertragbringende Vermögenseinheit oder voll entgeltliches Austauschgeschäft) entgeltlich abgelöst, so führen sowohl eine Einmalzahlung als auch sonstige wiederkehrende Leistungen mit ihrem Barwert gem. §§ 13, 14 BewG i.V.m. Anlage 9 und 9a zum BewG zu nachträglichen Anschaffungskosten4. Der Erhöhung der Anschaffungskosten, die zu einer Erhöhung des Abschreibungspotentials beim Eigentümer führt, sind jedoch Grenzen gesetzt durch § 12 Nr. 2 EStG, also das Verbot der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen: Ist der Wert der Gegenleistung höher als der Wert des übertragenen Vermögens, so ist der die angemessene Gegenleistung überschreitende Wert gem. § 12 Nr. 2 nicht bei der Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen zu berücksichtigen. Ist der Wert der Gegenleistung mehr als doppelt so hoch wie der Wert des übertragenen Vermögens, so liegt insgesamt eine Zuwendung i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG vor5. Der Eigentümer, der wiederkehrende Leistungen an den ehemaligen Nießbraucher bezahlt, kann die wiederkehrende Leistung weder als Renten noch als dauernde Last abziehen, da es sich um eine private Vermögensumschichtung handelt. Ein in den wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil ist jedoch entsprechend §§ 22 EStG, 55 EStDV zu ermitteln und als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar6. Erfolgt die Ablösung im Zusammenhang mit einer sonstigen Vermögensübertra- 7.171 gung, so sind die Zahlungen an den ehemaligen Nießbraucher von diesem nicht als dauernde Last oder Rente zu versteuern. Ein in wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bzw. Veräußerungsleibrenten mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG der Besteuerung zu unterwerfen7.
1 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 = DB 2010, 645. 2 BMF v. 6.5.2016 – IV C 3 - S 2221/15 10011:004; BStBl. I 2016, 476 = DB 2016, 1165, 1968 = DStR 2016, 1112; OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation v. 21.7.2016, Kurzinformation ESt Nr. 14/2016, DStR 2017, 498 = ZEV 2017, 298. 3 Siehe dazu kösdi 2016, 19828, Report Nr. 265. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 59; BFH v. 9.2.1994 – IX R 110/90, BStBl. II 1995, 47 = FR 1994, 782 m. Anm. Drenseck; v. 18.10.1994 – IX R 46/88, BStBl. II 1995, 169. 5 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 59. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 59; BFH v. 25.11.1992 – X R 91/89, BStBl. II 1996, 666. 7 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 60; Entschädigung für Aufgabe Vorbehaltsnießbrauch an LuF-Betrieb in voller Höhe nach § 14 EStG zu erfassen: FG Schleswig-Holstein v. 11.5.2017 – 5 K 207/13, ErbStB 2017, 369 = DStRK 2018, 8 und BFH v. 8.5.2019 – VI R 26/17, BStBl. 2019 II, 660.
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Kap. 7 Rz. 7.172 Nießbrauch und Immobilienübertragung
b) Zuwendungsnießbrauch
7.172 Bei der Ablösung ist zu unterscheiden, ob der Nießbrauch – unentgeltlich oder – entgeltlich eingeräumt wurde1.
7.173 Ablösezahlungen für einen ursprünglich unentgeltlich eingeräumten Zuwendungsnießbrauch sind nach (nicht unbestrittener) Auffassung der Fin.Verw. grundsätzlich gem. § 12 Nr. 2 EStG nicht abzugsfähig, führen beim Nießbraucher nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und sind beim Eigentümer weder unmittelbar als Werbungskosten abziehbar noch erhöhen sie dessen Anschaffungskosten für das Grundstück2. 7.174 Die vorstehenden Grundsätze, wonach die entgeltliche Ablösung eines unentgeltlich zugewandten Nießbrauchsrechts steuerlich unbeachtlich ist, gelten nicht, wenn der ablösende Eigentümer das Grundstück bereits mit der Nießbrauchsbelastung erworben hat. Es handelt sich dann um ein voll entgeltliches Veräußerungsgeschäft. Eine Einmalzahlung oder auch wiederkehrende Leistungen mit ihrem Barwert führen zu Anschaffungskosten3. 7.175 Der BMF behandelt folgende komplizierte Gestaltungsvariante, der allerdings einen Sonderfall darstellt. Beispiel: Vater V hat seinem Kind K einen unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch eingeräumt, um Einkünfte von sich auf das Kind zum Zweck der Progressionsmilderung zu verlagern. Da das Kind jedoch beim unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch keine AfA auf die Gebäude geltend machen kann, überlegt der Vater folgende Vorgehensweise. Der Vater zahlt dem Kind zur Ablösung des unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs einen dem Wert des Nießbrauchsrechts entsprechenden Betrag i.H.v. 200.000 t. Anschließend, in einem zweiten Vertrag, räumt der Vater dem Kind einen entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch gegen Zahlung von 200.000 t ein. Diese Regelung würde grundsätzlich dem Kind die Verteilung der Aufwendungen i.H.v. 200.000 t auf die Dauer des Nießbrauchs erlauben. 1 Haase/Jachmann/Geils, 2, § 16 Rz. 23, 25 f.; Wurden wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit der Ablösung eines Zuwendungsnießbrauchs vor dem 1.1.2008 vereinbart, können diese als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. abgezogen werden, soweit die übrigen Voraussetzungen für eine begünstigte Vermögensübergabe nach altem Recht vorliegen; BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 73 unter Verweisung auf BMF v. 11.3.2010, BStBl. I 2010, 227; BFH v. 13.12.2005 – X R 61/01, BStBl. II 2008, 16. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 61; s. aber BFH v. 6.7.1993 – IX R 112/88, BStBl. II 1998, 429: keine Berücksichtigung nur bei fehlender stl. Anerkennung der Vereinbarung und bei Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO); a.A. auch Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1416 ff. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 62; BFH v. 15.12.1992 – IX R 323/87, BStBl. II 1993, 488.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.192 Kap. 7
Nach Meinung des BMF1 wird ein solcher Ersatznießbrauch jedoch als neubestellter unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch behandelt. Die steuerlichen Wirkungen, die von den Beteiligten erstrebt wurden, werden hiermit folglich nicht erreicht. Handelte es sich ursprünglich um einen entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch, so 7.176 war der Eigentümer bisher verpflichtet, das Entgelt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG zu versteuern (s. Rz. 7.102). Hat er nunmehr für die Ablösung dieser Einkunftsquelle Zahlungen in Form einer Ablösung zu erbringen, so handelt es sich um negative Einnahmen bei diesen Einkünften. Ist das vorstehend bezeichnete Entgelt für die Einräumung des Zuwendungsnießbrauchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG auf mehrere Jahre verteilt worden, so ist ein noch nicht versteuerter Restbetrag im Jahr der Ablösung als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Besteht die Abfindung für die Ablösung des ursprünglichen entgeltlichen Zuwendungsnießbrauchs in wiederkehrenden Leistungen, so sind die negativen Einnahmen jeweils im Jahr der Zahlung anzusetzen2. Beim Nießbraucher führen die Abfindungszahlungen dagegen zu einer privaten Ver- 7.177 mögensumschichtung, die nur im Rahmen des § 23 EStG steuerpflichtig wäre3. Der Verzicht auf einen Vermächtnisnießbrauch gegen Entgelt ist im privaten Be- 7.178 reich nicht steuerbar. Aufwendungen zur Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs führen zu nachträglichen Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers4. Beim Vermächtnisnießbraucher selbst führt der Erhalt einer Einmalzahlung dagegen zu keinen einkommensteuerlichen Auswirkungen, da es sich um eine Vermögensumschichtung im Privatvermögen handelt. Einstweilen frei.
7.179–7.190
c) Dingliches Wohnrecht, obligatorisches Nutzungsrecht
7.191
Es gelten die Grundsätze für die Ablösung von Nießbrauchsrechten. 3. Surrogation
7.192
Beispiel: Die Eltern haben ein Mehrfamilienhaus auf ihren Sohn unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Mit Einverständnis der Eltern verkauft der Sohn fünf Jahre später den Grundbesitz, um den Erlös zunächst in festverzinslichen Papieren anzulegen, ihn jedoch zu einem späteren
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 61 a.E. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 63. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 64.; BFH v. 9.8.1990 – X R 140/88, BStBl. II 1990, 1026. 4 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 65; BFH v. 21.7.1992 – IX R 14/89, BStBl. II 1993, 484; § 23 EStG kann in einem solchen Fall, also bei einem testamentarisch vermachten Recht nicht verwirklicht werden, da es an einer vorangegangenen Anschaffung, also entgeltlichem Erwerb fehlt.
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Kap. 7 Rz. 7.192 Nießbrauch und Immobilienübertragung Zeitpunkt für den Ankauf einer Immobilie zu verwenden. Die Eltern erteilen Löschungsbewilligung für das Nießbrauchsrecht. Die Eltern gehen als selbstverständlich davon aus, dass sich der Nießbrauch am Verkaufserlös (und später an der neuen Immobilie) fortsetzt. Der Sohn sieht das anders; er meint, die Eltern hätten auf ihr Nießbrauchsrecht verzichtet1.
Es könnte nur eine schuldrechtliche Surrogation (s. Rz. 7.50) vorliegen. Ertragsteuerlich stellt sich die Frage ob die Neubestellung am Surrogat zu einer Bewertung des Vorgangs als Vorbehalts(folge)- oder Zuwendungsnießbrauch führt, insbesondere bei einem Nießbrauch an einem Wirtschaftsgut anderer Art. Der Ersatznießbrauch stellt ein identisches Surrogat zum aufgegebenen Nießbrauch dar. Entgegen dem Zivilrecht (Zuwendungsnießbrauch) setzt sich ertragsteuerlich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorbehaltsnießbrauch am neuen Grundstück als Surrogat fort2. Dies ist wohl generell zu bejahen, wenn es sich wirtschaftlich um einen Tausch handelt3.
7.193 Gestaltungshinweis: Es empfiehlt sich, bereits bei der Nießbrauchbestellung die Verpflichtung zur Neubestellung am Surrogat zu vereinbaren und die Reinvestition zeitnah vorzunehmen. Das Surrogat sollte wertmäßig dem veräußerten Wirtschaftsgut entsprechen4.
4. Bedingung, Befristung
7.194 Ein schuldrechtliches Nießbrauchsrecht kann nach Ablauf der Bedingung (Befristung) noch fortbestehen (s. Rz. 7.158). VI. Nießbrauch an betrieblich genutzten Grundstücken 1. Zuwendungsnießbrauch an einem Einzelgrundstück als Entnahme
7.195 Beispiel: A ist Inhaberin eines Betriebes, zu dessen gewillkürtem Betriebsvermögen ein wertvolles Grundstück gehört, das vermietet ist. Sie will dem B hieran einen unentgeltlichen lebenslangen (Zuwendungs-)Nießbrauch einräumen und fragt nach den ertragsteuerlichen Folgen. Abwandlung: Das Grundstück gehört zum Sonderbetriebsvermögen der A als Gesellschafterin einer GbR.
1 Brambring, DNotZ 2003, 565 (566). 2 BFH v. 24.1.1995 – IX R 40/92, BFH NV 1995, 770; Geck, ZEV, 2021, 684 (687) zu FG Baden-Württemberg v. 16.10.2020 – 13 K 452/18, BeckRS 2020, 48106, nrkr, Az. BFH: IX R 1/21. 3 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1436 ff.; FG Baden-Württemberg v. 16.10.2020 – 13 K 452/18, EFG 2021, 1449, Rev. Az. IX R 1/21; a.A. wohl FG Münster v. 16.5.2013 – 2 K 577/11 E, EFG 2014, 270 (rkr.): die Entscheidung wäre wohl anders ausgefallen, wenn die Surrogatsvereinbarung die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Ausübung des Nießbrauchs beachtet hätte. 4 Götz/Hülsmann, DStR 2010, 2377 (2432); Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1462.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.199 Kap. 7
Die unentgeltliche Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs an einem betrieb- 7.196 lich genutzten Grundstück löst nicht automatisch den betrieblichen Zusammenhang. Das Grundstück steht zwar auf einige Zeit der Nutzung durch den Betrieb nicht mehr zur Verfügung. Auch die ursprünglich mit dem Grundstück erzielten Einkünfte fallen weg und stärken nicht mehr die Ertragslage und Liquiditätsreserve des Betriebes. Dennoch geht der BFH nicht automatisch von einer Entnahme aus1. Der BFH stellt vielmehr darauf ab, ob der Nießbraucher ausnahmsweise wirtschaftlicher Eigentümer wird (s. Rz. 7.75) oder der betriebliche Zusammenhang für immer gelöst wird oder das Grundstück nach der Beendigung des Nießbrauchs dem Betrieb wieder zur Verfügung stehen solle2. In letzterem Fall verliere das Grundstück zwar die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen, nicht aber die als gewillkürtes. Anderenfalls werden allerdings durch Entnahme die im Grundstück enthaltenen stillen Reserven aufgelöst und sind zu versteuern3. Findet keine Entnahme des Grundstücks statt, so werden allerdings die laufenden (jährlichen) Nutzungen entnommen und sind zu versteuern. Diese sind mit den (anteiligen) Kosten der außerbetrieblichen Nutzung (ohne Aufschlag eines fiktiven Vermietergewinns), höchstens jedoch mit dem Marktwert zu bewerten4.
7.197
Abwandlung: A ist Inhaberin eines Betriebes, zu dessen gewillkürtem Betriebsvermögen ein wertvolles Grundstück gehört, das vermietet ist. Sie will dem B hieran einen unentgeltlichen (Zuwendungs-)Nießbrauch für die Dauer von zwei Jahren einräumen und fragt nach den steuerlichen Folgen.
Eine Entnahme entsteht nicht, wenn die Umwidmung des Nutzungszwecks des 7.198 Grundstücks aufgrund einer von vornherein vereinbarten zeitlichen Begrenzung nur vorübergehend ist. Soll das Grundstück anschließend dem Betrieb wieder zur Verfügung stehen, so ist keine Entnahme des Grundstücks anzunehmen.
7.199
Abwandlung: A ist Inhaberin eines Betriebes, zu dessen gewillkürtem Betriebsvermögen ein wertvolles Grundstück gehört, das vermietet ist. Sie will dem B hieran einen lebenslangen (Zuwendungs-)Nießbrauch gegen ein zwischen fremden Dritten übliches Entgelt einräumen und fragt nach den steuerlichen Folgen. Abwandlung: Ein entgeltlicher Nießbrauch wird an einem zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehörenden Grundstück zur Nutzung durch einen Gesellschafter für eigene Wohnzwecke bestellt.
1 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1003; Schmidt/Loschelder41, § 4 EStG Rz. 270 Nießbrauch; Ritter, NWB 2019, 58. 2 Schmidt/Loschelder41, § 4 EStG Rz. 270 Nießbrauch. 3 Uterhark/John, DB 2013, 2707. 4 Schmidt/Loschelder41, § 4 EStG Rz. 270 Nießbrauch; Vgl. grundlegend BFH v. 19.12.2002 – IV R 46/00, DStRE 2003, 773.
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Kap. 7 Rz. 7.200 Nießbrauch und Immobilienübertragung
7.200 Der betriebliche Bezug als gewillkürtes Betriebsvermögen bleibt hier erhalten. Zwar gehen die eigentlichen Nutzungen dem Betrieb verloren, an deren Stelle treten jedoch die Zahlungen für die Nießbrauchseinräumung (Betriebseinnahmen). Sind diese angemessen, entsprechen sie also im Wesentlichen dem zwischen Fremden Üblichen, so wird eine Entnahme vermieden1. 7.201 Wird das Entgelt in einem Einmalbetrag geleistet, hat der Eigentümer einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Laufende Entgeltzahlungen stellen beim Eigentümer Ertrag der Periode der Leistungserbringung dar. Der Barwert der Nießbrauchsansprüche ist beim Eigentümer nicht aktivierungsfähig, der Barwert der Nießbrauchslast beim Nießbraucher kein passivierungsfähiges Wirtschaftsgut2. 7.202 Ein aus außerbetrieblichen Gründen vereinbartes verbilligtes Entgelt, das eine Geringfügigkeitsgrenze von 10 % des ortsüblichen vollen Entgelts unterschreitet, führt nicht dazu, dass das Grundstück seine Beziehung zum Betrieb verliert3. 2. Vorbehaltsnießbrauch an einem Einzelgrundstück
7.203 Es ist danach zu unterscheiden, ob lediglich das einzelne Betriebsgrundstück unter Nießbrauchsvorbehalt oder ein Betrieb (Sachgesamtheit) unter Vorbehalt des Nießbrauchs an einem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück übergeben wird4. 7.204 Beispiel5: Die Unternehmerin A ist Eigentümerin eines betrieblich genutzten Grundstücks (Buchwert Grund und Boden 100.000 t, Buchwert Gebäude 200.000 t). A schenkt das Grundstück ihrem Sohn S, behält sich den Nießbrauch an dem Grundstück vor und nutzt das nießbrauchsbelastete Grundstück wie bisher betrieblich. Die Teilwerte betragen im Zeitpunkt der Schenkung 250.000 t beim Grund und Boden und 500.000 t beim Gebäude.
Das Grundstück und nicht nur die Nutzung wird entnommen6. Das Grundstück ist daher aus der Bilanz des Einzelunternehmens auszubuchen, sämtliche stille Reserven aufzudecken. Das Nießbrauchsrecht wird in den fortbestehenden Betrieb ein-
1 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1002, 1021 (Abwandlung). 2 Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021, Nießbrauch C VI 1. a); BFH v. 26.6.1976 – I R 150/74, BStBl. II 1976, 378. 3 Zum Erbbaurecht: BFH v. 24.3.2011 – IV R 46/08, BStBl. II 2011, 692 = FR 2011, 769 m. Anm. Kanzler; der BFH folgt auch nicht der pauschalen 50 %-Grenze – des ortsüblichen Entgelts -der Finanzverwaltung. 4 Lederle/Wanner, DStR 2015, 2270. 5 Nach Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021, Nießbrauch C. VI. 1. c). 6 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, DStR 2017, 1308 = ZEV 2017, 471; Lederle/Wanner, DStR 2015, 2270 (2272); Geils in Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht2, § 3 Rz. 85; Günther, EStB 2017, 375.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.207 Kap. 7
gelegt, jedoch nicht der Teilwert1, sondern die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem betrieblich genutzten Grundstück stehen (Aufwandseinlage: Grundstücksaufwand an Privateinlage). Zu diesen Aufwendungen gehören ggf. auch die abschreibbaren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die A selbst getragen hat. Diese können durch Ansatz einer entsprechenden Einlage gewinnmindernd berücksichtigt werden2. Wird der Nießbrauch entgeltlich eingeräumt, gelten die gleichen Regeln wie beim entgeltlich bestellten Zuwendungsnießbrauch (s. Rz. 7.199)3. Überträgt ein Einzelunternehmer ein betriebliches Grundstück, das in seinem Ein- 7.205 zelunternehmen aktiviert ist, unter Nießbrauchsvorbehalt unentgeltlich in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, an der der Einzelunternehmer ebenfalls beteiligt ist, so dürfte nach allgemeinen Grundsätzen keine Zwangsentnahme des Grundstücks vorliegen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG)4.
7.206
Beispiel (nach BFH)5: M ist Alleineigentümer des bebauten Grundstücks B-Straße 57 in G. In dem Gebäude befinden sich eine Gaststätte sowie vermietete Wohnungen und Büros. M verpachtete die Gaststätte, die sie zunächst selbst betrieb, an wechselnde Pächter. Sie erklärt bezüglich der Verpachtung der Gaststätte und der Vermietung der sonstigen Räumlichkeiten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hinsichtlich des Grundstücks schließen M und ihr Sohn W einen notariell beurkundeten Übertragungsvertrag. Nach dessen § 2 überträgt M das Grundstück – ohne Vereinbarung eines Entgelts – auf W. M steht bis zu ihrem Tod ein uneingeschränktes, rechnungsfreies Nießbrauchsrecht an dem Grundstück zu.
Im Übertragungsvertrag ist leider nicht eindeutig formuliert, ob hierdurch der Ver- 7.207 pachtungsbetrieb von M auf ihren Sohn übertragen wird oder lediglich das Grundstück Übertragungsgegenstand ist. Der Vertrag enthielt keine Regelung zum Übergang von Nutzen und Lasten. Werden die Vereinbarungen aufgrund ihres Wortlauts dahingehend ausgelegt, dass lediglich das Grundstück übertragen wird, während M ihren Verpachtungsbetrieb – nunmehr mittels Vorbehaltsnießbrauch am Grundstück – fortsetzt, sei es als Gewerbebetrieb, sei es im Wege der Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG, liegt eine Entnahme des Grundstücks vor, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen ist, oder eine Betriebsaufgabe (s. Rz. 7.204). Wenn man davon ausgeht, dass sich die Übertragung nicht auf das Grundstück allein beschränkt, sondern sich vielmehr – da es dessen einzige wesentliche Betriebsgrundlage war – auf den ruhenden verpachteten Betrieb bezieht, hätte
1 BFH v. 2.8.1983 – VIII R 170/78, BStBl. II 1983, 735; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1027 ff. 2 Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021, Nießbrauch C. VI. 1. c); Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 64 f.; Anzinger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 EStG Rz. 119. 3 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1057, 990; Geils in Haase/Jachmann, Beck’sches Handbuch Immobiliensteuerrecht2, § 3 Rz. 85 ff. 4 Lederle/Wanner, DStR 2015, 2270 (2272). 5 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, DStR 2017, 1308 = ZEV 2017, 471.
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Kap. 7 Rz. 7.207 Nießbrauch und Immobilienübertragung
M dem W einen Gewerbebetrieb unentgeltlich übertragen. Das vorbehaltene „uneingeschränkte und rechnungsfreie“ Nießbrauchsrecht führt nicht dazu, dass M das wirtschaftliche Eigentum gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO weiterhin innehat. Wird ein Betreib, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Auch ein ruhender, verpachteter und noch nicht aufgegebener Betrieb kann Übertragungsgegenstand des § 6 Abs. 3 EStG sein. Die Betriebsübertragung erfolgt unentgeltlich (die Bestellung des Nießbrauchs stellt keine Gegenleistung des M als Erwerber dar). Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt aber nach Ansicht des BFH zusätzlich voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt (bei einem verpachteten Betrieb die Verpachtung)1. Daran fehlt es hier, da M die einzige wesentliche Betriebsgrundlage, das Grundstück, aufgrund des ihr vorbehaltenen Nießbrauchs weiterhin selbst vermietet und verpachtet.
7.208 In ständiger Rechtsprechung hat zwar der IV. Senat des BFH im Wege einer bereichsspezifischen Auslegung entschieden, dass ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auch dann gem. § 6 Abs. 3 EStG bzw. § 7 Abs. 1 EStDV ohne Aufdeckung stiller Reserven übertragen werden kann, wenn sich der Übertragende den Nießbrauch an dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb vorbehält2. Der BFH (X. Senat) hält es nicht für verfassungswidrig, dass der unentgeltliche Übergang eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Vorbehaltsnießbrauch der Buchwertfortführung nicht entgegensteht. Auch die Differenzierung zur steuerneutralen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bei Fortführung der stillen Reserven sei nicht verfassungswidrig.
7.209 Da die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung des Verpachtungsbetriebs gem. § 6 Abs. 3 EStG somit nach Ansicht des BFH nicht erfüllt sind, stellt die Übertragung des Grundstücks eine gewinnrealisierende Entnahme dar, die zur Aufdeckung der stillen Reserven führt3: M hat das Grundstück dem Betriebsvermögen entnommen (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 EStG), da die unentgeltliche Übertragung aus persönlichen Gründen ein privater Vorgang ist, der nur im außerbetrieblichen Bereich vollzogen werden kann. Der Vorbehalt des Nießbrauchs hat nicht zur Folge, dass nur ein Teil der ideellen Grundstückshälfte aus dem Betriebsvermögen entnommen worden ist. Eigentum und Nießbrauch sind auch nicht teilweise identisch. Das Nießbrauchsrecht ist vielmehr mit der Bestellung im privaten Vermögensbereich neu entstanden. 1 „Bestätigung“ von BFH v. 2.9.1992 – XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161, und v. 12.6.1996 – XI R 56, 57/95, BFHE 180, 436 = BStBl. II 1996, 527 = DStR 1996, 1399. 2 BFH v. 26.2.1987 – IV R 325/84, BFHE 150, 321 = BStBl. II 1987, 722 und v. 7.4.2016 – IV R 38/13, BFHE 253, 390 = BStBl. II 2016, 765 = DStRE 2016, 768; Musil in Hermann/ Heuer/Raupach, § 2 EStG Rz. 234. 3 Dies betrifft aber auch die Steuerverschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.213 Kap. 7
Der BFH hält ausdrücklich fest, dass es für die Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 EStG unerheblich sei, ob ein aktiv betriebener oder ein verpachteter und insofern ruhender Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird.
7.210
Die Steuerverwaltung hat sich zu der Anwendung der Entscheidungsgrundsätze wie 7.211 folgt geäußert:1 „Dagegen ist die unentgeltliche Übertragung eines im Ganzen verpachteten gewerblichen Einzelunternehmens unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts kein von § 6 Abs. 3 EStG erfasster Vorgang (BFH-Urteil vom 25.1.2017 – X R 59/14, BStBl. 2019 II S. 730)“. Eine Anwendung des Urteils auf nicht ruhende Betriebe ist nicht angeordnet2. Gestaltungshinweis: Die Betriebsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt entfällt somit als Gestaltungsmodell. Entsprechende Gestaltungen sollten daher vermieden werden.3 Stattdessen kommen die Betriebsübergabe gegen Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG), ein Entgelt bis zur Höhe des steuerlichen Kapitalkontos (Einheitstheorie: unentgeltlicher Vorgang gemäß § 6 Abs. 3 EStG) oder eine freie Mitarbeit des Übergebers in Betracht4. In Betracht kommt auch ein Vorbehaltsnießbrauch an einzelnen betrieblichen Wirtschaftsgütern (z.B. Betriebsgrundstück) im Rahmen der unentgeltlichen Übertragung des Gesamtbetriebs, dies schließt die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG nicht aus, da die gewerbliche Tätigkeit als solche und deren wirtschaftliches Risiko hier auf den Übernehmer übergeht; allerdings kann es zur gewinnrealisierenden Entnahme in Bezug auf dieses Wirtschaftsgut kommen. Ob ein reiner Ertragsnießbrauch § 6 Abs. 3 EStG ermöglicht, ist von der konkreten Ausgestaltung abhängig.5
Anderes galt bisher, wenn der Übergeber als Nießbraucher das Grundstück dem Be- 7.212 trieb wieder pachtweise zur Nutzung zur Verfügung stellt. Das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum ist einheitlich beim Betriebsinhaber. Aufgrund des Pachtvertrages steht das Grundstück weiterhin dem Betrieb zur Verfügung. Eine Entnahme ist daher nicht erfüllt6. Zu prüfen ist, ob auch eine solche Übertragung von der Entscheidung des BFH v. 25.1.20177 betroffen ist. Wird ein Mitunternehmeranteil (einschließlich eines im Sonderbetriebsvermögen 7.213 gehaltenen Grundstücks) unentgeltlich nach § 6 Abs. 3 EStG steuerneutral übertragen und behält sich der Zuwendende den Nießbrauch am Grundstück des Sonderbetriebsvermögens vor, so hat dies keine Zwangsentnahme des Grundstücks zur Folge, wenn das Grundstück beim Übernehmer ebenfalls als Sonderbetriebsvermögen verbleibt8. 1 BMF v. 20.11.2019 – IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291, Rz. 7 S. 3. 2 Nur für verpachteten Gewerbebetrieb, nicht für Gewerbebetrieb allgemein: FG Münster 20.9.2019 – 11 K 4132/15 E, G: anhängiges Verfahren; kösdi 2020, 21589 [67]. 3 Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 700: wohl generell für Gewerbebetrieb. 4 Gräfe/Kraft, ZEV 2017, 471. 5 Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 700. 6 BFH v. 24.3.1976 – I R 138/73, BStBl. II 1976, 537. 7 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, DStR 2017, 1308 = ZEV 2017, 471. 8 Lederle/Wanner, DStR 2015, 2270 (2272) unter Hinweis auf FG Münster v. 24.6.2014 – 3 K 3886/12 F, ZEV 2014, 687; BFH IV R 38/14 – erledigt durch Zurücknahme der Revisi-
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Kap. 7 Rz. 7.214 Nießbrauch und Immobilienübertragung
3. Zuwendungsnießbrauch am gesamten Einzelunternehmen
7.214 Beispiel: A ist Inhaberin eines Betriebes, den sie selbst altersbedingt nicht mehr fortführen kann. Da sie sich noch nicht vollständig vom Betrieb trennen und ihn noch nicht übergeben mag und ihr Sohn, der das Unternehmen fortführen soll, nicht nur als Angestellter tätig sein will, möchte A dem Sohn am Betrieb einen entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch bestellen.
7.215 Der Betrieb bleibt in seinem Bestand erhalten und steht im Wesentlichen1 weiterhin dem ursprünglichen Inhaber, also der A zu. Gleichzeitig wird der eigentliche Betrieb von dem Sohn bereits aufgrund des Nießbrauches fortgeführt. Die Situation gleicht daher in jeder Hinsicht einer Betriebsverpachtung („verdinglichte Form der Unternehmenspacht“). In beiden Fällen wird vorausgesetzt, dass die Nutzungsüberlassung sich auf alle wesentlichen Betriebsgrundlagen erstreckt. Hier wie dort entstehen daher durch die Nutzungsüberlassung ein ruhender, also nicht aktiv betriebener Betrieb und ein aktiver Betrieb. Der Nießbraucher trägt Unternehmerrisiko, denn er führt das Unternehmen in eigener Verantwortung fort und profitiert von Gewinnen und haftet für Verluste. Gleichzeitig hat er Unternehmerinitiative, da er die Entscheidungen über den laufenden Geschäftsbetrieb allein treffen kann, sofern er nicht den Betrieb umgestalten will. Deshalb ist er selbst ebenfalls gewerblicher Unternehmer, der die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt2. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bestellung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist3. 7.216 Der Eigentümer (im Beispiel also A) bezieht weiterhin gewerbliche Einkünfte aus dem ruhenden Gewerbebetrieb, solange er nicht ausdrücklich die Aufgabe des Betriebs erklärt und hat nach den Grundsätzen zur Betriebsverpachtung ein Wahlrecht (EStR 16 Abs. 5)4. Durch die Nießbrauchsbestellung sind stille Reserven noch nicht realisiert. Sie kann entweder den ruhenden Betrieb unverändert fortbestehen lassen, sofern er nicht so umgestaltet und verändert wird, dass eine Wiederaufnahme in der bisherigen Form ausgeschlossen ist. Will die A den ruhenden Betrieb nicht fortführen, z.B. weil sie die damit verbundene weitere Steuerverstrickung stiller Reserven vermeiden will, so kann sie auch jederzeit durch eindeutige Betriebsaufgabeerklärung gegenüber dem zuständigen Finanzamt die Betriebsaufgabe erklären. Erst in diesem Moment werden die bei A verbliebenen Wirtschaftsgüter in einem einheitlichen Vorgang aus dem Betriebsvermögen in ihr Privatvermögen überführt.
1
2 3 4
on; zu prüfen ist, ob auch eine solche Übertragung von der Entscheidung des BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, DStR 2017, 1308 betroffen ist s. Rz. 7.206. Das Umlaufvermögen geht nach §§ 1085, 1067 BGB teilweise auf den Nießbraucher zu Eigentum über. Dies gilt auch für das Steuerrecht: Eine Geldforderung (Barwert) in Höhe des Wiederbeschaffungspreises wird als Verbindlichkeit passiviert; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1172. Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 143; Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1122 m.w.N. Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1123. Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1157 m.w.N.
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C. Einkommensteuer
Rz. 7.220 Kap. 7
Den Handelsbilanzgewinn hat der Nießbraucher zu versteuern. Er hat nur den Teil 7.217 des Steuerbilanzgewinns zu versteuern, den er zivilrechtlich beanspruchen kann. Die Differenz zwischen Handelsbilanzgewinn und Steuerbilanzgewinn muss der Eigentümer versteuern. Die Berechtigung zur Bilanzierung und AfA steht der A (wie bei Betriebsverpachtung) zu. Der Nießbraucher hat das Nießbrauchsrecht als selbständiges Wirtschaftsgut zu aktivieren und davon AfA vorzunehmen1. Für den Fall eines Vorbehaltsnießbrauchs im Rahmen der vorweggenommenen Erb- 7.218 folge gelten die vorstehenden Grundsätze ebenso2. Beim Vermächtnisnießbrauch erhält der Nießbraucher das Nutzungsrecht vom Erben (daher Zuwendungsnießbrauch). Ein Vorbehaltsnießbrauch liegt jedoch vor, wenn ein Erbe zu Gunsten eines anderen ausschlägt und dafür ein Nießbrauchsrecht an einem Nachlassgrundstück eingeräumt wird3. 4. Betriebsaufspaltung Kein Wegfall der personellen Verflechtung (ein Eigentümer hat im Rahmen einer Be- 7.219 triebsaufspaltung sein Grundstück an eine GmbH, an der er alle Anteile hält, überlassen) liegt vor, wenn das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wird. Das Grundstück wird entnommen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG: laufender, nicht begünstigter Gewinn)4. Eine Betriebsaufspaltung (Besitz-Einzelunternehmen und Betriebs-GmbH) endet, 7.220 wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden. Die personelle Verflechtung entfällt, da die Stimmrechte hinsichtlich der GmbHAnteile dem Gesellschafter, die Stimmrechte bei dem Besitz-Einzelunternehmen dem Nießbraucher (§ 1030 BGB) zustehen5. Dies lässt sich steuerlich vermeiden, wenn der Inhalt des Nießbrauchs an den Vermögensgegenständen des Einzelunternehmens dahingehend geändert wird, dass dem Eigentümer die laufende Verwaltung zusteht6.
1 Maier, Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Edition 56/2021, Nießbrauch C. VII. 2 Rz. 41. 2 Zur Land- und Forstwirtschaft BFH v. 26.2.1987 – IV R 325/84, BStBl. II 1987, 772 = FR 1987, 535; Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 143; a.A. im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs evtl. die Finanzverwaltung: Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1123 unter Verweis auf Halaczinsky, NWB, F 10 S. 1551. 3 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184 Rz. 39. 4 Söffing/Micher, Die Betriebsaufspaltung, 7. Aufl. 2019, Rz. 279; Demuth, Entwicklungen zur Betriebsaufspaltung, kösdi 2019, 21310, Rz. 27, 30. 5 BFH v. 21.1.2015 – X R 16/12, GmbHR 2015, 776 m. Anm. Wachter = MittBayNot 2016, 275 m. Anm. Dehmer. 6 Dehmer, MittBayNot 2016, 277 (279).
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Kap. 7 Rz. 7.221 Nießbrauch und Immobilienübertragung
D. Erbschaftsteuer I. Erwerb unter Vorbehalt des Nießbrauchs, Schulden, Familienwohnheim 1. Erwerb unter Vorbehalt des Nießbrauchs
7.221 Erbschaftsteuerrechtlich bestand bis 2008 für einen Vorbehaltsnießbrauch zugunsten des Schenkers und dessen Ehegatten ein Abzugsverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. Nur die auf den Kapitalwert des Nießbrauchs entfallende Erbschaftsteuer konnte zinslos gestundet und bei Bedarf mit ihrem Barwert (§ 12 Abs. 3 BewG) abgelöst werden (§ 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG a.F.)1. Dieses Abzugsverbot ist mit Wirkung für Vermögensübertragungen ab 1.1.2009 entfallen. 7.222 Aufgrund des Wegfalls des § 25 ErbStG mindert der Barwert des vorbehaltenen Nießbrauchs gem. § 10 ErbStG als Gegenleistung den Wert des Erwerbs2. Der Jahreswert, der durch Prognose zu ermitteln ist (Höchstwert nach § 16 BewG = Steuerwert (§ 12 Abs. 3 ErbStG, §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 157 Abs. 3, 176 bis 198 BewG): 18,6), wird kapitalisiert (§ 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 14, 15 BewG, Jahreswert gem. § 15 Abs. 2 BewG = üblicher Mittelpreis des Verbrauchsorts). Auszugehen ist von den Nettoerträgen (Einnahmen aus VuV) der letzten drei Jahre, wenn sich für die Zukunft nicht erhebliche Änderungen oder Wertschwankungen abzeichnen3. Bei Selbstnutzung ist als Jahreswert die ortsübliche Brutto-Miete anzusetzen. In beiden Fällen jedoch nicht Gebäude-AfA4. Die den Nießbraucher gesetzlich oder vertraglich treffende Verpflichtung zur Zahlung von Tilgungen und Schuldzinsen ist zu berücksichtigen5. Allerdings kann die Last nur insoweit abgezogen werden, als sie auf den steuerpflichtigen Teil des Erwerbs entfällt (§ 10 Abs. 6 Satz 4 und 5 ErbStG)6. Eine nachrangige Nießbrauchslast kann erst nach Erlöschen der vorrangigen Nießbrauchslast abgezogen werden7.
1 Zur Berechnung des Ablösungsbetrags gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 20.9.2021, DB 2021, 2465. 2 BFH v. 5.7.2018 – II B 122/17, DStR 2018, 1709 = DB 2018, 2031 = DStRK 2018, 258; Wachter, DB 2018, 2148. 3 BFH v. 28.5.2019 – II R 4/16, DStR 2019, 2639 = DStRK 2020, 40 = DB 2020, 155 = ZEV 2020, 55. In einschlägigen Fällen kann der niedrigere gemeine Wert durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden (s. Ziffer 7.217); Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1536, 1540 f. 4 Eisele in Rössler/Troll, § 15 BewG Rz. 9 (Mai 2014). 5 BFH v. 28.5.2019 – II R 4/16, ZEV 2020, 55; LfSt Bayern v. 2.3.2020 – S 3810.1.1 – 15/5 St 34, ZEV 2020, 316 = DStR 2020, 1052; a.A. wohl FG Münster v. 27.8.2020 – 3 K 772/16 Erb (Rev. II R 30/20), ErbStB 2020, 344 = juris: Die für eigene Verbindlichkeiten erfolgenden Tilgungsleistungen sowie Zinszahlungen des Nießbrauchsberechtigten bleiben außer Ansatz, Übernahme nur mit dinglicher Wirkung; anders als bei BFH v. 28.5.2019 – II R 4/16. 6 R B 13 ErbStR 2011; R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011; R E 7.4 Abs. 2 ErbStR 2011, Götz/ Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1527, 1547. 7 FG Münster v. 15.11.2017 – 4 K 210/15, ErbStB 2018, 108 m. Anm., Halaczinsky.
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D. Erbschaftsteuer
Rz. 7.223 Kap. 7
Beispiel1: Vater V (66 Jahre) schenkt seinem Sohn S am 31.3.2011 ein Mietwohngrundstück (Grundbesitzwert: 900.000 t). V behält für sich den lebenslangen Nießbrauch vor (Jahreswert: 50.000 t). S trägt die Notar- und Grundbuchgebühren und sonstigen Erwerbsnebenkosten (10.000 t). Steuerwert der Zuwendung: Ansatz des Grundstücks mit Grundbesitzwert = 900.000 t; Steuerbefreiung für Wohngrundstücke (§ 13d Abs. 1 ErbStG), Ansatz mit 90 % = 810.000 t. Bewertung des Nießbrauchs: GBW = 900.000 t: 18,6 = Jahreswert = 48.387 t; Jahreswert 48.387 t × Vervielfältiger 10,955 = 530.079 t; Abzugsbeschränkung mit 90 % v. 530.079 ./. 477.071 t. abzgl. Erwerbsnebenkosten: (= Abzug mit 90 % von 9.000 t; R E 7.4 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2011 lässt aber aus Vereinfachungsgründen den vollen Abzug der Erwerbsnebenkosten zu) Bereicherung abzgl. persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) steuerpflichtiger Erwerb Schenkungsteuer
./. 10.000 t 322.929 t ./. 400.000 t 0t 0t
§ 16 BewG ist auch auf Erwerbe nach dem 1.1.2009 anzuwenden2. Für die Schenkungsteuer, die nach § 13d ErbStG begünstigter Erwerb unter Nießbrauchsvorbehalt auslöst, kann die Steuerstundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG beanspruchbar sein. Die Möglichkeit der Beschaffung der Mittel im Familienkreis kann nicht entgegengehalten werden3. Als mögliche Alternativgestaltung kommt die Berücksichtigung der Belastung durch 7.223 den Nießbrauch bereits bei der Bewertung des Grundstücks (sog. Nettobetrachtung) im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts durch Sachverständigengutachten (§ 198 BewG) in Betracht4.
1 Neufang/Merz, DStR 2012, 939 (940 f.); zur Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung ab 1.1.2022 s. BMF v. 4.10.2021 – IV C 7 - S 3104/19/10001, BStBl. I 2021, 1821; s.a. Schur/Schur, ZEV 2020, 317. 2 BFH v. 9.4.2014 – II R 48/12, BStBl. II 2014, 554 = DB 2014, 1298 = DStR 2014, 1055 = ZEV 2014, 319; Loose, ErbR 2014, 377; Esskandari, ErbStB 2013, 119 (120); zur Bewertung s.a. BFH v. 2.12.2020 – II B 38/20, ZEV 2021, 339. 3 kösdi 2021, 22229 [254] unter Verweis auf FG Münster 3K 3054/19 v. 11.3.2021; BeckRS 2021, 7143, Rev. eingelegt, Az. BFH: II R 7/21. 4 R E 10.10 Abs. 6 Satz 1 ErbStR 2019; Geck in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 169.4; KK in KÖSDI 2014, 18881, Report Nr. 319: In Zweifelsfällen Grundstücksbewertung verfahrensrechtlich offenhalten; Drosdzol, DStR 2014, 1709 (1710); Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1526; Scharfenberg/Dorn, ZEV 2021, 431.
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Kap. 7 Rz. 7.223 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Vorteil: – Abzugsbeschränkung für aufschiebend bedingte Nutzungsrechte (z.B. Ehepartner) gem. § 6 BewG greift bei der Wertermittlung nach der ImmoWertV nicht; – keine Bindung an §§ 13 ff. BewG, insbesondere § 16 BewG; – keine Bindung an Zinssatz von 5,5 % gemäß BewG1. Dann kann die Nießbrauchslast bei der Schenkungsteuerfestsetzung nicht noch mal bereicherungsmindernd abgezogen werden (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG). Der Tod des Nießbrauchers kann zu einer Nachversteuerung führen, § 14 Abs. 2 BewG2. Auf dieses Risiko ist der Erwerber hinzuweisen3.
7.224 Die Berücksichtigung eines Wohnungsrechts als bereicherungsmindernde Auflage i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG setzt nicht voraus, dass das eingeräumte Recht auch tatsächlich ausgeübt wird. Die Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechts über mehrere Jahre mindert nicht dessen Kapitalisierungswert4. Anders wohl, wenn Umstände vorliegen, die mit Sicherheit ausschließen, dass der Einzug des Berechtigten überhaupt zu erwarten ist. 2. Schulden
7.225 Ist die Immobilie mit Schulden belastet, ist zu unterscheiden (s. Rz. 7.42 und Rz. 7.165): Übernimmt der Beschenkte die Schuld, d.h. die Verbindlichkeit, nicht nur die dingliche Belastung, sofort – sei es im Außen- oder Innenverhältnis – mindert die Schuld neben dem Vorbehaltsnießbrauch den Wert der Schenkung. Geht die Schuld erst mit Wegfall des Nießbrauchs über, bleibt sie schenkungsteuerlich zunächst außer Betracht5. Werden bei der Zuwendung eines Grundstücks die Darlehen nicht persönlich übernommen, haben der Zuwender und der Erwerber im Übertragungsvertrag jedoch vereinbart, dass der Erwerber die Schuld bei Tod des Zuwenders übernimmt, handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Last.
7.226 Beispiel6: Die Mutter wendet der Tochter mehrere Grundstücke zu. Die Tochter übernahm die Belastungen der Grundstücke einschließlich der diesen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten „mit schuldbefreiender Wirkung“ für die Mutter ab dem Übergabestichtag. Die Mutter be-
1 Messner/Geck, ZEV 2012, 412; Esskandari, ErbStB 2013, 119. 2 Thouet, ErbStB 2018, 126; nicht bei Bewertung nach § 198 BewG: Eisele in Rössler/Troll, § 14 BewG Rz. 23a. 3 Götz, DStR 2009, 2233. 4 FG Hessen v. 18.5.2015 – 1 K 119/15 – BeckRS 2015, 95533 = ErbStB 2015, 320 m. Komm. Halaczinsky. 5 FG Köln v. 27.1.2016 – 7 K 2894/14, EFG 2016, 581 = ErbStB 2016, 139, rkr.; Billig, UVR 2016, 314. 6 BFH v. 17.10.2001 – II R 60/99, BStBl. II 2002, 166 = ZEV 2002, 16 = FR 2002, 474 m. Anm. Pohl/Deininger.
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D. Erbschaftsteuer
Rz. 7.227 Kap. 7
hielt sich den lebenslänglichen Nießbrauch an den Grundstücken vor und verpflichtete sich gegenüber der Tochter, während der Dauer des Nießbrauchs sämtliche grundstücksbezogene Belastungen einschließlich der Zinsen und Tilgungsleistungen auf die von der Tochter übernommenen Verbindlichkeiten zu tragen. Der Vertrag wurde wie vereinbart vollzogen.
Ob einer freigebigen Zuwendung eine Gegenleistung mit der Folge gegenübersteht, dass eine gemischte Schenkung gegeben ist, bestimmt sich zunächst nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Soweit die Gegenleistung in der Übernahme von Verbindlichkeiten des Zuwendenden bestehen soll, ist dabei nicht maßgebend ob der Bedachte die Verbindlichkeiten im Außenverhältnis zu den Gläubigern übernommen hat, sondern darauf abzustellen, ob er im Innenverhältnis zum Zuwendenden diesen von seinen Verbindlichkeiten zu befreien hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich in einer gleichzeitig getroffenen gegenläufigen Vereinbarung der Zuwendende dem Bedachten gegenüber verpflichtet, die auf die Verbindlichkeiten zu entrichtenden Zins- und Tilgungsleistungen bis zur vollständigen Erfüllung aufzubringen. Dann heben sich die das Innenverhältnis betreffenden Vereinbarungen auf Dauer mit der Folge auf, dass im Innenverhältnis nach wie vor der Zuwendende die Schuldenlast trägt und sich insoweit an dem Zustand vor der Zuwendung nichts geändert hat. Im Beispiel läuft die Schuldübernahme im Innenverhältnis leer. Diese gegenläufige Vereinbarung ist auflösend bedingt durch den Tod der Mutter (§ 163 i.V.m. § 158 Abs. 2 BGB). Korrespondierend damit wirkt dasselbe Ereignis für die zunächst vereinbarte Schuldübernahme durch die Tochter gem. den §§ 163, 158 Abs. 1 BGB als aufschiebende Bedingung. Diese aufschiebende Bedingung steht ungeachtet ihrer Bedeutung für die zivilrechtliche Annahme einer gemischten Schenkung schenkungsteuerrechtlich einer gemischten Schenkung entgegen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. den §§ 8, 6 Abs. 1 BewG: aufschiebend bedingte Lasten sind nicht zu berücksichtigen). Eine zu berücksichtigende Last des Erwerbers tritt erst mit dem Tod des Zuwenders 7.227 ein. Die Schenkungsteuerfestsetzung des Jahres der Übertragung ist gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern (rückwirkendes Ereignis). Vom Wert des Schenkungsgegenstandes bei Übertragung sind die damalige Nießbrauchslast und die im Zeitpunkt des Erlöschens des Nießbrauchs noch vorhandene Verbindlichkeit abzuziehen. Erforderlich ist ein Antrag des Steuerpflichtigen, der nur bis Ablauf des Jahres gestellt werden kann, das auf den Eintritt der Bedingung folgt (§§ 5 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 2 BewG)1. Wird der Erwerber beim Tod des Zuwenders dessen Erbe, geht die Schuld nach § 1922 BGB auf ihn über. Die Schuld ist bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen2. Kommt der Zuwendende seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht nach und macht der Gläubiger der Grundpfandrechte den dinglichen Anspruch auf
1 Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 17 Rz. 38. 2 FG Münster v. 18.5.2011 – 3 K 1003/08 Erb, (rkr.), ErbStB 2011, 248 = DStRE 2013, 1185.
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Kap. 7 Rz. 7.227 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Befriedigung aus dem Grundstück geltend (vgl. §§ 1142, 1150 BGB), handelt es sich unabhängig von der Ausgestaltung des Vertrages um eine nachträglich bei der Schenkungsteuer zu berücksichtigende Last. Der tatsächlich übernommene Schuldbetrag ist auf den Stichtag der Steuerentstehung abzuzinsen1. 3. Familienheim
7.228 Der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Alt. 1 ErbStG steht nicht entgegen, dass sich der Übertragende zugleich den Nießbrauch vorbehält2. Die Steuerbefreiung des Erwerbs des selbst bewohnten Familienwohnheims3 steht unter Nachsteuervorbehalt: § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c ErbStG verlangen die Selbstnutzung der Wohnung als Eigentümer über einen Zeitraum von zehn Jahren. Daher kommt es zur Nachversteuerung beim Erwerb eines Familienwohnheims von Todes wegen, wenn es innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb übertragen wird, auch wenn eine Weiterübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt4. Es empfiehlt sich daher die lebzeitige Übertragung unter dem Vorbehalt, dass der Erwerber den Zuwendenden überlebt.5 Auch zum Begünstigungstransfer genügt die Übertragung eines Wohn- oder Nießbrauchsrecht nicht6. II. Zuwendungsnießbrauch
7.229 Der unentgeltlich eingeräumte Zuwendungsnießbrauch unterliegt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, bei Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der Schenkungsbesteuerung; danach hat der Nießbraucher entweder die Steuer vom Kapitalwert oder jährlich im Voraus in Höhe des Jahreswerts zu entrichten (§ 23 ErbStG). Auch bei jederzeit kündbarer oder widerruflicher Nießbrauchbestellung liegt schenkungsteuerlich eine vollzogene Schenkung vor7. Der Eintritt der Rechtswirksamkeit des Vermögensübergangs begründet den Zeitpunkt der Steuerentstehung. Vorbehal-
1 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1524; BFH v. 17.10.2001 – II R 60/99, BStBl. II 2002, 165 = FR 2002, 474 m. Anm. Pohl/Deininger; Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Fn. 697, S. 283. 2 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 13 ErbStG Rz. 65; Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG Rz. 38.5. 3 BFH v. 23.3.2021 – II R 29/19, DB 2021, 2329 = DStR 2021, 1816: Kugelmüller-Pugh empfiehlt eine zivil- und bewertungsrechtliche Vereinigung. 4 R E 13.4 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2019; BFH v. 11.7.2019, DStR 2019, 2520 = DStRK 2020, 26 = DB 2019, 2781 = ZEV 2020, 57 m. Anm. Geck; zu weiteren Fragen des Familienheims Paus, ErbStB 2016, 189. 5 Geck/Messner, ZEV 2021, 308 (309). 6 BFH v. 3.6.2014 – II R 45/12, BStBl. II 2014, 806 = DStR 2014, 1670 = DB 2014, 2148. 7 Vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 9 ErbStG Rz. 93; BFH 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034.
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D. Erbschaftsteuer
Rz. 7.230 Kap. 7
tene Widerrufsrechte (auch freie Widerrufsrechte) hindern den Vollzug nicht. Zur Bewertung des Nießbrauchs s. Rz. 7.222. Die aufgrund einer Vereinbarung erfolgende Aufhebung eines unentgeltlich bestellten Nießbrauchrechts ohne entsprechende Gegenleistung stellt eine steuerpflichtige Rückschenkung in Höhe des Kapitalwerts des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts an den Eigentümer dar, s. Rz. 7.237. Die frühere Schenkung der Immobilie ist nicht berührt. Es erfolgt keine Korrektur der Steuerfestsetzung. III. Mitberechtigungsnießbrauch Will der Schenker das Versorgungsbedürfnis seines Ehegatten berücksichtigen, kom- 7.230 men (s. Rz. 7.33) zwei Gestaltungen in Betracht: – Nießbrauch für den Ehegatten aufschiebend bedingt für den Fall des Vorversterbens des Schenkers = Sukzessivnießbrauch (§§ 4 ff. BewG); – Nießbrauch für Schenker und Ehegatten als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB = Zuwendung durch Verschaffung dieser Gesamtgläubigerstellung (§ 14 Abs. 3 BewG) (s.a. Rz. 7.127). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Zuwendungsgegenstand bereits mit einem Nießbrauch belastet ist, der Zuwendende sich einen nachrangigen Nießbrauch vorbehält (s. Rz. 7.233). In beiden Fällen liegt eine Schenkung an den Ehegatten vor1. Bei Verschaffung der Gesamtgläubigerstellung liegt eine freigebige Zuwendung nicht vor, wenn der Berechtigte im Innenverhältnis über die Erträge rechtlich und tatsächlich nicht verfügen kann2. Beginnt der Nießbrauch erst aufschiebend bedingt mit dem Wegfall des Nießbrauchs zugunsten des Schenkers, ist dieser Bedingungseintritt für Zeitpunkt und Höhe der Schenkung des Übergebers an seinen Ehegatten zu beachten (§§ 4, 6 Abs. 2 i.V.m. 5 Abs. 2 BewG)3. Die Sukzessivberechtigung bleibt wegen ihrer aufschiebenden Bedingung bis zum Tod des Schenkers auch beim Erwerber unberücksichtigt4. § 14 Abs. 3 BewG ist nicht anwendbar5, wenn ein Nutzungsrecht mehreren Personen nacheinander zusteht. Ist der Ehegatte mit Beginn des Vorbehaltsnießbrauchs des Schenkers zusammen mit diesem nießbrauchsberechtigt, ist dies maßgeblicher Zeitpunkt und Berech-
1 Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 7 ErbStG Rz. 61; FG München v. 20.11.2002 – 4 K 5773/00, EFG 2003, 551 (rkr.). 2 BFH v. 8.6.2021 – II R 23/19, BeckRS 2021, 33745. 3 Geck, DStR 2009, 1005 (1008); eine Abzinsung (§ 12 Abs. 3 BewG) für die Schwebezeit hat nicht zu erfolgen, BFH v. 15.7.2021 – II R 26/19, juris = DB 2021, 3074; s.a. Oppermann/Petschenka, ZEV 2021, 126. 4 Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 12 ErbStG Rz. 40 (mit Beispiel); Stalleiken/ Hennig, FR 2015, 389. 5 BFH v. 28.2.2019 – II B 48/18, BFH: 2019: B.280219 (abgerufen am 28.10.2021).
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Kap. 7 Rz. 7.230 Nießbrauch und Immobilienübertragung
nungsgrundlage für die Höhe der steuerbaren Schenkung des Übergebers an seinen Ehegatten. Aus Sicht des Erwerbers kann die Gesamtberechtigung vorteilhaft sein (§ 14 Abs. 3 BewG: für die Ermittlung des Vervielfältigers ist die Lebenserwartung des statistisch länger Lebenden maßgebend; allerdings nur anwendbar, wenn Nießbrauch von Anfang an mehreren Personen zusteht)1.
7.231 Die Zuwendung des Mitberechtigungsnießbrauchs nach § 428 BGB löst jedoch wohl nicht immer zu diesem Zeitpunkt Schenkungsteuer aus. Der BFH2 hatte zu entscheiden, ob im Zeitpunkt des Ablebens des Schenkers eine Schenkung an den begünstigten Ehegatten verwirklicht wird, weil dieser ab dem Ableben Alleininhaber des Nießbrauchs geworden ist. Der BFH hat eine Bereicherung auf den Todeszeitpunkt mit der Begründung abgelehnt, der begünstigte Ehegatte sei bereits aufgrund der lebzeitigen Verfügung im Außenverhältnis berechtigt gewesen, alle Rechte uneingeschränkt geltend zu machen. Durch den Tod habe daher keine Bereicherung mehr zusätzlich eintreten können. Dies legt den Schluss nahe, die Bereicherung sei im Beispielsfall schon mit der lebzeitigen Regelung eingetreten. Die Oder-KontoRechtsprechung des BFH3, die eine unentgeltliche Zuwendung nicht ausschließt, sie aber nur annimmt, wenn eine tatsächlich freie Verfügungsbefugnis besteht, führt zu einer aufschiebend bedingten Zuwendung4. Die Finanzverwaltung stellt sich jedoch auf den Standpunkt, die Einräumung der Gesamtberechtigung nach § 428 BGB stelle eine lebzeitige Schenkung dar5. 7.232 Welche Gestaltung schenkung- und erbschaftsteuerlich günstiger ist, hängt vom weiteren Geschehensablauf ab: – Altersunterschied der Ehegatten; – Tod des Schenkers (§ 14 Abs. 2 BewG) (s. Rz. 7.223); – Tod des Ehegatten; – Stundung bzw. Ablösungsrecht des Ehegatten (§ 29 Abs. 1 ErbStG); – evtl. Anrechnung auf Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG)6. Ist völlig ungewiss, ob der überlebende Ehegatte den ihm aufschiebend eingeräumten Nießbrauch tatsächlich in Anspruch nehmen wird, kann alternativ zu seinen Gunsten lediglich ein Anspruch auf Bestellung eines Nießbrauchrechts zu diesem
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BFH v. 28.2.2019 – II B 48/18, ErbStB 2019, 229 = ZEV 2019, 605. BFH v. 7.2.2001 – II R 11/00, ZEV 2001, 206 zu einer dauernden Last nach § 428 BGB. BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, BStBl. II 2012, 473 = DStR 2012, 796 = ZEV 2012, 280. ebenso BFH v. 8.6.2021 – II R 23/19, juris; s.a. Geck/Messner, ZEV 2019, 463 (464). Siehe Beispiele bei H E 25 (11) ErbStR 2019; anders wohl FinMin. Baden-Württemberg v. 25.6.2003 – S. 3810/25, DB 2003, 1478: sofortige Berechtigung, wenn im Innenverhältnis nicht anders vereinbart; zur Abgrenzung näher auch Jülicher, ZErb 2020, 433 (435) m.w.N. 6 Berechnungsbeispiele bei Meyer/Ball, Übertragung von Immobilien im Steuerrecht2, Rz. 241 ff.
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D. Erbschaftsteuer
Rz. 7.234 Kap. 7
Zeitpunkt begründet werden, der im Grundbuch gesichert wird1. Daneben besteht die Möglichkeit der Zurückweisung nach § 333 BGB2. Ob dies auch dann möglich ist, wenn der Begünstigte am Schenkungsvertrag beteiligt war, ist nicht geklärt3. Dem Nießbrauchsberechtigten steht nach § 23 ErbStG ein Wahlrecht zu: Begleichung der auf seinen Erwerb entfallenden Schenkungsteuer sofort in einer Summe oder in jährlichen Raten, mit der Möglichkeit der Ablösung. Eine nachträgliche Korrektur ist nur über eine Billigkeitsmaßnahme möglich4. Ein vom Schenker vorbehaltener nachrangiger lebenslanger Nießbrauch mindert den 7.233 Erwerb des Bedachten auch, obwohl an dem Zuwendungsgegenstand bereits ein lebenslanger Nießbrauch eines Dritten besteht. Der Nießbrauch des Schenkers erhält einen Rang nach dem Nießbrauch des Dritten. § 6 Abs. 1 BewG gilt nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch. Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger gem. § 14 BewG zu berücksichtigen.5 IV. Wegfall 1. Tod Der Wegfall des lebenslangen Nießbrauchs durch Tod nach Ablauf der Frist des § 14 7.234 Abs. 2 BewG ist nicht steuerbar. Bei Tod innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 BewG kommt es zu einer Berichtigung der Schenkungsteuerfestsetzung von Amts wegen (§ 14 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG)6. Im Berichtigungsbescheid ist die Nießbrauchslast nur nach der wirklichen Dauer der Nutzung zu berücksichtigen. Hierzu ist der Jahreswert mit dem Vervielfältiger aus Anl. 9a zu § 13 BewG zu vervielfältigen. Wird der Nießbrauch bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt (s. Rz. 7.215), hat dies beim vorzeitigen Ableben des Nießbrauchsberechtigten zur Folge, dass § 14 Abs. 2 BewG nicht anwendbar ist7. Zum Übergang von Schulden s. Rz. 7.216.
1 Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis6, Rz. 1160 mit Formulierungsvorschlag Rz. 1324. 2 Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 3 ErbStG Rz. 282 ff. 3 Jülicher, ZErb 2020, 433 (436 f.). 4 Bruschke, ErbStB 2015, 80. 5 BFH v. 6.5.2020 – II R 11/19, DStR 2020, 1961 = DB 2020, 1941 = MittBayNot 2021, 87 Anm. Loose. 6 R E 25 Abs. 5 Satz 3 ErbStR 2011; Kürzung auch hinsichtlich Leistungsauflagen: offen gelassen BFH v. 5.7.2018 – II B 122/7, DStR 2018, 1709. 7 Neufang/Merz, DStR 2012, 939; Gestaltungsspielräume: Esskandari in Stenger/Loose, § 14 BewG Rz. 57 m.w.N.
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Kap. 7 Rz. 7.235 Nießbrauch und Immobilienübertragung
2. Verzicht
7.235 Wird der Nießbrauch entgeltlich abgelöst, stellt dies keine weitere Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, es sei denn, das Entgelt ist niedriger als der Kapitalwert des Nießbrauchs im Zeitpunkt der Ablösung1. 7.236 Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht ist eine unentgeltliche, also grundsätzlich schenkungsteuerpflichtige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG2. Sie ist mit früheren Zuwendungen zusammenzurechnen (§ 14 ErbStG) und kein Anwendungsfall des § 14 Abs. 2 BewG. Zu unterscheiden ist, ob der Verzicht hinsichtlich eines vor oder nach dem 1.1.2009 begründeten Nießbrauchsrecht erfolgt. 7.237 Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts – sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten – ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei Besteuerung des Nießbrauchs belasteten Gegenstandes tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen Steuerwerts des Nießbrauchsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen. Nur die Netto-Bereicherung darf besteuert werden (Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Erwerb vor dem 1.1.2009). Dies führt regelmäßig zu einer Nullsteuer. Denn im Normalfall ist der Wert des Nießbrauchs im Zeitpunkt der Schenkung aufgrund der höheren Restdauer höher als der Wert des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts. Eine nennenswerte Steuerbelastung durch Nießbrauchsverzicht kann daher nur bei wesentlicher Wertsteigerung des Nießbrauchs eintreten3. 7.238 Seit dem 1.1.2009 erfolgt keine Differenzbetrachtung mehr. Wurde der Nießbrauch zugunsten des Schenkers bestellt, liegt in dessen Verzicht eine weitere Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 ErbStG, die unter der Voraussetzung des § 14 ErbStG mit dem Vorerwerb zusammenzurechnen ist. Der Wert des Nießbrauchsrechts im Zeitpunkt des Verzichts ist als Schenkung anzusetzen. Der Wert der Vorschenkung (Steuerwert der Immobilie – Nießbrauchswert) und der Nießbrauchswert im Zeitpunkt des Verzichts sind zu addieren und unter Abzug der Freibeträge des § 16 ErbStG der steuerpflichtige Erwerb zu ermitteln4. Bei (teilweise) steuerbefreitem Zuwendungsgegenstand (§ 13c ErbStG) wird der nicht zum Abzug zugelassene Nießbrauchswert bei der Bewertung des Nießbrauchsverzichts abgezogen5.
1 BFH v. 19.12.2007 – II R 34/06, BStBl. II 2008, 260. 2 BFH v. 17.3.2004 – II R 3/01, BStBl. II 2004, 429 = FR 2004, 603 m. Anm. Viskorf; R E 25 Abs. 4 ErbStR 2019. 3 H E 25 Abs. 16 ErbStH 2019. 4 Bay. Landesamt für Steuern v. 5.12.2014 – S 3837.1.1 – 4/2 St 34, DStR 2015, 430. 5 BFH v. 20.5.2014 – II R 7/13, BStBl. II 2014, 896 = DStR 2014, 2268 = DB 2014, 1919; LfSt Bayern v. 5.12.2014 – S 3837.1.1 – 4/2 St 34, ZEV 2015, 68 = DB 2014, 2933 = DStR 2015, 430; OFD NRW v. 4.3.2015, DB 2015, 649.
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E. Grunderwerbsteuer
Rz. 7.241 Kap. 7
Auch im Verzicht eines Zuwendungsnießbrauchers liegt eine Zuwendung an den 7.239 Eigentümer in Höhe des Kapitalwertes des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts. Die frühere Schenkung der Immobilie ist nicht berührt: keine Korrektur der Steuerfestsetzung. 3. Surrogation Bei Zuwendung vor dem 1.1.2009 endet die Stundung nicht, wenn sich der Nießbrauch am Surrogat fortsetzt1.
7.240
Bei Zuwendungen ab dem 1.1.2009 hat die dingliche Surrogation (s. Rz. 7.50) keine schenkungsteuerlichen Folgen. Bei der schuldrechtlichen Surrogation erfolgt der Verzicht gegen Neubestellung eines Nießbrauchs am Ersatzwirtschaftsgut. Er ist nicht unentgeltlich, es sei denn der Kapitalwert des Nießbrauchs bei Verzicht ist höher als der Nießbrauch am Ersatzwirtschaftsgut2.
E. Grunderwerbsteuer Die schenkungsteuerliche Absetzbarkeit des Vorbehaltsnießbrauchs (Rz. 7.222) kann 7.241 zu einer grunderwerbsteuerlichen Belastung führen, weil der Nießbrauch als Gegenleistung von der Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ausgeschlossen ist: Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung hinsichtlich des Wertes solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Die Übertragung des Grundstücks unterliegt der Schenkungsteuer, von Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG). Der Wert der Auflage unterliegt der Grunderwerbsteuer3 vorbehaltlich anderer Befreiungen z.B. § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG4. Zur Gegenleistung gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.5 Beispiel: A überträgt sein bebautes Grundstück (Grundbesitzwert 1 Mio. t = Verkehrswert) auf Schwester B unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs (Kapitalwert 400.000 t).
1 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1632 unter Hinweis auf BFH v. 11.11.2009 – II R 31/07, BStBl. II 2010, 504. 2 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1636. 3 Koordinierter Ländererlass FinMin. Baden-Württemberg v. 15.4.2009, 3 – S 450.5/3, DStR 2009, 856; Geck, DStR 2009, 1005; Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 3 GrEStG Rz. 263; Hofmann11, § 3 GrEStG Rz. 24 f.; anders evtl. bei eigentumsähnlichem Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff. WEG, Esskandari/Bick, Beratungshinweis, ErbStB 2016, 6 unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. 4 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 156. 5 BFH v. 5.12.2019 – II R 37/18, DStR 2020, 654.
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Kap. 7 Rz. 7.241 Nießbrauch und Immobilienübertragung Schenkungsteuer Grundbesitzwert – Kapitalwert Nießbrauch Bereicherung B – Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb Schenkungsteuer Steuerklasse II 30 % Grunderwerbsteuer 3,5 % von 400.000 t Gesamtbelastung
1.000.000 t – 400.000 t 600.000 t – 20.000 t 580.000 t 174.000 t 14.000 t 188.000 v
Unerheblich ist, ob die Auflage tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Grundstücksschenkung (z.B. nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG) insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist1. Ein vom Schenkungsempfänger übernommenes Nießbrauchrecht ist jedoch dann nicht der Bemessung der Steuer zugrunde zu legen, wenn eine freigebige Zuwendung nach § 3 Nr. 4 oder 3 Nr. 6 GrEStG grunderwerbsteuerbefreit ist2. Bei der Schenkung eines Grundstücks unter Nutzungsvorbehalt greift für die Bewertung des abziehbaren Vorbehalts die Begrenzung des Wertes der Jahresnutzung nach § 16 BewG (s. Rz. 7.222). Demgegenüber ist bei der Bewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG die Kappung des Jahreswertes nicht anzuwenden, weil § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG dies ausdrücklich vorsieht. Dies hat der BFH3 bestätigt und die ungleiche Behandlung verfassungsrechtlich für hinnehmbar gehalten.
7.242 Entsteht wie im Beispielsfall Grunderwerbsteuer, ist bei frühzeitigem Versterben des Nießbrauchers die Grunderwerbsteuer gem. § 14 Abs. 2 BewG entsprechend anzupassen.4 7.243–7.250 Einstweilen frei.
F. Umsatzsteuer Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit (Nachhaltigkeit, Einnahmeerzielungsabsicht) selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG). Wer einmalig einen Nießbrauch an seinem Grundstück bestellt, erbringt eine nachhaltige Duldungsleistung5. Die Bestellung eines Nießbrauchs ist nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. c UStG von der Umsatzsteuer befreit (bei Vermietung und Verpachtung)6.
1 BFH v 12.7.2016 – II R 57/14, BStBl. II 2016, 897 = DStR 2016, 2044 = DB 2016, 2095 = ZEV 2016, 600. 2 Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 156. 3 BFH v. 20.11.2013 – II R 38/12, BStBl. II 2014, 479 = DStR 2014, 369 m. Anm. Schm.; zum Nießbrauch: BFH v. 9.2.2017 – II B 38/15; NV, ZEV 2017, 291; Viskorf/MeßbacherHönsch20, § 3 GrEStG Rz. 263; a.A. Pahlke6, § 3 GrEStG Rz. 157. 4 Stein, ZEV 2021, 362. 5 Abschn. 2.3 Abs. 6 S. 1 UStRE. 6 Sikorski, Immobilien im Umsatzsteuerrecht2, Rz, 237: Abschnitt 4.12.8 UStAE.
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F. Umsatzsteuer
Rz. 7.256 Kap. 7
I. Vorbehaltsnießbrauch Die Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist keine Lieferung i.S.d. 7.251 § 3 Abs. 1 UStG. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 8 UStG und eine Anwendung von § 4 Nr. 9a UStG kommt daher nicht in Betracht1.
7.252
Beispiel: Unternehmer A überträgt seinem Sohn unentgeltlich ein Betriebsgrundstück und behält sich den Nießbrauch zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Grundstücks in seinem Unternehmen vor.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung2 liegt bei dieser Übertragung auf Angehörige 7.253 weder eine Lieferung, noch eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme vor. Aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs fehlt es an einer Verschaffung der Verfügungsmacht. Somit keine Korrektur des Vorsteuerabzugs des Schenkers. Anders bei bloßer Rückverpachtung des Grundstücks3. Offen gelassen ist in der Verfügung, welche Rechtsfolgen im Einzelnen bei Wegfall des Vorbehaltsnießbrauchs eintreten. Je nach Sachverhalt ist mit Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs – eine Lieferung (§ 3 Abs. 1 UStG), – eine der Lieferung gleichgestellte unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG) oder – eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1 UStG) gegeben4. Stellt die Beendigung des Nießbrauchs eine Geschäftsveräußerung dar (S führt das 7.254 Unternehmen des A fort; s. hierzu Rz. 1.1241 ff.), trifft den Eigentümer nunmehr das Risiko einer Vorsteuerkorrektur. Zu prüfen ist, ob eine Beendigung durch Lieferung oder Entnahme durch vorsorgliche Option zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 1 und 3 UStG bei der Immobilienübertragung verhindert werden kann5. Dies scheitert im Beispiel, da der vorbehaltene Nießbrauch keine Gegenleistung darstellt.
7.255
Beispiel6: Vater V überträgt seinen Betrieb unentgeltlich auf Sohn S. V behält sich an der Betriebsimmobilie einen Nießbrauch zu seinen als auch zugunsten von Ehefrau E als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB) vor und vermietet diese umsatzsteuerpflichtig an S.
Das Vermietungsunternehmen von V und E entsteht erst im Zeitpunkt der Be- 7.256 triebsübertragung auf S mit anschließend beginnender Vermietung aufgrund vor1 BFH v. 13.11.1997 – V R 66/96, DStR 1998, 166 = ZfIR 1998, 224; Sikorski, Immobilien im Umsatzsteuerrecht2, Rz. 132, 615, wohl zumindest auch im Ergebnis so die Finanzverwaltung, s. Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 131 unter Hinweis auf OFD Niedersachsen v. 16.9.2011 – S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467. 2 OFD Niederachsen v. 16.9.2011 – S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, Sachverhalt 2. 3 Stein, ZEV 2012, 534 (535 f.). 4 Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 132; Meyer/Ball, DStR 2012, 594. 5 Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 133; Meyer/Ball, DStR 2012, 594. 6 Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 137; Meyer/Ball, DStR 2012, 594 (597) Beispiel 6.
Fleischer 883
Kap. 7 Rz. 7.256 Nießbrauch und Immobilienübertragung
behaltenen Nießbrauchs. Das bedeutet wohl eine vollständige steuerfreie Entnahme der Immobilie gem. § 4 Nr. 9a UStG mit darauffolgender umsatzsteuerneutraler Einlage in das Unternehmensvermögen der neu entstandenen Vermietungsgemeinschaft. Dies kann evtl. dadurch vermieden werden, dass V zunächst den Nießbrauch allein zu seinen Gunsten vorbehält und erst nach Beginn der Vermietung an S einen Gesamtnießbrauch i.S.d. § 428 BGB mit E vereinbart. Der Betriebsübergang auf S ist eine Geschäftsveräußerung, das bisherige umsatzsteuerliche Unternehmen des V ist nunmehr Vermietungsunternehmen. Dies entspricht dem der Übertragung eines Miteigentumsanteils auf Angehörige. Damit ist der Tatbestand der Geschäftsveräußerung verwirklicht1. II. Zuwendungsnießbrauch
7.257 Beispiel2: Unternehmer A bestellt seiner Tochter an einem Betriebsgrundstück einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch. Von diesem Zeitpunkt an führt die Tochter den Betrieb und wird Unternehmerin.
7.258 Die Finanzverwaltung unterscheidet bei dieser Übertragung an Angehörige wie folgt: Liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, hat die Bestellung des Nießbrauchs keine umsatzsteuerlichen Folgen. Dann überlagert die Geschäftsveräußerung den Entnahmetatbestand des § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG3. Dies dürfte allerdings nur dann der Fall sein, wenn mit der Nießbrauchstellung der Betrieb überlassen wird. Ansonsten stellt die Nießbrauchsbestellung eine Grundstücksentnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG dar, da durch Entgeltverzicht und Verlagerung der Nutzungsmöglichkeit auf die Tochter die Beziehung der Immobilie zum Unternehmen endet4. 7.259 Die Beendigung des Nießbrauchs kann eine steuerfreie Entnahme oder eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung darstellen5. Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, hat der Unternehmer das Grundstück aus seinem Unternehmen entnommen. 7.260–7.270 Einstweilen frei.
G. Sonstige Steuerfragen I. Baudenkmal, § 7i EStG
7.271 Die Absetzungsbefugnis nach § 7i (s. Rz. 1.896 ff.) bzw. § 11b EStG steht dem Steuerpflichtigen zu, d.h. dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäu1 2 3 4
Meyer/Ball, DStR 2012, 594 (597). OFD Niederachsen v. 16.9.2011 – S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, Sachverhalt 3. Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 136; Meyer/Ball, DStR 2012, 594 (596). BFH v. 16.9.1987 – X R 51/81, BStBl. II 1988, 205; Sikorski, Immobilien im Umsatzsteuerrecht2, Rz. 615. 5 Meyer/Ball, Umsatzsteuer und Immobilien3, Rz. 137; Meyer/Ball, DStR 2012, 594 (597).
884 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.281 Kap. 7
des. Der Nießbraucher ist nicht wirtschaftlicher Eigentümer (s. Rz. 7.75). Im Hinblick auf die Befugnis eines Nießbrauchers, größeren Erhaltungsaufwand nach § 82b EStDV zu verteilen1, wird auch seine Befugnis zu erhöhten Absetzungen nach §§ 7i, 11b EStG bejaht2. II. Investitionszulage Der Nießbraucher ist Anspruchsberechtigter i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 7.272 1999, da kein wirtschaftliches Eigentum hierfür erforderlich ist3. Dies gilt auch für die maßgeblichen Nachfolgeregelungen in den InvZulG 2007 und InvZulG 2010 (s. hierzu auch Rz. 1.1001 ff.). III. Zweitwohnungssteuer Der Nießbrauchsberechtigte ist steuerpflichtiger Inhaber der Zweitwohnung4. Bei 7.273 Vermietung durch den Nießbraucher ist es der Mieter5. Zum Abzug der Zweitwohnungssteuer (s. Rz. 1.1343 ff.) als Werbungskosten im Fall der Erzielung von steuerbaren Einnahmen vgl. Rz. 1.972.
7.274–7.280
Einstweilen frei.
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen I. Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung sind nach aktuellem Recht zu werten als a) Versorgungsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG (korrespondierend § 22 Nr. 1a EStG), b) Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2 EStG, oder c) wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung (s. Rz. 1.1010)6.
1 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184, Rz. 22. 2 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1691. 3 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1696, unter Verweis auf BFH v. 5.9.2002 – III R 37/01, BStBl. II 2003, 772 = FR 2003, 255 m. Anm. Greite. 4 Zum „Innehaben“ i.S.d. Zweitwohnungsteuerrechts s. Bay. VGH v. 29.7.2015 – 4 B 15.877, DStR 2015, 2336. 5 Götz/Hülsmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht12, Rz. 1706 f., unter Verweis auf VG Schleswig v. 26.6.2003 – 14 A 329/01, NJW 2004, 151. 6 Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 541, 551, 556.
Fleischer 885
7.281
Kap. 7 Rz. 7.282 Nießbrauch und Immobilienübertragung
7.282 Der Gesetzgeber hat durch das JStG 2008 trotz verfassungsrechtlicher Bedenken1 das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen u.a. so geregelt, dass die Immobilie im Privatvermögen keine Wirtschaftseinheit dieses Rechtsinstituts mehr ist (s. Rz. 1.1013)2. Die Übergangsregelung in § 52 Abs. 18 Satz 1 EStG sieht vor, dass alle bis zum 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragungen für die volle Laufzeit entsprechend der bisherigen Rechtslage beurteilt werden, mit Ausnahme von Vermögen, das nur deshalb einen ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen – mit Ausnahme des Nutzungsvorteils – eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks zu den Erträgen des Vermögens gerechnet werden. Die Einschränkung soll auch bei Vermögenserwerb durch Erbfolge gelten3. Die Altfälle beschäftigen daher auch weiterhin die steuerliche Praxis4. 7.283 Wird nicht begünstigtes Vermögen übertragen oder sind bezüglich des übertragenen Vermögens die Bedingungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfüllt (erzielbare Nettobeträge nicht ausreichend), behandelt die Finanzverwaltung5 die Übertragungen gegen wiederkehrende Leistungen als (teil)entgeltliche Geschäfte (Veräußerungsentgelt als Grundsatz), was oft zu unerwünschten Steuerfolgen führen kann, wenn es steuerverstricktes Vermögen betrifft bzw. Unterhaltsleistungen (s. Rz. 1.1015 f.). Der BFH hat in dem Verfahren IX R 11/19, Urteil vom 29.9.2021, ZEV 2022, 166, das BMF aufgefordert beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Übertragung von nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG n.F. begünstigtem Vermögen grundsätzlich als Entgelt (bzw. im Ausnahmefall als Unterhaltsleistung) anzusehen sind6 oder gleichwohl als nicht begünstigte (d.h. nicht zum Sonderabgabenabzug berechtigende), aber dem Grunde nach unentgeltliche „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ gelten können.7 Das BMF ist dem Rechtsstreit beigetreten und hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass das JStG 2008 zwar keine Aussage 1 Fleischer, FS Spiegelberger, 120 m.w.N; a.A. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz. 72, 93: „zulässig“, „tragfähig“. 2 Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 204 ff., 269 ff., 525b ff.; s.a. die Zusammenfassung der Entwicklung der Rechtsprechung BFH v. 25.2.2014 – X R 34/11, BStBl. II 2014, 665 = DStR 2014, 1325 = FR 2014, 897 m. Anm. Kanzler. 3 FG Münster v. 13.12.2017 – 7 K 572/16 F, EFG 2018, 296, kösdi 2018, 20668 Report 131, von BFH 9.9.2020 X R 3/18 NV offengelassen. 4 Abgrenzung Leibrente und dauernde Last bei teilweisem Ausschluss der Übernahme eines pflegebedürftigen Mehrbedarfs, BFH v. 16.6.2021 – X R 31/20, DB 2021, 3068; v. 16.6.2021 – X R 3/20, DB 2022, 100; s.a. Geck, ZEV 2022, 128. 5 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 – 5 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Rz. 21; s.a. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 97. 6 So die Auffassung in BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 – 5 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Rz. 57 und 65. 7 S. den Beitrittsbeschluss des BFH v. 28.4.2020 – IX R 11/19, DStR 2020, 1426 = DB 2020, 1441.
886 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.286 Kap. 7
dazu treffe, wie die Übertragung von nicht mehr durch § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG begünstigten Objekten gegen wiederkehrende Leistungen einkommensteuerrechtlich zu behandeln sei; mit Blick auf den Wortlaut sowie auf die Systematik der gesetzlichen Regelungen in § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG sei jedoch davon auszugehen, dass solche Übertragungen entsprechend den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regeln als (zumindest teil-)entgeltliche Geschäfte anzusehen seien. Zwar habe die Rechtsprechung die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen seit jeher als unentgeltlichen Rechtsvorgang verstanden, jedoch habe der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung geprägte Rechtsinstitut mit der Neufassung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG auf seinen Kernbereich beschränkt. Der IX. Senat des BFH ist dem in seinem Urteil vom 29.9.20211 gefolgt mit Bezugnahme auf BFHRechtsprechung zu Übertragungen mit Abstands- und Ausgleichszahlungen. Die Grundlagen im Beschluss des Großen Senats vom 5.7.19902 werden außeracht gelassen, eine Divergenzanfrage an den Großen Senat ist nicht vorgesehen, verfassungsrechtliche Überlegungen wurden nicht angestellt (zur Kritik s.a. Rz. 1.1016). Wird gleichzeitig begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen (z.B. Immobi- 7.284 lien) übertragen, ist für die Zuordnung der Versorgungsleistung die konkrete Vereinbarung im Übertragungsvertrag maßgeblich. Die Übertragung kann so gestaltet werden, dass die wiederkehrenden Leistungen in vollem Umfang der Übertragung des begünstigten Vermögens zugeordnet werden. Wird von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht oder wirft das begünstigte Vermögen im Zeitpunkt der Vermögensübertragung im Verhältnis zu den wiederkehrenden Leistungen nur geringe Erträge ab, sind die wiederkehrenden Leistungen anhand eines angemessenen Maßstabs (z.B. Verhältnis der Erträge) aufzuteilen3. II. Substitution nicht abzugsfähiger Versorgungsleistungen Für die Praxis stellt sich daher die Frage, wie die Gestaltung der Nachfolge bei Immo- 7.285 bilien im Privatvermögen nach Wegfall der Variante Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen steuerlich gestaltet werden kann (hierbei ist selbstverständlich, dass gerade bei der vorweggenommenen Erbfolge eine Gestaltung nur aus dem Blickwinkel des Steuerrechts bzw. einer steuerorientierten Gestaltung4 nicht zielführend ist). Vorgeschlagen werden primär die gezielte Gestaltung als (teil)entgeltliches Rechts- 7.286 geschäft oder die Versorgung durch Nießbrauch5. Die Gestaltung uneingeschränkt über das Institut des Vorbehaltsnießbrauchs ist häufig kein geeigneter Ersatz für die 1 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166. 2 BFH v. 5.7.1990 – GrS 4-6/89 BStBl. II 1990, 847 = BStBl. II 1990, 847 = DB 1990, 2196 = NJW 1991, 254 = MittBayNot 1990, 372, unter C. II 1. b) der Gründe. 3 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 – 5 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Rz. 47; Mayer/Geck, Der Übergabevertrag3, § 17 Rz. 210. 4 Fleischer, notar 2015, 144 (146). 5 Spiegelberger, DB 2008, 1063; DStR 2010, 1880; Wälzholz, MittBayNot 2008, 93 (97).
Fleischer 887
Kap. 7 Rz. 7.286 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erfolge: Beim Vorbehaltsnießbrauch muss der Vermögensübergeber auch nach der Vermögensübertragung weiterhin selbst wirtschaftend tätig werden. Er hat nicht die Möglichkeit, sich aus der Bewirtschaftung zurückzuziehen. Gerade dieser Rückzug wird jedoch zivilrechtlich in aller Regel bei einer Vermögensübertragung zu Lebzeiten angestrebt1.
7.287 Einkommensteuerlich besteht bei der Nießbrauchsgestaltung nicht die Möglichkeit der Nutzung eines Progressionsunterschiedes, es lassen sich jedoch erbschaftsteuerliche Vorteile erzielen. Entgeltliche Übertragungen zielen auf einkommensteuerliche Vorteile. Der Einsatz von GmbH und gewerblich geprägter Immobilien-GmbH & Co. KG will ertrag- wie erbschaftsteuerliche Vorteile erzielen. 1. Veräußerungsrente
7.288 Ratenzahlung ist die Verpflichtung, einen der Höhe nach bestimmten Betrag in einzelnen Teilleistungen zu erbringen; Höhe der Teilleistungen und Zahlungstermine sind festgelegt. Leistungen, die bis zum Lebensende einer Person zu erbringen sind, sind keine Ratenzahlungen. Wird ein Kaufpreis in Raten gezahlt oder ein Darlehen in Raten getilgt, so erfüllen die Raten nach der äußeren Form die Voraussetzungen der wiederkehrenden Bezüge. Die Übertragung eines Vermögensgegenstandes gegen Ratenzahlungen ist dadurch gekennzeichnet, dass das Entgelt für die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes gestundet und in Teilbeträgen entrichtet oder ein Kapitalbetrag in Tilgungsbeträgen zurückgezahlt wird. Es ist aber seit jeher zu Recht unbestritten, dass die ratenweise Tilgung eines Kaufpreises oder einer Darlehensschuld nicht zu den steuerbar wiederkehrenden Bezügen gehört. Steuerbar sind lediglich nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG die in den Raten enthaltenen Zinsanteile2. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass entsprechend dem Rechtsgedanken des § 12 Abs. 3 BewG jede Kapitalforderung, die über eine längere Zeit als ein Jahr gestundet ist, einen Zinsanteil enthält, selbst dann, wenn Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen wurde3. Veräußerungsleibrente (= Anknüpfung des Rentenbezugs an die Lebenszeit der Bezugsperson = Wagniskomponente). Beispiel: V überträgt seinem Sohn S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine vermietete Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 210.000 t. S verpflichtet sich, V eine an dessen Bedürfnissen orientierte lebenslängliche Rente i.H.v. monatlich 2.500 t (jährlich 30.000 t) zu zahlen. Der Barwert der wiederkehrenden Leistungen beträgt 350.000 t.
1 Fleischer, ZEV 2007, 475 (478); Amann, FS Spiegelberger, 1161 (1162): der überforderte Nießbraucher. 2 Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 601 ff.; Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 93. 3 Schmidt/Levedag41, § 20 EStG Rz. 119 (3).
888 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.293 Kap. 7
Die laufenden Zahlungen sind beim Erwerber nur über Abschreibungen und Zins- 7.289 anteil steuerlich verwendbar. Der Barwert der wiederkehrenden Bezüge, der wahlweise nach §§ 12 ff. BewG oder nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (R 6.2 EStR) berechnet werden kann, ist beim Verpflichteten Anschaffungsaufwand für das Vermögen. Der Zinsanteil ist nur als Werbungskosten absetzbar, soweit die wiederkehrenden Bezüge Anschaffungskosten für Vermögen sind, das der Einkünfteerzielung dient (vermietete Immobilien)1. Der Barwert als Veräußerungspreis ist beim Berechtigten steuerrelevant, soweit das 7.290 übertragene Vermögen steuerverstrickt ist (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG). Ansonsten ist der Vorgang nicht steuerbar. Bei privaten Veräußerungsgeschäften entsteht ein Gewinn erst, sobald die Summe der jährlichen Zahlungen abzgl. des Zinsanteils die Anschaffungskosten (ggf. abzgl. Abschreibungen) übersteigt. Der Zinsanteil ist zu versteuern (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG)2. Ein etwaig überhöhter Teil des Barwerts führt dazu, dass der Tilgungs- und Ertrags- 7.291 anteil nicht steuerrelevante Zuwendungen i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG sind. Unterschreitet der Barwert der wiederkehrenden Bezüge den gemeinen Wert des übertragenen Vermögens, liegt ein teilentgeltliches Geschäft vor, das nach der sog. Trennungstheorie zu einer Aufspaltung in ein entgeltliches und entgeltliches Geschäft führt3. Zu Gegenleistungscharakter und bloße Unterhaltsleistung s. Rz. 1.10154.
7.292
Gestaltungshinweis: Die (Teil-)Entgeltlichkeit der Übertragung wie bei Vereinbarungen unter fremden Dritten ist expressis verbis festzuhalten5.
7.293
Veräußerungszeitrenten (s. Rz. 1.918)6. (= keine Wagniskomponente) Beispiel: (nach BFH v. 14.7.2020 – VIII R 3/17) Durch Kaufvertrag übertrugen Eltern ein Grundstück nebst Gebäude an ihren gemeinsamen Sohn (S). Der Verkehrswert von Grundstück und Gebäude zum Übertragungszeitpunkt be-
1 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 – 5 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Rz. 69, 72. 2 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184, Rz. 73 ff.; BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, ZEV 2022, 166. 3 Strahl in: Die vorweggenommene Erbfolge (KSp 13), 2012, Tz. B/46. 4 Beispiele bei Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 551. 5 Spiegelberger, DStR 2010, 1880. 6 BMF v. 30.9.2013 – IV C 1-S 2253/07/10004 (DE CD), BStBl. I 2013, 1184, Rz. 77 ff.; grundsätzlich entgeltliche Vermögensübertragung zur Ausnahme bei Übertragung vor dem 1.1.2008; Myßen/Adam/Gragert/Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 307, 309.
Fleischer 889
Kap. 7 Rz. 7.293 Nießbrauch und Immobilienübertragung trug nach einem Gutachten auf einen zeitnahen Stichtag 393.000,00 t. Es wurde vereinbart, dass der Erwerber über einen Zeitraum von 31 Jahren an die Eltern eine monatliche Rente von 1.000,00 t zu zahlen habe. Für den Fall des Versterbens eines oder beider Eltern vor Ablauf der Laufzeit der Rente sollte der Rentenanspruch auf die Erben des Letztversterbenden der Eltern übergehen. Der Barwert der geschuldeten Rentenzahlungen im Übertragungszeitpunkt betrug 179.592,00 t.
Übertragen Eltern einem Kind einen Vermögensgegenstand gegen auf festbestimmte Zeit zu zahlende wiederkehrende Leistungen (sog. Zeitrente), handelt es sich um ein entgeltliches Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft. Dies gilt nach BFH auch, wenn der Barwert der wiederkehrenden Leistungen im Übertragungszeitpunkt unterhalb des Verkehrswertes des übertragenen Vermögensgegenstandes liegt (teilentgeltliche Übertragung). Der Tilgungsanteil der Rentenzahlungen ist gem. §§ 13 ff. BewG mit einem Zinsfuß von 5,5 % p.a. zu ermitteln (der Tilgungsanteil war im BFH-Fall nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht steuerbar). Der verbleibende Zinsanteil der monatlichen Rentenleistungen ist beim Rentenberechtigten als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Der in den Rentenzahlungen enthaltene Zinsanteil führt im Zeitpunkt des Zuflusses zu Einkünften aus Kapitalvermögen und wird, weil die Zinsen von einem nahen Angehörigen gezahlt sind, nicht nach dem Abgeltungssteuersatz des § 32d EStG, sondern nach dem regulären Tarif besteuert (§ 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG). Der in den Rentenleistungen enthaltene Zinsanteil kann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Einkünfte mindernd gelten gemacht werden, falls das Grundstück entgeltlich an einen Dritten zur Nutzung überlassen wird. Doch wirkt sich der Tilgungsanteil nur verteilt auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes über Abschreibungen aus. Da der BFH das Rechtsgeschäft ausdrücklich als teilentgeltlich einstuft, droht auf den unentgeltlichen Teil in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem Tilgungsanteil eine Belastung mit Schenkungsteuer. Hinweis: Die Kalkulation der Veräußerungszeitrenten in der Übertragungsurkunde ist so offenzulegen, dass ihr Barwert dem Wert des übertragenen Grundbesitzes entspricht. Dies schließt eine gemischte Schenkung aus. Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass in den Rentenzahlungen Zinsanteile kalkulatorisch nicht berücksichtigt sind und eine Verzinsung auch nicht erfolgen soll.1
7.294 Eine Gestaltungsmöglichkeit bei Selbstnutzung durch den Übergeber ist das Münchner Modell2: (Teil)entgeltliche Übertragung der Immobilie gegen dauernde Last (gesichert durch Reallast), Rückvermietung an den Übergeber und Wiederkaufsrecht für diesen. Spiegelberger verweist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH3 darauf, dass sofern die Höhe der Leibrente den Mietertrag der Immobilie übersteigt, eine entgeltliche Rentenzahlung vorliegt. Der Übergeber tätigt eine Vermögensumschichtung in 1 Geck in Anm. zu BFH v. 14.7.2020 – VIII R 3/17, DStR 2020, 2275 = ZEV 2021, 59. 2 Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 10 Rz. 80 ff. 3 BFH v. 12.5.2003 – GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95.
890 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.298 Kap. 7
eine Gegenleistungsrente, deren Zinsanteil der Übergeber als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern muss. Die Schuldzinsen unterliegen der Abgeltungssteuer (s. Rz. 7.298). Dem Erwerber steht aus dem Rentenbarwert abgeleitete AfA zu. Um eine steuerschädliche Typenvermischung zwischen vorweggenommener Erbfolge und Kaufvertrag zu vermeiden, sollte statt der üblichen Widerrufsrechte (untypisch für einen Kaufvertrag), ein Wiederkaufsrecht gem. § 456 BGB vereinbart werden, das durch eine Auflassungsvormerkung gem. § 883 BGB gesichert werden kann1. Das Stuttgarter Modell (Übertragung der Immobilie gegen private Versorgungsrente) kommt nicht mehr in Betracht2. 2. Kaufvertrag (mit Stundung) Die Übertragung einer Immobilie im Privatvermögen kann in einen entgeltlichen 7.295 und unentgeltlichen Teil aufgeteilt werden (s. Rz. 7.162).
7.296
Beispiel3: M verkauft an ihren Sohn eine Eigentumswohnung für 175.000 t. Gleichzeitig wird ein lebenslanger Mietvertrag zugunsten von M vereinbart. Im notariellen Kaufvertrag wird festgelegt, dass der Mutter zugleich ein Nießbrauch am verkauften Wohnungseigentum zustehen soll. In einem weiteren Vertrag gewährt die Mutter dem Sohn ein mit 2,0 % zu verzinsendes und auf zehn Jahre unkündbares Darlehen in Höhe des vereinbarten Kaufpreises. Bei der Einkommensteuererklärung des S entsteht ein Werbungskostenüberschuss bei den Vermietungseinkünften.
Bei abgeschriebenen Immobilien entsteht steuerfrei Abschreibungspotential. Der 7.297 Versorgungsbedarf der Übergeber kann wie beim Nießbrauch durch einen am jährlichen Mietüberschuss ausgerichteten Zins- und Tilgungsdienst Rechnung getragen werden. Bei Refinanzierung des Kaufpreises besteht ein unmittelbarer Zusammenhang der Finanzierungskosten mit den Vermietungseinkünften, so dass ein Abzug der Finanzierungskosten als Werbungskosten gesichert ist. Die Übergeber müssen die jährlichen Zinseinnahmen (des Verkäuferdarlehens) ver- 7.298 steuern. Der Abgeltungssteuersatz ist nicht ausgeschlossen (§ 32d Abs. 2 EStG)4. Erb1 Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 10 Rz. 80. 2 Spiegelberger, DB 2008, 1063 (1068); zum Stuttgarter Modell s. Myßen/Adam/Gragert/ Voigt/Wißborn, Renten, Raten, Dauernde Lasten17, Rz. 486 ff. 3 So bereits in ZEV 2007, 475 (479) vorgeschlagen. 4 Im Zweifel kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis, es sei denn bei 100 %-Finanzierung, die von dritter Seite nicht erlangt werden könnte: BFH v. 29.4.2014 – VIII R 9/13, BStBl. II 2014, 986 = DB 2014, 2024 = DStR 2014, 1661; v. 29.4.2014 – VIII R 44/13, BStBl. II 2014, 992 = DStRE 2014, 1225; v. 29.4.2014 – VIII R 35/13, BStBl. II 2014, 990 = DB 2014, 1963 = DStRE 2014, 1223; v. 28.1.2015 – VIII R 8/14, BStBl. II 2015, 397 = DB 2015, 596 = DStR 2015, 563; so jetzt auch FinVerw.: BMF v. 9.12.2014 – IV C 1 - S 2252/08/1004:015, BStBl. I 2014, 1608, Rz. 136; Moritz/Strohm, DB 2014, 2306; Gläser/Zöller, DStR 2015, 497; zur Anerkennung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften OFD NRW, Kurzinformation ESt v. 7.1.2016 – Nr. 01/2016, DB 2016, 80; finanzielle Abhängigkeit kann Beherrschungsverhältnis begründen: BFH v. 28.1.2015 – VIII R 8/14, BStBl. II 2015, 397 =
Fleischer 891
Kap. 7 Rz. 7.298 Nießbrauch und Immobilienübertragung
schaftsteuerlich werden die künftigen Wertsteigerungen der Erbschaftsteuer entzogen. Die im Erbfall verbleibende restliche Kaufpreisforderung fällt in den Nachlass und unterliegt der Erbschaftsteuer1. Sowohl – der Verkauf 2 von Mutter an Sohn – als auch die gleichzeitige Vermietung an die Mutter unter Sicherungswohnungs-/ -nießbrauchsrecht – als auch die Umwandlung der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung in ein Darlehen (§ 311 Abs. 1 BGB) sind – auch in ihrer Summe3 – kein Gestaltungsmissbrauch, wenn Gestaltung und Durchführung dem zwischen Fremden üblichen entspricht (s. Rz. 13.85)4.
7.299 Hinsichtlich Darlehen zwischen Angehörigen hat der BFH5 die bisweilen uneinheitliche Rechtsprechung zusammengefasst und in einzelne Fallgestaltungen unterteilt. Je nachdem, welche Art von Darlehensvertrag vorliegt (Umwandlungsfälle, stehengelassene Vergütungen oder Investitionsdarlehen), sind unterschiedliche Anforderungen an dessen Anerkennung zu stellen. Bei der vorstehenden Gestaltung dient der Darlehensvertrag der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes zur Erzielung von Überschusseinkünften. Auch im Niedrigzinsumfeld empfiehlt sich eine dynamisch ausgestaltete Verzinsung. Die tatsächliche Durchführung der hinsichtlich der Auszahlung der Zinsen vereinbarten Regelung stellt einen entscheidenden Gesichtspunkt für die Prüfung der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung dar. Zinsen sollten regelmäßig (jährlich) oder erst mit Beendigung des Darlehensvertrages entstehen, oder zwar jährlich berechnet werden, aber nicht entstehen (Vermeidung Zuflussbesteuerung und Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung).6 Zu
1 2 3
4 5
6
ErbStB 2015, 93 m. Anm. Günther; BMF v. 15.1.2016 – IV C 6 - S 2139 – b/13/10001, BStBl. I 2016, 83, Rz. 136. Schimpfky, ZEV 2013, 662 (664); zur Vorteilhaftigkeit bei anschließender Geldschenkung, Kaminski, DStR 2019, 750. Es sollte der Begriff Kaufvertrag, nicht Veräußerungsvertrag verwendet werden (s. hierzu Rachlitz/Vedder, notar 2021, 328 [331]). Anders bei Kombination aus (Geld-)Schenkungsversprechen und Mietvertrag: Ausdruck eines den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierenden Näheverhältnisses und Dokumentation der privaten Veranlassung der gewählten Vertragsgestaltung, BFH v. 4.10.2016 – IX R 8/16, BStBl. II 2017, 273 = DStR 2016, 2947 = DB, 2017, 39 = ErbStB 2017, 39 m. Komm. Günther. Fleischer, ZEV 2012, 475 (479); s.a. Schmidt/Kulosa41, § 21 EStG Rz. 93. BFH v. 22.10.2013 – X R 26/11, BStBl. II 2014, 374 = DB 2013, 2894 = DStR 2013, 2677 = FR 2014, 180 m. Anm. Kanzler; BMF v. 29.4.2014 – IV C 6 - S 2144/07/10004, BStBl. I 2014, 809, Rz. 4, Satz 3: wohl Lockerung der Anforderungen (KÖSDI 2014, 18872, Report Nr. 284); Osterloh, DStR 2014, 393; Kulosa, DB 2014, 972; s.a. Levedag, GmbHR 2015, 57; Münch, Handbuch Familiensteuerrecht, 2. Auflage 2020, 1. Teil, B, Rz. 81 ff.; Günther, ErbStB 2021, 148. Frase, kösdi 2021, 22170.
892 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.303 Kap. 7
beachten ist bei der Gestaltung der darlehensweisen Finanzierung auch, dass nicht zu viele fremdunübliche Dinge zusammentreffen, die isoliert betrachtet unschädlich, in der Summe aber möglicherweise schädlich sind. Eine fehlende Sicherung ist bei überschaubaren finanziellen Verhältnissen kein durchgreifender Mangel, kritisch ist sicher ein unveränderter Zinssatz bei stark gesunkenem Marktzins1. Daneben kann die Einholung eines Verkehrswertgutachtens zu empfehlen sein2. Die Kombination Vorbehaltsnießbrauch mit Teilkaufpreis ist weniger optimal. 7.300 Die latente Erbschaftsteuerbelastung reduziert sich auf den Wert der Darlehensforderung aus dem Teilkaufpreis. Die Abschreibung entsteht nur in Höhe des anteilig auf den Teilkaufpreis entfallenden Gebäudewerts und auch erst bei Beendigung des Nießbrauchs. Schuldzinsen für die Refinanzierung des Kaufpreises können während des Nießbrauchs nicht geltend gemacht werden3. 3. Vorbehaltsnießbrauch mit Rückvermietung bzw. Quotennießbrauch
7.301
Beispiel4: Ein im Privatvermögen befindliches Mietshaus mit Nettoerträgen i.H.v. 60.000 t jährlich und einer unterstellten AfA von 10.000 t soll im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden. Der Übergeber benötigt für seine Altersversorgung vor Steuern Einkünfte i.H.v. jährlich 48.000 t.
Behält sich der Übergeber den Nießbrauch vor und vermietet das mit dem Nieß- 7.302 brauch belastete Grundstück an den (neuen) Eigentümer („rheinische Übergabe“), so sind nach ständiger Rechtsprechung Einkünfte aus dieser Vermietung (Verpachtung) dem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen (s. Rz. 7.79). Der (neue) Eigentümer als (Zwischen-)Mieter kann mit Zustimmung des Übergebers das belastete Grundstück vermieten (verpachten). Sind jedoch die als Miete (Pacht) bezeichneten Leistungen des (neuen) Eigentümers an den Vorbehaltsnießbraucher unangemessen hoch oder niedrig ist davon auszugehen, dass der Nießbraucher das Nießbrauchsrecht nicht wahrgenommen hat und die Leistungen des (neuen) Eigentümers aus Versorgungsgründen erbracht werden (Unterhaltszahlung) (s. Rz. 7.79). Der Übergeber kann sich aber auch entsprechend seinem Bedarf einen Quotennieß- 7.303 brauch (s. Rz. 7.9, 7.18, 7.154) zu einer Quote von 4/5 vorbehalten. Der Eigentümer ist an Nutzungen und Lasten mit einer Quote von 1/5 beteiligt. Der Quotennießbrauch führt zu einer Gemeinschaft an Nutzungen und Lasten i.S.d. §§ 741 ff. BGB zwischen Nießbraucher und Eigentümer. Sie können daher gem. § 745 Abs. 2 BGB
1 Siehe auch Ihle, notar 2015, 46 (53 f.); keine freigebige Zuwendung, wenn der vereinbarte Zins nur unwesentlich unter dem marktüblichen Zins liegt, ansonsten Nutzungsvorteil in Höhe der Differenz zum marktüblichen Darlehenszins, FinMin. Schleswig-Holstein v. 28.2.2018 – VI 353 – S 3104 - 1002, DB 2018, 606; LfSt Bayern v. 21.3.2018 – S 3103.1.1 – 1/3 St 34, DStR 2018, 1127. 2 Müller/Schuster/Louis-Byers, Erben und Vermögen Nr. 8 v. 6.8.2015, III 1.b). 3 Schmipfky, ZEV 2013, 662 (665). 4 Amann, FS Spiegelberger, 1161 (1166).
Fleischer 893
Kap. 7 Rz. 7.303 Nießbrauch und Immobilienübertragung
Vereinbarungen über die Verwaltung treffen. Um den Nießbraucher von der Verwaltung zu entlasten (s. Rz. 7.286), kann vereinbart werden, dass allein der Eigentümer zur Verwaltung berechtigt und verpflichtet ist. Diese Übertragung der Verwaltung ist rechtlich bindend und kann nur gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
7.304 Formulierungsbeispiel: für einen Quotennießbrauch mit Alleinverwaltung durch den Eigentümer1: „Der Veräußerer behält sich am überlassenen Grundbesitz einen Quotennießbrauch vor, wonach er an den Nutzungen und Lasten des Nießbrauchsgegenstands zu 80 % beteiligt ist, während 20 % dem Eigentümer verbleiben. Zu den vom Nießbraucher zu 80 % zu tragenden Lasten zählen auch außerordentliche Lasten und solche Lasten, die als auf den Stammwert gelegt anzusehen sind, wie insbesondere Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch und nach anderen Rechtsvorschriften und außerordentliche Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Der jeweilige Eigentümer ist zur Verwaltung des mit dem Nießbrauch belasteten Grundbesitzes auch insoweit berechtigt und verpflichtet, als Nutzungen und Lasten kraft des Quotennießbrauchs dem Veräußerer zuzuordnen sind. Die Beteiligten bewilligen und beantragen, diesen Quotennießbrauch am Vertragsgegenstand im Grundbuch an nächstoffener Rangstelle einzutragen mit dem Vermerk, dass zur Löschung der Nachweis des Todes des Berechtigten genügt.“
7.305 Infolge des Quotennießbrauches stehen dem Veräußerer im Beispielsfall Mieteinnahmen von 4/5 aus 60.000 t, also netto 48.000 t jährlich zu, wobei dieser als Vorbehaltsnießbraucher 4/5 der bisherigen AfA also 8.000 t, abziehen kann. Diese 40.000 t unterliegen der Einkommensteuer. Dem Eigentümer verbleiben 1/5 der Mieteinnahmen, nämlich netto 12.000 t jährlich, von denen der 1/5 der AfA gem. § 11d EStDV, also 2.000 t, abziehen kann, so dass bei ihm 10.000 t der Einkommensteuer unterliegen. 7.306 Im Endergebnis sind die Beteiligten durch eine sorgfältige austarierte Nießbrauchsquote in der Lage, die einkommensteuerrechtlichen Folgen einer abzugsfähigen Versorgungszahlung anzunähern bis auf den Umstand, dass im Unterschied zu Rentenzahlungen bei einem Quotennießbrauch die Zehn-Jahres-Frist für die Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 3 BGB lediglich in Höhe der dem Eigentümer verbleibenden Nutzungsquote zu laufen beginnt (s. Rz. 7.54). 4. Einbringung in GmbH bzw. gewerblich geprägte GmbH & Co. KG
7.307 Immobilien in Bruchteilseigentum können in eine aus den Gemeinschaftern zu gründende GbR eingebracht werden2.
1 Amann, FS Spiegelberger, 1172. 2 Zu Realisierungsgefahren s. Fleischer, ZEV 2003, 190.
894 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.309 Kap. 7
Die Umwandlung einer Immobilien-GbR in eine GmbH ist nach dem UmwG ausgeschlossen, § 190 UmwG1. Allerdings können auch vermögensverwaltende Gesellschaften durch Eintragung im Handelsregister zur z.B. oHG werden (§ 105 Abs. 2 HGB). Die oHG kann dann durch Formwechsel grunderwerbsteuerfrei in eine GmbH umgewandelt werden2. Anschließend kann ein mindestens 50%iger GmbHAnteil mit Übergang der Geschäftsführung gegen Versorgungszahlungen übertragen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. c EStG). Die Finanzverwaltung3 vermutet eine Umgehung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. c EStG bei Übertragung eines Anteils an einer GmbH bei Umwandlung ein Jahr vor der Übertragung. Dieser Gedanke lässt sich verallgemeinern. Dem Einwand des § 42 AO ist daher durch zeitliche Streckung des Vorgangs Rechnung zu tragen. Des Weiteren könnte eine Steuerklausel aufgenommen werden4. Der Weg über die Einbringung der Immobilien in eine gewerblich geprägte Im- 7.308 mobilien GmbH & Co. KG (s. Rz. 7.13 und Rz. 9.9 ff.) und anschließender Übertragung von Kommanditanteilen unter Vorbehaltsnießbrauch ist einkommensteuerlich zielführend5. Das zusätzliche Ziel, die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Betriebsvermögensvergünstigung zu erreichen, scheitert in der Regel (Verwaltungsvermögenstest, Wohnungswirtschaftsunternehmen)6. Münzig/Stein in Münchener Vertragshandbuch V Bürgerliches Recht I, Form. IV. 2; Hannes/ Roemer, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge2, Muster A.1.03 und A.1.04; Krauß, Vermögensnachfolge in der Praxis6, Kapitel 16 Rz. 7678; Würzburger Notarhandbuch/Holland5, Teil 2 Kap. 6 Rz. 5, 53 f., 98; Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handelsund Wirtschaftsrecht/Feick13, Form. III. C.1.
M69 Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht … [Urkundseingang]
I. Vorbemerkung Die Erschienenen zu 1. werden im Folgenden „Veräußerer“ genannt, der Erschienene zu 2. wird im Folgenden „Erwerber“ genannt. Grundbuchstand Im Grundbuch des AG … von … 1 Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz9, A § 191 UmwG Rz. 33. 2 Jedoch können vorher verwirklichte Erwerbsvorgänge (§§ 5, 6 GrEStG) nachträglich grunderwerbsteuerpflichtig werden, BFH v. 25.9.2013 – II R 12/12 bzw. 17/12, DB 2014, 221 ff. 3 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 – 5 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227, Rz. 23. 4 Geck, KÖSDI 2014, 18725 (18732); zur Investition über grundbesitzverwaltende Kapitalgesellschaft Kessler/Mirbach, DStR 2014, 1934. 5 Fleischer, notar 2015, 144 (149). 6 Schmipfky, ZEV 2013, 662 (667).
Fleischer 895
7.309
Kap. 7 Rz. 7.309 Nießbrauch und Immobilienübertragung Blatt … ist der folgende Grundbesitz der Gemarkung … im … von … eingetragen: Fl. Nr. …
… …
zu … qm.
Der Grundbesitz ist laut Grundbuchvortrag wie folgt belastet: Abteilung II: … Abteilung III: …
II. Überlassung Der Veräußerer überlässt hiermit das Vertragsobjekt mit allen Rechten und Pflichten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör an den Erwerber zum Alleineigentum. Die Vertragsteile sind über den vereinbarten Eigentumsübergang einig. Der Veräußerer bewilligt, der Erwerber beantragt, die Rechtsänderung in das Grundbuch einzutragen.
III. Nießbrauch Der Veräußerer behält sich als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB am vorbezeichneten Vertragsobjekt das lebenslängliche Nießbrauchsrecht (Vorbehaltsnießbrauch) vor, für das die gesetzlichen Bestimmungen mit der Maßgabe gelten sollen, dass die Nießbraucher verpflichtet sind, sämtliche auf dem Vertragsgegenstand ruhenden privaten und öffentlichen Lasten einschließlich der außerordentlichen öffentlichen Lasten sowie auch die aufgrund Gesetzes dem Eigentümer obliegenden privaten Lasten, insbesondere auch die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen, zu tragen. Das Recht, die Ausübung des Nießbrauches Dritten zu überlassen, ist ausgeschlossen. Der Berechtigte schuldet bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in eigenen Dingen anzuwenden pflegt (§ 277 BGB). Die Eintragung dieses Nießbrauchsrechts an dem in Abschnitt I genannten Vertragsobjekt zugunsten der Veräußerer als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB in das Grundbuch wird mit der Maßgabe bewilligt und beantragt,
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H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.309 Kap. 7
dass zur Löschung dieses Rechts der Nachweis des Todes des jeweiligen Berechtigten genügt. Der Nießbrauch erhält erste Rangstelle im Grundbuch … Der Berechtigte darf den Nießbrauch jederzeit einseitig aufgeben, indem er seine Löschung im Grundbuch bewirkt. Auf die fehlende Möglichkeit der Gesamtberechtigten, sich im Streitfall aus der Nießbrauchsgemeinschaft zu lösen, hat der Notar hingewiesen.
IV. Rückforderungsrecht Es wird folgendes Rückforderungsrecht für den Veräußerer auf Lebenszeit als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB vereinbart: Der Veräußerer behält sich das Recht vor, die Rückübertragung des heutigen Vertragsobjektes zu verlangen, wenn – der Vertragsgegenstand zu Lebzeiten des Veräußerers ganz oder teilweise ohne Zustimmung aller Veräußerer veräußert oder belastet wird (ausgenommen Abtretungen für öffentliche Flächen und die Bestellung von Ver- und Entsorgungs- und Gehund Fahrtrechten), wobei als Veräußerung auch die Vereinbarung von Gütergemeinschaft gilt, ohne dass der Vertragsbesitz zum Vorbehaltsgut des Erwerbers erklärt wird, oder – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vertragsobjekt oder Teile davon eingeleitet werden oder – über das Vermögen des Erwerbers das Insolvenzverfahren eröffnet oder dies mangels Masse abgelehnt wird oder – die Zwangsvollstreckung in das Vertragsobjekt droht oder eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Beschenkten oder seines Rechtsnachfolgers eintritt oder – der Erwerber vor dem Veräußerer verstirbt. Das Rückforderungsrecht kann nur innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis des Rückforderungsgrundes ausgeübt werden, ansonsten erlischt es für diesen Grund. Das Recht ist nicht übertragbar und nicht vererblich, es sei denn, der Berechtigte hat es bereits zu Lebzeiten wirksam ausgeübt. Bei Ausübung des Rechtes gilt: Die Kosten der Rückübertragung sowie etwaige Verkehrssteuern trägt, ausgenommen den Fall seines Vorversterbens, der Erwerber. Die Rückübertragung hat lediglich gegen Übernahme derjenigen Belastungen samt zugrunde liegenden persönlichen Verpflichtungen zu erfolgen, die bereits heute am Vertragsbesitz eingetragen sind oder die mit Zustimmung der Veräußerer eingetragen werden; Darlehensverbindlichkeiten, welche durch zu übernehmende Grundpfandrechte gesichert werden, sind jedoch von den Veräußerern nur dann schuldbefreiend, jedenfalls im Wege der Erfüllungsübernahme, zu übernehmen, wenn und soweit die entsprechenden Darlehen mit Zustimmung der Veräußerer auf das Vertragsobjekt oder zugunsten der Veräußerer verwendet worden sind. Im Übrigen findet ein Verwendungs- oder Wertersatz im weitesten Sinne ausdrücklich nicht statt. Fleischer 897
Kap. 7 Rz. 7.309 Nießbrauch und Immobilienübertragung Zur Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung bewilligt und beantragt der Erwerber Zug um Zug mit Eigentumsumschreibung die Eintragung einer Vormerkung am Vertragsobjekt für den Veräußerer im angegebenen Berechtigungsverhältnis in das Grundbuch, und zwar im Rang nach dem für den Veräußerer bestellten Nießbrauch. Über die Bedeutung des Ranges, insbesondere im Fall des Vorganges von Grundpfandrechten, wurde belehrt. Der Erwerber wird bevollmächtigt, nach dem Ableben des Veräußerers diese Vormerkung unter Vorlage einer Sterbeurkunde zur Löschung zu bewilligen. Die Veräußerer bevollmächtigen sich jeweils gegenseitig allein und befreit von § 181 BGB, Zustimmungserklärungen zu Veräußerungen und Belastungen sowie Rangrücktrittserklärungen mit der Vormerkung und den sonstigen in dieser Urkunde bestellten Rechten der Veräußerer hinter neu bestellte Belastungen und Freigabeerklärungen für veräußerten Grundbesitz von der Vormerkung und von den sonstigen in dieser Urkunde für den Veräußerer bestellten Rechten abzugeben. Der Erwerber erteilt hiermit dem Veräußerer die unwiderrufliche Vollmacht, in seinem Namen die Auflassung zu erklären sowie alle Erklärungen und Bewilligungen für ihn abzugeben und Anträge zu stellen, die zum grundbuchamtlichen Vollzug der Rückauflassung erforderlich sind. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Bevollmächtigte befreit. Die Vollmacht erlischt nicht durch den Tod des Vollmachtgebers.
V. Anrechnung, Ausgleichung, Pflichtteil Weitere Gegenleistungen sind vom Beschenkten im Hinblick auf vorstehende Zuwendung nicht zu erbringen. Eine Ausgleichung der heutigen Zuwendung im Verhältnis zu anderen Abkömmlingen des Veräußerers im Erbfall ist ausgeschlossen. Der Erwerber hat sich jedoch die heutige Zuwendung auf seine Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Veräußerers anrechnen zu lassen. Die Anrechnung entfällt, soweit das eingeräumte Rückerwerbsrecht ausgeübt wird. Ein Pflichtteilsverzicht des Erwerbers gegenüber dem Nachlass des Veräußerers wird trotz Belehrung nicht vereinbart. Über das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht und die Möglichkeit von Pflichtteilsergänzungsansprüchen wurde belehrt.
VI. Weitere Bestimmungen Der Besitz, die Nutzungen und alle öffentlichen Lasten (einschließlich Sachversicherungsprämien) und Abgaben des Vertragsobjekts gehen ab Beendigung des bestellten Nießbrauchs, der mittelbare Besitz sowie die Gefahr eines zufälligen Unterganges oder einer zufälligen Verschlechterung gehen ab sofort auf den Erwerber über. Der Veräußerer erklärt, dass Rückstände an Steuern und öffentlichen Lasten, die das Vertragsobjekt betreffen, nicht bestehen. Soweit Erschließungskosten und sonstige Anliegerlasten noch nicht angefallen oder bezahlt sind, hat sie der Erwerber zu tragen, soweit die Regelung zum Nießbrauch nicht entgegensteht. Eine Haftung für Sach- und Rechtsmängel wird weder verlangt noch geleistet. 898 Fleischer
H. Immobilienübertragung gegen wiederkehrende Leistungen
Rz. 7.309 Kap. 7
Die Kosten der heutigen Schenkungsurkunde und ihres grundbuchamtlichen Vollzugs trägt der Erwerber. Der Notar hat auf die Schenkungsteuerpflicht für unentgeltliche Zuwendungen hingewiesen. Eine eventuell anfallende Schenkungsteuer trägt der Erwerber. Abschriften … Vorgelesen vom Notar …
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Kapitel 8 Vermögensverwaltende Personengesellschaften A. Von der Bruchteilsgemeinschaft zur Gesamthand – Rechtsgrundlagen I. Notarielle Praxis . . . . . . . . . . . . . II. Vorweggenommene Erbfolge . . B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts I. Anwendungsbereich 1. Personengesellschaftsreform . 2. Unternehmenstragende GbR 3. Vermögensverwaltung . . . . . . II. Vertragsgestaltung 1. Vertragsänderung . . . . . . . . . . 2. Vertretungsregelung . . . . . . . . 3. Vollmachtserteilung . . . . . . . . 4. Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . III. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Minderjährige Gesellschafter 1. Gesetzliche Vertretungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Familiengerichtliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . 3. Das Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz . . . . . C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 1. Keine IHK-Mitgliedschaft . . . 2. Buchführungs- und Bilanzierungspflicht? . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Anwendung der Gewerbeordnung . . . . . . . . . . II. Versorgung der Übergeber 1. Rentenzahlung . . . . . . . . . . . . 2. Nießbrauch am KG-Anteil . . 3. Grundstücksnießbrauch . . . . III. Gesellschaftsvertrag 1. Geschäftsführung und Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1 8.3
8.5 8.7 8.8 8.10 8.11 8.13 8.14 8.17
8.19 8.20 8.21 8.25 8.26 8.28 8.29 8.32 8.33 8.35 8.37
8.40
2. Abfindungsbeschränkung a) Gesellschaftsvertragliche Reduzierung . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsvertraglicher Ausschluss einer Abfindung im Todesfall . . . . . . . IV. Haftungsbeschränkung vor Eintragung der KG im Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Handelsregistervollmacht . . . . . VI. Einkommensteuer 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages über eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft . . . . . 3. Objektiver Einkünftetatbestand a) Steuersubjekt . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit . . . . . . . . . c) Einkünfteermittlung aa) Grundsatz . . . . . . . . . . bb) „Verlust“-Ausgleichsbeschränkungen . . . . . (1) Sinngemäße Anwendung des § 15a EStG . (2) Sinngemäße Anwendung des § 15b EStG . cc) Veräußerungsgeschäfte (1) Veräußerungsgeschäfte auf der Ebene der Gesellschafter, insb. im Rahmen der Einbringung . . . . . . . . . . . (2) Veräußerungsgeschäfte auf der Ebene der Gesellschaft . . . . . . . . . d) Einkünftezurechnung aa) Grundsätze der Zurechnung . . . . . . . . .
8.42 8.45
8.49 8.50 8.60
8.61 8.62 8.65 8.68 8.70 8.71 8.75
8.76 8.79 8.80
Wälzholz 901
Kap. 8 Vermögensverwaltende Personengesellschaften bb) Verfahren . . . . . . . . . . 8.82 4. Subjektiver Einkünftetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.85 VII. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . 8.91 VIII. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 8.97 IX. Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . 8.104 1. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . 8.105 2. Steuerklasse der Beschenkten . . . . . . . . . . . . . . 8.107
X. Beurkundung des Gesellschaftsvertrags 1. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Urkundengestaltung . . . . . . . . 3. Beteiligung von Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungshinweise . . . . . . . . 5. Übersicht: Vorteile der vermögensverwaltenden Familien-KG . . . . . . . . . . . . . .
8.108 8.109 8.110 8.113 8.114
Literatur: Beckervordersandfort/Escher, Der Familienpool als Nachfolgeinstrument (Teil 2): Gründung und Vermögenseinbringung, ZErb 2021, 49 und 85; Brüggemann, Ertragsteuerliche Anerkennung einer grundstücksverwaltenden Familiengesellschaft, ErbBstg 2011, 72; Demuth, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nach dem Jahressteuergesetz 2008, FS für Spiegelberger (2009), 9, 73; Dräger, Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, StBW 2011, 936; Escher/Weiten, Schenkung von Anteilen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften als privates Veräußerungsgeschäft?, DStR 2020, 2478; Fleischer, Vermögensverwaltende Personengesellschaften: Steuerliche Realisierungstatbestände bei der Einbringung steuerverstrickten Privatvermögens, ZEV 2003, 190; Fleischer, Vermögensübergabe gegen privat Versorgungsleistungen: Steuersystem, steuerliche Änderung und Steuerplanungssicherheit, FS für Spiegelberger (2009), 120; Fuhrmann/Demuth, Vermögensverwaltende Personengesellschaft als Mittel der Nachfolgeplanung, ErbStB 2006, 127; Geck, Familienpool zur Vermögenssicherung und -bindung, KÖSDI 2008, 16016; Geck, Versteckte Gefahren bei der vorweggenommenen Erbfolge aufgrund nachgelagerter Besteuerungstatbestände, FS für Spiegelberger (2009), 128; Halaczinsky, Grundstücksbewertung im Erbschaftsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 187; Korezkij, Zurechnung des Verwaltungsvermögens bei Personengesellschaften: Erneute Änderung der Spielregeln durch die Ländererlasse v. 11.2.2021, DStR 2021, 906; Krüger, Grundstücksschenkungen an Minderjährige, ZNotP 2006, 202; Leidel, Schenkungsteuer bei disquotalen Einlagen in Personengesellschaften, DStR 2021, 13; Levedag, Einbringung und Einlage von Privatvermögen in vermögensverwaltende und gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2013, 243; Milatz/Sax, Transparenz der vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2017, 141; von Oertzen/Hermann, Vermögensverwaltende GbR vs. Vermögensverwaltende KG: Überblick über die zivil- und steuerrechtlichen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede, ZEV 2003, 400; v. Proff, Die Erbfolge in Beteiligungen an Personengesellschaften – Funktionsweise und Gestaltungsmöglichkeiten, DStR 2017, 2555; Tiedtke, Kostenrechtliche Behandlung von vermögensverwaltenden Gesellschaften (GbR und KG), FS für Spiegelberger (2009), 1517; Vieth/Grosse, Die Aufteilung des gemeinen Werts und die Zurechnung des Verwaltungsvermögens bei Personengesellschaften, ErbStB 2022, 43; Wälzholz, Versorgungsleistungen nach dem JStG 2008: Aktuelle Problemfälle der Gestaltungspraxis, insbesondere zur Übergangsregelung, FS für Spiegelberger (2009), 556; Wachter, Die Immobilie im neuen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 524; Werner, Pflichtteil als Gestaltungsgrenze bei der Nachfolge in Personengesellschaften, ZErb 2014, 97; Wichmann/Dißars, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft als Instrument der Nachfolge, ZEV 2018, 441; Wichmann, Das Ergebnis vorab bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, Stbg 2014, 1 Wißborn, Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, NWB 2011, 2694; Wübbelsmann, Die Realteilung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2019, 2289.
902 Wälzholz
A. Von der Bruchteilsgemeinschaft zur Gesamthand
Rz. 8.2 Kap. 8
A. Von der Bruchteilsgemeinschaft zur Gesamthand – Rechtsgrundlagen Literatur: Herrler, Belastbarkeit eines Miteigentumsanteils mit einer Rückauflassungsvormerkung im Zuge der Überlassung dieses Anteils an einen anderen Miteigentümer?, ZNotP 2009, 188; U. Mayer, Immobilienerwerb durch mehrere: „halbe/halbe“ oder „gemeinsam“?, BWNotZ 2002, 143; OFD Frankfurt am Main: Zurechnung von Einnahmen und Werbungskosten bei Grundstücksgemeinschaften, DB 2002, 869; Tschon, Miteigentümervereinbarungen über Gemeinschaftsflächen, RNotZ 2006, 205; Wachter, Vermögensverwaltende Gesamthand und Bruchteilsbetrachtung – eine Zwischenbilanz, DStR 2005, 2014.
I. Notarielle Praxis Die Gemeinschaft ist in §§ 740 ff. BGB geregelt, die Möglichkeit der Eintragung im 8.1 Grundbuch in den §§ 1008 bis 1010 BGB. Die Rechtsform der Grundstücksgemeinschaft hat sich bei großen Wohnanlagen, insbesondere bei Reihenhäusern bewährt, bei denen der jeweilige Erwerber Alleineigentum an seinem Wohngrundstück erwirbt, die Zufahrten aber über gemeinsame Wegeflächen erfolgen. Um bei der Weiterveräußerung eines Wohnobjektes die Mitübertragung der Bruchteile an den Erschließungsanlagen zu sichern, kann im Grundbuch bei dem jeweiligen Alleineigentum der Bruchteil an den Gemeinschaftsanlagen im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes vorgetragen werden1. Bruchteilseigentum kommt auch in Betracht, wenn für die Nutzung eines Wohnhau- 8.2 ses durch mehrere Eigentümer die Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum mangels Abgeschlossenheit i.S.d. § 7 Abs. 4 WEG nicht besteht und somit nicht einzelne Grundbuchblätter gebildet werden können. In derartigen Fällen kann eine Miteigentümervereinbarung getroffen und gem. § 1010 BGB im Grundbuch eingetragen werden2. In diesem Zusammenhang wird meist die Teilungsversteigerung ausgeschlossen und dem einzelnen Miteigentümer eine Wohnung zur alleinigen Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung zugewiesen. Die Regelungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft werden soweit als möglich simuliert. Derartige Regelungen bedürfen inzwischen in bestimmten Fällen zum Schutz von Fremdenverkehrsregionen einer Genehmigung nach § 22 BauGB. Ein großes Risiko derartiger Gestaltungen besteht darin, dass die Teilungsversteigerung durch einen Grundpfandrechtsgläubiger nicht ausgeschlossen werden kann. Die steuerliche Anerkennung wirtschaftlichen Eigentums an einer bestimmten Wohnung bei solchen Gestaltungen bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Eine steuerliche Chance einer solchen Gestaltung kann darin bestehen, dass ein Anteil an einem Mehrfamilienhaus schenkungsteuerlich mit dem Ertragswertverfahren bewertet wird, während eine Eigentumswohnung i.S.d. WEG mit dem Vergleichswertverfahren, hilfsweise dem Sachwertverfahren bewertet wird. Speziell das Vergleichswertverfahren kann zu deutlich höheren Werten führen. 1 Vgl. Schmitz in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 11 Rz. 1. 2 Formulierungsbeispiel bei Schmitz in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 11 Rz. 3.
Wälzholz 903
Kap. 8 Rz. 8.3 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
II. Vorweggenommene Erbfolge
8.3 Beispiel: M überträgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihr Wohn- und Geschäftshaus auf Sohn S und Tochter T in Bruchteilsgemeinschaft zu je 1/2. Aufgrund des flotten Lebenswandels von S entstehen Steuerschulden i.H.v. 500.000 t, die das Finanzamt durch die Eintragung einer Sicherungshypothek am Miteigentumsanteil des S sichert. Anschließend lässt das Finanzamt das Anwesen gem. § 180 ZVG versteigern, da T das Angebot des Finanzamtes, die Steuerschuld ihres Bruders zu übernehmen, ablehnt.
Auch bei der Übertragung eines Grundstückes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf mehrere Kinder wird in der Praxis häufig die Rechtsform einer Bruchteilsgemeinschaft gewählt. Bruchteilseigentum wird – mit wenigen Ausnahmen – wie gewöhnliches Grundstückseigentum behandelt. Somit ist der Bruchteilseigentümer zur freien Verfügung über seinen Miteigentumsbruchteil berechtigt, so dass eine dinglich wirkende Veräußerungs-/Verfügungsbeschränkung nicht möglich ist. Allerdings kommt ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot gem. § 137 Satz 2 BGB in Betracht, das aber den Bruchteilseigentümer nicht tatsächlich an einer Veräußerung hindert, es sei denn, dass für die Verletzung des schuldrechtlichen Veräußerungsverbotes eine Übertragungsverpflichtung vereinbart wird, die mit einer Auflassungsvormerkung gesichert werden kann. In der Praxis werden regelmäßig gegenseitige dingliche Vorkaufsrechte gem. §§ 1094 ff. BGB vereinbart, um eine Information über von anderen Miteigentümern vorgenommene Veräußerungen zu erhalten und gegebenenfalls zu den mit Dritten vereinbarten Bedingungen den Miteigentumsanteil zu übernehmen, wobei mehrere Berechtigte das Recht gemeinschaftlich gem. § 472 BGB ausüben können. Allerdings sind Vorkaufsrechte mit erheblichen Kosten verbunden und können im Streitfall auch umgangen werden, beispielsweise durch einen Tauschvertrag.
8.4 Folgende Gestaltungsprobleme dürfen nicht übersehen werden: – Die Miteigentümergemeinschaft weist von allen Gemeinschafts- und Gesellschaftsformen die geringste Stabilität auf. Selbst wenn gem. § 1010 BGB im Grundbuch eingetragen wird, dass die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, bindet dies nicht den Insolvenzverwalter oder die finanzierende Bank. Soweit ein wichtiger Grund gegeben ist, kann auch – trotz gegenteiliger Eintragung im Grundbuch – jeder Miteigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilungsversteigerung verlangen1, – ob von den Quoten des Miteigentums abweichende Lasten- und Kostentragung dinglich in das Grundbuch eingetragen werden kann, ist strittig2; – die Verwaltung einer Miteigentümergemeinschaft ist wesentlich komplizierter als etwa die einer Gesellschaft, da bei der Veräußerung eines Miteigentumsanteiles
1 Vgl. Grüneberg/Sprau81, § 751 BGB Rz. 2, 3. 2 Vgl. Münchener Kommentar/Schmidt8, § 1010 BGB Rz. 9, der sich selbst zu Recht für die Eintragungsfähigkeit ausspricht.
904 Wälzholz
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Kap. 8
der Rechtsnachfolger grds. nicht an die Vereinbarungen der Vorgänger gebunden ist; – schließlich sind alle Bruchteilsübertragungen grunderwerbsteuerpflichtig; die für die Gesamthand geltenden Grundsätze der – grunderwerbsteuerfreien – Übertragung von Gesellschaftsanteilen gelten nicht für Bruchteilseigentum, da ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück selbst als Grundstück i.S.d. GrEStG gilt.
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts Literatur: Bachmann, Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, NJW 2021, 3073; Bestelmeyer, Verfügungen durch eine gesellschafterlose im Grundbuch eingetragene Namens-GbR, ZfIR 2011, 395; Bochmann/Bron, Die nächste Stufe der Modernisierung des Personengesellschafts-rechts: Vom MoPeG zum KöMoG, NZG 2021, 613; Bolkart, Das Zusammenspiel von Gesellschaftsregister, Grundbuch und Notar nach dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), Mitt-BayNot 2021, 319; Böttcher, GbR im Grundbuch: Alles geklärt?, notar 2012, 111; Brinkmeier, Referentenentwurf für ein modernisiertes Personengesellschaftsrecht, GmbH-Stb 2021, 3; Brüggemann, Ertragsteuerliche Anerkennung einer grundstücksverwaltenden Familiengesellschaft, ErbBstg 2011, 72; Carlé, Rechtsentwicklungen im Bereich der GbR und Gestaltungshinweise, KÖSDI 2010, 17128; Fleischer, Leitbildwandel im Recht der BGB-Gesellschaft – Ein erster Rundgang durch den Mauracher Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, DB 2020, 1107; Fleischer, Ein Rundgang durch den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, DStR 2021, 430; Geck, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, KÖSDI 2010, 16842; Hölscher, Pflichtteilsminimierung durch Gesellschaftsrecht?, ErbR 2016, 421; Grigoleit, Update GbR – Der Mauracher Entwurf als Impuls für die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, notar 2020, 309; Heckschen/Nolting, Das MoPeG ist verkündet – Verbesserungen am Gesetz noch auf der Zielgeraden, BB 2021, 2946; Heinze, Der Mauracher Entwurf und die Abkehr von der Gesamthand – Gefahren im Steuerrecht, DStR 2020, 2107; Käshammer/Mayer, Steuerliche Implikationen des MoPeG, NWB 2021, 2514; Kesseler, Die GbR und das Grundbuch, NJW 2011, 1909; Kirnberger, Vermögensnachfolge durch Familien-GbRs, ErbStB 2007, 56; Krüger, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und das Grundbuch – eine Mesalliancé, FS für Zimmermann (2010), 177; Lange, Pflichtteil als Gestaltungsgrenze bei der Nachfolge in Personengesellschaften, ZErb 2014, 97; Lautner, Grundstückserwerb durch Gesellschaften bürgerlichen Rechts unter Geltung der gesetzlichen Neuregelungen des ERVGBGB, MittBayNot 2010, 286; Schäfer, Der Bestimmtheitsgrundsatz ist (wirklich) Rechtsgeschichte, NZG 2014, 1401; Schall, Erzwingt das MoPeG die rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung?, NZG 2021, 494; Scholz, Der Grundsatz der Selbstorganschaft in der Reform des Personengesellschaftsrechts, NZG 2020, 1044; Skusa/Thürauf, Die Wirksamkeit von Abfindungsregelungen bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts, NJW 2015, 3778; Spiegelberger, Die vermögensverwaltende GbR bei der vorweggenommenen Erbfolge, Harzburger Steuerprotokoll 1996 (1997) S. 131 ff.; Spiegelberger, Anmerkung zu BayObLG, Beschl. v. 5.3.1997: Zum Prüfungsmaßstab der Gerichte bei vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung eines Vertrags über die Gründung einer Familiengesellschaft bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung, DNotZ 1998, 500; Suttmann, Grundstücksgeschäfte mit Beteiligung einer GbR – Hinweise für die Praxis, NJW 2013, 423; Wälzholz, Die haftungsbeschränkte private Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Phoenix aus der Asche?, MittBayNot 2003, 35; Weller, Von der GbR zur OHG: Abkehr „vom Geist der Gesetze“ durch richterliche Rechtsfortbildung?, FS für Roth (2011), 881; Wertenbruch, Der BMJV-Referentenentwurf eines MoPeG, GmbHR 2021, 1 ff.; Werner, Liegt
Wälzholz 905
Kap. 8 Rz. 8.5 Vermögensverwaltende Personengesellschaften bei Übertragung von Anteilen an einer vermögensverwaltenden Familien-GbR eine Schenkung vor?, ZEV 2013, 66; Wilhelm, Paradigmenwechsel im Recht der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, NZG 2020, 1041; Wilsch, Die GbR im Grundbuch nach dem Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, ZfIR 2020, 521.
I. Anwendungsbereich 1. Personengesellschaftsreform
8.5 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 bis 740 BGB ist der Grundtyp der Personengesellschaft und kommt sowohl für die – Vermögensverwaltung als auch – als Unternehmensträger1 in Betracht.
8.6 Das Recht der BGB-Gesellschaft wird durch das Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz2 (MoPeG) mit Wirkung ab dem 1.1.2024 einer grundlegenden Reform unterzogen. Folgende wichtigste Änderungen und Neuerungen sind erwähnenswert: – Die GbR ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Gesellschaft ist, ob die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (§ 705 Abs. 2 BGB n.F.), wofür in der Begründung Kriterien genannt werden. Rechtsfähige und nicht rechtsfähige Gesellschaft haben gemeinsam, dass es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Gesellschafter durch Gesellschaftsvertrag zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks handelt (§ 705 Abs. 1 BGB n.F.). Träger des Vermögens ist die Gesellschaft selbst und nicht mehr die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit. Das Gesamthandsprinzip wird aufgegeben. Der Gesetzgeber hat in der Regierungsbegründung klargestellt, dass dies an der mitunternehmerschaftlichen Besteuerung gleichwohl nichts ändern soll.3 – Vertragssitz und Verwaltungssitz können geregelt werden und auseinanderfallen, § 706 BGB n.F. – Es wird ein freiwilliges GbR-Register geschaffen; die GbR wird OHG/KG angenähert. Wenn die GbR registerfähiges Vermögen erwerben möchte, muss sie sich vorher registrieren lassen; das gilt auch für Altgesellschaften. Sie müssen dann die Bezeichnung „eGbR“ führen. 1 Die unternehmenstragende Variante wird von Schmitz in Spiegelberger, Unternehmensnachfolge3, § 16 dargestellt. 2 Ges. zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG –) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 Die steuerlichen Auswirkungen sind gleichwohl noch umstritten und ungeklärt, da an mehreren Stellen im Steuerrecht noch von einer Gesamthand die Rede ist, obwohl damit auch bisher auch schon die teilrechtsfähigen Personen(-handels-)gesellschaften gemeint waren.
906 Wälzholz
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rz. 8.6 Kap. 8
– Die Innen-GbR wird separat geregelt. – Für das Gesellschaftsregister sind die üblichen Anmeldungen erforderlich, ähnlich wie bei der OHG/KG. – Regelungen zum sog. Statuswechsel zwischen den unterschiedlichen Arten der Personengesellschaften ermöglichen diesen durch Registeranmeldung. – Der Anteil eines Gesellschafters kann übertragen werden. – Grundsätzlich herrscht Gestaltungsfreiheit. – Das Mehrbelastungsverbot gilt weiterhin, § 710 BGB n.F. – GbR-Anteile können vererbt werden, die Auflösung als Regelfall gibt es nicht mehr. Stattdessen findet – wie bei der OHG – ein Ausscheiden gegen Abfindung statt; das Ausscheiden ist aber abdingbar. Eine dem § 139 HGB a.F. entsprechende Norm wird auch für die GbR geschaffen. – Eine Option zur Beschlussmängelanfechtung – entsprechend dem Recht der Kapitalgesellschaften – ist auch für die GbR möglich, aber nicht der gesetzliche Regelfall. – Die Vertretung der Gesellschaft wird in § 719 ff. BGB n.F. geregelt; grds. gilt gemeinschaftliche Vertretung, diese Regelung ist aber abdingbar. Eine Vertretungsermächtigung wird in § 720 Abs. 2 BGB n.F. ermöglicht. – Die Regelungen zur Haftung knüpfen an die bisherige Regelung in § 128 HGB an. Dem bisherigen Modell des § 130 HGB folgend, haftet auch jeder, der in eine GbR eintritt, für die bisher bestehenden Verbindlichkeiten der GbR. – § 722 BGB n.F. regelt die Insolvenzantragspflicht, wenn keine natürliche Person an einer GbR als haftender Gesellschafter beteiligt ist. – Die Regelungen zur Abfindung bei Ausscheiden gelten grds. unverändert. – Das Liquidationsverfahren wird ausführlich geregelt. – Die GbR wird umwandlungsfähig (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG). – Bisher waren die Vorschriften auf Gelegenheitsgesellschaften zugeschnitten, bei denen sich die Gesellschafter zur Durchführung einer begrenzten Anzahl von Einzelgeschäften auf gemeinsame Rechnung ohne deutlich ausgeprägte Gesellschaftsorganisation zusammenschlossen. Gerade die Erscheinungsform einer GbR als dauerhafte Erwerbsgesellschaft erfordert zahlreiche gesellschaftsvertragliche Abweichungen vom dispositiven Recht. Die Reform führt zu einer Rechtsangleichung in Bezug auf die anderen rechtsfähigen Personengesellschaften (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft). – Das bisherige Leitbild der Gelegenheitsgesellschaft wird auf eine auf gewisse Dauer angelegte, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Personengesellschaft umgestellt. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts öffnet sich damit gezielt dem Rechtsverkehr für die Verfolgung erwerbswirtschaftlicher Zwecke, steht aber gleiWälzholz 907
Kap. 8 Rz. 8.6 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
chermaßen zum Zweck der Vermögensverwaltung zur Verfügung. Sie eignet sich ebenso zum Betrieb eines Unternehmens durch Angehörige freier Berufe, Landund Forstwirte sowie Kleingewerbetreibende wie für das Halten und Verwalten zum Beispiel von Immobilien. – Die Gesellschafter haften für die Gesellschaftsverbindlichkeiten in unbeschränkter Höhe mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner. Deswegen übernimmt das MoPeG1 bis auf geringfügige redaktionelle Anpassungen das entsprechende Haftungsregime der offenen Handelsgesellschaft (§§ 721, 721a und 721b BGB n.F.). – Das MoPeG2 hebt die zentrale Bedeutung der Gestaltungsfreiheit an prominenter Stelle hervor (§ 708 BGB n.F.). – Einer GbR können keine eigenen Anteile übertragen werden (§ 711 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.). – Während das geltende Recht noch das Fortbestehen der Gesellschaft an die Personen der Gesellschafter als Vertragspartner bindet, sieht das MoPeG3 im Interesse der Verbandskontinuität vor, dass die in den Personen der Gesellschafter liegenden bisherigen Auflösungsgründe in Ausscheidensgründe umgewandelt werden (§ 723 Abs. 1 und § 729 Abs. 1 BGB n.F.), um eine wirtschaftlich unerwünschte Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern. – Bei der Kündigung aus wichtigem Grund ist in Zukunft zu unterscheiden, ob sich diese auf die Mitgliedschaft (Austrittskündigung, § 725 BGB n.F.) oder auf das Gesellschaftsverhältnis (Auflösungskündigung, § 731 BGB n.F.) bezieht. Was schließlich den Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund anbelangt, betont der Entwurf die Gestaltungsfreiheit bei der Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters. – Die Vertretungsbefugnis wird von der Geschäftsführungsbefugnis entkoppelt. Einem allgemeinen Prinzip des Gesellschaftsrechts folgend, bleibt es bei der geltenden Rechtslage, dass vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag alle Gesellschafter gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung befugt sind (§§ 715 und 720 BGB n.F.). – Es entfällt die in dem geltenden § 708 BGB vorgesehene Haftungsprivilegierung im Innenrechtsverhältnis. – Anstelle einer Gewinn- und Verlustverteilung nach Kopfteilen tritt ein kapitalistischer Verteilungsschlüssel (§ 709 Abs. 3 BGB n.F.), wie er in der Kautelarpraxis bereits regelmäßig vereinbart wird. – In der Funktionsweise lehnt sich das Gesellschaftsregister eng an das Handelsregister an. Aus diesem Grund wird dem Gesellschaftsregister durch eine Verweisung auf § 15 HGB ein spezifischer öffentlicher Glaube beigemessen mit der
1 Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.
908 Wälzholz
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rz. 8.9 Kap. 8
Klarstellung, dass sich die Publizitätswirkung nicht auf die fehlende Kaufmannseigenschaft erstreckt (§ 707a Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.). Die für das Handelsregister geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden. 2. Unternehmenstragende GbR Anders als bei einer Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 1008, 741 BGB weist die GbR 8.7 bisher eine gesamthänderische Bindung auf, die die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens erleichtert1, da ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen kann und auch nicht berechtigt ist, Teilung zu verlangen (§ 719 Abs. 1 BGB). Demgegenüber kann bei der Gemeinschaft nach Bruchteilen gem. § 741 BGB grundsätzlicher jeder Teilhaber über seinen Anteil frei verfügen kann (§ 747 BGB); es findet nur eine gemeinschaftliche Verwaltung. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts verfolgt ferner gem. § 705 BGB einen gemeinsamen Zweck mit der Rechtsfolge der Nichtübertragbarkeit der Gesellschaftsrechte (§ 717 BGB). Auch wenn das römischrechtliche Gesamthandsprinzip mit Wirkung ab 1.1.2024 aufgegeben wird, bleiben die wesentlichen Eigenschaften unverändert bzw. werden verstärkt, indem das Vermögen der GbR nun dieser selbst gehört und ein Gesellschafter nicht über die Vermögensgegenstände der GbR einzeln verfügen kann. Eine Verfügung über GbR-Anteile erfordert weiterhin grds. die Zustimmung aller Mitgesellschafter. 3. Vermögensverwaltung Die unter dem Schlagwort „Familienpool“ vor dem 1.7.1998 gegründeten Familien- 8.8 gesellschaften wiesen regelmäßig die Rechtsform der GbR auf, wie die GbR überhaupt seit jeher für die vermögensrechtlichen Beziehungen, auch unter Ehegatten, eine Tradition aufweist. Selbst im Bereich der geschlossenen Immobilienfonds war die Rechtsform der BGB-Gesellschaft bevorzugt. In den letzten Jahren hat die Beliebtheit der KG deutlich zugenommen, weil diese Rechtsform eine gesetzliche Zweiklassengesellschaft bietet, bei der einzelne Gesellschafter haftungsbeschränkt sind; vor allem für minderjährige Gesellschafter kommt daher eine GbR nicht mehr in Betracht und wird regelmäßig nicht mehr genehmigt. Bei näherer Betrachtung ergibt sich, dass das langfristige Halten eines gemeinschaft- 8.9 lichen Gegenstandes nur in der Rechtsform einer Gesellschaft verwirklicht werden kann, da die Bruchteilsgemeinschaft den geringsten Bestandsschutz für gemeinschaftliches Vermögen aufweist: Ein von einem Miteigentümer bestelltes Grundpfandrecht reicht aus, um die gesamte Bruchteilsgemeinschaft in eine Teilungsversteigerung zu stürzen. –
1 Vgl. Langenfeld, ZEV 1995, 157; Spiegelberger, Harzburger Steuerprotokoll 1996, 131.
Wälzholz 909
Kap. 8 Rz. 8.9 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
Rechtsformvergleich Gesamthand
Bruchteilsgemeinschaft
Zwangsvollstreckungsschutz
(+)
(–)
Verwaltungsregelung
(+)
(–)
Veräußerungsbeschränkung
(+)
(–)
Belastungsbeschränkung
(+)
(–)
Grunderwerbsteuerbefreiung
(+)
(–)
II. Vertragsgestaltung 1. Vertragsänderung
8.10 Bei Personengesellschaften verlangt § 717 BGB für den Abschluss und für Änderungen des Gesellschaftsvertrages die Zustimmung aller Gesellschafter, so dass nach der gesetzlichen Regelung z.B. die Eltern der Zustimmung der bereits in die Gesellschaft aufgenommenen Kinder bedürfen, wenn weitere Kinder aufgenommen werden sollen. Es empfiehlt sich daher, Änderungen des Gesellschaftsvertrages durch Mehrheitsbeschlüsse vorzusehen, wobei die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Wirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen nach dem sog. Bestimmtheitsgrundsatz vom BGH1 aufgegeben wurden.2 Entscheidend ist nunmehr die inhaltliche Beschlusskontrolle auf zweiter Stufe. 2. Vertretungsregelung
8.11 Die vom BGH nunmehr anerkannte Rechtsfähigkeit der GbR, die der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1.1.2024 gesetzlich normiert, führt zur Vertretungsmacht der Gesellschafter mit organschaftlichem Charakter3. Die Geschäftsführungsbefugnis ist bisher der Maßstab für die Vertretungsmacht4. Ab 1.1.2024 wird dies in § 720 BGB geregelt. Dann ist die Geschäftsführungsbefugnis unabhängig von der Vertretungsbefugnis. Nach § 720 Abs. 3 BGB n.F. gilt: Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt insbesondere für die Be1 So noch BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = NJW 2007, 1685 = DStR 2007, 494 = DNotZ 2007, 629; anders nunmehr BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = MDR 2015, 42 = NJW 2015, 859 = DStR 2014, 2403 = DNotZ 2015, 65; v. 13.10.2020 – II ZR 359/18, NZG 2020, 1384; s. hierzu Schäfer, NZG 2014, 1401. 2 Siehe auch Wicke, MittBayNot 2017, 125; Borries, NZG 2021, 194; Altmeppen, NJW 2015, 2065. 3 Vgl. BGH v. 9.11.2001 – LwZR 4/01, MDR 2002, 269 = NJW 2002, 1194 = DNotZ 2002, 533. 4 Vgl. Münchener Kommentar/Schäfer8, § 714 BGB Rz. 24.
910 Wälzholz
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rz. 8.14 Kap. 8
schränkung, dass sich die Vertretung nur auf bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften erstreckt oder dass sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll. Es kann mit erheblichen Gefahren verbunden sein, einzelnen Gesellschaftern Einzel- 8.12 vertretungsbefugnis einzuräumen, da jeder Gesellschafter unbeschränkt gesamtschuldnerisch persönlich haftet und diese Haftung nicht durch eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden kann1. Ulmer2 empfiehlt, dem durch Flucht in die Rechtsform der KG Rechnung zu tragen. Im Übrigen ist die Erteilung von Einzelvertretungsbefugnis trotz der Gefahren absolut üblich, da jede andere Form der Vertretung sehr schwerfällig ist. 3. Vollmachtserteilung Sofern ein Gesellschafter z.B. als Verwalter eines Miethauses zur Geschäftsführung 8.13 berufen wird, ergibt sich das Erfordernis des Nachweises der Vertretungsberechtigung im täglichen Geschäftsverkehr. Um nicht jeweils den Gesellschaftsvertrag vorweisen zu müssen, wird in der Praxis dem vertretungsberechtigten Gesellschafter eine rechtsgeschäftliche (nicht organschaftliche!) Vollmacht erteilt. Die Spezialvollmacht darf nicht einer allgemeinen Ermächtigung gleichkommen3. Im Grundbuchverkehr werden entsprechende Vollmachten teilweise nicht anerkannt. Nach einer älteren Entscheidung des BGH soll eine GbR gar keine Vollmacht erteilen können.4 Das dürfte jedoch inzwischen überholt sein. Der Gesellschaftsvertrag soll in jedem Fall keinen hinreichenden Nachweis einer fortbestehenden Vertretungsmacht ermöglichen.5 Ab dem 1.1.2024 stellen sich diese Fragen nicht mehr, weil die GbR dann rechtsfähig ist, Vollmacht erteilen kann und die Vertretungsbefugnisse sich im Übrigen aus dem Gesellschaftsregister ergeben. 4. Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung Literatur: Wälzholz, Die haftungsbeschränkte private Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Phönix aus der Asche?, MittBayNot 2003, 35.
Die verbleibende Möglichkeit der Haftungsbeschränkung – insbesondere bei klei- 8.14 nen vermögensverwaltenden Gesellschaften – besteht darin, dass die Gesellschafter gesellschaftsvertraglich die gemeinsame Geschäftsführung und Vertretung vereinbaren, um das Auftreten einzelner Gesellschafter für die Gesellschaft zu verhindern 1 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, MDR 2000, 94 = NJW 1999, 3483 = ZMR 2000, 14 = DNotZ 2000, 135. 2 Ulmer, ZIP 2001, 590. 3 Vgl. Grüneberg/Sprau81, § 714 BGB Rz. 2; weiter wohl BGH v. 29.9.2011 – V ZB 1/11, DB 2011, 2842 = DNotZ 2012, 223. 4 BGH v. 20.1.2011 – V ZB 266/10, DNotZ 2011, 361 = MittBayNot 2011, 494. 5 OLG München v. 20.7.2011 – 34 Wx 131/10, DStR 2011, 1965 = NZG 2011, 1144 = NotBZ 2011, 378; KG v. 12.9.2017 – 1 W 326-327/17, MDR 2017, 1434 = DB 2017, 2668 = MittBayNot 2019, 48.
Wälzholz 911
Kap. 8 Rz. 8.14 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
(Verhinderung einer Anscheinsvollmacht!). Danach kann die GbR und jeder Gesellschafter nur durch die allseitige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft verpflichtet werden.
8.15 Im Übrigen werden weitergehende Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung nicht mehr anerkannt werden. Ab dem Inkrafttreten des MoPeG ist dies gesetzlich geregelt. Unberührt bleiben sollen hingegen rechtsgeschäftlich vereinbarte Haftungsbeschränkungen für Bauherrengemeinschaften und Immobilienfonds.1 Sofern eine Haftungsbeschränkung den Gesellschaftern wichtig ist, sollte auf die KG oder GmbH & Co. KG ausgewichen werden.
8.16 Einstweilen frei. III. Haftung
8.17 Durch die BGH-Entscheidung2, wonach Immobilienfonds und Bauherrengemeinschaften in der Rechtsform einer GbR nicht der verschärften Haftungsrechtsprechung unterliegen, sondern sich auf eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen können, die dem Vertragspartner erkennbar war, werden diese Gesellschaften privilegiert. Im Rahmen des MoPeG wird diese nicht gerechtfertigte Sonderrechtsprechung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aufrecht erhalten.3 8.18 Einstweilen frei. IV. Minderjährige Gesellschafter Literatur: Bock, Schenkung von Kommanditanteilen an minderjährige Kinder, DNotZ 2020, 643; Brambring, Die gerichtliche Genehmigung von Geschäften nach §§ 1821, 1822 BGB nach dem FamFG, NotBZ 2009, 394; Eble, Familien- und betreuungsgerichtliche Genehmigungen im Gesellschaftsrecht, RNotZ 2021, 117; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17; Ivo, Der minderjährige Gesellschafter, ZNotP 2007, 210; Kölmel, Der Minderjährige in der notariellen Praxis, RNotZ 2010, 1; Kölmel, Der unentgeltliche Erwerb von Grundstücksrechten durch Minderjährige, RNotZ 2011, 332; Krüger, Grundstücksschenkungen an Minderjährige, ZNotP 2006, 202; Lohse/Triebel, Vermögensverwaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit minderjährigen Gesellschaftern und gerichtliche Genehmigungspraxis, ZEV 2000, 337; van de Loo/Strnad, Familiengerichtliche Genehmigung bei Übertragung von Kommandit-beteiligungen an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft auf Minderjährige, ZEV 2018, 617; Lüdecke, Vermögensverwaltung unter Beteiligung Minderjähriger, NJOZ 2018, 681; Maier-Reimer/Marx, Die Vertretung Minderjähriger beim Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen, NJW 2005, 3025; Menzel, Die Kommanditanteilsübertragung an Minderjährige, MittBayNot 2019, 222; Rust, Die Beteiligung Minderjähriger im Gesellschaftsrecht, DStR 2005, 1942 (Teil 1) und 1992 (Teil 2); Thonemann, Ergänzungspflegschaft 1 Dazu Begr. RegE MoPeG, 190; Fleischer, DStR 2021, 430 (437). 2 BGH v. 21.1.2002 – II ZR 2/00, BGHZ 150, 1 = MDR 2002, 766 = NJW 2002, 1642 = DStR 2002, 816 = ZfIR 2002, 723 = DNotZ 2002, 805. 3 Dazu Begr. RegE MoPeG, 190; Fleischer, DStR 2021, 430 (437).
912 Wälzholz
B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rz. 8.19 Kap. 8
und familien-/vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bei vorweggenommener Erbfolge, ErbStB 2007, 390 und 2008, 29; Wälzholz, Die Beteiligung Minderjähriger im Gesellschaftsrecht, INF 2007, 231; Werner, Folgen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts für die Beteiligung von Minderjährigen an Familienunternehmen, ZEV 2021, 618.
1. Gesetzliche Vertretungsregelung Beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages mit ihren minderjährigen Kindern sind 8.19 die Eltern gem. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen. Für jeden Minderjährigen ist regelmäßig ein eigener Ergänzungspfleger zu bestellen, da auch dieser den Beschränkungen des § 181 BGB unterliegt1. Nur dann, wenn der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB ist, sind die Eltern vertretungsberechtigt, ohne dass es eines Ergänzungspflegers bedarf 2. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Möglichkeit der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit teilweise bejaht3 und teilweise verneint4. Ist auch nur ein Elternteil an der Vertretung des Kindes gehindert, so sind beide Eltern gesperrt. Besser als die Gründung einer Personengesellschaft unter Beteiligung Minderjähriger soll die Anteilsabtretung eines voll eingezahlten Gesellschaftsanteils ohne persönliche Haftung sein, da dies dann lediglich rechtlich vorteilhaft sein könne.5 Mit Wirkung zum 1.1.2023 tritt die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft.6 Das Gesetz wurde am 4.5.2021 vom Bundestag verabschiedet und ist am 12.5.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden.7 § 1629 Abs. 2 BGB verweist dann ohne sachliche Änderung auf § 1824 BGB n.F., der insoweit auch wiederum in Abs. 2 § 181 BGB für anwendbar erklärt. Insoweit treten also materiellrechtlich keine Neuerungen ein.
1 Vgl. Münchener Kommentar/Schneider8, § 1909 BGB Rz. 44 – selbst differenzierend. 2 Vgl. Grüneberg/Götz81, § 1795 BGB Rz. 13. 3 Sehr großzügig OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17, MittBayNot 2019, 132 m. Anm. Egger. 4 OLG Oldenburg v. 17.7.2019 – 12 W 53/19, MDR 2019, 1387 = NJW-RR 2019, 1127 = GmbHR 2019, 1119 = DNotZ 2020, 691 = ZEV 2019, 726 m. Anm. van de Loo/Strnad; OLG Frankfurt v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, NJW-RR 2008, 1568 = GmbHR 2008, 1262 = DNotZ 2009, 142 = ZEV 2008, 607: Gesellschaftsanteil sei stets Bündel von Rechten und Pflichten. 5 OLG Köln v. 26.3.2018 – I-4 Wx 2/18, ZEV 2018, 667; OLG München v. 4.1.2018 – 2 WF 1509/17, MittBayNot 2019, 132; OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, ZEV 2008, 608; Wachter, GmbHR 2019, 1122 (1123). 6 Siehe RegE eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 25.9.2020, BR-Drucks. 546/20. Siehe zu der Reform Werner, Folgen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts für die Beteiligung von Minderjährigen an Familienunternehmen, ZEV 2021, 618 ff. 7 Ges. zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021, BGBl. 2021 I, 882.
Wälzholz 913
Kap. 8 Rz. 8.20 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
2. Familiengerichtliche Genehmigung
8.20 Die Entscheidung über die familiengerichtliche Genehmigung setzt eine Gesamtschau der Vor- und Nachteile für die Minderjährigen voraus1. Folgende vertragliche Regelungen wurden von der Rechtsprechung bisher als nachteilig angesehen: – Gesellschaftsvertrag für lange Dauer mit unkündbarer Bindung wegen Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Minderjährigen2, – Haftungsrisiken bei Beteiligung an einer OHG oder GbR, wobei nach Klüsener3 aus diesem Grund eine Genehmigung des Familiengerichts von vornherein ausgeschlossen sein soll; insoweit ist bei Beteiligung Minderjähriger stets auf die KG auszuweichen; – Belastung des Minderjährigen mit Verpflichtungen, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet4, so dass der Erwerb eines schuldenfrei und vollständig vermieteten Wohnblocks wegen der persönlichen Haftung für die Mietverträge rechtlich nicht vorteilhaft sein soll, während dies nicht für unvermietete Objekte gilt. Beispiel: Die Großmutter und Mutter der Betroffenen brachten in eine Grundstücks-GbR mit den minderjährigen Kindern und Enkelkindern Grundstücke im Wert von ca. 9,5 Mio. DM ein. Der Grundbesitz war mit ca. 2,3 Mio. DM belastet. Die vormundschaftsgerichtliche (nunmehr familiengerichtliche) Genehmigung wurde vom LG München I v. 25.7.1994 (Az. 75 VIII 54 95/93) mit folgender Begründung versagt: „Die beiden Geschäftsführerinnen sind Hausfrauen, wobei eine bereits 65 Jahre alt sei. Die Eignung der beiden Mitgesellschafterinnen zur Führung der BGB-Gesellschaft wecke Bedenken. Denn zur Führung einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft seien nach Auffassung der Kammer umfassende Kenntnisse im Immobilienrecht und Mietrecht erforderlich. Beide Gesellschafterinnen seien – abgesehen von dem eingebrachten Grundbesitz – ohne nennenswertes Vermögen. Das Risiko einer persönlichen Haftungsinanspruchnahme der Betroffenen erscheine daher nicht eingrenzbar.“
– Die Entscheidung des LG München I wurde vom OLG München mit Beschluss vom 6.7.1995 (Az. 1 Z BR157/94) (nicht veröffentlicht) aufgehoben und zur weiteren Entscheidung zurückgewiesen. Der geschilderte Instanzenweg zeigt, dass die Familiengerichte die der vorweggenommenen Erbfolge zugrunde liegende Begünstigung der jüngeren Generation oft nicht würdigen, so dass die Vertragspraxis genehmigungsfreie Gestaltungen, insbesondere die Errichtung einer vermögensverwaltenden Familien-KG ausschließlich durch die Eltern und nach Eintragung im Handelsregister die genehmigungsfreie Abtretung von Kommanditanteilen an die minderjährigen Kinder bevorzugt5. Teilweise wird die Anteilsab-
1 Vgl. LG München v. 27.4.2000 – 13 T 16886/99, ZEV 2000, 370. 2 BayObLG v. 6.2.1986 – BReg 2 Z 12/85, MDR 1986, 590 = DNotZ 1998, 494 m. Anm. Spiegelberger. 3 Klüsener, Rpfleger 1990, 330. 4 BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, MDR 2011, 25 = DNotZ 2011, 346. 5 Christl in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 12 Rz. 84 ff.
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B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Rz. 8.20 Kap. 8
tretung an einen Minderjährigen jedoch mit dem Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gleichgestellt1, so dass auch in einem solchen Fall eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist, sofern es sich bei der Gesellschaft um ein Erwerbsgeschäft2 handelt. Die Abgrenzung zwischen rein privater Vermögensverwaltung und Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erfolgt insbesondere danach, ob ein Geschäftsbetrieb erforderlich ist und die Gesellschaft unternehmerisches Risiko übernimmt.3 Die Rechtsprechung der OLG ist sehr unterschiedlich und die Rechtsunsicherheit groß. Regelmäßig werden die Genehmigungen jedoch problemlos erteilt, weil die Eltern, Ergänzungspfleger und alle beteiligten Rechtsberater ja nur ein Ziel verfolgen: den Minderjährigen zu bereichern und jegliche Schäden von dem Minderjährigen fernzuhalten. – Ab dem Inkrafttreten der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 lautet die maßgebliche und auch für Eltern und Ergänzungspfleger anwendbare Norm: § 1852 Genehmigung für handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte Der Betreuer bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts 1. zu einer Verfügung und zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung, durch die der Betreute a) ein Erwerbsgeschäft oder b) einen Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, erwirbt oder veräußert, 2. zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, und 3. zur Erteilung einer Prokura. – Auch unentgeltliche Erwerbsverträge werden damit ab dem 1.1.2023 in die Genehmigungspflicht einbezogen. Weiterhin kommt es auf das Vorliegen eines Erwerbsgeschäfts an, was auch Fälle der reinen Vermögensverwaltung erfasst.
1 Siehe OLG Schleswig v. 27.1.2020 – 15 WF 70/19, NZG 2020, 593; OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17, MittBayNot 2019, 132 m. Anm. Egger; OLG Oldenburg v. 17.7.2019 – 12 W 53/19, NZG 2019, 1059. 2 Siehe zu diesem Begriff Schleswig-Host. OLG v. 27.1.2020 – 15 WF 70/19, NJW-RR 2020, 805 = GmbHR 2021, 144 = NZG 2020, 593 = DNotZ 2020, 696; OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17, MittBayNot 2019, 132 m. Anm. Egger; OLG Oldenburg v. 17.7.2019 – 12 W 53/19, MDR 2019, 1387 = NJW-RR 2019, 1127 = GmbHR 2019, 1119 = NZG 2019, 1059 = DNotZ 2020, 691. 3 So OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17, MittBayNot 2019, 132 m. Anm. Egger.
Wälzholz 915
Kap. 8 Rz. 8.21 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
3. Das Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz
8.21 Durch das nach langen Beratungen am 1.1.1999 in Kraft getretene Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.19981 wurde u.a. § 723 Abs. 1 BGB um einen Satz 3 Nr. 2 ergänzt, wonach ein Gesellschafter, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Gesellschaft fristlos kündigen kann. 8.22 Die Bestimmung des § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB gilt nicht nur für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern auch für die Beteiligung an einer OHG, während die Bestimmung keine Anwendung auf Kommanditisten findet, deren Haftsumme am Tage der Vollendung des 18. Lebensjahres voll eingezahlt ist2. 8.23 Das Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz bedeutet praktisch das Ende der GbR mit Minderjährigen. Vorsichtige Eltern werden das Risiko der Kündigung der GbR bei Eintritt der Volljährigkeit der minderjährigen Kinder nicht auf sich nehmen. Die gesamte kautelarjuristische Praxis beruht auf der Erfahrung, dass 18-Jährige in der Vermögensverwaltung noch keine ausreichende Erfahrung besitzen, um ihnen größere Vermögenswerte ohne weitere Kautelen an die Hand zu geben. Die Befürchtung, dass ein soeben volljährig gewordener Gesellschafter die generationsübergreifende Vermögensvorsorge der Eltern nicht akzeptiert, sondern die Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft sofort in Geld umsetzt, um jugendliche Freizeitträume zu finanzieren, ist nach der Lebenserfahrung begründet. 8.24 Auch eine Widerrufs- oder Rücktrittsklausel, wonach die Einräumung eines Gesellschaftsanteils widerrufen und die unentgeltliche Rückübertragung von den Eltern verlangt werden kann, wenn ein volljährig Gewordener von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, ist bedenklich, da eine derartige mittelbare Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten gegen § 723 Abs. 3 BGB – mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit dieser Regelung – verstoßen könnte3.
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft Literatur: Beckervordersandvort, Nachfolgegestaltung unter Einsatz von Vermögensverwaltungsgesellschaften, IWW 2014, 207; Beckervordersandvort/Münster, Nachfolgegestaltung mit Familienpool, ZErb 2016, 189; Böttcher, Das Grundbuchverfahren nach dem FamFG, Rpfleger 2011, 53; Dorn, Möglichkeiten und Probleme der sinngemäßen Anwendung des § 15a EStG auf vermögensverwaltende Personengesellschaften, DStR 2015, 1598; Fleischer, Änderungen des KG-Rechts im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur -Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, DStR 2021, 483; Fuhrmann/Demuth, Vermögensverwaltende Personengesellschaft als Mittel der Nachfolgeplanung ErbStB 2006, 127; Götz, Vorweggenommene Erbfolgeregelungen bei Personengesellschaften: Berücksichtigung von Beratungs-/Notarkos-
1 Ges. zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger (Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz – MHbeG –) v. 25.8.1998, BGBl. I 1998, 2487 (). 2 Vgl. Reimann, DNotZ 1999, 179; Klöckner, ZEV 2001, 48; Habersack, FamRZ 1999, 2; Grunewald, ZIP 1999, 597; Lohse/Triebel, ZEV 2000, 342. 3 Schmitz in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 11 Rz. 96 ff., 99.
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.25 Kap. 8
ten, FR 2015, 1123; Heckschen/Weitbrecht, Die Kontrolle des Gesellschafterkreises, NZG 2021, 709; Hübner, Nachfolge, Familienpool, in: Gosch/Schwedhelm/Spiegelberger, GmbH-Beratung, N 29; Ivens, Überlegungen zur Rechtsformwahl bei Gründung eines Familienpools, ZErb 2012, 65 und 93; Köhler, Die Kommanditistenhaftung in der zweigliedrigen Kommanditgesellschaft nach Ausscheiden des Komplementärs, FS für Spiegelberger (2009), 791; Lange, Pflichtteil als Gestaltungsgrenze bei der Nachfolge in Personengesellschaften, ZErb 2014, 121; Langenfeld, Die grundstücksverwaltende Personengesellschaft als Instrument der Vermögensnachfolge, FS 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V. (2003), 395; Leo/John, Endlich Klarheit für die Praxis – § 176 II HGB in der Fassung des MoPeG, NZG 2021, 1195; Leo/ John, Sonderrechtsnachfolge in Kommanditanteile, NZG 2021, 1628; Mehringer/von Thunen, Flexible Beiratsgestaltungen in Familienunternehmen, DStR 2021, 116; Michael, Immobilienzuwendungen, notar 2014, 332; von Söffing/Thoma, Der Familienpool in der Nachfolgeplanung, ErbStB 2003, 399; Späth-Weinreich, Update: Das MoPeG wurde verabschiedet – Im Blickpunkt: Die beschlossenen Änderungen im materiellen Personengesellschaftsrecht, BWNotZ 2022, 2; Spiegelberger, Die Familienverfassung: Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, FS für Rödl (2008), 89; Spiegelberger, Vermögensverwaltende Gesellschaften, LSWB 2001, 200; Steiner, Familiengesellschaften mit Immobiliarvermögen, ErbStB 2006, 31; Stiegler, Hereinformwechsel in eine Kommanditgesellschaft, NZG 2020, 979; Tiedtke, Kostenrechtliche Behandlung von vermögensverwaltenden Gesellschaften (GbR und KG), FS für Spiegelberger (2009), 1517; Wichmann/Dißars, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft als Instrument der Nachfolge, ZEV 2018, 441; Wicke, Mehrheitsklauseln und unentziehbare Rechte nach Rechtsprechung und MoPeG, MittBayNot 2021, 103.
8.25
Beispiel: Die Ehegatten E wollen ihre Immobilien als Familienvermögen generationsübergreifend erhalten.
DoppelNießbrauch
Eltern
Immo KG
K1
K2
K3
Geschäftsführung Hinweis: Minderjährige Kinder (s. unten Rz. 8.60) können durch Abtretung von KG-Anteilen in die Gesellschaft aufgenommen werden, da dadurch unter Umständen die Einschaltung von Ergänzungspflegern und die Einholung einer familiengerichtlichen Genehmigung vermieden
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Kap. 8 Rz. 8.25 Vermögensverwaltende Personengesellschaften werden kann (strittig; siehe dazu oben). Entscheidend wird es insoweit immer darauf ankommen, was für Gegenleistungen vereinbart werden und ob die Gesellschaft ein Erwerbsgeschäft betreibt, was gänzlich anderen Kriterien unterliegt als die steuerliche Abgrenzung von Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb. Sicherheitshalber sollten m.E. stets alle Formalia eingehalten werden, um sicher eine wirksame Gestaltung zu erreichen.
I. Anwendungsbereich
8.26 Durch die am 1.7.1998 in Kraft getretene Handelsrechtsreform, wonach gem. § 105 Abs. 2 HGB auch vermögensverwaltende Gesellschaften als Kommanditgesellschaften im Handelsregister eingetragen werden können, hat sich der Anwendungsbereich der KG erheblich erweitert. Für Familienpoolgesellschaften ist die KG meist die vorzugswürdige Rechtsform, weil sie eine Zwei-Klassengesellschaft darstellt, was meist der Interessenlage bei Familienpoolgesellschaften entspricht. 8.27 Gegenüber einer unternehmenstragenden Handelsgesellschaft bestehen große Unterschiede. Es darf nicht übersehen werden, dass die im Handelsregister eingetragene vermögensverwaltende KG keinen Gewerbebetrieb führt, sondern lediglich Vermögensverwaltung betreibt. Die eingebrachten Immobilien bleiben steuerliches Privatvermögen, sofern die KG keine gewerblichen Tätigkeiten entfaltet; anderenfalls droht eine gewerbliche Infektion des gesamten Vermögens der KG nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Insbesondere bestehen gegenüber einer gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft folgende Unterschiede: 1. Keine IHK-Mitgliedschaft
8.28 Bei einer vermögensverwaltenden KG besteht keine Zwangsmitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern, so dass die Gesellschaft von der Beitragspflicht freigestellt ist. Die Gewerbesteuerpflicht ist die entscheidende gesetzliche Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer, so dass nicht gewerbesteuerpflichtige Personenhandelsgesellschaften auch nicht kammerzugehörig sind. 2. Buchführungs- und Bilanzierungspflicht?
8.29 Ob eine handelsrechtliche Buchführungs- und Bilanzierungspflicht bei nur vermögensverwaltenden Personengesellschaften besteht, ist strittig. Sinn einer Bilanzierung ist die Ermittlung des Vermögens am Anfang und am Ende eines Wirtschaftsjahres, um aus Differenzen den Gewinn oder den Verlust der Gesellschaft zu ermitteln. Schön1 sieht das entscheidende Merkmal darin, dass die unter § 1 Abs. 2 HGB fallenden Gesellschaften „nur eigenes Vermögen“ verwalten, also einen weitgehend konstanten Vermögensstamm haben.
1 Schön, DB 1998, 1169.
918 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.32 Kap. 8
Da steuerrechtlich nur eine Überschussrechnung verlangt wird1, können aus § 140 AO keine steuerlichen Bilanzierungspflichten abgeleitet werden. von Oertzen/Hermann2 weisen zu Recht darauf hin, dass bei Nichtbeachtung einer etwaigen Bilanzierungspflicht keine Sanktionen bestehen, da § 335b HGB nur für Kommanditgesellschaften gilt, die keine natürliche Person als Komplementär haben. Die im Regierungsentwurf des BilMoG vorgesehene Befreiung hat die Wirtschaftsprüferlobby verhindert, so dass expressis verbis in § 241a HGB nur Einzelkaufleute mit Umsatzerlösen bis 500.000 t befreit sind. Da der Gesetzgeber sich im Rahmen des BilMoG jedoch gegen eine klarstellende Regelung entschieden hat, nach der vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaften von der Bilanzierungspflicht entbunden sind, ist aufgrund dieser klaren gesetzgeberischen Wertung nunmehr von einer handelsrechtlichen Bilanzierungspflicht auszugehen. In der Praxis wird diese aber regelmäßig nicht praktiziert. Für die ordnungsgemäße Anwendung der §§ 171, 172 HGB und die dadurch eintretende Haftungsbeschränkung wird es allerdings einer ordnungsgemäßen Bilanzierung nach HGB bedürfen, da anderenfalls die Aufbringung und Erhaltung der Einlage nicht ordnungsgemäß nachweisbar sein dürfte. Demuth/Klingbeil3 haben hingegen dargelegt, dass es sich bei der vermögensverwal- 8.30 tenden Kommanditgesellschaft um einen fiktiven Gewerbebetrieb handelt, auf den § 238 HGB nicht zwingend Anwendung findet; gegen eine Bilanzierungspflicht argumentiert auch Langenfeld4. Nach etwaigen Verlustjahren (die wiederum handelsbilanziell zu ermitteln sind und 8.31 nicht nach Maßstäben der Einnahmen-Überschuss-Rechnung) ist den Beteiligten in jedem Fall sicherheitshalber anzuraten, Aufzeichnungen darüber zu führen, dass Entnahmen erst nach Wiederauffüllung der Kommanditeinlage vorgenommen werden, um der Haftungsgefahr des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB zu entgehen. Bei minderjährigen Gesellschaftern ist dies besonders wichtig, um das Sonderkündigungsrecht bei Vollendung des 18. Lebensjahres sicher auszuschließen. 3. Keine Anwendung der Gewerbeordnung Da die vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft nicht gewerblich tätig wird, 8.32 findet die GewO keine Anwendung. Somit ist auch eine Anmeldung beim Gewerbeamt der Sitzgemeinde nicht veranlasst. Bei der routinemäßigen Versendung der Anmeldebögen ist die Sitzgemeinde entsprechend zu unterrichten.
1 Siehe etwa BFH v. 2.9.2014 – IX R 52/13, BStBl. II 2015, 263 = DStR 2015, 160 = GmbHR 2015, 213; BMF v. 15.9.2020 – IV C 1 - S 2253/08/10006:033, BStBl. I 2020, 919 = FR 2020, 964 = DStR 2020, 2127 zu § 15a EStG bei privaten Einkünften einer KG, wo von einem fiktiven Kapitalkonto ausgegangen wird. 2 Von Oertzen/Hermann, ZEV 2003, 401. 3 Demuth/Klingbeil, DStR 2009, 2537 (2539). 4 Langenfeld in FS 50 Jahre Deutsches Anwaltsinstitut e.V. (2003), 395 (410); von Oertzen/ Hermann, ZEV 2003, 401.
Wälzholz 919
Kap. 8 Rz. 8.33 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
II. Versorgung der Übergeber 1. Rentenzahlung
8.33 Der Sonderausgabenabzug gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG für Versorgungsleistungen gilt inzwischen nicht mehr für allgemeines Privatvermögen, sondern nur noch für bestimmte Betriebsvermögen und GmbH-Anteilsübertragungen von mindestens 50 %. Im IV. Rentenerlass1 beurteilt die Finanzverwaltung jede Form der Rentenzahlung als Veräußerungsrente, so dass regelmäßig wegen der hohen Liquiditätsbelastung im Allgemeinen von dieser Regelung abzuraten ist. Der BFH hat diese Ansicht inzwischen bestätigt2 (s. Rz 1.1016). 8.34 Fleischer3 betrachtet unter Bezugnahme auf die jahrzehntelange BFH-Rechtsprechung zu Versorgungsleistungen derartige Renten weiterhin als unentgeltlich, soweit die Rente aus dem Ertrag des überlassenen Anteils finanziert werden kann, so dass im Endergebnis steuerlich irrelevante Unterhaltszahlungen gem. § 12 Nr. 2 EStG vorliegen (s. Rz. 1.1016)4. Der BFH ist dieser Ansicht jedoch nicht gefolgt5. Die Vereinbarung von lebenslangen wiederkehrenden Zahlungen stellt in Höhe des Barwertes der Zahlungen ein potentiell steuerpflichtiges Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft dar, das zu einer neuen AfA-Reihe führen kann und hinsichtlich des Zinsanteils beim Erwerber zu Werbungskosten und beim Veräußerer zu Zinseinkünften. Bei Leibrenten ist der Ertragsanteil bei Veräußerer und Erwerber nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu ermitteln. Dies ist nach Auffassung des BFH verfassungskonform (zur Kritik s. Rz. 1.1016). 2. Nießbrauch am KG-Anteil
8.35 Nach h.M. kann ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft auch nach sachenrechtlichen Grundsätzen mit einem Nießbrauch belastet werden6. Entscheidend ist, dass sämtliche Mitgesellschafter ihre Zustimmung zur Nießbrauchsbestellung erklären oder dass diese im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist.
1 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 57. 2 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166. 3 Fleischer, ZEV 2007, 475. 4 Spiegelberger, DB 2008, 1063 (1068) sowie DStR 2010, 1822 und 1880. 5 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166. 6 Vgl. Frank, Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen, MittBayNot 2010, 96; Kepper, Übertragung von Einzelunternehmen und Anteilen an Personengesellschaften unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neueren BFH-Rechtsprechung, NZG 2019, 211; Wälzholz, Aktuelle Gestaltungsprobleme des Nießbrauchs am Anteil an einer Personengesellschaft, DStR 2010, 1786; Petzoldt, DStR 1992, 1171; BFH v. 6.11.2019 – II R 34/16, BStBl. II 2020, 465 = DStR 2020, 382 = ZEV 2020, 180 = GmbHR 2020, 446; v. 6.5.2015 – II R 34/13, BStBl. II 2015, 821 = DStR 2015, 1799 = ZEV 2015, 543 = GmbHR 2015, 1001 = MittBayNot 2016, 188; v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = NJW 1995, 1918 = ZEV 1995, 37.
920 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.39 Kap. 8
Teilweise wurde bisher empfohlen, den Nießbrauch zur Eintragung in das Handels- 8.36 register anzumelden, um den Nießbraucher für den Fall einer Außenhaftung das Haftungsprivileg der §§ 171, 172 HGB zu verschaffen. Wenn der Nießbrauch lediglich ein Gewinnteilhaberecht ohne Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung (reiner Ertragsnießbrauch) vermittelt, sei eine Eintragung im Handelsregister ausgeschlossen. Das OLG München hat die Eintragung eines Nießbrauchs an einem KG-Anteil jedoch generell abgelehnt.1 Diese Ansicht ist zutreffend. Eine Außenhaftung trifft den Nießbraucher m.E. nicht, da er kein Kommanditist ist. Die Stimmrechte aus dem Gesellschaftsanteil stehen nach h.M. dem Gesellschafter zu, nicht dem Nießbraucher. Der Nießbraucher kann aber zur Stimmrechtsausübung bevollmächtigt werden. 3. Grundstücksnießbrauch Die einfachste Regelung zur Versorgung der Übergeber besteht darin, dass sich die- 8.37 se den Nießbrauch an dem eingebrachten Grundbesitz auf Lebensdauer vorbehalten. Aus einkommensteuerlichen Gründen sollten dabei bei vermieteten Immobilien 8.38 auch die außerordentlichen öffentlichen Lasten und die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen dem Nießbraucher auferlegt werden, da nur dieser zum Werbungskostenabzug zugelassen wird und damit kein Werbungskostenleerlauf entsteht. Es handelt sich insoweit um einen Vorbehaltsnießbrauch, sofern der Einbringende sich den Nießbrauch selbst vorbehält. Sofern zugleich der Nießbrauch an den überlassenen Gesellschaftsanteilen vereinbart wird, entsteht ein Doppelnießbrauch, der je nach Ausgestaltung der Regelungen zum Nießbrauch dem Übergeber per Vollmacht und Stimmbindungsabrede auch Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung gewährt. Im Übrigen kann der Einbringende sich auch im Gesellschaftsvertrag Vetorechte und Mehrstimmrechte vorbehalten, um seinen Einfluss in der Gesellschaft abzusichern, selbst wenn er nur noch einen Zwerganteil an der KG hält. Nach der Rechtsprechung des BGH2 ist bei der Vermögensübertragung unter Vor- 8.39 behalt des Nießbrauches oder schuldrechtlicher Nutzungsrechte keine Schenkung i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB zu sehen, so dass die dort vorgesehene Zehn-Jahres-Frist für den Ausschluss von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nicht zu laufen beginnt3.
1 OLG München v. 8.8.2016 – 31 Wx 204/16, RNotZ 2016, 608; s. auch Wertenbruch, Handelsregistereintragung des Nießbrauchs am Kommanditanteil?, NZG 2020, 641. 2 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 = MDR 1994, 1015 = NJW 1994, 1791 = DNotZ 1994, 784. 3 „Die Genuss“-Rechtsprechung des BGH wird in der Rechtslehre auch kritisiert (Reiff, NJW 1995, 1136; Reiff, ZEV 1998, 241 [246]), eine Änderung der langjährigen Rechtsprechung ist jedoch nicht in Sicht, vgl. zu dem Thema Schur/Schur, ZEV 2020, 317; Link, ZEV 2005, 283; Grziwotz, MittBayNot 2019, 96; Jaspert, ZEV 2020, 69 jeweils mit zahlreichen weiteren Hinweisen.
Wälzholz 921
Kap. 8 Rz. 8.39 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
Die Vereinbarung von einem niedrigen Quotennießbrauch (kleiner als 50 %), wiederkehrenden Zahlungen oder gesellschaftsrechtliche Absicherungen können unter diesem Gesichtspunkt der Pflichtteilsreduzierung vorzugswürdig sein. III. Gesellschaftsvertrag 1. Geschäftsführung und Vertretung
8.40 Durch den beglaubigten Handelsregisterauszug kann überall die Vertretungsberechtigung nachgewiesen werden. 8.41 In dem Gesellschaftsvertrag kann auch geregelt werden, dass die Komplementäre zur Veräußerung von Grundbesitz, zur Realteilung oder Abfindung einzelner Gesellschafter mit Grundbesitz berechtigt sind. Hinauskündigungsklauseln1 sind hingegen regelmäßig sittenwidrig, wenn sie den Hauptgesellschaftern ermöglichen, einen Mitgesellschafter aus der Gesellschaft zu entfernen, selbst wenn dieser eine vollwertige Abfindung erhält. Selbst die Belastung von Grundbesitz der KG mit Grundpfandrechten für die Versorgung der Eltern kann gesellschaftsvertraglich in gewissen Grenzen geregelt werden. 2. Abfindungsbeschränkung Literatur: Bühler, Abfindungsbeschränkende Klauseln im Gesellschaftsrecht – Ein Plädoyer für die Achtung der Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit, DNotZ 2021, 725; Groß, Abfindungsregelungen im Rahmen der Gesellschafternachfolge, ErbStB 2004, 134; Hölscher, Pflichtteilsminimierung durch Gesellschaftsrecht?, ErbR 2016, 421; Mohr, Abfindung an ausscheidende Gesellschafter – Die Abfindungsklausel auf dem erbschaft- und schenkungsteuerlichen Prüfstand, GmbH-StB 2010, 73; Iversen, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln und pflichtteilsrechtliche Nachlassbewertung – Vorschläge für die Praxis, NJW 2010, 183; Jorde/ Stroot, Abfindungsregeln in Gesellschaftsstatuten von Familienunternehmen – zivil- und steuerrechtliche Aspekte, Ubg 2010, 45; Ulmer, Die vertragliche Beschränkung des Austrittsrechts und der Abfindungsansprüche ausscheidungswilliger Gesellschafter in der großen, generationsübergreifenden Familien-KG, ZIP 2010, 805; Wolf, Abfindungsbeschränkungen bei Familiengesellschaften, MittBayNot 2013, 9.
a) Gesellschaftsvertragliche Reduzierung
8.42 Die Abfindung kann unter den Gesellschaftern auch mit Wirkung gegenüber Dritten, insbesondere auch gegenüber Pfändungsgläubigern und Rechtsnachfolgern, beschränkt werden. Bei einer Beschränkung des Abfindungsguthabens auf nur einen geringen Bruchteil des wahren Anteilswertes kann allerdings die Klausel wegen der damit verbundenen Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit gem. § 723 Abs. 3
1 Siehe OLG Frankfurt a.M. v. 23.6.2004 – 13 U 89/03, MittBayNot 2005, 57 = NZG 2004, 914 = ZIP 2004, 1801 = DB 2004, 2573 = GmbHR 2004, 1283; BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, DNotZ 2004, 865.
922 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.45 Kap. 8
BGB nichtig sein, soweit nicht bereits ein Verstoß gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB oder Rechtsmissbrauch gem. § 242 BGB vorliegt1. Nach der Rechtsprechung des BGH2 kann die Vereinbarung einer Abfindung für 8.43 den ausscheidenden Gesellschafter auf der Grundlage des Ertragswertes gem. § 723 Abs. 3 BGB unwirksam sein, wenn der Liquidationswert den Ertragswert erheblich übersteigt und deshalb ein vernünftiger Gesellschafter auf der Grundlage einer Abfindung nach dem Ertragswert von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde. Bei einer Reduzierung auf die Hälfte des wahren Wertes ist noch kein die Wirksamkeit beeinträchtigendes Missverhältnis gegeben3. Nach Auffassung des BGH4 wird eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel, die 8.44 eine unter dem wirklichen Anteilswert liegende Abfindung vorsieht, nicht deswegen unwirksam, weil sie in Folge eines im Laufe der Zeit eingetretenen groben Missverhältnisses zum wirklichen Anteilswert geeignet ist, das Kündigungsrecht des Gesellschafters zu beeinträchtigen. Der Inhalt einer derartigen Abfindungsregelung ist jedoch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung neu zu ermitteln, so dass der Abfindungsbetrag dem Verkehrswert angenähert werden kann. b) Gesellschaftsvertraglicher Ausschluss einer Abfindung im Todesfall Sieht der Gesellschaftsvertrag die Fortsetzung der Gesellschaft durch die bisherigen 8.45 Gesellschafter unter Ausschluss von Abfindungsansprüchen der Erben eines verstorbenen Gesellschafters vor, so sah die h.M. bisher in einem für alle Gesellschafter gleichmäßig geltenden allseitigen Abfindungsausschluss einen entgeltlichen Vorgang (Wagnis), so dass auch Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht gegeben sein sollten5; dies galt nicht, wenn die Altersstruktur der Gesellschafter eine einseitige Wirkung des Abfindungsausschlusses mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt6. Die vorstehende Rechtsprechung hat der BGH7 in 2020 für vermögensverwaltende Personengesellschaften aufgegeben, zumindest wenn keine Arbeitsplätze geschützt werden sollen, wenn die Beteiligten nicht alle dazu beigetragen haben, das 1 Vgl. Münchener Kommentar/Schäfer8, § 738 BGB Rz. 41 ff.; kritisch zur herrschenden Meinung mit kreativem Alternativvorschlag Bühler, DNotZ 2021, 725 ff. 2 BGH v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, DStR 2006, 1005. 3 Vgl. Kellermann, StbJb 1986, 87 (411); Dieter Mayer, MittBayNot 1992, 4; Mecklenbrauck, BB 2000, 2001 (2006). 4 BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, BGHZ 123, 281 = MDR 1993, 1188 = NJW 1993, 3193 = GmbHR 1993, 806 = MittBayNot 1994, 159. 5 Vgl. BGH v. 6.3.1970 – V ZR 57/67, MDR 1970, 496 = NJW 1970, 941; v. 25.5.1970 – III ZR 141/68, NJW 1970, 1638. 6 Vgl. BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, MDR 1981, 826 = NJW 1981, 1956. 7 BGH v. 3.6.2020 – IV ZR 16/19, DNotZ 2021, 217 (m. Anm. Braun) = NJW 2020, 2396 (m. Anm. Schönenberg-Wessel) = DStR 2020, 1582 = ZEV 2020, 420 (m. Anm. Hölscher) = MittBayNot 2021, 46 (m. Anm. Goslich) = NZG 2020, 947 = ZIP 2020, 1298.
Wälzholz 923
Kap. 8 Rz. 8.45 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
Vermögen aufzubauen und das Ziel der Regelungen darin besteht, Pflichtteilsansprüche zu reduzieren.
8.46 Betrachtet man die Rechtsprechungslinie des BGH, der Freiräume zur Umgehung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen konsequent ausschließt, also sowohl bei einer Schenkung unter vorbehaltenem Nießbrauch1 als auch bei der Dotierung von Stiftungen2 Pflichtteilsergänzungsansprüche stets bejaht hat, ist die Ansicht von J. Mayer3 nicht überraschend, der eine Begrenzung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch gesellschaftsvertraglichen Abfindungsausschluss ablehnt. 8.47 Eine Reduzierung des Abfindungsanspruchs ist ggf. Schenkung (§ 7 Abs. 7 ErbStG). 8.48 Einseitige, d.h. nicht für alle Gesellschafter vereinbarte Ausschlüsse oder Beschränkungen der Abfindungsansprüche stellen in jedem Fall unentgeltliche Zuwendungen dar, die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen4. Dies war auch schon vor der Rechtsprechungsänderung von 2020 der Fall. IV. Haftungsbeschränkung vor Eintragung der KG im Handelsregister
8.49 Der Gesetzgeber hat in § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB angeordnet, dass die Haftung vor Eintragung gem. § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht zur Anwendung komme, soweit sich aus § 2 oder § 105 Abs. 2 HGB ein anderes ergibt. Nach der Begründung zum Referentenentwurf 5 ist die Haftung der Kommanditisten von Kleingewerbe-KGs für die vor der Eintragung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 176 Abs. 1 HGB ausgeschlossen6. Gleichwohl droht jedem Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft vor der Eintragung der KG in das Handelsregister eine unbeschränkte Haftung, denn bis dahin liegt eine GbR vor – mit unbeschränkter persönlicher Haftung aller Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies gilt spätestens ab dem 1.1.2024, da dann § 176 Abs. 1 S. 2 HGB im Rahmen des MoPeG aufgehoben wird. In der Praxis wird dieses Problem gelöst, indem der Beitritt der Kommanditisten erst wirksam wird mit dem Zeitpunkt der Eintragung der KG und des jeweiligen Kommanditisten in das Handelsregister. Für Fälle der Anteilsabtretung von Kommanditanteilen wird das Haftungsproblem hingegen durch Neufassung des § 176 Abs. 2 HGB im Rahmen des MoPeG gelöst und beseitigt, so dass eine aufschiebend bedingte Abtretung in diesen Fällen ab 1.1.2024 nicht mehr erforderlich ist.7
1 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 = MDR 1994, 1015 = NJW 1994, 1791 = ZEV 1994, 233 = DNotZ 1994, 784. 2 BGH v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, NJW 2004, 1382 = ZEV 2004, 115 = DNotZ 2004, 475 (Dresdner Frauenkirche). 3 Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 8 Rz. 65 und zur Kritik siehe auch Münchener Kommentar/Lange8, § 2325 BGB Rz. 40. 4 Vgl. Roth in Hopt41, § 131 HGB Rz. 62 m.w.N. 5 ZIP 1996, 1490. 6 Ebenso Schön, DB 1998, 1176 für die vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaft. 7 Siehe Begründung des Rechtsausschusses in BT-Drucks. 19/31105 zu § 176 HGB.
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.59 Kap. 8
V. Handelsregistervollmacht Zur Beschleunigung von Registereintragungen ist es sinnvoll, sowohl in den Gesell- 8.50 schaftsvertrag als auch in die jeweilige Registeranmeldung eine Vollmacht (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB) zugunsten der Komplementäre für künftige Handelsregisteranmeldungen aufzunehmen. Bei künftigen Eintragungen kann dann jeweils für bereits eingetragene Kommanditisten auf die dem Registergericht vorliegende Vollmacht in den früheren Registeranmeldungen Bezug genommen werden. Hinweis: Bei Neueintragung von Gesellschaften im Handelsregister ist ein systematischer Betrug durch raffinierte Geschäftemacher zu beobachten. Den Gesellschaftern wird nach der Handelsregistereintragung von betrügerischen Firmen eine „Kostenrechnung“ zugesandt, die den Anschein erweckt, die Rechnung für die Handelsregistereintragung durch das Registergericht darzustellen. Tatsächlich wird erst bei genauer Durchsicht des Kleingedruckten erkenntlich, dass die – völlig nutzlose – Eintragung in irgendwelche Branchenregister angeboten wird. Die Beteiligten sollten vor der Bezahlung solcher Rechnungen durch die Berater gewarnt werden.
Einstweilen frei.
8.51–8.59
VI. Einkommensteuer 1. Allgemeines Literatur: Brüggemann, Ertragsteuerliche Anerkennung einer grundstücksverwaltenden Familiengesellschaft, ErbBstg 2013, 72; Dorn/Weiss, Das Optionsmodell i.S.d. § 1a KStG – eine Option für vermögensverwaltende Personengesellschaften?, DStR 2021, 2489; Escher/Weiten, Schenkung von Anteilen an vermögensverwaltenden Personen-gesellschaften als privates Veräußerungsgeschäft?, DStR 2020, 2478; Fleischer, Vermögensverwaltende Personengesellschaften: Steuerliche Realisierungstatbestände bei der Einbringung steuerverstrickten Privatvermögens, ZEV 2003, 190; Geck, Familienpool zur Vermögenssicherung und -bindung, KÖSDI 2008, 16016; Hohaus/Eickmann, Die Beteiligung Minderjähriger an vermögensverwaltenden Familien-Kommanditgesellschaften – Anforderungen für die steuerliche Anerkennung, BB 2004, 1707; Kirchdörfer/Lorz, Familienvermögensgesellschaften als Organisationsmodelle im Rahmen der Familienstrategie und der Planung der Vermögensnachfolge, DB 2004, Beilage 2004 Nr. 3, 1; Kestler/Schoch, Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Personengesellschaftsanteilen, DStR 2019, 1489; Korn/Scheel, (Keine) Zukunft der gewerblichen Infektion von Personengesellschaften, DStR 2019, 1665; Leidel, Schenkungsteuer bei disquotalen Einlagen in Personengesellschaften, DStR 2021, 13; Milatz/Sax, Transparenz der vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2017, 141; Reimann, Nach dem Urteil des BVerfG zur Erbschaftsteuer: Familiengesellschaften im Focus, FamRZ 2015, 185; Schmid/Mertgen, Erweiterte Kürzung trotz Beteiligung an vermögensverwaltender Personengesellschaft, FR 2011, 468; Spiegelberger, Die Familien-GmbH & Co. KG, ZEV 2003, 391; Spiegelberger, Vermögensverwaltende oder gewerblich geprägte Personengesellschaft oder vermögensverwaltende GmbH? JbFfSt 2002/2003, 612; Strahl, Vermögensverwaltende Personengesellschaften im Ertragsteuerrecht, KÖSDI 2001, 12802; von Oertzen/Hermann, Vermögensverwaltende GbR vs. vermögensverwaltende KG: Überblick über die zivil- und steuerrechtlichen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede, ZEV 2003, 400; Wichmann, Das Ergebnisvorab bei vermögensverwaltenden Gesellschaften, StBg 2014, 1; Wübbelsmann, Die Realteilung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2019, 2289.
Wälzholz 925
Kap. 8 Rz. 8.60 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
8.60 Während in der Vergangenheit für die Gründung vermögensverwaltender „Familienpersonengesellschaften“1 vornehmlich auf die Rechtsform der GbR zurückgegriffen wurde, wendet sich die Gestaltungspraxis – auch aus Praktikabilitätserwägungen – wieder von dieser Rechtsform ab und der vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft (KG) zu2. Ertragssteuerlich vorteilhaft stellt sich insbesondere die (Mit-)Beteiligung Minderjähriger an einer vermögensverwaltenden Familien-KG dar, und zwar wegen der Möglichkeit, – Einkünfte der Gesellschaft auf mehrere Personen zu verteilen, um damit den Grundfreibetrag mehrfach in Anspruch nehmen zu können sowie einen Progressionsvorteil zu erreichen, der die ertragsteuerliche Belastung des von der Familie zu versteuernden Gesamteinkommens abschwächt. Damit soll eine Art „Familiensplitting“ erreicht werden3; – das von der KG verwaltete Vermögen trotz der „unternehmerischen“ Gestalt der Gesellschaft steuerlich als Privatvermögen weiterzuführen; – Schenkungsfreibeträge (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) durch die frühzeitige Beteiligung minderjähriger Kinder wiederholt auszunutzen4. 2. Steuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages über eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft Literatur: Altfelder, Beitrag oder Leistung? FR 2005, 6; Hübner, Vermögensübertragung durch disquotale Gesellschafterleistungen? – Schenkung- und Ertragsteuerliche Gestaltungsaspekte, ZEV 1998, 83; Königer/Ziegler, Das Familiensplitting nach dem StVereinfG 2011 – eine schenkung- und ertragsteuerliche Vorteilhaftigkeitsanalyse verschiedener Vermögensarten, FR 2011, 937; Levedag, Einbringung und Einlage von Privatvermögen in vermögensverwaltende und gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2013, 243; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020; Werz/Sager, Disquotales Gewinnbezugsrecht vs. Vorbehaltsnießbrauch, ErbStB 2010, 73.
8.61 Die höchstrichterliche Rechtsprechung unterscheidet, ausgehend von dem Grundsatzurteil des BFH vom 22.8.19515, bei der (steuer-)rechtlichen Beurteilung von Familienpersonengesellschaften zwischen der Anerkennung der Gesellschaft als solcher und der Anerkennung der vereinbarten Gewinnverteilung. – Verträge unter nahestehenden Personen werden grds. steuerrechtlich nur dann berücksichtigt, wenn sie der Erzielung von Einkünften dienen, bürgerlich-rechtlich
1 Der Begriff der „Familienpersonengesellschaft“ ist nicht legaldefiniert. Die Praxis orientiert sich an § 15 AO; danach wird unter einer Familienpersonengesellschaft eine Personengesellschaft verstanden, an der ausschließlich oder zumindest überwiegend Angehörige i.S.d. § 15 AO beteiligt sind, vgl. Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707 m.w.N. 2 Von Oertzen/Hermann, ZEV 2003, 400. 3 Siehe Autenrieth, DStZ 1992, 86; Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12383; Limmer, ZFE 2004, 40; Königer/Ziegler, FR 2011, 937. 4 Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707. 5 BFH v. 22.8.1951 – IV 246/50 S, BStBl. III 1951, 181 = FR 1951, 375 = DB 1951, 811.
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.62 Kap. 8
wirksam vereinbart sind, sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und ihr Abschluss nicht einen Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO darstellt (s. hierzu Rz. 13.44 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für einen Gesellschaftsvertrag unter Familienangehörigen1. Soweit Minderjährige an einem Gesellschaftsverhältnis beteiligt werden sollen, kommt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen – hierzu zählt insbesondere auch eine ggf. erforderliche familiengerichtliche Genehmigung des Vertragsschlusses – besonderes Gewicht zu2. – Das wirtschaftliche Ergebnis einer vermögensverwaltenden KG wird den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote zugerechnet. Hiervon abweichende „disquotale“ Überschussverteilungen werden steuerlich (nur) anerkannt, wenn diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und sich nicht als Einkommensverwendung darstellen3. Sofern die Eltern beispielsweise als Komplementäre die Geschäftsführung und Vertretung übernehmen, kann diesen dafür ein Gewinnvoraus zugebilligt werden, wenn dies angemessen ist und wirksam im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde. 3. Objektiver Einkünftetatbestand a) Steuersubjekt Das Zivilrecht unterteilt Personenzusammenschlüsse nach Gesellschaften und Ge- 8.62 meinschaften. Gesellschaften zeichnen sich durch einen gemeinsamen Zweck aus, Gemeinschaften verfügen über gemeinsames Eigentum. Die Gesellschaften können rechtsfähig (AG, GmbH, Verein, OHG, KG, GbR) oder nicht rechtsfähig (Innengesellschaften wie die Stille Gesellschaft) sein, die Gemeinschaft kann zu Bruchteilen (z.B. an Grundstücken) oder zur gesamten Hand (etwa bei Erbengemeinschaften) bestehen. Für jede Art des Zusammenschlusses ergeben sich unterschiedliche zivilrechtliche Rechtsfolgen. Das Ertragsteuerrecht setzt diesen komplexen Zusammenhängen eine überschaubare Zweiteilung entgegen: – Körperschaften gem. § 1 Abs. 1 KStG, die der Körperschaftsteuer unterliegen und damit Ertragsteuersubjekte sind; für bestimmte Personengesellschaften gilt dies entsprechend, wenn sie einen Antrag nach § 1a KStG stellen4;
1 BFH v. 17.7.2014 – IV R 52/11, DStR 2014, 2111; v. 21.2.1991 – IV R 35/89, BFHE 164, 238 = BStBl. II 1995, 449; v. 27.1.1994 – IV R 114/91, BFHE 174, 219 = BStBl. II 1994, 635; v. 16.12.1998 – X R 139/95, BFH/NV 1999, 780; v. 17.7.2013 – X R 31/12, BStBl. II 2013, 1015 Rz. 24; v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5 = DB 1972, 2092. 2 BFH v. 12.5.2016 – IV R 27/13, BFH/NV 2016, 1559 = NJW 2016, 3470; v. 1.2.1973 – IV R 49/68, BStBl. II 1973, 307 = DB 1973, 699 = DStR 1973, 247 = NJW 1973, 2093. 3 BFH v. 27.7.2004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33; v. 7.10.1986 – IX R 167/83, BStBl. II 1987, 322; v. 18.11.1980 – VIII R 194/78, BStBl. II 1981, 510 (513) = DB 1981, 1648; Königer/Ziegler, FR 2011, 937 (941). 4 Siehe dazu Dorn/Weiss, DStR 2021, 2489; Winkler/Carlé, NWB 2021, 2508; Mayer/Käshammer, NWB 2021, 1300; Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Bochmann/Bron, NZG 2021, 613; Leitsch, BB 2021, 1943;
Wälzholz 927
Kap. 8 Rz. 8.62 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
– Personengruppen, denen Einkünfte gemeinsam zuzurechnen sind; hierzu zählen neben rein steuerrechtlichen Gebilden – wie z.B. die atypisch stille Gesellschaft oder die faktische Mitunternehmerschaft – auch Personengesellschaften wie die vermögensverwaltende KG. Personengesellschaften sind nicht Subjekt der Einkommensbesteuerung, wohl aber Subjekt der Einkünfteermittlung1.
8.63 Materiell-rechtlich steht bei Personenzusammenschlüssen mithin nicht die Gesellschaft, sondern der Gesellschafter als Steuersubjekt im Vordergrund. Die in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit erzielten Einkünfte werden zwar auf der Gesellschaftsebene ermittelt, sodann aber den „hinter“ der Gesellschaft stehenden Beteiligten (den Gesellschaftern) zugerechnet und ausschließlich von diesen versteuert (sog. transparente Besteuerung). Lediglich bei der Umsatzsteuer ist die Gesellschaft Unternehmer und damit Steuersubjekt und nicht etwa der einzelne Gesellschafter; auch bei der Grunderwerbsteuer wird die Personengesellschaft als separater Rechtsträger behandelt. 8.64 Verfahrensrechtlich wird die Besteuerung in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit erzielter Einkünfte dadurch bewirkt, dass die auf der Gesellschaftsebene ermittelten Einkünfte nach den Bestimmungen der §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 182 Abs. 1 AO gesondert und einheitlich festgestellt, auf die Gesellschafter verteilt und diesen bei ihrer Einkommensbesteuerung zugerechnet werden. b) Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit Literatur: Geck/Messner, Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, ZEV 2004, 220; Häsner/Preil/Weinhold, Neues zur gewerblichen Infektion – Schaffung weiterer Ausnahmen durch das FoStoG?, DStR 2021, 1798; Hartrott, Gewerblicher Grundstückshandel – ein Kurzrepetitorium unter kritischer Würdigung der aktuellen Rechtsprechung des BFH, BB 2010, 2271; Heuermann, Die Grenzziehung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung (im Rahmen der §§ 21, 23 EStG, § 14 AO) am Beispiel des gewerblichen Grundstückshandels, in: Einkommen aus Kapital (DStJG 31) 2007, 121; Jahn, Steuerliche Abgrenzung gewerblicher Tätigkeit von freiberuflicher und sonstiger Tätigkeit, DB 2012, 1947; Korn/Scheel, (Keine) Zukunft der gewerblichen Infektion von Personengesellschaften, DStR 2019, 1665; Richter/Chuchra/Dorn, Offene Fragen und Probleme bei Anwendung der sog „Aufwärtsinfektion“ des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG, DStR 2016, 2944; Spohn/Lipps, Verklammerungsgeschäft als neues Rechtsinstitut im Grenzbereich zwischen Gewerblichkeit und privater Vermögensverwaltung bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern, DStR 2018, 605.
8.65 Die Vermietung von Immobilien ist in aller Regel private Vermögensverwaltung. Die Grenze zur Gewerblichkeit wird erst überschritten, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteili-
Strecker/Carlé, NWB 2021, 2022; Müller, NWB 2021, 2190; Carlé, NWB 2021, 2270; Demuth, NWB 2021, 2586; Nagel/Schlund, NWB 2021, 1874; Rickermann, DB 2021, 1561. 1 Siehe auch BFH v. 27.7.2004 – IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33.
928 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.69 Kap. 8
gung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, hinter welche die Nutzung des Vermögens zurücktritt (s. näher Rz. 1.801 f.). Ist die KG in diesem Sinne ausschließlich vermögensverwaltend tätig, erzielt sie nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG. Der Grundbesitz verbleibt steuerrechtlich im Privatvermögen. Bereits bei der Gründung einer vermögensverwaltenden KG sollte darauf geachtet 8.66 werden, dass als Zweck der Gesellschaft nur die Vermietung und nicht der Erwerb und die Veräußerung von Immobilien im Gesellschaftsvertrag ausgewiesen werden. Dies schließt es rechtlich nicht aus, dass die Gesellschaft später Immobilien erwirbt und im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung auch wieder veräußert. Ferner sollte darauf geachtet werden, dass die Tätigkeit der KG sich ausschließlich 8.67 auf Vermögensverwaltung beschränkt. Denn schon bei einer geringfügigen, neben der Vermögensverwaltung ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (z.B. Hausverwaltung für fremde Dritte; gewerblicher Grundstückshandel, s. Rz. 11.11) kommt es zu einer sog. „Abfärbewirkung“ auf die vermögensverwaltenden Einkünfte gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG: dann „gilt“ (Fiktion!) die gesamte Tätigkeit („… in vollem Umfang …“) als gewerblich. Ausgenommen von der Infektionswirkung sind lediglich Gesellschaften, bei denen die Grenze von 3 % der Gesamtnettoumsätze, höchstens aber 24.500 t von den gewerblichen Einkünften nicht überschritten wird.1 Beteiligt sich eine vermögensverwaltende KG (Obergesellschaft) mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft), so hat das zur Folge, dass die gesamten Einkünfte der Obergesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG).2 Die Infektionswirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG tritt aufgrund gesetzgeberischer Klarstellung inzwischen unabhängig davon ein, ob Gewinne oder Verluste erzielt werden.3 c) Einkünfteermittlung aa) Grundsatz Die Ermittlung von Einnahmen und Werbungskosten im Rahmen des § 21 Abs. 1 8.68 Satz 1 Nr. 1 EStG auf der Ebene der vermögensverwaltenden KG erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen (s. Rz. 1.870 ff.). Disquotale Überschussverteilungen sind gesellschaftsrechtlich möglich; sie werden 8.69 steuerlich anerkannt, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (s. Rz. 8.61). Sie werden gemeinhin empfohlen für Familienpool-Gestaltungen, in de-
1 BFH v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BStBl. II 2015, 1002; v. 3.11.2015, VIII R 62/13, BStBl. II 2016, 381; Weiss, NWB 2019, 1018. 2 BFH v. 6.6.2019 – IV R 30/16, BStBl. II 2020, 649. 3 Anders noch BFH v. 12.4.2018, IV R 5/15, BStBl. II 2020, 118, was der Gesetzgeber jedoch im Gesetz als Reaktion auf dieses Urteil geändert hat.
Wälzholz 929
Kap. 8 Rz. 8.69 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
nen Kinder vermögensmäßig mit einem hohen Anteil, die Eltern demgegenüber mit einem geringen Anteil an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt werden sollen.1 Die Stimmrechte und die Gewinnbeteiligung werden reziprok eingeräumt, etwa so, dass die Eltern Stimmrechte und Gewinnbeteiligung in großem Umfang, die Kinder demgegenüber nur in geringem Umfang erhalten. Dahingehende Gestaltungen sind im Ergebnis möglich, wenn bei der Anteilsübertragung Nießbrauchsrechte zugunsten der Eltern bestellt werden. Überzogene Gestaltungen bringen indes regelmäßig Probleme der steuerrechtlichen Anerkennung mit sich2. bb) „Verlust“-Ausgleichsbeschränkungen
8.70 § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG sieht die sinngemäße Anwendung der §§ 15a, 15b, Abs. 1 Satz 2 EStG vor.3 (1) Sinngemäße Anwendung des § 15a EStG
8.71 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht; der Verlust darf insoweit auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Sinngemäß übertragen auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des am Kommanditkapital einer vermögensverwaltenden (Familien-)KG beteiligten Gesellschafters bedeutet dies: Der dem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Werbungskostenüberschuss der KG darf weder mit anderen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives „fiktives“ (d.h. nach den für die Ermittlung von Überschusseinkünften geltenden Grundsätzen ermitteltes) Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht4. Der Verweis auf § 15a EStG soll sicherstellen, dass der Gesellschafter, der
1 Inwiefern dies Auswirkungen auf die bewertungsrechtliche Beurteilung der Gesellschaftsanteile für Zwecke der Schenkungsteuer hat, ist noch ungeklärt, siehe FG Münster v. 17.2.2021 – 3 K 3911/18 F, Revision zugelassen, EFG 2021, 1179. 2 Zu den insoweit vorgeschlagenen Gestaltungsmöglichkeiten s. Dehmer/Schmitt, INF 1993, 538; Langenfeld, ZEV 1995, 157; Hübner, ZEV 1998, 83; Werz/Sager, ErbStB 2010, 73; Königer/Ziegler, FR 2011, 937; Levedag, GmbHR 2013, 243. 3 Siehe BFH v. 19.9.2019 – IV R 32/16, BStBl. II 2020, 199; BMF v. 15.9.2020, IV C 1 S 2253/08/10006:033, BStBl. I 2020, 919; Braun/Nöthen, Anwendung des § 15a EStG bei vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften – zugleich Anmerkungen zum BMFSchreiben vom 15.9.2020, DStR 2020, 2697 ff.; Demuth/Bodden, Anwendung von § 15a EStG bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, NWB 2015, 734; Dorn, Möglichkeiten und Probleme der sinngemäßen Anwendung des § 15a EStG auf vermögensverwaltende Personengesellschaften, DStR 2015, 1598. 4 Siehe BFH v. 19.9.2019 – IV R 32/16, BStBl. II 2020, 199; BMF v. 15.9.2020, IV C 1 S 2253/08/10006:033, BStBl. I 2020, 919; Braun/Nöthen, DStR 2020, 2697 ff.; Demuth/ Bodden, NWB 2015, 734; Dorn, DStR 2015, 1598.
930 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.75 Kap. 8
für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft nur beschränkt haftet, negative Einkünfte nicht in größerem Umfang mit anderen Einkünften ausgleichen kann, als seine Haftung reicht. Dabei sind auch Einkünfte nach § 23 EStG zu berücksichtigen. Für die Anwendung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. mit § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG ist ein fiktives Kapitalkonto zu bilden, aus dem sich das zur Verfügung stehende Verlustausgleichsvolumen ergibt. Die negativen Einkünfte sind nur bis zur Höhe des fiktiven Kapitalkontos mit anderen Einkünften ausgleichsfähig. Wird das fiktive Kapitalkonto durch die Verlustzuweisung negativ oder erhöht sich ein bestehendes negatives fiktives Kapitalkonto, können die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit späteren positiven Einkünften aus der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft verrechnet werden. Das fiktive Kapitalkonto ermittelt sich aus der von dem jeweiligen Kommanditisten tatsächlich geleisteten Einlage, erhöht um weitere Einzahlungen während der Zeit der Zurechnung der Beteiligung sowie um positive Einkünfte aus seiner Beteiligung und vermindert um Entnahmen und negative Einkünfte aus der Beteiligung. Maßgeblich sind dabei die für Überschusseinkünfte geltenden Grundsätze der Ermittlung der Einkünfte. Haftet der Kommanditist über die geleistete Einlage hinaus (§ 171 Abs. 1 HGB), kann 8.72 er Werbungskostenüberschüsse bis zur Höhe des Betrags, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgleichen oder abziehen, soweit dadurch ein negatives „fiktives“ Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (§ 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG). Die nach § 15a Abs. 1 Satz 1 (oder nach Abs. 1a) EStG nicht ausgleichsfähigen Wer- 8.73 bungskostenüberschüsse gehen nicht endgültig verloren, sondern sind mit positiven Beteiligungseinkünften aus späteren Wirtschaftsjahren und damit lediglich zeitlich verschoben zu verrechnen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG). Wird das „fiktive“ Kapitalkonto durch Entnahmen des Kommanditisten oder durch 8.74 Einlagerückzahlungen negativ oder erhöht sich ein negativer Betrag (sog. Einlageminderung), findet nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG eine Zurechnung fiktiver positiver Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung statt1. (2) Sinngemäße Anwendung des § 15b EStG Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15b EStG dürfen Werbungskostenüberschüsse, die 8.75 im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell entstehen, nur die Einkünfte vermindern, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt; der Verweis bewirkt, dass die Bedeutung von (geschlossenen) Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weiter abnehmen wird (s. eingehend Rz. 1.865). Für die Ausgestaltung von Familien-KGs kommt der Vorschrift regelmäßig keine Bedeutung zu.
1 Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 494 f.
Wälzholz 931
Kap. 8 Rz. 8.76 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
cc) Veräußerungsgeschäfte (1) Veräußerungsgeschäfte auf der Ebene der Gesellschafter, insb. im Rahmen der Einbringung
8.76 Die beteiligungsidentische Einbringung eines im Privatvermögen stehenden Grundstücks durch den bzw. die (Mit-)Eigentümer in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft stellt keinen entgeltlichen Veräußerungsvorgang dar, der § 23 EStG verwirklichen könnte.1 Dies gilt selbst dann, wenn ein angemessenes Entgelt als Gegenleistung für die Immobilie gezahlt wird. Dies ist die Folge der Transparenzbetrachtung des § 39 Abs. 2 AO. Korrespondierend werden bei der Gesellschaft auch keine abschreibungsfähigen Anschaffungskosten generiert. Etwas anderes gilt, wenn und soweit sich die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten erhöht haben (s. Rz. 12.45 f.)2. In diesem Fall ist es für die Prüfung, ob die Rechtsfolgen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eintreten, entscheidend, ob der Grundbesitz innerhalb der Haltefrist entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wurde. 8.77 Die Einbringung mehrerer Immobilien in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren kann einkommensteuerfrei sein, wenn sich der Vorgang als Beendigung einer langjährigen Vermögensverwaltung darstellt; sie ist aber als gewerblicher Grundstückshandel gem. § 15 Abs. 2 EStG steuerpflichtig, wenn sie eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, gegeben ist, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (zu Einzelheiten s. die Erläuterungen in Rz. 11.1 ff.). 8.78 Die Anschaffung oder Veräußerung der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft gilt unter den Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter (zu Einzelheiten s. Rz. 12.61 ff.). (2) Veräußerungsgeschäfte auf der Ebene der Gesellschaft
8.79 Anteile an Grundstücksgesellschaften zählen zu den Objekten i.S.d. „Drei-ObjektGrenze“; vor diesem Hintergrund kann die Veräußerung einer solchen Beteiligung (bspw. zur Aufnahme neuer Gesellschafter) zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels führen (s. Rz. 11.41 ff.).
1 BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, DStRE 2005, 49 = NJW 2005, 1215. 2 BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205 = FR 2012, 164 m. Anm. Bode = DB 2011, 2752 = MittBayNot 2012, 329; v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679 = FR 2008, 1167 = NJW 2008, 3662; v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 = FR 2005, 194 = DB 2004, 2728 = NJW 2005, 1215; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 8. Vgl. dazu auch Gottwald, MittBayNot 2001, 8 (14 f.); Reich, ZNotP 2000, 479 (483 f.).
932 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.82 Kap. 8
d) Einkünftezurechnung aa) Grundsätze der Zurechnung Im Zuge der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken werden auf der Ebene 8.80 der vermögensverwaltenden KG zunächst Einkünfte i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt. Etwas anderes gilt für Grundstücke im Gesellschaftsvermögen der KG, auf denen ein Vorbehaltsnießbrauch eines Familiengesellschafters lastet: Hat sich ein Gesellschafter bei der Einbringung eines Grundstücks in die vermögensverwaltende KG den Nießbrauch am Grundbesitz vorbehalten, erzielt er selbst und nicht die Gesellschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; die übrigen Gesellschafter sind zwar vermögensbeteiligt, ihnen sind aber insoweit keine Einkünfte zuzurechnen. Auch die AfA gebührt aufgrund des Vorbehaltsnießbrauches dem Einbringenden (s. Rz. 7.72 ff. und 7.125 ff.). Der Grund hierfür liegt im objektiven Einkünftetatbestand des § 21 EStG: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung „erzielt“, wer einem anderen ein in § 21 Abs. 1 EStG genanntes Wirtschaftsgut entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt und in diesem Zusammenhang Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag (d.h. dem „Rechtsverhältnis“ i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG) ist. Das ist im Rahmen eines Nießbrauchsverhältnisses regelmäßig der (Vorbehalts-)Nießbraucher (s. Rz. 7.125 ff.). Die auf Gesellschaftsebene erzielten und nach Überschussgrundsätzen ermittelten 8.81 Einkünfte sind in einem zweiten Schritt auf die beteiligten Gesellschafter zu verteilen (sog. Einkünftezurechnung); dies geschieht durch gesonderte und einheitliche Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO (s. Rz. 8.82 ff.). bb) Verfahren Die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und 8.82 Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auf der Ebene der vermögensverwaltenden KG führt dazu, dass der beteiligte Familiengesellschafter als Adressat des Feststellungsbescheides die im Bescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen (hierzu gehören neben den Einkünften auch seine Sonderwerbungskosten!) selbst zum Gegenstand eines Einspruchs machen kann, indem er den Tenor des Feststellungsbescheides (z.B. „die Einkünfte aus dem aus Vermietung und Verpachtung des X betragen … Euro“) angreift. Für den Adressaten des Feststellungsbescheides führt dies aber nicht zu einer zusätzlichen Einspruchsmöglichkeit; vielmehr wird im Rahmen der gesonderten Feststellung abschließend über die festgestellte Besteuerungsgrundlage entschieden. Deshalb muss der Familiengesellschafter bei einer fehlerhaften Feststellung gegen den Feststellungsbescheid (sog. „Grundlagenbescheid“) selbst vorgehen; ein Einspruch gegen den Folgebescheid – das ist der Einkommensteuerbescheid, in dem die festgestellten Einkünfte nach § 182 Abs. 1 AO bindend übernommen werden – welcher lediglich die Fehlerhaftigkeit des Feststellungsbescheides rügt, hätte mit Blick auf § 351 Abs. 2 AO keinen Erfolg.
Wälzholz 933
Kap. 8 Rz. 8.83 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
8.83 Der notwendige Inhalt sowie der Tenor der Feststellung ergibt sich aus dem Verweis des § 181 Abs. 1 Satz 1 AO zu § 157 Abs. 1 Satz 2 AO; zu tenorieren ist danach, – wer an den Einkünften beteiligt ist, – welche Einkunftsart(en) vorliegt, – in welcher Höhe Einkünfte erzielt wurden, – wie sich die Einkünfte verteilen und – inwieweit bei einzelnen Beteiligten Sonderbetriebseinnahmen bzw. Sondereinnahmen oder Sonderbetriebsausgaben bzw. Sonderwerbungskosten angefallen sind. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, deren Anteile von (einzelnen) Beteiligten im Betriebsvermögen gehalten werden (sog. „Zebragesellschaften“1), sind die Einkünfte eines betrieblich beteiligten Gesellschafters von dem für die Veranlagung der Einkommensteuer nach § 19 AO zuständigen Wohnsitzfinanzamt dem Grunde und der Höhe nach umzuqualifizieren2.
8.84 Für die Übermittlung des Feststellungsbescheides wäre grds. jedem einzelnen Beteiligten eine Ausfertigung des Bescheides zu übersenden. § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erlaubt es der Finanzbehörde, den Bescheid an einen Empfangsbevollmächtigten zu übermitteln; die Übermittlung wirkt gem. § 183 Abs. 1 Satz 5 AO für und gegen alle beteiligten Gesellschafter. Es empfiehlt sich, dass die Beteiligten der vermögensverwaltenden KG selbst einen Empfangsbevollmächtigten bestellen. Haben die Beteiligten niemanden benannt, gilt nach § 183 Abs. 1 Satz 2 AO der zur Vertretung berechtigte Komplementär der KG als Empfangsbevollmächtigter. 4. Subjektiver Einkünftetatbestand
8.85 Die Einkünfteerzielungsabsicht muss sowohl auf der Ebene der vermögensverwaltenden KG – sie beurteilt sich insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen (s. Rz. 1.810 ff.) – wie auch auf der Ebene der einzelnen Familiengesellschafter gegeben sein. Damit werden sowohl der objektive wie auch der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, den die Personengesellschaft durch ihr auf Dauer ausgerichtetes Vermieten verwirklicht, den Gesellschaftern zugerechnet3. Das bedeutet: – Den einzelnen Gesellschaftern sind keine steuerrechtlich bedeutsamen Einkünfte zuzurechnen, wenn schon auf der Ebene der Gesellschaft keine Einkünfteerzielungsabsicht besteht.
1 Siehe dazu BFH v. 19.9.2019 – IV R 32/16, BStBl. II 2020, 199; v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142; Sanna, NWB 2012, 3156; Tiede, BBK 2019, 427; Melan, DB 2018, 3077. 2 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 = FR 2005, 1026 m. Anm. Kempermann = DStR 2005, 1274 = DB 2005, 1607; v. 21.2.2006 – IX R 80/98, BFH/NV 2006, 1247. 3 BFH v. 9.3.2011 – IX R 50/10, BStBl. II 2011, 704 = FR 2011, 615 m. Anm. Bode = DB 2011, 1026 = DStR 2011, 909 = ZfIR 2011, 534; v. 25.2.2009 – IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 158.
934 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.91 Kap. 8
– Ist hingegen auf der Ebene der Gesellschaft die Einkünfteerzielungsabsicht gegeben, kann gleichwohl die Überschusserzielungsabsicht eines Gesellschafters dann zweifelhaft erscheinen, wenn er sich etwa nur kurzfristig zur Verlustmitnahme an einer Gesellschaft beteiligt hat oder seine Beteiligung in hohem Maße fremdfinanziert1.
8.86–8.90
Einstweilen frei. VII. Grunderwerbsteuer
Literatur: Behrens/Seemaier, Änderung der §§ 5, 6 Abs. 3 GrEStG durch das KöMoG und das StAbwG, DStR 2021, 1673; Behrens/Wagner, Verschärfung des Grunderwerbsteuergesetzes für Share-Deals ab 1.7.2021, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, Auslegungs- und Anwendungsfragen zur Grunderwerbsteuerreform, DStR 2021, 1624; Busch/Labus, Verschärfungen der Grunderwerbsbesteuerung ab 1.7.2021, NotBZ 2021, 321; Demuth, KöMoG: Immobiliengesellschaft als optierende Gesellschaft, NWB 2021, 2586; Dorn/Weiss, Das Optionsmodell i.S.d. § 1a KStG – eine Option für vermögensverwaltende Personengesellschaften?, DStR 2021, 2489; Heine, Besteuerungsnischen im Grunderwerbsteuergesetz, UVR 2005, 273; Heine, Die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG beim fingierten Grundstückserwerb durch Personengesellschaften nach § 1 Abs. 2a GrEStG, INF 2005, 63; Hey, Grunderwerbsteuer und Umstrukturierungen – einige Überlegungen zum Reformbedarf aus steuersystematischer Sicht, FS für Spiegelberger (2009), 225; Ruhwinkel, Grunderwerbsteuer bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen DStR 2007, 1755; Viskorf, Die Gesamthandsgemeinschaft als grunderwerbsteuerrechtlich vorteilhaftes Instrument der Mobilisierung von Grundstücken, DStR 1994, 6; Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen in der Grunderwerbsteuer für die notarielle Gestaltungspraxis, DNotZ 2020, 310; Wälzholz, Gestaltungsprobleme der Unternehmensnachfolge nach Inkrafttreten des KöMoG, ZEV 2022, 10; Wälzholz, Praxisupdate Grunderwerbsteuerrecht, MittBayNot 2022, 14; Wälzholz, Die aktuelle Reform des Grunderwerbsteuergesetzes – Share Deals, KöMoG und StAbwG, DNotZ 2021, 645; Wischott/Graessner, Die „Share-Deal“-Reform kommt! – Erhebliche Verschärfungen für Immobilientransaktionen, NWB 2021, 1519.
Ein Überblick über den Gesamtbereich der Grunderwerbsteuer findet sich in 8.91 Rz. 1.1100 ff. Nach der Systematik des GrEStG ist der Grundstücksumsatz Besteuerungsgegenstand2. Der Erwerb und die Veräußerung von Anteilen an grundbesitzhaltenden Personengesellschaften sind grds. kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang, ebenso nicht der Wechsel im Personenstand der Gesellschafter oder eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse3. Viskorf4 nennt die Gesamthand zu Recht als ein grunderwerbsteuerrechtlich vorteilhaftes Instrument zur Mobilisierung von Grundstücken. Ausnahmsweise entsteht Grunderwerbsteuer bei Gesellschaftsanteilsübertragungen, wenn die Veräußerung oder der Erwerb von Anteilen wirtschaftlich einem Grundstücksumsatz nahekommt, § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG. M.E. ändert sich an 1 2 3 4
BFH v. 2.7.2008 – IX B 46/08, BStBl. II 2008, 815 = DStR 2008, 1579 = ZfIR 2008, 798. Spiegelberger, Vermögensnachfolge2, § 11 Rz. 133. BFH v. 6.3.1990 – II R 88/87, BStBl. II 1990, 446 = BB 1990, 843. Viskorf, DStR 1994, 6.
Wälzholz 935
Kap. 8 Rz. 8.91 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
den hier geschilderten Grundsätzen durch das Inkrafttreten des MoPeG ab dem 1.1.2024 nichts, auch wenn das Gesamthandsprinzip für die Personengesellschaften aufgegeben wird.1 Denn die Personenhandelsgesellschaften waren auch bisher schon rechtsfähig, also selbst Träger von Rechten und Pflichten und wurden gleichwohl steuerrechtlich anders behandelt als Kapitalgesellschaften.
8.92 Verfahrensrechtlich kommt der Grundstücksgesellschaft Rechtsfähigkeit zu. Die Gesamthand ist Träger der Grunderwerbsteuer2. Im Grunderwerbsteuerbescheid sind alle Gesellschafter namentlich zu bezeichnen. 8.93 Ohne dass eine Immobilienübertragung im engeren Sinn vorliegt, kann die Änderung der Beteiligungsverhältnisse an einer Personengesellschaft in folgenden Fällen Grunderwerbsteuer auslösen: – Anwachsung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG – Erbteilsübertragung, soweit nicht die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 3 GrEStG eingreift3 – Verschmelzung und Spaltung als Rechtsträgerwechsel gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG – Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren, wonach mindestens 90 % Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen gem. § 1 Abs. 2a GrEStG – Erwerb von mindestens 90 % der Gesellschaftsanteile einer Personen- oder Kapitalgesellschaft durch einen Erwerber gem. § 1 Abs. 3 GrEStG – wirtschaftliche Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3a GrEStG – Übergang der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG.
8.94 Die §§ 3 und 4 GrEStG beinhalten Ausnahmen von der Besteuerung. Steuerbare Übertragungen durch Personen, die in gerader Linie verwandt sind, bleiben gem. § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei. Den genannten Personen stehen deren Ehegatten oder Lebenspartner gleich. Der Ehegatte oder Lebenspartner sowie der frühere Ehegatte kann sich auf die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 4 und 5 GrEStG berufen. Wegen weiterer Befreiungen vgl. oben Rz. 1.1141 ff. 8.95 Der Grundstücksübergang von einer Bruchteilsgemeinschaft oder einer Gesamthand ist anteilig gem. § 5 GrEStG steuerbefreit, wenn sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand nicht innerhalb von zehn Jahren vermindert. Entsprechendes gilt für den Grundstücksübergang von einer Gesamthand auf Miteigentümer oder an Personengesellschafter bzw. auf eine andere Gesamthand. Diese Steuerbefreiung gilt allerdings nicht, wenn es sich bei der Personengesellschaft um eine nach § 1a KStG zur Körperschaftsteuer optierte Personengesellschaft handelt. 1 Das ist allerdings strittig, s. Heinze, DStR 2020, 2107; Bachem, DStR 2022, 725. 2 Viskorf, DStR 1994, 6 (7). 3 BFH v. 3.2.2020 – II B 28/19, BFH/NV 2020, 564; v. 17.7.1975 – II R 141/74, BStBl. II 1976, 159.
936 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.97 Kap. 8
Bei Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum wird die Steuer gem. § 7 Abs. 1 GrEStG nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, den der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten Grundstück beteiligt ist. Entsprechendes gilt für Gesamthandsachverhalte. Gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG sind der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, Schenkungen unter einer Auflage unterliegen jedoch hinsichtlich des Werts der Auflagen der Besteuerung. Bei der Immobilienübertragung unter nahestehenden Personen behält sich der Übergeber häufig ein lebenslanges Nießbrauchsrecht für sich und seinen Ehegatten vor. Bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2008 wurden Immobilien im Privatvermögen häufig unter Vereinbarung einer Versorgungsrente für den Übergeber übertragen. Da die Finanzverwaltung1 derartige Renten als einkommensteuerpflichtige Veräußerungsrenten betrachtet, wird dies nur noch bewusst als Ausweichgestaltung vereinbart2, um AfA-Volumen zu gerieren. Bei dem nachfolgend unter X vorgeschlagenen Gesellschaftsvertrag einer vermögens- 8.96 verwaltenden Kommanditgesellschaft stellt der vorbehaltene Nießbrauch an dem eingebrachten Grundbesitz sowie an den Kommanditanteilen eine grunderwerbsteuerbare Gegenleistung dar, die Grunderwerbsteuer auslöst, soweit nicht die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 und/oder Nr. 6 GrEStG eingreift. VIII. Umsatzsteuer Literatur: BMF v. 16.11.2020, III C 2 - S 7100-b/19/10001:004, BStBl. 2020 I S. 1267; Beer/ Zugmaier, BFH lockert Kriterien für die Geschäftsveräußerung im Ganzen, MittBayNot 2008, 359; Bihler, Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungstätigkeit, NWB 2021, 626; Hage/Hoffmann, Die vorsorgliche Option im Kaufvertrag bei Grundstücksübertragungen im Grenzbereich einer Geschäftsveräußerung im Ganzen, Stbg 2020, 265; Klink, Die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Immobilientransaktionen – neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung, UVR 2021, 114; Küffner/Zugmaier, Gesellschaften und Gesellschafter im Umsatzsteuerrecht, DStR 2007, 472; Küffner/Zugmaier, Virtuelle Optionen im Umsatzsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 324; Masuch/Fetzer, Personengesellschaften als umsatzsteuerliche Organgesellschaften – Der Versuch der Finanzverwaltung, die Folgen der Rechtsprechung einzudämmen, NWB 2020, 3468; Müller, Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietungstätigkeit – Zugleich eine Einordnung des BMF-Schreibens vom 16.11.2020, UR 2021, 7; Tehler, Die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen in der neueren Rechtsprechung, UVR 2016, 271; Zugmaier, Neue Anforderungen an Umsatzsteuerklauseln in Grundstückskaufverträgen, MittBayNot 2013, 427.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und 8.97 sonstigen Leistungen, die ein Unternehmen im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff ist weiter gefasst als der einkommensteuerliche und umfasst gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG alle selbständig gewerblich oder beruflich ausgeübten Tätigkeiten. 1 IV. Rentenerlass, BStBl. I 2010, Tz. 57; so nun auch der BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166. 2 Vgl. Spiegelberger, DSR 2010, 1880.
Wälzholz 937
Kap. 8 Rz. 8.98 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
8.98 Die Veräußerung einer Immobilie durch einen Unternehmer ist grds. ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbarer und nach § 4 Nr. 9a UStG von der Umsatzsteuer befreiter Vorgang. Ebenso ist die Veräußerung eines Gesellschaftsanteiles umsatzsteuerbar, aber gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG von der Umsatzsteuer befreit (s. Rz. 1.1200). 8.99 Sofern eine Immobilie oder ein Anteil an einer immobilienhaltenden Gesellschaft im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen übertragen wird, ist der gesamte Vorgang gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht umsatzsteuerbar, wenn der Erwerber die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers fortführt (zu Einzelheiten s. Rz. 1.1241 ff.). Die Abgrenzungskriterien der Geschäftsveräußerung sind nicht immer klar und basieren zum Großteil auf gerichtlichen Einzelfallentscheidungen, die vor allem die europarechtlichen Vorgaben zu beachten haben1. Wegen dieser Unsicherheit nehmen die Vertragsteile häufig bei der notariellen Beurkundung eine vorsorgliche Optionsklausel in den notariellen Übertragungsvertrag auf; zu Einzelheiten s. Rz. 1.1252 ff. sowie die Musterklausel M7 (Rz. 1.1256). Mit dieser bedingten („vorsorglichen“) Option unterwirft der Veräußerer freiwillig den Grundstückskauf der Umsatzbesteuerung und verhindert damit die Vorsteuerberichtigung gem. § 15a Abs. 1 UStG. 8.100 Für den Fall der Grundstücksübertragung unter Nießbrauchvorbehalt entnimmt nach Auffassung des BFH2 und der Finanzverwaltung3 der Veräußerer das Grundstück nicht aus seinem Unternehmen. Er überträgt lediglich das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum. Der Erwerber erlangt an der Immobilie keine Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Auch eine unentgeltliche Wertabgabe liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht bei dem veräußernden Unternehmer verblieben ist. Eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG ist nicht durchzuführen4. 8.101 Bei der Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers. Auch die Fortführung der Vermietungstätigkeit stellt ein Unternehmen i.S.d. Umsatzsteuerrechts dar, unabhängig davon, ob die Mieteinnahmen als Gewinn aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu charakterisieren sind5. Sofern jedoch bei der Übertragung eines Grundstücks dieses an den Veräußerer verpachtet wird und der Veräußerer das Grundstück einem Dritten unterverpachtet, soll nach Auffassung der OFD Hannover6 eine Entnahme aus dem Unternehmen vorliegen. 8.102–8.103 Einstweilen frei. 1 Siehe dazu BMF v. 16.11.2020 – III C 2 - S 7100-b/19/10001:004, BStBl. 2020 I S. 1267; Beer/Zugmaier, MittBayNot 2008, 359; Bihler, NWB 2021, 626; Hage/Hoffmann, Stbg 2020, 265; Klink, UVR 2021, 114; Müller, UR 2021, 7; Tehler, UVR 2016, 271; Zugmaier, MittBayNot 2013, 427. 2 Vgl. BFH v. 26.4.1995 – XI R 5/94, BStBl. II 1996, 248. 3 Vgl. OFD Hannover, DStR 1998, 608. 4 BFH v. 13.11.1997 – V R 66/96, DB 1998 S. 243 = DStR 1998, 166; vgl. auch Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 2 Rz. 164. 5 BFH v. 14.5.1970 – V R 117/66, BStBl. 1970 II 676. 6 OFD Hannover, DStR 1998, 607.
938 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.106 Kap. 8
IX. Schenkungsteuer Literatur: Bruschke, Gutachterkosten als Nachlassverbindlichkeit im Erbschaftsteuerrecht, ErbStB 2014, 133; Felten, Transparenz der vermögensverwaltenden Personengesellschaft im Erbschaftsteuerrecht – Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unmittelbarkeit i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, DStR 2012, 1218; Halaczinsky, Ist eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Grunderwerbsteuer möglich?, ZEV 2003, 97; Halaczinsky, Grundstücksbewertung im Erbschaftsteuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 187; Leitzen, Abfindungsklauseln bei Personengesellschaften und GmbHs – Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen der Erbschaftsteuerreform, RNotZ 2009, 315; Nettersheim, Verlustverrechnung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, EStB 2015, 302; Spiegelberger, Erbschaftsteuerliche Leitlinien der vorweggenommenen Erbfolge, Stbg 2005, 545; Viskorf, Neueste Rechtsentwicklungen an der Grenzlinie zwischen Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 GrEStG), FS für Spiegelberger (2009), 518.
Das am 1.1.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerreformgesetz1 hat insbesondere 8.104 bei der Bewertung von Grundbesitz Veränderungen mit sich gebracht. Die Bewertung von Immobilien wurde oben in Rz. 1.1443 ff. dargelegt, die Schenkungsteuerpflicht bei unentgeltlichen und teilentgeltlichen Rechtsgeschäften über steuerliches Privatvermögen in Rz. 1.1389 ff. Der Gesetzgeber hat am 4.11.2016 das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG2 erlassen. Die Neuregelung beschränkt sich im Wesentlichen auf Betriebsvermögen durch die Änderung der §§ 13a, 13b, 13c, 19a, 28 und 28a ErbStG (s. oben Rz. 1.5011 ff.); die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf steuerliches Privatvermögen. 1. Steuerpflicht Die unentgeltliche Übertragung eines Personengesellschaftsanteils unterliegt der 8.105 Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG gilt der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die nicht unter § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG fällt, also nicht wie Betriebsvermögen zu bewerten ist, als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter; die dabei übergehenden Schulden und Lasten der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln. Trotz der Transparenzbetrachtung des § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG ist strittig, ob die Begünstigungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b, 4c ErbStG gewährt werden können, wenn das Familienheim sich in dem Gesamthandseigentum einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft befindet.3 Bringen Miteigentümer mehrerer Grundstücke ihre Miteigentumsanteile in eine Per- 8.106 sonengesellschaft mit Vermietungseinkünften ein, sind keine Anschaffungsvorgänge 1 BStBl. I 2009, 140. 2 BStBl. I 2016, 1202. 3 Siehe Vosseler/Regierer, ZEV 2018, 434; Heinze, DStR 2020, 2107; Geck, ZEV 2013, 601; Hübner, DStR 2013, 2257; von Oertzen/Reich, ZEV 2021, 215.
Wälzholz 939
Kap. 8 Rz. 8.106 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
gegeben, soweit die den Gesellschaftern nach der Übertragung ihrer Miteigentumsanteile nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden Anteile an den Grundstücken ihre bisherigen Miteigentumsanteile nicht übersteigen. Anschaffungsvorgänge liegen nur insoweit vor, als sich die Anteile der Gesellschafter an den jeweiligen Grundstücken gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten erhöht haben1. Nach der Rechtsprechung des BFH2 führt selbst die Zurückbehaltung des wirtschaftlichen Eigentums zum Übergang des Bucheigentums; dies reicht zur Schenkungsbesteuerung. Gegen enumerative Rücktrittsvorbehalte, die die Sicherung des Familienvermögens im Auge haben, bestehen weder einkommensteuerliche noch schenkungsteuerliche Bedenken3. Schenkungsteuerlich können Rückforderungsrechte wegen § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sogar mit erheblichen Vorteilen verbunden sein und gezielt als Steuerklausel ausgestaltet werden. 2. Steuerklasse der Beschenkten
8.107 Im BFH-Urteil vom 14.9.19944 bezeichnet der BFH die Gesamthänder als vermögensmäßig bereichert, wenn einer Gesamthandsgemeinschaft durch Erbanfall oder Schenkung Vermögen zufällt, unabhängig von der Frage, ob zivilrechtlich ggf. die Gesamthand Erbin oder Beschenkte ist. Erwerber und damit Steuerschuldner i.S.v. § 20 ErbStG sind in einem solchen Fall die Gesamthänder, so dass für die Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Schenker und Beschenktem maßgebend ist. Diese Transparenzbetrachtung hat der BFH in 2020 erneut bestätigt.5 Die entgegenstehende frühere Rechtsprechung6 wurde ausdrücklich aufgegeben. X. Beurkundung des Gesellschaftsvertrags 1. Beispiel
8.108 Die Ehegatten E wollen ihre beiden Kinder S und T im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihrem Grundbesitz beteiligen und eine vermögensverwaltende KG errichten. Die
1 BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205 = FR 2012, 164 m. Anm. Bode = DB 2011, 2752 = MittBayNot 2012, 329; v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679 = FR 2008, 1167 = NJW 2008, 3662; v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 = FR 2005, 194 = DB 2004, 2728 = NJW 2005, 1215; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 8. Vgl. dazu auch Gottwald, MittBayNot 2001, 8 (14 f.); Reich, ZNotP 2000, 479 (483 f.). 2 BFH v. 22.9.1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 13.9.1989 – II R 67/86, BStBl. II 1989, 1034 = NJW 1990, 1750 = DB 1990, 90 = MittRhNotK 1990, 89; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669 (672) = ZEV 2007, 440. 3 Meyding, ZEV 1995, 397; Jütte, ZEV 1995, 403; Spiegelberger, DStR 1995, 1702. 4 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 = DB 1995, = ZEV 1995, 74 = DNotZ 1995, 300. 5 BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, BStBl. II 2020, 658; siehe dazu auch Milatz/Schulz, StBG 2020, 15 ff.; Leidel, DStR 2021, 13; Wachter, GmbHR 2020, 1041. 6 BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237 = NJW 1989, 2495 = MittRhNotK 1989, 201.
940 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.109 Kap. 8
Kinder werden gleichzeitig mit der Gründung und Entstehung der KG aufgenommen; sie sind bereits volljährig.
Ertragssteuerlich vorteilhaft stellt sich insbesondere die (Mit-)Beteiligung Minderjähriger an einer vermögensverwaltenden Familien-KG dar, und zwar wegen der Möglichkeit, – Einkünfte der Gesellschaft auf mehrere Personen zu verteilen, um damit den Grundfreibetrag mehrfach in Anspruch nehmen zu können sowie einen Progressionsvorteil zu erreichen, der die ertragsteuerliche Belastung des von der Familie zu versteuernden Gesamteinkommens abschwächt. Damit soll eine Art „Familiensplitting“ erreicht werden1; – das von der KG verwaltete Vermögen trotz der „unternehmerischen“ Gestalt der Gesellschaft steuerlich als Privatvermögen weiterzuführen; – Schenkungsfreibeträge (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) durch die frühzeitige Beteiligung minderjähriger Kinder wiederholt, also alle zehn Jahre auszunutzen2. – Mit einer schenkweisen Einräumung einer Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil, die nicht die Voraussetzungen einer atypischen Unterbeteiligung erfüllt, wird noch kein Vermögensgegenstand zugewendet; bereichert ist der Zuwendungsempfänger erst, wenn ihm aus der Unterbeteiligung tatsächlich Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse zufließen3. 2. Urkundengestaltung Die vorgeschlagene Urkundengestaltung entspricht im Wesentlichen dem Formulierungsvorschlag von Christl in Spiegelberger, Unternehmensnachfolge3, § 17 Rz. 38.
8.109
M70 Vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft URNr. KG-Vertrag Beurkundet am … Auf Ansuchen beurkunde ich nach Grundbucheinsicht und bei gleichzeitiger Anwesenheit der Erschienenen ihren vor mir abgegebenen Erklärungen gemäß was folgt:
I. Sachstand Die Ehegatten E sind Eigentümer des in der Anlage I aufgeführten Grundbesitzes in dem dort angegebenen Beteiligungsverhältnis. 1 Siehe Autenrieth, DStZ 1992, 86; Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12383; Limmer, ZFE 2004, 40; Königer/Ziegler, FR 2011, 937. 2 Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707. 3 BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631; v. 18.9.2013 – II R 63/11, BFH/NV 2014, 349.
Wälzholz 941
Kap. 8 Rz. 8.109 Vermögensverwaltende Personengesellschaften Die Beteiligten erklären, dass sie auf eigene Rechnung handeln und keine politisch exponierte Person sind, einer solchen nicht nahe stehen und mit einer solchen nicht verwandt sind.
II. Einbringung; Überlassung Die Ehegatten E – im Folgenden kurz „Übergeber“ oder „Einbringender“ – bringen hiermit den in Abschnitt I und der Anlage I zu dieser Urkunde bezeichneten Grundbesitz samt allen Rechten, Pflichten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör in eine Kommanditgesellschaft ein, die nach Maßgabe des dieser Urkunde als Anlage II beigefügten Gesellschaftsvertrages errichtet wird, der vom Notar mit verlesen wurde und einen wesentlichen Bestandteil dieser Urkunde bildet. Gleichzeitig mit der Gründung der KG samt Vereinbarung des Gesellschaftsvertrages und der Einbringung des Vermögens, werden den Beteiligten zu 2 und 3, den Kindern der Einbringenden, die Gesellschaftsanteile an der KG zugewandt. Der Beitritt der Kinder zur Gesellschaft wird erst wirksam mit der Eintragung der KG in das Handelsregister samt Eintragung des jeweiligen Kindes als Kommanditist.
III. Auflassung Die Vertragsteile sind sich darüber einig, dass das Eigentum an dem in Anlage I aufgeführten Grundbesitz auf die Kommanditgesellschaft als Alleineigentümerin übergeht und bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.1 Soweit die KG erst durch Eintragung in das Handelsregister entsteht, handelt es sich vor der Eintragung um eine GbR. Insoweit handeln alle Beteiligten bei der Erklärung und Entgegennahme der Auflassung auch im Namen der zwischenzeitlich bestehenden GbR als deren einzige Gesellschafter. Der Grundbuchvollzug soll gleichwohl erst nach Eintragung der KG in das Handelsregister erfolgen.
IV. Nießbrauchsrechte 1. Jeder Ehegatte behält sich an dem von ihm eingebrachten Grundbesitz den lebenslangen Nießbrauch vor, für den die gesetzlichen Bestimmungen gelten, jedoch mit der Abweichung2, dass der Nießbraucher auch die außerordentlichen Lasten und die dem Eigentümer obliegenden Aufwendungen, insbesondere auch die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen, zu tragen hat. 2. Die Eintragung dieser Nießbrauchsrechte an dem von dem jeweiligen Nießbraucher eingebrachten Grundbesitz wird bewilligt und beantragt zugunsten der Einbringenden
1 Diese Vertragsgestaltung setzt grundbuchrechtlich voraus, dass die KG vorab im Handelsregister eingetragen wurde, weil eine KG erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht. Anderenfalls ist der nachfolgende Absatz mit aufzunehmen. 2 Bei selbstbewohnten Immobilien erfolgt keine einkommensteuerliche Erfassung, während bei vermieteten Immobilien zur Vermeidung des Werbungskostenleerlaufs alle Aufwendungen dem Nießbraucher auferlegt werden sollten.
942 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.109 Kap. 8
als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB, mit der Maßgabe, dass der Nießbrauch dem längerlebenden Übergeber allein zusteht.1 3. Ferner behalten sich die Übergeber auf Lebensdauer des Längstlebenden als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB das Nießbrauchsrecht an den ihren Kindern eingeräumten Kommanditanteilen vor. Für diese Nießbrauchsrechte gelten die Vorschriften der §§ 1068 ff. BGB (alternativ: mit der Einschränkung, dass alle Stimmrechte in der Gesellschaft von den Nießbrauchern allein ausgeübt werden, indem sie zur Stimmrechtsausübung entsprechend bevollmächtigt werden; die Beteiligten zu 2 und 3 – nachfolgend „Kinder“ – sind verpflichtet, sich der Stimmrechtsausübung zu enthalten oder dieses nur nach Maßgabe der Weisungen der Übergeber auszuüben.).
V. Besitz, Nutzungen, Lasten Der mittelbare Besitz, die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung gehen sofort auf die KG über, der unmittelbare Besitz, die Nutzungen und die übrigen Lasten mit Beendigung der vorbestellten Nießbrauchsrechte.
VI. Gewährleistung In Abt. II eingetragene Rechte werden zur weiteren Duldung übernommen. Im Übrigen wird jede Sach- und Rechtsmängelhaftung ausgeschlossen.
VII. Aufschiebend bedingte Schuldübernahme Hinsichtlich der Belastungen in Abt. III des Grundbuches wird auf die dieser Urkunde beigefügte Anlage I Bezug genommen. Die Kommanditgesellschaft übernimmt diese Belastungen samt den dinglichen Unterwerfungsklauseln in dinglicher Haftung. Sie übernimmt auch die diesen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten und die sonstigen Verpflichtungen aus den Darlehensverhältnissen aufschiebend bedingt zum Zeitpunkt des Erlöschens der in Abschn. IV. bestellten Nießbrauchsrechte mit dem zu diesem Zeitpunkt gegebenen Stand der Verbindlichkeiten im Wege der befreienden Schuldübernahme. Die Übergeber sind zur weiteren Valutierung des von ihnen eingebrachten Grundbesitzes befugt (alternativ: nicht mehr befugt). Die Kommanditgesellschaft übernimmt zum Zwecke der künftigen Neuvalutierung für den Eingang des jeweiligen nominellen Grundpfandrechtsbetrages samt Zinsen ab Eintragung im Grundbuch die persönliche Haftung gem. § 780 BGB. Wegen dieser Schuldverpflichtung in Haupt- und Nebensache unterwirft sich die Kommanditgesellschaft der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Vollstreckungsklauseln können ohne Nachweis der die Vollstreckbarkeit begründenden Umstände jederzeit erteilt werden. Jeder Übergeber tritt an die Kommanditgesellschaft zum Zeitpunkt des Erlöschens aller Nießbrauchsrechte gem. Abschn. IV. die ihm hinsichtlich des jeweils übernommenen 1 Die gewählte Formulierung unterstellt, dass der Grundbesitz von beiden Einbringenden aus hälftigem Miteigentum eingebracht wird. Ab dem Ableben des ersten Einbringenden handelt es sich hälftig dann um einen Zuwendungsnießbrauch, so dass die hälftige AfA dann wegfällt.
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Kap. 8 Rz. 8.109 Vermögensverwaltende Personengesellschaften Grundpfandrechtes zustehenden Ansprüche auf Löschung, Rückübertragung oder Verzicht sowie sämtliche Eigentümerrechte ab und bewilligt die entsprechende Umschreibung im Grundbuch.
VIII. Zugewinnausgleich Soweit ein Ehegatte durch die Grundbesitzeinbringung überquotal erwirbt, erfolgt dies in Anrechnung auf künftige Zugewinnausgleichsansprüche.
IX. Pflichtteilsanrechnung und Erbausgleichung1 Die Überlassung von Kommanditanteilen an die Kinder der Übergeber erfolgt unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf die Pflichtteilsansprüche des jeweils erwerbenden Gesellschafters am künftigen Nachlass der Übergeber. Sofern der Gesellschaftsanteil zum Zeitpunkt des Erbfalls einen geringeren Wert darstellt, ist dieser Wert für die Pflichtteilsanrechnung maßgebend. Eine Erbausgleichung gem. § 2050 BGB wird ausgeschlossen. Im Falle der Ausübung des Rücktrittes gem. Abschn. X. entfällt die Pflichtteilsanrechnung. Ein Pflichtteilsverzicht wird nicht vereinbart. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass der Veräußerer die Anwendbarkeit des deutschen Erbrechtes und die Wirksamkeit seiner erbrechtlichen Verfügungen und Vereinbarungen für den Fall seines Wegzuges aus Deutschland mit einer das deutsche Recht wählenden letztwilligen Verfügung sicherstellen muss.
X. Rücktritt 1. Die Übergeber sind berechtigt, von dem schuldrechtlichen Teil dieses Vertrages zurückzutreten und die unentgeltliche Rückübertragung der ihren Kindern – nachfolgend „Erwerber“ genannt – eingeräumten Gesellschaftsanteile zu verlangen, wenn – der Erwerber den Vertragsgegenstand ohne schriftliche Zustimmung des Übergebers veräußert, belastet oder eine Unterbeteiligung bestellt, – der Erwerber vor dem Übergeber verstirbt, ohne dass das Eigentum an dem Vertragsgegenstand ausschließlich auf leibliche Abkömmlinge des Erwerbers übergeht, – eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt, so dass bei ungehindertem Fortgang der Ereignisse innerhalb von spätestens 12 Monaten mit dem Eintritt einer Insolvenzantragspflicht zu rechnen ist oder die Zwangsvollstreckung in den Vertragsgegenstand betrieben wird, ohne dass der Erwerber die Maßnahme innerhalb von drei Monaten abwendet, – der Erwerber hinsichtlich einer gegenwärtigen oder zukünftigen Ehe für mindestens drei Monate dauernd getrennt im Sinne des § 1567 BGB lebt,
1 Die Erbausgleichung gem. § 2050 BGB im Falle der gesetzlichen Erbfolge enthält ein erhebliches Streitpotential, insbesondere bei unterschiedlicher Ausbildung der Kinder, so dass in der Praxis den Eltern zu empfehlen ist, eine gewollte Erbausgleichung selbst testamentarisch mit konkreten Regelungen zu treffen.
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.109 Kap. 8
– der Erwerber einen Ehevertrag mit dem in § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der KG bezeichneten Inhalt auf Verlangen innerhalb angemessener Frist nicht nachweist oder einen derartigen Ehevertrag ohne Zustimmung der übrigen Vertragsteile aufhebt, – der Erwerber sich einer in einem Sektenbericht des Bundes, eines Bundeslandes oder einer öffentlich-rechtlichen Religionskörperschaft aufgeführten Sekte oder einer im „Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen“ des Bayerischen Staatsministeriums des Innern in der jeweils gültigen Fassung aufgeführten Vereinigung anschließt, – der Erwerber der Spiel-, Drogen- oder Alkoholsucht verfällt, so dass seine Erwerbstätigkeit oder sein berufliches Fortkommen erheblich beeinträchtigt ist oder – aufgrund dieser Urkunde Schenkungsteuer/Erbschaftsteuer in Höhe von mehr als Euro ,– anfällt, wobei der Rücktritt auch teilweise ausgeübt werden kann, um den steuerfrei übergegangenen Anteil dem Erwerber zu belassen. Auf die Ursache des Anfalls von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer kommt es nicht an. Der Rücktritt kann bereits ab dem Ergehen eines Schenkungsteuerbescheides ausgeübt werden, unabhängig vom Eintritt der Bestandskraft. Die nachfolgend vereinbarte Ausübungsfrist läuft jedoch erst ab Eintritt der formellen Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheides an. 2. Jeder Erwerber überträgt hiermit dinglich seinen heute erworbenen Gesellschaftsanteil unter der Bedingung der berechtigten schriftlichen Ausübung des Rücktrittsrechtes auf die Übergeber als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB im Handelsregister zurück; soweit beide Übergeber noch leben erfolgt die Rückverfügung an beide Übergeber je zu gleichen Teilen, hilfsweise an den längerlebenden Übergeber allein. 3. Gezogene Nutzungen und erbrachte Aufwendungen sind nicht zu ersetzen. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Rücktrittsbestimmungen der §§ 346 ff. BGB. Die durch die Rückübertragung entstehenden Kosten hat der den Rücktritt verursachende Erwerber zu tragen. 4. Das Rücktrittsrecht ist nicht übertragbar und vererblich, so dass es mit dem Ableben des Längstlebenden der Übergeber erlischt, es sei denn das Rückforderungsrecht wäre bereits zu Lebzeiten eines der Übergeber wirksam ausgeübt worden; dann sind die aus dem Rücktritt folgenden Ansprüche vererblich.
XI. Einkommensteuerliche Erklärungen Die Kommanditgesellschaft ist ausschließlich vermögensverwaltend tätig. Aufgrund der vorstehend für die Übergeber bestellten Nießbrauchsrechte am eingebrachten Grundbesitz hat die Gesellschaft auf Lebensdauer der Nießbraucher keine eigenen Einkünfte. Es wird daher beantragt, unverändert Gewinne ausschließlich bei den Nießbrauchern festzustellen, keine gesonderte Gewinnfeststellung gem. § 180 AO durchzuführen und der Gesellschaft eine Einkommensteuernummer erst zuzuteilen, wenn die bestellten Nießbrauchsrechte erloschen sind.
XII. Datensperre Die Beteiligten beauftragen den Notar, eine Abschrift dieser Urkunde der Industrie- und Handelskammer zum Nachweis dafür zu übersenden, dass aufgrund der reinen privaten Wälzholz 945
Kap. 8 Rz. 8.109 Vermögensverwaltende Personengesellschaften Vermögensverwaltung keine Mitgliedschaft bei der IHK besteht, so dass auch keine Beitragsbescheide ergehen dürfen. Die Beteiligten widersprechen der Übermittlung der Daten nach § 9 Abs. 4 Satz 2 IHKG an nicht-öffentliche Stellen. Die Beteiligten widersprechen der Speicherung der oben aufgeführten Unternehmensgrunddaten in der zentralen Firmendatenbank der Industrie- und Handelskammer und damit auch der Veröffentlichung dieser Daten im Internet.
XIII. Hinweis Die Beteiligten wurden vor betrügerischen Kostenrechnungen für unbestellte Eintragungen in private Verzeichnisse und Register gewarnt.
XIV. Schlussbestimmungen Die Kosten dieser Urkunde und des Vollzuges trägt die Kommanditgesellschaft. Eine etwa entstehende Erbschaftsteuer bzw. Grunderwerbsteuer hat der jeweilige Erwerber zu tragen. Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen die Beteiligten, beglaubigte Abschriften die zuständigen Grundbuchämter, einfache Abschriften das Zentralfinanzamt – Schenkungsteuerstelle; das Belegenheitsfinanzamt – Grunderwerbsteuerstelle; das Finanzamt am Sitz der Gesellschaft – Einkommensteuerstelle; die Industrie- und Handelskammer. Samt Anlagen I und II vorgelesen vom Notar … Anlage I Grundbesitz Flst. Nr. … der Gemarkung … vorgetragen im Grundbuch des AG … Der Grundbesitz ist belastet wie folgt: Abt. II […] Abt. III […]
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.109 Kap. 8
Anlage II Gesellschaftsvertrag
§ 1 Firma, Sitz Die Firma der Gesellschaft lautet: E Immo KG Sitz der Gesellschaft ist Adorf.
§ 2 Zweck der Gesellschaft Zweck der Gesellschaft ist die Verwaltung von eigenem Grundbesitz.
§ 3 Dauer der Gesellschaft Die Dauer der Gesellschaft ist unbestimmt. Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft mit einer Frist von einem halben Jahr zum darauffolgenden Jahresende kündigen, frühestens zum 31.12.2046. Die Gesellschaft ist also befristet bis zum Ablauf des 31.12.2046 und wird danach als unbefristete Gesellschaft fortgesetzt. Bis zum Ablauf der Befristung kann die Gesellschaft nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Sofern die vorstehend vereinbarte Befristung unangemessen lang und damit unwirksam sein sollte, so wird die Befristung hilfsweise bis zum Ablauf des 31.12.2040, wiederum hilfsweise zum Ablauf des 31.12.2036, wiederum hilfsweise zum Ablauf des 31.12.2032 vereinbart.
§ 4 Gesellschafter 1. Persönlich haftende Gesellschafter (Komplementäre) sind die Ehegatten E mit einem Gesellschaftsanteil i.H.v. je ein Viertel. Der Kapitalanteil jedes Komplementärs beläuft sich auf 1.000 Euro. 2. Kommanditisten sind deren Kinder S und T mit einer Kommanditeinlage i.H.v. je 1.000 b, die einer Beteiligung von je ein Viertel entspricht. 3. Die Einlagen sind durch die Einbringung des Grundbesitzes der Ehegatten E in die Gesellschaft erbracht. Die Einbringung erfolgt also zu einem Viertel für Rechnung jedes Gesellschafters. Der Wert des eingebrachten Vermögens wird vollständig dem Eigenkapital der Gesellschaft gutgeschrieben. Forderungsgutschriften zugunsten der Gesellschafter erfolgen nicht. 4. Die Gesellschaftsanteile sind unveränderlich, so dass sich der Anteil eines jeden Gesellschafters insbesondere nicht durch Gewinne oder Verluste, Einlagen oder Entnahmen verändert.
§ 5 Vertretung und Geschäftsführung 1. Die Gesellschaft wird kraft Gesetzes von den Komplementären, den Ehegatten E, vertreten. Jeder Komplementär ist befugt, Rechtsgeschäfte mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vorzunehmen. Jeder Komplementär vertritt die Gesellschaft einzeln. Wälzholz 947
Kap. 8 Rz. 8.109 Vermögensverwaltende Personengesellschaften 2. Bei der Auflösung der Gesellschaft sind die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Komplementäre als Liquidatoren berufen, mehrere als Gesamtvertretungsberechtigte. 3. Jeder Komplementär wird unwiderruflich bevollmächtigt, Anmeldungen zum Handelsregister jeder Art auch für die Kommanditisten vorzunehmen und in diesem Zusammenhang sämtliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Vollmacht erlischt nicht durch das Ableben des jeweiligen Vollmachtgebers.
§ 6 Gewinn- und Verlustverteilung 1. Es werden nur die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten erforderlichen Konten geführt. Die Bildung einer gesamthänderisch gebundenen Rücklage, an der alle Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft beteiligt sind, ist zulässig. 2. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt im Verhältnis der Beteiligungsquoten.
§ 7 Gesellschafterbeschlüsse Die Gesellschafter entscheiden über die ihnen nach dem Gesetz oder diesem Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Angelegenheiten durch Beschluss mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Stimmen. Je 1 % der Beteiligungsquote an der Gesellschaft gewähren eine Stimme. Jedem Gründungskomplementär steht ein Vetorecht zu, so dass jeder Beschluss stets der Zustimmung jedes Gründungskomplementärs bedarf. Das Vetorecht ist weder vererblich noch übertragbar und geht nicht auf evtl. Rechtsnachfolger über. Die Gesellschafter entscheiden über die Änderung des Gesellschaftsvertrages durch Beschluss mit 75%iger Mehrheit der vorhandenen Stimmen. Gesellschafterversammlungen sind mit einer Ladungsfrist von mindestens sieben Tagen durch mindestens einen Komplementär einzuberufen. Eine ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung ist stets beschlussfähig.
§ 8 Überschussrechnung Die Ermittlung der Einkünfte der Gesellschaft erfolgt durch Einnahme-/Werbungskosten-/Überschussrechnung.
§ 9 Ausscheiden eines Gesellschafters 1. Bei Kündigung der Gesellschaft sowie bei Ausschließung oder Insolvenz eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern – nach Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters – von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. 2. Besteht die Gesellschaft nur aus zwei Gesellschaftern und scheidet einer von ihnen aus oder scheiden gleichzeitig mehrere Gesellschafter aus, so dass nur ein Gesellschafter übrig bleibt, so steht dem verbleibenden Gesellschafter ein Übernahmerecht zu, das gegenüber den Ausscheidenden durch rechtsgestaltende Willenserklärung innerhalb von drei Monaten auszuüben ist. Macht der verbleibende Gesellschafter von seinem Übernahmerecht Gebrauch, so wächst das Gesellschaftsvermögen dem Übernehmenden ohne Einzelübertragung an; die Ausscheidenden sind gem. § 11 abzufin-
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.109 Kap. 8
den. Wird das Übernahmerecht nicht ausgeübt, so wird die Gesellschaft aufgelöst und liquidiert.
§ 10 Ausschließung 1. Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet oder wird die Zwangsvollstreckung in sein Auseinandersetzungsguthaben oder ein sonstiges Gesellschafterrecht betrieben, so können die übrigen Gesellschafter seinen Ausschluss aus der Gesellschaft beschließen. Der Ausschluss wird mit der Bekanntgabe des Beschlusses, im Falle der Einzelzwangsvollstreckung jedoch erst drei Monate nach Bekanntgabe des Beschlusses wirksam, es sei denn, dass der betroffene Gesellschafter bis dahin die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen abgewendet hat. 2. Sofern ein Gesellschafter mit seinem (künftigen) Ehegatten nicht Gütertrennung nach Maßgabe der Bestimmungen des BGB oder modifizierte Zugewinngemeinschaft mit dem Inhalt vereinbart, dass der Gesellschaftsanteil aus einem Zugewinnausgleich im Fall des Güterstandswechsels, insbesondere der Scheidung der Ehe und aufgrund eines gesonderten Pflichtteilsverzichtes aus dem Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten ausgenommen wird, kann die Gesellschaft ebenfalls nach vorheriger fruchtloser Fristsetzung mit einer Frist von drei Monaten zur Nachholung dieser Vereinbarungen die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters beschließen. 3. Im Übrigen kann ein Gesellschafter ausgeschlossen werden, wenn hierzu ein wichtiger Grund vorliegt, d.h. wenn der Gesellschafter durch sein Verhalten die Gesellschaftsinteressen schädigt oder wenn aufgrund seines Verhaltens den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.
§ 11 Abfindung 1. Wenn ein Gesellschafter die Gesellschaft kündigt oder sonst aus der Gesellschaft ausscheidet, erhält er eine Abfindung. Der Abfindungsausschluss für den Todesfall nach § 13 des Gesellschaftsvertrages gilt vorrangig. 2. Der Abfindungsbetrag wird von dem für die Gesellschaft tätigen Steuerberater als Schiedsgutachter gem. § 317 Abs. 1 BGB auf den Tag des Ausscheidens ermittelt. Zur Erhaltung des Vermögens der Gesellschaft als Familiengut wird für die Bemessung der Abfindung nur 60 % des Verkehrswertes zugrunde gelegt. Im Streitfall entscheidet ein von dem Steuerberater der Gesellschaft zu benennender vereidigter Sachverständiger für das Grundstückswesen als Schiedsgutachter gem. § 317 Abs. 1 BGB verbindlich. Gebildete Rücklagen bleiben unberücksichtigt. Aus dem so ermittelten Gesellschaftsvermögen erhält der ausscheidende Gesellschafter eine seinem Gesellschaftsanteil entsprechende Abfindung. Im Falle der Ausschließung gem. § 10 dieses Vertrages werden für die Berechnung der Abfindung nur 50 % des Verkehrswertes der Gesellschaft zugrunde gelegt. Sofern die vorstehende Abfindungsbeschränkung im konkreten Einzelfall unwirksam sein sollte oder sonst nicht anerkannt oder angepasst werden sollte, so ist die niedrigste im konkreten Einzelfall noch zulässige Abfindung geschuldet. 3. Das Abfindungsguthaben ist in drei gleichen, unmittelbar aufeinander folgenden Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist ein Jahr nach dem Ausscheidungsstichtag zur Zahlung fällig und ab dem Ausscheidungsstichtag mit 2 % über dem BasiszinsWälzholz 949
Kap. 8 Rz. 8.109 Vermögensverwaltende Personengesellschaften satz gem. § 247 BGB zu verzinsen. Zinsen sind jeweils mit den Jahresraten zu entrichten. Sicherheitsleistung kann nicht gefordert werden. Vorzeitige Tilgung ist statthaft. 4. Die Gesellschaft ist auch berechtigt, dem ausscheidenden Gesellschafter in Anrechnung auf die Barabfindung eine Immobilie aus dem Gesellschaftsvermögen ganz oder teilweise zu Eigentum zu übertragen.
§ 12 Verfügung über Gesellschaftsanteile 1. Jeder Gesellschafter kann seinen Gesellschaftsanteil ganz oder teilweise auf leibliche Abkömmlinge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. 2. Alle übrigen Verfügungen über einen Gesellschaftsanteil bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen schriftlichen Zustimmung jedes Komplementärs. Diese Verfügungsbeschränkung gilt/gilt nicht für die Gründungskomplementäre.
§ 13 Ableben eines Gesellschafters 1. Bei Ableben eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit dessen Erben oder den Vermächtnisnehmern fortgesetzt, sofern es sich hierbei um Mitgesellschafter oder Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter Eheleute E handelt oder innerhalb eines Jahres nach dem Versterben des Gesellschafters der Gesellschaftsanteil auf Mitgesellschafter oder Abkömmlinge der Gründungsgesellschafter Eheleute E übertragen wird. Andernfalls scheidet der verstorbene Gesellschafter aus und wird die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Scheidet ein Gesellschafter aufgrund des Todes aus der Gesellschaft aus, so wird vorrangig vor den Bestimmungen des § 11 jegliche Abfindung ausgeschlossen. 2. Für den Fall des Ablebens eines Gesellschafters kann dessen Ehegatten ein Nießbrauchsrecht für die Zeit nach dem Ableben des Ehegatten bestellt werden. 3. Bei Ableben des letzten verbliebenen Komplementärs wird die Gesellschaft – wenn nicht die Gesellschafter die Auflösung mit Stimmenmehrheit beschließen – nicht aufgelöst, sondern von den Kommanditisten als Gesellschafter bürgerlichen Rechts fortgesetzt mit der Maßgabe, dass die Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft dann gemeinschaftlich führen und die Gesellschaft gemeinschaftlich vertreten. 4. Sind minderjährige Kommanditisten vorhanden, so bleibt die Gesellschaft Kommanditgesellschaft; die Stellung der volljährigen Kommanditisten wandelt sich in diejenige von persönlich haftenden Gesellschaftern mit gemeinschaftlicher Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis um. 5. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung über einen Gesellschaftsanteil ist zulässig.
§ 14 Liquidation Im Falle der Auflösung der Gesellschaft sind die Liquidatoren berechtigt, den Grundbesitz der Gesellschaft im Wege der Realteilung nach ihrer Entscheidung den einzelnen Gesellschaftern zuzuweisen und Wertdifferenzen aus dem Gesellschaftsvermögen in bar auszugleichen. 950 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.110 Kap. 8
§ 15 Schlussbestimmungen 1. Soweit in diesem Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung getroffen ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. 2. Die etwaige Nichtigkeit einzelner Bestimmungen berührt die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen nicht. Die Beteiligten sind verpflichtet, an Stelle der unwirksamen Bestimmungen eine dem Vertragsgedanken entsprechende Neuregelung zu treffen.
§ 16 Realteilung Zur Behebung von Gesellschafterstreitigkeiten sind die Komplementäre auch berechtigt, einzelne Kommanditisten aus der Gesellschaft auszuschließen und ihnen entsprechend dem Wert ihres Gesellschaftsanteils Immobilien der Gesellschaft als Alleineigentümer unter Anrechnung auf ihre Gesellschaftsbeteiligung zu übertragen oder eine Barabfindung zu gewähren.
§ 17 Mediation Bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dieser Urkunde ist jeder Gesellschafter erst zur Klageerhebung berechtigt, wenn zuvor ein Konfliktvermittlungsverfahren (Mediation) durchgeführt wurde. Der Streitschlichter wird vom Präsidenten des zuständigen LG, ersatzweise vom Vorsitzenden Richter des Süddeutschen Erbschiedsgerichts mit dem Sitz in München, bestimmt, wenn sich die Beteiligten nicht auf eine Person einvernehmlich einigen. Der Streitschlichter bestimmt auch das Verfahren und die Gebühren der Mediation. Jeder Gesellschafter ist berechtigt, das Konfliktvermittlungsverfahren nicht mehr weiter zu betreiben, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch in den nächsten drei Monaten zu verjähren droht und die übrigen Beteiligten nicht bereit sind, für die Dauer eines Jahres auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
3. Beteiligung von Minderjährigen Literatur: Bock, Schenkung von Kommanditanteilen an minderjährige Kinder, DNotZ 2020, 643; Brambring, Die gerichtliche Genehmigung von Geschäften nach §§ 1821, 1822 BGB nach dem FamFG, NotBZ 2009, 394; Bulkarg, Gerichtliche Genehmigung von Verträgen, MittBayNot 2011, 176; Eble, Familien- und betreuungsgerichtliche Genehmigungen im Gesellschaftsrecht, RNotZ 2021, 117; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17; Ivo, Der minderjährige Gesellschafter, ZNotP 2007, 210; Führ/Nikoleyczik, Vertretungs- und Genehmigungspflicht bei schenkweiser Übertragung von Kommanditanteilen auf Minderjährige, BB 2009, 2105; Kölmel, Der Minderjährige in der notariellen Praxis, RNotZ 2010, 1; Kölmel, Die Vertretung des minderjährigen Kindes bei der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses, MittBayNot 2011, 190; Kölmel, Neues zur Bekanntgabe des familiengerichtlichen Genehmigungsbeschlusses, MittBayNot 2012, 108; Kölmel, Der unentgeltliche Erwerb von Grundstücksrechten durch Minderjährige, RNotZ 2011, 332; Krüger, Grundstücksschenkungen an Minderjährige, ZNotP 2006, 202; Lohse/Triebel, Vermögensverwaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit minderjährigen Gesellschaftern und gerichtliche Genehmigungspraxis, ZEV 2000, 337; van de Loo/Strnad, Familiengerichtliche Genehmigung bei Übertragung von Kommandit-beteiligungen an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft auf Minderjährige, ZEV 2018, 617; Lüdecke, Vermögensverwaltung unter Beteiligung Minderjähriger,
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8.110
Kap. 8 Rz. 8.110 Vermögensverwaltende Personengesellschaften NJOZ 2018, 681; Maier-Reimer/Marx, Die Vertretung Minderjähriger beim Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen, NJW 2005, 3025; Menzel, Die Kommanditanteilsübertragung an Minderjährige, MittBayNot 2019, 222; Rust, Die Beteiligung Minderjähriger im Gesellschaftsrecht, DStR 2005, 1942 (Teil 1) und 1992 (Teil 2); Thonemann, Ergänzungspflegschaft und familien-/vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bei vorweggenommener Erbfolge, ErbStB 2007, 390 und 2008, 29; Wälzholz, Die Beteiligung Minderjähriger im Gesellschaftsrecht, INF 2007, 231; Weinbrenner, Ergänzungspflegschaft und vormundschafts-/familiengerichtliche Genehmigung bei der Schenkung von KG-Gesellschaftsanteilen an Minderjährige, FPR 2009, 265; Werner, Folgen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts für die Beteiligung von Minderjährigen an Familienunternehmen, ZEV 2021, 618.
In der Regel wollen Eltern ihre Kinder gleichmäßig beteiligen, so dass häufig neben den volljährigen Geschwistern auch Minderjährige in die Gesellschaft aufgenommen werden. Erfolgt die Beteiligung Minderjähriger unmittelbar bei der Gründung der Kommanditgesellschaft, nimmt die h.M. regelmäßig eine Genehmigungspflicht des Rechtsgeschäfts gem. § 1822 Nr. 3 BGB an. Danach ist zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäftes eingegangen wird, die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich. Dass bei vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften keine betrieblichen, sondern nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden, bleibt regelmäßig unberücksichtigt. Auch eine „Grundstücksgemeinschaft-GbR“ kann ein Erwerbsgeschäft darstellen1. Das familiengerichtliche Verfahren ist zeitaufwendig und potentiell kostenintensiv, insbesondere, wenn Ergänzungs- und Verfahrenspfleger bestellt werden. In manchen Fällen mangelt es auch an dem notwendigen wirtschaftlichen Verständnis bei den Genehmigungsbehörden. Mit Wirkung zum 1.1.2023 tritt die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft.2 Das Gesetz wurde am 4.5.2021 vom Bundestag verabschiedet und ist am 12.5.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden.3 Ab dem Inkrafttreten der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 lautet die maßgeblich und auch für Eltern und Ergänzungspfleger anwendbare Norm anstelle von § 1822 Nr. 3 BGB:
1 OLG Frankfurt a.M. v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, NJW-RR 2008, 1568 = GmbHR 2008, 1262 = ZEV 2008, 607 = DNotZ 2009, 142; Schleswig-Holst. OLG v. 27.1.2020 – 15 WF 70/19, NJW-RR 2020, 805 = GmbHR 2021, 144 = DNotZ 2020, 696; OLG Hamm v. 11.4.2000 – 2 UF 53/00, FamRZ 2001, 53; Langheld, DB 2020, 1609 ff.; Jänig/Schiemzik, NWB 2016, 1897; siehe auch OLG München vom 28.12.2017 – 2 WF 1509/17 m. Anm. Egger, MittBayNot 2019, 132 (hier im konkreten Einzelfall bei nur einer Immobilie verneint). 2 Siehe RegE eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 25.9.2020, BR-Drucks. 546/20. Siehe zu der Reform Werner, ZEV 2021, 618 ff. 3 Ges. zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021, BGBl. 2021 I, 882.
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C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.111 Kap. 8
§ 1852 Genehmigung für handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte Der Betreuer bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts 1. zu einer Verfügung und zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung, durch die der Betreute a) ein Erwerbsgeschäft oder b) einen Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, erwirbt oder veräußert, 2. zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, und 3. zur Erteilung einer Prokura. Auch unentgeltliche Erwerbsverträge werden damit ab dem 1.1.2023 in die Genehmigungspflicht einbezogen. Weiterhin kommt es auf das Vorliegen eines Erwerbsgeschäfts1 an, was auch Fälle der reinen (steuerlichen) Vermögensverwaltung erfasst. Die Abgrenzungsproblematik zum Erwerbsgeschäft bleibt und wollte der Gesetzgeber auch nicht ändern. Die Praxis behilft sich in der Weise, dass die Gründung der vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft durch die Eltern erfolgt und der zuerst als Kommanditist fungierende Elternteil den minderjährigen Kindern durch Spaltung einen Teil seines Kommanditanteils einräumt. Anschließend wechselt dieser Elternteil in die Komplementärstellung, so dass der bisherige Komplementär als Kommanditist im Handelsregister eingetragen werden kann. Nochmals kann ein volleingebrachter Kommanditanteil auf die Minderjährigen übertragen werden. Nach Ansicht des OLG München2 ist dabei die Gründung einer KG mit anschließender Anteilsabtretung ebenso von § 1822 Nr. 3 BGB analog erfasst, wie die unmittelbare Neugründung unter Beteiligung des Minderjährigen. Im Hinblick auf § 176 Abs. 2 HGB sollte zumindest bis zum Inkrafttreten des MoPeG die Anteilsabtretung an die Minderjährigen unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Minderjährigen als Kommanditist stehen. Ab dem 1.1.2024 (Inkrafttreten des MoPeG) wird § 176 Abs. 2 HGB so klargestellt, dass sich hier keine Haftungsrisiken mehr ergeben sollten. Das OLG Köln3 ist den grundsätzlichen verfahrensrechtlichen Problemen der familiengerichtlichen Genehmigung nachgegangen und hat folgende Fragen untersucht: 1 Siehe OLG Frankfurt a.M. v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, ZEV 2008, 607; OLG Schleswig v. 27.1.2020 – 14 WF 70/19, GmbHR 2021, 144; OLG Hamm v. 11.4.2000 – 2 UF 53/00, FamRZ 2001, 53; Langheld, DB 2020, 1609 ff.; Jänig/Schiemzik, NWB 2016, 1897; siehe auch OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17 m. Anm. Egger, MittBayNot 2019, 132. 2 OLG München v. 28.12.2017 – 2 WF 1509/17 m. Anm. Egger, MittBayNot 2019, 132. 3 OLG Köln v. 4.7.2011 – 21 UF 105/11, ZEV 2011, 595 = MittBayNot 2012, 131 = DNotZ 2012, 219.
Wälzholz 953
8.111
Kap. 8 Rz. 8.111 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
(1) Kann die Entscheidung über die Erteilung oder Nichterteilung der familiengerichtlichen Genehmigung unmittelbar an das minderjährige Kind bekanntgegeben werden? (2) Sind die Eltern von der Vertretung des minderjährigen Kindes bei der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses stets ausgeschlossen? (3) Wer vertritt das minderjährige Kind bei Ausschluss der Eltern? Der beurkundende Notar muss berücksichtigen, dass das von ihm beurkundete Rechtsgeschäft erst mit der Rechtskraft der familiengerichtlichen Genehmigung wirksam wird, was zumindest grundsätzlich die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses auch an den Minderjährigen voraussetzt. Hinsichtlich der Rechtskraft des Beschlusses darf er sich auf das Rechtskraftzeugnis verlassen1. Dabei kann der Notar es dem zuständigen Gericht überlassen, ob dieses einen Verfahrensbeistand oder einen Ergänzungspfleger bestellt.
8.112 Nach h.M. stellte die Übertragung eines voll erbrachten Kommanditgesellschaftsanteils einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft einen lediglich rechtlichen Vorteil dar, so dass eine familiengerichtliche Genehmigung teilweise bisher als nicht erforderlich betrachtet wurde2. Ab dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 ist jedoch auch der unentgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, genehmigungspflichtig, § 1852 BGB n.F. Die bisher vertretene Ansicht lässt sich daher für die Zukunft nicht mehr halten. Auf die lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit kommt es dann nur noch für die Frage des Erfordernisses eines Ergänzungspflegers an. Anders als bei dem Eintritt mehrerer Kinder in eine Kommanditgesellschaft durch Aufnahmevertrag kann nach einer teilweise vertretenen Ansicht bei der Übertragung von Kommanditanteilen eines Elternteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge ein Ergänzungspfleger mehrere minderjährige Kinder vertreten3. In der Praxis wird gleichwohl regelmäßig von den Familiengerichten für jedes minderjährige Kind ein separater Ergänzungspfleger bestellt. Einen Formulierungsvorschlag in Kurzfassung für die Übertragung eines volleingezahlten Kommanditanteils an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft findet sich bei Christl in Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, § 12 Rz. 96.
1 Brambring, NotBZ 2009, 394; Kölmel, NotBZ 2010, 2 (16). 2 LG Münster v. 18.7.1996 – 5 T 383/96, FamRZ 1997, 842; OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, GmbHR 2008, 1263 = ZEV 2008, 608; Thür. OLG v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, ZEV 2013, 521 = MittBayNot 2013, 387; Staudinger/Knothe, Neubearb. 2011, § 107 BGB Rz. 29; Führ/Nikoleyczik, BB 2009, 2105; Menzel/Wolf, MittBayNot 2010, 186; Gerono, MittBayNot 2013, 387, 390; a.A. OLG Frankfurt v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, GmbHR 2008, 1262 = ZEV 2008, 607 = DNotZ 2009, 142. 3 OLG München v. 17.6.2010 – 31 Wx 070/10, MDR 2011, 49 = ZEV 2010, 646 = MittBayNot 2010, 400.
954 Wälzholz
C. Vermögensverwaltende Familienkommanditgesellschaft
Rz. 8.113 Kap. 8
4. Gestaltungshinweise Der besondere Reiz der vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft mit Kin- 8.113 dern besteht darin, dass diese Regelung das Berliner Testament weitgehend ersetzen kann und den Familienfrieden regelmäßig in besonderer Weise fördert. In manchen Fällen kann sich in der Folge aber auch besonderes Streitpotential ergeben, wenn die Kinder nicht in der Lage sind, die KG nach dem Ableben der Eltern gemeinsam zu verwalten. Für den Gesellschaftsvertrag einer vermögensverwaltenden KG empfehlen sich zusammengefasst folgende Regelungen: – grundsätzlich Normalstatut – Gesellschaftsbeginn mit Handelsregistereintragung – regelmäßig steuerrechtlich keine Bilanzierung erforderlich – reduzierte Abfindung – Dauertestamentsvollstreckung zulässig – keine Mitgliedschaft bei IHK – Ergänzungspfleger für jeden Minderjährigen – Einkommensteuer – kein Betriebsvermögen (gewerbliche Infektion vermeiden!) – keine Gewinnfeststellung gem. § 180 AO bei Nießbrauch am Grundbesitz – Entgeltlichkeit bei Schuldübernahme – begrenzter Verlustausgleich gem. § 15a EStG – Gewerbesteuer – keine, weil Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – Schenkungsteuer – Bemessungsgrundlage: Grundbesitz
Wälzholz 955
Kap. 8 Rz. 8.114 Vermögensverwaltende Personengesellschaften
5. Übersicht: Vorteile der vermögensverwaltenden Familien-KG
8.114
Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht bei den Komplementären Stimmrecht bei Nießbrauchsvorbehalt für die Eltern Umschichtungs- und Realteilungsrecht für Komplementäre Veräußerungs- und Belastungsbeschränkung partieller Ersatz testamentarischer Regelung durch Lebzeitige Verteilung und Regelung Haftungsbeschränkung für Kommanditisten Beteiligung Minderjähriger möglich befristeter Kündigungsausschluss möglich Ausschluss des Erbrechts von Schwiegerkindern und sonstigen Fremden Anwachsung innerhalb der Familie bei Erbfall Reduzierte Abfindung; damit auch potentieller Insolvenzschutz (Asset protection) Einsparung von Grundbuchgebühren Grunderwerbsteuerfreiheit bei Anteilsübertragung Steuerung der Verwaltungsbefugnisse auf für Zeit nach dem Ableben der Schenker
956 Wälzholz
Kapitel 9 Gewerblich geprägte Immobilien A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft I. Überblick 1. Entwicklung des Personengesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . 2. Personengesellschaftsreform . . 3. Mögliche steuerliche Auswirkungen der Reformgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die gewerblich geprägte GmbH & Co. KG 1. Gewerbliche Prägung . . . . . . . . 2. Einbringung des Grundbesitzes a) Bisherige Notariatspraxis . . b) Erreichung eines „Step-Up“ mittels Stufenplan . . . . . . . . c) Konten der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einheits-GmbH & Co. KG . . . . a) Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . b) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . c) Vorzüge der EinheitsGesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 4. Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . 5. Einkommensteuerliche Besonderheiten der ImmobilienGmbH & Co. KG a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit Betriebsvermögen . . . . . . . . . c) Buchung von eingebrachten Grundstücken . . . . . . . . . d) Anwachsung . . . . . . . . . . . . . 6. Gewerbesteuerliche Besonderheiten der vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG . . . . . 7. Grunderwerb- und umsatzsteuerliche Besonderheiten einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . .
9.1 9.6 9.8
9.16 9.19 9.22 9.25 9.26 9.27 9.33 9.37 9.42
9.49 9.52 9.56 9.58 9.61
9.62
B. Übertragung eines KG-Anteils an einer grundstückbesitzenden GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . I. Grundzüge der Vertragsgestaltung 1. Leibrentenvereinbarung . . . . . . 2. Einkommensteuerliche Folgen der Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs . . . . . . . . . . II. Formulierungsempfehlung . . . . . 1. Errichtung der ImmoGmbH & Co. KG a) Urkundengestaltung . . . . . . . b) Gründung der X Immo GmbH & Co. KG . . . . . . . . . c) Registeranmeldung der X-Verwaltungs-GmbH . . . . . d) Registeranmeldung der X-Immo GmbH & Co. KG . 2. Grundstückseinbringung in die X-Immo-GmbH & Co. KG mit Kapitalerhöhung a) Einbringungsurkunde . . . . . b) Registeranmeldung der Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . 3. Einbringung von GmbHAnteilen in eine GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. KG-Anteilsübertragung . . . . . . . 5. Registeranmeldung der KG-Anteilsübertragung . . . . . . . 6. Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Realteilung einer grundstückbesitzenden GmbH & Co. KG 1. Einkommensteuerliche Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilbetriebsausgliederung . . . . . C. Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen I. Beendigung der gewerblichen Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.71
9.72 9.73 9.95 9.97 9.98 9.100 9.101
9.102 9.103 9.105 9.106 9.107 9.108
9.112 9.127
9.136
Wachter 957
Kap. 9 Gewerblich geprägte Immobilien II. Neugründung einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . IV. Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . D. Die ImmobilienverwaltungsGmbH I. Die Errichtung einer Immobilienverwaltungs-GmbH 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 2. Satzungsgestaltung . . . . . . . . . . 3. Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . 5. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . 6. Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung: Vorzüge der Immobilienkapitalgesellschaft („SparschweinGmbH“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Satzung einer Immobilienverwaltungs-GmbH . . . . . . . . .
9.138 9.140 9.142
9.146 9.152 9.154 9.168 9.169 9.173
9.178 9.188
II. GmbH-Anteilsabtretung 1. Formvorschriften . . . . . . . . . . . . 2. GmbH-Anteilsübertragung gegen Leibrente . . . . . . . . . . . . . a) Veräußerungsrente . . . . . . . . b) Versorgungsrente . . . . . . . . . 3. Anteilsübertragung mit Vorbehaltsnießbrauch . . . . . . . . a) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Satzungsgestaltung . . . . . . . . c) Einkommensteuer . . . . . . . . d) Verkehrssteuern . . . . . . . . . . 4. Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . 5. Übertragung von GmbHAnteilen auf eine Familienstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Formulierungsvorschlag: GmbH-Geschäftsanteilsabtretung mit Vorbehaltsnießbrauch . 1. Vertragsmuster . . . . . . . . . . . . . . 2. Anmerkungen a) Nießbrauch am Surrogat . . . b) Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . c) Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . .
9.196 9.207 9.208 9.209 9.211 9.213 9.216 9.217 9.218 9.219 9.221
9.262 9.263 9.264 9.265 9.267
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft I. Überblick 1. Entwicklung des Personengesellschaftsrechts Literatur: Baßler, Nießbrauchsbelastete Anteile in der Umstrukturierung von Familiengesellschaften, Ubg. 2011, 863; Beckervordersandfort/Escher, Der Familienpool als Nachfolgeinstrument, ZErb 2021, 49 und 85; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 12. Auflage 2018; Binz/Sorg, Hat die GmbH & Co. KG bei den Familienunternehmen immer noch die Nase vorn?, GmbHR 2011, 281; Birkenbeil, Nießbrauch und Pflichtteilsergänzung, ErbR 2021, 2; Bochmann, Aktuelle Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Nachfolgeplanung in Familienunternehmen, NotBZ 2019, 361; Bochmann/Bron/Staake, Krisenbewältigung durch Familienunternehmen: Stärken, Chancen und Handlungsoptionen, BB 2020, 1367; Dräger, Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Vorbehaltsnießbrauch, DB 2017, 2768; Escher, Schenkung unter Vorbehalt – einkommen- und erbschaftsteuerliche Konsequenzen, FR 2008, 985; Ettinger/Eberl, Die vorweggenommene Erbfolge unter Verwendung einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, 548; Fleischer, Vergleichendes Familiengesellschaftsrecht am Beispiel abberufener Familiengesellschafter-Geschäftsführer, GmbHR 2021, 113; Fleischer, Organisation der Inhaberfamilie und Ownership Management in Familienunternehmen – eine rechtliche Bestandsaufnahme, BB 2019, 2819; Foerster, Zusammenspiel von Familienverfassung und Verbandsverfassung in der Familiengesellschaft, BB 2019, 1411; Geck, Sonderbetriebsvermögen und erbschaftsteuerlicher Verschonungsabschlag – ein
958 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Kap. 9
schwieriges Verhältnis in Festschrift für Georg Crezelius, 2018, S. 541 ff.; Förster, Unternehmensnachfolge bei Kapitalgesellschaftsanteilen, FR 2019, 500; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken im Hinblick auf den Quotennießbrauch bei Mitunternehmeranteilen?, ZEV 2013, 430; Geck, Die steuerlichen Rahmenbedingungen der vorweggenommenen Erbfolge 2003 bis 2013 – ein Rückblick auf ereignisreiche Jahre, ZEV 2013, 169; Geck, Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach Aufhebung des § 25 ErbStG durch das ErbStRG, DStR 2009, 1005; Gluth, Der Nießbrauch als Gestaltungsfalle bei der Übertragung von Betriebsvermögen?, EStB 2017, 403; Götz, Abfindungsausschluss bei Tod eines Personengesellschafters, ZEV 2020, 342; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken im Hinblick auf den Quotennießbrauch bei Mitunternehmeranteilen?, ZEV 2013, 430; Götz, Ermittlung des Jahreswertes nach § 15 Abs. 3 BewG beim Nießbrauch am GmbH-Geschäftsanteil, ZEV 2019, 571; Götz, Zivilrechtliche und steuerliche Sonderzuordnung des Gesellschaftsanteils bei Bestellung eines Quotennießbrauchs am Anteil einer Personengesellschaft?, ZEV 2014, 241; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken im Hinblick auf den Quotennießbrauch bei Mitunternehmeranteilen?, ZEV 2013, 430; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken beim Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen?, DStR 2013, 448; Götz/Hülsmann, Surrogation beim Vorbehaltsnießbrauch: Zivilrechtliche und schenkungsteuerliche Aspekte, DStR 2010, 2377; Götz/Hülsmann, Surrogation beim Vorbehaltsnießbrauch: Ertragsteuerliche Aspekte, DStR 2010, 2432; Götz/Immes, Gemischte Schenkung versus Schenkung unter Auflage im ErbStg, Ubg. 2015, 14; Götz/Jorde, Nießbrauch an Personengesellschaftsanteilen – Praxisprobleme, FR 2003, 998; Götz/Jorde, Nießbrauch an Personengesellschaftsanteilen – Vertragsklauseln und ihre Tücken, ZErb 2011, 365; Habersack, Gesetzesfolgen für Familienunternehmen abschätzen, ZIP 2020, 2093; Heckschen, Heilung unwirksamer Abfindungsklauseln in Festschrift für Alfred Bergmann, Berlin 2018, S. 259 ff.; Hölscher, Pflichtteilsansprüche bei Aufnahme in Personengesellschaften ohne Kapitalaufbringung, ErbR 2019, 729; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co. KG, 22. Auflage 2020; Holler, Das Recht der Familienunternehmen und ihre Besonderheiten in der Rechtsanwendung und -gestaltung, DStR 2019, 880 (Teil I) und DStR 2019, 931 (Teil II); Holler/Mann, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in der Familiengesellschaft, NZG 2021, 402; Hölscher, Pflichtteilsminimierung durch Gesellschaftsrecht?, ErbR 2016, 421 (Teil 1) und ErbR 2016, 477 (Teil 2); Hübner/Friz, Buchwertfortführung bei der Übertragung eines Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt – Anmerkungen zum BFH-Urteil X R 59/14, DStR 2017, 2353; Ivens, Ertrags- und Verwaltungsvorbehalte bei vorweggenommener Erbfolge in Personengesellschaftsanteile, ZErb 2011, 76; Jorde/Polka, Praxis-Leitfaden zur Strukturierung von Familienunternehmen, Wpg. 2020, 849; Jülicher, Nießbrauch ist nicht gleich Nießbrauch – Vorbehaltsnießbrauch und Erbschaftsteuerplanung, DStR 2001, 1200; Kamps/Stenert, Das Unternehmertestament im Mittelstand: Überlegungen für die steuerliche Beratung, DB 2019, 930 (Teil 1) und DB 2019, 990 (Teil 2); Karczewski, Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den beschenkten Ehegatten: Neue Entwicklungen bei § 2325 BGB, ZEV 2020, 733; Kepper, Übertragung von Einzelunterunternehmen und Anteilen an Personengesellschaften unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neueren BFHRechtsprechung, NZG 2019, 211; Kleinert/Bahnmüller, Mitunternehmerinitiative bei (Vorbehaltsquoten-)Nießbrauch und gesellschaftsvertraglichem Einstimmigkeitserfordernis in Grundlagen- sowie Kernbereichsangelegenheiten, BB 2017, 1687; Kleinert/Geuß, Schenkung einer mitunternehmerischen Beteiligung unter Vorbehalt oder Zuwendung eines (Quoten-)Nießbrauchs, DStR 2013, 288; Klümpen-Neusel/Kaiser, Die Stellung als Mitunternehmer bei Vorbehaltsnießbrauch, ErbStB 2014, 14; König, Unternehmensbewertung im Pflichtteil und Zugewinn – zu Relevanz und Eignung tatsächlich erzielter Verkaufspreise, ErbR 2020, 522; Korn, Nießbrauch: Steuerfallen und Gestaltungsmöglichkeiten, 2018, 20597; Krauß/Meichelbeck, Unternehmensnachfolge bei minderjährigen Kindern, Schenkung einer atypischen Unterbeteiligung mit (abschmelzendem) Nießbrauchsvorbehalt, DB 2015, 2114; Küspert, Der Nießbrauch am Personengesellschaftsanteil, FR 2014, 397; Levedag, Anwendung der Be-
Wachter 959
Kap. 9 Rz. 9.1 Gewerblich geprägte Immobilien wertungs- und Verschonungsregelungen des BewG und des ErbStG auf inländische gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2011, 1306; Levedag, Vorweggenommene Erbfolge in Personengesellschaften am Beispiel der GmbH & Co. KG, GmbHR 2010, 855; Levedag, Nachfolge in Personengesellschaften von Todes wegen am Beispiel der GmbH & Co. KG, GmbHR 2010, 629; Messner, Vorbehaltsnießbrauch an Unternehmen, MittBayNot 2018, 1; Mielke, Steuerliche Folgen des Todes des Nießbrauchs-Mitunternehmers, DStR 2014, 18; Milatz/Bockhoff, Gestaltungen bei bestehendem Vorbehaltsnießbrauch, ErbStB 2013, 384; Mylich, Die Vermeidung von Bilanzpublizität, ZGR 2021, 86; Neufang/Merz, Einkommen- und erbschaftbzw. schenkungsteuerliche Folgen bei Wegfall des Nießbrauchs, DStR 2012, 939; Noll, Schenkungsteuerliche Fragen bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften im Lichte aktueller Entwicklungen in Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, S. 1025 ff.; v. Oertzen/ Stein, Vorbehaltsnießbrauch an mitunternehmerischen Personengesellschaftsanteilen – Probleme in der laufenden steuerlichen Behandlung, Ubg. 2012, 285; Piltz/Stalleiken, Gesellschafterfremdfinanzierung in der Erbschaftsteuer: Gravierende Rechtsformunterschiede zwischen GmbH und KG/OHG, ZEV 2011, 67; Pogorzelski, Auswirkungen von Abfindungsbeschränkungen für den Fall des Todes des Gesellschafters einer Personengesellschaft auf Pflichtteilsund Zugewinnausgleichsansprüche, RNotZ 2017, 489 (Teil I) und RNotZ 2017, 577 (Teil II); Prütting, Familienunternehmen – Eine Unwucht des Gesellschaftsrechts in Festschrift für Karsten Schmidt, Band II, 2019, S. 169 ff.; Reimann, Die Wirklichkeit verändert das Erbrecht: Zur Entwicklung des Erbrechts in den letzten 25 Jahren, ZEV 2018, 549; Roth, Die schenkungsrechtlichen Folgen des Verzichts auf höchstpersönliche Nutzungsrechte, ZEV 2019, 445; Sass, Der Nießbrauch in der nachfolgerechtlichen Gestaltungspraxis, ErbStB 2019, 82; Schulte, Michael/Schulte, Elias/Schulte, Michael, Abfindungsausschlüsse und -beschränkungen vs. Pflichtteilsrecht, ErbR 2021, 742; Schüppen, Grund und Grenzen gesellschaftsvertraglicher Unternehmensbewertungsklauseln in Festschrift für Mark K. Binz, München 2014, S. 645 ff.; Söffing, M./Söffing, A., Vorweggenommene Erbfolge von Mitunternehmeranteilen aus schenkungsteuerlicher und ertragsteuerlicher Sicht in Festschrift für Georg Crezelius, 2018, S. 403 ff.; Sommer/Schimpfky/Baas, Die Gesellschaftsverträge der GmbH & Co. KG, 5. Auflage 2018; Spiegelberger, Betrieblicher Nießbrauch: Steuerliche Gefahrenquelle, notar 2017, 419; Stalleiken/Hennig, Der „weitergeleitete“ Nießbrauch an den überlebenden Ehegatten in der vorweggenommenen Erbfolge, FR 2015, 389; Wälzholz, Steuerliche Folgen der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften, mit Hinweisen für die notarielle Gestaltungspraxis, notar 2015, 39; Wälzholz, Aktuelle steuerliche Gestaltungsprobleme des mitunternehmerischen Nießbrauchs am Anteil einer Personengesellschaft, DStR 2010, 1930; Wälzholz, Aktuelle Gestaltungsprobleme des Nießbrauchs am Anteil an einer Personengesellschaft, DStR 2010, 1786; Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaft, Loseblatt, Stand 2021; Winter (Hrsg.), Die GmbH & Co. KG, 2017; Wollweber/Scherberich, GmbH-Satzung und Pflichtteilsminimierung, GmbH-StB 2020, 25.
9.1 Außerhalb des Grundtypenkatalogs des HGB hat sich, erstmals höchstrichterlich sanktioniert durch die Entscheidung des BayObLG vom 16.2.19121, die GmbH & Co. KG zu einer in Deutschland weit verbreiteten mittelständischen Gesellschaftsform entwickelt, da sie die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung der Kapitalgesellschaft mit den steuerlichen Vorteilen der Personengesellschaft verbindet2. Darüber hinaus besteht bei dieser Gesellschaftsform insbesondere die Möglichkeit der Bestellung einer professionellen Fremdgeschäftsführung (Fremdorganschaft). 1 BayObLG v. 16.2.1912, GmbHR 1914, 9. Siehe dazu Fleischer/Wansleben, GmbHR 2017, 169. 2 Priester, DNotZ 1977, 159.
960 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.5 Kap. 9
Anders als die Kommanditgesellschaft gem. §§ 161 ff. HGB haftet kein beteiligter 9.2 Gesellschafter als natürliche Person. Bei den Geschäftsführern der KomplementärGmbH verbleibt es selbstverständlich bei der persönlichen Haftung gem. § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG. Wenn dem Gläubiger die gewählte Rechtsform der GmbH & Co. KG bekannt war, ist sogar die Haftung vor Eintragung im Handelsregister gem. § 176 HGB ausgeschlossen, weil bei einer GmbH & Co. KG kein Gläubiger auf eine persönliche Haftung einer natürlichen Person vertrauen kann1. Die GmbH & Co. KG ist die variantenreichste Erscheinungsform im Gesellschafts- 9.3 recht. Die häufigste Gestaltungsform war die personengleiche GmbH & Co. KG, bei der die Kommanditisten zugleich auch Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind. Um eine einheitliche Willensbildung zu erreichen, kommt der gleichmäßigen Beteiligung der Gesellschafter an der Komplementär-GmbH einerseits und an der Kommanditgesellschaft andererseits eine besondere Bedeutung zu. Da aber die Vererblichkeit des GmbH-Anteils gem. § 15 Abs. 1 GmbHG nicht ausgeschlossen, sondern nur durch Einziehungs- und Abtretungsregelungen eingeschränkt werden kann2 und bei der Personengesellschaft sowohl der Ausschluss der Vererblichkeit durch Fortsetzungsklauseln als auch durch eine von der Gesamtrechtsnachfolge abweichende Sondererbfolge3 zulässig ist, kann ein vollständiger Zusammenklang der Beteiligungsverhältnisse bei der GmbH einerseits und der Kommanditgesellschaft andererseits nicht hergestellt werden. In der Vertragspraxis hat sich deswegen die Einheitsgesellschaft durchgesetzt, vgl. unten Rz. 9.44 ff. Der ursprünglich im betrieblichen Bereich begonnene Siegeszug der GmbH & Co. 9.4 KG hat zwischenzeitlich auch den Bereich der Vermögensverwaltung erreicht. Insbesondere ist die Rechtsform der GmbH & Co. KG ein unentbehrliches Gestaltungsmittel bei der Ausgliederung betrieblich genutzter Grundstücke zum Buchwert. Gerade bei dem Übergang von Immobilien auf mehrere Gesellschafterstämme mit zahlreichen Grundstücken kommt die Installation einer unparteiisch und professionell handelnden Hausverwaltungs-GmbH in Betracht. Darüber hinaus wird die Rechtsform der GmbH & Co. KG auch als steuerliches Ge- 9.5 staltungsmittel verwendet4. Ein Vorzug der Immo-Verwaltungs-GmbH & Co. KG besteht in der vom BFH5 anerkannten Möglichkeit, durch Einbringung von Grundbesitz in eine GmbH & Co. KG neues AfA-Volumen (Step-Up) zu schaffen, vgl. unten Rz. 9.18.
1 BGH v. 18.6.1979 – II ZR 194/77, GmbHR 1979, 223 = NJW 1980, 54. 2 Priester, GmbHR 1981, 206. 3 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = MDR 1977, 731 = GmbHR 1977, 178 = NJW 1977, 1339 = DNotZ 1977, 550; Crezelius, Unternehmenserbrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 260. 4 Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, §§ 12 und 13. 5 BFH v. 5.6.2008 – IV R 73/05, BStBl. II 2008, 965 = DB 2008, 2400 = GmbHR 2008, 1276, unter II. 1. a.
Wachter 961
Kap. 9 Rz. 9.6 Gewerblich geprägte Immobilien
2. Personengesellschaftsreform
9.6 Ausblick: Am 1.1.2024 tritt das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz1 (MoPeG) in Kraft2. Das Gesetz gilt als die größte Reform des deutschen Personengesellschaftsrechts in den letzten einhundert Jahren. Das Gesetz bringt weitreichende Änderungen mit sich und ist insbesondere bei der künftigen Gestaltung von Gesellschaftsverträgen sorgfältig zu beachten. Die Rechtsform der GmbH & Co. KG bleibt von der Reform allerdings weitgehend unberührt. Die Einheitsgesellschaft wurde vom Gesetzgeber erneut ausdrücklich anerkannt (s. § 170 Abs. 2 HGB n.F.). Kernpunkte des umfangreichen Gesetzes (mit seinen 137 Artikeln) sind u.a. – Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR (sog. „rechtsfähige GbR“ im Unterschied zur „nicht-rechtsfähigen GbR“ (s. u.a. §§ 705, 740 BGB n.F.; allg. zu den Änderungen bei der GbR durch das MoPeG s. den Überblick unter Rz. 8.6), – Aufgabe des Gesamthandsprinzips im Gesellschaftsrecht (s. § 713 BGB n.F.), – Einführung eines Gesellschaftsregisters (eine Art Handelsregister für GbRs) bei den AG für alle GbRs (Firmierung als eGbR), – Grundsatz: kein Registrierungszwang, – Ausnahmen: u.a. Beteiligung an Grundstücken und Gesellschaften (s. u.a. § 47 Abs. 2 GBO n.F., § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG und § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). – Siehe zum Ganzen auch Art. 34 Nr. 4 MoPeG3 (Änderung von § 736 ZPO), Art. 40 Nr. 2 MoPeG (Änderung von § 47 GBO) und Art. 49 MoPeG (Übergangsvorschriften für Bestandsgesellschaften, u.a. § 21 EGBGB). – Neue Regelungen zur GbR und deren Gesellschaftsvertrag (s. u.a. die weitgehend dispositiven §§ 705 ff. BGB), u.a. – Übertragbarkeit von Anteilen zu Lebzeiten und von Todes wegen (§ 711 BGB), – Ausscheiden und Eintritt von neuen Gesellschaftern (§ 712 BGB), – Anwachsung des Vermögens bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (§ 712a BGB), – Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 714 BGB),
1 Ges. zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG –) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 2 Siehe dazu aus dem umfangreichen Schrifttum u.a. Bolkart, MittBayNot 2021, 319; Fleischer, DStR 2021, 483; Fleischer, DStR 2021, 430; Freitag, ZGR 2021, 534; Harbarth in FS fGrunewald, 2021, S. 311 ff.; Kilincsoy, FR 2021, 248; Lange/Kretschmann, ZEV 2021, 545; Leo/John, NZG 2021, 1195; Lieder, ZRP 2021, 34; Lieder/Hilser, ZHR 185 (2021) 471; Noack, BB 2021, 643; Noack/Göbel, GmbHR 2021, 569; Nolting, BB 2021, 1795; v. Oertzen/ Reich, ZEV 2021, 215; Schäfer, ZIP 2021, 1527; Schall, NZG 2021, 494; Schauer, NZG 2021, 473; Schmidt, Karsten in FS Grunewald, 2021, S. 1029 ff.; Schmidt, Karsten, ZHR 185 (2021) 16; Schollmeyer, NZG 2021, 129. 3 Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436.
962 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.7 Kap. 9
– Grundsatz der Gesamtvertretung (§ 720 BGB), – Persönliche Haftung aller Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne Möglichkeit der abstrakten Beschränkung (§ 721 BGB), – Tod und Insolvenz eines Gesellschafters führen nicht mehr zur Beendigung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters bzw. der Erben (§ 723 BGB), – Erbe eines Gesellschafters kann erstmals verlangen, dass seine Beteiligung in die eines Kommanditisten umgewandelt wird (§ 724 BGB; s. § 139 HGB), – Möglichkeit der Kündigung der Gesellschaft mit Frist von drei Monaten (§ 725 BGB), – Nachhaftung von ausgeschiedenen Gesellschaftern (§ 728b BGB), – Liquidation der Gesellschaft (§§ 735 ff. BGB). – Aber: Keine Neuregelung der Abfindung von ausscheidenden Gesellschaftern und der gerichtlichen Inhaltskontrolle. – Regelung des Statuswechsels, d.h. des Wechsels einer Personengesellschaft in eine andere (z.B. Immobilien-GbR in Immobilien-KG oder umgekehrt) (s. § 707c BGB). – GbR wird umwandlungsfähig im Sinne des UmwG (s. dazu u.a. §§ 39 ff., 191, 214 UmwG). – Beschlussanfechtung für Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) nach dem Modell der Kapitalgesellschaften (s. §§ 241 ff. AktG) mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (§§ 110 ff. HGB) (beachte: Für GbR dagegen nur optional bei entsprechender Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, im Übrigen verbleibt es bei der bisherigen Feststellungsklage). – Gesetzliche Anerkennung der Einheitsgesellschaft und Regelung zur Beschlussfassung (§ 170 Abs. 2 HGB), – Neuregelung der Haftung des in eine bestehende Handelsgesellschaft eintretenden Kommanditisten (§ 176 Abs. 2 HGB), – Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler (neben GbR und Partnerschaft jetzt auch OHG, KG und GmbH & Co. KG). Die gesetzlichen Änderungen müssen künftig bei der Gestaltung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge bei Personengesellschaften (GbR, OHG und KG) beachtet werden1. Praxishinweis zur Übertragung von Kommanditanteilen zu Lebzeiten: Der Ge- 9.7 setzgeber hat klargestellt, dass die Haftung gem. § 176 HGB nicht eingreift, wenn
1 Zu möglichen Auswirkungen s. u.a. Freitag, ZGR 2021, 534; Lange/Kretschmann, ZEV 2021, 545.
Wachter 963
Kap. 9 Rz. 9.7 Gewerblich geprägte Immobilien
ein Kommanditanteil zu Lebzeiten übertragen wird.1 Für den Erwerber besteht damit auch bei unbedingter Übertragung kein Haftungsrisiko mehr. Die Notwendigkeit einer aufschiebend bedingten Übertragung der Kommanditanteile entfällt somit (und damit auch die Ursache für viele steuerliche Folgeprobleme2). Dies gilt spätestens ab dem 1.1.2024, richtigerweise aber auch schon vorher (da es sich um eine bloße Klarstellung des Gesetzgebers handelt). 3. Mögliche steuerliche Auswirkungen der Reformgesetzgebung
9.8 Das umfangreiche Reformwerk zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts sieht u.a. auch die Streichung des Gesamthandprinzips (im Bereich des Gesellschaftsrechts) vor. Die möglichen Auswirkungen auf das Steuerrecht (insbesondere auf die transparente Besteuerung von Personengesellschaften) sind derzeit Gegenstand kontroverser Diskussionen3. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit den Änderungen des Gesellschaftsrechts nebenbei auch noch das Steuerrecht grundlegend ändern wollte.4 Der gesamte Entstehungsprozess des Reformgesetzes war vielmehr von Anfang an allein auf das Gesellschaftsrecht ausgerichtet. Die umfangreichen Gesetzesmaterialien deuten gleichfalls darauf hin, dass das Steuerrecht unberührt bleiben sollte. Im Ergebnis sind die steuerrechtlichen Vorschriften (auch weiterhin) eigenständig auszulegen. Der Begriff des Gesamthandvermögens meint (bei rechtsfähigen Personengesellschaften) künftig das Vermögen der Gesellschaft. Damit wird das Vermögen der Gesellschaft von den Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvermögen) abgegrenzt.
9.9 Nicht auszuschließen ist allerdings, dass der Steuergesetzgeber die Reform des Personengesellschaftsrechts zum Anlass nimmt, um die Besteuerung der Personengesellschaften insgesamt neu zu regeln (insbesondere § 15 EStG, aber auch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG oder § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), oder zumindest einzelne Vorschriften än-
1 Siehe § 176 Abs. 2 HGB n.F. und amtliche Begründung des Rechtsausschusses v. 23.6.2021 in BT-Drucks. 19/31105, 10; ausführlich dazu Leo/John, NZG 2021, 1195. 2 Siehe etwa BFH v. 17.6.2020 – II R 33/17, BStBl. II 2021, 217 = DStR 2020, 2725 mit Anm. Kugelmüller-Pugh = DB 2020, 2728 = ZEV 2021, 47 mit Anm. Wighardt/Storz = GmbHR 2021, 154. 3 So im Grundsatz auch Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, Beilage zu ZIP 2/2021; Fleischer DB 2021, 430 (433); Kilincsoy, FR 2021, 248; Noack, BB 2021, 643; Prinz, DB 2021, 914 (918); Karsten Schmidt, ZHR 185 (2021) 15 (28 ff.). Weitergehend insb. Heinze, DStR 2020, 2107; Schall, NZG 2021, 494; grundlegend M. Fischer in FS Georg Crezelius, 2018, S. 117 ff. 4 Siehe u.a. BR-Drucks. 59/21, 110 und 114, sowie das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages v. 11.5.2021 (Az. WD 4-3000-051/21) zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Dualismus des Unternehmenssteuerrechts.
964 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.16 Kap. 9
dert (beispielsweise die Vorschriften §§ 5, 6 GrEStG1 und/oder §§ 10 Abs. 1 Satz 4, 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG2). Im Übrigen ist auch eine Neuausrichtung der Rechtsprechung möglich. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Praxishinweis: Bei allen Gestaltungen (insbesondere nach dem 1.1.2024) ist stets zu 9.10 berücksichtigen, dass sich aufgrund geänderter gesellschaftsrechtlicher Rahmenbedingungen auch die steuerliche Beurteilung (unter Umständen auch grundlegend) ändern könnte. Einstweilen frei.
9.11–9.15
II. Die gewerblich geprägte GmbH & Co. KG Literatur: Dornheim, Die ertragsteuerliche Beurteilung der GmbH & Co. GbR, DStR 2014, 13; Euhus, Gewerbliche Prägung bei mehrstöckigen Personengesellschaftstrukturen, DStR 2011, 1350; Früchtl/Spilker, Kapitalgesellschaften als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft im Rahmen von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, DStR 2010, 1007; Geck, Die gewerblich geprägte Einheitspersonengesellschaft in der Nachfolgeberatung, ZEV 2018, 19; Geck, Die unentgeltliche lebzeitige Übertragung von Anteilen an gewerblich geprägten Personengesellschaften nach der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 601; Kahlenberg, Keine Abgeltungswirkung von Abzugsteuern durch Einschaltung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft?, IStR 2018, 348; Kubata/Riegler/Straßen, Zur Gewerblichkeit freiberuflich tätiger Personengesellschaften, DStR 2014, 1949; Leidel, Die gewerbliche Prägung im Internationalen Steuerrecht, 2016; Levedag, Einbringung und Einlage von Privatvermögen in vermögensverwaltende und gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2013, 243; Ott, Die Familien-Vermögensverwaltungs-GmbH & Co. KG in der Steuerberatung, Stbg. 2019, 251; Pauli, Die GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft in der Nachfolgeplanung, ZErb 2008, 215; Freiherr von Proff, Die Einheits-KG als Variante der GmbH & Co. KG – Gründung und Vertragsgestaltung nach dem Urteil des BFH vom 13.7.2017, DStR 2017, 2590; Schulte/Schulte, Die generationenübergreifende Vergesellschaftung des betrieblichen Familienvermögens. Zugleich ein Plädoyer für die Einheits-KG, ErbR 2018, 422; Spiegelberger, Der Siegeszug der Einheits-GmbH & Co. KG in Festschrift für Dieter Mayer, 2020, S. 73 ff.; Spiegelberger, Die Familien-GmbH & Co. KG, ZEV 2003, 391; Werkmüller, Die „Familienstiftung & Co. KG“ als Instrument der „kontrollierten“ Vermögensnachfolge, ZEV 2015, 522; Wittkowski/Loose, Gewerblich geprägte Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, DB 2010, 2411.
1. Gewerbliche Prägung In der klassischen Gestaltung, in der die Geschäftsführung ausschließlich von der 9.16 Komplementär-GmbH wahrgenommen wird und die Kommanditisten als natürliche Personen weder Vertretungs- noch Geschäftsführungsbefugnisse ausüben, wird die GmbH & Co. KG steuerrechtlich gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb fingiert (sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft), auch wenn – so1 Siehe u.a. Behrens/Seemaier, DStR 2021, 644; Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Heinze, DStR 2020, 2107. 2 Siehe v. Oertzen/Reich, ZEV 2021, 215.
Wachter 965
Kap. 9 Rz. 9.16 Gewerblich geprägte Immobilien
wohl im bürgerlich-rechtlichen wie auch im steuerrechtlichen Sinne – nur (private) Vermögensverwaltung wahrgenommen wird.
9.17 Die Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft – gegen Gewährung von Mitunternehmeranteilen – begründet keine Einlage i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG, und zwar auch dann nicht, wenn der Wert des Wirtschaftsguts nicht nur dem Kapitalkonto I, sondern auch anderen Kapitalunterkonten gutgeschrieben wird1. Die Rechtsprechung sieht in der Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einen tauschähnlichen Umsatz, der zum Ansatz des Teilwertes (Verkehrswertes) in der Eröffnungsbilanz der GmbH & Co. KG führt. 9.18 Die Variante der gewerblichen Prägung wird daher in der Praxis gewählt, um durch die Qualifizierung als Betriebsvermögen einen sog. „Step-Up“ und damit eine Erhöhung der AfA-Bemessungsgrundlage auf den Verkehrswert zu erreichen2. 2. Einbringung des Grundbesitzes a) Bisherige Notariatspraxis
9.19 Nach der bisherigen Notariatspraxis wird sofort bei der Gründung der GmbH & Co. KG der ins Auge gefasste Grundbesitz eingebracht. Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf gem. § 311b BGB der notariellen Beurkundung. Diese Gestaltung erscheint aufgrund einer Entscheidung des BFH vom 18.5.20113 aus erbschaftsteuerlichen und einkommensteuerlichen Überlegungen allerdings bedenklich. 9.20 Nach Leitsatz 3 der genannten Entscheidung kommt es bei der Erbschaftsteuer ausschließlich auf das zivilrechtliche Eigentum, nicht aber auf Anwartschaftsrechte an. Eine GmbH & Co. KG entsteht im Falle der Vermögensverwaltung gem. § 105 Abs. 2 HGB erst mit der Eintragung im Handelsregister und stellt nach h.M. vor diesem Zeitpunkt eine Privatvermögen-verwaltende GbR dar. Die erbschaftsteuerliche Vergünstigung gem. § 13a i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist daher nur erreichbar, wenn die Übertragung erst nach der Handelsregistereintragung stattfindet. 9.21 Hinzu kommt die einkommensteuerrechtliche Überlegung, dass bei der sofortigen Einbringung des Grundbesitzes bei der Gründung einer GmbH & Co. KG zivilrechtlich die Übertragung auf eine vermögensverwaltende GbR stattfindet, die erst später durch Eintragung im Handelsregister identitätswahrend und beteiligungskonform zur GmbH & Co. KG mit Betriebsvermögen erstarkt. Damit wird der an-
1 Vgl. BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 = GmbHR 2008, 548 = FR 2008, 912 m. Anm. Wendt; BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684 = GmbHR 2016, 1064. – Siehe dazu u.a. Fischer/Petersen, DStR 2019, 2169; Schmudlach, NWB 2016, 3305. 2 Schmidt/Kulosa41, § 6 EStG Rz. 598. 3 BFH v. 18.5.2011 – II R 10/10, GmbHR 2011, 1286.
966 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.24 Kap. 9
gestrebte „Step-Up“ (s. Rz. 9.18) gefährdet, da eine identitätswahrende und beteiligungskonforme Umformung keinen tauschähnlichen Umsatz darstellt, wie dies die BFH-Rechtsprechung1 für einen „Step-Up“ verlangt. b) Erreichung eines „Step-Up“ mittels Stufenplan Zu empfehlen ist daher die Gründung einer GmbH & Co. KG mit geringem Bar- 9.22 kapital und die anschließende Eintragung dieser Gesellschaft in das Handelsregister. Sobald die Vollzugsmitteilung des Registergerichts vorliegt, kann der einzubringende Grundbesitz gegen Kapitalerhöhung auf die GmbH & Co. KG übertragen werden. Eine dahin gehende Gestaltung ist möglich, da nach dem Urteil des BGH vom 13.2.19962 für die Frage des Beurkundungszwanges entscheidend darauf abzustellen ist, dass sich die Gesellschafter in dem zu beurteilenden Gesellschaftsvertrag weder unmittelbar noch mittelbar zum Erwerb eines bestimmten Grundstückes verpflichten3. Ein Gesellschaftsvertrag, der den Zweck einer Grundstücksgesellschaft mit „Verwaltung und Verwertung“ beschreibt, eine Übertragung der Gesellschaftsgrundstücke aber nicht bindend festlegt, bedarf daher nicht der notariellen Beurkundung. Selbst wenn Bedenken gegen die Formfreiheit des Gesellschaftsvertrages bestünden, würde ein ohne Beachtung der notariellen Beurkundung geschlossener Gesellschaftsvertrag seinem ganzen Inhalt nach gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgt sind. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Einbringung von Grundbesitz in eine gewerb- 9.23 lich geprägte GmbH & Co. KG zur Erreichung des „Step-Up“ einen Stufenplan verlangt. Nach Eintragung der GmbH & Co. KG im Handelsregister mit einem geringen Barkapital ist es sinnvoll, bei der späteren Einbringung des Grundbesitzes das Kommanditkapital angemessen zu erhöhen. Der vorgeschlagene Stufenplan ist eine vorsorgliche Gestaltungsempfehlung.4 Gemäß § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB findet die Haftungsvorschrift des § 176 Abs. 1 Satz 1 9.24 BGB keine Anwendung. Nach der Begründung zum Referentenentwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes5 ist die Haftung der Kommanditisten für die vor der Eintragung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten ausgeschlossen6. Wegen dieser Haftungsbegrenzung geht die h.M. davon aus, dass die Einbringung von Grund-
1 BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 = DB 1999, 615 = GmbHR 1999, 430; v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 = GmbHR 2008, 548 = FR 2008, 912 m. Anm. Wendt. 2 BGH v. 13.2.1996 – XI ZR 239/94, MDR 1996, 677 = NJW 1996, 1279 = DStR 1996, 678 = DNotZ 1997, 40. 3 Ebenso BFH v. 9.7.1992 – IX ZR 209/91, MDR 1993, 282 = NJW 1992, 3237 (3238). 4 Zur Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft zum gemeinen Wert s. BFH v. 26.3.2016 – IV R 7/12, MittBayNot 2016, 451 mit Anm. Wälzholz/Graf Wolffskeel von Reichenberg. 5 Vgl. ZIP 1996, 1485 (1490). 6 Ebenso Schön, DB 1998, 1169 (1176).
Wachter 967
Kap. 9 Rz. 9.24 Gewerblich geprägte Immobilien
besitz in die Vor-KG zum Step-Up führt, wie dies auch bei der Einbringung in eine Vor-GmbH der Fall ist. c) Konten der GmbH & Co. KG
9.25 Für die Buchung des Step-Up hat das BMF1 – abweichend von der bisherigen Praxis – neue Vorschriften zur Buchung der Sacheinlage auf den Kapitalkonten der Gesellschafter2 erlassen, die unter Rz. 9.37 im Einzelnen dargestellt sind. Für die Regelung der Konten im Gesellschaftsvertrag3 empfiehlt sich folgende Fassung: (1) Für den persönlich haftenden Gesellschafter wird ein Verrechnungskonto geführt. (2) Für jeden Kommanditisten werden zwei Kapitalkonten, ein Privatkonto und ein Verlustvortragskonto geführt. a) Das Kapitalkonto I ist fest; auf ihm wird die Pflichteinlage des jeweiligen Kommanditisten verbucht. b) Das Kapitalkonto II ist beweglich; auf ihm wird der nicht entnahmefähige Gewinn verbucht. c) Auf dem Privatkonto werden der entnahmefähige Gewinn sowie alle sonstigen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verbucht; der entnahmefähige Gewinn jedoch nur, soweit dieser nicht zum Ausgleich des Verlustvortragskontos benötigt wird. d) Auf dem Verlustvortragskonto werden die Verlustanteile eines Gesellschafters gebucht, bis dieses ausgeglichen ist (Unterkonto von Kapitalkonto II). e) Die Gesellschaft kann ein gemeinsames Rücklagenkonto einrichten. (3) Die im Handelsregister eingetragenen Kommanditanteile sind maßgeblich für das Stimmrecht. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt unter Berücksichtigung der Kapitalkonten I und II. Im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters wird der Anteil am Gesamthandsvermögen durch die Summe der Kapitalkonten I und II sowie des anteiligen Rücklagenkontos gem. § 97 Abs. 1a BewG ermittelt. 3. Einheits-GmbH & Co. KG Literatur: Bahnsen, Gestaltung einer GmbH & Co. KG als „Einheitsgesellschaft“, GmbHR 2001, 186; Becker, Zur Euroumstellung bei der Komplementär-GmbH einer EinheitsGmbH & Co. KG, notar 2017, 364; Behrens, Zur Auslegung des Begriffs „Anteil der Gesell-
1 BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684 = GmbHR 2016, 1064. – Siehe dazu u.a. Fischer/Petersen, DStR 2019, 2169; Schmudlach, NWB 2016, 3305. 2 Siehe auch OFD Frankfurt/M. v. 6.7.2016, DStR 2016, 1813 (Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz beim Vier-Konten-Modell). – Zur „Kapitalkonten-Falle“ bei einer Personengesellschaft s. Kraft, NWB 14/2016, 996. 3 Zu den Gesellschafterkonten bei der Personengesellschaft s. Sieker, NotBZ 2017, 293.
968 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.26 Kap. 9
schaft“ i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personengesellschaften, Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.3.2014 – II R 51/12 betr. Einheits-KG, BB 2014, 2647; v. Bonin, Die Einheits-GmbH & Co. KG in der notariellen Praxis, RNotZ 2017, 1; v. Bonin, Zur Anwendung der gesetzlichen Vertretungsregeln auf die Einheits-GmbH & Co. KG – Problematik und praktische Folgen, NZG 2016, 1299; Brosius/Frese, Konflikte bei der Willensbildung in der Einheitsgesellschaft, NZG 2016, 808; Casper, Die Einheits-GmbH & Co. KG – Allheilmittel zur Lösung von Verzahnungsproblemen oder Abbild eines Schlangenmenschen? in Festschrift für Eberhard Stilz, München 2014, S. 111 ff.; Demuth, Einheits-GmbH & Co. KG im Steuer- und Gesellschaftsrecht, kösdi 2018, 20641; Freudenberg, Ausgewählte Rechtsfragen der GmbH & Co. KG in Festschrift für Markus Binz, München 2014, S. 207 ff.; Geck, Die gewerblich geprägte Einheitspersonengesellschaft in der Nachfolgeberatung, ZEV 2018, 19; Hoffmann-Becking, Karsten Schmidt und die Praxis des Personengesellschaftsrechts, NZG 2019, 1321; Hofmann-Becking, Geschäftsführer der GmbH & Co. KG – eine hybride Rechtsstellung zwischen GmbH und KG in Festschrift für Ulrich Seibert, 2019, S. 359 ff.; Jorde/ Götz, Gestaltung der Einheits(kommandit)gesellschaft – Praxisfragen aus steuer-, zivil- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht, BB 2005, 2718; Korezkij, Ausgewählte steuerliche Fragen im Zusammenhang mit einer Einheits-GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, 1383; Liebgott, Einheits-GmbH & Co. KG – umsatzsteuerliche Organschaft?, UR 2016, 86; Lorenzen, Die Beendigung der Einheits-KG, notar 2021, 279; Naujok/Hamacher, Neue Entwicklungen im Immobilien-Steuerrecht, ZfIR 2018, 469; Normann, Die Einheits-GmbH & Co. KG, GmbH-StB 2014, 237; Oetker, Willensbildung in der Einheits-GmbH & Co. KG zwischen kautelarjuristischer Akrobatik und kreativer Rechtsfortbildung in Festschrift für Karsten Schmidt, Band II, 2019, S. 79 ff.; Ott, Die Familien-Vermögensverwaltungs-GmbH & Co. KG in der Steuerberatung, Stbg. 2019, 251; Otte, Reformbedarf bei der Einheitsgesellschaft, Der Konzern 2016, 477; Pauli, Die GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft in der Nachfolgeplanung, ZErb 2008, 215; Pickhardt-Poremba/Hechler, Ausgewählte steuerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einer Einheits-GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, 1383; Freiherr von Proff, Die Einheits-KG als Variante der GmbH & Co. KG – Gründung und Vertragsgestaltung nach dem Urteil des BFH v. 13.7.2017, DStR 2017, 2590; Pröpper, Die GmbH & Co. KG als Einheitsgesellschaft, GmbH-StB 2010, 49; Karsten Schmidt, Fortschritt oder Rückschritt im Recht der Einheits-GmbH & Co. KG, ZIP 2007, 2193; Schulte/Schulte, Die generationenübergreifende Vergesellschaftung des betrieblichen Familienvermögens. Zugleich ein Plädoyer für die Einheits-KG, ErbR 2018, 422; Seidel, Einheits-KG und gewerbliche Prägung – was gilt?, BB 2017, 732; Spiegelberger, Der Siegeszug der Einheits-GmbH & Co. KG in Festschrift für Dieter Mayer, 2020, S. 73 ff.; Spiegelberger, Der Siegeszug der Einheits-GmbH & Co. KG, in Liber amicorum für Klaus Mock (2009), S. 303; Spiegelberger, Die Familien-GmbH & Co. KG, ZEV 2003, 391; Stinn, Die GmbH & Co. KG in der Nachfolgeplanung von Familienbetrieben, 2017, 3223; Storz, Aktuelle Entwicklungen zur Einheitsgesellschaft, NZG 2020, 246; Weinand, Die Willensbildung bei der GmbH einer sogenannten Einheitsgesellschaft, notar 2017, 366; Werner, Die GmbH & Co. KG in der Form der Einheitsgesellschaft, NWB 2018, 100; Werner, Die GmbH & Co. KG in der Form der Einheitsgesellschaft, DStR 2006, 706.
9.26
Beispiel: Alleineigentümer Dagobert gründet auf Anraten seines Steuerberaters für ein weitgehend abgeschriebenes Wohn- und Geschäftshaus im steuerlichen Privatvermögen eine GmbH & Co. KG und bringt dieses Mietobjekt gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Dagobert Immo GmbH & Co. KG ein. Ferner überträgt er seinen GmbH-Anteil an der KomplementärGmbH in das Gesamthandsvermögen der Dagobert Immo GmbH & Co. KG, so dass diese alleinige Inhaberin des GmbH-Anteils wird.
Wachter 969
Kap. 9 Rz. 9.26 Gewerblich geprägte Immobilien
Dagobert GmbH i.G. 100 % Dagobert Immo GmbH & Co. KG 100 % Dagobert
a) Gestaltung
9.27 Bei dieser Gestaltung übertragen die GmbH-Gesellschafter ihre GmbH-Anteile auf die Kommanditgesellschaft, so dass diese Alleingesellschafterin der KomplementärGmbH wird. Die Verzahnung ist auf diese einfache Weise optimal gesichert.1 9.28 Die Finanzverwaltung2 hat die Einheits-GmbH & Co. KG bereits frühzeitig anerkannt und bereits in den Einkommensteuer-Richtlinien 2008 bei R 15.8 Abs. 6 in Satz 43 u.a. folgendes ausgeführt: „Die Übertragung aller Gesellschaftsanteile an der Komplementär-GmbH in das Gesamthandsvermögen einer nicht gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft, bei der die GmbH alleinige Komplementärin ist, führt allein nicht zum Wegfall der gewerblichen Prägung.“
9.29 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 hat sich der BFH4 ausführlich mit der Rechtsform der Einheits-GmbH & Co. KG auseinandergesetzt und die Möglichkeit der gewerblichen Prägung dabei ausdrücklich bejaht. Der Entscheidung ist folgender amtlicher Leitsatz vorangestellt:5 1 Formulierungsvorschläge für Gesellschaftsverträge einer Einheitsgesellschaft finden sich u.a. auch bei Lichtenwimmer in Fuhrmann/Wälzholz (Hrsg.), Formularbuch Gesellschaftsrecht3, Kap. 30.3, S. 2218 ff.; Mueller-Thuns in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG22, Anhang D, S. 1249 ff. 2 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2005 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2008 – EStÄR 2008), BStBl. I 2008, 1017 Tz. 52. 3 S. a. die aktuelle (unveränderte) Fassung in R 15.8 (6) Satz 4 EStH 2021. 4 BFH v. 13.7.2017 – IV R 42/14, BStBl. II 2017, 1126 = FR 2018, 87 mit Anm. M. Wendt = DB 2017, 2133 = DStR 2017, 2031 = GmbHR 2017, 1158 mit Anm. Karl = MittBayNot 2018, 391 mit Anm. Spiegelberger. – Ausführlich dazu Demuth, kösdi 2018, 20641; Geck, ZEV 2018, 19; Frhr. von Proff, DStR 2017, 2590; Schulte/Schulte, ErbR 2018, 422; Storz, NZG 2020, 246; Werner, NWB 2018, 100. 5 Siehe dazu auch M. Wendt, FR 2018, 91.
970 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.33 Kap. 9
„Der gewerblichen Prägung einer „Einheits-GmbH & Co. KG“ steht nicht entgegen, dass der im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und diese auf die Kommanditisten übertragen wird.“ Der ausführlich begründeten Entscheidung des BFH ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung uneingeschränkt zuzustimmen. Gestaltungspraxis: Bei einer Einheitsgesellschaft kann die Entscheidung des BFH 9.30 im Gesellschaftsvertrag mit folgenden Formulierungen umgesetzt werden: – Gewerbliche Prägung: „Die persönlich haftende Gesellschafterin ist zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Dies gilt jedoch nicht, soweit es um die Wahrnehmung der Rechte aus den oder an den der Gesellschaft gehörenden Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH geht. In diesen Fällen sind die Kommanditisten zur Ausübung der Rechte berechtigt.“ – Gewerbliche Entprägung: „Die persönlich haftende Gesellschafterin und die Kommanditisten A und B sind jeweils einzeln zur Geschäftsführung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Für die persönlich haftende Gesellschafterin gilt dies jedoch nicht, soweit es um die Wahrnehmung der Rechte aus den oder an den der Gesellschaft gehörenden Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH geht. In diesen Fällen sind die Kommanditisten zur Ausübung der Rechte berechtigt.“ Zur gesetzlichen Neuregelung der Stimmrechtsausübung bei der Einheitsgesellschaft 9.31 ab dem 1.1.2024 nach § 170 Abs. 2 HGB-neu s.u. Rz. 9.36. Gemäß § 264c Abs. 4 HGB sind Anteile an Komplementär-Gesellschaften in der Bi- 9.32 lanz auf der Aktivseite der Bilanz gem. § 266 Abs. 2 HGB unter den Posten A III 1 oder A III 3 auszuweisen. § 272 Abs. 4 HGB ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für diese Anteile des aktivierten Betrags nach dem Posten „Eigenkapital“ ein Sonderposten unter der Bezeichnung „Ausgleichsposten für aktivierte eigene Anteile“ zu bilden ist. b) Stimmrecht Aufgrund der Bestimmung des § 47 Abs. 4 GmbHG hat ein Gesellschafter, welcher 9.33 durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben.1 Die Praxis behilft sich in diesen Fällen mit einer Regelung, nach der den Kommanditisten für den Fall Stimmrechtsvollmacht erteilt wird, dass der Geschäftsführer der GmbH von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen ist2. K. Schmidt3 kommt 1 Zu aktuellen Entwicklungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei Stimmverboten s. Heckschen, GmbHR 2016, 897. 2 Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 12. Aufl. 2018, § 7 Rz. 8. 3 K. Schmidt in Scholz12, Anh. § 45 GmbHG Rz. 58 ff.; kritisch Gummert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz. 11 ff.
Wachter 971
Kap. 9 Rz. 9.33 Gewerblich geprägte Immobilien
sogar zu dem Ergebnis, dass dem/den Kommanditisten das Recht zur Ausübung des Stimmrechts der KG als Alleingesellschafter/n der GmbH automatisch zuwächst.
9.34 Die Ausübung des Stimmrechts durch die Kommanditisten beseitigt nicht die gewerbliche Prägung; denn die Stimmrechtsausübung ist keine Geschäftsführung, sondern Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts1. Nur organschaftlich begründete Geschäftsführungsbefugnisse der Kommanditisten sind geprägeschädlich. Die Vorsichtsmaßnahme, an Stelle einer Vollmacht für die Kommanditisten einen Beirat für die Stimmrechtsausübung zu bestellen, ist daher nicht mehr erforderlich (zur Anerkennung der Beiratslösung durch die Finanzverwaltung s. R 15.8 (6) Satz 5 EStH 2021).
9.35 Zur Stimmrechtsausübung bei einer Satzungsänderung der GmbH hat das OLG Celle2 entschieden: (1) Für die Satzungsänderung bei der GmbH einer sog. Einheitsgesellschaft ist grundsätzlich deren Alleingesellschafterin, die Kommanditgesellschaft, zuständig; diese handelt im Regelfall durch ihre Organe, d.h. die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst in vertretungsberechtigter Anzahl. (2) Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn die Kommanditgesellschaft in ihrer Satzung die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte bei der GmbH anders geregelt, z.B. einem Beirat übertragen hat.3
9.36 Ausblick: Am 1.1.2024 tritt das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz4 in Kraft. Nach § 170 Abs. 2 HGB n.F. gilt dann: „Sofern der einzig persönlich haftende Gesellschafter der Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, an der die Gesellschaft sämtliche Anteile hält, werden vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung die Rechte in der Gesellschafterversammlung der Kapitalgesellschaft von den Kommanditisten wahrgenommen.“ Damit hat der Gesetzgeber das Problem der Stimmrechtsausübung im Sinne der bisherigen Gestaltungspraxis überzeugend gelöst und insoweit für Rechtssicherheit gesorgt. c) Vorzüge der Einheits-Gesellschaft
9.37 Die (gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte) Rechtsform der Einheits-GmbH & Co. KG hat in den letzten Jahren zunehmend an praktischer Bedeutung gewonnen.5
1 Vgl. D. und T. Carlé, GmbHR 2001, 100; Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (395). 2 OLG Celle v. 6.7.2016 – 9 W 93/16, GmbHR 2016, 1094 = NZG 2016, 1147 = NotBZ 2017, 47. 3 Weitere Rechtsprechung zur Einheitsgesellschaft findet sich auch unten bei Rz. 9.40. 4 Ges. zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG –) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 5 Ausführlich Lüke in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns22, Rz. 2.461 ff., S. 199 ff.; Winter in Winter (Hrsg.), Beratungspraxis GmbH & Co. KG, 2017, Rz. E 71 ff., S. 152 ff.
972 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.38 Kap. 9
9.38
Die Einheits-GmbH & Co. KG bietet zahlreiche Vorteile: – Gleichlauf der Beteiligungen: Die Anteile an der Komplementär-GmbH werden im Falle einer Veräußerung der Anteile der Kommanditgesellschaft automatisch mitübertragen, so dass die Anteile an beiden Gesellschaften niemals auseinanderfallen können. Aufwendige und störanfällige Verzahnungsklauseln sind dafür nicht erforderlich. – Formfreiheit der Anteilsübertragung: Die Übertragung der Anteile an der Komplementär-GmbH bedarf der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Die Anteile an der Kommanditgesellschaft können dagegen grundsätzlich formlos übertragen werden. Aufgrund der Verzahnungsklausel müssen die Kommanditanteile aber stets zusammen mit dem Anteil an der KomplementärGmbH übertragen werden. Daher bedarf ausnahmsweise auch die Übertragung der Anteile an einer Kommanditgesellschaft zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung.1 Bei der Einheits-GmbH & Co. KG müssen dagegen nur die Anteile an der Kommanditgesellschaft übertragen werden, so dass die Notwendigkeit einer zwingenden Beurkundung der Anteilsübertragung entfällt.2 Allerdings bedarf der Gesellschaftsvertrag einer Einheits-GmbH & Co. KG regelmäßig der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 4 GmbHG), da sich die Gesellschafter darin verpflichten, ihren Anteil an der Komplementär-GmbH unentgeltlich auf die KG zu übertragen. – Einheitlichkeit der Beschlussfassung: Die Beschlussfassung in beiden Gesellschaften muss bei der Einheits-GmbH & Co. KG nicht aufeinander abgestimmt werden, da die Gesellschafterrechte der GmbH-Gesellschafter ohnehin von der Kommanditgesellschaft ausgeübt werden. – Gewinnverwendung: Die Gewinnausschüttungen der Komplementär-GmbH stehen unmittelbar der Kommanditgesellschaft zu, an der die Kommanditisten unmittelbar beteiligt sind. Die Gewinnverwendung wird dadurch vereinfacht. – Sonderbetriebsvermögen: Bei der GmbH & Co. KG handelt es sich bei den Anteilen der Kommanditisten an der Komplementär-GmbH in der Regel um Sonderbetriebsvermögen. Die damit verbundenen Probleme (z.B. ungewollte Entnahme im Erbfall) werden bei der Einheits-GmbH & Co. KG von vornherein vermieden, weil es hier kein Sonderbetriebsvermögen gibt. – Erbschaft- und Schenkungsteuer: Bei der Einheits-GmbH & Co. KG gehören die Anteile an der Komplementär-GmbH zum Gesamthandvermögen der KG und damit zum steuerlichen Betriebsvermögen der KG. Damit sind die Anteile an der Komplementär-GmbH stets begünstigtes Vermögen (i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Dies gilt (unstreitig) unabhängig vom Erreichen der Mindestbeteiligung von mehr als 25 % (i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). 1 Siehe BGH v. 14.4.1986 – II ZR 155/85, NJW 1986, 2642 = GmbHR 1986, 258 = DNotZ 1986, 687 mit Anm. Tiedau = ZIP 1986, 1046 = EWiR 1986, 687 (Günther), und aktuell BGH v. 14.12.2016 – IV ZR 7/15, Rz. 27 ff., MDR 2017, 140 = DStR 2017, 163. 2 Näher dazu Binz/Rosenbauer, NZG 2015, 1136.
Wachter 973
Kap. 9 Rz. 9.38 Gewerblich geprägte Immobilien
– Umsatzsteuer: Bei einer Einheits-GmbH & Co. KG, die steuerfreie Umsätze tätigt, kann durch die Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Kommanditgesellschaft als Organträgerin und der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft erreicht werden, dass die Geschäfts- und Vertretungsleistungen nicht steuerbare Innenumsätze sind.1
9.39 Die Zulässigkeit der Rechtsform der Einheits-GmbH & Co. KG ist heute allgemein anerkannt (s. §§ 172 Abs. 6 HGB, 264c Abs. 4 HGB und – ab dem 1.1.2024 – auch § 170 Abs. 2 HGB i.d.F. des MoPeG2). 9.40 Überblick über die neuere Rechtsprechung zur Einheitsgesellschaft (Zivilrecht): – BGH v. 16.7.20073: In einer Komplementär-GmbH, deren Anteile von der KG gehalten werden, nehmen – sofern der Gesellschaftsvertrag der KG keine abweichenden Regeln enthält – die der KG als Alleingesellschafterin zustehenden Rechte in der Gesellschafterversammlung die organschaftlichen Vertreter der GmbH wahr. Über die Kündigung des organschaftlichen Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers der Komplementärin entscheiden deswegen dessen Mitgeschäftsführer. – BGH v. 27.3.19954: Der Gesellschafterbeschluss über die Kündigung eines Geschäftsführers wird bei einer Einheits-GmbH & Co. KG von dem (anderen) Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gefasst. – KG v. 22.7.20195 und v. 21.12.20186: Ist eine KG zugleich einzige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH (sog. Einheitsgesellschaft) wird die KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin mangels abweichender Regelungen gleichwohl durch deren Geschäftsführer vertreten. Einer Beteiligung der Kommanditisten bedarf es dabei nicht. – OLG Hamm v. 7.3.20187: Treuepflichtverletzung bei einer Einheits-GmbH & Co. KG: Die auf einer entgegen einer zuvor abgegebenen Zusage auf einer vorzeitig durchgeführten Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG gefassten Beschlüsse können wegen Treuepflichtverstoßes anfechtbar sein.
1 Siehe Abschnitt 2.8 Abs. 2 Satz 8 UStAE, ausführlich zum Ganzen Liebgott, UR 2016, 86. 2 Ges. zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG –) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 3 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 = GmbHR 2007, 1034 mit Anm. Werner = NZG 2007, 751 = EWiR 2007, 689 (Kort) = BB 2007, 1914 mit Anm. Gehrlein = DNotZ 2008, 145. Ausführlich dazu Giehl, MittBayNot 2008, 268; K. Schmidt, ZIP 2007, 2193. 4 BGH v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 = GmbHR 1993, 373. 5 KG v. 22.7.2019 – 22 W 40/19, GmbHR 2020, 31 = ZIP 2019, 1909 = EWiR 2020, 105 (Bünten/Kürten) = NZG 2019, 1260. 6 KG v. 21.12.2018 – 22 W 84/18, GmbHR 2019, 286 = NZG 2019, 180 = DNotZ 2019, 387 mit Anm. Priester. 7 OLG Hamm v. 7.3.2018 – 8 U 2/18, NZG 2018, 868 = NJW-RR 2018, 1000.
974 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.41 Kap. 9
– OLG Celle v. 14.3.20171: Kein Informationsrecht gem. § 51a GmbHG eines NurKommanditisten einer Einheits-KG. – OLG Celle v. 6.7.20162: Für die Satzungsänderung bei der GmbH einer sog. Einheitsgesellschaft ist grundsätzlich deren Alleingesellschafterin (die KG) zuständig; diese handelt im Regelfall durch ihre Organe, d.h. die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst in vertretungsberechtigter Anzahl. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn die KG in ihrer Satzung die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte bei der GmbH anders geregelt hat, z.B. einem Beirat übertragen hat.3 – OLG Karlsruhe v. 28.4.20164: Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers bei einer Einheitsgesellschaft.5 – OLG Hamburg v. 22.3.20136: Kündigung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH bei einer Einheits-GmbH & Co. KG. – OLG Hamburg v. 12.4.20117: Beschwerdebefugnis des Kommanditisten einer Einheitsgesellschaft bei Veränderungen der Komplementär-GmbH. Überblick über die neuere Rechtsprechung zur Einheitsgesellschaft (Steuerrecht): – BFH v. 13.7.20178: Der gewerblichen Prägung einer „Einheits-GmbH & Co. KG“ steht nicht entgegen, dass der im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und diese auf die Kommanditisten übertragen wird.
1 OLG Celle v. 14.3.2017 – 9 W 18/17, GmbHR 2017, 979 = ZIP 2017, 1761 = GWR 2017, 298 mit Anm. Nordholtz = DB 2017, 2217 mit Anm. Liebau/Leoff. 2 OLG Celle v. 6.7.2016 – 9 W 93/16, GmbHR 2016, 1094 mit Anm. Sammet = ZIP 2016, 1728 = NJW-Spezial 2016, 593 = NZG 2016, 1147 = MittBayNot 2016, 541 = RNotZ 2016, 688 = EWiR 2016, 755 (Giedinghagen/Fuchs). 3 Ausführlich dazu v. Bonin, NZG 2016, 1299; Hamminger, NWB Nr. 2017, 1670; Weinand, notar 2017, 366. 4 OLG Karlsruhe v. 28.4.2016 – 11 W 31/16, NZG 2016, 946. 5 Ausführlich dazu Hübner, NZG 2016, 933. 6 OLG Hamburg v. 22.3.2013 – 11 U 27/12, GmbHR 2013, 580 = NZG 2013, 831 = EWiR 2013, 459 m. Anm. Winstel. 7 OLG Hamburg v. 12.4.2011 – 11 W 25/11, NZG 2012, 677. 8 BFH v. 13.7.2017 – IV R 42/14, BStBl. II 2017, 1126 = FR 2018, 87 mit Anm. M. Wendt = DB 2017, 2133 = DStR 2017, 2031 = GmbHR 2017, 1158 mit Anm. Karl = MittBayNot 2018, 391 mit Anm. Spiegelberger – Ausführlich dazu Demuth, KöSDi 2018, 20641; Geck, ZEV 2018, 19; Middendorf/Hauptmann, StuB 23-24/2017, 890; Neufang/Schäfer, StB 2018, 132; Frhr. von Proff, DStR 2017, 2590; Schulte/Schulte, ErbR 2018, 422; Werner, NWB 3/2018, 100.
Wachter 975
9.41
Kap. 9 Rz. 9.41 Gewerblich geprägte Immobilien
– BFH v. 12.3.20141: Verkauft ein Kommanditist einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG seine Beteiligung an den einzigen anderen Kommanditisten und ist die KG die einzige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH (sog. Einheits-KG), ist der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.2 – BFH v. 9.5.19853: Zur verdeckten Gewinnausschüttung bei einer Einheits-GmbH & Co. KG. 4. Publizitätspflicht Literatur: Demuth/Klingbeil, Bilanzierungspflicht von vermögensverwaltenden Personenhandelsgesellschaften?!, DStR 2009, 2537; Früchtl/Proschka, Vermögensverwaltende Personengesellschaften im Gesellschafts-, Handels- und Steuerrecht, DStZ 2010, 595; Geck, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft im Ertrag- und Erbschaftsteuerrecht, KÖSDI 2010, 16842; Kaya, Handlungs- und Formulierungsvorschläge zur Vermeidung der Jahresabschlusspublizität: Die Vollhafterlösung bei einer GmbH & Co. KG, NWB 2010, 2214; Kuntze-Kaufhold, Jahresabschluss-Publizität nach dem EHUG – Gift oder Medizin?, GmbHR 2009, 73; Mylich, Die Vermeidung von Bilanzpublizität, ZGR 2021, 86; Wacker, Vermögensverwaltende Personenvereinigungen und Bruchteilsbetrachtung, DStR 2005, 2014.
9.42 Die Komplementär-GmbH ist kraft Rechtsform als Kapitalgesellschaft gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG immer Gewerbebetrieb und damit gem. § 264a HGB auch buchführungs- und bilanzierungspflichtig. Ihr Vermögen ist immer Betriebsvermögen, mit Ausnahme bei einer gemeinnützigen GmbH. 9.43 Auch die Privatvermögen verwaltende GmbH & Co. KG unterliegt dem Kapitalgesellschaften & Co.-Richtlinien-Gesetz4 und ist damit gem. § 325 HGB zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses verpflichtet. Gemäß § 335b HGB gelten die Straf- und Bußgeld- sowie die Ordnungsgeldvorschriften, die für Kapitalgesellschaften bestehen, entsprechend. 9.44 Wenn die gewerbliche Prägung mit dem einkommensteuerlich erwünschten „StepUp“ (s. Rz. 9.18) erreicht werden soll, muss die Publizitätspflicht in Kauf genommen werden. Erst mit dem späteren Ausscheiden der Komplementär-GmbH und der damit verbundenen Rückkehr in das steuerliche Privatvermögen entfällt die Publizitätspflicht wieder.
1 BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = DStR 2014, 1389 = GmbHR 2014, 950 = ZfIR 2014, 705 mit Anm. Wutzke. 2 Ausführlich zum Ganzen Behrens, BB 2014, 2647; Graessner, NWB 2014, 2934. Siehe dazu OFD NRW v. 7.2.2014, DB 2014, 456 = GmbHR 2014, 392. 3 BFH v. 9.5.1985 – IV R 76/83, BStBl. II 1985, 683 = DB 1985, 2228 = DStR 1985, 672 = BB 1985, 2092 = GmbHR 1986, 64. 4 Ges. zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/ 605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz – KapCoRiLiG – v. 24.2.2000, BGBl. I 2000, 154.
976 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.48 Kap. 9
Die Publizitätspflicht gem. § 325 HGB kann ausgeschlossen werden, wenn neben 9.45 der Komplementär-GmbH eine natürliche Person die persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der KG übernimmt. Diesem reinen Haftungsgesellschafter muss weder ein Vertretungs- noch ein Geschäftsführungsrecht eingeräumt werden. Die Haftungsübernahme durch eine natürliche Person als Haftungsgesellschafter reicht zur Vermeidung der Publizitätspflicht aus, wobei auch eine Beteiligung dieser Person am Gesellschaftsvermögen und damit auch die Gewinn- und Verlustbeteiligung ausgeschlossen werden kann. In der Literatur wird vorgeschlagen, der persönlich haftenden natürlichen Personen beispielsweise eine Haftungsvergütung i.H.v. 1 bis 2 % des Stammkapitals der GmbH & Co. KG zu gewähren1. Neben die handelsrechtlichen Publizitätspflichten sind seit einigen Jahren (auf 9.46 Grundlage der EU-Geldwäscherichtlinien) neue Mitteilungspflichten an das Transparenzregister (Register der wirtschaftlich Berechtigten) getreten (s. §§ 3, 18 ff., 56 ff. GwG).2 Danach sind grundsätzlich die wirtschaftlich Berechtigten aller Gesellschaften und Vereinigungen zu ermitteln und dem Transparenzregister online mitzuteilen. Das Transparenzregister ist für jedermann einsehbar (s. § 23 GwG). Das Publizitätsregister wurde zwischenzeitlich zu einem Vollregister fortentwickelt, so dass alle Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten aus dem Transparenzregister selbst ersichtlich sind (und nicht über eine Verlinkung zum Handelsregister oder anderen Registern).
9.47
Praxishinweis: Siehe zum Ganzen auch die regelmäßig aktualisierten „FAQ“ des zuständigen Bundesverwaltungsamts in Köln im Internet unter www.bva.bund.de.
Die Transparenzpflichten werden künftig noch weiter verschärft werden. So hat die 9.48 Europäische Kommission im Juli 2021 ein weiteres (umfangreiches) Paket zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgelegt3. Nach derzeitigem Stand sollen die Neuregelungen, die voraussichtlich Anfang 2025 in Kraft treten4, u.a. folgendes vorsehen: – die Schaffung einer neuen EU-Aufsichtsbehörde auf europäischer Ebene („Anti Money Laundering Authority, AMLA“),
1 Heeg, DB 2009, 719. 2 Näher dazu u.a. Bochmann, GmbHR 2021, R 32; Bochmann, GmbHR 2020, 256 (Teil I) und GmbH 2020, 362 (Teil II); Bochmann in FS Ulrich Seibert, 2019, S. 107 ff.; Goette M., NZG 2020, 1206; Goette M., DStR 2020, 453; Holm, DStR 2020, 1742; Nordhues/Zenker, GWR 2021, 138; Tebben, ZGR 2020, 430; Teichmann, ZGR 2020, 450; Thelen, NotBZ 2021, 129; Thelen, DNotZ 2020, 732; Xu, GmbHR 2020, 579; Weitnauer, GWR 2019, 275. – Zu Besonderheiten bei der GmbH & Co. KG s. u.a. Heß/Laschewski, DStR 2019, 2151; Löhrer, GmbH-StB 2018, 91 (Teil 1) und GmbH-StB 2018, 118 (Teil 2). 3 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung v. 20.7.2021, 2021/0239 (COD). 4 Siehe dazu u.a. Engel, NZG 2021, 1089.
Wachter 977
Kap. 9 Rz. 9.48 Gewerblich geprägte Immobilien
– die Verabschiedung einer Sechsten EU-Geldwäscherichtlinie und – die Einführung von drei neuen (unmittelbar geltenden) Geldwäsche-Verordnungen. 5. Einkommensteuerliche Besonderheiten der Immobilien-GmbH & Co. KG Literatur: Braun/Nöthen, Anwendung des § 15a EStG bei vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften, DStR 2020, 2697; Dreßler, Betriebsaufspaltung: keine Abfärbung auf transparente Betriebsgesellschaften, DStR 2013, 1818; Ettinger/Eberl, Die vorweggenommene Erbfolge unter Verwendung einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG, GmbHR 2004, 548; Geck, Die gewerblich geprägte Einheitspersonengesellschaft in der Nachfolgeberatung, ZEV 2018, 19; Groh, Abfärberegelung auch bei gewerblicher Beteiligung einer Personengesellschaft, DB 2005, 2430; Günther, Steuerliche Anerkennung von Familienpersonengesellschaften, EStB 2018, 395; Korn/Scheel, (Keine) Zukunft der gewerblichen Infektion von Personengesellschaften, DStR 2019, 1665; Freifrau von Lersner, Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung bei teilweise gewerblich tätigen Personengesellschaften in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – rechtssystematisch keine Bagatelle, DStR 2015, 2817; Levedag, Gewerbliche Einkünfte von Rechtsanwaltssozietäten durch Abfärbung, DStR 2018, 2094; Milatz/Sax, Transparenz der vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2017, 141; Müller, Gerd-Jürgen/Funk/Müller, Helmut, Die neue BFH-Rechtsprechung zur Abfärbung, BB 2010, 2271; Paus, Ist die Abfärbewirkung gewerblicher Beteiligungseinkünfte nur für die Gewerbesteuer als verfassungswidrig anzusehen?, FR 2019, 897; Freiherr von Proff, Die Einheits-KG als Variante der GmbH & Co. KG – Gründung und Vertragsgestaltung nach dem Urteil des BFH v. 13.7.2017, DStR 2017, 2590; Richter/Chuchra/Dorn, Offene Fragen und Probleme bei Anwendung der sog. „Aufwärtsinfektion“ des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG, DStR 2016, 2944; Scherer, Familienunternehmen: Zivil- und steuerrechtliche Besonderheiten bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages, BB 2010, 323; Schreiber, Grenzen der Aufwärtsinfektion durch gewerbliche Beteiligungseinkünfte, NZG 2019, 1172; Schulte/Schulte, Die generationenübergreifende Vergesellschaftung des betrieblichen Familienvermögens. Zugleich ein Plädoyer für die Einheits-KG, ErbR 2018, 422; Spiegelberger, Der Siegeszug der Einheits-GmbH & Co. KG in Festschrift für Dieter Mayer, 2020, S. 73 ff.; Stenert/Gravenhorst, Aktuelles zur Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – Verfassungskonforme Auslegung und Verfassungswidrigkeit, DStR 2020, 2505; Stapperfend, Die Infektion im Einkommensteuerrecht – Ein Beitrag zum Krankheitsbild des Einkommensteuergesetzes, StuW 2006, 303; Wagner, „Aufwärtsinfektion“ bei doppelstöckigen Personengesellschaften – Konsequenzen des BFH-Urteils vom 6.6.2019, BB 2019, 2135; Weisheit, Zur Abfärbewirkung bei Beteiligung einer gemeinnützigen Körperschaft an einer Personengesellschaft, DB 2012, 142; Weiss, Keine GewSt-Pflicht bei Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, DB 2019, 2316; Weiss, Keine Bagatellgrenze bei der Aufwärtsinfektion des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG, DB 2016, 2133.
a) Überblick
9.49 Bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG sind aus steuerrechtlicher Sicht zwei unterschiedliche Varianten zu unterscheiden, nämlich – die gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit Betriebsvermögen und – die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen.
978 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.50 Kap. 9
9.50
Überblick zur neueren Rechtsprechung zur gewerblichen Prägung: 27.4.20221:
– BFH v. nengesellschaft.
Eine Stiftung & Co. KG ist keine gewerblich geprägte Perso-
– BFH v. 9.11.20172: Keine gewerblich geprägte Gesellschaft bei einem ruhenden Gewerbebetrieb einer Personengesellschaft. – BFH v. 13.7.20173: Gewerbliche Prägung der Einheitsgesellschaft: Der gewerblichen Prägung einer „Einheits-GmbH & Co. KG“ steht nicht entgegen, dass der im Grundsatz allein geschäftsführungsbefugten Komplementärin im Gesellschaftsvertrag der KG die Geschäftsführungsbefugnis betreffend die Ausübung der Gesellschafterrechte aus oder an den von der KG gehaltenen Geschäftsanteilen an der Komplementär-GmbH entzogen und diese auf die Kommanditisten übertragen wird.4 – BFH v. 4.5.20175: Auch bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG) ist die Unternehmensidentität Voraussetzung des Abzugs des Gewerbeverlustes nach § 10a GewStG. Die Unternehmensidentität kann deshalb fehlen, wenn eine Personengesellschaft zunächst originär gewerblich tätig ist, anschließend Einkünfte aus Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Prägung erzielt und dabei Vorbereitungshandlungen hinsichtlich einer künftigen (wieder) originär gewerblichen Tätigkeit vornimmt. – BFH v. 19.1.20176: Eine vermögensverwaltend tätige, aber gewerblich geprägte Personengesellschaft kann nicht nur Anlage-, sondern auch Umlaufvermögen haben. Die Zuordnung bestimmt sich nach der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts im fiktiven Betrieb. – BFH v. 25.9.20187 und v. 6.6.20198: Einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft ist die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht deshalb zu verwehren, weil sie 1 BFH v. 27.4.2022 – II R 9/20, BHF/NV 2022, 945 = DStR 2022, 1424 mit Anm. Kugelmüller-Pugh = ZEV 2022, 544 mit Anm. Lorenz; ausführlich Werner, NZG 2022, 1244. 2 BFH v. 9.11.2017 – IV R 37/14, BStBl. II 2018, 227 = DStR 2018, 238 = DB 2018, 228 = BB 2018, 290. 3 BFH v. 13.7.2017 – IV R 42/14, BStBl. II 2017, 1126 = FR 2018, 87 mit Anm. M. Wendt = DB 2017, 2133 = DStR 2017, 2031 = GmbHR 2017, 1158 mit Anm. Karl = MittBayNot 2018, 391 mit Anm. Spiegelberger. 4 Ausführlich dazu Demuth, KöSDi 2018, 20641; Geck, ZEV 2018, 19; Neufang/Schäfer, StB 2018, 132; Frhr. von Proff, DStR 2017, 2590; Schulte/Schulte, ErbR 2018, 422; Storz, NZG 2020, 246; Werner, NWB 2018, 100. 5 BFH v. 4.5.2017 – IV R 2/14, BStBl. II 2017, 1138 = DStR 2017, 2038 = GmbHR 2017, 1276 mit Anm. Karl. 6 BFH v. 19.1.2017 – IV R 10/14, BStBl. II 2017, 466 = DB 2017, 887 = NZG 2017, 588. 7 BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl II 2019, 262 = DStR 2019, 672 = DB 2019, 762 = NJW 2019, 1243 = NZG 2019, 475 = GmbHR 2019, 486. 8 BFH v. 6.6.2019 – IV R 9/19 (IV R 26/14), GmbHR 2019, 1305 (Folgeentscheidung zu BFH v. 25.9.2018 GrS 2/16, a.a.O.). Siehe hierzu a. den Vorlagebeschluss BFH v. 21.7.2016 – IV R 26/14, BStBl II 2017, 202 = DStR 2016, 2516 = GmbHR 2016, 1325.
Wachter 979
Kap. 9 Rz. 9.50 Gewerblich geprägte Immobilien
an einer rein grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist. – BFH v. 22.9.20161: Keine gewerbliche Prägung einer GbR & Co. KG, wenn an der GbR mindestens eine natürliche Person beteiligt ist. – BFH v. 4.5.20162: Gewerbliche Prägung beginnt erst mit Eintragung im Handelsregister.
9.51 Die Komplementär-GmbH ist stets Gewerbebetrieb kraft Rechtsform. Sie ist buchführungs- und bilanzierungspflichtig und erzielt körperschaftsteuer- und gewerbesteuerpflichtige Einkünfte, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG. b) Gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit Betriebsvermögen
9.52 Eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG, die zwar keine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt, bei der aber ausschließlich die Komplementär-GmbH oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind, wird steuerrechtlich als Gewerbebetrieb fingiert (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft), auch wenn sie wirtschaftlich und zivilrechtlich nur Vermögensverwaltung betreibt.3 Eine gewerbliche Prägung führt zur Qualifizierung der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Grundstücke als steuerliches Betriebsvermögen. Eine solche Rechtsfolge kann erwünscht sein, etwa um eine Erhöhung der AfA-Bemessungsgrundlage auf den Verkehrswert zu ermöglichen (sog. „Step-Up“). 9.53 Die Einbringung von privatem Vermögen in eine nicht gewerblich geprägte Vermögensverwaltungsgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt nach allgemeiner Auffassung keinen Veräußerungstatbestand dar, soweit sich die Beteiligungsverhältnisse nicht verändern. Die Finanzverwaltung stellt hierzu fest: „Die Übertragung eines Grundstücks auf eine Personengesellschaft oder Gemeinschaft ohne Betriebsvermögen gegen Entgelt oder gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist insoweit nicht als Veräußerung anzusehen, als der bisherige Eigentümer nach der Übertragung am Vermögen der Gesellschaft oder Gemeinschaft beteiligt ist. Entsprechendes gilt, wenn das Grundstück von der Personengesellschaft oder -gemeinschaft auf einen Gesellschafter oder ein Mitglied der Gemeinschaft übertragen wird.“4
Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zugerechnet, ohne dass bei einer beteiligungskonformen Eigentumsübertragung ein einkommensteuerlicher Veräußerungsvorgang vor-
1 BFH v. 22.9.2016 – IV R 35/13, DStR 2016, 2704 = DB 2016, 2700 = GmbHR 2016, 1323. 2 BFH v. 4.5.2016 – II R 18/15, ZEV 2016, 603 = GmbHR 2016, 1174 = BFH/NV 2016, 1565 = BB 2016, 2662 mit Anm. Heinmüller. 3 Zur gewerblichen Prägung der Einheitsgesellschaft s. oben Rz. 9.16 und 9.50 m.w.N. 4 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00, BStBl. I 2000, 1383 Tz. 8.
980 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.56 Kap. 9
liegt. Der Step-Up kann also nur durch Bildung von Betriebsvermögen erreicht werden. Eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, welche das im Betriebsvermögen be- 9.54 findliche Grundvermögen vermietet oder verpachtet, erzielt nach der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG einkommen- und gewerbesteuerpflichtige Gewinneinkünfte; zu den Grundsätzen der Einkünfteerzielung vgl. Rz. 1.800 ff. Der Umstand, dass der Grundbesitz einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG Betriebsvermögen darstellt, kann – unter langfristiger Betrachtung – steuerlich als nachteilig empfunden werden, da die im Laufe der Jahre eintretende Wertsteigerung des Grundbesitzes im Falle der Veräußerung zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führt. Sobald die gewerbliche Prägung durch den erwünschten „Step-Up“ ihre steuerliche 9.55 Wirkung entfaltet hat, wird daher mitunter – unter Fortführung der erhöhten AfABemessungsgrundlage – die Rückkehr ins steuerliche Privatvermögen gewünscht. Die Betriebsvermögenseigenschaft kann dadurch beseitigt werden, dass entweder Kommanditisten neben der Komplementär-GmbH die Geschäftsführung (nicht auch die Vertretung1) übernehmen oder die Komplementär-GmbH aus der Gesellschaft ausscheidet, um identitätswahrend und beteiligungsidentisch die Gesellschaft als privat vermögensverwaltende KG, OHG oder GbR fortzuführen. Um nicht den Einwand der missbräuchlichen Gestaltung (§ 42 AO) – insbesondere dem Vorwurf eines „planvollen“ Vorgehens – auf sich zu ziehen, ist den Gesellschaftern ein mehrjähriges Verbleiben in der Rechtsform der gewerblich geprägten GmbH & Co. KG anzuraten. Die im Zeitraum der gewerblichen Prägung entstandenen stillen Reserven sind aufzudecken und zu versteuern. Nach Ablauf der Haltefrist von zehn Jahren kann der Grundbesitz der Gesellschaft steuerfrei veräußert werden, da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht mehr eingreift. Veräußerungen nach Ablauf eines solchen Zeitraums können dann regelmäßig auch nicht mehr zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels führen. c) Buchung von eingebrachten Grundstücken Bringt der Gesellschafter einer Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut gegen Gut- 9.56 schrift eines Betrags ausschließlich auf dem sog. Kapitalkonto II in die Gesellschaft ein, war dieser Vorgang nach dem BMF–Schreiben v. 11.7.20112 als ein entgeltlicher Vorgang (und nicht als Einlage) anzusehen, der zur Gewährung von Gesellschaftsrechten führt, wenn nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen auf diesem Konto auch Verluste gebucht wurden. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH3 1 Eine Eintragung im Handelsregister ist daher weder erforderlich noch möglich. Im Handelsregister wird nur die Befugnis zur Vertretung der Kommanditgesellschaft im Außenverhältnis, nicht aber auch die Befugnis zur Geschäftsführung im Innenverhältnis eingetragen (s. §§ 161 ff., 106 ff., 12 HGB). Die Geschäftsführung ist weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig. 2 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713. 3 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = GmbHR 2016, 228 mit Anm. Levedag; v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607 = FR 2016, 896 m. Anm. Wendt.
Wachter 981
Kap. 9 Rz. 9.56 Gewerblich geprägte Immobilien
führt die ausschließliche Buchung auf dem Kapitalkonto II nicht zu einem entgeltlichen Vorgang und damit nicht zur Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern ist als Einlage zu behandeln. Durch das Schreiben des BMF vom 26.7.20161 ist das BMF–Schreiben v. 11.11.20112 insoweit überholt, als danach eine Buchung, die ausschließlich auf einem variablen Kapitalkonto (insbesondere dem Kapitalkonto II) und/oder teilweise auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto erfolgt, zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten und damit zu einem entgeltlichen Vorgang führt. Auf Antrag der Beteiligten wurde die bisherige Verwaltungsauffassung für Übertragungen und Einbringungen bis zum 31.12.2016 angewendet. Für alle Gesellschaftsverträge einer GmbH & Co. KG mit Betriebsvermögen ist daher die oben in Rz. 9.25 geschilderte Kontenbildung zu empfehlen.
9.57 Einstweilen frei. d) Anwachsung Literatur: Ege/Klett, Aktuelle gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte von Anwachsungsmodellen, DStR 2010, 2463; Hoger/Lieder, Die grenzüberschreitende Anwachsung, ZHR 180 (2016) 613; Lohr, Das erweiterte Anwachsungsmodell, GmbH-StB 2017, 92; Freiherr von Proff, Die Anwachsung als Gestaltungsmodell bei Personengesellschaften, DStR 2016, 2227; Schiffers/Forst, Umstrukturierung mittels Anwachsung, GmbH-StB 2018, 362.
9.58 Personengesellschaften können nicht als Ein-Mann-Gesellschaft bestehen, so dass die Gesellschaft ohne Liquidation erlischt, wenn sich alle Anteile in einer Person vereinigen. Die damit verbundene Anwachsung des Gesellschaftsvermögens gem. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB (ab dem 1.1.2024 § 712a BGB i.d.F. des MoPeG3) erfolgt außerhalb des UmwG und erfordert weder Einzelrechtsübertragungen4 noch Gläubigerzustimmungen5. Das einfache Anwachsungsmodell, wonach alle Kommanditisten ohne Gewährung neuer Anteile an der GmbH aus der GmbH & Co. KG ohne Abfindung ausscheiden, erfüllt nicht die Voraussetzungen der §§ 20 ff. UmwStG und führt zur Aufdeckung stiller Reserven. Aus diesem Grund wird das erweiterte Anwachsungsmodell in der Praxis bevorzugt, wonach das Kapital der GmbH im Wege der Sachkapitalerhöhung erhöht wird6. 1 BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684 = GmbHR 2016, 1064. – Siehe dazu u.a. Fischer/Petersen, DStR 2019, 2169; Schmudlach, NWB 2016, 3305. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314. 3 Ges. zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG –) v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 4 Zur Gesamtrechtsnachfolge im Grundbuch s. BGH v. 5.7.2018 – V ZB 10/18, ZIP 2018, 1826 = DB 2018, 2298 = NZG 2018, 1148 = GWR 2018, 391 mit Anm. Nentwig = NJW 2018, 3310 = ZfIR 2018, 826 mit Anm. Niesse = DNotZ 2018, 914 (§ 40 GBO: erbrechtsgleiche Gesamtrechtsnachfolge ist auch gegeben bei Anwachsung aufgrund Ausscheidens eines Gesellschafters aus zweigliedriger Personenhandelsgesellschaft). Ausfühlich dazu Weber, DNotZ 2018, 884. 5 Grüneberg/Sprau81, § 738 BGB Rz. 1 f.; Lohr, GmbH-StB 2017, 92. 6 Vgl. Dremel in Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns22, Rz. 11.194 ff.
982 Wachter
A. Die GmbH & Co. KG als Grundstücksverwaltungsgesellschaft
Rz. 9.62 Kap. 9
Im Erbrecht ist die Anwachsung ohne Abfindung nach Auffassung des BGH1 im 9.59 Allgemeinen nicht dazu geeignet, Pflichtteilsansprüche von (ungeliebten) Kindern zu vermeiden.
9.60
Einstweilen frei. 6. Gewerbesteuerliche Besonderheiten der vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erlaubt die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer bei Un- 9.61 ternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben bestimmte Wohnungsbauten errichten und veräußern, um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (s. eingehend Rz. 1.1066 ff.)2. Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für grundstücksverwaltende Personengesellschaften entfällt bei Verpachtung von Grundbesitz an einen persönlich haftenden Gesellschafter (s. Rz. 1.1067)3. 7. Grunderwerb- und umsatzsteuerliche Besonderheiten einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG Nach § 1 Abs. 2a GrEStG4 steuerbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft sind insoweit nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuer-
1 Grundlegend BGH v. 3.6.2020 – IV ZR 16/19, ZIP 2020, 1298 = ZEV 2020, 420 mit Anm. Hölscher = DB 2020, 1450 = DB 2020, 2291 mit Anm. Wenzel/Falkowski = DStR 2020, 1582 = ZErb 2020, 289 mit Anm. Horn = NJW 2020, 2396 mit Anm. Schönenberg-Wessel = NZG 2020, 947 = ErbR 2020, 633 mit Anm. Lienenlüke/Kurth = NotBZ 2020, 389 mit Anm. Müller-Engels (§ 2325 BGB: Pflichtteilsergänzung nach Schenkung in Form der für den Todesfall eines Gesellschafters einer zweigliedrigen GbR vereinbarten Anwachsung seines Anteils beim Überlebenden unter Abfindungsausschluss). Ausführlich dazu Rachlitz/ Vedder, notar 2020, 286; Werner, NWB 2020, 2621. 2 Vgl. GmbHR 2009, R 22 (R 23). 3 Vgl. BFH v. 7.8.2008 – IV R 36/07, BStBl. II 2010, 988 = GmbHR 2009, 96 = FR 2009, 437 m. Anm. Wendt. 4 Zu § 1 Abs. 2a GrEStG s. (1) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018, BStBl. I 2018, 1314 = DB 2018, 3091 = DStR 2018, 2582 (Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG). Ausführlich dazu Behrens, BB 2019, 30; Behrens/Wagner, DB 2019, 1868; Broemel/Lange, DStR 2019, 185, und (2) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 12.11.2018, DB 2018, 3023 = DStR 2018, 2582 (Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG, Hinweise zu dem BFH-Urt. v. 9.7.2014 – II R 49/12, BStBl. II 2016, 57 und Aufhebung der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 9.12.2015, BStBl. I 2016, 136).
Wachter 983
9.62
Kap. 9 Rz. 9.62 Gewerblich geprägte Immobilien
frei, als sie auf einer schenkweisen Anteilsübertragung beruhen, so dass auch die Anteilsübertragung auf Neffen und Nichten grunderwerbsteuerfrei1 bleibt2.
9.63 Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer stehen zueinander in Gesetzeskonkurrenz. Das Umsatzsteuergesetz enthält mehrere Umsatzsteuerbefreiungen für die Übertragung und Vermietung von Grundbesitz, so dass die Umsatzsteuer nur in besonderen Fällen eine Rolle spielt. Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Bei der Lieferung von Grundstücken gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann gem. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach Abs. 1 nur in dem gem. § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Gemäß § 9 Abs. 1 UStG kann der Steuerpflichtige auf diese Umsatzsteuerbefreiung verzichten. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG beträgt bei der Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Camping-Flächen nur 7 %. Zur Umsatzsteuerpflicht im Allgemeinen Rz. 1.1200 ff.
9.64 An der Option zur Umsatzsteuerpflicht gem. § 9 Abs. 1 UStG besteht für den Verkäufer ein Interesse, wenn er ein Grundstück veräußert, für das er in den vergangenen zehn Jahren den Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG geltend gemacht hat. Nur bei einer Option zur Umsatzsteuerpflicht für die Veräußerung kann die Vorsteuerberichtigung gem. § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG vermieden werden, wenn in dem notariellen Kaufvertrag auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet wird und der Käufer den erworbenen Vertragsgegenstand für umsatzsteuerpflichtige Zwecke in dem gesamten Berichtigungszeitraum von zehn Jahren nutzt. 9.65 Für die Vertragsgestaltung ist auch die umsatzsteuerliche Organschaft von Bedeutung.3 Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Für die GmbH & Co. KG ergibt sich aus dieser Vorschrift Folgendes. 1 Das GrEStG wurde zuletzt mehrfach geändert, insbesondere durch das am 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986). Zu den komplexen Übergangsvorschriften nach § 23 Abs. 18 ff. GrEStG s. die gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 29.6.2021, BStBl. I 2021, 1006. Ausführlich zu den Neuregelungen u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Hans-Jörg Fischer, BB 2021, 1566; Förster/Mendling, DB 2021, 1974; Labus/Busch, GmbHR 2021, R 176; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. – Zu (berechtigten) verfassungsrechtlichen Bedenken an der Neuregelung für Share Deals s. Happel, DStR 2021, 1193 und 1272. 2 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 79/05, BStBl. II 2007, 409 = GmbHR 2007, 557. 3 Zur umsatzsteuerlichen Organschaft bei der Einheits-GmbH & Co. KG s. Liebgott, UR 2016, 86.
984 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Kap. 9
Sofern die Kommanditisten sowohl an der KG als auch an der GmbH beteiligt sind, 9.66 handelt es sich um zwei selbständige Rechtsträger, so dass keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft besteht. Die an eine Komplementär-GmbH von der KG neben der Geschäftsführungsvergütung gezahlte Haftungsvergütung ist demnach sowohl umsatzsteuerbar als auch umsatzsteuerpflichtig1. Auch die Geschäftsführervergütungen der Geschäftsführer der GmbH unterliegen der Umsatzsteuerpflicht. Bei einer Einheits-GmbH & Co. KG ist die GmbH die 100%ige Tochter der Kom- 9.67 manditgesellschaft und damit grundsätzlich finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der KG eingegliedert. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG sind die Wirkungen der Organschaft auf die Innenleistungen der im Inland belegenen Unternehmensteile beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Demnach sind die im Organkreis erbrachten Leistungen Innenumsätze und unterliegen keiner gesonderten Mehrwertsteuer. Die EinheitsGmbH & Co. KG erweist sich auch insofern als für die Praxis besonders geeignete Gesellschaftsform. Eine umsatzsteuerliche Organschaft kann auch ohne Personalunion bestehen, wenn 9.68 ein Geschäftsführer nach dem Geschäftsführungsanstellungsvertrag sowohl die Weisungen der Gesellschafterversammlung als auch die Weisungen des Geschäftsführers einer anderen GmbH zu befolgen hat und zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedarf. Auch ohne Personalunion kann sich somit nach der Entscheidung des BFH vom 12.10.20162 eine organisatorische Eingliederung aus der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers der Organgesellschaft ergeben. Die anderslautende Entscheidung des FG Münster3 hat der BFH aufgehoben. Nach der Entscheidung des BFH vom 19.1.20164 kann § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG in einer mit Art. 4 Abs. 4 unter Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff „juristische Person“ auch eine GmbH & Co. KG umfasst.
9.69–9.70
Einstweilen frei.
B. Übertragung eines KG-Anteils an einer grundstückbesitzenden GmbH & Co. KG Literatur: Altendorf, Erbschaftsteuerliche Behandlung von Grundstücken in Fällen der Betriebsaufspaltung, GmbH-StB 2021, 19; Bünning, Kombination von Buchwertverknüpfun-
1 FG Nds. v. 25.2.2010 – 16 K 347/09, EFG 2010, 1258 (rkr.). 2 BFH v. 12.10.2016 – XI R 30/14, BStBl. II 2017, 597 = DStR 2017, 198 = GmbHR 2017 = UR 2017, 178. 3 FG Münster v. 25.4.2013 – 5 K 1401/10 U, EFG 2014, 1829, aufgeh. durch BFH v. 12.10.2016 – XI R 30/14, a.a.O. 4 BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, BStBl. II 2017, 567 = DB 2016, 626 = GmbHR 2016, 426.
Wachter 985
Kap. 9 Rz. 9.71 Gewerblich geprägte Immobilien gen, BB 2021, 1771; Fleischer, Vermögensübergabe gegen (private) Versorgungsleistungen nach dem JStG 2008, ZEV 2007, 475; Fleischer, Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen: Steuersystem, steuerliche Änderung und Steuerplanungssicherheit in FS für S. Spiegelberger (2009), 120; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen – steuerliche Problemfelder, notar 2015, 144; Geck, Aktuelles zum Ertragsteuerrecht der vorweggenommenen Erbfolge in Mitunternehmeranteile, ZEV 2021, 560; Geck, Die steuerlichen Rahmenbedingungen der vorweggenommenen Erbfolge 2003 bis 2013 – ein Rückblick auf ereignisreiche Jahre, ZEV 2013, 147; Götz, Übertragung von Sonderbetriebsvermögen und Personengesellschaftsanteil, DStR 2021, 460; Grosse, Die Übertragung von Mitunternehmer(teil)anteilen im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG – Eine kritische Analyse am Beispiel der Übertragung auf Familienstiftungen, FR 2021, 105; Hochheim/Wagenmann, Der Vorbehaltsnießbrauch am Kommanditanteil und die Mitunternehmerschaft, ZEV 2010, 109; Korezkij, Begünstigung des Betriebsvermögens in der Erbschaftsteuer: Aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen, DStR 2021, 145; Kotzenberg/Riedel, Steuerneutrale Übertragung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils? Auf das richtige Timing kommt es an!, DStR 2021, 505; Lederle/Wanner, Die vorweggenommene Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neuen FG-Rechtsprechung, DStR 2016, 2270; Levedag, Nachfolge in Personengesellschaften von Todes wegen am Beispiel der GmbH & Co. KG, GmbHR 2010, 629; Mertes/Frank, Erbschaftsteuerlich begünstigte Übertragung von Besitzunternehmen in Betriebsaufspaltungsfällen, DStR 2020, 2111; Müller, Die gewerbliche Familien-KG als Schenkungsinstrument, ErbStB 2003, 127; Renaud, „Isolierte“ Vor- und Nacherbfolge bei der GmbH & Co. KG, GmbHR 2013, 297; Müller/Dorn, §§ 13a, 13b ErbStG bei Schenkung von Sonderbetriebsvermögen, NWB 2021, 631; Neufang, Praxisfragen zur Entstehung und Beendigung einer Betriebsaufspaltung, StB 2020, 209; Risthaus, Begünstigte Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, DB 2010, 803; Spiegelberger, Der Nießbrauch bei Mitunternehmeranteilen, FS für Brambring (2011), 343; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen bei Immobilienübertragungen aufgrund des IV. Rentenerlasses: Die Übertragung von Immobilienvermögen, DStR 2010, 1880; Schulze zur Wiesche, Erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung des Sonderbetriebsvermögens, DStZ 2021, 408; Stalleiken/ Hennig, Der „weitergeleitete“ Nießbrauch an den überlebenden Ehegatten in der vorweggenommenen Erbfolge; Wälzholz, Vorweggenommene Erbfolge: Die richtige Gestaltung des Familienpools, BBEV 2007, 171 und 207; Wachter, Stimmrechtsvollmachten bei der Übertragung von KG-Anteilen unter Vorbehaltsnießbrauch, DStR 2016, 2065; Wehage, Kostentragung bei der erbschaftsteuerlichen Bewertung von Gesellschaftsanteilen, ErbStB 2012, 55; Wenckstern, Güterstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen, NJW 2014, 1335; Wulf, Gestaltungsmöglichkeiten zur Übertragung eines Mitunternehmeranteils bei der Familien-GmbH & Co. KG, Zusammenspiel von § 6 Abs. 3 EStG und §§ 13a, 13b ErbStG in der Nachfolgeplanung, NWB 2020, 1493.
9.71 Beispiel: V überträgt seinen Kommanditanteil an der X Immo GmbH & Co. KG auf seine Tochter T unter Vorbehalt des Nießbrauches, weil Steuerberater S von einer Leibrente abrät.
I. Grundzüge der Vertragsgestaltung 1. Leibrentenvereinbarung
9.72 Der im Zuge des Jahressteuergesetzes 2008 neu gefasste und redaktionell geänderte § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG erlaubt den Sonderausgabenabzug nur bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen an einer Personengesellschaft, die ei986 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.74 Kap. 9
ne Tätigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 EStG ausübt. Die Übertragung von Anteilen an einer vermögensverwaltend tätigen, gewerblich geprägten Personengesellschaft gegen wiederkehrende Leistungen ist damit vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen (s. Rz. 1.1012)1. Die Finanzverwaltung behandelt im IV. Rentenerlass2 – im Widerspruch zur jahrzehntelangen BFH-Rechtsprechung – Versorgungsleistungen, die nicht gem. § 10 Abs. 1 a Nr. 2 Satz 2 EStG zum Sonderausgabenabzug berechtigen, sogar als (ggf. anteilige) Gegenleistung, so dass eine GmbH-Anteilsübertragung gegen Versorgungs-Leibrente nach Auffassung der Finanzverwaltung gem. § 17 EStG einkommensteuerpflichtig ist. 2. Einkommensteuerliche Folgen der Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs Die gewerblich geprägte GmbH & Co. KG ist Trägerin von Betriebsvermögen. Die 9.73 einkommensteuerliche Anerkennung setzt voraus, dass sowohl der Nießbraucher als auch der durch den Nießbrauch belastete Kommanditist Mitunternehmer sind, also Mitunternehmerinitiative entfalten können und ein Mitunternehmerrisiko tragen. Nach der (bisherigen) Rechtsprechung des BFH3 bleibt der Nießbrauchsverpflichtete grundsätzlich Mitunternehmer, da dieser einen hinreichenden Bestand an vermögensrechtlicher Substanz des nießbrauchbelasteten Gesellschaftsanteils und einen hinreichenden Bestand an gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechten zurückbehält4. Danach sind beide, also sowohl der sich den Nießbrauch vorbehaltende übertragende Gesellschafter (im Beispielsfall V) als auch der Erwerber des Gesellschaftsanteiles (im Beispielsfall T) Mitunternehmer. Der Nießbrauchbesteller kann auch weiterhin die Mitunternehmerinitiative ausüben. Hierfür genügt die Möglichkeit zur Ausübung von Rechten, die den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches wenigstens angenähert sind. Bei der Ausübung des Stimmrechts werden zivilrechtlich alle denkgesetzlich mögli- 9.74 chen Alternativen vertreten5, denen aber das Einkommensteuerrecht Grenzen setzt. Da das Erbschaftsteuerrecht an die einkommensteuerliche Qualifizierung anknüpft, ist die Stimmrechtsverteilung auch für die Schenkung- und Erbschaftsteuer ausschlaggebend.
1 Spiegelberger, DStR 2010, 1880, mit Gestaltungshinweisen; Pauli/Kammerloher-Lis, SteuK 2011, 449. 2 BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227 Tz. 57. 3 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = DB 1994, 2423 = NJW 1995, 1918 = ZEV 1995, 37. 4 So zutreffend auch Gschwendtner, NJW 1995, 1876. 5 Umfassend und rechtsvergleichend Wedemann, NZG 2013, 1281; Wedemann, ZGR 2016, 798.
Wachter 987
Kap. 9 Rz. 9.75 Gewerblich geprägte Immobilien
9.75 Mit Weitblick hat Flume1 folgende Kompetenzverteilung für die Stimmrechtsausübung skizziert: Mitunternehmerischer Nießbrauch Entnahmefähige Gewinne und diesbezügliches Stimmrecht Nießbraucher
Gesellschafter Außerordentliche Erträge und diesbezügliches Stimmrecht einschließlich Kernbereich
9.76 Der Nießbraucher hat ein das Mitwirkungsrecht des erwerbenden Gesellschafters ausschließendes eigenes Stimmrecht bei Beschlüssen der Gesellschafter über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechtes notwendigen Kontroll- und Informationsrechte. Es empfiehlt sich, die Kompetenzverteilung – nicht etwa eine Stimmrechtsabspaltung – ausdrücklich im Übertragungsvertrag zu regeln. Danach übt der Nießbraucher das Stimmrecht bei Beschlüssen über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft aus. Bei außerordentlichen Angelegenheiten und im Kernbereich des Gesellschaftsrechts, insbesondere z.B. bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages, gebührt das Stimmrecht allein dem den Gesellschaftsanteil erwerbenden Kommanditisten. Dem Nießbraucher sollte grundsätzlich keine über die gesetzlichen Stimmrechte hinausgehende Stimmrechtsvollmacht erteilt werden, da in diesem Fall nach Auffassung des BFH dem Gesellschafter die für die Anwendung des § 13a ErbStG erforderliche Mitunternehmerinitiative fehlen kann. 9.77 Praxishinweis: Die steuerliche Begünstigung bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Vorbehaltsnießbrauch ist stark von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägt. Insgesamt ist die Rechtslage unsicher.
1 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1, 1. Teil „Die Personengesellschaft“, S. 366.
988 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.78 Kap. 9
Die Rechtsprechung der einzelnen Senate des BFH war in den letzten Jahren nicht 9.78 immer ganz einheitlich und ist nicht ohne weiteres miteinander in Einklang zu bringen.1 Im Bereich der Unternehmensnachfolge ist grundsätzlich der für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige II. Senat federführend. Die wichtigsten Entscheidungen des II. Senats des BFH zur steuerlichen Begünstigung des Erwerbs von Kommanditanteilen bei Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch lassen sich schlagwortartig wie folgt skizzieren: – BFH v. 6.11.20192: Begünstigung von Betriebsvermögen bei der Schenkung eines Kommanditanteils unter Vorbehaltsnießbrauch trotz Stimmrechtsrechtvollmacht des Erwerbers an den Schenker. – BFH v. 6.5.20153: Keine Steuerbegünstigung bei Übertragung eines Kommanditanteils unter Nießbrauchsvorbehalt, wenn sich der Schenker die Ausübung der Stimmrechte auch in Grundlagengeschäften vorbehält. – BFH v. 1.10.20144: Keine Steuerbegünstigung bei Übertragung eines Kommanditanteils unter Nießbrauchsvorbehalt, wenn aufgrund des Nießbrauchs die Stimmund Mitverwaltungsrechte dem Beschenkten zustehen. – BFH v. 1.10.20145: Keine Steuerbegünstigung bei Übertragung eines Kommanditanteils unter Nießbrauchsvorbehalt, wenn aufgrund des Nießbrauchs die Stimmund Mitverwaltungsrechte dem Beschenkten zustehen. – BFH v. 16.5.20136: Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Vorbehalt eines Quotennießbrauchs.7 – BFH v. 23.2.20108: Verschonung bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Vorbehaltsnießbrauch.9
1 Ausführlich dazu u.a. Bossmann, DStR 2021, 2217; Crezelius in FS 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, S. 433 ff.; Hermes, BB 2020, 1818; Kestler/Schoch, DStR 2019, 1489; Levedag, GmbHR 2019, 699; Neugebauer, DB 2019, 1525; Löcherbach/Wegener, DStR 2020, 1599; Prinz, DB 2019, 1345; Stein, DStR 2021, 1679; Stein, BB 2021, 28; Stein, ZEV 2019, 131. 2 BFH v. 6.11.2019 – II R 34/16, DStR 2020, 382 = DB 2020, 597 = BB 2020, 611 = ZEV 2020, 180 mit Anm. Götz. 3 BFH v. 6.5.2015 – II R 34/13, BStBl. II 2015, 821 = DStR 2015, 1799 = DB 2015, 1817 = ZEV 2015, 543 = GmbHR 2015, 1001 = BB 2015, 2470 mit Anm. Kotzenberg. 4 BFH v. 1.10.2014 – II R 40/12, BFH/NV 2015, 500. 5 BFH v. 1.10.2014 – II R 43/14, BFH/NV 2015, 502. 6 BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 = DStR 2013, 1380 = ZEV 2013, 409 = GmbHR 2013, 839 = DB 2013, 1825 = MittBayNot 2013, 509 mit Anm. S. Viskorf/Jehle = ZErb 2013, 276 mit Anm. Jülicher = BB 2013, 2022 mit Anm. Gemeinhardt. 7 Ausführlich dazu Götz, ZEV 2014, 241; Götz, ZEV 2013, 430; Klümpen-Neusel/Kaiser, ErbStB 2014, 14. 8 BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, BStBl. II 2010, 555 = DB 2010, 932 = DStR 2010, 868 = BB 2010, 1260 mit Anm. Seifried = ZEV 2010, 320. 9 Ausführlich dazu Hochheim/Wagenmann, DStR 2010, 1707.
Wachter 989
Kap. 9 Rz. 9.78 Gewerblich geprägte Immobilien
– BFH v. 10.12.20081: Keine Verschonung mangels Mitunternehmerinitiative der beschenkten Kinder, wenn die Nießbraucher die Gesellschafterrechte der Kinder wahrnehmen und die Kinder den Eltern vorsorglich eine Stimmrechtsvollmacht erteilen. – BFH v. 14.2.20072: Steuerliche Verschonung nur dann, wenn es sich sowohl beim Schenker als auch beim Erwerber um begünstigtes Vermögen handelt.
9.79 Die anderen Senate des BFH (insbesondere der IV.,3 VI.4 und X. Senats5) gehen bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen unter Vorbehaltsnießbrauch teilweise von anderen Grundsätzen aus. Eine abschließende Klärung durch den Großen Senat des BFH und die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleiben abzuwarten. Möglicherweise werden auch personelle Veränderungen in den einzelnen Senaten des BFH zu einer Neuausrichtung der Rechtsprechung führen. 9.80 Die Auffassung der Finanzverwaltung ist derzeit gleichfalls nicht vollständig geklärt. In den ErbStR 2019 findet sich keine ausdrückliche Stellungnahme zum Vorbehaltsnießbrauch, sondern nur ein allgemeiner Hinweis auf die Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Grundsätze (R E 13b.5 Abs. 3 Satz 2 ErbStR).6 In den Hinweisen zu den ErbStR 2019 (H E 13b.5 ErbStR) wird neben dem Urteil des BFH v. 1.3.19947 lediglich ein Urteil des II. Senats vom 16.5.20138 erwähnt. Die anderen Entscheidungen des II. Senats werden dagegen nicht zitiert (von der Finanzverwaltung in der Praxis aber regelmäßig angewandt). 1 BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, BStBl. II 2009, 312 = DStR 2009, 321 = DB 2009, 380 = ZEV 2009, 149 mit Anm. Götz = GmbHR 2009, 386 = ZErb 2009, 125 mit Anm. Jülicher = NZG 2009, 398 = FamRZ 2009, 696. 2 BFH v. 14.2.2007 – II R 69/05, BStBl. II 2007, 443 = DStR 2007, 669 = DB 2007, 1007 = ZEV 2007, 292 mit Anm. Meincke = MittBayNot 2007, 524 mit Anm. Wälzholz = NZG 2007, 956. 3 Siehe M. Wendt, Vorsitzender Richter des IV. Senats des BFH, FR 2017, 1061: „Das Urteil zementiert eine im BFH schon lange bestehende Divergenz zu der Frage, ob die Übertragung eines Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt zum Buchwert möglich ist.“. 4 Siehe BFH v. 8.5.2019 – VI R 26/17, Rz. 19, DStR 2019, 2020 = ZEV 2019, 607. Ausführlich dazu Günther, ErbStB 2019, 330. 5 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, BStBl. II 2019, 730 = DStR 2017, 1308 = FR 2017, 1055 mit Anm. M. Wendt = BB 2017, 1586 mit Anm. Kubik = NJW 2017, 2140 = GmbHR 2017, 1002 = ZEV 2017, 471 mit Anm. Gräfe/Kraft = DB 2017, 1813 = MittBayNot 2018, 75. – Ausführlich dazu u.a. Dräger, DB 2017, 2768; Gluth, EStB 2017, 403; Hübner/Friz, DStR 2017, 2353; Korn, kösdi 1/2018, 20597; Kraft, NWB 39/2017, 2972; Matenaer, FuS 2018, 32; Messner, MittBayNot 2018, 1; Schulze zur Wiesche, StBp 2017, 273; Spiegelberger, notar 2017, 419; Stein, ZEV 2018, 127; Viskorf/Wegener, ZEV 2020, 79; Wälzholz, NWB-EV 1/2018, 11. 6 Siehe dazu das BMF v. 20.11.2019 – IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291 und oben Rz. 76. 7 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = DB 1994, 2423 = NJW 1995, 1918 = ZEV 1995, 37. 8 BFH v. 16.5.2013 – II R 5/12, BStBl. II 2013, 635 = DStR 2013, 1380 = ZEV 2013, 409 = GmbHR 2013, 839 = DB 2013, 1825 = MittBayNot 2013, 509.
990 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.81 Kap. 9
Im Bereich des Ertragsteuerrechts hat die Finanzverwaltung nach jahrelangen Vorarbeiten am 20.11.2019 eine neue Stellungnahme zur Möglichkeit der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG) veröffentlicht.1 Diese Grundsätze gelten unmittelbar für das Ertragsteuerrecht (§ 6 Abs. 3 EStG), sind aber mittelbar auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 EStG) maßgebend (so auch R E 13b.5 Abs. 3 Satz 2 ErbStR 2019, wonach die Begriffe im ErbStG nach ertragsteuerlichen Grundsätzen abzugrenzen sind). Die wesentlichen Aussagen der Finanzverwaltung sind u.a.:2
9.81
– Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch: Zur Übertragung von Mitunternehmer(teil-)anteilen unter Vorbehaltsnießbrauch wird klargestellt, dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.1.20173, wonach die unentgeltliche Übertragung eines im Ganzen verpachteten gewerblichen Einzelunternehmens unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts kein von § 6 Abs. 3 EStG erfasster Vorgang ist, nicht anwendbar sind. – Gesamtplan: Die Gesamtplanbetrachtung wird bei Anwendung von § 6 Abs. 3 und 5 EStG aufgegeben. Im Rahmen der Gewährung der Steuervergünstigung nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG wird die Gesamtplanbetrachtung dagegen weiterhin angewendet. – Übertragung nach Überführung von Sonderbetriebsvermögen in das Privatvermögen: Wird im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten und zeitgleich in das Privatvermögen des Übertragenden überführt, ist eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht zulässig, weil sich das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden befand und bei einer derartigen Konstellation gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des vorhandenen Betriebs nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG
1 BMF v. 20.11.2019 – IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291 = DStR 2019, 2482 sowie BMF v. 5.5.2021 – IV C 6-S 2240/19/10003:017, BStBl. I 2021, 696 = DStR 2021, 1112 = DB 2021, 1041 = ZEV 2021, 407 = BB 2021, 1457 mit Anm. Kleinmanns. – Zur Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG s. ergänzend auch Landesamt für Steuern Bayern v. 15.12.2020, DStR 2021, 480 = ZEV 2021, 200 (Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Mitunternehmerschaft bzw. in das jeweilige Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer nach § 6 Abs. 3 EStG). 2 Ausführlich dazu u.a. Apitz, EStB 2020, 189; Binder/Riedel, DB 2020, 1587; Bünning, BB 2021, 1771; Geberth/Bartelt, DB 2019, 2660; Geck, ZEV 2021, 560; Grosse, FR 2021, 105; Kotzenberg/Riedel, DStR 2020, 14; Kraus/Mehren, DStR 2020, 1593; Krüger, FR 2020, 341; Lorenz, FR 2020, 237; Vees, DB 2010, 130; Viskorf/Wegener, ZEV 2020, 85; Werthebach, DStR 2020, 6. 3 BFH v. 25.1.2017 – X R 59/14, BStBl. II 2019, 730 = DStR 2017, 1308 = FR 2017, 1055 mit Anm. M. Wendt = BB 2017, 1586 mit Anm. Kubik = NJW 2017, 2140 = GmbHR 2017, 1002 = ZEV 2017, 471 mit Anm. Gräfe/Kraft = DB 2017, 1813 = MittBayNot 2018, 75.
Wachter 991
Kap. 9 Rz. 9.81 Gewerblich geprägte Immobilien
übertragen werden.1 Bei der Prüfung, ob die Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen und die Veräußerung an Dritte oder die Überführung ins Privatvermögen zeitgleich vorgenommen werden, ist auf das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen abzustellen. Hierfür ist eine zeitpunktbezogene Prüfung vorzunehmen, bei der der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) maßgeblich ist. Es ist unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) gesamten Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn es sich nur um eine „juristische Sekunde“ handelt.2 – Übertragung und gleichzeitige Überführung bzw. Übertragung von Wirtschaftsgütern: Die gleichzeitige Anwendung der beiden Buchwertprivilegien nach § 6 Abs. 5 EStG und § 6 Abs. 3 EStG ist möglich. Es steht der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG zum Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehörende Wirtschaftsgüter zeitgleich nach § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen werden.3 – Übertragung nach Entnahme bzw. Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen bzw. Betriebsvermögen: Wird aufgrund einheitlicher Planung zeitlich vor der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen unter Aufdeckung der stillen Reserven entweder entnommen (z.B. durch unentgeltliche Übertragung auf einen Angehörigen) oder zum gemeinen Wert veräußert, kann der Mitunternehmeranteil gleichwohl nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert übertragen werden, sofern es sich bei dem verbleibenden „Restbetriebsvermögen“ weiterhin um eine funktionsfähige betriebliche Einheit handelt.4 § 6 Abs. 3 EStG ist hier also nur dann anwendbar, wenn funktional wesentliches Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen bereits vor dem Zeitpunkt der Übertragung des Mitunternehmeranteils entweder veräußert oder entnommen wurde. Zeitgleiche Veräußerungen oder Entnahmen sind dagegen (mit Ausnahme von Überführungen und Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG) für eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG schädlich. 1 Vgl. hierzu BFH v. 29.11.2017 – I R 7/16, BStBl. II 2019, 738 = DStR 2018, 1014 = GmbHR 2018, 644 = NZG 2018, 956 = MittBayNot 2018, 494. 2 Vgl. BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BStBl. II 2021, 367 = GmbHR 2021, 265 mit Anm. Lorenz/Claussen = FR 2021, 326 mit Anm. Mitschke = DB 2021, 257 mit Anm. Müller/Dorn = ZEV 2021, 117 mit Anm. Geck = BB 2021, 176 mit Anm. Hoffmann = DStR 2021, 18 = ErbStB 2021, 134 mit Anm. Sobisch. Zu dieser Grundsatzentscheidung des BFH s. u.a. Bünning, BB 2021, 1771; Geck, ZEV 2021, 560; Kahle/Burger/Burmistrak, BB 2021, 1579; Kotzenberg/Riedel, DStR 2021, 505. 3 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BStBl. II 2019, 715 = DStR 2012, 2118 = GmbHR 2012, 1260 = ZEV 2012, 685 und v. 12.5.2016 – IV R 12/15, BStBl. II 2019, 726 = DStR 2016, 1518 = GmbHR 2016, 828 m. Anm. Levedag. 4 BFH v. 9.12.2014 – IV R 29/14, BStBl. II 2019, 723 = DStR 2015, 211 = GmbHR 2015, 263 m. Anm. Schmidtmann = ZEV 2015, 179.
992 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.82 Kap. 9
– Übertragung von Teilen eines Anteils: Die Grundsätze zur Übertragung des gesamten Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft sind bei der Übertragung eines Teils des Anteils am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft entsprechend anzuwenden. – Disquotale Übertragung: In Bezug auf die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils gelten die Grundsätze des BFH-Urteils vom 2.8.20121 zur quotalen und disquotalen Übertragung von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen. Danach wird eine rein wertmäßige (rechnerische) Betrachtung vorgenommen (und keine wirtschaftsgutsbezogene Betrachtung). Wird funktional wesentliches Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen in geringerem Umfang (unterquotal) übertragen, setzt die Buchwertübertragung i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht voraus, dass das zurückbehaltene Sonderbetriebsvermögen dauerhaft zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehört.2 Wird Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen aufgrund einheitlicher Planung vor der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen oder der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils entnommen oder unter Aufdeckung der stillen Reserven zum Verkehrswert veräußert, schließt dies eine Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG nicht aus. Die zeitgleiche Entnahme oder Veräußerung ist jedoch schädlich. Wird funktional wesentliches Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen in größerem Umfang (überquotal) übertragen, ist der Vorgang nicht in eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG für den quotalen Teil des Betriebsvermögens bzw. Sonderbetriebsvermögens (ohne Lauf einer Sperrfrist) und eine Übertragung nach § 6 Abs. 5 EStG für den überquotalen Teil des Betriebsvermögens bzw. Sonderbetriebsvermögens (mit Lauf einer Sperrfrist) aufzuteilen. Vielmehr wird ausschließlich (und einheitlich) § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG (ohne Lauf einer Sperrfrist) angewendet. In der Gestaltungspraxis kann (an Stelle der Übertragung des gesamten Mitunter- 9.82 nehmeranteils unter Vorbehaltsnießbrauch) auch die Übertragung eines bloßen TeilMitunternehmeranteils überlegenswert sein. Der Schenker behält dann einen Teil des Mitunternehmeranteils zurück; dies kann auch ein bloßer Zwerganteil sein. In diesem Fall ist der Schenker (und zwar unabhängig von dem Vorbehaltsnießbrauch) zivilrechtlich weiterhin Gesellschafter und steuerrechtlich Mitunternehmer. Der Erwerber (Beschenkte) ist gleichfalls zivilrechtlich Gesellschafter und steuerrechtlich Mitunternehmer (aber nicht bezogenen auf den zurückbehaltenen Zwerganteil, sondern im Hinblick auf den geschenkten und übertragenen Anteil). Der Zwerg-
1 BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BStBl. II 2019, 715 = DStR 2012, 2118 = GmbHR 2012, 1260 = ZEV 2012, 685. 2 BFH v. 12.5.2016 – IV R 12/15, BStBl. II 2019, 726 = DStR 2016, 1518 = GmbHR 2016, 828 m. Anm. Levedag.
Wachter 993
Kap. 9 Rz. 9.82 Gewerblich geprägte Immobilien
anteil kann dabei auch mit besonderen Rechten (z.B. Vetorecht, Mehrfachstimmrecht) ausgestaltet sein (notwendig ist dies aber nicht). Bei einer solchen Gestaltung entfallen die derzeit umstrittenen Fragen der Mitunternehmerstellung bei einem Vorbehaltsnießbrauch.
9.83 Das Fruchtziehungsrecht des Nießbrauchers beschränkt sich auf die gesellschaftsrechtlich entnahmefähigen Erträge1, während die außerordentlichen Erträge dem Anteilsinhaber gebühren2. Aus dieser Aufspaltung ergibt sich die Mitunternehmerstellung beider Beteiligten3. 9.84 Die durch die Nießbrauchbestellung sich ergebende Veränderung in der Gewinnverteilung, also die Berechtigung des Nießbrauchers hinsichtlich der entnahmefähigen Gewinne und die Berechtigung des erwerbenden Kommanditisten für außerordentliche Erträge sollte auch in die Gewinnverteilungsregelung des Gesellschaftsvertrages aufgenommen werden, da sich der Anteil der Mitunternehmer am Gewerbesteuer-Messbetrag nach den Anteilen am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels ergibt (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG); andernfalls ist ein gewerbesteuerlich schädlicher Anrechnungsüberhang zu befürchten4. 9.85 Nach dem OLG München5 kann der Nießbrauch an einem Kommanditanteil nicht im Handelsregister eingetragen werden. 9.86–9.94 Einstweilen frei. II. Formulierungsempfehlung Die Urkundengestaltung ist angelehnt an den Formulierungsvorschlag von Spiegelberger, Vermögensnachfolge3, 3. Aufl. 2020.
9.95 Beispiel: Die Eheleute M und F wollen stufenweise 1) eine GmbH & Co. KG mit Bareinlagen gründen, 2) ihren Grundbesitz in eine Einheits-GmbH & Co. KG unter Kapitalerhöhung einbringen und 3) ihren Kindern nach Vollziehung der Einbringung im Handelsregister und im Grundbuch KG-Anteile übertragen.
1 BGH v. 28.4.1972 – I ZR 140/69, BGHZ 58, 321 = NJW 1972, 1519 = DB 1972, 1626. 2 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 = DB 1994, 2423 = NJW 1995, 1918 = ZEV 1995, 37. 3 So zu Recht Schindhelm/Stein, ErbStB 2003, 408; Spiegelberger, ZEV 2003, 391; Wälzholz, DStR 2010, 1930 (1933). 4 Vgl. Spiegelberger, ZEV 2003, 391 (397); Wälzholz, DStR 2010, 1930 (1934). 5 OLG München v. 8.8.2016 – 31 Wx 204/16, GmbHR 2016, 1267; a.A. OLG Stuttgart v. 28.1.2013 – 8 W 25/13, MDR 2013, 608 und OLG Oldenburg v. 9.3.2015 – 12 W 51/15, GmbHR 2015, 591.
994 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.97 Kap. 9
9.96
Gestaltungsempfehlung Die Praxis bevorzugt Gestaltungen, in denen die GmbH nicht am Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG beteiligt wird und auch kein Stimmrecht als Gesellschafterin ausübt. Für die Übernahme der Haftung ist eine Avalprovision i.H.v. 2 bis 5 % p.a. – neben dem Ersatz der Geschäftsführungsaufwendungen – ausreichend1.
1. Errichtung der Immo-GmbH & Co. KG a) Urkundengestaltung
9.97
M71 GmbH-Gründung (1) Urkundenmantel Heute, den … erschienen vor mir, Notar, … 1. Herr M 2. Frau F Auf Antrag der Anwesenden beurkunde ich ihren bei gleichzeitiger Anwesenheit vor mir abgegebenen Erklärungen gemäß, was folgt: – Errichtung Herr M und Frau F nachstehend „die Gesellschafter“ errichten hiermit eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma X Verwaltungs-GmbH mit dem Sitz in … nachstehend „die Gesellschaft“ Die Gesellschafter legen für die Gesellschaft den in der Anlage zu dieser Urkunde niedergelegten Gesellschaftsvertrag fest. Die Anlage wurde mit verlesen. Sie ist wesentlicher Bestandteil und somit Inhalt und Gegenstand dieser Urkunde. – Beschlüsse der Gesellschafter Die Gesellschafter entschließen sich zu Folgendem: – Zu Geschäftsführern werden bestellt: Herr M und Frau F Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft jeweils stets einzeln. Sie sind jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 1 Spiegelberger, Unternehmensnachfolge3, § 15 Rz. 106.
Wachter 995
Kap. 9 Rz. 9.97 Gewerblich geprägte Immobilien – Alle Geschäfte, die vom heutigen Tage an bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister getätigt werden bzw. wurden, gelten als für Rechnung der neu gegründeten Gesellschaft abgeschlossen. – Weitere Beschlüsse werden heute nicht gefasst. – Vollmacht Für den Fall, dass das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ablehnen sollte oder dass die für die Gesellschaft zuständigen Kammern Änderungen hinsichtlich des Gegenstandes oder der Firma verlangen, bevollmächtigen die Beteiligten, auch in der Eigenschaft als Geschäftsführer, hiermit sich gegenseitig und die Notarangestellten … je einzeln und unter Befreiung von § 181 BGB, die zur Herbeiführung der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erforderlichen oder zweckdienlichen Änderungen und Ergänzungen zu dieser Urkunde zu erklären sowie die entsprechenden Handelsregisteranmeldungen vorzunehmen. – Hinweise Die Beteiligten wurden auf die Grundsätze der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung hingewiesen, insbesondere auf die persönliche Haftung für – vor der Handelsregistereintragung getätigte Rechtsgeschäfte, – den Verbrauch des Stammkapitals vor der Handelsregistereintragung (Unterbilanzhaftung), – Rückzahlungen, insbesondere bei verdeckten Sacheinlagen. Ferner hat der Notar über die – erforderlichen Angaben auf Geschäftsbriefen und – die Strafbarkeit für falsche Angaben gem. § 82 GmbHG belehrt. Die Gesellschafter wurden vom Notar vor der Begleichung von Rechnungen für unbestellte Registereintragungen gewarnt. – Schlussbestimmungen Von dieser Urkunde erhält jeder Gesellschafter eine Ausfertigung. Ferner erhalten: BEGLAUBIGTE ABSCHRIFTEN: die Gesellschaft, das Registergericht eine elektronisch beglaubigte, das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle – und der Steuerberater der Gesellschaft. Vorgelesen vom Notar samt Anlage …
996 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.97 Kap. 9
(2) Satzung § 1 Firma, Sitz 1. Die Firma der Gesellschaft lautet: X Verwaltungs-GmbH. 2. Sitz der Gesellschaft ist …
§ 2 Gegenstand des Unternehmens Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung eigenen Vermögens und die Übernahme der Geschäftsführung bei der X Immo GmbH & Co. KG.
§ 3 Geschäftsjahr Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§ 4 Stammkapital, Stammeinlagen 1. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 b. 2. Vom Stammkapital übernehmen: Gesellschafter
Anzahl Anteile
Nummern
Herr M
12.500 Anteile je 1 b
1–12.500
Frau F
12.500 Anteile je 1 b
12.501–25.000
Die Stammeinlagen sind sofort in voller Höhe in bar zu erbringen.
§ 5 Vertretung der Gesellschaft 1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. 2. Sofern nur ein Geschäftsführer bestellt ist, wird die Gesellschaft von diesem alleine vertreten. 3. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. 4. Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern und den Liquidatoren Einzelvertretungsbefugnis und/oder Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (Verbot des Selbstkontrahierens und der Doppelvertretung) erteilen. 5. Die vorstehende Vertretungsregelung gilt auch im Falle der Liquidation der Gesellschaft.
§ 6 Gründungskosten Die im Zusammenhang mit der Gründung anfallenden Notarkosten, die Kosten der Bekanntmachung, der Anmeldung der Gesellschaft und ihrer Eintragung im Handelsregister und die Kosten der Gründungsberatung trägt die Gesellschaft bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 b; darüber hinausgehende Gründungskosten tragen die Gründer. Wachter 997
Kap. 9 Rz. 9.97 Gewerblich geprägte Immobilien
§ 7 Schlussbestimmungen 1. Soweit in diesem Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung erfolgt ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. 2. Die etwaige Nichtigkeit einzelner Bestimmungen berührt nicht die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen. Die Gesellschafter sind verpflichtet, an Stelle der unwirksamen Bestimmungen eine dem Vertragsgedanken entsprechende Neuregelung zu treffen. Sofern eine Neuregelung nicht erfolgt, gelten die für die entsprechende Regelungslücke bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.
b) Gründung der X Immo GmbH & Co. KG
9.98 Oben Rz. 9.22 wurde dargelegt, dass aus Sicherheitsgründen bei der Errichtung einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG ein Stufenplan eingehalten werden sollte, wonach zunächst – ohne Grundstückseinbringung – die GmbH & Co. KG mit – geringen – Barmitteln gegründet und in das Handelsregister eingetragen wird. Erst danach sollte zur Sicherung des Step-Up die Grundstückseinbringung unter Gewährung weiterer Gesellschaftsrechte an die einbringenden Gesellschafter, also durch Kapitalerhöhung und Erhöhung der Kapitalkonten I und II der Gesellschafter1 erfolgen und wiederum der Vollzug im Grundbuch abgewartet werden, um für die geplante Beteiligung der Kinder nicht Anwartschaftsrechte, sondern KG-Anteile an einer grundbesitzhaltenden GmbH & Co. KG zu übertragen. Der nachfolgend skizzierte Gesellschaftsvertrag regelt die Rechtsverhältnisse nach Bargründung der GmbH & Co. KG und nach Kapitalerhöhung durch den eingebrachten Grundbesitz. Dem Registergericht gegenüber ist weder der Gesellschaftsvertrag der bar gegründeten GmbH & Co. KG noch der durch die Grundstückseinbringung im Wege der Kapitalerhöhung geänderte Gesellschaftsvertrag nachzuweisen. 9.99 M72 Gesellschaftsvertrag der X Immo GmbH & Co. KG mit dem Sitz in …
§ 1 Firma, Sitz Die Firma der Gesellschaft lautet: X Immo GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in …
§ 2 Gegenstand der Gesellschaft Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes.
1 Zur geänderten Rechtsprechung wird auf die Kommentierung zu Rz. 9.56 verwiesen.
998 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.99 Kap. 9
§ 3 Dauer der Gesellschaft, Geschäftsjahr 1. Die Gesellschaft beginnt mit ihrer Eintragung im Handelsregister. 2. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§ 4 Gesellschafter, Einlagen 1. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die X Verwaltungs-GmbH mit dem Sitz in … . Sie erbringt nur Dienstleistungen. Zur Leistung einer Kapitaleinlage ist sie weder berechtigt noch verpflichtet; sie ist am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt. 2. Kommanditisten sind: a) Herr M mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 50.000 b, die i.H.v. 1.000 b in bar und i.H.v. 49.000 b durch Einbringung von Grundbesitz erbracht wurde und die einer Gesellschaftsbeteiligung von 1/2 entspricht, b) Frau F mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 50.000 b, die in einer Höhe von 1.000 b in bar und i.H.v. 49.000 b durch Grundstückseinbringung erbracht wurde und die einer Gesellschaftsbeteiligung von 1/2 entspricht. 3. Nach den in Abs. 2 festgelegten Anteilen der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen richten sich, sofern in diesem Vertrag nichts Abweichendes bestimmt ist, die Rechte der Gesellschafter, so vor allem die Beteiligung an der Gesellschaft, die Gewinnbeteiligung und das Stimmrecht.
§ 5 Geschäftsführung, Vertretung 1. Zur Vertretung ist allein die X Verwaltungs-GmbH berufen, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch ihre satzungsgemäß berufenen, im Handelsregister eingetragenen Organe handelt. Die persönlich haftende Gesellschaft und ihre Organe sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 2. Die Komplementär-GmbH hat kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der X Immo GmbH & Co. KG.
§ 6 Informations- und Kontrollrecht Den Kommanditisten steht das Recht zu, eine abschriftliche Mitteilung der jeweiligen Jahresbilanz zu verlangen.
§ 7 Gesellschafterbeschlüsse 1. Gesellschafterbeschlüsse sind herbeizuführen, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben oder in diesem Vertrag vorgesehen ist. 2. Gesellschafterbeschlüsse erfolgen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht dieser Vertrag oder das Gesetz eine andere Mehrheit vorschreiben. 3. Je 100 b Kommanditanteil ergeben eine Stimme. 4. Gesellschafterbeschlüsse können innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang des Gesellschafterversammlungsprotokolls angefochten werden.
Wachter 999
Kap. 9 Rz. 9.99 Gewerblich geprägte Immobilien 5. Zur Änderung dieses Gesellschaftsvertrages ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. 6. Solange die X Immo GmbH & Co. KG alleinige Gesellschafterin der X VerwaltungsGmbH ist, sind die Kommanditisten gemeinsam zur Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der X Verwaltungs-GmbH berechtigt, soweit deren Geschäftsführer von der Stimmabgabe ausgeschlossen ist.
§ 8 Gesellschafterversammlung 1. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Gesellschafterversammlungen gefasst. Die Beschlüsse, wenn sie nicht in Gesellschafterversammlungen gefasst werden, können auch schriftlich, elektronisch oder durch Faxschreiben gefasst werden, wenn sich alle Gesellschafter an der Beschlussfassung beteiligen. 2. Jeder Gesellschafter kann sich durch einen anderen Gesellschafter oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten in der Gesellschafterversammlung vertreten und/oder beraten lassen. Vollmachten sind in schriftlicher Form der Gesellschaft zu übergeben. 3. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens 3/4 aller Stimmen anwesend oder vertreten sind. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so ist eine erneute Gesellschafterversammlung mit der gleichen Tagesordnung einzuberufen, die aber nicht vor 14 Tagen, gerechnet vom Tage der Absendung der erneuten Einladung, und nicht später als einen Monat, gerechnet vom Tage der ersten Gesellschafterversammlung, stattfinden darf. Diese Gesellschafterversammlung ist in jedem Fall beschlussfähig. Auf diese Rechtsfolge ist in der Einladung hinzuweisen. 4. Die ordentliche Gesellschafterversammlung findet alljährlich innerhalb der ersten elf Monate nach Ende des Geschäftsjahres statt. 5. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung erfolgt durch die persönlich haftende Gesellschafterin durch Textform oder über E-Mail- oder Internetladung. Die Ladung hat mit einer Frist von 14 Tagen zu erfolgen, wobei der Tag der Ladung und der Tag der Versammlung nicht mitzurechnen sind. Tagungsort, Tagungszeit und Tagesordnung sind in der Ladung mitzuteilen.
§ 9 Kostenersatz, Vergütung 1. Die persönlich haftende Gesellschafterin erhält alle Kosten ersetzt, die durch die Geschäftsführung und Vertretung für diese Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar entstehen, sowie alle von ihr im Interesse der Gesellschaft gemachten Aufwendungen. Die steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der persönlich haftenden Gesellschafterin, wie z.B. Körperschaftsteuer, werden nicht vergütet. 2. Der Kostenersatz nach Abs. 1 gilt im Verhältnis zu den Gesellschaftern untereinander als Kosten der Gesellschaft und ist auch in Verlustjahren zu leisten. 3. Den Geschäftsführern M und F steht eine Geschäftsführervergütung i.H.v. je monatlich … Euro zu, die eine Vorausvergütung darstellt.
1000 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.99 Kap. 9
§ 10 Jahresabschluss Der Jahresabschluss ist von der persönlich haftenden Gesellschafterin innerhalb der gesetzlichen Frist des § 264 HGB nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres zu erstellen.
§ 11 Gewinn- und Verlustbeteiligung 1. Die persönlich haftende Gesellschafterin erhält für die Übernahme der persönlichen Haftung einen Gewinnanteil von 4 % ihres Stammkapitals. 2. Der verbleibende Jahresüberschuss entfällt auf die übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kommanditeinlagen. 3. Ein eventueller Jahresfehlbetrag wird unter den Gesellschaftern wie folgt aufgeteilt: Die persönlich haftende Gesellschafterin nimmt am Verlust nicht teil, ohne dass hierdurch die Haftung der Gesellschafter erweitert oder eine Nachschusspflicht begründet wird. Der auf die Gesellschafter entfallende Verlustanteil wird im Verhältnis der Festeinlagen verteilt.
§ 12 Gesellschafterkonten 1. Für den persönlich haftenden Gesellschafter wird ein Verrechnungskonto geführt. 2. Für jeden Kommanditisten werden zwei Kapitalkonten, ein Privatkonto und ein Verlustvortragskonto geführt. a) Das Kapitalkonto I ist fest; auf ihm wird die Pflichteinlage des jeweiligen Kommanditisten verbucht. b) Das Kapitalkonto II ist beweglich; auf ihm wird der nichtentnahmefähige Gewinn verbucht. c) Auf dem Privatkonto werden der entnahmefähige Gewinn sowie alle sonstigen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter verbucht; der entnahmefähige Gewinn jedoch nur, soweit dieser nicht zum Ausgleich des Verlustvortragskontos benötigt wird. d) Auf dem Verlustvortragskonto werden die Verlustanteile eines Gesellschafters gebucht, bis dieses ausgeglichen ist (Unterkonto von Kapitalkonto II). e) Die Gesellschaft kann ein gemeinsames Rücklagenkonto einrichten. 3. Die im Handelsregister eingetragenen Kommanditanteile sind maßgeblich für das Stimmrecht. Die Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt unter Berücksichtigung der Kapitalkonten I und II. Im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters wird der Anteil am Gesamthandsvermögen durch die Summe der Kapitalkonten I und II sowie des anteiligen Rücklagenkontos gem. § 97 Abs. 1 a BewG ermittelt.
§ 13 Entnahmen 1. Guthaben auf Privatkonten sind entnahmefähig. 2. Darüber hinaus sind Entnahmen nur aufgrund eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses zulässig.
Wachter 1001
Kap. 9 Rz. 9.99 Gewerblich geprägte Immobilien 3. Eine Entnahme ist solange und soweit ausgeschlossen, als die Einlage des Kapitalkontos I durch Verlust gemindert ist.
§ 14 Verfügungen über den Gesellschaftsanteil 1. Verfügungen jeder Art über den Gesellschaftsanteil (z.B. Abtretung, Verpfändung und Nießbrauchbestellung) bedürfen der einstimmigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. 2. Der vorstehenden Genehmigung bedarf es nicht bei Übertragung des Gesellschaftsanteils an Abkömmlinge oder bei der Nießbrauchbestellung gem. § 15 Abs. 2.
§ 15 Vererbung von Gesellschaftsanteilen 1. Im Falle des Todes eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt, soweit es sich hierbei um Abkömmlinge oder Mitgesellschafter handelt. Andernfalls wird die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt, wobei die unzulässig zugewendete Beteiligung dem betroffenen Gesellschafterstamm anwächst, so dass die Gesellschafterstämme M und F mit je 50 % beteiligt bleiben. Abfindungen gem. § 17 hat der Gesellschafterstamm zu entrichten, dem der Gesellschaftsanteil anwächst. Von der Nachfolge ausgeschlossene Erben oder Vermächtnisnehmer erhalten eine Abfindung gem. § 17. 2. Zugunsten von Ehegatten kann ein Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil auf Lebenszeit angeordnet werden.
§ 16 Kündigung der Gesellschaft Die Gesellschaft ist mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31.12.2045, kündbar. Wird sie nicht gekündigt, so verlängert sie sich jeweils um ein Jahr. Die hierbei einzuhaltende Kündigungsfrist beträgt ebenfalls sechs Monate zum Ende des Geschäftsjahres. Die Kündigung hat durch einen eingeschriebenen Brief an die Gesellschaft zu Händen der Geschäftsführung zu erfolgen.
§ 17 Abfindung 1. Mit dem nach den jeweiligen erbschaftsteuerlichen Bewertungsgrundsätzen zu ermittelnden Abfindungsguthaben sind sämtliche Forderungen des ausscheidenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft abgegolten mit Ausnahme eventueller Salden auf dem Privatkonto. 2. Das gesamte Abfindungsguthaben wird in drei Jahresraten, beginnend ein Jahr nach dem Ausscheidungsstichtag, mit den jeweiligen Jahreszinsen entrichtet. 3. Das Abfindungsguthaben wird seit dem Ausscheidungsstichtag mit 2 % p.a. verzinst.
§ 18 Ausschluss eines Gesellschafters 1. Ein Gesellschafter kann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist oder aber, wenn er wesentliche Gesellschafterpflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Das Gleiche gilt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der immer anzunehmen ist, wenn über das Vermögen des Gesellschafters das In1002 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.99 Kap. 9
solvenzverfahren rechtskräftig eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird, ein Gesellschafter eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgibt oder die Zwangsvollstreckung durch die Gläubiger des Gesellschafters aufgrund eines nicht nur vorläufig vollstreckbaren Titels in den Geschäftsanteil betrieben wird und es dem Gesellschafter nicht gelingt, die vorgenannten Maßnahmen innerhalb von drei Monaten rückgängig zu machen, oder aber der Gläubiger die Kündigung der Gesellschaft erklärt. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unverzüglich der Gesellschaft mitzuteilen. 2. Im Falle der Pfändung durch einen Gläubiger steht den übrigen Gesellschaftern das Recht zu, den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger nach Maßgabe dieses Vertrages abzufinden und den betroffenen Gesellschafter gem. Abs. 1 aus der Gesellschaft auszuschließen, es sei denn, dass dem betroffenen Gesellschafter innerhalb der in Abs. 1 genannten Frist die Rückgängigmachung der Vollstreckungsmaßnahmen gelingt. 3. Die Ausschließung erfolgt gegen Entgelt i.H.v. 60 % – sechzig vom Hundert – des gem. § 17 Abs. 2 zu ermittelnden Abfindungsguthabens. 4. Die Ausschließung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss. Der betroffene Gesellschafter hat hierbei kein Stimmrecht. Die Gesellschafterrechte ruhen ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung unabhängig von der Ermittlung und Zahlung des Abfindungsguthabens. 5. Sicherheiten bezüglich der Abfindung kann der ausgeschiedene Gesellschafter nicht verlangen.
§ 19 Ausscheiden eines Gesellschafters 1. Scheidet ein Gesellschafter, gleich aus welchem Grund, aus der Gesellschaft aus, so wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Das Gleiche gilt, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter ausscheidet und ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. 2. Scheidet der alleinige persönlich haftende Gesellschafter aus, wird die Gesellschaft aufgelöst, es sei denn, dass die Gesellschafter mit Stimmenmehrheit sich bis zum Auflösungszeitpunkt für einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter entschieden haben und die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. 3. Sofern aufgrund des Ausscheidens eines Gesellschafters dessen Beteiligung nur einem Gesellschafterstamm anwächst, hat auch dieser allein die Abfindung zu entrichten.
§ 20 Auflösung der Gesellschaft 1. Die Auflösung der Gesellschaft kann unbeschadet des § 19 nur mit 3/4-Mehrheit beschlossen werden. 2. Die Liquidation wird durch den persönlich haftenden Gesellschafter durchgeführt.
§ 21 Mediation 1. Bei Streitigkeiten in Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag ist jeder Gesellschafter erst zur Klageerhebung berechtigt, wenn zuvor ein KonfliktvermittlungsverfahWachter 1003
Kap. 9 Rz. 9.99 Gewerblich geprägte Immobilien ren (Mediation) durchgeführt wurde. Der Streitschlichter wird vom Präsidenten des für die Gesellschaft zuständigen LG, ersatzweise von dem Präsidenten der Notarkammer, in deren Bereich sich der Sitz der Gesellschaft befindet, bestimmt, wenn sich die Beteiligten nicht innerhalb von vier Wochen nach schriftlicher Geltendmachung von Ansprüchen aus diesem Gesellschaftsvertrag auf eine andere Person einvernehmlich einigen. Der Mediator bestimmt das Verfahren und auch die Gebühren für die Mediation. 2. Jeder Gesellschafter ist berechtigt, das Konfliktvermittlungsverfahren nicht mehr weiter zu betreiben, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch in den nächsten drei Monaten zu verjähren droht und die übrigen Beteiligten nicht bereit sind, für die Dauer eines Jahres auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Die Kosten der Mediation trägt die Gesellschaft.
§ 22 Schlussbestimmungen 1. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages oder Teile von Bestimmungen nichtig oder unwirksam sein oder werden, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen oder des Teils der Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die ungültige Bestimmung bzw. der ungültige Teil der Bestimmung ist dann so umzudeuten oder zu ergänzen, dass der mit der unwirksamen Bestimmung beabsichtigte wirtschaftliche oder rechtliche Zweck im Rahmen des rechtlich Zulässigen erreicht wird. Dasselbe gilt, wenn bei Durchführung des Gesellschaftervertrages eine ergänzungsbedürftige Vertragslücke offenbar wird. 2. Die Kosten dieses Vertrages werden von der Gesellschaft getragen. […], den …
c) Registeranmeldung der X-Verwaltungs-GmbH
9.100 M73 Registeranmeldung der X-Verwaltungs-GmbH An das AG … – Registergericht – – per EGVP – Neuanmeldung der X-Verwaltungs-GmbH Zum Handelsregister überreichen wir: beglaubigte elektronische Abschrift des zu Urkunde des beglaubigenden Notars vom heutigen Tage geschlossenen Gesellschaftsvertrages URNr. …/[…] worin auch unsere Bestellung zu ersten Geschäftsführern enthalten ist, elektronische Wiedergabe der Liste der Gesellschafter, welche die Geschäftsanteile übernommen haben.
1004 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.100 Kap. 9
Zur Eintragung wird angemeldet: Wir, die Geschäftsführer M und F, melden die oben genannte Firma unter der oben genannten Geschäftsanschrift und uns als Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister an. Die Vertretungsregelung melden wir wie folgt an: Sofern nur ein Geschäftsführer bestellt ist, wird die Gesellschaft von diesem alleine vertreten. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Wir, die Geschäftsführer M und F, vertreten jeweils stets einzeln und sind jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Wir versichern jeweils, dass – die übernommenen Stammeinlagen durch die Gesellschafter folgendermaßen einbezahlt worden sind: Gesellschafter
Stammeinlage
Einzahlungsbetrag
M
12.500 b
12.500 b
F
12.500 b
12.500 b
– sich die einbezahlten Beträge endgültig zu unserer freien Verfügung als Geschäftsführer befinden, und dass das Anfangskapital der Gesellschaft – mit Ausnahme des Gründungsaufwands in der in der Satzung festgesetzten Höhe – nicht vorbelastet ist. Ferner versichert jeder von uns: „Ich bin durch den beglaubigenden Notar über meine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden, ebenso darüber, dass falsche Versicherungen strafbar sind. Es liegen keine Umstände vor, aufgrund derer ich nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG vom Amt eines Geschäftsführers ausgeschlossen wäre. Während der letzten 5 Jahre ist kein Urteil rechtskräftig geworden, wonach ich wegen des Unterlassens der Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), nach §§ 283 bis 283d StGB (Insolvenzstraftaten), wegen falscher Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG, wegen unrichtiger Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PublG oder nach § 263 StGB bis § 264a, § 265b StGB bis § 266a StGB (Delikte aus dem Bereich Betrug und Untreue) verurteilt worden wäre. Auch im Ausland wurde ich nicht wegen einer vergleichbaren Tat rechtskräftig verurteilt.
Wachter 1005
Kap. 9 Rz. 9.100 Gewerblich geprägte Immobilien Mir ist gegenwärtig weder durch gerichtliches Urteil noch durch vollziehbare Entscheidung der Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufes, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt, somit auch nicht im Rahmen des Unternehmensgegenstandes der Gesellschaft. Ich wurde nicht aufgrund einer behördlichen Anordnung in einer Anstalt verwahrt. Weiter erklärt jeder von uns, dass er keinem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB bei der Besorgung meiner Vermögensangelegenheiten unterliegt.“ Der beglaubigende Notar wird angewiesen, diese Anmeldung erst beim Registergericht einzureichen, nachdem ihm durch Bestätigung eines Geschäftsführers in Textform die Erfüllung der Einzahlungsverpflichtung im vorstehenden Umfang nachgewiesen ist. Um Eintragungsnachricht an die Gesellschaft und den beglaubigenden Notar wird gebeten. Die Gesellschaft ersucht um Erteilung eines beglaubigten Auszuges aus dem Handelsregister auf ihre Kosten und an ihre Anschrift. Der beglaubigende Notar, sein amtlich bestellter Vertreter, Amtsnachfolger und sein Sozius werden jeweils ermächtigt, die Beteiligten im Eintragungsverfahren uneingeschränkt zu vertreten sowie alle zur Wirksamkeit und zum Vollzug zweckdienlichen Erklärungen abzugeben. […], den […] (Geschäftsführer)
(Herr M)
(Frau F)
(Unterschriftsbeglaubigung)
d) Registeranmeldung der X-Immo GmbH & Co. KG
9.101 M74 Registeranmeldung der X-Immo GmbH & Co. KG An das AG … – Registergericht – – per EGVP – Neuanmeldung einer Kommanditgesellschaft X Immo GmbH & Co. KG mit dem Sitz in … (Anschrift: …) Zur Eintragung in das Handelsregister wird angemeldet: 1. Wir, die unterzeichnenden Gesellschafter, haben unter der Firma X Immo GmbH & Co. KG mit dem Sitz in … eine Kommanditgesellschaft errichtet. Wir melden die Gesellschaft mit der eingangs genannten Anschrift als inländische Geschäftsanschrift zur Eintragung in das Handelsregister an. 2. Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung des eigenen Vermögens.
1006 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.101 Kap. 9
3. Abstrakte Vertretungsregelung: Die Gesellschaft wird von jedem Komplementär einzeln vertreten. 4. Konkrete Vertretungsregelung: Persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) ist: X Verwaltungs-GmbH mit dem Sitz in … . Dieser ist stets einzelvertretungsberechtigt. Er ist mit Wirkung für sich und seine Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB (Selbstkontrahierungsverbot und Mehrfachvertretungsverbot) befreit. 5. Kommanditisten der Gesellschaft sind mit folgenden Haftsummen: Kommanditist
einzutragende Haftsumme
Herr M
1.000 b
Frau F
1.000 b
6. Um Eintragungsnachricht an die Gesellschaft und den beglaubigenden Notar wird gebeten. Die Gesellschaft ersucht um Erteilung eines beglaubigten Handelsregisterauszuges auf ihre Kosten und an ihre Anschrift. 7. Der jeweilige Komplementär – bei mehreren jeder einzelne von ihnen – ist unwiderruflich bevollmächtigt, Anmeldungen zum Handelsregister jeder Art vorzunehmen und in diesem Zusammenhang sämtliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Vollmacht erlischt nicht durch das Ableben des jeweiligen Vollmachtgebers. Gegenüber dem Handelsregister ist die Vollmacht unbeschränkt. 8. Der beglaubigende Notar, sein amtlich bestellter Vertreter, Amtsnachfolger und sein Sozius werden jeweils ermächtigt, die Beteiligten im Eintragungsverfahren uneingeschränkt zu vertreten sowie alle zur Wirksamkeit und zum Vollzug zweckdienlichen Erklärungen abzugeben. […], den … […] (Herr M)
[…] (Frau F)
Unterschriftsbeglaubigung
Wachter 1007
Kap. 9 Rz. 9.102 Gewerblich geprägte Immobilien
2. Grundstückseinbringung in die X-Immo-GmbH & Co. KG mit Kapitalerhöhung a) Einbringungsurkunde
9.102 M75 Grundstückseinbringung mit Kapitalerhöhung I. Grundbuch Im Grundbuch des AG … für … Blatt … sind die Ehegatten M und F als Miteigentümer zu gleichen Teilen an folgendem Grundstück der Gemarkung … eingetragen, FlNr. 1 Lindenstraße 1 zu 1.000 m2 Abteilung II und III sind lastenfrei.
II. Einbringung Die Ehegatten M und F bringen den vorstehend in Abschnitt I bezeichneten Grundbesitz in die X-Immo-GmbH & Co. KG mit dem Sitz in … mit allen Rechten und Pflichten gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein. Die Buchung1 der Sacheinlage erfolgt i.H.v. 49.000 b auf Kapitalkonto I, während der darüber hinaus gehende Teilwert auf Kapitalkonto II gebucht wird.
III. Auflassung Die Grundstückseigentümer sind über den vereinbarten Eigentumsübergang auf die X-Immo-GmbH & Co. KG einig und bewilligen und beantragen diese als Alleineigentümerin im Grundbuch einzutragen. Vollzugsmitteilung wird an den Notar erbeten.
IV. Hinweise Der beurkundende Notar hat auf Folgendes hingewiesen: – alle zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen sind in diese Urkunde aufzunehmen; – diese Urkunde ist gem. § 34 ErbStG und § 8 ErbStDV dem Schenkungsteuerfinanzamt anzuzeigen; – die Grunderwerbsteuerstelle erhält gem. § 18 GrEStG eine Abschrift dieser Urkunde.
V. Schlussbestimmungen Die Kosten dieser Urkunde trägt die X-Immo-GmbH & Co. KG.
1 Wegen der Buchung der Sacheinlage auf Kapitalkonten vgl. oben Rz. 9.56.
1008 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.105 Kap. 9
Von dieser Urkunde erhalten beglaubigte Abschriften: – die Beteiligten sofort einfache Abschriften: – das Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle – das Finanzamt Schenkungsteuerstelle – die Steuerberatungsgesellschaft S. Ausfertigungen: – die Beteiligten nach grundbuchamtlichen Vollzug
b) Registeranmeldung der Kapitalerhöhung Bei Personengesellschaften ist kein Werthaltigkeitsnachweis gegenüber dem Regis- 9.103 tergericht zu erbringen. M76 Registeranmeldung der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage
9.104
Zur Eintragung in das Handelsregister wird angemeldet, dass der Kommanditist M und die Kommanditistin F ihre Kommanditanteile von bisher 1.000 b um je 49.000 b auf 50.000 b erhöht haben. Die Kapitalerhöhung erfolgte durch Einbringung von Grundbesitz gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Die Geschäftsräume befinden sich unverändert in …; dies ist auch die inländische Geschäftsanschrift i.S.v. § 161 Abs. 2 i.V.m. § 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB. Unterschriftsbeglaubigung
3. Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG
9.105
M77 Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG I. Sachstand 1. Herr M und Frau F sind an der X-Verwaltungs-GmbH mit dem Sitz in … mit einem Stammkapital i.H.v. 25.000 b mit je 12.500 Anteilen zu je 1 b beteiligt. Die Gesellschaftsanteile sind nach Angabe in voller Höhe einbezahlt.
II. Vertragsgegenstand Vertragsgegenstand sind alle vorstehend unter Abschn. I bezeichneten Geschäftsanteile, die insgesamt einem Anteil von 100 % am Stammkapital der Gesellschaft entsprechen.
Wachter 1009
Kap. 9 Rz. 9.105 Gewerblich geprägte Immobilien
III. Einbringung 1. Der jeweilige Veräußerer bringt hiermit den unter II. bezeichneten Vertragsgegenstand mit allen Rechten und Pflichten in die X-Immo-GmbH & Co. KG mit dem Sitz in … – nachfolgend kurz: „Erwerber“ – ein. 2. Der Veräußerer tritt die vertragsgegenständlichen Geschäftsanteile an den Erwerber ab. Der Erwerber nimmt die Übertragung und Abtretung hiermit ausdrücklich an. 3. Die Übertragung und Abtretung erfolgen mit dinglicher Wirkung zum heutigen Tag (Übertragungsstichtag).
IV. Gegenleistung Die Einbringung erfolgt unentgeltlich unter Buchwertfortführung.
V. Zustimmung Der Veräußerer erklärt, – dass zur Veräußerung des Geschäftsanteils keine weitere Zustimmung erforderlich ist; – dass bezüglich des Vertragsgegenstandes keine Ankaufs- oder Vorkaufsrechte bestehen.
VI. Haftung des Veräußerers Der Veräußerer übernimmt gegenüber dem Erwerber eine Garantie dafür, dass die in Abschnitt I. und V. dieser Urkunde gemachten Angaben richtig sind.
VII. Hinweise Der Notar hat über folgendes belehrt: a) Alle Vertragsabreden müssen vollständig und richtig beurkundet sein. b) Die mit dem Geschäftsanteil verbundene gesetzliche Haftung geht auf den Erwerber über. Für etwaige nicht erbrachte Geldeinlagen und für etwaige Fehlbeträge nicht vollwertig geleisteter Sacheinlagen des Abtretenden und aller anderen Gesellschafter haftet der Erwerber neben dem Veräußerer unbeschränkt. c) Die Beteiligten erklären, dass sie rechtzeitig vor der Beurkundung einen Vertragsentwurf erhalten haben und somit ausreichend Gelegenheit hatten, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen.
VIII. Gesellschafterliste Die Vertragsteile erklären, dass sämtliche für die Wirksamkeit der heutigen Abtretung erforderlichen Erklärungen, Genehmigungen und sonstigen Voraussetzungen vorliegen
1010 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.105 Kap. 9
und weisen den Notar an, unmittelbar nach der heutigen Beurkundung die notarbescheinigte Liste der Gesellschafter gem. § 40 Abs. 2 GmbHG beim Registergericht einzureichen.
IX. Vollmacht Die Beteiligten als bisherige und künftige Gesellschafter der X-GmbH halten hiermit unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften eine Gesellschafterversammlung der X-GmbH ab und beschließen einstimmig was folgt: Der Gesellschaft wird ein neuer § 8 (Stimmrechtsvollmacht) angefügt, der wie folgt lautet: „Solange die X Immo GmbH & Co. KG mit dem Sitz in … alleinige Gesellschafterin der X Verwaltungs GmbH mit dem Sitz in … ist, sind die Kommanditisten bevollmächtigt, in der Gesellschafterversammlung der GmbH das Stimmrecht im Verhältnis ihrer Kommanditbeteiligung auszuüben, sofern der Geschäftsführer an der Ausübung gehindert ist.“
X. Schlussbestimmungen Die Kosten dieser Urkunde einschließlich Gesellschafterliste trägt, unbeschadet der gesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten, der Erwerber. Die Kosten der Gesellschafterversammlung gem. Ziff. IX. samt Vollzug trägt die Gesellschaft. Von dieser Urkunde erhalten: AUSFERTIGUNGEN: – der Abtretende und der Erwerber sofort je eine BEGLAUBIGTE ABSCHRIFTEN: – die Gesellschaft eine – das Registergericht elektronisch beglaubigt – das Finanzamt – Körperschaftstelle – – das Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – EINFACHE ABSCHRIFTEN: – das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – – der Steuerberater der Gesellschaft Vorgelesen vom Notar,
Wachter 1011
Kap. 9 Rz. 9.106 Gewerblich geprägte Immobilien
4. KG-Anteilsübertragung
9.106 M78 KG-Anteilsübertragung Beurkundet am …
I. Sachstand 1. Im Handelsregister des AG … ist unter HR A … die Gesellschaft in Firma X Immo GmbH & Co. KG mit dem Sitz in Adorf eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die im Handelsregister des AG … unter HR B … eingetragene Firma X Verwaltungs-GmbH mit dem Sitz in Adorf ohne Einlage. Kommanditisten sind Herr M mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 50.000 b und Frau F mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 50.000 b. 2. Die Kommanditgesellschaft hat Grundbesitz.
II. Überlassung Herr M und Frau F – im Folgenden auch „Übergeber“ genannt – überlassen von ihren vorbezeichneten Kommanditeinlagen a) an ihren Sohn S und b) an ihre Tochter T – im Folgenden auch „Erwerber“ genannt – je einen Teilanteil i.H.v. 10.000 b. Nach der vorbezeichneten Überlassung beschreiben sich somit die Anteilsverhältnisse sämtlicher Kommanditisten wie folgt: a) Herr M mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 30.000 b b) Frau F mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 30.000 b c) Herr S mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 20.000 b und d) Frau T mit einer Kommanditeinlage i.H.v. 20.000 b. Die Überlassung an die Kinder erfolgt unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.
III. Abtretung Die Vertragsteile sind darüber einig, dass der jeweils in Abschnitt II bezeichnete Kommanditanteil auf den jeweiligen Erwerber im vorgenannten Berechtigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister übergeht.
1012 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.106 Kap. 9
IV. Gewinn und Verlust An dem Gewinn und Verlust der Gesellschaft sind während der Dauer des Nießbrauchs die Beteiligten in dem in Abschnitt VI. bezeichneten Verhältnis beteiligt.
V. Haftung Der Übergeber garantiert, dass die übertragenen Gesellschaftsanteile lastenfrei übergehen. Jegliche weitergehende Rechts- und Sachmängelhaftung wird ausgeschlossen. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrages der X Immo GmbH & Co. KG ist den Erwerbern bekannt. Diese treten in alle Rechte und Pflichten aus diesem Gesellschaftsvertrag ein.
VI. Nießbrauch Jeder Übergeber behält sich auf seine Lebensdauer den Nießbrauch zu 95 % an den übergebenen Gesellschaftsanteilen vor. Somit stehen für die Dauer des Nießbrauchs 95 % aller entnahmefähigen, auf den nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteil entfallenden Gewinne dem Nießbraucher zu, der im selben Umfang an etwaigen Verlusten beteiligt ist. Außerordentliche Erträge gebühren im vollen Umfang dem Gesellschafter, so dass der Nießbraucher an außerordentlichen Erträgen nicht beteiligt ist. Die Gewinnverteilungsabrede des Gesellschaftervertrages wird entsprechend geändert. Soweit den Beteiligten aus den Gesellschaftsanteilen steuerliche Belastungen erwachsen, insbesondere eine Einkommensteuerschuld, sind die Beteiligten berechtigt, insoweit die Steuern aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen. Für die Stimmrechte an den nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteilen gelten folgende Bestimmungen: Der Nießbraucher übt das Stimmrecht bei Beschlüssen über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechtes notwendigen Kontroll- und Informationsrechte aus. Bei außerordentlichen Angelegenheiten gebührt das Stimmrecht allein dem Gesellschafter. Darüber hinaus stehen dem Gesellschafter alle gesetzlichen Kontroll- und Informationsrechte zu. Im Falle der Veräußerung von Grundstücken steht dem Nießbraucher das Nießbrauchsrecht an dem Surrogat zu.
VII. Widerruf der Schenkung Hinsichtlich der den Kindern geschenkten Gesellschaftsanteile wird Folgendes vereinbart: Neben den gesetzlichen Rückübertragungsfällen ist jeder Übergeber berechtigt, die der jeweiligen Anteilsübertragung zugrunde liegende Schenkung ganz oder teilweise zu widerrufen und die unentgeltliche Rückübertragung des jeweiligen Anteils zu verlangen, wenn
Wachter 1013
Kap. 9 Rz. 9.106 Gewerblich geprägte Immobilien a) der Erwerber seinen Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung des Übergebers veräußert, belastet, verpfändet oder einem Dritten eine Unterbeteiligung einräumt, es sei denn, dass die Verfügung zugunsten eines Abkömmlings erfolgt, b) der Erwerber vor dem Übergeber verstirbt, ohne dass der Gesellschaftsanteil ausschließlich auf leibliche Abkömmlinge übergeht, c) der Erwerber die Gesellschaft vertragswidrig kündigt, d) eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erwerbers droht oder die Zwangsvollstreckung in den Vertragsgegenstand betrieben wird, ohne dass der Erwerber die Maßnahme innerhalb von drei Monaten abwendet, e) der Erwerber mit seinem (künftigen) Ehegatten nicht Gütertrennung oder modifizierte Zugewinngemeinschaft mit dem Inhalt vereinbart, dass der Vertragsgegenstand im Falle eines Güterstandswechsels, insbesondere im Falle der Scheidung der Ehe aus dem Zugewinnausgleich und im Falle des Versterbens auf Grund eines beschränkten Pflichtteilsverzichts aus dem Ehegattenpflichtteilsrecht ausscheidet, wobei das Rücktrittsrecht bereits ausgeübt werden kann, wenn der Erwerber auf Verlangen nicht innerhalb eines Monats eine beglaubigte notarielle Urkunde mit diesem Inhalt beibringt, f) die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils eintreten, g) der Erwerber der Spiel-, Drogen- oder Alkoholsucht verfällt, h) der Erwerber sich einer im Sektenbericht des Bundes, eines Bundeslandes oder einer öffentlich-rechtlichen Religionskörperschaft aufgeführten Sekte oder einer im „Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen“ des Bayerischen Staatsministerium des Innern in der jeweils gültigen Fassung aufgeführten Vereinigung anschließt oder i) durch die Übertragung Schenkungsteuer anfällt, wobei der Rücktritt auch teilweise, also hinsichtlich des Teils eines übertragenen Gesellschaftsanteils ausgeübt werden kann, der zu einer Schenkungsteuerpflicht geführt hat. Der Widerruf erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Erwerber. Das Widerrufsrecht ist nicht vererblich oder übertragbar, es sei denn dass es bereits zu Lebzeiten ausgeübt wurde.
VIII. Zustimmung Gemäß § 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ist zur Abtretung von Gesellschaftsanteilen an leibliche Abkömmlinge eines Gesellschafters die Zustimmung der übrigen Gesellschafter nicht erforderlich. Der Übergeber stimmt der Abtretung auch namens der Komplementär-GmbH zu.
IX. Hinweise Die Vertragsteile wurden vom Notar hingewiesen auf a) das Erfordernis der vollständigen Beurkundung aller Vereinbarungen, b) die mögliche Schenkungsteuerpflicht gem. § 7 ErbStG. 1014 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.108 Kap. 9
X. Kosten, Ausfertigungen Die Kosten dieser Urkunde und des Vollzuges trägt die Gesellschaft, eine etwa anfallende Schenkungsteuer trägt der Erwerber. Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen die Vertragsteile beglaubigte Abschriften: das Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – einfache Abschriften: das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – der Steuerberater der Gesellschaft. Vorgelesen vom Notar …
5. Registeranmeldung der KG-Anteilsübertragung
9.107
M79 Registeranmeldung der KG-Anteilsübertragungen Zur Eintragung in das Handelsregister wird angemeldet: Die Kommanditisten Herr M und Frau F haben im Wege der Sonderrechtsnachfolge von ihren Kommanditanteilen übertragen: a) an ihren Sohn S und b) an ihre Tochter T je einen Teilanteil i.H.v. 10.000 b Die Einlage der Kommanditisten M und F ist deshalb je auf 30.000 b herabgesetzt. Die Erwerber S und T sind mit der vorgenannten Kommanditeinlage neu in die Gesellschaft eingetreten. Es wird versichert, dass die Kommanditgesellschaft für die Übertragung der KG-Anteile keinerlei Leistungen versprochen oder gewährt hat.
6. Anmerkung Der BFH hat seine Grunderwerbsteuer-Rechtsprechung zur GmbH & Co. KG durch 9.108 Urteil vom 12.3.20141 geändert. Verkauft ein Kommanditist einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG seine Gesellschaftsbeteiligung an den einzigen anderen Komman1 BFH v. 12.3.2014 – II R 51/12, BStBl. II 2016, 356 = DStR 2014, 1389 = GmbHR 2014, 950 = ZfIR 2014, 705 mit Anm. Wutzke.
Wachter 1015
Kap. 9 Rz. 9.108 Gewerblich geprägte Immobilien
ditisten und ist die KG die einzige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH, ist – vorbehaltlich einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG – der Tatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt, so dass die Anteilsübertragung der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der Umstand, dass der erwerbende Kommanditist mittelbar über seine Kommanditgesellschaft zu 100 % an der Komplementär-GmbH beteiligt ist, rechtfertigt nach Auffassung des BFH eine unterschiedliche Behandlung gegenüber der Gestaltung, dass der 100%ige Kommanditist nicht über die KG, sondern unmittelbar zu 100 % an der GmbH beteiligt ist1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine durch die KG als Gesellschafterin der KomplementärGmbH und die Komplementär-GmbH als Gesellschafterin der KG vermittelte (mittelbare) Beteiligung an der KG besteht, ist demgegenüber die im Innenverhältnis bestehende Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftskapital der KG maßgebend. Einer unmittelbaren Anteilsvereinigung steht die Beteiligung der Komplementär-GmbH am Gesamthandsvermögen der KG entgegen. Wenn die KG Alleingesellschafterin der KG wird, ist ohne Rücksicht auf die im Gesellschaftsvertrag der KG getroffenen Regelungen davon auszugehen, dass der 100%ige Kommanditist seinen Willen in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise bei der KG durchsetzen kann. Im Ergebnis ist bei einer Einheits-GmbH & Co. KG auf die Grunderwerbsteuerpflicht durch Anteilsvereinigung besonders zu achten.
9.109 Eine weitere Verschärfung drohte nach der Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 20.1.20152. Danach liege ein 100%iger Gesellschafterwechsel aufgrund eines Gesamtplans zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer auch dann vor, wenn in zwei Erwerbsvorgängen zunächst 94 % und – nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist – aufgrund einer Bevollmächtigung weitere 6 % der Anteile an einer Personengesellschaft übertragen werden. Entscheidend nach Auffassung des FG sei, dass die Einräumung der Vollmacht dazu geführt habe, dass die Bevollmächtigten wirtschaftlich wie Gesellschafter agieren konnten. Die Revision zum BFH hatte jedoch Erfolg. Der BFH hat mit Urteil vom 30.8.20173 zu Recht klargestellt, dass die bloße Einräumung einer Vollmacht (zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils) für einen Anteilsübergang (im Sinne einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft nach § 1 Abs. 2a GrEStG) nicht ausreicht. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen.
9.110 Für Zwecke der Schenkungsteuer ist bei der Übertragung von Anteilen an einer GmbH & Co. KG mit Grundstücken im Sonderbetriebsvermögen I in der Praxis unbedingt darauf zu achten, der der Mitunternehmeranteil mit allen Aktiva und Passiva, in einem Vertrag und zu einem einheitlichen Stichtag übertragen wird. Nach 1 Vgl. Pahlke6, § 1 GrEStG Rz. 323. 2 FG Baden-Württemberg v. 20.1.2015 – 5 K 1652/11, EFG 2016, 1019, aufgeh. durch BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786 = DStR 2018, 26 = GmbHR 2018, 266 m. Anm. Wachter. 3 BFH v. 30.8.2017 – II R 39/15, BStBl. II 2018, 786 = DStR 2018, 26 = GmbHR 2018, 266 m. Anm. Wachter.
1016 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.111 Kap. 9
Auffassung des BFH1 ist der Erwerb steuerlich nicht begünstigt (i.S.v. §§ 13a, 13b ErbStG), wenn das Grundstück im Sonderbetriebsvermögen nicht „gleichzeitig“ mit dem Anteil an der Personengesellschaft übertragen wird.2 Dies gilt auch dann, wenn die aufschiebend bedingte Übertragung des Kommanditanteils nur vorsorglich zur Vermeidung von etwaigen Haftungsrisiken (nach § 176 Abs. 2 HGB) erfolgt ist. Zur Neuregelung von § 176 Abs. 2 HGB durch das MoPeG mit Wirkung zum 1.1.2024 s. bereits oben Rz. 9.7. Eine mögliche Ausweichgestaltung kann darin bestehen, das Grundstück vorab aus 9.111 dem Sonderbetriebsvermögen auszugliedern und anschließend den Kommanditanteil (ohne das zuvor bereits ausgegliederte Grundstück) zu übertragen. Der BFH3 hat eine solche Gestaltung anerkannt. Die Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung (nach §§ 13a, 13b ErbStG) sind danach erfüllt, wenn ein Mitunternehmeranteil im ertragsteuerrechtlichen Sinn vom Schenker auf den Beschenkten übergegangen ist. Für die Gewährung der Steuerbegünstigung ist es nach Auffassung des BFH unbeachtlich, ob „vor der Übertragung“ wesentliches Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb entnommen oder in ein anderes Betriebsvermögen überführt wurde, solange es sich bei dem übertragenen Anteil um einen Mitunternehmeranteil handelt. Maßgebend ist insoweit das richtige Timing bei der Vertragsgestaltung4 (und der Vertragsabwicklung).5 III. Realteilung einer grundstückbesitzenden GmbH & Co. KG Literatur: Bareis, Das neue BMF-Schreiben vom 20.12.2016 zur Realteilung, FR 2017, 261; Dorn/Müller, Ungleichbehandlung der „unechten“ und „echten“ Realteilung bei Verletzung der Sperrfrist iSd § 16 Abs. 3 S. 3 EStG nach dem aktualisierten BMF-Schreiben vom 19.12.2018, DStR 2019, 726; Gläser/Zöller, Der neue Realteilungserlass des BMF – (un-)echte
1 BFH v. 17.6.2020 – II R 38/17, BStBl. II 2021, 98 = DStR 2020, 2539 = ZEV 2020, 787 mit krit. Anm. Hübner = GmbHR 2021, 37 = ErbStB 2021, 2 mit Anm. Marfels = DStRK 2021, 12 mit Anm. Biendl. 2 Siehe dazu Götz, DStR 2021, 460; Korezkij, DStR 2021, 145; Müller/Dorn, NWB 2021, 631. 3 BFH v. 17.6.2020 – II R 33/17, BStBl. I 2021, 217 = DStR 2020, 2725 mit Anm. Kugelmüller-Pugh = DB 2020, 2728 = ZEV 2021, 47 mit Anm. Wighardt/Storz = GmbHR 2021, 154. 4 Siehe dazu auch BFH v. 10.9.2020 – IV R 14/18, BStBl II 2021, 367 = GmbHR 2021, 265 mit Anm. Lorenz/Claussen = FR 2021, 326 mit Anm. Mitschke = DB 2021, 257 mit Anm. Müller/Dorn = ZEV 2021, 117 mit Anm. Geck = BB 2021, 176 mit Anm. Hoffmann = DStR 2021, 18 = ErbStB 2021, 134 mit Anm. Sobisch (Keine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG bei zeitgleicher Entnahme von wesentlichen Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens). Ausführlich dazu Bünning, BB 2021, 1771; Geck, ZEV 2021, 560; Kahle/Burger/Burmistrak, BB 2021, 1579; Kotzenberg/Riedel, DStR 2021, 505. – Grundsätzlich zustimmend auch die Finanzverwaltung (Anpassung des BMF- Schreibens v. 20.11.2019 – IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl. I 2019, 1291) durch BMF v. 5.5.2021 – IV C 6-S 2240/19/10003:017, betr. Zweifelsfragen zu § 6 Abs. 3 EStG, BStBl. I 2021, 696 = DStR 2021, 1112 = DB 2021, 1041 = ZEV 2021, 407 = BB 2021, 1457 mit Anm. Kleinmanns. 5 Grundlegend Kotzenberg/Riedel, DStR 2021, 505.
Wachter 1017
Kap. 9 Rz. 9.112 Gewerblich geprägte Immobilien Erhöhung der Rechtssicherheit?, DB 2019, 692; Görgen, Die Neuausrichtung der Realteilung als Chance auf Rechtssicherheit, DStZ 2017, 279; Heß, Neues BMF-Schreiben zur Realteilung – eine sehr zurückhaltende Annäherung an die neue BFH-Rechtsprechung, BB 2017, 363; Heß, (Erneute) Neufassung des Realteilungserlasses, BB 2019, 239; Levedag, Eintritt in und Austritt aus Freiberuflerpraxen, DStR 2017, 1233; Levedag, Der Realteilungserlass vom 20.12.2016 – Anmerkungen aus Sicht der Rechtsprechung, GmbHR 2017, 113; Neu/Hamacher, Ausscheiden von Mitunternehmern gegen Übertragung von Sachgesamtheiten und Einzelwirtschaftsgütern – Rechtslage und Beratungskonsequenzen, FR 2017, 605; Neu/Hamacher, Abrundung der BFH-Rechtsprechung zur Realteilung von Personengesellschaften, GmbHR 2017, 897; Pupeter, Der neue Realteilungserlass, DB 2017, 684; Reiß, Die Realteilung, FR 2017, 458 (Teil I) und FR 2017, 554 (Teil II); Riedel, Der neue Realteilungserlass, GmbHR 2019, 221; Riedel, Zur (fehlenden) Systematik bei der Umwandlungsbesteuerung von Mitunternehmerschaften. Unterschiede zwischen § 6 Abs. 5 EStG, § 24 UmwStG und der Realteilung, Ubg. 2018, 148; Schreiber, Buchwertfortführung nach Ausscheiden eines Mitunternehmers gegen Sachwertabfindung, NZG 2018, 20; Steiner/Ullmann, Realteilung mit Einzelwirtschaftsgütern ohne Auflösung der Personengesellschaft, DStR 2017, 912; Steiner/Ullmann, Neudefinition des Anwendungsbereichs der Realteilung – Steuerneutrale Realteilung auch bei Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern, Ubg 2017, 448; Wübbelsmann, Die Realteilung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, DStR 2019, 2289;
1. Einkommensteuerliche Privilegierung
9.112 Bei mitunternehmerisch tätigen Personengesellschaften ergeben sich bei dem Ausscheiden einzelner Gesellschafter durch Sachwertabfindung regelmäßig einkommensteuerliche Belastungen wegen der Aufdeckung stiller Reserven. Dies gilt insbesondere, wenn jeder Gesellschafter seine Mitbeteiligung in einer eigenen Gesellschaft verwalten will. 9.113 Wenn die Gesellschafter eine Aufteilung des Grundbesitzes wünschen, z.B. wenn bei Familiengesellschaften nach langjähriger Geschäftsführung durch die Eltern die in die Gesellschaft aufgenommenen Kinder und Enkel jeweils allein über Grundbesitz verfügen wollen, bietet sich eine elegante Aufteilung im Wege der Realteilung gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG an. § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG lauten: „Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlungen ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden … Dagegen ist für den jeweiligen Übertragungsvorgang rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen, soweit bei einer Realteilung, bei der einzelne Wirtschaftsgüter übertragen worden sind, zum Buchwert übertragener Grund und Boden, übertragene Gebäude oder andere übertragene wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb einer Sperrfrist nach Übertragung veräußert oder entnommen werden. Diese Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung.“
9.114 Die Finanzverwaltung knüpft – entgegen der ursprünglichen Intension des Gesetzgebers – an die Liquidation der Ausgangsgesellschaft an, so dass bei dem Ausscheiden einzelner Gesellschafter – während die übrigen Gesellschafter die Ausgangs1018 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.115 Kap. 9
gesellschaft fortführen – nur Sachwertabfindungen vorliegen, die nur unter Voraussetzung des § 6 Abs. 5 EStG mit Buchwertfortführung übertragen werden können. Der BFH hat mit Urteil vom 16.12.20151 entschieden, dass die vorherige Einbringung der Anteile an einer Mitunternehmerschaft in andere Personengesellschaften einer Realteilung zur Mitunternehmerschaft mit Buchwertfortführung nicht entgegensteht, wenn an den anderen Personengesellschaften vermögensmäßig nur die Personen beteiligt sind, die zuvor auch an der Mitunternehmerschaft vermögensmäßig beteiligt waren.
9.115
Beispiel: Bei einer Familien Immo GmbH & Co. KG wollen die Eltern ihre restlichen Gesellschaftsanteile auf ihre Kinder (gegebenenfalls mit Vorbehaltsnießbrauch) übertragen und sich auch aus der Geschäftsführung zurückziehen. Gestaltungshinweis: a) Gründung von Einpersonen-GmbH & Co. KGs: Bei einer Realteilung durch Einschaltung von Einpersonen-GmbH & Co. KGs ist die Buchwertfortführung des zu verteilenden Grundbesitzes möglich. Bei einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden grundstücksverwaltenden GmbH & Co. KG gründet jeder Gesellschafter eine Einpersonen-GmbH & Co. KG und überträgt seinen Anteil an der bisherigen Immo GmbH & Co. KG auf seine Einpersonen-GmbH & Co. KG.
X-GmbH & Co. KG
A 1/2 KG Anteil
A-GmbH & Co. KG
Anteilsübertragungen
B 1/2 KG Anteil
B-GmbH & Co. KG
b) Eine Stunde später wird die bisherige X-GmbH & Co. KG realgeteilt, indem jeder der beiden Kommanditisten seinen bisherigen KG-Anteil an der Ausgangsgesellschaft in seine Einpersonen-GmbH & Co. KG einbringt. Wiederum eine Stunde später wird die bisher gemeinsam geführte Immo GmbH & Co. KG in der Weise realgeteilt, dass jeder Kommanditist gleich-
1 BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, BStBl II 2017, 766 = DStR 2016, 385 = GmbHR 2016, 440 = FR 2016, 510 m. Anm. Wendt.
Wachter 1019
Kap. 9 Rz. 9.115 Gewerblich geprägte Immobilien wertige Immobilien aus der Ausgangsgesellschaft erhält und in seine eigene GmbH & Co. KG einbringt. Der BFH bestätigte die Buchwertfortführung, weil die Zwischenschaltung der beiden Einmann-GmbH & Co. KGs kein Gestaltungsmissbrauch sei. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG habe jeder Gesellschafter nur seine eigenen stillen Reserven erhalten. Die Ausgangsgesellschaft kann liquidiert werden.
Liquidation
X-GmbH & Co. KG
A-GmbH & Co. KG
B-GmbH & Co. KG
9.116 Das BMF hatte die Entscheidung des IV. Senats1 zunächst nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht und im Realteilungserlass vom 20.12.20162 an der bisherigen Auffassung festgehalten, wonach eine Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Realteiler ebenfalls beteiligt ist, eine Übertragung zu Buchwerten nicht möglich sei. Dies gelte auch dann, wenn es sich um eine personenidentische Schwesterpersonengesellschaft handelt. 9.117 In der Zwischenzeit hatte der IV. Senat des BFH erneut Gelegenheit, zur Realteilung grundlegend Stellung zu nehmen.3 Mit Urteil vom 16.3.20174 hat der BFH zur echten und unechten Realteilung grundlegend wie folgt Stellung genommen:
1 BFH v. 16.12.2015 – IV R 8/12, BStBl II 2017, 766 = DStR 2016, 385 = GmbHR 2016, 440 = FR 2016, 510 m. Anm. Wendt. 2 BMF v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004, BStBl. I 2017, 36 = DStR 2017, 106 = DB 2017, 97 (Realteilung: Anwendung von § 16 Abs. 3 S. 2 bis 4 und Abs. 5 EStG). 3 Zur Tarifbegünstigung eines Aufgabegewinns bei einer echten Realteilung s. BFH v. 15.1.2019 – VIII R 24/15, DB 2019, 1540 = DB 2019, 1711 mit Anm. Haunhorst = DStR 2019, 1457. 4 BFH v. 16.3.2017 – IV R 31/14, BStBl. II 2019, 24 = DStR 2017, 1381 = DB 2017, 1424 (echte und unechte Realteilung; Aufgabe des Gewerbebetriebs bei Auflösung einer Mitunternehmerschaft).
1020 Wachter
B. Übertragung eines KG-Anteils
Rz. 9.127 Kap. 9
(1) Wird eine Mitunternehmerschaft aufgelöst, führt dies zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. (2) Die Grundsätze der Realteilung gelten sowohl für die Auflösung der Mitunternehmerschaft und Verteilung des Betriebsvermögens („echte Realteilung“) als auch für das Ausscheiden (mindestens) eines Mitunternehmers unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen aus einer zwischen den übrigen Mitunternehmern fortbestehenden Mitunternehmerschaft („unechte Realteilung“). Ob im Einzelfall eine echte oder eine unechte Realteilung vorliegt, richtet sich danach, ob die Mitunternehmerschaft aufgelöst wird oder ob sie fortbesteht und nur (mindestens) ein Mitunternehmer unter Mitnahme von mitunternehmerischem Vermögen ausscheidet. Mit Urteil vom 30.3.20171 hat der BFH sodann (entgegen BMF v. 20.12.20162) ent- 9.118 schieden, dass auf das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus der Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung aus dem mitunternehmerischen Vermögen die Grundsätze der Realteilung auch dann Anwendung finden, wenn die Abfindung nicht in der Übertragung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, sondern in der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter besteht. Die Finanzverwaltung3 hat die neuen Grundsätze in einem geänderten Realteilungs- 9.119 erteilungserlass zusammengefasst und sich dabei der Auffassung der Rechtsprechung weitgehend angenähert.4 Einstweilen frei.
9.120–9.126
2. Teilbetriebsausgliederung Eine Realteilung kann auch dann vorliegen, wenn ein Mitunternehmer unter Über- 9.127 nahme eines Teilbetriebs aus der Mitunternehmerschaft ausscheidet und die Mitunternehmerschaft von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt wird5. Die Teilbetriebsübertragung ist grundsätzlich auch insoweit gewinnneutral, als dem übernommenen Teilbetrieb vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erhebliche Mittel zugeordnet wurden6.
1 BFH v. 30.3.2017 – IV R 11/15, BStBl. II 2019, 29 = DStR 2017, 1376 = DB 2017, 1427 = BB 2017, 1647 mit Anm. Bünning (Ausscheiden aus Mitunternehmerschaft gegen Sachwertabfindung mit Einzelwirtschaftsgütern folgt Realteilungsgrundsätzen). 2 BMF v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004, BStBl. I 2017, 36 =, DStR 2017, 106. 3 BMF v. 19.12.2018 – IV C 6-S 2242/07/10002, BStBl. I 2019, 6 = DStR 2019, 55 = DB 2019, 95 (Realteilung: Anwendung von § 16 Abs. 3 S. 2 bis 4 und Abs. 5 EStG). 4 Siehe dazu u.a. Bareis, FR 2017, 261; Dorn/Müller, DStR 2019, 726; Gläser/Zöller, DB 2019, 692; Heß, BB 2017, 363; Heß, BB 2019, 239; Neu/Hamacher, GmbHR 2017, 897; Pupeter, DB 2017, 684; Riedel, GmbHR 2019, 221; Wübbelsmann, DStR 2019, 2289. 5 BFH v. 17.9.2015 – III R 49/13, BStBl. II 2017, 37 = DStR 2016, 377 = GmbHR 2016, 370 = NJW 2016, 1611; FG Nds. v. 27.11.2014 – 1 K 10294/13, BB 2015, 750. 6 BFH v. 17.9.2015 – III R 49/13, a.a.O.; FG Nds. v. 27.11.2014 – 1 K 10294/13, ErbStB 2015, 165 = BB 2015, 750.
Wachter 1021
Kap. 9 Rz. 9.128 Gewerblich geprägte Immobilien
9.128 In Abschnitt XIII. 2. Realteilungserlass vom 20.12.20161 ist das BMF der vorstehenden Entscheidung des III. Senats grundsätzlich gefolgt, weist aber darauf hin, dass zurückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung der gemeine Wert anzusetzen sei, wenn bei einer Realteilung durch Übertragung mit Teilbetrieben Anteile an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse von einem nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Mitunternehmer (z.B. natürliche Person) rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung der gemeine Wert anzusetzen sei, wenn der übernehmende Mitunternehmer die Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Realteilung unmittelbar oder mittelbar veräußert oder nach § 22 UmwStG weiter überträgt. 9.129–9.135 Einstweilen frei.
C. Vermögensverwaltende GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen I. Beendigung der gewerblichen Prägung
9.136 Der Umstand, dass der Grundbesitz der gewerblich geprägten GmbH & Co. KG Betriebsvermögen darstellt, wird – unter langfristiger Betrachtung – steuerlich als nachteilig empfunden, da die im Lauf der Jahre eintretende Wertsteigerung des Grundbesitzes im Falle der Veräußerung zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führt. Sobald die gewerbliche Prägung durch den erwünschten Step-Up ihre Dienste geleitet hat, wird daher – unter Fortführung der erhöhten AfA-Basis – die Rückkehr ins steuerliche Privatvermögen gewünscht. 9.137 Um dem Einwand der Missbrauchsgestaltung gem. § 42 AO vorzubeugen, ist den Gesellschaftern ein mehrjähriges Verbleiben in der Rechtsform der gewerblich geprägten GmbH & Co. KG anzuraten. Nach dieser Frist kann aber die Betriebsvermögenseigenschaft dadurch beseitigt werden, dass entweder Kommanditisten neben der Komplementär-GmbH die Geschäftsführung übernehmen oder überhaupt die Komplementär-GmbH aus der Gesellschaft ausscheidet, um identitätswahrend und beteiligungsidentisch die Gesellschaft als KG, OHG oder GbR fortzuführen. II. Neugründung einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen
9.138 Selbstverständlich kann die Rechtsform der GmbH & Co. KG auch von vornherein verwendet werden, um ohne gewerbliche Prägung steuerliches Privatvermögen zu verwalten. Die Vermeidung der gewerblichen Prägung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfolgt in der angegebenen Weise, dass mindestens einem Kommanditisten neben der Komplementär-GmbH die Geschäftsführung übertragen wird. Der bei der ge-
1 BMF v. 20.12.2016 – IV C 6-S 2242/07/10002:004, BStBl. I 2017, 36 = DStR 2017, 106.
1022 Wachter
C. GmbH & Co. KG mit steuerl. Privatvermögen
Rz. 9.145 Kap. 9
werblich geprägten GmbH & Co. KG eintretende Step-Up kann dadurch nicht erreicht werden. Eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG mit steuerlichem Privatvermögen, 9.139 welche Grundvermögen vermietet oder verpachtet, erzielt Überschusseinkünfte i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG1. III. Einkommensteuer Die während der Gründung und Beendigung der gewerblichen Prägung entstande- 9.140 nen stillen Reserven sind aufzudecken und zu versteuern. Nach weiteren zehn Jahren kann der Grundbesitz der Gesellschaft steuerfrei veräußert werden, da § 23 EStG nicht mehr eingreift. Hinsichtlich der Grundsätze der Einkünfteerzielung und -zurechnung kann auf Rz. 1.807 ff. verwiesen werden. Auch insoweit sollte darauf geachtet werden, dass die Tätigkeit der KG sich mit Blick auf die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (s. Rz. 1.1060) auf Vermögensverwaltung beschränkt. Die Übertragung von im Privatvermögen befindlichen Immobilien gegen wieder- 9.141 kehrende Leistungen ist nicht mehr mit dem Sonderausgabenabzug begünstigt, da sie seit 2008 begrifflich keine „Leistung“ i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG n.F. ist (s. Rz. 1.1010 ff.). Als Ausweichgestaltung ist die Einräumung eines Nießbrauchs möglich. IV. Publizitätspflicht Auch die Privatvermögen verwaltende GmbH & Co. KG unterliegt dem Kapitalge- 9.142 sellschaft & Co.-Richtlinien-Gesetz und ist damit gem. § 325 HGB zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses verpflichtet. Gemäß § 325b HGB gelten die Straf- und Bußgeld- sowie die Ordnungsgeldvorschriften, die für Kapitalgesellschaften bestehen, entsprechend. Die Publizitätspflicht könnte nur vermieden werden, wenn sich ein Kommanditist entschließen würde, neben der Komplementär-GmbH zusätzlich als persönlich haftender Gesellschafter zu fungieren. Einstweilen frei.
9.143–9.145
1 BFH v. 2.9.2014 – IX R 52/13, BStBl. II 2015, 263 = DB 2015, 164 = DStR 2015, 160 = GmbHR 2015, 213 Rz. 13.
Wachter 1023
Kap. 9 Rz. 9.146 Gewerblich geprägte Immobilien
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH Die folgenden Ausführungen gelten für eine Aktiengesellschaft im Wesentlichen entsprechend.
I. Die Errichtung einer Immobilienverwaltungs-GmbH Literatur: Christ, Gestaltungsüberlegungen zur Kapitalgesellschaft als „Vehikel“ steuerfreier unentgeltlicher Vermögensübertragungen, ZEV 2011, 63; Fröhlich, Nachfolgeregelungen: Statuarische Regelung zur „Vererbungsbeschränkung“, GmbH-StB 2011, 283; Gläser/Zöller, Der Begriff der nahestehenden Person i.S.d. § 32d EStG, DStR 2015, 497; Horn, Gründung einer vermögensverwaltenden GmbH, GmbHR 2001, 386; Kaligin, Steueroptimierung durch die vermögensverwaltende thesaurierende Immobilien-GmbH, BB 2013, 414; Kessler/Mirbach, Vorteilhaftigkeitsüberlegungen zur Immobilieninvestition über eine Grund besitzende Kapitalgesellschaft, DStR 2014, 1934; Keuler, Die Sparschwein-GmbH als Gestaltungsmittel nutzen, GStB 2009, 12; Kirchdörfer/Lorz, Familienvermögensgesellschaften als Organisationsmodelle im Rahmen der Familienstrategie und der Planung der Vermögensnachfolge, DB 2004, Beil. Nr. 3, 1; Lohr, Die Bedeutung der Organschaft im Steuerrecht, FS für Spiegelberger (2009), 344; Mohr, GmbH als Rechtsform der Vermögensverwaltung, GmbH-StB 2011, 244; Pietrek/Martini, Neuregelung bei der Besteuerung von Streubesitzdividenden, EStB 2013, 272; Schiffers, Eignung einer GmbH oder GmbH & Co. KG zur Verwaltung größeren privaten Kapitalvermögens („Spardosen-GmbH“), DStZ 2007, 744; Spiegelberger, Vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften in FS für Roth 2011, 801; Strunk, Die Sparschwein-GmbH als Gestaltungsmittel – vielleicht nur etwas für Risikobewusste, GStB 2009, 86; Tröder in: FS für Spiegelberger, Beteiligungen als Sacheinlage – ein Beitrag zum Grundsatz der realen Kapitalaufbringung im Gesellschaftsrecht, S. 936; Wehrheim/Steinhoff, Die vermögensverwaltende GmbH nach Einführung der Unternehmenssteuerreform bei Veräußerungsgewinnen, DStR 2008, 989; Wiese/Lay, Die Besteuerung sog. „Streubesitzdividenden“ im Körperschaftsteuerrecht, GmbHR 2013, 404.
1. Anwendungsbereich
9.146 Im Privatvermögen gehaltener Grundbesitz kann – außerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – einkommensteuerfrei veräußert werden, so dass die Grundstücksverwaltung in der Rechtsform einer GmbH bis zum Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform zum 1.1.2009 als wenig attraktiv erschien: denn Kapitalgesellschaften, also auch eine GmbH, unterliegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und sind Inhaber von Betriebsvermögen. Der von einer GmbH gehaltene Grundbesitz wird daher im Falle einer Veräußerung sogar hinsichtlich einer nur inflationsbedingt eintretenden Wertsteigerung körperschaft- und gewerbesteuerlich erfasst. Auch bei der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH, zu deren Vermögen Grundbesitz gehört, und bei der Liquidation einer grundstücksverwaltenden GmbH werden die gebildeten stillen Reserven gem. § 17 EStG besteuert.
1024 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.151 Kap. 9
Hinzukommt, dass die Einbringung von Grundbesitz in eine GmbH der Grund- 9.147 erwerbsteuer unterliegt1. Sofern im Einzelfall eine gewerbliche Prägung erwünscht ist (z.B. zur Erhöhung der AfA-Bemessungsgrundlage), ist die Rechtsform der GmbH & Co. KG günstiger, da sowohl die Gründung, als auch die Beendigung grunderwerbsteuerfrei gestaltet werden können. Nach der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes durch das Unternehmensteuerre- 9.148 formgesetz 20082 weist allerdings eine GmbH, die nur Grundbesitz innehat, mit lediglich 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG) zzgl. 0,83 % Solidaritätszuschlag die niedrigste Ertragssteuerbelastung auf, so dass im Falle der Thesaurierung unbestritten eine Ertragsteuerreduzierung entsteht; diese stellt allerdings im Wesentlichen einen Stundungsvorteil dar, da bei der Liquidation der GmbH wiederum alle eingetretenen Wertzuwächse der Körperschaftsteuer unterliegen und im Teileinkünfteverfahren bei der Einkommensteuer des Gesellschafters gem. § 17 Abs. 4 EStG erfasst werden3. Zudem muss in jedem Fall berücksichtigt werden, dass die Rechtsform der GmbH 9.149 wegen der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht wesentlich kostenintensiver ist als die Vermögensverwaltung im Privatvermögensbereich. Allerdings ist nicht zu bestreiten, dass insbesondere bei der Errichtung einer thesau- 9.150 rierenden Grundstücks-GmbH zur Altersvorsorge die unterbliebenen Steuerabflüsse vermögensbildend wirken4. Darüber hinaus können alle Reparaturen und Erhaltungsaufwendungen mit den nur mit 15,83 % vorbelasteten Erträgen durchgeführt werden, woraus sich ein weiterer Steuerspareffekt ergibt. Gegenüber der Vermögensverwaltung im Privatvermögen ist eine vermögensverwal- 9.151 tende GmbH („Sparschwein-GmbH“5) somit (nur) vorzuziehen, wenn die Gewinne langfristig thesauriert werden sollen6. 2. Satzungsgestaltung Literatur: Binnewies, Familienrechtliche Gestaltungen rund um die GmbH-Beteiligung, GmbH-StB 2005, 274; Dahlbender/Wicht, Die Erbfallklausel als Nachfolgeregelung für GmbHAnteile, GmbH-StB 2008, 151; Ivo, Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZEV 2006, 252; Langner/Heydel, Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen – Sicherstellung einer familieninternen Nachfolge, GmbHR 2005, 377; Langner/Heydel, Nachfolgeklauseln im GmbHGesellschaftsvertrag, GmbHR 2006, 291.
1 Zum Rechtsträgerwechsel vgl. Drees/Nienhaus/Böing/Behrens in: Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rz. 68; Viskorf/Meßbacher-Hönsch20, § 1 GrEStG Rz. 302. 2 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 3 Vgl. Schmidt/Levedag41, § 17 EStG Rz. 211; zum Betriebsvermögen gehörende Anteile an einer Kapitalgesellschaft unterliegen den vorrangigen §§ 4 und 5 EStG, vgl. Schmidt/Levedag41, § 17 EStG Rz. 10. 4 Vgl. Keuler, GStB 2009, 12. 5 Siehe Keuler, GStB 2009, 12; Strunk, GStB 2009, 86. 6 Eine tabellarische Übersicht findet sich bei Wehrheim/Steinhoff, DStR 2008, 989.
Wachter 1025
Kap. 9 Rz. 9.152 Gewerblich geprägte Immobilien
9.152 Beispiel: Die gut verdienenden Eheleute E planen zur Verbesserung ihrer Altersversorgung den Erwerb einer Immobilie mit einer hohen Fremdfinanzierung, um durch Werbungskosten ihre Einkommensteuerlast zu minimieren. Erwerberin ist die von ihnen gegründete Immo-GbR. Sobald die Finanzierungsmittel soweit getilgt sind, dass die Eheleute E positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, wird die GbR nur kurzzeitig (ein Tag genügt) identitätswahrend in eine OHG umgewandelt und zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, wozu nur eine notariell beglaubigte Registeranmeldung erforderlich ist. Anschließend kann – jedoch frühestens gem. § 5 Abs. 3 GbR nach Ablauf von fünf Jahren seit Gründung der GbR – durch notariell zu beurkundenden Formwechsel gem. § 190 UmwG grunderwerbsteuerfrei die Rechtsform der Immo-GmbH erreicht werden, um ertragsteuerrechtlich die niedrigste Belastung mit 15 % gem. § 23 KStG zzgl. 0,83 % Solidaritätszuschlag zu erreichen. Mit Ausnahme der Verwendung für Erhaltungsaufwendungen werden alle Erträge thesauriert, um bis zur Pensionierung mit den Erträgen Tochter-GmbHs zu finanzieren, die gem. § 8b Abs. 2 KStG wegen Abs. 5 dieser Vorschrift mit nur 0,75 % Steuerbelastung veräußert werden können.
9.153 Die Rechtsform der GmbH eignet sich nur für Familiengesellschaften, wenn die Satzung personalistisch gestaltet wird. Im Wesentlichen sind die nachfolgend aufgeführten Vorsorgegestaltungen erforderlich: – Vinkulierung gem. § 15 Abs. 5 GmbHG, damit unerwünschte familienfremde Personen von vorneherein ausgeschlossen werden; – Einziehungsrecht oder Abtretungsverpflichtung für den Fall, dass durch Erbgang unerwünschte Personen GmbH-Gesellschafter geworden sind; – Gesellschaftsrechtliches Sonderrecht auf Geschäftsführung für die bisherigen familienangehörigen Geschäftsführer, so dass eine Abberufung nur aus wichtigem Grund gem. § 38 Abs. 2 GmbHG zulässig ist und – Abfindungsreduzierung bis zu 50 % des wahren Anteilswertes1, um Grundbesitz als Familienvermögen generationsübergreifend zu erhalten. 3. Körperschaftsteuer
9.154 Die definitive Körperschaftsteuerbelastung mit 15 % zzgl. des Solidaritätszuschlags i.H.v. 0,83 % für Gesellschafter, die keine Ausschüttungen anstreben, ist von entscheidender Bedeutung. 9.155 Darüber hinaus liegt bei der Einbringung von im steuerlichen Privatvermögen gehaltenen Grundstücken in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein tauschähnlicher Umsatz vor, der zum Ansatz des gemeinen Wertes führt, so dass für ältere Immobilien eine höhere AfA-Bemessungsgrundlage ge-
1 Vgl. Kellermann, StbJb. 1986/87, 411; Ulmer, ZIP 2010, 805; D. Mayer, DB 1990, 1320; Mecklenbrauck, BB 2000, 2006; allg. zu Wirksamkeitsgrenzen bei Abfindungsvereinbarungen MünchKomm/Schäfer8, § 738 BGB Rz. 41 ff.
1026 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.158 Kap. 9
wonnen wird. Die Kürzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG gilt nur für Einlagen, nicht für Anschaffungsgeschäfte1. Schließlich können Tochterobjektgesellschaften gem. § 8b Abs. 2 KStG körperschaft- 9.156 steuerermäßigt veräußert werden, wobei gem. § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG fiktive 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben angesetzt werden. Die Einbringung von Wertpapieren in eine Vermögensverwaltungs-GmbH, wie von 9.157 Keuler2 vorgeschlagen, ist seit der Neuregelung der Besteuerung von Streubesitzdividenden mit dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urt. vom 20.10.20113 nicht mehr empfehlenswert, da nach dem 28.2.2013 zugeflossene Streubesitzdividenden nunmehr sowohl der Körperschaftsteuer gem. § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG n.F. als auch der Gewerbesteuer unterliegen, so dass bereits auf der Ebene der Kapitalgesellschaft – ohne Ausschüttung – eine Steuerbelastung von durchschnittlich 29,83 % (bei einem angenommenen Hebesatz i.H.v. 400 %) entsteht4. Die (steuerlichen) Rahmenbedingungen für die Rechtsformwahl haben sich auch 9.158 durch das am 1.1.2022 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)5 geändert6. Danach ist u.a. für Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH & Co. KG und PartGG, nicht aber auch eK und GbR) eine Option zur Körperschaftsteuer eingeführt worden (§ 1a KStG). Der Option müssen (entsprechend § 217 Abs. 1 UmwG) alle Gesellschafter zustimmen, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht eine Dreiviertel-Mehrheit ausreichen lässt. In der Praxis sollte die Option möglichst nur einstimmig erfolgen, da die Option weitreichende Folgen für die Besteuerung aller Gesellschafter hat. Die Option zur Körperschaftsteuer gilt als (fiktiver) Formwechsel (i.S.d. §§ 1, 25 UmwStG mit Verweis auf §§ 20 ff. UmwStG).
1 Vgl. Spiegelberger, ZEV 2003, 391; BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 = DStR 1999, 366 = DB 1999, 615 = GmbHR 1999, 430; v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617 = GmbHR 2008, 548 = FR 2008, 912 m. Anm. Wendt. 2 Keuler, GStB 2009, 12. 3 Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils v. 20.10.2011 in der Rs. C-284/09 v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, 561. 4 Vgl. Pietrek/Martini, EStB 2013, 272. 5 Ges. zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 = BStBl. I 2021, 889. Zur Gesetzesgenese s. BT-Drucks. 19/28656 v. 19.4.2021, BT-Drucks. 19/29642 v. 12.5.2021, BT-Drucks. 19/28643 v. 19.5.2021 (Beschluss und Bericht des Finanzausschusses), BR-Drucks. 244/21 v. 7.5.2021 und BR-Drucks. 467/21 v. 4.6.2021. 6 Siehe dazu im Schrifttum aus der Vielzahl erster Stellungnahmen u.a. Bochmann/Bron, NZG 2021, 613; Böhmer/Schewe/Schlücke, FR 2021, 765; Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/ Weiss, DStR 2021, 1617; Brühl/Weiss, DStR 2021, 889; Brühl/Weiss, DStR 2021, 945; Cordes/Kraft, FR 2021, 401; Dorn/Dibbert, DB 2021, 1233; Geck, ZEV 2021, 560; Haug, FR 2021, 410; Leitsch, BB 2021, 1943; Liekenbrock, DB 2021, 2111; Lüdicke/Eiling, BB 2021, 1439; Prinz, FR 2021, 561; Prinz, DB 2021, 914; Rickermann, DB 2021, 1561.
Wachter 1027
Kap. 9 Rz. 9.159 Gewerblich geprägte Immobilien
9.159 Praxishinweis: Vor einer Option sollte insbesondere geprüft werden, ob und inwieweit das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter – jedenfalls soweit es sich um funktional wesentliche Betriebsgrundlagen handelt – auf die optierte Personengesellschaft übertragen werden muss. Zivilrechtlich wird dabei unter Umständen eine gesonderte Übertragung erforderlich sein, die möglichst zeitgleich mit der Einbringung erfolgen sollte.1
9.160 Die Option ändert auch die Besteuerung der Gesellschafter der optierten Personengesellschaft. Die Beteiligung an der optierten Personengesellschaft gilt für ertragsteuerliche Zwecke als Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Danach sind u.a. Leistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter als Dividenden zu erfassen, Vergütungen für Arbeitslohn als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Zinsen aus Darlehen als Kapitalerträge. Angesichts der damit verbundenen Unsicherheiten (z.B. zum Zeitpunkt des Zuflusses) sollten bestehende Gesellschaftsverträge vor einer Option überprüft und ggf. auch angepasst werden. Dies gilt insbesondere für die Gewinnverteilung und die Kapital-, Darlehens- und Verrechnungskonten. 9.161 Gewisse Besonderheiten könnten bei der Organschaft zu berücksichtigen sein (§§ 14 ff. KStG). Ungeklärt ist bislang, ob eine optierte Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann (s. § 14 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 1 KStG). Ferner wird zu klären sein, unter welchen Umständen mit einer optierten Personengesellschaft ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen werden kann (s. R 14.5 Abs. 1 Satz 1 KStR 2015 und §§ 291 ff. AktG). Bei anderen Steuerarten soll die optierende Personengesellschaft dagegen wie eine „normale“ Personengesellschaft behandelt werden. Für Zwecke der Erbschaftsteuer gelten optierende Gesellschaften auch weiter als Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften, was durch die ebenfalls durch das KöMoG2 erfolgten Änderungen des §§ 13a, 13b ErbStG klargestellt wurde. Die Ausübung der Option zur Körperschaftsbesteuerung kann insoweit auch nicht zu einem Sperrfristverstoß nach § 13a Abs. 6 ErbStG führen3. Bei der Grunderwerbsteuer soll die Option grundsätzlich unbeachtlich sein (s. aber §§ 5, 6 GrEStG)4.
1 Ausführlich zur Behandlung von Sonderbetriebsvermögen im Optionsmodell Strecker/ Carlé, NWB 2021, 2006. 2 Ges. zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 = BStBl. I 2021, 889. Zur Gesetzesgenese s. BT-Drucks. 19/28656 v. 19.4.2021, BT-Drucks. 19/29642 v. 12.5.2021, BT-Drucks. 19/28643 v. 19.5.2021 (Beschluss und Bericht des Finanzausschusses), BR-Drucks. 244/21 v. 7.5.2021 und BR-Drucks. 467/21 v. 4.6.2021. 3 Feldgen/Feldgen in: Bott/Walter, KStG, § 1a KStG, 136; Winkler/Carlé, NWB 2021, 2508, 2513; Cordes/Kraft, FR 2021, 401. 4 Siehe dazu Feldgen/Feldgen in: Bott/Walter, KStG, § 1a KStG, 130 ff.; Behrens/Seemaier, DStR 2021, 1673; Brühl, GmbHR 2021, 749; Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Wälzholz, DNotZ 2021, 645; Ott, DStZ 2021, 559. S. ferner BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004, BStBl. I 2021, 2212 Tz. 58.
1028 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.168 Kap. 9
Zwischenergebnis: Viele Fragen im Zusammenhang mit der neuen Optionsmög- 9.162 lichkeit sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. In der Praxis sollte (zumindest im Moment) nur zurückhaltend von der Option Gebrauch gemacht werden. Einstweilen frei.
9.163–9.167
4. Gewerbesteuer Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grund- 9.168 besitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, wird gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag die erweiterte Kürzung um den Teil des Gewerbebetrags gestattet, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, so dass die Grundbesitzerträge im Ergebnis steuerfrei erzielt werden. 5. Grunderwerbsteuer Literatur: Behrens, Vorkaufsrechte im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2019, 1047; Behrens/Seemaier, Aufgabe der Pro-Kopf-Betrachtung bei der Anteilsvereinigung iSv § 1 Abs. 3 GrEStG, DStR 2021, 644; Behrens/Seemaier, Die Urteile des BFH v. 21. und 22.8.2019 zur Konzernklausel des § 6a GrEStG, DStR 2020, 1411; Behrens/Seemeier, Treuhandverhältnisse in Bezug auf Grundstücke und Gesellschaftsanteile bei der Grunderwerbsteuer, BB 2018, 1111; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 1.7.2021, DB 2021, 866; Broemel/ Mörwald, Grunderwerbsteuerreform im Bereich der „Share Deals“ – ein kritischer Überblick zum Referentenentwurf des BMF, DStR 2019, 1113; Broemel/Tigges, Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei den grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbeständen, DStR 2020, 2342; Bruschke, Immobilien-Leasing und Grunderwerbsteuer, ErbStB 2020, 115; Carlé, Entwicklungen zur Grunderwerbsteuer, kösdi 2018, 20787; Drüen, Verfassungsfragen bei der Reform der Grunderwerbsteuer, Ubg. 2018, 605 (Teil 1) und Ubg. 2018, 673 (Teil 2); Erlau, Die Berechnung der Grunderwerbsteuer – Due Diligance- und Compliance-Herausforderung bei Share-Deal-Transaktionen, BB 2020, 2848; Fischer, Michael, Grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge iSd § 1 Abs. 3 GrEStG – Neue Regelugen der Finanzverwaltung zu Personengesellschaften, ZEV 2019, 2; Geck Treuhandverhältnisse im Zivil-, Erbschaftsteuer- und Grunderwerbsteuerrecht, kösdi 2018, 20711; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer. Handbuch für die Gestaltungs- und Beratungspraxis, 6. Auflage 2021; Götz/ Heine, Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierung von Familiengesellschaften, DStR 2012, 2266; Graessner/Hütig, Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung von GrESt, DB 2015, 2415; Grondorf, § 6a GrEStG – Die unionsrechtskonforme Konzernklausel, DB 2019, 1633; Happel, Verfassungs- und steuerrechtliche Untersuchung der grunderwerbsteuerlichen Reform zu Share-Deal-Gestaltungen, DStR 2021, 1193 (Teil I) und DSTR 2021, 1272 (Teil II); Heinze, Grundstückskaufverträge bei fehlender Voreintragung nach mehreren Umwandlungen, DStR 2019, 1643, Heurung/Buhrandt/Koschinski, Geänderte Verwaltungsauffassung zur Grunderwerbsteuer bei Share Deals. Überlegungen zur mehrmaligen Besteuerung nach § 1 Abs. 6 GrEStG, DStR 2019, 1281; Hirschberg/Schaflitzl, Grunderwerbsteuer – Stand der Reformüberlegungen und mögliche Auswirkungen für die Beratungspraxis, Ubg. 2019, 253 (Teil I) und Ubg. 2019, 315 (Teil II); Hötzel, Grunderwerbsteueranzeigen in Zeiten komplexer Immobilientransaktionen: Schnell vor sachgerecht?, Der Konzern 2019, 320; Käshammer/Schuhmann, Ländererlasse zu § 6a GrEStG: Umstrukturierungshindernis im Lichte der zögerlichen Kehrtwende der Finanzverwaltung, DB 2021, 749;
Wachter 1029
Kap. 9 Rz. 9.169 Gewerblich geprägte Immobilien Keller/Petersen, Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer bei M&A-Transaktionen, BB 2016, 151 (Teil 1) und BB 2016, 218 (Teil 2); Kittl/Lorenz, Was lange währt, wird endlich gut? Vorschau zur erwarteten Rechtsprechung des BFH zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel, DStR 2019, 897; Loose, Grunderwerbsteuerbefreiung bei Umwandlungen im Konzern, DB 2020, 919; Lüdicke, Jochen, Gesetz zur Änderung des GrEStG: Unnötige Gefährdung grundbesitzender Unternehmen durch massive Ausweitung der Steuerersatztatbestände, DB 2019, 1864; Mayer, S./Wagner, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerecht 2014/2015, BB 2016, 2519; Mörwald, Die Personengesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht, 2021; Pirner/Könemann, Eine Steuer für Ehrliche und Pechvögel?, Zum strukturellen Vollzugsdefizit bei der Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit umstrukturierungen internationaler Konzerne, IStR 2013, 423; Scheffler/Nagel, Umstrukturierung von Unternehmen: Einfluss der Rechtsform auf die Grunderwerbsteuer und die Umsatzsteuer, Ubg 2013, 442; Schiessl/Riegel, Schuldner der Grunderwerbsteuer bei Share Deals mit mehreren Erwerbern, DB 2011, 1411; Schwedhelm/Zapf, Die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Umstrukturierungen im Konzern gemäß § 6a GrEStG – Fallstricke und ungelöste Problemfelder, DStR 2016, 1906 (Teil I) und DStR 2016, 1967 (Teil II); Söhnchen/Zentis/Berka/Eichler/ Huperz, Hot Topics bei Immobilentransaktioen. BB 2018, 1090; Stadler/Mager/Mayer, Der Luxemburger FCP im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2021, 408; Strahl, Grunderwerbsteuer und ausgewählte gesellschaftsrechtliche Transaktionen, RNotZ 2021, 61; Tappe, Share Deals bei der Grunderwerbsteuer, StuW 2021, 139; Viskorf, Hans-Ulrich, Wann „gehört“ einer Gesellschaft ein Grundstück?, DStR 2021, 74; Viskorf, Hans-Ulrich, Neueste Rechtsentwicklungen an der Grenzlinie zwischen Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 GrEStG) in FS für Spiegelberger (2009), 518; Wagner/Mayer, Transaktionspraxis: Die Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerrecht 2016/2017, BB 2018, 2071; Wälzholz, Praxisupdate Grunderwerbsteuerrecht, MittBayNot 2021, 12; Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen in der Grunderwerbsteuer für die notarielle Gestaltungspraxis, DNotZ 2020, 310; Wälzholz, Grunderwerbsteuer für die notarielle Gestaltungspraxis, MittBayNot 2019, 1; Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Grunderwerbsteuer für die notarielle Gestaltungspraxs, MittBayNot 2018, 113; Wälzholz/Bayer, Aktuelle grunderwerbsteuerrechtliche Gestaltungsprobleme bei der GmbH, GmbH-StB 2020, 195 (Teil 1) und GmbH-StB 2020, 217 (Teil 2); Wischott/Arnold/Petersen, Die Vor- und Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG – Telelogische Reduktion als tragende Lösung eines systemfremden Wortlauts, Ubg. 2016, 449; Wrenger, Grunderwerbsteuerbefreiung aufgrund interpolierender Betrachtungsweise, DStR 2017, 18.
9.169 Alle grunderwerbsteuerbaren Gestaltungen sind umfassend in Rz. 1.1100 ff. dargestellt.1 Für eine GmbH sind besonders zu beachten: Die Einbringung eines Grundstückes in eine GmbH unterliegt der Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wobei gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird.2 Bei einer formwechselnden Umwandlung gem. § 190 UmwG aus einer im Handelsregister eingetragenen Gesamthand (OHG, KG, GmbH & Co. KG sowie
1 Zu den aktuellen Änderungen s. auch die Nachweise oben in Rz. 9.108 und 9.6 ff. 2 Siehe aber auch die am 1.7.2021 in Kraft getretene Sonderregelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrStG bei Umwandlungen im Rückwirkungszeitraum. Zur zeitlichen Anwendbarkeit s. § 23 Abs. 18 GrEStG.
1030 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.170 Kap. 9
PartGG), die bereits fünf Jahre1 bestanden hat2, besteht eine Grunderwerbsteuerbefreiung wegen der Identität mit der in der Rechtsform der GmbH fortgeführten Gesellschaft3. Darüber hinaus können die genannten Gesamthandsgesellschaften als Ausgangsgesellschaft identitätswahrend und beteiligungskonform in eine andere Personengesellschaft ohne weitere Frist- und Formvorschriften umstrukturiert werden. Bei einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG4 differenziert die Finanzverwaltung5 bei der Anwendbarkeit personenbezogener Befreiungstatbestände wie folgt: – Bei einer Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG finden die personenbezogenen Befreiungsvorschriften des § 3 Nr. 2 bis 7 GrEStG keine Anwendung, sofern es sich um Kapitalgesellschaften handelt6. Vielmehr wird ein Grundstückserwerb von der Gesellschaft fingiert, so dass selbst bei einer Anteilsvereinigung zwischen Ehegatten und in gerader Linie Verwandten die Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 4 bis 6 GrEStG nicht angewendet werden7. – Bei Anteilsübertragungen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 wird ein Grundstückserwerb von dem jeweiligen Gesellschafter angenommen, so dass die personenbezogenen Befreiungstatbestände greifen8. 1 Zur Verlängerung der Frist von fünf Jahren auf 10 bzw. 15 Jahre (in §§ 5, 6 GrEStG) durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) s. u.a. Behrens/Wagner, DB 2021, 866; Broemel/Mörwald, DStR 2021, 1624; Brühl, GmbHR 2021, 749; Busch/Labus, NotBZ 2021, 321; Fischer, Hans-Jörg, BB 2021, 1566; Förster/ Mendling, DB 2021, 1974; Labus/Busch, GmbHR 2021, R 176; Meding/Müller, DB 2021, 2117; Stoschek, DStR 2021, 2021; Wälzholz, DNotZ 2021, 645. – Zu verfassungsrechtlichen Bedenken an der Neuregelung für Share Deals s. Happel, DStR 2021, 1193 und 1272. 2 Vgl. Gottwald, NotBZ 2001, 285; Viskorf/Viskorf20, § 5 GrEStG Rz. 93. 3 Vgl. BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661; koordinierte Ländererlasse DB 1997, 202 und DStR 1997, 1576; FinMin. Baden-Württemberg, DStR 1998, 82. 4 Zu § 1 Abs. 3 GrEStG s. u.a.: (1) Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1053 = DB 2018, 2601 = DStR 2018, 2207 (mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden (Personen-)Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG), (2) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1056 = DB 2018, 2721 = DStR 2018, 2341 (Anwendung des § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle), (3) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1069 = DB 2018, 2605 = DStR 2018, 2211 (Anwendung der §§ 3 und 6 GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG), und (4) gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 19.9.2018, BStBl. I 2018, 1074 = DB 2018, 2602 = DStR 2018, 2208 (Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw. Geschäftsbesorgungen); ausführlich zu den aktuellen Erlassen Michael Fischer, ZEV 2019, 2, und zu Treuhandverhältnissen im Grunderwerbsteuerrecht Behrens, BB 2018, 1111; Geck, kösdi 2018, 20711. 5 FinMin. Baden-Württemberg v. 18.12.2009, DStR 2010, 114. 6 BFH v. 8.6.1988 – II R 143/86, BStBl. II 1988, 785 = DStR 1988, 614 = BB 1988, 1741; Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer6, Rz. 348. 7 Kritisch hierzu zu Recht Teiche, BB 2008, 196; von Proff zu Irnich, DB 2007, 2616. 8 Vgl. übersichtlich und kritisch Gottwald/Behrens/Böing/Seemaier, Grunderwerbsteuer6, Rz. 347 ff.
Wachter 1031
9.170
Kap. 9 Rz. 9.171 Gewerblich geprägte Immobilien
9.171 Aufgrund der BFH-Rechtsprechung1 unterliegt die unentgeltliche Übertragung von GmbH-Anteilen gem. § 3 Nr. 2 GrEStG nicht der Grunderwerbsteuer, wohl aber der Schenkungsteuer. 9.172 Zur Erleichterung von Umwandlungen hat der Gesetzgeber § 6a GrEStG in das Gesetz eingefügt.2 Der BFH3 hat in mehreren Grundsatzentscheidungen zur Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG Stellung genommen.4 Die Finanzverwaltung folgt der neuen Rechtsprechung zu § 6a GrEStG weitgehend und hat ihre Auffassung in einer ausführlichen Stellungnahme zusammengefasst.5 6. Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers Literatur: Bosse, Stimmbindung und Befreiung von der Sozialversicherungspflicht, NWB 2016, 352; Brand, Die geänderte Rechtsprechung des BSG zum Status von geschäftsführenden Gesellschaftern einer Familien-GmbH, DStR 2017, 728; Gallus, Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer – Änderung der Rechtsprechung birgt Haftungsfalle, kösdi 2017/8, 20412; Heckschen, Gestaltungen zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschaftern, NotBZ 2016, 121; Jorde/Götz, Gestaltung der Einheits(kommandit)gesellschaft – Praxisfragen aus steuer-, zivil- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht, BB
1 BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl. II 2012, 793 = DStR 2012, 1444 = GmbHR 2012, 981 = ZEV 2012, 496 = MittBayNot 2012, 417. 2 Ausführlich dazu Behrens/Seemaier, DStR 2020, 1411; Broemel/Mörwald, DB 2020, 1029; Broemel/Tigges, DStR 2020, 2342; Brühl, GmbHR 2020, 528; Loose, DB 2020, 919; Loose in FS Dieter Mayer, 2020, S. 221 ff.; Märker, BB 2021, 605; H.-U. Viskorf, DB 2020, 421; Wälzholz, MittBayNot 2021, 12; Wälzholz, DNotZ 2020, 310; Wälzholz/Bayer, GmbH-StB 2020, 195 und 217; Wischott/Graessner, NWB 2020, Nr. 18, S. 1320. 3 BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329 = DStR 2020, 343 = DB 2020, 370 = DStRK 2020, 123 mit Anm. Rotter (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG auch bei Verschmelzung auf natürliche Person); v. 21.8.2019 – II R 19/19, BStBl. II 2020, 337 = DStR 2020, 341 (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG erfordert keine Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG); v. 22.8.2019 – II R 18/19, BStBl. II 2020, 352 = DStR 2020, 337 = GmbHR 2020, 564 = BB 2020, 1505 mit Anm. Wösthoff (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG); v. 21.8.2019 – II R 21/19, BStBl. II 2020, 344 = DB 2020, 372 = DStRE 2020, 429 (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG bei Abspaltung); v. 22.8.2019 – II R 17/19, BStBl. II 2020, 348 = DStRE 2020, 358 (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG); v. 21.8.2019 – II R 16/19, BStBl. II 2020, 333 = DStRE 2020, 355 (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG); v. 22.11.2018, II B 8/18, BStBl. II 2020, 153 (Keine Anwendung von § 6a GrEStG auf Einbringungsvorgänge); v. 21.8.2019 – II R 20/19, BStBl. II 2020, 341 = DStRE 2020, 426 (Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG bei Verschmelzung einer anhängigen Gesellschaft auf ein herrschende Unternehmen). 4 Siehe ferner das unter dem Az. II R 13/20 anhängige Revisionsverfahren zum Begriff des herrschenden Unternehmens i.S.d. § 6a GrEStG innerhalb einer Beteiligungskette (Vorinstanz FG Düsseldorf v. 20.5.2020 – 7 K 820/17 GE, EFG 2020, 1332 = DStRE 2021, 236 = GmbHR 2020, 1035 mit Anm. Brühl = GmbH-StB 2020, 286 mit Anm. Böing. 5 Siehe gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (zur Anwendung des § 6a GrEStG nach den Urteilen des BFH vom 21. und 22.8.2019) v. 22.9.2020, BStBl. I 2020, 960 = DB 2020, 2269 = DStR 2021, 164. Ausführlich dazu Broemel/Mörwald, DStR 2021, 140; Brühl, GmbHR 2021, 126; Käshammer/Schuhmann, DB 2021, 749; Märker, BB 2021, 605; Wischott/Graessner, NWB 2021, 18.
1032 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.175 Kap. 9
2005, 2718; Kalbfleisch, Das Ende der Schönwetter-Selbständigkeit – die neuste Rechtsprechung des BSG und ihre Auswirkungen auf Poolvereinbarungen in Familien-GmbHs, UVR 2016, 115; Kordes, Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen, GmbH-StB 2020, 265; Kübler, Sozialversicherungspflicht von Gesellschaftern einer Personengesellschaft, StB 2018, 17; Lau, Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern – Aktuelle Entscheidung des BSG zu Treuhandabreden, DStR 2020, 347; von Medem, Die Auswirkungen einer Stimmbindungsvereinbarung auf die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern, DStR 2014, 2027; Peetz, Sozialversicherung des GmbH-Geschäftsführers, notar 2018, 150; Richter, Blick ins Sozialversicherungsrecht, DStR 2020, 1208; Rubner/Leuering, Aktuelles zur Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers, NJW-Spezial 2017, 271; Schlegel/ Geiger, Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung. Änderungsbedarf und Änderungspotentiale, NJW 2020, 16; Thees, Beitragsfalle für Familiengesellschaften: Das Ende der „Schönwetter-Selbständigkeit“, DB 2016, 352; Uckermann/Drees, Gesellschafter-Geschäftsführer, mitarbeitende Gesellschafter und diesen nahestehende Personen: Aktueller Überblick zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung, DStR 2019, 561; Versin, Sozialversicherungsrechtliche Haftungsrisiken des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2020, 132; Zieglmeier, Arbeitgeber-, Organ-, und Beraterhaftung für Sozialversicherungsbeiträge auf Grund Beschäftigung, DStR 2020, 230; Zieglmeier, Die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung – ein unterschätztes Compliancerisiko, NJW 2015, 1914.
Aufgrund der früheren familienfreundlichen Rechtsprechung des BSG konnte die 9.173 Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer einer Familiengesellschaft relativ einfach vermieden werden. Aufgrund der verschärften Rechtsprechung des BSG (s. den Überblick in Rz. 9.176) können sich (aufgrund der regelmäßig alle vier Jahre stattfindenden sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungen) bei tatsächlich bestehender Versicherungspflicht erhebliche Nachforderungen für die Kranken- und Pflegeversicherung und in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ergeben.
9.174
Hinweis: Im Einzelfall können Geschäftsführer auch persönlich für Sozialversicherungsbeiträge in Haftung genommen werden.1 Für Steuerberater gelten nach Auffassung der Rechtsprechung2 insoweit weitreichende Beratungs- und Aufklärungspflichten.
Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit Versicherungspflicht ist im Allgemei- 9.175 nen ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer einen Kapitalanteil von mindestens 50 % innehat oder andere Sperrminoritäten bei besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag ausgewiesen sind. Unterhalb der Kapitalbeteiligung von 50 % sprechen folgende Abgrenzungsmerkmale gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis: – Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, – der Geschäftsführer verfügt als einziger Gesellschafter über die für die Führung des Betriebes notwendigen Branchenkenntnisse, 1 Siehe zuletzt u.a. Kordes, GmbH-StB 2020, 265; Versin, GmbHR 2020, 132; Zieglmeier, DStR 2020, 230. 2 Siehe BGH v. 6.6.2019 – IX ZR 115/18, DStRE 2020, 760; OLG Düsseldorf v. 9.7.2020 – 23 U 70/20, GmbHR 2021, 770; OLG Schleswig v. 30.11.2018 – 17 U 20/18, DStR 2019, 581 mit Anm. Weitze-Scholl; OLG Köln v. 6.8.2018 – 16 U 162/17, DStR 2018, 2658 mit Anm. Meixner/Schröder.
Wachter 1033
Kap. 9 Rz. 9.175 Gewerblich geprägte Immobilien
– Tätigkeit ist überwiegend durch familiäre Rücksichtnahmen geprägt, – der Geschäftsführer trägt ein erhebliches Unternehmerrisiko und – der Geschäftsführer ist „Kopf und Seele“ des Unternehmens.
9.176 Die wichtigsten Grundsätze der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lassen wie folgt skizzieren: – BSG v. 24.11.20201: Sozialversicherungspflicht einer stillen Gesellschafterin und Niederlassungsleiterin einer Steuerberatungs-GmbH: Die Beteiligung als stiller Gesellschafter steht einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Eine gesellschaftsrechtlich (und damit sozialversicherungsrechtlich) relevante Beteiligung an der nach außen auftretenden GmbH mit einer hieraus folgenden Rechtsmacht des stillen Gesellschafters, die Geschicke des Unternehmens leiten zu können, ergibt sich hieraus nicht. – BSG v. 8.7.20202: Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers in Mutter-/Tochter-Gesellschaften: Über eine die abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht verfügen danach nicht nur Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von zumindest 50 % oder (bei geringerer Kapitalbeteiligung) einer umfassenden Sperrminorität. Sie kann auch daraus resultieren, dass der (Fremd-)Geschäftsführer (auch einer GmbH & Co. KG) kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft in der Lage sei, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen. Eine so abgeleitete Rechtsmacht ist aber nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt). – BSG v. 7.7.20203: Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Steuerberatungs-GmbH: Der Geschäftsführer einer SteuerberatungsGmbH ist aufgrund seiner Weisungsgebundenheit grundsätzlich abhängig beschäftigt. Seine freiberufliche Tätigkeit als Steuerberater für die GmbH ändert hieran nichts. Ein Beschäftigungsverhältnis ist nur dann ausgeschlossen, wenn er aufgrund seiner Gesellschafterstellung nicht genehme Weisungen an sich jederzeit verhindern kann. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer notariellen Pool-Vereinbarung mit einem weiteren Gesellschafter zwar in der Regel, nicht jedoch in jedem denkbaren Fall mindestens 50 % der Stimmen auf sich vereinen kann). – BSG v. 12.5.20204: Ein Treuhandvertrag, nach dem ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als Treuhänder Geschäftsanteile für einen Treugeber hält, vermag aufgrund der schuldrechtlichen Wirkungen zwischen den Vertragsparteien nicht die eine abhängige Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus-
1 2 3 4
BSG v. 24.11.2020 – B 12 KR 23/19 R, DStR 2021, 1319. BSG v. 8.7.2020 – B 12 R 12/18 R, u.a., juris. BSG v. 7.7.2020 – B 12 R 17/18 R, DStR 2021, 311 mit Anm. Lau. BSG v. 12.5.2020 – B 12 KR 30/19 R, NJW 2021, 1980.
1034 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.176 Kap. 9
schließende Rechtsmacht zur Einflussnahme auf die Gesellschafterbeschlüsse einzuschränken. Die abhängige Beschäftigung eines Gesellschafters einer GmbH, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, ist ausgeschlossen, wenn das regelmäßig der Geschäftsführung zugewiesene Weisungsrecht über die Beschäftigten im Gesellschaftsvertrag ihm gegenüber im Wesentlichen ausgeschlossen ist oder er kraft seiner Gesellschaftsanteile in der Lage ist, eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags herbeizuführen.1 – BSG v. 10.12.20192: Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Fremdgeschäftsführers als Treugeber für sämtliche Gesellschaftsanteile aufgrund notariell beurkundeter Treuhandvereinbarungen: Ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH, der aufgrund einer außerhalb des Gesellschaftsrechts abgeschlossenen notariell beurkundeten Treuhandvereinbarung Treugeber sämtlicher Gesellschaftsanteile ist und über eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht verfügt, hat nicht die eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtmacht, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. – BSG v. 19.9.20193: (1) Im Hinblick auf die Versicherungspflicht der Geschäftsführer von Familiengesellschaften besteht kein Vertrauensschutz in die sog. „Kopfund-Seele“-Rechtsprechung. (2) Auch eine beanstandungsfrei durchgeführte Betriebsprüfung muss durch einen Verwaltungsakt beendet werden, der den Bestimmtheitsanforderungen genügt und Gegenstand sowie Ergebnis der Prüfung angibt.4 (3) Die Betriebsprüfung erstreckt sich zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist. – BSG v. 14.3.20185: Sozialversicherungsrechtlicher Status von Fremd- und Gesellschaftergeschäftsführern: Ein GmbH-Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung (Fremdgeschäftsführer) ist ausnahmslos abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt, ist ausnahmsweise dann als Selbständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei ei1 Ausführlich dazu Bürger, NZS 2021, 402; Lau, DStR 2020, 347. 2 BSG v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R, GmbHR 2020, 894 mit Anm. Peetz. 3 BSG v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R, GmbHR 2020, 147 mit Anm. Haase = NZS 2020, 183 mit Anm. Stäbler = DStR 2020, 2496. 4 Fortentwicklung von BSG v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R = BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr. 5 und BSG v. 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R. 5 BSG v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, GmbHR 2018, 903 mit Anm. Peetz = NJW 2018, 2662 = ZIP 2018, 2366 = DB 2018, 1152 mit Anm. Blattner = RNotZ 2019, 103, ausführlich dazu Lau, DStR 2020, 347.
Wachter 1035
Kap. 9 Rz. 9.176 Gewerblich geprägte Immobilien
ner geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende (echte bzw. qualifizierte), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabrede oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. – BSG v. 11.11.20151: Sozialversicherungspflicht einer Gesellschafterin und leitenden Angestellten mit 40 %-Anteil trotz Stimmbindungsvertrags zwischen den Gesellschaftern: Ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt bei einer solchen Minderheitsbeteiligung am Stammkapital nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage, etwa durch einen Stimmbindungsvertrag, sind im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich zu treffenden Anlageentscheidung nicht uneingeschränkt und voraussetzungslos zugrunde zu legen; ihnen kommt als ein relevantes Merkmal bloße Indizfunktion zu. Eine Stimmbindungsvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrags ist nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil der Vertrag aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden könnte.
9.177 Im Zweifel sollte bei der Anstellung des GmbH-Gesellschaftergeschäftsführers die Clearing-Stelle der deutschen Rentenversicherung gem. § 7a Abs. 1 SGB IV zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers angerufen werden2. 7. Zusammenfassung: Vorzüge der Immobilienkapitalgesellschaft („Sparschwein-GmbH“)
9.178 – Niedrigste Ertragsteuerbelastung mit 15 % zzgl. 0,83 % Solidaritätszuschlag – Erhöhung der AfA-Bemessungsgrundlage bei Gewährung von Gesellschaftsrechten – Gewerbesteuerkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
1 BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R, B 12 KK 13/14 R und B 12 R 2/14 R, GmbHR 2016, 528 mit Anm. Brötzmann = DStR 2016, 1275 = NotBZ 2016, 274 mit Anm. Heckschen, ausführlich dazu Lau, DStR 2020, 347. 2 Vgl. Brand, DStR 2017, 728. Zu der am 1.4.2022 in Kraft getretenen Neuregelung des Statusverfahrens nach § 7a SGB IV s. Kössel, DB 2022, 2216; Richter, DStR 2021, 2080.
1036 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.188 Kap. 9
– 0,75 % KSt bei der Veräußerung von Töchter-Kapitalgesellschaften (Körperschaftsteuer für 5 % der nicht abziehbaren Betriebsausgaben) gem. § 8b Abs. 2 KStG – Grunderwerbsteuerfreiheit bei der identitätswahrenden Umstrukturierung der GmbH in eine OHG und beim Formwechsel in eine GmbH gem. § 190 UmwG. Fazit: Die Auswirkungen etwaiger Gestaltungen sind stets in jedem Einzelfall um- 9.179 fassend zu prüfen (und zwar getrennt und persönlich für jeden einzelnen Beteiligten). Dabei sind – neben den zahlreichen zivil- und steuerrechtlichen Fragen – immer auch mögliche Folgen im Sozialversicherungsrecht und bei der Publizität oder bezüglich des Transparenzregisters zu berücksichtigen. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von grundlegenden Reformen verabschiedet (u.a. MoPeG, KöMoG, StAbwG, GrEStG), deren praktische Bedeutung derzeit noch gar nicht absehbar ist. Alle Gestaltungsüberlegungen müssen daher regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.
9.180–9.187
Einstweilen frei. 8. Satzung einer Immobilienverwaltungs-GmbH
Die nachfolgenden Satzungsbestimmungen entsprechen im Wesentlichen den Formulierungsvorschlägen von Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl. 2020.
9.188
M80 Satzung einer Immobilienverwaltungs-GmbH § 1 Firma, Sitz 1. Die Firma der Gesellschaft lautet: XY Immo-Verwaltungs-GmbH 2. Sitz der Gesellschaft ist …
§ 2 Gegenstand des Unternehmens Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung eigenen Grundbesitzes.
§ 3 Geschäftsjahr Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
§ 4 Stammkapital 1. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … 2. Vom Stammkapital übernehmen a) … (Anteil 1) b) … (Anteil 2) 3. Die Stammeinlagen sind sofort in voller Höhe in bar zu erbringen. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgt die Einbringung von Grundbesitz im Wege der Sacheinlage durch Kapitalerhöhung. Wachter 1037
Kap. 9 Rz. 9.188 Gewerblich geprägte Immobilien
§ 5 Vertretung der Gesellschaft 1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. 2. Sofern nur ein Geschäftsführer bestellt ist, wird die Gesellschaft von diesem alleine vertreten. 3. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. 4. Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern und den Liquidatoren Einzelvertretungsbefugnis und/oder Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (Verbot des Selbstkontrahierens und der Doppelvertretung) erteilen. 5. Dem Gesellschafter A wird als gesellschaftsvertragliches Sonderrecht die alleinige Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft auf Lebensdauer eingeräumt. Die Bestellung weiterer Geschäftsführer, denen nur Gesamtvertretungsbefugnis eingeräumt werden kann, bedarf seiner Zustimmung. A kann nur aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen werden. Nach dem Ableben von A gehen dieselben Befugnisse auf den Gesellschafter B auf dessen Lebensdauer über.
§ 6 Wettbewerbsverbot Die gegenwärtigen und künftigen Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer werden von jeglichen gesetzlichen Wettbewerbsverboten generell befreit.
§ 7 Jahresabschluss 1. Die Geschäftsführung hat innerhalb der in § 264 HGB genannten Frist den Jahresabschluss aufzustellen und anschließend der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen. 2. Überdie Verwendung des Jahresüberschusses entscheidet die Gesellschafterversammlung. Ein Anspruch auf Teil- oder Vollausschüttung besteht nur insoweit, als nicht die Gesellschafterversammlung mehrheitlich beschließt, Beträge in Gewinnrücklagen einzustellen oder als Gewinn vorzutragen. Ein jeder Gesellschafter kann jedoch eine Mindestausschüttung des jeweiligen Jahresgewinnes von 1/3 verlangen. 3. Der auszuschüttende Jahresüberschuss ist im Verhältnis der Geschäftsanteile unter den Gesellschaftern zu verteilen. 4. Vorabausschüttungen sind zulässig, wenn ein entsprechender Jahresüberschuss mit Sicherheit vorhanden ist.
§ 8 Gesellschafterversammlung 1. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung erfolgt durch die Geschäftsführung mittels Einschreibebriefes an jeden Gesellschafter unter Angabe der Tagesordnung mit einer Ladungsfrist von 14 Tagen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem der Aufgabe zur Post folgenden Tag. Der Tag der Versammlung wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgezählt. 1038 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.188 Kap. 9
2. Eine Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens 75 % des Stammkapitals vertreten sind. Wenn weniger als 75 % des Stammkapitals vertreten sind, ist unter Beachtung der vorstehenden Ladungsvorschriften eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig ist. Hierauf ist in der Einberufung hinzuweisen. 3. Die Gesellschafterbeschlüsse werden mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nicht eine größere Mehrheit vorsehen. Je 1 b eines Geschäftsanteiles gewährt eine Stimme. Stimmenthaltungen zählen als Nein-Stimmen. 4. Gesellschafterbeschlüsse können außerhalb von Gesellschafterversammlungen gefasst werden, wenn keine zwingenden Formvorschriften bestehen und sämtliche Gesellschafter mit der mündlichen, telefonischen, elektronischen oder schriftlichen Abstimmung einverstanden sind.
§ 9 Abtretung und Verpfändung Zur Verfügung über Geschäftsanteile, insbesondere zur Veräußerung und Verpfändung von Geschäftsanteilen sowie Teilen von Geschäftsanteilen, ist die Genehmigung aller Gesellschafter erforderlich. Ohne Zustimmung kann ein Nießbrauchsrecht an einem Gesellschaftsanteil zugunsten eines Ehegatten oder von Abkömmlingen bestellt werden.
§ 10 Einziehung von Geschäftsanteilen 1. Die Einziehung eines Geschäftsanteiles kann ohne Zustimmung des betreffenden Gesellschafters auf Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen – bei Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil des Gesellschafters, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht innerhalb von drei Monaten seit Beginn der Zwangsvollstreckung aufgehoben wird, – bei Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters, – zum Zwecke des Ausschlusses des Gesellschafters, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt, d.h. wenn der Gesellschafter durch sein Verhalten die Gesellschaftsinteressen schädigt oder wenn aufgrund seines Verhaltens den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr zugemutet werden kann oder – wenn bei dem Versterben eines Gesellschafters dessen Gesellschaftsanteil auf andere Personen als den Ehegatten, die Abkömmlinge und/oder Mitgesellschafter übergeht und der Anteil nicht innerhalb eines halben Jahres seit Aufforderung durch die Gesellschaft auf den genannten Personenkreis übertragen wird. 2. Statt der Einziehung des Geschäftsanteiles kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Geschäftsanteil auf die Gesellschaft oder auf eine von der Gesellschafterversammlung benannte dritte Personen übertragen wird. 3. Der betroffene Gesellschafter hat bei den Beschlüssen nach vorstehenden Ziff. 1. und 2. kein Stimmrecht. Mit Beschlussfassung ruhen alle Gesellschafterrechte. 4. Der betroffene Gesellschafter erhält eine Abfindung i.H.v. 60 % – sechzig vom Hundert – des Abfindungsguthabens gem. § 11 dieses Vertrages. Für die Berechnung und Auszahlung des Abfindungsguthabens gilt diese Bestimmung ebenfalls entsprechend. Wachter 1039
Kap. 9 Rz. 9.188 Gewerblich geprägte Immobilien
§ 11 Ermittlung des Abfindungsguthabens 1. Die Ermittlung des Wertes eines Geschäftsanteiles erfolgt nach dem von der Finanzverwaltung angewendeten Verfahren gem. § 12 ErbStG i.V.m. §§ 199 ff. BewG, wobei als Bewertungszeitpunkt der mit dem Ausscheiden zusammenfallende Bilanzstichtag, andernfalls der vorausgehende Bilanzstichtag maßgebend ist. 2. Zur Erhaltung des Vermögens der Gesellschaft als Familiengut werden nur 60 % des gem. Abs. 1. ermittelten Wertes des Geschäftsanteils als Abfindung vergütet. 3. Das Abfindungsguthaben ist in drei gleichen, unmittelbar aufeinander folgenden Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist ein Jahr nach dem Ausscheidungsstichtag zur Zahlung fällig. Ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens ist das Abfindungsguthaben mit 2 % p.a. zu verzinsen. Die Zinsen sind jeweils mit den Jahresraten zu entrichten. Sicherheitsleistung kann nicht verlangt werden. 4. Die Höhe des zu leistenden Abfindungsguthabens wird durch den im Zeitpunkt des Ausscheidens des betreffenden Gesellschafters für die Gesellschaft tätigen Steuerberater als Schiedsgutachter ermittelt. 5. Änderungen der Bilanzen, die sich nach dem Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters, insbesondere aufgrund einer Buch- oder Betriebsprüfung, ergeben, bleiben ohne Einfluss auf die Höhe des Abfindungsguthabens.
§ 12 Bekanntmachungen Sämtliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen nur im elektronischen Bundesanzeiger.
§ 13 Schlussbestimmungen 1. Soweit in diesem Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung erfolgt ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. 2. Die etwaige Nichtigkeit einzelner Bestimmungen berührt nicht die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen. Die Gesellschafter sind verpflichtet, an Stelle der unwirksamen Bestimmungen eine dem Vertragsgedanken entsprechende Neuregelung zu treffen. Sofern eine Neuregelung auch nach Anrufung des Schiedsgerichts nicht erfolgt, gelten die für die entsprechende Regelungslücke bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. 3. Die Gesellschaft übernimmt die Gründungskosten (Notar- und Registergerichtsgebühren, Kosten der Veröffentlichung und die Kosten der Gründungsberatung) bis zur Höhe von 1500 b. 4. Für den Fall von Streitigkeiten vereinbaren die Gesellschafter die in der Anlage enthaltene Schiedsgerichtsvereinbarung
9.189–9.195 Einstweilen frei.
1040 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.197 Kap. 9
II. GmbH-Anteilsabtretung Literatur: Bauschatz, Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gegen Versorgungsleistungen, FS für Spiegelberger (2009), 3; Bieling/Liem, Übertragung von Kapitalanlagen im Lichte der Abgeltungsteuer, ErbStB 2009, 21; Brüggemann, Entgeltlicher Nießbrauchsverzicht bei Anteils- und Grundstücksveräußerungen, ErbBstG 2015, 157; Fricke, Der Nießbrauch an einem GmbH-Geschäftsanteil, GmbHR 2008, 739; Heckschen, Einzelfragen zu Vinkulierungsklauseln in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, München 2018, S. 453 ff.; Heckschen, Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Heinrichshofen, Notwendigkeit von Umsatzsteuerklauseln bei Verträgen über die Ausgabe, Abtretung u.a. von Gesellschaftsanteilen, FS für Spiegelberger (2009), 198; Hipler, Umsatzsteuerrechtliche Geschäftsveräußerung beim Grundstückskaufvertrag, FS für Spiegelberger (2009), 232; Ivo, Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen nach Inkrafttreten des MoMiG, ZEV 2009, 333; Jacobsen, Die grunderwerbsteuerliche Gestaltung von Umstrukturierungen mit GmbH-Anteilen, GmbHR 2009, 690; Klümpen/Neusel, GmbH-Anteilsnachfolge, GmbH-Steuerpraxis 2009, 133; Maier-Reimer, Zwangsabtretung von GmbH-Anteilen durch die Satzung?, GmbHR 2017, 1325; Onderka/Lasa, Neue Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Kleinanteilen an Familienkapitalgesellschaften nach dem neuen Erbschaftsteuergesetz, Ubg 2009, 309; Schultes-Schnitzlein/Keese, Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen unter Familienangehörigen, NWB 2009, 64; Schulze zur Wiesche, Erbschaftsteuerliche Folgen bei Vererbung und Schenkung von GmbH-Anteilen, GmbHR 2009, 854; Stollenwerk/Kühnemund, Geglückte oder verunglückte Verwaltung von Finanzvermögen in der GmbH, GmbH-StB 2009, 336 und 2010, 11.
1. Formvorschriften Die GmbH-Anteilsübertragung bedarf gem. § 15 Abs. 3 GmbHG der notariellen Be- 9.196 urkundung. Dies gilt auch bei der Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs1 an einem Gesellschaftsanteil gem. § 1069 BGB. Die Finanzverwaltung verlangt für den Fall der Bestellung eines Zuwendungsnießbrauches durch die Eltern zugunsten minderjähriger Kinder sogar die Bestellung eines Ergänzungspflegers, weil nach h.M. die Bestellung eines Zuwendungsnießbrauches nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sein soll2. Praxishinweis: Zum 1.1.2023 tritt das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- 9.197 und Betreuungsrecht vom 4.5.20213 in Kraft.4 Das (umfangreiche) Gesetz enthält
1 Altmeppen10, § 15 GmbHG Rz. 51. 2 BFH v. 13.5.1980 – VIII R 75/79, BStBl. II 1981, 297; IV. Nießbraucherlass, BStBl. I 2013, 1184 Tz. 4. 3 BGBl. I 2021, 882. 4 Siehe zum Ganzen auch Dürbeck, FamRZ 2020, 1789; Dutta, FamRZ 2020, 1881; Eble, RNotZ 2021, 117; Horn, ZEV 2020, 748; Kurze, ZErb 2021, 345; Müller-Engels, FamRZ 2021, 645; Müller-Engels, DNotZ 2021, 84; Münch, FamRZ 2020, 1513; Schneider, FamRZ 2020, 1796; Scholz, FamRZ 2020, 1693; Spernath, MittBayNot 2021, 425; Schwab, FamRZ 2020, 1321; Schwonberg, FamRZ 2019, 1303, Thorn/Romero, IPrax 2021, 15; Veit, FamRZ 2019, 337; Wedel/Kraemer/Hyla, FamRZ 2021, 77.
Wachter 1041
Kap. 9 Rz. 9.197 Gewerblich geprägte Immobilien
u.a. auch neue Regelungen für Rechtsgeschäfte von Minderjährigen (u.a. §§ 1643 ff. BGB, §§ 1773 ff. BGB und §§ 1848 ff. BGB).1
9.198 Für die Genehmigung handels- und gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte ist künftig die Vorschrift des § 1852 BGB n.F. maßgebend.2 Danach ist eine Genehmigung u.a. erforderlich zu einer Verfügung (und zur Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung), durch die der Minderjährige (1) ein Erwerbsgeschäft oder einen Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ein Erwerbsgeschäft betreibt, erwirbt oder veräußert, (2) zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, und (3) zur Erteilung einer Prokura. 9.199 Exkurs zur Betriebsaufspaltung mit minderjährigen Kindern (nach Eintritt eines Erbfalls):3 (1) Die personelle Verflechtung verlangt (abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung), dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus. (2) Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist. 9.200–9.206 Einstweilen frei. 2. GmbH-Anteilsübertragung gegen Leibrente Literatur: Bauschatz, Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gegen Versorgungsleistungen, FS für Spiegelberger (2009), 3; Fleischer, Vermögensübergabe gegen (private) Versorgungsleistung nach dem JStG 2008, ZEV 2007, 475; Fleischer, Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen: Steuersystem, steuerliche Änderung und Steuerplanungssicherheit, FS für Spiegelberger (2009), 120; Geck, Die steuerlichen Rahmenbedingungen der vorweggenommenen Erbfolge 2003 bis 2013 – ein Rückblick auf ereignisreiche Jahre, ZEV 2013, 169; Geck, Übergabe von Mitunternehmeranteilen gegen Versorgungsleistungen: Gestaltungsüberlegungen hinsichtlich der Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen, DStR 2011, 1303; Geck, Gestaltungsüberlegungen zur Übertragung von Anteilen an gewerblich geprägten Personengesellschaften gegen Versorgungsleistungen, DStR 2011, 962; Geck, Der Rentenerlass IV zur Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Schwerpunkte und Bewertung aus Sicht der Beratungspraxis, ZEV 2010, 161; Risthaus, Begünstigte Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, DB 2010, 744 (Teil I) und DB 2010, 803 (Teil II); Seitz, Die wesentlichen Änderungen bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistun-
1 Zu Genehmigungen im Gesellschaftsrecht (nach derzeitiger und künftiger Rechtslage) s. Eble, RNotZ 2021, 117. 2 Siehe dazu die (kurzen) Hinweise in der (über fünfhundert Seiten umfassenden) Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/24445 v. 18.11.2020, S. 286 ff. = BR-Drucks. 564/20 v. 25.9.2020, S. 384 ff.). 3 Siehe BFH v. 14.4.2021 – X R 5/19, BStBl. II 2021, 851 = DStR 2021, 2119 = DB 2021, 2197 = GmbHR 2021, 1166.
1042 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.208 Kap. 9
gen durch den sog. 4. Rentenerlass, DStR 2010, 629; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen bei Immobilienübertragungen aufgrund des IV. Rentenerlasses: Die Übertragung von Immobilienvermögen, DStR 2010, 1880; Spiegelberger, Ausweichgestaltungen aufgrund des IV. Rentenerlasses: Die Übertragung von Unternehmensvermögen und Gesellschaftsanteilen, DStR 2010, 1822; Spiegelberger, Die Irrfahrt der privaten Versorgungsrente, DB 2008, 1063; Wälzholz, Der 4. Rentenerlass: Versorgungsleistungen nach dem BMF-Schreiben vom 11.3.2010, GmbH-StB 2010, 206; Wälzholz, Aktuelle Gestaltungsprobleme mit Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, DStR 2010, 850; Weilbach, Die Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen dargestellt an Hand des „Vierten Rentenerlasses“, Ubg. 2010, 245; Wißborn, Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung nach der gesetzlichen Neuregelung und dem neuen Rentenerlass, FR 2010, 322.
9.207
Beispiel: Vater V ist zu 80 % an der X-Immo-GmbH beteiligt. Er überträgt an seinen Sohn S einen 50%igen GmbH-Anteil und räumt diesem zugleich die alleinige Geschäftsführung ein. Zwei weitere Kinder erhalten je einen 15%igen GmbH-Anteil jeweils unter Vereinbarung einer Leibrente, die aufgrund der bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aus den Gewinnausschüttungen entrichtet werden kann.
80 % GmbH-Anteile 50 %
15 %
15 % S
T
U
a) Veräußerungsrente Die Übertragung des 50%igen GmbH-Anteils an S ist nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 9.208 Buchst. c EStG i.d.F. des JStG 20081 begünstigt (zu Einzelheiten s. Rz. 1.1012). Nach Auffassung der Finanzverwaltung2, der der BFH gefolgt ist3, stellen jedoch die vereinbarten Versorgungszahlungen durch diejenigen Kinder, die nur je einen 15%igen Gesellschaftsanteil erhalten haben, Veräußerungsrenten dar, weil die betreffenden Gesellschaftsanteile nicht Gegenstand einer Vermögensnachfolge sein könnten (s. Rz. 1.1015). Danach muss der Übergeber den die anteiligen Anschaffungskosten
1 Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 2 BStBl. I 2010, 227 Tz. 57. 3 BFH v. 29.9.2021 – IX R 11/19, BStBl. II 2022, 228 = DB 2022, 95 = DStR 2022, 28 = ZEV 2022, 166; in diesem Sinne auch Risthaus, DB 2010, 744, 749; Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 97; Schmidt/Krüger41, § 10 EStG Rz. 112; a.A. Fleischer, ZEV 2007, 475; Spiegelberger, DB 2008, 1063; Spiegelberger, Steuerrecht in der Gestaltungspraxis, 191.
Wachter 1043
Kap. 9 Rz. 9.208 Gewerblich geprägte Immobilien
übersteigenden Teil der Rente gem. § 17 Abs. 1 EStG als Veräußerungserlös1 versteuern, obwohl nach dem Sinn und Zweck der vorweggenommenen Erbfolge weiterhin nur die Versorgung des Übergebers aus den Ausschüttungen vereinbart ist. b) Versorgungsrente
9.209 Mit dieser auf der Neufassung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 Buchst. c EStG aufbauenden Rechtsmeinung setzt sich die Finanzverwaltung in Widerspruch zur Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 5.7.19902, in der ausdrücklich hervorgehoben wird, dass Versorgungsleistungen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten darstellen. Auch nach Maßgabe der BFH-Entscheidung vom 5.11.20033 gilt bei Übertragungen zwischen Eltern und Kindern unter Vereinbarung von wiederkehrenden Zahlungen die Vermutung der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts. In einer weiteren Entscheidung des Großen Senats vom 12.5.20034 hat der BFH betont, dass es Sinn und Zweck der vorweggenommenen Erbfolge sei, eine existenzielle Gefährdung durch Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden. Diese Grundprämisse der vorweggenommenen Erbfolge – die in der Neuregelung des Sonderausgabenabzugs in § 10 Abs. 1 a Nr. 2 Buchst. c EStG nicht angesprochen wird – wird durch die Finanzverwaltung negiert. Zudem kommt der IV. Rentenerlass bei Übertragungen im Wege der Generationennachfolge zu einem unsinnigen und gegen Denkgesetze (argumentum a maiore ad minus) verstoßenden Ergebnis: GmbH-Anteile mit einer Beteiligungsquote ab 50 % werden – unentgeltlich, also – ohne Aufdeckung stiller Reserven und unter Sonderausgabenabzug übertragen, während eine unter der 50 %-Schwelle liegende Anteilsübertragung ausnahmslos – als entgeltlich und damit – der Versteuerung der stillen Reserven unterliegen soll. Die Finanzverwaltung verkennt dabei insbesondere, dass die vorweggenommene Erbfolge ein Rechtsgeschäft unter einander unterhaltspflichtigen Personen gem. § 12 Nr. 2 EStG darstellt und damit nicht einkommensteuerbar ist5. Die in § 10 EStG geregelten Sonderausgabenabzüge für das Ehegattensplitting, die vorweggenommene Erbfolge, Krankenkassen- und Altersvorsorgeaufwendungen sind stets Sonderregelungen für außerhalb der Einkommensbesteuerung liegende Sachverhalte. Die vorweggenommene Erbfolge ist dem einkommensteuerfreien Bereich des § 12 Nr. 2 EStG für einander unterhaltsverpflichtete Personen zuzuordnen. Fremde Dritte kommen nicht auf die abenteuerliche Idee, ihr Vermögen unter dem Verkehrswert lediglich gegen wiederkehrende Zahlungen i.H.v. maximal des Ertrags des übertragenen Vermögens zu übertragen. Durch den Wegfall des Sonderausgabenabzugs für steuerliches Privatvermögen und für GmbH-Anteile mit einer Quote von weniger als 50 % auf-
1 Schmidt/Levedag41, § 17 EStG Rz. 147. 2 BFH v. 5.7.1990 – GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl. II 1990, 847 = DB 1990, 2196 = NJW 1991, 254 = MittBayNot 1990, 372. 3 BFH v. 5.11.2003 – X R 55/99, BStBl. II 2004, 706 = DB 2004, 1292 = ZEV 2004, 292. 4 BFH v. 12.5.2003 – GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95 = DStR 2003, 1696 = DB 2003, 2149 = ZEV 2003, 420 = NJW 2003, 3508. 5 Vgl. Spiegelberger, DStR 2010, 1880.
1044 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.211 Kap. 9
grund des Jahressteuergesetzes 2008 wurde nur der Sonderausgabenabzug eingeschränkt; die Rechtsnatur der zugrunde liegenden wiederkehrenden Leistungen, nämlich der Versorgungscharakter, wurde dadurch nicht berührt (zur weiteren Kritik s. Rz. 1.1016)1. Wegen der durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken der gesetzlichen Neu- 9.210 fassung des § 10 Abs. 1 a Nr. 2 Buchst. c EStG2 ist in allen Fällen einer Veräußerungsbesteuerung bei der Übertragung von GmbH-Anteilen gegen Versorgungsleistungen die Einlegung von Rechtsmitteln zu empfehlen3. Alternativ bietet sich bei Neuvertragsgestaltungen der Ausweg über einen Nießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen an (s. Rz. 9.211 ff.). 3. Anteilsübertragung mit Vorbehaltsnießbrauch Literatur: Barry, Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2014, 401; Brandi/Mühlmeier, Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Wege vorweg-genommener Erbfolgen und Vorbehaltsnießbrauch, GmbHR 1997, 734; Crezelius, Nießbrauch an Personenunternehmen zwischen Zivilrecht und Steuerrecht in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstituts, München 2018, S. 433 ff.; Fricke, Der Nießbrauch an einem GmbH-Geschäftsanteil – Zivil- und Steuerrecht, GmbHR 1998, 739; Götz, Schenkungsteuerliche Risiken beim Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen?, DStR 2013, 448; Heckschen, Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Lieder/Pommerening, Nießbrauchsrechte und Kapitalgesellschaftsanteile im Erbfall, ZEV 2019, 564; Milatz/Sonneborn, Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen: Zivilrechtliche Vorgaben und ertragsteuerliche Folgen, DStR 1999, 137; Mohr/Jainta, Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbH-StB 2010, 269; Reichert/Schlitt/Düll, Die gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltung des Nießbrauchs an GmbH-Anteilen, GmbHR 1998, 565; Spiegelberger, Vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften, FS für Roth (2011), 801; Wedemann, Das Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch im Spiegel von Rechtsvergleichung und Rechtssetzungslehre, NZG 2013, 1281; Werner, Der Nießbrauch an einem GmbHGeschäftsanteil als Instrument der Unternehmensnachfolge, ZErb 2015, 38.
9.211
Beispiel: Vater V hat seine Söhne S 1 und S 2 bereits zu je 20 % an der von ihm gegründeten B-GmbH beteiligt, so dass er selbst noch einen Geschäftsanteil i.H.v. 60 % inne hat. Er will die Beteiligung seiner Söhne um je 20 % aufstocken, so dass er selbst nur noch mit 20 % an einer Familien-GmbH beteiligt bleibt. Eine wesentliche Ertragsminderung will er aber nicht hinnehmen, so dass die Übertragung unter Vorbehalt von Versorgungsleistungen erfolgen soll. Er will auch weiterhin Geschäftsführer der GmbH bleiben. Welche Ausweichgestaltungen kommen im Hinblick auf § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 in Betracht?
1 Kritisch auch Bauschatz in FS Spiegelberger (2009), 3 (14). 2 Vgl. statt aller Krumm, StuW 2011, 159. 3 Spiegelberger, DStR 2010, 1880 (1883).
Wachter 1045
Kap. 9 Rz. 9.211 Gewerblich geprägte Immobilien
GmbH 60 %
20 %
20 % V
S1
S2
1) Versorgungsrente > Gewinnrealisierung gem. § 17 EStG 2) Nießbrauch > Satzungsvorsorge 3) Atypisch stille Beteiligung > nur am GmbH-Anteil nicht an der GmbH (verdeckte Gewinnausschüttung) 4) Familienstiftung: Versorgung keine Gegenleistung 5) In jedem Fall Pollvertrag gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG erforderlich
9.212 Der Nießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen wirft zivil- und handelsrechtliche sowie einkommensteuer- und schenkungsteuerliche Probleme auf. a) Stimmrecht
9.213 Hier stellt sich die Frage, wer bei einer Nießbrauchbestellung an einem Kapitalgesellschaftsanteil das Stimmrecht ausübt. Denkbar wäre es, dem Nießbraucher das Stimmrecht alleine zuzuweisen oder das Stimmrecht aufzuteilen, wonach der Nießbraucher das Stimmrecht für sein Nutzungsrecht und der Gesellschafter sein Stimmrecht für die Mitgliedschaft ausübt1. 9.214 Nach Auffassung des BGH2 wird dem Gesellschafter die Kompetenz, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selbst abzustimmen, nicht durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil genommen. 9.215 Schön3 plädiert für die gemeinschaftliche Ausübung des Stimmrechts. b) Satzungsgestaltung
9.216 In die Satzung der GmbH sollten folgende Regelungen aufgenommen werden: – Anspruch auf Mindestausschüttung, um den Nießbraucher vor Thesaurierungsbeschlüssen der Gesellschafter zu schützen (§ 29 GmbHG).
1 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 61 II 3. (S. 1825); Gschwendtner, NJW 1995, 1876. 2 BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, MDR 1999, 240 = NJW 1999, 571 = DStR 1999, 246 = DNotZ 1999, 607; MünchKomm/Pohlmann8, § 1068 BGB Rz. 81. 3 Schön, ZHR 158 (1994), 260.
1046 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.219 Kap. 9
– Gesellschaftsrechtliches Vorrecht auf Geschäftsführung, da gem. § 38 GmbHG ein Geschäftsführer durch Mehrheitsbeschluss jederzeit abberufen werden kann. – Einheitliche Verfügung durch Einstimmigkeit und einheitliche Verfügung durch Vinkulierung gem. § 15 Abs. 5 GmbHG, um die Voraussetzungen eines Poolvertrages gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG optimal zu sichern. c) Einkommensteuer Auch die einkommensteuerliche Zurechnung ist strittig. Die Finanzverwaltung stützt 9.217 sich immer noch auf Tz. 55 ff. des I. Nießbraucherlasses1, wonach nur der Vorbehaltsnießbrauch einkommensteuerlich mit der Folge anerkannt wird, dass der Übergeber weiterhin die Einkünfte zu versteuern hat.2 Bei einem unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch versagt die Finanzverwaltung die steuerliche Anerkennung. In der Literatur3 wird zu Recht danach differenziert, ob der Nießbraucher nur die Einnahmen bezieht oder ob er Marktchancen nutzt, das Vermögen verwaltet und die mit dem Kapitalgesellschaftsanteil verbundenen Stimm-, Anfechtungs- und Mitgliedschaftsrechte ausübt4. d) Verkehrssteuern Die im Beispiel 9.116 geplante Anteilsübertragung ist mangels Anteilsvereinigung 9.218 grunderwerbsteuerfrei; die mit der GmbH-Anteilsübertragung verbundene Bereicherung abzgl. des Nießbrauchs als Gegenleistung unterliegt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. 4. Unterbeteiligung Auch eine typisch stille oder atypisch stille Beteiligung an der GmbH oder eine Un- 9.219 terbeteiligung an einem GmbH-Anteil kommt in Betracht. Die unmittelbare Beteiligung der Söhne als atypisch stille Gesellschafter an der X-GmbH setzt voraus, dass die Söhne eine Einlage erbringen. Eine unmittelbare Gewinnbeteiligung ohne Einlage würde zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen. Sofern der stille Gesellschafter zugleich an der GmbH beteiligt ist, besteht die Tendenz, dass die stille Gesellschaft, auch wenn dies nicht gewollt ist, als atypische in der Form der steuerlichen Mitunternehmerschaft behandelt wird, da die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters nach derzeitiger Rechtsprechung nicht nur aufgrund des hierfür gelten-
1 BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508 Tz. 57. 2 Siehe zum Ganzen auch BFH v. 18.11.2014 – IX R 49/13, BStBl. II 2015, 224 = DStR 2015, 27 = FR 2015, 332 mit Anm. Bode, und BFH v. 24.1.2012 – IX R 51/10, BStBl. II 2012, 308 = ZEV 2012, 284 mit Anm. Daragan = FR 2012, 642 mit Anm. Bode. 3 Schmidt/Levedag41, § 20 EStG Rz. 236. 4 Ebenso FG Rheinland-Pfalz v. 30.6.1986 – 5 K 329/85, EFG 1986, 570; FG Münster v. 14.1.2003 – 7 K 2638/00 E, EFG 2003, 690.
Wachter 1047
Kap. 9 Rz. 9.219 Gewerblich geprägte Immobilien
den Gesellschaftsvertrags, sondern auch aufgrund seiner sonstigen Beziehung zur GmbH beurteilt wird.
9.220 Die atypisch stille Beteiligung am 60%igen Gesellschaftsanteil des Vaters kann vertraglich so ausgestaltet werden, dass jeder Sohn zu 1/3 an dem 60%igen Gesellschaftsanteil des Vaters unterbeteiligt wird. Der Vater kann sich eine disquotale Dividendenausschüttung vorbehalten, so dass ihm überproportional die Dividenden gebühren und seine Versorgung in jedem Fall gesichert ist. Die Unterbeteiligung an einem OHG- oder KG-Anteil ist eine Standardgestaltung, die keiner weiteren Begründung bedarf. Aber auch die Unterbeteiligung an einem GmbH-Anteil erscheint als zulässig. Bei dem Formwechsel einer Gesellschaft wird die bestehende Unterbeteiligung nicht berührt; die Unterbeteiligung an einem Anteil besteht fort, obwohl der Anteil seine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ändert, z.B. sich aus einem Geschäftsanteil in eine Aktie verwandelt. Nach dem Identitätsprinzip besteht eine Unterbeteiligung bei dem Formwechsel des Rechtsträgers in neuer Rechtsform fort1. Somit erscheint auch die Unterbeteiligung an einem GmbH-Anteil ohne eine vorausgehende Umwandlung als möglich2. Sofern die Söhne als Geschäftsführer tätig sind oder werden, ist die atypische Form einer Unterbeteiligung evident. 5. Übertragung von GmbH-Anteilen auf eine Familienstiftung
9.221 Wenn der Stifter seine Vermögensgegenstände der Familienstiftung3 unentgeltlich überträgt, ist die Übertragung aus dem Privatvermögen grundsätzlich nicht einkommensteuerpflichtig.4 Es wird weder ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S.v. § 17 EStG bei der Übertragung einer wesentlichen Beteiligung (mindestens 1 %) an einer Kapitalgesellschaft realisiert noch ein privates Veräußerungsgeschäft gem. §§ 22, 23 EStG begründet5. Versorgungsleistungen müssen nicht vereinbart werden, da die Familienstiftung kraft Satzung die Familie, also sowohl die Stifter als auch Abkömmlinge, versorgt, wobei die näheren Einzelheiten satzungsmäßig festgelegt werden.
1 Vgl. Schindhelm/Pickhardt-Poremba/Hilling, DStR 2003, 1445 (1448) m.w.H. 2 BFH v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857 = DStR 2005, 1849 = DB 2005, 2668; MünchKomm/K. Schmidt8 § 234 HGB Rz. 75; Hannes, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge2, S. 298. 3 Zu aktuellen Entwicklungen des Stiftungsrechts s. die regelmäßigen Berichte (zum Zivilrecht) von Zimmermann/Raddatz, NJW 2021, 521; NJW 2020, 517; NJW 2019, 485, und (zum Steuer- und Gemeinnützigkeitsrecht) von Bott, BB 2020, 2391 und 2455 und Bott, BB 2019, 2655 und 2714 und Bott, 2019, 220 und 281. 4 Zur Übertragung von Mitunternehmeranteilen auf eine Familienstiftung s. Grosse, FR 2021, 105. 5 Vgl. von Löwe in FS Spiegelberger (2009), S. 1370; von Löwe, Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 2. Aufl. 2016, S. 39.
1048 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.262 Kap. 9
9.222
Praxishinweis: Zu Haftungsansprüchen gegen einen Steuerberater im Zusammenhang mit der Beratung zur Errichtung einer Doppelstiftung (gemeinnützige Stiftung und privatnützige Familienstiftung), insbesondere der Höhe eines steuerlichen Sonderausgabenabzugs s. BGH v. 1.10.2020.1
Ausblick: Am 1.7.2023 wird das neue Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungs- 9.223 rechts2 in Kraft treten (die Neuregelungen zum Stiftungsregister allerdings erst zum 1.1.2026)3. Ziel des Gesetzes ist die bundesweit einheitliche und abschließende Regelung des Stiftungszivilrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (und nicht mehr auch in den einzelnen Landesstiftungsgesetzen und ohne die vielen Verweise auf das Vereinsrecht). Das Gesetz enthält keine besonderen Regelungen für Familienstiftungen. Der Entwurf sieht auch keine Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts, des Grunderwerbsteuerrechts oder des sonstigen Steuerrechts vor (mit Ausnahme von einer redaktionellen Anpassung von § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG). Das neue Gesetz enthält zahlreiche dispositive Bestimmungen, die bei der Gestal- 9.224 tung von Stiftungssatzungen genutzt werden können. Im Einzelfall sollte dies (sofern möglich) bereits heute bei der Errichtung von Stiftungen berücksichtigt werden. Die Satzungen bestehender Stiftungen sollten gegebenenfalls angepasst und geändert werden.
9.225–9.261
Einstweilen frei. III. Formulierungsvorschlag: GmbH-Geschäftsanteilsabtretung mit Vorbehaltsnießbrauch
Die Gestaltung entspricht im Wesentlichen den Formulierungsvorschlägen von Spiegelberger, Vermögensnachfolge.
9.262
Beispiel: Vater V will von seinem Geschäftsanteil i.H.v. 25.000 t seinen beiden Söhnen S1 und S2 je einen Teilgeschäftsanteil von 10.000 t im Wege der Vorwegerbfolge übertragen.
1 BGH v. 1.10.2020 – IX ZR 228/19, ZIP 2021, 370 = NJW 2021, 1163 = DStRE 2021, 764 (zur Einbeziehung fremden Vermögens in den im Rahmen der Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung vorzunehmenden Gesamtvermögensvergleich). Ausführlich dazu Windeknecht, NWB 2021, Nr. 18, 1326. 2 Ges. zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes v. 16.7.2021, BGBl. I 2021, 2947. 3 Ausführlich zu den Neuregelungen u.a. Burgard, GmbHR 2021, R 244; Hüttemann/Rawert, ZIP 2021, Beilage zu Heft 33; Lorenz/Mehren, DStR 2021, 1774; Pruns, ZErb 2021, 301; Schienke-Ohletz/Junius-Morawe, BB 2021, 1886; Winkler, ZStV 2021, 121.
Wachter 1049
Kap. 9 Rz. 9.263 Gewerblich geprägte Immobilien
1. Vertragsmuster
9.263 M81 GmbH-Geschäftsanteilsabtretung Beurkundet am …
I. Vorbemerkungen Herr V ist Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Firma V GmbH mit dem Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des AG … unter HR B … Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000 b. Von diesem Stammkapital hält der vorgenannte Gesellschafter einen Geschäftsanteil i.H.v. 25.000 b (Anteil 1). Der Geschäftsanteil ist nach Angabe voll einbezahlt. Herr V versichert hiermit, dass – der eingebrachte Grundbesitz sich zur freien Verfügung der Geschäftsführung befindet und dass eine unberechtigte Rückgewähr von Stammeinlagen nicht erfolgt ist; – sein Geschäftsanteil weder gepfändet, verpfändet, abgetreten noch mit sonstigen Rechten anderer Personen belastet ist und ihm damit ausschließlich selbst zur Verfügung steht. Die Beteiligten und der Notar haben die im Handelsregister eingestellte Gesellschafterliste zur Kenntnis genommen. Diese besteht seit … unverändert; ein Widerspruch ist der Liste oder dem Eintrag des abtretenden Gesellschafters nicht zugeordnet. Der Notar hat auf Möglichkeiten und Grenzen des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen hingewiesen, insbesondere dass der Erwerb nicht bestehender Geschäftsanteile und der gutgläubige Wegfall von Belastungen nicht möglich sind.
II. Überlassung, Abtretung Herr V – nachfolgend kurz: „der Abtretende“ – veräußert hiermit von dem vorbezeichneten Geschäftsanteil i.H.v. 25.000 b (Anteil 1) an a) seinen Sohn S1 einen Teilgeschäftsanteil i.H.v. 10.000 b (Anteil 1b) und b) seinen Sohn S2 einen Teilgeschäftsanteil i.H.v. ebenfalls 10.000 b (Anteil 1c) – nachfolgend sind S1 und S2 kurz als „Erwerber“ bezeichnet, so dass Herrn V ein Teilgeschäftsanteil i.H.v. 5.000 b (Anteil 1a) verbleibt. 1050 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.263 Kap. 9
Der Abtretende tritt die vertragsgegenständlichen Geschäftsanteile an die Erwerber ab. Jeder Erwerber nimmt die Übertragung und Abtretung hiermit ausdrücklich an. Die Übertragung und Abtretung erfolgen mit sofortiger dinglicher Wirkung und mit dem Gewinnbezugsrecht ab dem der Abtretung folgenden Bilanzstichtag und zwar einschließlich aller etwa unter die Gesellschafter noch nicht verteilter Gewinne vorangegangener Geschäftsjahre.
III. Gewährleistung Der Abtretende haftet dafür, dass – die in Abschnitt I. dieser Urkunde gemachten Angaben richtig sind, – die vertragsgegenständlichen Geschäftsanteile nicht mit Rechten Dritter belastet sind, – er über die vertragsgegenständlichen Geschäftsanteile – vorbehaltlich einer etwaigen Zustimmung gemäß nachfolgendem Abschnitt VII. – frei verfügen kann, – die Satzung der Gesellschaft in der den Erwerbern bekannten Fassung unverändert fortbesteht. Im Übrigen wird jede Sach- und Rechtsmängelhaftung ausgeschlossen. Die GmbH hat keinen Grundbesitz und war auch in den vergangenen fünf Jahren nicht unmittelbar oder mittelbar an einer anderen Grundbesitz haltenden Kapital- oder Personengesellschaft beteiligt. Bei der Gesellschaft oder deren Tochtergesellschaften bestehen keine körperschaftsteuerlichen oder gewerbesteuerlichen Verlustvorträge.
IV. Nießbrauch Der Übergeber behält sich auf seine Lebensdauer den Nießbrauch an den Gesellschaftsanteilen, die er auf seine Söhne S1 und S2 überträgt, vor. Nach dem Ableben des Nießbrauchers steht das Nießbrauchsrecht im gleichen Umfang der Ehefrau, Frau E, auf deren Lebensdauer zu. Somit stehen für die Dauer des Nießbrauchs alle ausgeschütteten, auf den nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteil entfallenden Gewinne dem Nießbraucher zu. Außerordentliche Erträge gebühren im vollen Umfang dem Gesellschafter, so dass der Nießbraucher an außerordentlichen Erträgen nicht beteiligt ist. Für die Stimmrechte an den nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteilen gelten die folgenden Bestimmungen. Danach übt der Nießbraucher das Stimmrecht bei Beschlüssen über die Ausschüttungen der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechtes notwendigen Kontroll- und Informationsrechte aus. Bei außerordentlichen Angelegenheiten und im Kernbereich der Gesellschaft, insbesondere bei Satzungsänderungen, gebührt das Stimmrecht allein dem Gesellschafter. Darüber hinaus stehen dem Gesellschafter alle gesetzlichen Kontroll- und Informationsrechte zu. Im Falle der Veräußerung des Geschäftsanteiles oder von Teilen des Gesellschaftsanteiles ist an dem Surrogat ein inhaltsgleicher Nießbrauch zu bestellen.
Wachter 1051
Kap. 9 Rz. 9.263 Gewerblich geprägte Immobilien
V. Gegenleistung Die Übertragung erfolgt unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.
VI. Rücktritt Der Übergeber ist berechtigt, von dem schuldrechtlichen Teil dieses Vertrages zurückzutreten und die unentgeltliche Rückübertragung des dem Erwerber eingeräumten Gesellschaftsanteils zu verlangen, wenn a) der Erwerber den Vertragsgegenstand ohne schriftliche Zustimmung des Übergebers veräußert oder belastet, b) der Erwerber zu Lebzeiten des Übergebers aus der Gesellschaft ausscheidet, c) der Erwerber vor dem Übergeber verstirbt, ohne dass der Vertragsgegenstand ausschließlich auf Abkömmlinge des Übergebers übergeht, d) eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt oder die Zwangsvollstreckung in den Vertragsgegenstand betrieben wird, ohne dass der Erwerber die Maßnahme innerhalb von drei Monaten abwendet, e) die (ggf. künftige) Ehe des Erwerbers geschieden wird und der Ehegatte Ausgleichsund/oder Unterhaltsansprüche bezüglich des Vertragsgegenstandes geltend macht. Die durch die Rückübertragung entstehenden Kosten hat der Rückgabeverpflichtete zu tragen. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 812 ff. BGB. Der Rücktritt kann nur durch schriftliche Erklärung gegenüber dem jeweiligen Erwerber oder dessen Gesamtrechtsnachfolger ausgeübt werden. Nach dem Ableben des Übergebers steht das Rücktrittsrecht im selben Umfang dessen Ehefrau, Frau E, zu. Im Übrigen ist das Rücktrittsrecht weder vererblich noch übertragbar, es sei denn, dass es zu Lebzeiten eines Berechtigten ausgeübt wurde.
VII. Zustimmung Die Zustimmung der Gesellschaft zur Anteilsübertragung ist erforderlich. Herr V erteilt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Gesellschaft hiermit die Zustimmung zu der vereinbarten Anteilsübertragung.
VIII. Belehrungen, Hinweise Der Notar hat über Folgendes belehrt: – Die mit dem Geschäftsanteil verbundene gesetzliche Haftung geht auf den Erwerber über. – Für etwaige nicht erbrachte Geldeinlagen und für etwaige Fehlbeträge nicht vollwertig geleisteter Sacheinlagen des Abtretenden und aller anderen Gesellschafter haftet der Erwerber unbeschränkt.
1052 Wachter
D. Die Immobilienverwaltungs-GmbH
Rz. 9.264 Kap. 9
IX. Schlussbestimmungen Die Beteiligten ermächtigen den Notar unter Befreiung von § 181 BGB, sie beim Vollzug dieses Vertrages uneingeschränkt zu vertreten sowie alle zur Wirksamkeit und zum Vollzug zweckdienlichen Erklärungen abzugeben, einzuholen (auch unter Übersendung von Entwürfen) und entgegenzunehmen, gegenseitig mitzuteilen und dies festzustellen. Genehmigungen sollen mit ihrem Eingang beim amtierenden Notar allen Beteiligten gegenüber als zugegangen gelten und rechtswirksam sein. Bei Genehmigungen ohne Einschränkungen wird auf Rechtsmittel verzichtet; andere Bescheide sind den Beteiligten selbst zuzustellen. Die Kosten dieser Urkunde trägt der Erwerber. Von dieser Urkunde erhalten: AUSFERTIGUNGEN: der Abtretende und der Erwerber je eine BEGLAUBIGTE ABSCHRIFTEN: die Gesellschaft eine das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle – EINFACHE ABSCHRIFTEN: der Steuerberater der Gesellschaft das zuständige Registergericht erhält lediglich eine berichtigte Gesellschafterliste. Vorgelesen vom Notar …
2. Anmerkungen a) Nießbrauch am Surrogat Da das BGB für den Nießbrauch keine allgemeine Surrogationsregelung enthält, ist 9.264 sowohl aus zivilrechtlichen als auch aus steuerlichen Gründen erforderlich, den Fortbestand des Nießbrauches im Fall der Veräußerung des GmbH-Anteiles ausdrücklich zu vereinbaren.1 Die steuerliche Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass andernfalls die ohne Verpflichtung eingeräumte Nießbrauchsberechtigung an dem Surrogat steuerlich als Zuwendungsnießbrauch beurteilt werden könnte, so dass unter Beru-
1 Siehe BFH v. 24.1.1995 – IX R 40/92, BFH/NV 1995, 770, zur Surrogation beim Austausch des mit einem Vorbehaltsnießbrauch belasteten Grundstücks mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück und zur AfA des Nießbrauchers in solchen Fällen; s.a. FG Baden-Württemberg v. 16.10.2020 – 13 K 452/18, EFG 2021, 1449 mit Anm. Wackerbeck = DStRE 2022, 593, n. rkr., Rev. (Az. BFH IX R 1/21), zur Bemessungsgrundlage und zum Abschreibungszeitraum bei unentgeltlich eingetauschtem Vorbehaltsnießbrauch. Zur Surrogation beim Vorbehaltsnießbrauch im Zivil- und Steuerrecht s. ausführlich Götz/ Hülsmann, DStR 2010, 2377; Götz/Hülsmann, DStR 2010, 2432.
Wachter 1053
Kap. 9 Rz. 9.264 Gewerblich geprägte Immobilien
fung auf den I. Nießbraucherlass1 die Zurechnung beim Nießbrauchberechtigten gefährdet wäre2. b) Stimmrecht
9.265 Zur einkommensteuerlichen Anerkennung sollte die Stimmrechtsausübung ausdrücklich geregelt werden. Vorsorglich empfiehlt sich die bei der Nießbrauchbestellung an mitunternehmerischen Personengesellschaftsanteilen übliche Regelung3. 9.266 Danach gebührt das Stimmrecht für die Gewinnausschüttung dem Nießbraucher, während der nießbrauchbelastete Anteilsinhaber das Stimmrecht im gesellschaftsrechtlichen Kernbereich, z.B. bei Satzungsänderungen, ausübt. c) Vollmacht
9.267 Die in IX. der Schlussbestimmungen enthaltene Vollmacht empfiehlt sich insbesondere bei der Beteiligung von Minderjährigen.
1 BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508 Tz. 55. 2 Vgl. Binninger, DStR 1995, 1050. 3 Spiegelberger in FS Brambring (2011), 343 (347).
1054 Wachter
Kapitel 10 Photovoltaik- und Windkraftanlagen A. Photovoltaikanlagen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bürgerliches Recht 1. Gebäudebestandteil oder Scheinbestandteil . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Einordnung von dachintegrierten PVAnlagen und Auf-DachAnlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrechtliche Folgen der zivilrechtlichen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkommensteuer 1. Gewerbebetrieb a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewinnermittlung . . . bb) Notwendiges Betriebsvermögen . . . . . . cc) Betriebsvorrichtung . . b) PV-Anlage als selbständiger Gewerbebetrieb . . . . . . 2. Investitionsabzug . . . . . . . . . . . 3. 20 % Mittelstands-AfA und lineare/degressive AfA . . . . . . . 4. Abfärbewirkung gewerblicher Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Strategien zur Vermeidung der Abfärbewirkung . . . . . . . . a) Ausgliederungsmodell . . . . b) Bruchteilsgemeinschaft . . . 6. Stromspeicher . . . . . . . . . . . . . 7. Gewerbebetrieb und Liebhaberei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kleine PV-Anlagen . . . . . . . . .
10.1
10.2
10.4 10.10
10.16 10.18 10.20 10.23 10.30 10.40 10.45 10.50 10.65 10.66 10.67 10.70 10.75 10.80
IV. Umsatzsteuer 1. Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorsteuerabzug mit Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemischt genutzte PV-Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stromspeicher/Batterie . . . . . . V. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Windkraftanlagen I. Zivil- und handelsrechtliche (bilanzrechtliche) Grundlagen 1. Eigentumsverhältnisse und Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herstellung und Abnahme . . . II. Steuerrechtliche Grundlagen 1. Absetzungen für Abnutzung . 2. Gestaltungsmöglichkeiten a) Aldi-Modell . . . . . . . . . . . . . b) WKA-Modell . . . . . . . . . . . . aa) Investitionsabzug . . . . . bb) 20 % MittelstandsAfA . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lineare und degressive AfA . . . . . . . . . . . . . c) Große Haftsumme – kleine Pflichteinlage; Nachversteuerung nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG . . . . . . . d) Windkraftanlagen als SteuerstundungsModell? . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fußabdruck der Windkraftanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.90 10.105 10.110 10.120 10.125
10.150 10.151 10.160 10.161 10.162 10.164 10.166 10.167
10.168 10.169 10.171
Koch 1055
Kap. 10 Rz. 10.1 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
A. Photovoltaikanlagen I. Einführung
10.1 Es erhebt die Sonne sich des neuen Lebenstages, der mit den vorigen sich nicht vergleicht.1 Alle Kulturen verehren die Sonne. Die Sonne schenkt uns Licht und Wärme, sie teilt unser Leben in Tag und Nacht. In einer halben Stunde sendet die Sonne mehr Energie zur Erde, als alle Menschen auf unserem Planeten in einem Jahr verbrauchen – eine Herausforderung für den menschlichen Erfindergeist. Die Sonne wird ihre Energie noch vier Milliarden Jahre zur Erde senden, bis sie erlischt2. Die Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) – Taufpaten sind „photos“, das Licht, und Alessandro Volta, der Pionier der Elektrotechnik – verwandelt die Sonnenstrahlen in Strom (Photovoltaik) oder Wärme (Solarthermie), wenn die Sonne einmal nicht scheint. Verwöhnt durch hohe Einspeisevergütungen und Steuervorteile (Investitionsabzug, 20 % Mittelstands-AfA), begann der Siegeszug der PV-Anlagen. Nach der Euphorie kam die Ernüchterung. Bei Neuanlagen, die ab dem 1.4.2012 in Betrieb genommen werden, sinken die Einspeisevergütungen nach dem EEG. Bei sinkenden Betriebseinnahmen und hohen Betriebsausgaben kann der Gewerbebetrieb in Liebhaberei umschlagen. II. Bürgerliches Recht Literatur: Flache, Photovoltaik- und Windenergieanlagen im notariellen Alltag, notar 2017, 83; Wittlinger, Photovoltaikanlagen im Steuerrecht, 3. Aufl. 2020; Schrader, Gebäude, wesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile: Sachenrechtliche Einordnung von Modulen einer Photovoltaikanlage, JA 2022, 340; Meier, Sachenrechtliche Probleme von Photovoltaikanlagen bei Grundstücksübertragungen, Teil 1: Die sachenrechtliche Behandlung der Photovoltaikanlage, MittBayNot 2019, 548, Teil 2: Die Bestellung von Dienstbarkeiten zur Lösung der auftretenden Rechtsprobleme, MittBayNot 2020, 1; Brandt/Hansen, Installation von Photovoltaikanlagen in der Wohnungseigentümergemeinschaft, Grundeigentum 2015, 1012;
1. Gebäudebestandteil oder Scheinbestandteil
10.2 Das bürgerliche Recht unterscheidet – Gebäudebestandteile (§ 94 BGB) und – Scheinbestandteile (§ 95 BGB).
1 Johann Wolfgang von Goethe, aus „Torquato Tasso“, Zweiter Akt, zweite Szene. 2 Wittlinger, Photovoltaikanlagen im Steuerrecht (3. Aufl. 2020), S. 5.
1056 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.15 Kap. 10
Gebäudebestandteile sind Teil des Grundstücks (§ 94 BGB). Sie teilen das Schicksal des Grundstücks. Scheinbestandteile (§ 95 BGB) dagegen, die nur vorübergehend in das Gebäude eingefügt sind, sind ein selbständiger Gegenstand mit einem eigenen rechtlichen Schicksal (§ 95 BGB), z.B. im Erbfall (s. Rz. 1.504).1
10.3
Beispiel: Der Vater betreibt einen landwirtschaftlichen Hof. Er installiert auf dem Süddach der Scheune eine kostspielige Auf-Dach-Anlage. Nach dem Tod des Vaters streitet der Hoferbe mit den weichenden Erben, wem die PV-Anlage zusteht.
2. Zivilrechtliche Einordnung von dachintegrierten PV-Anlagen und Auf-Dach-Anlagen Dachintegrierte PV-Anlagen sind ein unselbständiger Gebäudebestandteil. Auch 10.4 die Auf-Dach-Anlage ist in der Regel ein unselbständiger Gebäudebestandteil und kein Scheinbestandteil (s. Rz. 1.504). Der innere Wille des Grundstückseigentümers entscheidet; im Zweifel wird er die Auf-Dach-Anlage nicht nur vorübergehend auf dem Dach installieren wollen, sondern dauerhaft für die Nutzungsdauer der PVAnlage von zwanzig Jahren. Dem Erben des Grundstücks steht daher in der Regel auch die Auf-Dach-Anlage zu2. Etwas anderes gilt für PV-Anlagen auf gemieteten Dächern. Sie sind Scheinbestand- 10.5 teil (§ 95 BGB). Denn der Mieter will Eigentümer seiner PV-Anlage auf dem fremden Dach bleiben. Mieter und Vermieter haben nichts zu verschenken. Ein guter Mietvertrag wird diese Frage klären. Einstweilen frei.
10.6–10.9
3. Steuerrechtliche Folgen der zivilrechtlichen Einordnung Dachintegrierte PV-Anlagen und Auf-Dach-Anlagen sind eine Betriebsvorrichtung 10.10 und damit ein bewegliches Anlagegut. Diese Sicht der Einkommensteuer macht den Weg frei für drei Steuervorteile: – Investitionsabzug bis 200.000 t für die geplante Anschaffung einer PV-Anlage (s. Rz. 10.40 ff.).), – 25 % degressive AfA bei Anschaffung der PV-Anlage nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 (s. Rz. 10.47) und – 20 % Mittelstands-AfA (s. Rz. 10.45 ff.). Einstweilen frei.
10.11–10.15
1 Vgl. zum Ganzen Flache, Photovoltaik- und Windenergieanlagen im notariellen Alltag, Notar 3/2017, S. 83. 2 DNotI-Report 2014/8, S. 57, Aus der Gutachtenpraxis des DNotI: Photovoltaikanlagen auf dem Dach einer Gewerbehalle als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.
Koch 1057
Kap. 10 Rz. 10.16 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
III. Einkommensteuer Literatur: Brunckhorst, Photovoltaikanlagen, Stromspeicher und Ladestationen einschließlich Wallboxen in Eigenheimen EStB 2021, 397; Eversloh, Zur (fehlenden) Gewinnerzielungsabsicht bei kleinen Photovoltaikanlagen und vergleichbaren Blockheizkraftwerken RdW 2022, 144; Gragert, Kleine Photovoltaikanlagen und vergleichbare BHKW – Update zur fehlenden Gewinnerzielungsabsicht NWB 2021, 3312; Gragert/Wißborn, Besteuerung von Photovoltaikanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern. BMF-Schreiben v. 2.6.2021: Spannungsfeld zwischen Unternehmen und Liebhaberei, NWB 2021, 2182; Herold, Fotovoltaikanlagen: Steuerliche Behandlung von Batteriespeichern in Eigenheimen, GStB 2018, 429; IWW Institut, Kein Papierkram, aber auch keine Berücksichtigung des Verlustes: Liebhaberei auf Antrag bei kleinen Fotovoltaikanlagen & Blockheizkraftwerken AStW 2021, 581; Moorkamp, Gewinnerzielungsabsicht bei kleinen Photovoltaikanlagen. Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 29.10.2021, StuB 2021, 920; Pflüger, Errichtung einer Fotovoltaikanlage: Bauabzugsteuer auch bei Betriebsvorrichtungen GStB 2020, 342; Reuker, Verpachtung an Photovoltaikanbieter – steuerliche Verschonung nach § 13a ErbStG in Gefahr? AgrB 2022, 80; Schumann, Gewinnerzielungsabsicht bei kleinen Photovoltaikanlagen und vergleichbaren Blockheizkraftwerken. Das BMF-Schreiben vom 29.10.2021, EstB 2021, 519; Stirner/Rösch, Investitionen in Photovoltaik und Batteriespeicher unter Berücksichtigung des neuen § 35c EStG DStR 2021, 1685; Ulrich/Clouth, Photovoltaik- und Windenergieanlagen – ein stromsteuerund abgabenrechtliches Perpetuum mobile? Versorgungswirtschaft 2022, 133; Urban, Vermarktung größerer Photovoltaikanlagen und § 7g EStG Qualifikation der Anleger als Einzelgewerbetreibende oder Mitunternehmer? NWB 2020, 3177; Schulze zur Wiesche, Die ertragsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen, StBp 2015, 327; Wagner, Gewerbesteuer: Erweiterte Grundbesitzkürzung und Stromlieferung – Photovoltaik, BHKW und Ladestationen für Elektroautos, Ubg 2020, 291; Zieglmaier/Heyd, Die Besteuerung von Photovoltaikanlagen. Ausgewählte ertrag- und umsatzsteuerliche Aspekte, StuB Beilage zu Heft 7/2022, 1.
1. Gewerbebetrieb a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb
10.16 Wer Strom liefert, ist Gewerbetreibender (§ 15 EStG) und umsatzsteuerlicher Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) mit Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 UStG) aus den Anschaffungskosten für die PV-Anlage. 10.17 Der Betreiber der PV-Anlage erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Die Einkünfte unterliegen der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer, wenn der Gewerbeertrag den Freibetrag mit 24.500 t überschreitet (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GewStG). aa) Gewinnermittlung
10.18 Der Betreiber der PV-Anlage kann den Gewinn oder Verlust aus Gewerbebetrieb durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermitteln. 10.19 Die Gewinnermittlung erfolgt in der Regel durch Einnahmen-Überschussrechnung, da die PV-Anlage die Gewinngrenze mit 60.000 t und die Umsatzgrenze mit 600.000 t nicht überschreitet (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AO). Gewinngrenze und 1058 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.30 Kap. 10
Umsatzgrenze sind für jede PV-Anlage gesondert zu prüfen, da es sich in der Regel um selbständige Gewerbebetriebe handelt. bb) Notwendiges Betriebsvermögen Die PV-Anlage ist notwendiges Betriebsvermögen. Das Dach ist das „Fundament“ 10.20 für die PV-Anlage. Die PV-Anlage im Betriebsvermögen infiziert nicht das TrägerGrundstück im Privatvermögen. Das Dach ist kein selbständiger Gebäudeteil und kann daher nicht – isoliert vom Gesamtgebäude im Privatvermögen – dem Betriebsvermögen zugeordnet werden. Die betriebliche Nutzung des Daches für die gewerbliche Stromerzeugung beeinträchtigt nicht die Zuordnung des Daches zum Privatvermögen. Das Grundstück bleibt Privatvermögen1. Anders ist die Rechtslage bei PV-Anlagen auf dem Grundstück im Gesamthandsver- 10.21 mögen einer Personengesellschaft. Gewerbliche Einkünfte einer Personengesellschaft färben ab (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die Personengesellschaft wird durch den Betrieb der PV-Anlage eine gewerbliche Mitunternehmerschaft, wenn der Nettoumsatz aus der PV-Anlage 3 % oder 24.500 t überschreitet (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Das ganze Grundstück wird gewerbliches Betriebsvermögen (Sogwirkung).
10.22
Beispiel: Die vermögensverwaltende GbR mit Grundstück im Privatvermögen und Mieteinkünften (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) installiert auf dem Dach eine PV-Anlage. Die GbR wird durch die PV-Anlage eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Das ganze Grundstück wird notwendiges Betriebsvermögen. Die GbR erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und muss bilanzieren.
cc) Betriebsvorrichtung PV-Anlagen rechnen steuerrechtlich zu den Betriebsvorrichtungen und damit zu 10.23 den beweglichen Anlagegütern (s. Rz. 10.7). Diese großzügige Sicht ebnet den Weg, dass auch die dachintegrierten PV-Anlagen, die das Dach ersetzen, in den Genuss von Investitionsabzug (§ 7g Abs. 1 EStG), 20 % Mittelstands-AfA (§ 7g Abs. 5 EStG) und der höheren linearen oder degressiven AfA für bewegliche Anlagegüter (§ 7 Abs. 1 oder 2 EStG) kommen. Einstweilen frei.
10.24–10.29
b) PV-Anlage als selbständiger Gewerbebetrieb Jede PV-Anlage ist in der Regel ein selbständiger Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Wer 10.30 drei PV-Anlagen betreibt, unterhält drei Gewerbebetriebe. Er kann daher dreimal den Freibetrag für den Gewerbeertrag mit 24.500 t abziehen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GewStG). Andererseits kann der Gewerbeertrag aus einem Gewerbebetrieb
1 BFH v. 17.10.2013 – III R 27/12, BStBl. II 2014, 372.
Koch 1059
Kap. 10 Rz. 10.30 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
nicht mit dem Gewerbeverlust (§ 10a GewStG) aus einem anderen Gewerbebetrieb, z.B. aus einer anderen PV-Anlage, verrechnet werden. Der Betreiber erhält drei Gewerbesteuer-Bescheide, aber nur einen Umsatzsteuer-Bescheid. Alle PV-Anlagen bilden ein einheitliches umsatzsteuerliches Unternehmen (Einheit des Unternehmens – § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG).
10.31 Ein einheitlicher Gewerbebetrieb liegt nur vor, wenn – der Strom aus der PV-Anlage zu mehr als 50 % im eigenen Gewerbebetrieb verbraucht wird oder – Gewerbebetrieb und PV-Anlage sich gegenseitig fördern und ergänzen.
10.32 Beispiel: Der Elektroinstallateur mit PV-Anlage auf dem Dach vertreibt und betreut PV-Anlagen für seine Kunden1.
10.33 Eine PV-Anlage auf dem Dach eines Betriebsgebäudes führt daher – ohne diesen Förderungszusammenhang – zu zwei selbständigen Gewerbebetrieben. 10.34 Da jede PV-Anlage in der Regel ein selbständiger Gewerbebetrieb ist, ist die Gewinngrenze mit 200.000 t für den Investitionsabzug (§ 7g Abs. 1 EStG) und die Mittelstands-AfA (§ 7g Abs. 5 EStG) für jede PV-Anlage gesondert zu prüfen. Jede Anlage kommt daher in den Genuss von Investitionsabzug und Mittelstands-AfA, da sie die Schwellenwerte nicht überschreitet. 10.35–10.39 Einstweilen frei. 2. Investitionsabzug Literatur: Urban, Vermarktung größerer Photovoltaikanlagen und § 7g EStG Qualifikation der Anleger als Einzelgewerbetreibende oder Mitunternehmer? NWB 2020, 3177;
10.40 Wer in den nächsten drei Jahren eine PV-Anlage anschaffen will, kann einen Investitionsabzug (IAB) mit 50 % (ab 2020) der voraussichtlichen Anschaffungskosten, höchstens 200.000 v, bilden (§ 7g Abs. 1 EStG). Der IAB wirkt wie eine vorgezogene Abschreibung auf die PV-Anlage mit 50 % auf die Anschaffungskosten, und dies drei Jahre vor der Investition. 10.41 Jede PV-Anlage erfüllt die Voraussetzungen für den IAB: – Bewegliches Anlagegut: Die PV-Anlage ist eine Betriebsvorrichtung und damit ein bewegliches Anlagegut. – 90 % betrieblich genutzt: Die PV-Anlage wird regelmäßig mit 100 % betrieblich genutzt. Die Finanzverwaltung nimmt dies auch an, wenn der Strom teilweise
1 BFH v. 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252.
1060 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.49 Kap. 10
privat verbraucht wird, z.B. für das selbst genutzte Einfamilienhaus (R 4.3 Abs. 4 Satz 2 EStR). – Gewinn bis 200.000 v im Abzugsjahr: Die Gewinngrenze mit 200.000 t im Abzugsjahr gilt gesondert für jede einzelne PV-Anlage (Betriebsbezogenheit, s. u.). – IAB ist betriebsbezogen: Wer mehrere Gewerbebetriebe betreibt, kann mehrere IAB bilden und den Höchstbetrag mit 200.000 t mehrfach in Anspruch nehmen. Da jede PV-Anlage ist ein eigener Gewerbebetrieb ist, kann der Steuerpflichtige für jede PV-Anlage einen eigenen IAB in Anspruch nehmen und mithin den Höchstabzug mit 200.000 t mehrfach nutzen. Einstweilen frei.
10.42–10.44
3. 20 % Mittelstands-AfA und lineare/degressive AfA Im Jahr der Anschaffung kann der Betreiber der PV-Anlage die volle MittelstandsAfA mit 20 % vornehmen (§ 7g Abs. 5 EStG). 20 % Mittelstands-AfA (§ 7g Abs. 5 EStG) wird gewährt:
10.45
– für abnutzbare bewegliche Anlagegüter, – die „ausschließlich oder fast ausschließlich“ (d.h. mindestens zu 90 %)1 eigenbetrieblich genutzt werden. Gewinnabhängige Voraussetzung für die Gewährung der Mittelstands-AfA ist u.a., dass der Betrieb im Wirtschaftsjahr, das der Anschaffung oder Herstellung der WKA vorangeht, die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (200.000 t) nicht überschreitet (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG). Da aber bei jedem neuen Betrieb (d.h. jeder neuen PV-Anlage) der Gewinn im Vorjahr null ist, erhält jeder neue Betrieb die Mittelstands-AfA2. Neben der Mittelstands-AfA wird die PV-Anlage linear abgeschrieben auf die Nut- 10.46 zungsdauer, die in der Regel zwanzig Jahre beträgt, d.h. mit jährlich 5 % – allerdings zeitanteilig ab dem Monat der Anschaffung mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 7 Abs. 1 und 2 EStG). PV-Anlagen, die nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 angeschafft wurden, 10.47 können wahlweise degressiv abgeschrieben werden mit 25 % vom Restbuchwert, höchstens mit der zweieinhalbfachen linearen AfA (§ 7 Abs. 2 EStG). Bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren beträgt die degressive AfA 12,5 % pro Jahr. Einstweilen frei.
10.48–10.49
1 Schmidt/Kulosa41, § 7g EStG Rz. 19. 2 Schmidt/Kulosa41, § 7g EStG Rz. 72.
Koch 1061
Kap. 10 Rz. 10.50 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
4. Abfärbewirkung gewerblicher Einkünfte
10.50 Die gewerblichen Einkünfte einer Personengesellschaft färben auf ihre anderen Einkünfte ab (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), z.B. auf die land- und forstwirtschaftlichen, freiberuflichen oder Mieteinkünfte der Personengesellschaft. Aus der Personengesellschaft wird eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die bilanzieren muss und der Gewerbesteuer unterliegt. Die gewerblichen Einkünfte färben ab, wenn sie die Geringfügigkeitsgrenze mit 3 % vom Nettoumsatz oder 24.500 t überschreiten. 10.51 Jede Personengesellschaft ohne gewerbliche Einkünfte muss vermeiden, dass sie sich über Nacht durch die neue PV-Anlage in eine gewerbliche Mitunternehmerschaft verwandelt. 10.52 Beispiel 1: Die Grundstücks-GbR der Eheleute vermietet das Grundstück im Privatvermögen (Hallengrundstück) an eine Supermarkt-Kette. Die GbR installiert auf dem Süddach eine PV-Anlage.
10.53 Durch den Betrieb der PV-Anlage verwandelt sich die vermögensverwaltende Personengesellschaft mit Hallengrundstück im Privatvermögen in eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die gewerblichen Einkünfte der Grundstücks-GbR färben ab auf ihre Mieteinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die Mieteinkünfte der GbR sind gewerbliche Einkünfte. Die GbR muss bilanzieren und Gewerbesteuer zahlen. Das ganze Hallengrundstück der GbR wird Betriebsvermögen. 10.54 Beispiel 2: Die nicht gewerblich geprägte GmbH & Co KG (Familien-Pool) mit umfangreichem Grundbesitz im Privatvermögen installiert auf dem Dach eines Grundstücks eine PV-Anlage.
10.55 Die nicht gewerblich geprägte GmbH & Co KG wird durch den Betrieb der PV-Anlage zu einer gewerblichen GmbH & Co KG. Das Gesamthandsvermögen der gewerblichen GmbH & Co KG (Mitunternehmerschaft) ist notwendiges Betriebsvermögen. Alle Grundstücke der GmbH & Co KG werden Betriebsvermögen, d.h. nicht nur das Grundstück mit der PV-Anlage. 10.56 Beispiel 3: Vater und Sohn betreiben eine Landwirtschaft als GbR. Die GbR installiert auf dem Süddach der Scheune eine PV-Anlage.
10.57 Die landwirtschaftliche Mitunternehmerschaft wird durch die gewerbliche Stromerzeugung eine gewerbliche Mitunternehmerschaft (Strukturwandel). Die GbR muss bilanzieren und unterliegt der Gewerbesteuer. 10.58 Beispiel 4: Die Eheleute erwerben ihr selbst genutztes Einfamilienhaus als Grundstücks-GbR. Sie installieren auf dem Dach eine PV-Anlage. Nach einigen Jahren ziehen sie um und vermieten das Einfamilienhaus.
1062 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.66 Kap. 10
Die Eheleute betreiben eine gewerbliche Mitunternehmerschaft durch die gewerb- 10.59 liche Stromerzeugung. Die PV-Anlage ist notwendiges Betriebsvermögen der gewerblichen GbR, nicht jedoch das Grundstück mit dem selbst genutzten Einfamilienhaus. Das (unentgeltlich) selbst genutzte Einfamilienhaus im Gesamthandsvermögen der gewerblichen GbR dient der privaten Lebensführung der Eheleute und bleibt daher notwendiges Privatvermögen der gewerblichen Mitunternehmerschaft1. Mit der Vermietung endet die Privilegierung des Einfamilienhauses als notwendiges 10.60 Privatvermögen. Das Einfamilienhaus wechselt aus dem notwendigen Privatvermögen in das notwendige Betriebsvermögen der GbR.
10.61
Beispiel 5: Die beiden Brüder führen einen Einzelhandel als KG. Die KG hält das betriebliche Grundstück mit PV-Anlage in ihrem Gesamthandsvermögen. Die KG stellt den Betrieb endgültig ein und verpachtet das Grundstück an den Media-Markt. Die KG erklärt Betriebsaufgabe. Die Brüder versteuern den Aufgabegewinn.
Beim Einzelhandel ist das Betriebsgrundstück die alleinige wesentliche Betriebs- 10.62 grundlage. Das Grundstück ist der Betrieb. Die Grundstücksverpachtung ist daher eine Betriebsverpachtung mit Verpächterwahlrecht. Da die KG durch die gewerbliche Stromerzeugung unverändert eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, führt sie ihre gewerbliche Tätigkeit mit einem anderen Gewerbegegenstand fort. Sie bleibt zwingend eine gewerbliche Mitunternehmerschaft. Bis zur Beendigung der gewerblichen Stromerzeugung bleibt das Grundstück notwendiges Betriebsvermögen. Die Aufgabeerklärung ist unbeachtlich.
10.63
Einstweilen frei.
10.64
5. Strategien zur Vermeidung der Abfärbewirkung
10.65
Das Abfärben der gewerblichen Einkünfte kann vermieden werden – durch das Ausgliederungsmodell oder – durch die Bruchteilsgemeinschaft anstelle der Personengesellschaft als Rechtsträger des Grundstücks mit PV-Anlage. a) Ausgliederungsmodell
Neben der Personengesellschaft mit Grundstück im Gesamthandsvermögen wird ei- 10.66 ne zweite Personengesellschaft gegründet, die die PV-Anlage erwirbt. Es ist dasselbe Ausgliederungsmodell, das das Abfärben von gewerblichen Einkünften in einer freiberuflichen Sozietät vermeidet2.
1 Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 496. 2 Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 193.
Koch 1063
Kap. 10 Rz. 10.66 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
Beide Personengesellschaften müssen nach außen getrennt werden, z.B. durch getrennte Buchführung für beide Personengesellschaften, zwei Umsatzsteuer-Erklärungen mit unterschiedlicher Steuernummer. Am besten gelingt die Ausgliederung, wenn ein Gesellschafter die PV-Anlage als Einzelunternehmer erwirbt. Das Nebeneinander von Personengesellschaft und Einzelunternehmen dokumentiert die Trennung. b) Bruchteilsgemeinschaft
10.67 Nur in einer Personengesellschaft färben die gewerblichen Einkünfte ab (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), nicht dagegen in einer Bruchteilsgemeinschaft1. Die gewerblichen Einkünfte einer gesellschaftsähnlichen Mitunternehmerschaft ohne Gesellschaftsvertrag – Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft oder Bruchteilsgemeinschaft, z.B. Betriebsaufspaltung mit Grundstück im Miteigentum als Besitzunternehmen – färben nicht ab.
10.68–10.69 Einstweilen frei. 6. Stromspeicher
10.70 Bei Erwerb einer PV-Anlage mit Stromspeicher ist der Speicher ein unselbständiger Teil der PV-Anlage. PV-Anlage und Speicher werden einheitlich auf zwanzig Jahre abgeschrieben. Bei einem späteren Erwerb ist der Speicher ein selbstständiges Wirtschaftsgut. Dient er allein der Zwischenspeicherung des Stroms für den privaten Haushalt, ist er notwendiges Privatvermögen und kann nicht abgeschrieben werden. Dient der Speicher dagegen auch der Einspeisung ins Netz, ist er notwendiges (über 50 %) oder gewillkürtes (10 bis 50 %) Betriebsvermögen. Die Anschaffungskosten für den Speicher im Betriebsvermögen werden auf zehn Jahre abgeschrieben.
10.71–10.74 Einstweilen frei. 7. Gewerbebetrieb und Liebhaberei
10.75 Die Einspeisevergütungen sinken. Es besteht die Gefahr, dass der Gewerbebetrieb durch die sinkenden Betriebseinnahmen bei hohen Betriebsausgaben in Liebhaberei umschlagen kann. Fällt die Totalgewinnprognose negativ aus, ist alles verloren: – Investitionsabzug, – 20 % Mittelstands-AfA, – lineare oder degressive Abschreibung, – Abzug der Schuldzinsen. 1 Schmidt/Wacker41, § 15 EStG Rz. 187.
1064 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.91 Kap. 10
Die Gewinnerzielungsabsicht muss für jede PV-Anlage gesondert geprüft werden. 10.76 Bei der Totalgewinnprognose können die Verluste aus der Verlust-Anlage nicht mit den Gewinnen aus der Gewinn-Anlage verrechnet werden.
10.77
Beispiel: Die Verluste aus der Neu-Anlage können nicht durch die Gewinne aus der Alt-Anlage mit hohen Einspeisevergütungen kompensiert werden.
Auch bei Mietobjekten prüft der BFH die Überschusserzielungsabsicht isoliert für 10.78 jedes Mietobjekt, auch wenn sich beide Mietobjekte auf demselben Grundstück befinden. Jede PV-Anlage kann ein unterschiedliches Schicksal bei der Totalgewinnprognose haben1. Nur der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage bleibt. Die Einkommen- 10.79 steuer verlangt Gewinnerzielungsabsicht (§ 15 EStG). Die Umsatzsteuer begnügt sich mit Einnahmenerzielungsabsicht. Der Liebhaber ist kein Gewerbetreibender, aber umsatzsteuerlicher Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG). 8. Kleine PV-Anlagen Kleine PV-Anlagen mit einer Leistung bis 10 Kilowatt auf selbstgenutzten Ein- und 10.80 Zweifamilienhäusern werden auf Antrag als steuerlicher Liebhaberbetrieb behandelt. Diese Vereinfachungsregel will dem Betreiber der PV-Anlage und dem Finanzamt den Aufwand der Gewinnermittlung ersparen.2 Die „Freistellung“ gilt nicht für die Umsatzsteuer. Einstweilen frei.
10.81–10.89
IV. Umsatzsteuer Literatur: Pflüger, Errichtung einer Fotovoltaikanlage: Bauabzugsteuer auch bei Betriebsvorrichtungen GStB 2020, 342; Becker, Photovoltaikanlagen im Umsatzsteuerrecht Erwerb, Nutzung und Veräußerung unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung, NWB 2020, 2226; Schöpflin/Schönwald, Die umsatzsteuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen, StBp 2017, 10; Dohrmann, Vorsteuerabzug bei Photovoltaikanlagen, StBp 2017, 77.
1. Unternehmer Der Betreiber der PV-Anlage liefert Strom an den Netzbetreiber (§ 3 Abs. 1 UStG). 10.90 Er ist Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) mit Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten der PV-Anlage. Wer eine PV-Anlage betreibt mit einem Gesamtumsatz bis 22.000 t im Startjahr, ist Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 UStG). Der Umsatz im Startjahr wird auf einen Jah-
1 BFH v. 17.10.2013 – III R 27/12, BStBl. II 2014, 372 = DStR 2014, 576. 2 BMF v. 2.6.2021 – IV C 6-S 2240/19/10006:006, BStBl. I 2021, 722.
Koch 1065
10.91
Kap. 10 Rz. 10.91 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
resumsatz hochgerechnet. Der Kleinunternehmer muss für die Besteuerung als Vollunternehmer optieren, um den Vorsteuerabzug aus der PV-Anlage zu gewinnen (§ 19 Abs. 2 UStG). Der Verzicht auf den Kleinunternehmer bindet fünf Jahre.
10.92 Betreiben Eheleute die PV-Anlage, müssen beide Ehegatten den Kaufvertrag über die PV-Anlage und den Stromliefervertrag mit dem Netzbetreiber schließen (Personenidentität bei beiden Verträgen). Sonst geht der Vorsteuerabzug aus der Lieferung der PV-Anlage verloren (§ 15 Abs. 1 UStG). 10.93 Soll das Abfärben gewerblicher Einkünfte aus der PV-Anlage durch das Ausgliederungsmodell vermieden werden (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), muss der Rechtsträger der ausgegliederten PV-Anlage eine gesonderte USt-Erklärung abgeben. 10.94 Das umsatzsteuerliche Unternehmen umfasst die gesamte unternehmerische Tätigkeit dieses Unternehmers (Einheit des Unternehmens – § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). 10.95 Beispiel 1: Der Steuerpflichtige betreibt drei PV-Anlagen. Er betreibt zwar drei Gewerbebetriebe, aber nur ein Unternehmen.
10.96 Beispiel 2: Der Freiberufler betreibt eine Einzelpraxis, erzeugt Strom mit seiner PV-Anlage und vermietet ein Grundstück. Freiberufliche Praxis, Gewerbebetrieb und Vermietung sind ein umsatzsteuerliches Unternehmen. Der Freiberufler gibt eine Umsatzsteuererklärung ab. Die Eigenschaft des Vollunternehmers erfasst automatisch die Umsätze aus dem Betrieb der PV-Anlage.
10.97 Beispiel 3: Der Freiberufler mit Einzelpraxis betreibt mit seiner Ehefrau eine PV-Anlage auf dem gemeinsamen Grundstück. Freiberufler und Ehegatten-GbR sind zwei umsatzsteuerliche Unternehmer. Sie müssen zwei Umsatzsteuererklärungen abgeben: Der Ehemann für die freiberufliche Einzelpraxis, die Ehegatten-GbR für die PV-Anlage.
10.98 Bei einer Grundstücks-GbR der Eheleute wird das Abfärben der gewerblichen Einkünfte aus der PV-Anlage am sichersten dadurch vermieden, dass der Ehemann oder die Ehefrau die PV-Anlage als Einzelunternehmer betreibt. Der Betrieb als Einzelunternehmer dokumentiert die Trennung von der Grundstücks-GbR. 10.99 Betreibt der Ehemann die PV-Anlage als Einzelunternehmer, bilden freiberufliche Einzelpraxis und PV-Anlage ein Unternehmen. Betreibt dagegen die Ehefrau die PVAnlage, wird sie Unternehmerin. 10.100–10.104 Einstweilen frei. 2. Vorsteuerabzug mit Personenidentität
10.105 Die Lieferung von Strom ist eine pflichtige Lieferung durch den PV-Betreiber an den Netzbetreiber (§ 3 Abs. 1 UStG) und damit ein Abzugsumsatz (§ 15 Abs. 1 UStG).
1066 Koch
A. Photovoltaikanlagen
Rz. 10.113 Kap. 10
Der Leistungsempfänger hat den Vorsteuerabzug. Der Leistungsempfänger schließt bürgerlich-rechtlich den Vertrag, z.B. den Kaufvertrag über die PV-Anlage.
10.106
Beispiel: Die Eheleute kaufen eine PV-Anlage für ihre Grundstücks-GbR. Der Kaufvertrag wird im Namen der Eheleute geschlossen. Der Ehemann schließt im eigenen Namen den Stromliefervertrag mit dem Netzbetreiber.
Der Vorsteuerabzug aus der PV-Anlage scheitert (§ 15 Abs. 1 UStG): Die Eheleute 10.107 sind Leistungsempfänger der PV-Anlage. Den Stromliefervertrag schließt dagegen der Ehemann. Es besteht keine Personenidentität zwischen Kaufvertrag und Stromliefervertrag. Einstweilen frei.
10.108–10.109
3. Gemischt genutzte PV-Anlagen Notwendiges Unternehmensvermögen wird mit 100 % unternehmerisch genutzt. 10.110 Bei gemischt genutzten Gegenständen besteht ein dreifaches Zuordnungs-Wahlrecht, z.B. für den privat genutzten Pkw des Unternehmers oder für das unternehmerisch genutzte Gebäude mit selbst genutzter Wohnung. Gemischt genutzter Pkw und gemischt genutztes Grundstück werden bei der Umsatzsteuer gleich behandelt. Die Vermietung von Grundstücken ist eine unternehmerische Nutzung, gleichgültig, ob der Eigentümer pflichtig oder befreit vermietet (§ 4 Nr. 12 UStG).
10.111
Der Unternehmer kann wählen: – ganzer Gegenstand im Unternehmen – anteiliger Gegenstand im Unternehmen, z.B. in % der unternehmerischen Nutzung oder – ganzer Gegenstand im Privatvermögen.
Die Zuordnung erfolgt durch die Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanz- 10.112 amt. Sie erfolgt in der Regel durch den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, d.h. durch schlüssiges Handeln, z.B. in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat der Lieferung. Die Zuordnung musste bisher bis zum 31. Juli im Folgejahr nach der Lieferung er- 10.113 folgen. Wer keine Zuordnungsentscheidung bis zum 31. Juli gegenüber dem Finanzamt trifft, ordnet den gemischt genutzten Gegenstand durch Schweigen dem Privatvermögen zu und verliert den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 15 Abs. 1 UStG). Der BFH hat die bisherige Zuordnungsfrist bis 31. Juli im Folgejahr dem EuGH vorgelegt, der am 14.10.2021 entschieden hat.1 Bis zur Entscheidung durch den BFH
1 EuGH v. 14.10.2021 – C-45/20, C-46/20, DStR 2021, 2404 = UR 2021, 867.
Koch 1067
Kap. 10 Rz. 10.113 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
und die Finanzverwaltung sollten gemischtgenutzte Gegenstände wie bisher bis 31. Juli im Folgejahr zugeordnet werden.
10.114–10.115 Einstweilen frei. 10.116 Verwendet der Betreiber der PV-Anlage einen Teil des Stroms für die selbst genutzte Wohnung, geht die Finanzverwaltung bei der Einkommensteuer davon aus, dass der Betreiber die PV-Anlage mit 100 % betrieblich nutzt. 10.117 Für die Umsatzsteuer dagegen ist die PV-Anlage ein gemischt genutzter Gegenstand, da ein Teil des Stroms privat verbraucht wird. Es gilt daher die Zuordnungsfrist bis zum 31. Juli im Folgejahr (Vorlage der Zuordnungsfrist an den EuGH). Versäumt der Betreiber die Zuordnungsfrist, ordnet er die PV-Anlage seinem Privatvermögen zu und verliert den Vorsteuerabzug aus der Lieferung der PV-Anlage1. 10.118 Ordnet der Betreiber die PV-Anlage mit 100 % seinem Unternehmen zu, kann er auch die Vorsteuer mit 100 % abziehen. Der private Stromverbrauch ist eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe und damit ein Abzugsumsatz (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG). 10.119 Einstweilen frei. 4. Stromspeicher/Batterie
10.120 Beim Erwerb einer PV-Anlage mit Stromspeicher sind PV-Anlage und Speicher ein einheitlicher Gegenstand. Die Zuordnung zum Unternehmensvermögen oder Privatvermögen mit Zuordnungswahlrecht ab 10 % unternehmerischer Nutzung erfolgt nach der Verwendung des produzierten Stroms für die Einspeisung ins Netz (unternehmerisch) oder für den privaten Haushalt (nicht unternehmerisch). 10.121 Beispiel: Der Betreiber der PV-Anlage erwirbt im Nachhinein einen Stromspeicher. Er will den Speicher nur einsetzen, um den Strom für sein selbstgenutztes Einfamilienhaus zu speichern.
10.122 Erwirbt der Betreiber den Stromspeicher erst nach der Anschaffung und Inbetriebnahme der PV-Anlage, ist der Stromspeicher ein selbständiger Gegenstand (eigenes Zuordnungsobjekt). Der Betreiber der PV-Anlage kann die Vorsteuer aus dem Erwerb des Speichers nur abziehen, wenn er den Speicher mit mindestens 10 % unternehmerisch nutzt, d.h. den Strom ins Netz einspeist, und den Speicher durch Zuordnungsentscheidung seinem Unternehmen zuordnet. Wird der Speicher indes nur für den privaten Haushalt verwendet, ist er notwendiges Privatvermögen. Der Vorsteuerabzug entfällt.
10.123–10.124 Einstweilen frei.
1 BMF v. 19.9.2014 – IV D 2 - S 7124/12/10001-02, BStBl. I 2014, 1287.
1068 Koch
B. Windkraftanlagen
Rz. 10.150 Kap. 10
V. Gefahren
10.125
Auf folgende Gefahren müssen Betreiber einer PV-Anlage achten: – Gewerbliche Einkünfte einer Personengesellschaft färben ab, z.B. GrundstücksGbR mit PV-Anlage. – Bei einer PV-Anlage im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft färben die gewerblichen Einkünfte aus der PV-Anlage auf die anderen Einkünfte der Personengesellschaft ab (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG), z.B. Mieteinkünfte, landund forstwirtschaftliche oder freiberufliche Einkünfte. Ausgliederungsmodell oder Bruchteilsgemeinschaft vermeiden diese Gefahr! – Durch die sinkenden Einspeisevergütungen kann der Gewerbebetrieb PV-Anlage bei niedrigen Betriebseinnahmen und hohen Betriebsausgaben in „Liebhaberei“ umschlagen. – Notwendige Personenidentität: Dieselben Personen müssen Kaufvertrag für die PV-Anlage und Stromliefervertrag abschließen, z.B. Eheleute bei einer Grundstücks-GbR. Sonst geht der Vorsteuerabzug verloren. Einstweilen frei.
10.126–10.149
B. Windkraftanlagen Literatur: Flache, Photovoltaik- und Windenergieanlagen im notariellen Alltag, notar 2017, 83; Wittlinger, Photovoltaikanlagen im Steuerrecht, 3. Aufl. 2020; Ulrich/Clouth, Photovoltaik- und Windenergieanlagen – ein stromsteuer- und abgabenrechtliches Perpetuum mobile? Versorgungswirtschaft 2022, 133.
I. Zivil- und handelsrechtliche (bilanzrechtliche) Grundlagen 1. Eigentumsverhältnisse und Bilanzierung Die Windkraftanlage (WKA) auf einem gepachteten Grundstück ist Scheinbestand- 10.150 teil im Sinne des § 95 BGB: Sie ist vorübergehend eingefügt, mithin bleibt der Pächter Eigentümer der Windkraftanlage1. Die WKA dient der Stromerzeugung; sie besteht aus drei selbständigen Wirtschaftsgütern: Windkraftanlage, Übergabestation und Zuwegung. Die Zuwegung ist eine Betriebsvorrichtung, d.h. ein bewegliches Anlagegut, wenn der Weg nicht für den allgemeinen Verkehr auf dem Grundstück freigegeben ist und allein zur Errichtung und Wartung der Anlage genutzt wird2. Bilanzierende WKA-Betreiber müssen eine
1 DNotI-Report 2014/8, S. 57 (Gutachterpraxis des Deutschen Notarinstituts). 2 BFH v. 11.4.2019 – IV R 3/17, BFH/NV 2019, 1076 = RdL 2020, 124.
Koch 1069
Kap. 10 Rz. 10.150 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
Rückstellung für den Abriss alter Windräder passivieren; der künftige Erfüllungsaufwand muss abgezinst werden1. 2. Herstellung und Abnahme
10.151 Die Abnahme (§ 640 BGB) entscheidet über den Zeitpunkt – der Gewinnrealisierung beim Werkunternehmer – der Aktivierung der Windkraftanlage beim Besteller – des Beginns der AfA – des Vorsteuerabzugs aus der Windkraftanlage (§ 15 Abs. 1 UStG)
10.152–10.153 Einstweilen frei. 10.154 Vor diesem Hintergrund stellt die Abnahme die Achillesferse für die Windkraftanlage dar: Zwar beginnt die AfA (s. Rz. 10.167) grds. im Zeitpunkt der Lieferung, wenn das wirtschaftliche Eigentum übergeht (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Bei Werklieferung von technischen Anlagen geht das wirtschaftliche Eigentum indes erst mit der Abnahme (§ 640 BGB) über, also bspw. nach einem erfolgreichen Probelauf. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. 20 % Mittelstands-AfA (s. Rz. 10.166) – der Booster für die Windkraftanlage – gibt es erst ab der Abnahme. 10.155–10.159 Einstweilen frei. II. Steuerrechtliche Grundlagen 1. Absetzungen für Abnutzung
10.160 Die WKA dient der gewerblichen Stromerzeugung (§ 15 EStG). Als Betriebsvorrichtung und bewegliches Anlagegut wird der Herstellungs- oder Anschaffungsaufwand linear auf die Nutzungsdauer von 16 Jahren nach der amtlichen AfA-Tabelle abgesetzt (§ 7 Abs. 1 EStG; s. Rz. 10.167)2. Bei Anschaffung oder Herstellung nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 kann die Windkraftanlage wahlweise in fallenden Jahresbeträgen („degressiv“, § 7 Abs. 2 EStG; s. Rz. 10.167) abgeschrieben werden. Daneben kann die Mittelstands-AfA (§ 7g Abs. 5 EStG; s. Rz. 10.166) gewährt werden. Die AfA beginnt grds. in dem Monat der Lieferung, wenn das wirtschaftliche Eigentum übergeht (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Bei Werklieferung von technischen Anlagen geht das wirtschaftliche Eigentum indes erst mit der Abnahme über (§ 640 BGB; s. Rz. 10.151), z.B. nach einem erfolgreichen Probelauf.
1 Schmidt/Weber-Grellet41, § 5 EStG Rz. 550: ABC der Passivierung „Umweltschutzmaßnahmen“. 2 Schmidt/Kulosa41, § 7 EStG Rz. 169 „Windkraftanlagen“.
1070 Koch
B. Windkraftanlagen
Rz. 10.163 Kap. 10
2. Gestaltungsmöglichkeiten a) Aldi-Modell Nach der Deutschen Vereinigung hat die Firma Aldi im Osten eine Vielzahl von Su- 10.161 permärkten eröffnet. Für jeden Supermarkt wurde eine eigene GmbH & Co KG gegründet. Für jede GmbH & Co KG hat Aldi die „alte“ Ansparabschreibung abgezogen (§ 7g EStG alt). Im Konzernabschluss von Aldi mit den GmbH & Co KG-Töchtern wurden die Ansparabschreibungen für alle Tochter-GmbH & Co KG als Sonderposten mit Rücklageanteil gewinnmindernd passiviert, begründet mit § 7g EStG. b) WKA-Modell Die steuerlichen Vorzüge des Aldi-Modells können für die Gestaltung von Wind- 10.162 kraftanlagenmodellen nutzbar gemacht werden: So kann der Betreiber eines Windparks für jede neue Windkraftanlage eine eigene GmbH & Co KG gründen. Für jede „neue“ GmbH & Co KG erhält er 20 % Mittelstands-AfA. Die Mittelstands-AfA ist betriebsbezogen.
10.163
Robert (R) will eine Windkraftanlage betreiben. Der Betreiber eines Windparks bietet R an: Der Windpark wird für R eine neue Windkraftanlage bauen. Die Herstellungskosten betragen 5 Mio. t. Die Windkraftanlage wird betrieben als selbständige GmbH & Co KG. R wird Alleingesellschafter der GmbH & Co KG. Er leistet eine Pflichteinlage in Höhe von 100.000 t. Die Haftsumme beträgt 5 Mio. t. Die Haftsumme wird im Handelsregister eingetragen.
Robert
100 % WKA GmbH & Co KG
100 %
Koch 1071
Kap. 10 Rz. 10.164 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
aa) Investitionsabzug
10.164 Die WKA von R ist eine Betriebsvorrichtung und bewegliches Anlagegut. Sie wird zu mindestens 90 % eigenbetrieblich genutzt. Der Investitionsabzug ist betriebsbezogen. Die Gewinngrenze für den Investitionsabzug mit 200.000 t wird für jeden Betrieb (d.h. für jede GmbH & Co KG) gesondert geprüft (Aldi-Modell bzw. WKA-Modell). Es entscheidet der Gewinn der GmbH & Co KG im Abzugsjahr. Der Gewinn der neuen (geplanten) GmbH & Co KG im Abzugsjahr ist null, z.B. im Abzugsjahr 2022. Ergebnis: R kann im Jahr 2022 einen Investitionsabzug mit 50 % aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die geplante Windkraftanlage abziehen, höchstens 200.000 t in seiner ESt.-Erklärung 2022 gewinnmindernd abziehen (§ 7g Abs. 1 EStG).
10.165 Die Investitionsfrist beträgt drei Jahre (coronabedingt verlängert). Bei Nichtinvestition in den drei Folgejahren wird der Investitionsabzug im Abzugsjahr rückgängig gemacht (§ 7g Abs. 3 EStG). Es entstehen 1,8 % Nachzahlungszinsen (§ 233a AO n.F.). Der Investitionsabzug verlangt keine Investitionsabsicht. Der Investitionsabzug ist ein „Fiskalkredit“.1 Scheitert die geplante Windkraftanlage, bleibt der Steuerabzug im Abzugsjahr 2022 bestehen, muss aber nach 15 Monaten nachversteuert werden mit 6 %. bb) 20 % Mittelstands-AfA
10.166 20 % Mittelstands-AfA (§ 7g Abs. 5 EStG) wird gewährt: – für abnutzbare bewegliche Anlagegüter, – die „ausschließlich oder fast ausschließlich“ (d.h. mindestens zu 90 %)2 eigenbetrieblich genutzt werden. Gewinnabhängige Voraussetzung für die Gewährung von 20 % Mittelstands-AfA ist u.a., dass der Betrieb im Wirtschaftsjahr, das der Anschaffung oder Herstellung der WKA vorangeht, die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (200.000 t) nicht überschreitet (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG). Da aber bei jedem neuen Betrieb der Gewinn im Vorjahr null ist, erhält jeder neue Betrieb (d.h. jede GmbH & Co KG) 20 % Mittelstands-AfA3. Die volle Mittelstands-AfA für die GmbH & Co KG von Robert beträgt mithin im Jahr der Anschaffung oder Herstellung der WKA (das ist das Jahr der Abnahme im Sinne des § 640 BGB) 20 % aus 5 Mio. t = 1 Mio. t (§ 7g Abs. 5 EStG).
1 Schmidt/Kulosa41, § 7g EStG Rz. 40. 2 Schmidt/Kulosa41, § 7g EStG Rz. 19. 3 Schmidt/Kulosa41, § 7g EStG Rz. 72.
1072 Koch
B. Windkraftanlagen
Rz. 10.169 Kap. 10
cc) Lineare und degressive AfA Neben der Mittelstands-AfA erhält R zeitanteilig die lineare AfA mit 1/16 pro Jahr. 10.167 (§ 7 Abs. 1 EStG). Bei Anschaffung oder Herstellung nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 kann die WKA wahlweise degressiv abgeschrieben werden mit 25 % aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem Restwert, höchstens mit der 2,5-fachen linearen AfA (§ 7 Abs. 2 EStG). c) Große Haftsumme – kleine Pflichteinlage; Nachversteuerung nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG R hat lediglich eine Bareinlage mit 100.000 t geleistet. Die im Handelsregister eingetragene Haftsumme beträgt demgegenüber 5 Mio. t. Durch die Eintragung der hohen Haftsumme im Handelsregister wird für den Rechtsverkehr ein hohes finanzielles Engagement bei minimaler Eigenleistung vorgeführt. Ein Blick in die Handelsbilanz berichtigt den falschen Eindruck.
10.168
Der gefährliche Reiz der Gestaltung ist der hohe steuerliche Verlust aus Gewerbebetrieb durch die hohe Haftsumme bei minimalem Liquiditätsabfluss durch die niedrige Pflichteinlage. Dabei wird die Gefahr einer Nachversteuerung nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG gerne verdrängt. Der alte ausgleichsfähige Verlust wird in den zehn Folgejahren „umgepolt“ in einen verrechenbaren Verlust. Es entsteht ein Gewinn.1 d) Windkraftanlagen als Steuerstundungs-Modell? Ob eine modellhafte Investitionskonzeption zur Beteiligung an einem Windpark 10.169 ein Steuerstundungsmodell im Sinne von § 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG darstellt, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab; diese Frage ist anleger- bzw. gesellschafterbezogen zu prüfen2. Das bedeutet: Das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells ist in Bezug auf jeden einzelnen Anleger (Gesellschafter) und mit Blick auf dessen Anteil an den gemeinsam erzielten Einkünften zu entscheiden und kann daher nicht für alle Anleger einheitlich beantwortet werden. Ist die Anwendbarkeit des § 15b EStG für einen (einzelnen) Fondsgesellschafter zum Zeitpunkt des Beitritts zu bejahen, gilt dies auch für die ihm in der Folgezeit (d.h. in den Folgejahren) aus seiner Beteiligung zugerechnete Verluste. Nach § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG ist es zur Annahme eines Steuerstundungsmodells u.a. erforderlich, dass auf Grund der modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Das ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund des vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünf-
1 Schmidt/Wacker41, § 15a EStG Rz. 103. 2 BFH v. 6.6.2019 – IV R 7/16, BStBl. II 2019, 513 = DStRE 2019, 1136 = GmbHR 2020, 42.
Koch 1073
Kap. 10 Rz. 10.169 Photovoltaik- und Windkraftanlagen
ten zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG)1. Dazu muss der Initiator das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, so dass der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut; im Vordergrund stehen muss die Erzielung negativer Einkünfte allerdings nicht. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt2.
10.170 Das Nds. FG3 hat ein Steuerstundungsmodell für den Fall verneint, dass sich das vorgefertigte Windparkkonzept ausschließlich an ausländische Investoren richtete, weder auf im Inland erzielbare Steuervorteile oder einen im Inland entstehenden Steuerstundungseffekt aufbaute noch mit solchen Steuervorteilen oder Steuerstundungseffekten geworben hat. III. Fußabdruck der Windkraftanlage
10.171 Der „Spiegel“ bringt es auf den Punkt: „Jedes Windrad birgt ein schmutziges Geheimnis. Eine Windkraftanlage besteht aus endlosen Kabelsträngen: 67 Tonnen Kupfer für ein einziges Windrad.“4 Überdies zwingen lange Genehmigungsfristen für den Bau von Windkraftanlagen zu Lande die Windkraft-Branche, mit OffshoreWindkraftanlagen auf das offene Meer auszuweichen. Die Stunde der Wahrheit kommt wohl erst dann, wenn die Windkraftanlage nach ihrer Laufzeit entsorgt werden muss. Die Entsorgung belastet (gerade bei OffshoreWindkraftanlagen) die Rentabilität, den „Fußabdruck“ der Windkraftanlage. Handelsbilanz und Steuerbilanz sollten einen Vorgeschmack geben, was auf die Windkraftanlage beim Recycling zukommt.
1 BFH v. 6.6.2019 – IV R 7/16, BStBl. II 2019, 513 = DStRE 2019, 1136 = GmbHR 2020, 42; v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DStR 2014, 688 = DB 2014, 748. 2 BFH v. 6.2.2014 – IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 = DStR 2014, 688 = DB 2014, 748. 3 Nds. FG v. 15.5.2019 – 9 K 139/13, EFG 2019, 1587 m. Anm. Tiedchen. 4 Der Spiegel, Heft 44/2021, S. 8 ff.: Raubbau im Namen der Umwelt.
1074 Koch
Kapitel 11 Gewerblicher Grundstückshandel A. Begriff des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gewinnerzielungsabsicht . . . . . . II. Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr . . . . . . . IV. Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung 1. Bedingte und unbedingte Veräußerungsabsicht . . . . . . . . .
11.1
11.11 11.12 11.14 11.31
2. Objekte i.S.d. „Drei-ObjektGrenze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitlicher und sachlicher Zusammenhang a) Betrachtungszeitraum . . . . . b) Gesamtschau aller Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Besteuerung des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . .
11.46 11.52 11.54 11.71 11.73
11.41
Literatur: Altfelder, Gewerblicher Grundstückshandel im Wandel, FR 2000, 349; Beck, Gewerblicher Grundstückshandel durch Zurechnung der Verkäufer von Personengesellschaften, Grundeigentum 2013, 38; Bitz, Hat die Abgrenzung zwischen gewerblichem Grundstückshandel und privaten Grundstücksveräußerungen immer noch materielle Bedeutung?, BB 1999, 2111; Bloehs, Die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblichen Grundstücksgeschäften, BB 2002, 1068; Dorn/Langeloh, Gewerblicher Grundstückshandel durch Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft in mehrstufigen Strukturen?, DStR 2016, 1455; Drüen/Krumm, Pflicht und Kür: Über Buchführung, Bilanzierung und Gewinnermittlung bei gewerblichem Grundstückshandel, FR 2004, 685; Engelsing/Wassermeyer, Die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, StuB 2004, 433; Figgener/Kiesel/Haug, Immobilienveräußerungen auf Druck der Bank: Immer gewerblicher Grundstückshandel?, DStR 2010, 1324; Geck/Messner, Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, ZEV 2004, 220; Gouw, Vorweggenommene Erbfolge birgt Steuerfalle des gewerblichen Grundstückshandels, EE 2020, 29; Hartrott, Gewerblicher Grundstückshandel – ein Kurzrepetitorium unter kritischer Würdigung der aktuellen Rechtsprechung des BFH, BB 2010, 2271; Hartrott, Gewerblicher Grundstückshandel auch ohne persönliche Veräußerungsaktivitäten, FR 2013, 126; Heuermann, Die Grenzziehung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung (im Rahmen der §§ 21, 23 EStG, § 14 AO) am Beispiel des gewerblichen Grundstückshandels, in: Einkommen aus Kapital (DStJG 31) 2007, 121; Hutmacher, Die Ausnutzung einer steuerlichen Verwaltungsanweisung als Geschäftsmodell – Planmäßige Errichtung und Veräußerung von Gebäuden als private Vermögensverwaltung, ZNotP 2013, 143; Ihle, Gewerblicher Grundstückshandel ohne eigene Grundstückveräußerung, notar 2012, 406; Kanzler, Der gewerbliche Grundstückshandel aus der unterschiedlichen Perspektive zweier Senate des BFH, FR 2011, 810; Kanzler, Zum gewerblichen Grundstückshandel der Land- und Forstwirte – Ein vermeidbares Übel, DStZ 2013, 822; Kempermann, Gewerblicher Grundstückshandel: Nachhaltigkeit in „Ein-Objekt-Fällen“, DStR 2006, 265; Kempermann, Der gewerbliche Grundstückshandel nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001, DStR 2002, 785; Kempermann, Gewerblicher Grundstückshandel: Indizien für eine von An-
Schallmoser 1075
Kap. 11 Gewerblicher Grundstückshandel fang an bestehende Veräußerungsabsicht; Zurechnung der Tätigkeit eines Generalunternehmers, DStR 2009, 1725; Kratzsch, Vermögensverwaltende Personengesellschaft: Gewerblicher Grundstückshandel durch Veräußerung eines Gesellschaftsanteils? GStB 2019, 296; Krohn, Zurechnung der Grundstücksverkäufe von Personengesellschaften beim gewerblichen Grundstückshandel, AktStR 2013, 59; Köhler, „Bedingte Veräußerungsabsicht“ im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels, BB 2010, 1003; Kobor, Der Gesellschaftsanteil als taugliches „Objekt“ der Drei-Objekt-Grenze, FR 1999, 1155; Küspert, Anteilsveräußerung und gewerblicher Grundstückshandel, DStR 2007, 746; Lammersen, Die Gewerblichkeit von Grundstücksgeschäften – Bestandsaufnahme und Analyse der Rechtsprechung des BFH zur DreiObjekt-Grenze, DStZ 2004, 549, 595; Leisner-Egensperger, Grundstückshandel im Steuerrecht zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 2 EStG), FR 2007, 813; Lüdicke/Naujok, Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, DB 2004, 179; Mensch, Aktuelles aus dem Steuerrecht, BWNotZ 2013, 123; Messner, Auch bei Aufteilung im Kaufvertrag kann gewerblicher Grundstückshandel vorliegen, AktStR 2011, 377; Mörchen, Gewerblicher Grundstückshandel, RNotZ 2020, 309; Moritz, Aktuelle Entwicklungen beim gewerblichen Grundstückshandel, DStR 2005, 2010; Neufang, Gewerblicher Grundstückshandel, StB 2019, 256; Schmidt-Liebig, Gewerbliche und private Grundstücksgeschäfte, 4. Aufl. 2002; Perleberg-Kölbel, Steuerfalle Scheidungsimmobilie, FuR 2016, 94; Peters, Gewerblicher Grundstückshandel – ein Dauerbrenner! AStW 2020, 873; Pflüger, Gewerblicher Grundstückshandel: Erweiterungsbau als Zählobjekt und weitere Fallstricke, GStB 2021, 7; Reddig, Gewerblicher Grundstückshandel bei Errichtung eines Erweiterungsbaus? jurisPR-SteuerR 42/2020 Anm. 3; Reddig, Gestaltungsmissbrauch und gewerblicher Grundstückshandel, jurisPR-SteuerR 8/2020 Anm. 1; Rennar, Gewerblicher Grundstückshandel im Internationalen Steuerrecht. Indikativer Überblick zu DBA-Verteilungsnormen im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht, IWB 2020, 188; Schubert, „Private“ Bauträger und gewerblicher Grundstückshandel, DStR 2003, 573; G. Söffing, Aktuelle Probleme beim gewerblichen Grundstückshandel, FR 2006, 485; M. Söffing/G. Seitz, Gewerblicher Grundstückshandel: Private Vermögensverwaltung trotz Veräußerungsabsicht, DStR 2007, 1841; G. Söffing, Gewerblicher Grundstückshandel: Überblick und kritische Bemerkungen, FS für Spiegelberger (2009), 441; Sommer, Gewerblicher Grundstückshandel im Wandel – „Objektivierung“ der unbedingten Veräußerungsabsicht?, DStR 2010, 1405; Spiegelberger, Zur Frage der Steuerfolgen bei gewerblichem Grundstückshandel, Anm. zu BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, MittBayNot 2018, 606; Spindler, Der gewerbliche Grundstückshandel in der Rechtsprechung des BFH, DStZ 1997, 10; Tiedtke/Wälzholz, Empfehlungen zum gewerblichen Grundstückshandel unter Berücksichtigung des Beschlusses des Großen Senats vom 10.12.2001, DB 2002, 652; Tiedtke/Wälzholz, Der BMF-Erlass vom 26.3.2004 zum gewerblichen Grundstückshandel – Neuerungen für die Praxis, MittBayNot 2004, 325; Tiedtke/Wälzholz, Aktuelle Entwicklungen beim gewerblichen Grundstückshandel, MittBayNot 2004, 5; Vogelgesang, Gewerblicher Grundstückshandel und Drei-Objekt-Grenze, BB 2004, 183; Vogelgesang, BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung in Bebauungsund Erschließungsfällen, Stbg. 2008, 52; Wälzholz/Gutfried, Aktuelle Entwicklungen im Ertragsteuerrecht für die notarielle Praxis, MittBayNot 2011, 265. Verwaltungsanweisung: BMF-Schreiben v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434.
1076 Schallmoser
A. Begriff des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.2 Kap. 11
A. Begriff des gewerblichen Grundstückshandels Ein gewerblicher Grundstückshandel setzt neben den gesetzlichen Tatbestandsmerk- 11.1 malen des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG (insbesondere Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) auch voraus, dass im Einzelfall die Grenze zur privaten Vermögensverwaltung i.S.v. § 14 Satz 3 AO überschritten ist. Dieses Problem der Abgrenzung von gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung als Ausfluss des Dualismus der Einkünfteermittlung hat zu einer inzwischen kaum noch überschaubaren Kasuistik geführt1. Auch wiederholte Entscheidungen des Großen Senats des BFH2 haben keine endgültige Klärung dieser Abgrenzungsfrage herbeizuführen vermocht. Grundsätzlich gilt3: – Die Veräußerung einzelner (oder auch sämtlicher vorhandener) Grundstücke durch einen Grundstückseigentümer, der seinen Grundbesitz als Vermögensanlage nutzt, ist dem Grunde nach keine gewerbliche Handlung, sondern Vermögensverwaltung; dies gilt auch dann, wenn der veräußerte Grundbesitz umfangreich ist und in einer Vielzahl von Einzelgeschäften verkauft wird. – Werden Grundstücke dagegen nachhaltig angeschafft und wieder veräußert, können die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt sein. Zunächst hat die Rechtsprechung die Grenze von der privaten Vermögensverwal- 11.2 tung zum Gewerbebetrieb dann als überschritten angesehen, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund trat4. Diese – reichlich unbestimmte – Abgrenzung von gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung erwies sich in der Praxis jedoch als problematisch; insbesondere die maßgebende Frage, ob ein Objekt bereits mit einer – wenn auch nur bedingten – Weiterveräußerungsabsicht angeschafft oder hergestellt worden ist, war im Einzelfall schwierig zu beurteilen, da es sich bei dieser Absicht um eine innere Einstellung des Steuerpflichtigen handelt, die wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann5. Zur Vermeidung dieser praktischen Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung und zum Zweck einer größeren Rechtssicherheit hat die Rechtsprechung die sog. „Drei-Objekt-Grenze“ entwickelt6, wonach das Vorliegen eines ge1 Förster, HFR 2018, 202. 2 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492; v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 = FR 2002, 452 m. Anm. Kempermann = DStR 2002, 489 = DB 2002, 616 = NJW 2002, 1518 = ZfIR 2002, 316 = MittBayNot 2002, 217. 3 Siehe näher Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 157 f. 4 BFH v. 17.1.1973 – I R 191/72, BStBl. II 1973, 260; v. 8.8.1979 – I R 186/78, BStBl. II 1980, 106. 5 BFH v. 6.4.1990 – III R 28/87, BStBl. II 1990, 1057. 6 BFH v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244.
Schallmoser 1077
Kap. 11 Rz. 11.2 Gewerblicher Grundstückshandel
werblichen Grundstückshandels im Regelfall indiziert wird, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Objekte angeschafft und veräußert werden1. Mit der „DreiObjekt-Grenze“ treten mithin neben die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) zusätzlich drei typisierende Abgrenzungskriterien, und zwar – die Art der erworbenen und verkauften Objekte i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“, – die Zahl der erworbenen und verkauften Objekte und – der zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb oder Errichtung und Veräußerung der betreffenden Objekte. Die sog. Drei-Objekt-Grenze ist keine abschließende, gesetzesähnliche Regelung zur Bestimmung des gewerblichen Grundstückshandels in Abgrenzung zur Vermögensverwaltung; sowohl der Zahl der Objekte als auch dem zeitlichen Abstand zwischen Anschaffung, etwaiger Bebauung und Verkauf kommt lediglich indizielle Bedeutung zu2.
11.3 Mit Beschluss vom 10.12.20013 hat der Große Senat des BFH entgegen der Ansicht des vorlegenden X. Senats4 die sog. „Drei-Objekt-Grenze“ nicht nur auf die Fälle des Erwerbs und des anschließenden Verkaufs von Immobilien beschränkt (sog. Durchhandelsfälle), sondern sie ausdrücklich auch auf die Fälle der Errichtung von Gebäuden auf dem eigenen Grund und Boden des Steuerpflichtigen und der anschließenden Veräußerung (sog. Herstellungsfälle) erstreckt; entsprechende unterschiedliche Objekte werden hinsichtlich der „Drei-Objekt-Grenze“ ggf. auch zusammengerechnet5. 11.4–11.10 Einstweilen frei.
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels 11.11 Nach der auch für den gewerblichen Grundstückshandel maßgebenden Legaldefinition des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG für den Gewerbebetrieb setzt dieser eine selbständige, nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht voraus, die unter Betei1 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492; zur Verfassungsmäßigkeit der „Drei-Objekt-Rechtsprechung“ s. BVerfG v. 4.2.2005 – 2 BvR 1572/01, DStZ 2005, 276. 2 St. Rspr., z.B. BFH v. 15.1.2020 – X R 18-19/18, BStBl. II 2020, 538 = FR 2020, 916 m. Anm. Kanzler. 3 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 = FR 2002, 452 m. Anm. Kempermann = DStR 2002, 489 = DB 2002, 616 = NJW 2002, 1518 = ZfIR 2002, 316 = MittBayNot 2002, 217; s. nachfolgend auch BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann; v. 30.9.2010 – IV R 44/08, BStBl. II 2011, 645 = FR 2011, 710 m. Anm. Kanzler. 4 BFH v. 29.10.1997 – X R 183/96, BStBl. II 1998, 332 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann. 5 BFH v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375 = DStR 2006, 2209 = ZfIR 2007, 589.
1078 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.12 Kap. 11
ligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr stattfindet. Während die Tatbestandsmerkmale Selbständigkeit und Gewinnerzielungsabsicht (s. Rz. 11.12) im Zusammenhang mit dem gewerblichen Grundstückshandel in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfen, muss sich die Rechtsprechung immer wieder mit den Merkmalen der Nachhaltigkeit (s. Rz. 11.14), der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (s. Rz. 11.31) und der Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung (s. Rz. 11.41) beschäftigen. I. Gewinnerzielungsabsicht Das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht kann zweifelhaft sein, wenn 11.12 Grundstücke ohne Gewinn an Angehörige veräußert oder verschenkt werden; solche Objekte sind bei der Prüfung, ob die Drei-Objekt-Grenze beim Schenker im Einzelfall überschritten ist, grundsätzlich nicht einzubeziehen1. Zu beachten ist: – Unentgeltliche Übertragungen können nach den Grundsätzen über die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen als unbeachtlich zu qualifizieren sein oder nicht anerkannt werden, wenn sie einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen oder auf sog. Strohmann-Geschäften bzw. Scheingeschäften i.S.v. § 41 Abs. 2 AO beruhen2. Bei Weiterveräußerung des Objekts durch den Beschenkten wird der Schenker dann im Zweifel so behandelt, als habe er selbst veräußert. – Eine Weiterveräußerung geschenkter Objekte durch den Beschenkten kann ausnahmsweise dem Schenker zuzuordnen sein, wenn er nach dem Gesamtbild der Verhältnisse selbst das „Geschehen beherrscht“ hat und ihm selbst der Erlös aus der Weiterveräußerung zugeflossen ist3. – Eine Einbeziehung schenkweise übertragener Objekte in die Drei-Objekt-Grenze kommt auch dann in Betracht, wenn der Schenker – bevor er sich dazu entschließt, das Objekt unentgeltlich zu übertragen – die (zumindest bedingte) Absicht besessen hat, auch diese Objekte am Markt zu verwerten4.
1 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606; v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811 = DB 2002, 2198 = ZfIR 2002, 837; v. 9.5.1996 – IV R 74/95, BStBl. II 1996, 599; v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; v. 14.3.1989 – VIII R 373/83, BStBl. II 1990, 1053. 2 BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann. 3 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606; v. 15.3.2005 – X R 39/03, BStBl. II 2005, 817 = FR 2005, 943 m. Anm. Fischer = DStR 2005, 1127; v. 17.10.2002 – X B 13/02, BFH/ NV 2003, 162; weitergehend insoweit BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Rz. 9. 4 BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann.
Schallmoser 1079
Kap. 11 Rz. 11.12 Gewerblicher Grundstückshandel
Die bloße Weiterveräußerung von Grundstücken, die durch Erbschaft oder Schenkung unentgeltlich erworben wurden, bleibt auch beim Erben bzw. Beschenkten grundsätzlich unberücksichtigt. In Ausnahmefällen kann die Weiterveräußerung ererbter oder geschenkter Grundstücke bei Beschenkten als Zählobjekt der sog. DreiObjekt-Grenze zu berücksichtigen sein, wenn er erhebliche Aktivitäten zur Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten entfaltet hat1 (s. Rz. 11.51).
11.13 Auch teilentgeltliche Veräußerungen sind mangels Gewinnerzielungsabsicht bei der Frage des Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze nicht zu berücksichtigen, wenn das Teilentgelt die Selbstkosten des Steuerpflichtigen nicht übersteigt2. II. Nachhaltigkeit
11.14 Die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit3 setzt grundsätzlich voraus, dass sie auf Wiederholung angelegt ist4; danach kann die Nachhaltigkeit im Einzelfall sowohl in mehreren gleichartigen Veräußerungshandlungen (etwa in der Veräußerung von mehreren Objekten an verschiedene Erwerber), aber auch in einem einmaligen Entschluss (etwa dem Entschluss zur Errichtung einer Wohnanlage und anschließendem Verkauf der Wohneinheiten) erblickt werden, wenn dieser eine Reihe von Einzeltätigkeiten erforderlich macht, bspw. Erwerb des Baugeländes, Parzellierung, Errichtung der Bauten, Veräußerung der einzelnen Einheiten5. Vor diesem Hintergrund geht die Rechtsprechung von einer nachhaltigen Tätigkeit aus bei – dem Erwerb eines Grundstücks und der anschließenden Veräußerung von elf Miteigentumsanteilen an verschiedene Erwerber6; hierbei kommt es nicht auf die Zahl der Ankäufe, sondern die Zahl der Verkäufe an. – nur einem Verkaufsgeschäft (sog. „Ein-Objekt-Fälle“), wenn – sich aus anderen objektiven Umständen ergibt, dass noch andere Grundstücksgeschäfte geplant waren. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Verkäufer mehrerer Grundstücke sich zunächst um Einzelverkäufe bemüht, dann aber die Grundstücke in einem einzigen Veräußerungsgeschäft an nur einen Käufer verkauft, weil er zufällig einen Gesamtabnehmer gefunden hat7; – die Erfüllung dieses Geschäftes eine Vielzahl von zahlreichen und unterschiedlichen Einzeltätigkeiten erfordert, die in ihrer Gesamtheit die Würdigung rechtfertigen, der Steuerpflichtige sei nachhaltig tätig geworden. So hat der 1 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606; v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375. 2 BFH v. 23.7.2002 – VIII R 19/01, BFH/NV 2003, 1571. 3 Siehe hierzu insbesondere Kempermann, DStR 2006, 265 mit einer umfassenden Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur. 4 Zutreffend insoweit G. Söffing, DB 2002, 964 (968). 5 Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 172. 6 BFH v. 16.4.1991 – VIII R 74/87, BStBl. II 1991, 844. 7 Vgl. BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143.
1080 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.15 Kap. 11
BFH mit Urteil vom 9.12.20021 entschieden, dass eine Personengesellschaft, deren erklärter Gesellschaftszweck die Verwaltung ihres Vermögens ist, und die Eigentümerin von sechs Grundstücksparzellen ist, selbst dann gewerblich tätig werden kann, wenn sie diese Grundstücke durch nur einen Vertrag an eine Erwerberin veräußert, aber ab dem Zeitpunkt des Veräußerungsentschlusses zahlreiche Einzelaktivitäten verschiedenster Art im Hinblick darauf entfaltet hat, dass auf dem zu veräußernden Grundbesitz von der Käuferin ein Einkaufszentrum errichtet werden soll, dessen Baupläne Gegenstand des Kaufvertrages sind; – der Veräußerer das Grundstück für den Erwerber bebaut und dabei „wie ein Gewerbetreibender“ (Bauunternehmer, Generalübernehmer oder Baubetreuer) tätig wird2. Kein entscheidendes Merkmal ist hingegen allein die Beschaffenheit des veräußerten Gebäudes (z.B. Großobjekt3); – zehn Personengesellschaften, an denen der Steuerpflichtige beteiligt ist, in einer notariellen Urkunde, die eigenständige und voneinander unabhängige Kaufverträge beinhaltet, insgesamt zehn Grundstücke innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Erwerb an acht verschiedene Erwerber-Kapitalgesellschaften veräußern. Dies gilt selbst dann, wenn diese Kapitalgesellschaften jeweils dieselbe Muttergesellschaft haben4. Unbeschadet dieser relativ weit reichenden Erfassung auch von „einmaligen Ver- 11.15 kaufsentschlüssen“ setzt das Merkmal der Nachhaltigkeit dem Grunde nach die Veräußerung mehrerer Objekte voraus; daher wird in der Rechtsprechung insoweit – ebenso wie für die Abgrenzung zur Vermögensverwaltung – regelmäßig auf die Zahl der Verkäufe abgehoben, wobei allerdings das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze die Nachhaltigkeit nicht indiziert5. So ist die Nachhaltigkeit auch dann zweifelhaft, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb mehr als drei Objekte an einen Erwerber verkauft werden, aber aus den Umständen nicht hin-
1 BFH v. 9.12.2002 – VIII R 40/01, BStBl. II 2003, 294 = FR 2003, 454 m. Anm. Kempermann = DB 2003, 700 = ZfIR 2003, 876; bestätigt durch BVerfG v. 20.11.2005 – 2 BvR 629/03, StED 2006, 34. 2 BFH v. 1.12.2005 – IV R 65/04, BStBl. II 2006, 259 = DStR 2006, 225 = ZfIR 2006, 476, zur Veräußerung eines in unbedingter Veräußerungsabsicht erworbenen Grundstücks durch eine vermögensverwaltende GbR – einschließlich einer darauf noch von ihr zu errichtenden Einkaufspassage, bestätigt durch BVerfG v. 11.1.2007 – 2 BvR 360/06, StED 2007, 146; s. auch BFH v. 28.4.2005 – IV R 17/04, BStBl. II 2005, 606 = FR 2005, 989 m. Anm. Fischer = ZfIR 2006, 30. Zur Abgrenzung s. aber auch BFH v. 19.10.2010 – X R 41/08, BFH/NV 2011, 245 = ZfIR 2011, 142, zur Veräußerung eines von einem „branchennah“ tätigen Architekten errichteten Verbrauchermarktes. 3 Kempermann, DStR 2006, 265 (268). 4 BFH v. 22.4.2015 – X R 25/13, BStBl. II 2015, 897 = FR 2016, 173; s. hierzu Siebenhüter, EStB 2015, 390. 5 Z.B. BFH v. 7.10.2004 – IV R 27/03, BStBl. II 2005, 164 = FR 2005, 434 m. Anm. Kanzler.
Schallmoser 1081
Kap. 11 Rz. 11.15 Gewerblicher Grundstückshandel
reichend deutlich wird, dass noch andere derartige Grundstücksgeschäfte geplant waren1. Andererseits bildet die „Drei-Objekt-Grenze“ (wie insbesondere die sog. „Bebauungsfälle“, s. oben Rz. 11.14 a.E. zeigen)2 keine Freigrenze3 (s. hierzu auch Rz. 11.43 a.E.).
11.16–11.30 Einstweilen frei. III. Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
11.31 Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt vor, wenn sich der Verkäufer mit seiner Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt, also an einen nicht abgeschlossenen Kreis von Personen wendet4. Dafür ist weder eine besondere Werbung erforderlich noch eine Bekanntgabe der Veräußerungsabsicht an einen größeren Personenkreis5. Für den Bereich des gewerblichen Grundstückshandels lässt es der BFH ausreichen, wenn die Verkaufsabsicht nur einem kleinen Kreis von Personen – ggf. auch nur einer einzigen Person – bekannt wird und der Verkäufer damit rechnet, dass die Verkaufsabsicht sich herumsprechen werde6. Entscheidend ist, dass der Verkäufer sich insofern an den allgemeinen Markt wendet, als er an jeden, der die Kaufbedingungen erfüllt, verkaufen will7. Hierzu reicht es auch aus, dass im Einzelfall der Anstoß für ein Grundstücksgeschäft nicht vom Steuerpflichtigen selbst ausgeht, sondern dieser lediglich auf ein an ihn herangetragenes Angebot eingeht8 oder der Steuerpflichtige z.B. Wohnungen nur an bestimmte Personen (Bekannte, Mieter oder dgl.) auf deren Wunsch veräußert9; bedeutsam ist auch in diesen Fällen, dass der Steuerpflichtige zu einer Veräußerung an andere Erwerber jedenfalls dann bereit gewesen wäre, wenn sich der Verkauf an den ursprünglich vorgesehenen Käufer zerschlagen hätte10. Hingegen ist die Grenze zur privaten Ver1 Vgl. BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143 (146 f.); v. 4.3.1993 – IV R 28/92, BFH/NV 1993, 728; v. 7.10.2004 – IV R 27/03, BStBl. II 2005, 164 = FR 2005, 434 m. Anm. Kanzler; s. hierzu auch Wüllenkemper, EFG 2003, 1693. 2 Vgl. auch G. Söffing, DB 2002, 964 (967 f.), der zutreffend darauf hinweist, dass in den sog. Durchhandelsfällen die vom Großen Senat hervorgehobenen „besonderen Umstände“ (d.h. etwa die Betätigung wie ein Bauunternehmer oder Bauträger) im Regelfall nicht vorliegen dürften. 3 So auch Kempermann, DStR 2002, 785 (787). 4 Vgl. z.B. BFH v. 10.8.1983 – I R 120/80, BStBl. II 1984, 137. 5 BFH v. 20.2.2003 – III R 10/01, BStBl. II 2003, 510 = DB 2003, 1302 = DStR 2003, 1066 = ZfIR 2003, 733. 6 BFH v. 10.8.1983 – I R 120/80, BStBl. II 1984, 137. 7 BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143 (146 f.). 8 BFH v. 6.2.1997 – III B 122/94, BFH/NV 1997, 477. 9 BFH v. 20.2.2003 – III R 10/01, BStBl. II 2003, 510 = DB 2003, 1302 = DStR 2003, 1066 = ZfIR 2003, 733; s. auch BFH v. 19.9.2002 – X R 51/98, BStBl. II 2003, 394 = DStR 2003, 682 = ZfIR 2003, 737. 10 BFH v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390; v. 20.2.2003 – III R 10/01, BStBl. II 2003, 510 = DB 2003, 1302 = DStR 2003, 1066 = ZfIR 2003, 733; s. auch BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Rz. 4.
1082 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.42 Kap. 11
mögensverwaltung noch nicht überschritten, wenn ein Steuerpflichtiger ein einziges schadstoffbelastetes Grundstück erwirbt und dieses nach der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen veräußert, wenn nicht feststeht, dass er die Sanierungsmaßnahmen in unbedingter Veräußerungsabsicht mit dem Ziel der Erhöhung des Kaufpreises vorgenommen hat1. Fraglich ist, ob eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auch dann 11.32 gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige nur ein Geschäft mit einem Dritten tätigt, sich dieser aber in Wirklichkeit und nach außen erkennbar nach Bestimmung des Steuerpflichtigen an den allgemeinen Markt wendet. Dies hat die Rechtsprechung im Einzelfall für möglich erachtet, wenn es sich bei dem Dritten um eine vorgeschaltete, (teilweise) personenidentische Kapitalgesellschaft handelt2; ein dahin gehender Durchgriff durch eine (teilweise) personenidentische Kapitalgesellschaft ist allerdings auf Fälle des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO, im Einzelnen s. Rz. 11.71 f.) beschränkt. Einstweilen frei.
11.33–11.40
IV. Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung 1. Bedingte und unbedingte Veräußerungsabsicht Bei der Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit von der Vermögensverwaltung stellt 11.41 die Rechtsprechung maßgebend darauf ab, ob bei dem Erwerb oder der Herstellung der betreffenden Objekte bereits eine Veräußerungsabsicht bestand. Hat der Steuerpflichtige beim Immobilienerwerb mit bedingter Veräußerungsab- 11.42 sicht gehandelt und hat er mithin (ggf. neben der Absicht, das Grundstück z.B. durch Vermietung zu nutzen) die Ausnutzung des Vermögenswertes durch spätere Veräußerung des Objekts zumindest in Erwägung gezogen, kommt es maßgeblich auf die Zahl der erworbenen und verkauften Objekte und den zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb oder Errichtung und Veräußerung der betreffenden Objekte an3. Das Überschreiten der sog. Drei-Objekt-Grenze indiziert eine von Anfang an bestehende, zumindest bedingte Veräußerungsabsicht und damit einen gewerblichen Grundstückshandel, wenn zwischen der Anschaffung oder Bebauung der maßgeblichen Objekte und deren Veräußerung ein zeitlicher Zusammenhang (s. Rz. 11.52) besteht – d.h. ein Zeitraum von in der Regel nicht mehr als fünf Jahre
1 BFH v. 15.4.2004 – IV R 54/02, BStBl. II 2004, 868 = DB 2004, 2402 = ZfIR 2004, 1023. 2 Vgl. BFH v. 13.12.1995 – XI R 43/89, XI R 44/89, XI R 45/89, BStBl. II 1996, 232; v. 18.3.2004 – III R 25/02, BStBl. II 2004, 787. 3 Vgl. BFH v. 23.10.1987 – III R 275/83, BStBl. II 1988, 293; s. auch Beschluss des Großen Senats des BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (294) = FR 2002, 452 m. Anm. Kempermann = DStR 2002, 489 = DB 2002, 616 = NJW 2002, 1518 = ZfIR 2002, 316 = MittBayNot 2002, 217; kritisch zu dieser Rechtsprechung u.a. M. Söffing/G. Seitz, DStR 2007, 1841.
Schallmoser 1083
Kap. 11 Rz. 11.42 Gewerblicher Grundstückshandel
liegt1. Eine bedingte Veräußerungsabsicht kann selbst dann indiziert sein (d.h. vermutet werden), wenn die eigentliche Absicht auf eine anderweitige Nutzung (Vermietung; Selbstnutzung) als durch Verkauf gerichtet war2.
11.43 Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 10.12.20013 ausdrücklich die bloße Indizwirkung der Elemente der sog. „Drei-Objekt-Grenze“ betont4. Die Zahl der verkauften Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten sind daher sowohl bei Überschreiten als auch bei Unterschreiten lediglich Beweisanzeichen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer gewerblichen Tätigkeit5. Der BFH hat zugleich klargestellt, dass es auf die Zahl der Objekte und den zeitlichen Zusammenhang nicht ankommt, wenn sich bereits aus anderen – ganz besonderen – Umständen zweifelsfrei eine von Anfang an bestehende oder umgekehrt eine fehlende Veräußerungsabsicht ergibt6. So kann bspw. auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn – das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden ist7, – ein Grundstück von vornherein auf Rechnung oder nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird, – das Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden Steuerpflichtigen erhebliche Leistungen für den Bau erbringt, die nicht wie unter Fremden abgerechnet werden8, – der Steuerpflichtige das Bauprojekt nur kurzfristig finanziert, bereits während der Bauphase seine Veräußerungspläne dokumentiert, z.B. indem er Veräußerungsannoncen aufgibt oder einen Makler mit dem Verkauf des Objekts betraut, schon vor der Fertigstellung des Bauobjekts einen Vorvertrag mit dem künftigen
1 Z.B. BFH v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244; v. 1.12.1989 – III R 56/85, BStBl. II 1990, 1054; Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 174. 2 BFH v. 6.4.1990 – III R 28/87, BStBl. II 1990, 1057 m.w.N. 3 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 = FR 2002, 452 m. Anm. Kempermann = DStR 2002, 489 = DB 2002, 616 = NJW 2002, 1518 = ZfIR 2002, 316 = MittBayNot 2002, 217. 4 Siehe dazu Spindler, StbJb. 2002/2003, 61. 5 St. Rspr., zuletzt BFH v. 15.1.2020 – X R 18-19/18, BStBl. II 2020, 538 = FR 2020, 916 m. Anm. Kanzler. 6 Z.B. BFH v. 28.4.2005 – IV R 17/04, BStBl. II 2005, 606 = FR 2005, 989 m. Anm. Fischer; v. 16.5.2002 – III R 9/98, BStBl. II 2002, 571 = FR 2002, 930 m. Anm. Fischer; v. 20.3.2003 – III B 169/01, HFR 2003, 1068; s. ferner Kanzler, Anm. zu BFH v. 15.1.2020 – X R 18-19/18, FR 2020, 918; Neufang, StB 2019, 256, 258; Pflüger, GStB 2021, 7. 7 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 = FR 2002, 452 m. Anm. Kempermann; s. hierzu a. BFH v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811; v. 17.12.2003 – XI R 22/02, BFH/NV 2004, 1629. 8 BFH v. 11.6.1997 – XI R 71/96, BFH/NV 1997, 839.
1084 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.45 Kap. 11
Erwerber schließt oder bei der Veräußerung Gewährleistungspflichten über den bei Privatverkäufen üblichen Rahmen hinaus übernimmt1. Vor diesem Hintergrund bildet die „Drei-Objekt-Grenze“ zugleich keine „Freigrenze“, bei deren Unterschreitung stets von privater Vermögensverwaltung auszugehen wäre2. Hat der Steuerpflichtige von vornherein mit unbedingter Veräußerungsabsicht ge- 11.44 handelt, wird ein gewerblicher Grundstückshandel auch schon bei einem An- und Verkauf von weniger als vier Objekten angenommen3; einer Indizwirkung der Elemente der „Drei-Objekt-Grenze“ bedarf es insoweit nicht. Eine unbedingte Veräußerungsabsicht wurde bspw. angenommen, wenn – der Erwerber die Grundstücke seiner Planung entsprechend jeweils unmittelbar nach Ankauf bebaut und sodann veräußert; – der Erwerber schon vor Anschaffung eines Grundstücks beim Finanzamt einen Antrag auf verbindliche Auskunft stellt, ob die Veräußerung von zwei oder drei Doppelhaushälften eine gewerbliche Tätigkeit darstelle4. Eine bedingte Veräußerungsabsicht kann (nur) durch gewichtige objektive Umstände widerlegt werden5. – Gegen eine von Anfang an bestehende bedingte Veräußerungsabsicht spricht etwa: – eine vom Verkäufer selbst vorgenommene langfristige – über fünf Jahre hinausgehende – Vermietung6 oder eine auf Dauer angelegte Eigennutzung des Objektes7; – der Umstand, dass der Steuerpflichtige das erworbene Gebäude zunächst für eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufwendig renoviert, bevor er sich aufgrund einer Erkrankung zur Veräußerung entschließt8. Denn in diesem Fall wird das bzw. werden die betreffende(n) Objekt(e) erst aufgrund eines neuen Entschlusses wieder veräußert, was eine von Beginn an bestehende (auch nur bedingte) Veräußerungsabsicht widerlegt.
1 BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann. 2 Vgl. Kempermann, DStR 2002, 785 (787). 3 BFH v. 18.9.2002 – X R 5/00, BStBl. II 2003, 286 = DB 2003, 483 = ZfIR 2003, 349; v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375 = DStR 2006, 2209 = ZfIR 2007, 589. 4 FG München v. 6.11.2002 – 10 K 232/00, EFG 2003, 616, rkr. 5 BFH v. 20.3.2003 – III R 10/01, BStBl. II 2003, 510 = DB 2003, 1302 = DStR 2003, 1066 = ZfIR 2003, 733. 6 BFH v. 6.4.1990 – III R 28/87, BStBl. II 1990, 1057; v. 17.2.2005 – X B 185/03, BFH/NV 2005, 1060; Neufang, StB 2019, 256, 260; a.A. für gewerbliche Objekte: FG Nürnberg v. 27.3.2002 – III 154/1999, EFG 2002, 1033. 7 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170; Neufang, StB 2019, 256 (260). 8 BFH v. 20.9.1995 – X R 34-35/93, BFH/NV 1996, 302; zweifelnd Engelsing, StuB 2002, 494.
Schallmoser 1085
11.45
Kap. 11 Rz. 11.45 Gewerblicher Grundstückshandel
– Demgegenüber werden nachträgliche, nicht vom Willen des Steuerpflichtigen abhängige Ereignisse in der Rechtsprechung regelmäßig nicht zur Widerlegung der ursprünglichen (bedingten) Veräußerungsabsicht akzeptiert1; so haben folgende „persönliche und finanzielle Beweggründe für die Veräußerung von Objekten prinzipiell keinen Einfluss auf die Zuordnung des Vorgangs zum gewerblichen Bereich oder zum Bereich der Vermögensverwaltung“2: – Trennung oder Scheidung der Eheleute3, – unvorhersehbare Notsituationen4, – strafrechtliche Verfolgung des Steuerpflichtigen wegen überhöhter Mietforderungen5, – Finanzierungsschwierigkeiten6, – schlechte Vermietbarkeit von Wohnungen7, – negative Entwicklung der Vermietersituation am Wohnungsmarkt8, – nachträgliche Entdeckung von Baumängeln9, – Finanzbedarf zur Sanierung anderer Objekte10. 2. Objekte i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“
11.46 Die frühere Rechtsprechung hatte regelmäßig Wohneinheiten (Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen) als eigenständige Objekte i.S.d. „Drei-Ob-
1 Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 180 ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er die Auffassung vertritt, dass diese Rechtsprechung „nicht nachvollziehbar“ sei, da gerade solche „persönlichen und finanziellen Beweggründe“ regelmäßig für eine erst später gefasste Veräußerungsabsicht sprechen. 2 So BFH v. 17.2.1993 – X R 108/90, BFH/NV 1994, 84. 3 BFH v. 4.6.1992 – IV R 79/91, BFH/NV 1992, 809 (811). 4 BFH v. 11.4.1989 – VIII R 267/84, BFH/NV 1989, 665; v. 7.6.2000 – III B 75/99, BFH/NV 2000, 1340; v. 20.3.2003 – III R 10/01, BStBl. II 2003, 510 = DB 2003, 1302 = DStR 2003, 1066 = ZfIR 2003, 733. 5 BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143. 6 BFH v. 5.9.1990 – X R 107-108/89, X R 107/89, X R 108/89, BStBl. II 1990, 1060; v. 27.2.1991 – XI R 37/89, BFH/NV 1991, 524; v. 10.10.1991 – XI R 22/90, BFH/NV 1992, 238. 7 BFH v. 11.12.1991 – III R 59/89, BFH/NV 1992, 464 (467). 8 BFH v. 2.3.1990 – III R 75/85, BFH/NV 1991, 584. 9 BFH v. 10.10.1991 – XI R 22/90, BFH/NV 1992, 238. 10 BFH v. 5.5.2004 – XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399, unter Hinweis darauf, dass Veräußerungsmotive im Allgemeinen nichts darüber aussagten, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zum Verkauf bereit gewesen wäre und insofern von Anfang an eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht bestanden habe.
1086 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.47 Kap. 11
jekt-Grenze“ beurteilt1. Jede einzelne veräußerte Wohneinheit bildete demnach ein selbständiges Objekt i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“2. Für den Verkauf unbebauten Grundbesitzes hingegen sollte keine feste „Drei-Objekt-Grenze“ gelten; so hatte der IV. Senat unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung3 mit Urteil vom 4.3.19934 entschieden, dass bereits bei dem Erwerb und der Veräußerung eines einzigen großen Grundstücks ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegen könne, wenn der Grundbesitz in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb von Personen, die ihrem Beruf nach Bau- und Grundstücksgeschäften nahe stehen, aufbereitet, erschlossen und veräußert werden und wenn die Gesamtheit der Aktivitäten zur „Baureifmachung“ objektiv erkennbar auf Wiederholung angelegt ist. Die aktuelle Rechtsprechung unterscheidet bei der Anwendung der „Drei-ObjektGrenze“ nicht mehr zwischen Wohneinheiten und unbebautem Grundbesitz5. Objekt i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“ ist danach grds. jedes selbständig veräußerbare 11.47 und nutzbare Immobilienobjekt. Hierzu zählen unbebaute Grundstücke ebenso wie bebaute Grundstücke, also – Eigentumswohnungen (und zwar unabhängig von der Höhe des Miteigentumsanteils am Gesamtobjekt)6; – Einfamilienhäuser7; – Doppelhaushälften8; – Zweifamilienhäuser9; – Mehrfamilienhäuser10;
1 Z.B. BFH v. 22.3.1990 – IV R 23/88, BStBl. II 1990, 637; v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143; v. 18.9.1991 – XI R 23/90, BStBl. II 1992, 135 = DB 1992, 251 = ZMR 1992, 457. 2 Siehe BFH v. 16.5.2002 – III R 9/98, BStBl. II 2002, 571 = FR 2002, 930 m. Anm. Fischer. Ausnahmsweise können danach mehrere Wohnungseigentumsrechte desselben Eigentümers steuerrechtlich als wirtschaftliche Einheit und damit als ein Objekt zu beurteilen sein, wenn sich der Inhaber der Wohnungseigentumsrechte schon im Zeitpunkt des Abschlusses der einzelnen Kaufverträge zur Errichtung und Übertragung einer zwei oder mehr Wohnungseigentumsrechte umfassenden einheitlichen Wohnung verpflichtet. 3 Vgl. BFH v. 8.7.1982 – IV R 20/78, BStBl. II 1982, 700. 4 BFH v. 4.3.1993 – IV R 28/92, BFH/NV 1993, 728. 5 BFH v. 24.1.1996 – X R 12/92, BFH/NV 1996, 608. 6 Z.B. BFH v. 17.12.2003 – XI R 83/00, BStBl. II 2004, 699; v. 25.1.1996 – IV R 76/92, BFH/ NV 1996, 678. 7 Z.B. BFH v. 25.1.1996 – IV R 76/92, BFH/NV 1996, 678; v. 19.12.1990 – X R 165/87, BFH/NV 1991, 381. 8 Allerdings zählen zwei Doppelhaushälften auf einem ungeteilten Grundstück nur als ein Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze, vgl. BFH v. 14.10.2003 – IX R 56/99, BStBl. II 2004, 227 = DB 2004, 232 = ZfIR 2004, 164 = ZNotP 2004, 151. 9 Z.B. BFH v. 25.1.1996 – IV R 76/92, BFH/NV 1996, 678. 10 BFH v. 18.5.1999 – I R 118/97, BStBl. II 2000, 28 = FR 1999, 944 m. Anm. Fischer; v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530 = FR 2000, 820 m. Anm. Weber-Grellet; v. 15.7.2004 – III R 37/02, BFH/NV 2004, 1587; v. 3.8.2004 – X R 40/03, BStBl. II 2005, 35.
Schallmoser 1087
Kap. 11 Rz. 11.47 Gewerblicher Grundstückshandel
– Gewerbebauten1; – Tiefgaragenplätze, wenn diese nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Wohnung veräußert werden2. Dabei kommt es weder auf die Größe, den Wert oder sonstige mit den einzelnen Objekten zusammenhängende Umstände (bspw. die Nutzungsart) an3. Die Finanzverwaltung folgt der BFH-Rechtsprechung4. Bei der Frage, ob die Drei-Objekt-Grenze überschritten ist, ist nicht auf das dingliche Rechtsgeschäft (im Sinne des Veräußerungsbegriffs des § 16 EStG), sondern auf das obligatorische Geschäft abzustellen. Die Rechtsprechung hat deshalb auch gescheiterte Grundstückskaufverträge für das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze ausreichen lassen5. Zur Veräußerung ererbter oder geschenkter Grundstücke s. Rz. 11.51, Rz. 11.53.
11.48 Zu den Objekten i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“ zählen ggf. auch: – Miteigentumsanteile an einem Grundstück, die an verschiedene Erwerber veräußert werde; in diesem Fall stellt jeder Miteigentumsanteil ein Zählobjekt i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“ dar6. – Anteile an Grundstücksgesellschaften7; die Veräußerung einer solchen Beteiligung (bspw. zur Aufnahme neuer Gesellschafter) wird gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO einer anteiligen Grundstücksveräußerung gleichgestellt. Für die „Drei-Objekt-Grenze“ 1 BFH v. 18.5.1999 – I R 118/97, BStBl. II 2000, 28 = FR 1999, 944 m. Anm. Fischer; v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530 = FR 2000, 820 m. Anm. Weber-Grellet; v. 3.8.2004 – X R 40/03, BStBl. II 2005, 35. 2 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Rz. 8; Allerdings zählen Garagen, die als Zubehörräume zu Eigentumswohnungen gehören, auch dann nicht als eigenständiges Objekt i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“, wenn sie an andere Erwerber als die Käufer der Eigentumswohnung veräußert werden, vgl. BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238 = FR 2003, 243 m. Anm. Kempermann; Brandis/Heuermann/ Bode, § 15 EStG Rz. 178. 3 Ständige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 16.5.2002 – III R 9/98, BStBl. II 2002, 571 = FR 2002, 930 m. Anm. Fischer; v. 3.8.2004 – X R 40/03, BStBl. II 2005, 35 = ZfIR 2005, 61; v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = DB 2007, 2234 = ZfIR 2007, 804 = ZNotP 2007, 434; v. 17.12.2008 – IV R 77/06, BStBl. II 2009, 791 = FR 2009, 864 m. Anm. Kanzler; v. 30.9.2010 – IV R 44/08, BStBl. II 2011, 645 = FR 2011, 710 m. Anm. Kanzler. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Rz. 8; anders noch BMF v. 20.12.1990 – IV B 2-S 2240-61/90, BStBl. I 1990, 884, Rz. 9. 5 BFH v. 15.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291; v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530 = FR 2000, 820 m. Anm. Weber-Grellet; v. 7.4.1992 – VIII R 34/91, BFH/NV 1992, 797. 6 BFH v. 7.12.1995 – IV R 112/92, BStBl. II 1996, 367. 7 BFH v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; s. auch BFH v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390; v. 14.12.2006 – IV R 3/05, BFH/NV 2007, 601 = FR 2007, 550 m. Anm. Wendt sowie BMF v. 20.12.1990 – IV B 2-S 2240-61/90, BStBl. I 1990, 884, Rz. 16; s. hierzu auch Götz, FR 2005, 137.
1088 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.50 Kap. 11
soll es dabei – auch bei der Veräußerung nur eines Gesellschaftsanteils – auf die Zahl der im Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) befindlichen Grundstücke ankommen1. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist allerdings Voraussetzung für die Zurechnung solcher Anteilsveräußerungen, dass der Gesellschafter zu mindestens 10 % beteiligt ist oder dass eine Beteiligung von weniger als 10 % einen Verkehrswert von mehr als 250.000 t hat2. – Grundstücke, die durch den Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme von grundstücksbezogenen Verbindlichkeiten in die Gesellschaft eingebracht werden3 – bestehende Erbbaurechte, wenn sie veräußert werden (s. aber Rz. 11.50; s.a. Rz. 5.105, 5.113)4. Erwerben und veräußern mehrere Personen Grundbesitz teils in der Form von 11.49 Bruchteilsgemeinschaften, teils in Form vermögensverwaltender Personengesellschaften, können in die steuerrechtliche Gesamtbeurteilung der Tätigkeit der einzelnen Gemeinschaften oder Gesellschaften die Aktivitäten der jeweils anderen Gemeinschaften oder Gesellschaften jedenfalls dann miteinbezogen werden, wenn alle Gemeinschafter oder Gesellschafter identisch sind5.
11.50
Kein Objekt i.S.d. „Drei-Objekt-Grenze“ ist – die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts (s. aber Rz. 11.48; s.a. Rz. 5.105, 5.113)6; – eine Wohnung, die im Wege einer Teilauseinandersetzung auf einen Gemeinschafter übertragen wird, da die lediglich interne Zuordnung einzelner Wohnun-
1 So BFH v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250 = ZfIR 2003, 293; dem folgend: BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434 Rz. 18. Diese Rechtsprechung ist u.E. nicht unbedenklich. So hat bereits der XI. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss v. 2.9.1992 – XI R 21/91 (BStBl. II 1993, 668 unter B.II.9.) zur Abgrenzung von Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung zutreffend auf die „Betätigung“ des Steuerpflichtigen auf dem Grundstückssektor abgestellt. Veräußert aber ein Gesellschafter lediglich einen Anteil an einer Grundstücksgemeinschaft, liegt seine „Betätigung“ aber gerade nur in einem Veräußerungsgeschäft! 2 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434 Rz. 17. Der X. Senat des BFH hält allerdings die Grenzen dieser Verwaltungsauffassung jedenfalls dann für nicht zutreffend, wenn der betreffende Gesellschafter über eine Generalvollmacht verfügt oder aus anderen Gründen die Geschäfte der Grundstücksgesellschaft maßgeblich bestimmt, vgl. BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = DB 2007, 2234 = ZfIR 2007, 804 = ZNotP 2007, 434. 3 BFH v. 19.9.2002 – X R 51/98, BStBl. II 2003, 394 = DStR 2003, 682 = ZfIR 2003, 737. 4 Vgl. BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = DB 2007, 2234 = ZfIR 2007, 804 = ZNotP 2007, 434. 5 BFH v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369 = DB 1996, 1382. 6 BFH v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885 = FR 2008, 127 m. Anm. Kanzler = DB 2007, 2234 = ZfIR 2007, 804 = ZNotP 2007, 434.
Schallmoser 1089
Kap. 11 Rz. 11.50 Gewerblicher Grundstückshandel
gen an die Gemeinschafter schon nicht zum Übergang wirtschaftlichen Eigentums führt1; – eine Wohnung, die von einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder Bruchteilsgemeinschaft im Wege der Realteilung den Gemeinschaftern gegen Zahlung auf das gemeinsame Baukonto zu Alleineigentum zugewiesen wird2.
11.51 Die Veräußerung eines ererbten Grundstücks als viertes Grundstück innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren führt auch dann grundsätzlich nicht zur Überschreitung der „Drei-Objekt-Grenze“, wenn die Veräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb durch den Erblasser erfolgt3. Denn bei einem im Wege der Erbfolge auf den Veräußerer übergegangenen Grundstück ist hinsichtlich der Frage des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung und Veräußerung die Besitzdauer des Erblassers grundsätzlich nicht wie eine eigene Besitzzeit des Veräußerers zu werten. Die Veräußerung ererbter oder geschenkter Grundstücke kann ausnahmsweise als Zählobjekt der sog. Drei-Objekt-Grenze zu berücksichtigen sein, wenn der Steuerpflichtige erhebliche Aktivitäten zur Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten entfaltet hat4. Für die Beurteilung des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs (näher s. Rz. 11.53) ist bei einer solchen Konstellation nicht auf den Zeitraum zwischen Eigentumserwerb und Veräußerung abzustellen; vielmehr kommt es für die Berechnung der Drei-Objekt-Grenze dann darauf an, dass weniger als fünf Jahre zwischen der wertsteigernden Maßnahme und der Verwertung liegen5. Die Veräußerung unentgeltlich erworbener Grundstücke kann ferner dann als Zählobjekt zu berücksichtigen sein, wenn bereits der Erblasser/Schenker in seiner Person einen gewerblichen Grundstückshandel begründet hat und der Erbe einen unternehmerischen Gesamtplan fortführt6. 3. Zeitlicher und sachlicher Zusammenhang a) Betrachtungszeitraum
11.52 Die Indizwirkung einer Überschreitung der sog. Drei-Objekt-Grenze setzt voraus, dass zwischen Anschaffung oder Bebauung der maßgeblichen „Objekte“ und deren Veräußerung ein zeitlicher Zusammenhang besteht; darunter wird ein Zeitraum 1 BFH v. 25.1.1996 – IV R 76/92, BFH/NV 1996, 678. 2 BFH v. 9.5.1996 – IV R 74/95, BStBl. II 1996, 599. 3 BFH v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530 = FR 2000, 820 m. Anm. Weber-Grellet. 4 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606; v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375. 5 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606. 6 BMF v. 9.7.2001 – IV A 6-S 2240-35/01, BStBl. I 2001, 512 sowie BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434 Rz. 9 a.E.
1090 Schallmoser
B. Tatbestandsmerkmale des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.53 Kap. 11
von in der Regel nicht mehr als fünf Jahren verstanden1. Der Fünfjahreszeitraum2 bildet allerdings keine starre Grenze, sondern lediglich ein objektives Beweisanzeichen (Indiz)3. Auch Objekte, die nach mehr als fünf Jahren seit dem Erwerb oder der Errichtung veräußert werden, bleiben nicht generell außer Betracht; es verringert sich lediglich die von dem (insoweit größeren) zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung. Diese muss ggf. durch andere Anhaltspunkte ergänzt bzw. verstärkt werden4. Als verstärkende Anhaltspunkte kommen in Betracht: – Eine hauptberufliche Tätigkeit im Baugewerbe bzw. in einem dem Baugewerbe nahestehenden Beruf (z.B. Architekt)5. Bei einem im Rahmen einer Mitunternehmerschaft ausgeübten gewerblichen Grundstückshandel müssten sich insoweit die übrigen Gesellschafter die Branchenkenntnisse und Geschäftsbeziehungen auch nur eines Gesellschafters unabhängig von den konkreten Vertretungsregelungen (Einzel- oder Gesamtvertretung) zurechnen lassen6. – Eine Vielzahl von Veräußerungen7. Zudem hat der BFH mit Urteil vom 18.9.19918 entschieden, dass die erforderliche 11.53 Nachhaltigkeit der auf Gewinnerzielung gerichteten Betätigung auch einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verwertung der einzelnen Objekte durch den Steuerpflichtigen verlange; auch insoweit sei grundsätzlich auf einen Fünfjahreszeitraum abzustellen, so dass sich insgesamt unter Einbeziehung der Anschaffung oder Errichtung des Einzelobjekts ein Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ergebe9. Eine sich auf die Veräußerung eines ersten Objekts anschließende, mehr als zweijährige inaktive Phase, in der die dann nachfolgenden späteren Grundstücksgeschäfte noch nicht konkret absehbar sind und während der keine Grundstücke im Umlaufvermögen gehalten werden, schließt die Annahme eines gewerblicher Grundstückshandels nicht aus10. Wird ein Mietwohngrundstück allerdings erst 20 Jahre 1 Z.B. BFH v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244; v. 1.12.1989 – III R 56/85, BStBl. II 1990, 1054 = FR 1990, 185; Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 174. 2 Die Frist von fünf Jahren beginnt im Falle der Veräußerung von Eigentumswohnungen in einem zuvor von einem Steuerpflichtigen sanierten Gebäude mit Abschluss der Sanierung, vgl. BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291 = FR 2003, 396 m. Anm. Weber-Grellet = NJW 2003, 1622 = ZfIR 2003, 427. 3 Z.B. BFH v. 14.11.1995 – VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466; v. 18.9.2002 – X R 28/00, BStBl. II 2003, 133 m.w.N. = FR 2003, 187 m. Anm. Weber-Grellet = DB 2003, 249 = ZfIR 2003, 391 = MittBayNot 2003, 166. 4 Z.B. BFH v. 29.11.1989 – X R 100/88, BStBl. II 1990, 1060; v. 5.5.2004 – XI R 25/03, BFH/ NV 2004, 1399 m.w.N. 5 BFH v. 18.9.1991 – XI R 23/90, BStBl. II 1992, 135 = DB 1992, 251 = ZMR 1992, 457. 6 BFH v. 14.11.1995 – VIII R 16/93, BFH/NV 1996, 466. 7 BFH v. 17.2.1993 – X R 108/90, BFH/NV 1994, 84; v. 15.6.2004 – VIII R 7/02, BStBl. II 2004, 914 = ZfIR 2004, 1018, zum gewerblichen Grundstückshandel einer Personengesellschaft bei Verkauf von insgesamt 17 Objekten nach Ablauf der Fünfjahresfrist. 8 BFH v. 18.9.1991 – XI R 23/90, BStBl. II 1992, 135 = DB 1992, 251 = ZMR 1992, 457. 9 Vgl. auch BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434 Rz. 6. 10 BFH v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375 = DStR 2006, 2209 = ZfIR 2007, 589; kritisch hierzu Paus, DStZ 2007, 220.
Schallmoser 1091
Kap. 11 Rz. 11.53 Gewerblicher Grundstückshandel
nach der Anschaffung in acht Eigentumswohnungen aufgeteilt und diese anschließend veräußert, besteht kein (sachlicher und) zeitlicher Zusammenhang mehr zwischen Kauf und Verkauf und damit keine Vermutung einer bei der Anschaffung bereits bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht1. Hat der Steuerpflichtige das maßgebliche Zählobjekt nicht angeschafft, sondern (durch Erbfall, Schenkung oder vorweggenommene Erbfolge) unentgeltlich erworben und hat er erhebliche Aktivitäten zur Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten des Grundstücks entfaltet, ist für die Beurteilung des zeitlichen Zusammenhangs nicht auf den Zeitraum zwischen Eigentumserwerb (durch Erbfall oder Schenkung) und Veräußerung, sondern auf den Zeitraum zwischen der wertsteigernden Maßnahme und der Verwertung abzustellen2. b) Gesamtschau aller Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt
11.54 In die zur Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung notwendige rechtliche Gesamtschau sind grundsätzlich alle Aktivitäten des Steuerpflichtigen auf dem Grundstücksmarkt einzubeziehen3. Allerdings schließt diese gebotene Gesamtbetrachtung es nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger neben seiner gewerblichen Betätigung einzelne Grundstücke auch privat verwaltet4. Folgendes ist zu beachten: – Grundstücksverkäufe einer Gesellschaft oder Gemeinschaft können einem Gesellschafter bzw. Gemeinschafter, der auch eigene Grundstücke veräußert, in der Weise zuzurechnen sein, so dass unter Einbeziehung dieser Veräußerungen ein gewerblicher Grundstückshandel des Gesellschafters/Gemeinschafters anzunehmen ist5. Es besteht insoweit keine „Abschirmwirkung“ der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft. – Ist der Steuerpflichtige gar an mehreren Personengesellschaften (Gemeinschaften) beteiligt, sind die Aktivitäten aller Gesellschaften/Gemeinschaften auf dem Grundstücksmarkt in die Zusammenschau einzubeziehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Gesellschaft/Gemeinschaft zu anderen Zwecken als dem Grund-
1 BFH v. 11.12.1996 – X R 241/93, BFH/NV 1997, 396. 2 BFH v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180 = RNotZ 2018, 204 = MittBayNot 2018, 602, m. Anm. Spiegelberger, MittBayNot 2018, 606. 3 Vgl. z.B. BFH v. 14.3.1989 – VIII R 96/84, BFH/NV 1989, 784; v. 23.4.1996 – VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170; v. 11.12.1996 – X R 241/93, BFH/NV 1997, 396; v. 16.5.2002 – III R 9/98, BStBl. II 2002, 571 = FR 2002, 930 m. Anm. Fischer. 4 Vgl. z.B. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492; v. 31.7.1996 – III B 38/96, BFH/NV 1997, 229. Zur Abgrenzung von selbständigem gewerblichem Grundstückshandel und landwirtschaftlichen Hilfsgeschäften s. BFH v. 8.9.2005 – IV R 38/03, BStBl. II 2006, 166 = DStR 2006, 21; v. 8.11.2007 – IV R 34/05, BFH/NV 2008, 447 = FR 2008, 470 m. Anm. Kanzler. 5 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 = DB 1995, 1892 = MittBayNot 1995, 492; v. 8.11.1995 – XI R 21/91, BFH/NV 1996, 477; v. 7.12.1995 – III R 24/92, BFH/NV 1996, 606.
1092 Schallmoser
C. Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
Rz. 11.71 Kap. 11
stückshandel gegründet worden ist und im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebes aus spezifisch betriebsbezogenen Gründen Grundstücke veräußert (kein „Grundstückshändler wider Willen“). – Ist der Zweck der Gesellschaft/Gemeinschaft auf den Handel mit Grundstücken gerichtet (und insoweit „schädlich“), kann sich der Gesellschafter nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe eine Mehrheitsentscheidung der übrigen Gesellschafter nicht mitgetragen; denn der Gesellschafter disponiert über die Erbringung von Leistungen auch durch die Unterwerfung unter das Mehrheitsprinzip. Ein im Zuge einer Gesamtschau begründeter sachlicher Zusammenhang verschiedener Grundstücksgeschäfte eines Steuerpflichtigen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die einzelnen Objekte unterschiedlichen Nutzungsarten zuzuordnen sind, zumal wenn sie aufeinander bezogen und wesensverwandt sind1. In die rechtlich gebotene Gesamtschau aller Aktivitäten eines Steuerpflichtigen auf 11.55 dem Grundstücksmarkt sind allerdings solche Verkäufe nicht einzubeziehen, bei denen bereits feststeht, dass sie für sich gesehen nicht Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sind2. So wird ein steuerrechtlich „neutraler“ Verkauf von Eigentumswohnungen aus einem größeren, zur Vermietung errichteten Gebäude nicht dadurch „rückwirkend“ im steuerrechtlichen Sinne gewerblich, weil der Verkäufer zwei Jahre später in anderem Zusammenhang einen gewerblichen Grundstückshandel aufnimmt3. Auch zu eigenen Wohnzwecken erworbene Objekte sind in der Regel nicht in dies Gesamtschau einzubeziehen4; dies gilt zumal dann, wenn ein solches Objekt wegen einer unvorhergesehenen Notlage – auch innerhalb einer Zeitspanne von fünf Jahren – verkauft wird5. Einstweilen frei.
11.56–11.70
C. Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten Durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuer- 11.71 gesetz nicht umgangen werden; ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO). Rechtsmissbräuchliche Ge-
1 2 3 4
BFH v. 31.7.1996 – III B 38/96, BFH/NV 1997, 229. BFH v. 11.12.1996 – X R 241/93, BFH/NV 1997, 396. Vgl. auch BFH v. 22.5.1987 – III R 212/83, BFH/NV 1987, 717. BFH v. 16.10.2002 – X R 74/99, BStBl. II 2003, 245 = FR 2003, 297 m. Anm. Weber-Grellet. 5 BFH v. 18.9.2002 – X R 28/00, BStBl. II 2003, 133 = FR 2003, 187 m. Anm. Weber-Grellet = DB 2003, 249 = ZfIR 2003, 391 = MittBayNot 2003, 166.
Schallmoser 1093
Kap. 11 Rz. 11.71 Gewerblicher Grundstückshandel
staltungen i.S.v. § 42 AO hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit einem gewerblichen Grundstückshandel in folgenden Einzelfällen angenommen1: – Einschaltung von Zwischenerwerbern, etwa einer „funktionslosen“ Kapitalgesellschaft, die vom Veräußerer oder ihm nahestehenden Personen beherrscht wird2; – Verkauf von unzusammenhängenden Grundstücken in nur einem Rechtsgeschäft oder an einen einzigen bestimmten Käufer (bspw. an eine Gesellschaft, die ausschließlich aus dem Veräußerer nahestehenden Personen gebildet worden ist3); – Bereitstellung der Mittel für den Kaufpreis durch den Veräußerer4; – Aufbringung der Mittel für den Kaufpreis erst aus dem Verkaufserlös für den Weiterverkauf der Objekte5; – Gründung der Käufergesellschaft aus dem Verkäufer nahestehenden Personen nur zum Zweck des Kaufs und Weiterverkaufs der Objekte und Zahlung eines so hohen Kaufpreises, dass von vornherein nur ein Verlust oder ein unerheblicher Gewinn aus dem Weiterverkauf zu erwarten ist6.
11.72 In den Fällen missbräuchlicher Gestaltung sind die betreffenden Grundstücksgeschäfte gem. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO unmittelbar dem Veräußerer zuzurechnen7. Dasselbe gilt gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 AO, wenn ein Scheingeschäft über einen Strohmann getätigt wird8.
D. Besteuerung des gewerblichen Grundstückshandels 11.73 Als Beginn des gewerblichen Grundstückshandels ist regelmäßig der Zeitpunkt anzusehen, in dem der Steuerpflichtige mit Tätigkeiten beginnt, die objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet sind. Diese sind9: – Bei Errichtung und Veräußerung von Objekten in engem zeitlichem Zusammenhang beginnt der gewerbliche Grundstückshandel grundsätzlich mit der Stellung 1 BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143 = DB 1992, 252. 2 BFH v. 25.4.1996 – VIII B 50/96, BFH/NV 1996, 746; v. 17.6.1998 – X R 68/95, BStBl. II 1998, 667 = FR 1998, 952 m. Anm. Weber-Grellet. Zur Abgrenzung s. BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622 = FR 2010, 706 m. Anm. Hartrott: kein Missbrauch, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft eine wesentliche wertschöpfende eigene Tätigkeit, z.B. durch Bebauung des erworbenen Grundstücks, ausübt. 3 BFH v. 15.3.2005 – X R 39/03, BStBl. II 2005, 817 = FR 2005, 943 m. Anm. Fischer = DStR 2005, 1127. 4 Vgl. BFH v. 4.3.1993 – IV R 28/92, BFH/NV 1993, 728. 5 BFH v. 7.6.2000 – III B 35/97, BFH/NV 2001, 138; v. 18.3.2004 – III R 25/02, HFR 2004, 835 m. Anm. Steinhauff. 6 BFH v. 7.6.2000 – III B 35/97, BFH/NV 2001, 138. 7 BFH v. 17.6.1998 – X R 68/95, BStBl. II 1998, 667 = FR 1998, 952 m. Anm. Weber-Grellet. 8 Vgl. BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143. 9 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Tz. 31.
1094 Schallmoser
D. Besteuerung des gewerblichen Grundstückshandels
Rz. 11.77 Kap. 11
des Bauantrags, bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben mit der Einreichung der Bauunterlagen oder dem Beginn der Herstellung. – Im Fall des Erwerbs und der Veräußerung beginnt der gewerbliche Grundstückshandel grundsätzlich im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs. – Im Fall der Modernisierung und Veräußerung beginnt der gewerbliche Grundstückshandel in dem Zeitpunkt, in dem mit den Modernisierungsmaßnahmen begonnen wird. – Im Fall der Sanierung und Veräußerung beginnt der gewerbliche Grundstückshandel in dem Zeitpunkt, in dem mit den Sanierungsarbeiten begonnen wird. Der Gewinn aus einem gewerblichen Grundstückshandel ist grundsätzlich durch Be- 11.74 triebsvermögensvergleich zu ermitteln. Die zur Veräußerung bestimmten Grundstücksobjekte rechnen zum Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandelsunternehmens1. Daher sind weder eine (Sonder-)AfA für ein aufstehendes Gebäude, noch die Bildung einer § 6b-Rücklage möglich2. Werden die im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels zu erfassenden Grundstücke zwischenzeitlich vermietet, bleiben diese Umlaufvermögen beim gewerblichen Grundstückshandel3. Eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kommt für einen Grundstückshändler 11.75 in Betracht, wenn dieser die Grenzen des § 141 AO nicht überschreitet und nicht nach § 140 AO i.V.m. § 238 HGB buchführungspflichtig ist. Ein Grundstückshändler, dessen Betrieb nach Art oder Umfang keinen in einer kaufmännischen Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betreibt kein Handelsgewerbe und ist kein Kaufmann i.S.d. HGB (§§ 1, 238 HGB), es sei denn, der Betrieb ist ins Handelsregister eingetragen (§ 2 HGB)4. § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG schließt den Sofortabzug der Anschaffungskosten eines Objekts aus; diese Regelung zielt darauf, mögliche Steuerstundungseffekte zu verhindern5. Der Umfang eines gewerblichen Grundstückshandels wird grundsätzlich durch 11.76 den veräußerten Grundbesitz – d.h. durch die Zahl der Objekte i.S.d. „Drei-ObjektGrenze“ – bestimmt. Ein gewerblicher Grundstückshandel wird mit Verkauf des letzten Objekts oder 11.77 durch die endgültige Einstellung der Verkaufstätigkeiten beendet. Gewinne aus den Grundstücksveräußerungen sind auch dann nicht begünstigte laufende Gewinne aus Gewerbebetrieb, wenn zugleich der Gewerbebetrieb aufgegeben wird6. 1 BFH v. 18.9.2002 – X R 28/00, BStBl. II 2003, 133 = FR 2003, 187 m. Anm. Weber-Grellet = DB 2003, 249 = ZfIR 2003, 391 = MittBayNot 2003, 166. 2 Brandis/Heuermann/Bode, § 15 EStG Rz. 190. 3 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Tz. 32. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6-S 2240-46/04 (DE CD), BStBl. I 2004, 434, Tz. 33. 5 Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Gestaltungen (BGBl. I 2006, 1095) eingefügt; s. dazu Hegemann/Querbach, Stbg 2006, 317 f.; Tausch/ Plenker, DB 2006, 800 ff. 6 BFH v. 29.9.1976 – I R 170/74, BStBl. II 1977, 71; v. 23.6.1977 – IV R 81/73, BStBl. II 1977, 721; v. 23.1.2003 – IV R 75/00, BStBl. II 2003, 467 = DB 2003, 916 = ZfIR 2003, 786.
Schallmoser 1095
Kapitel 12 Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten A. Gegenstand privater Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . B. Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der Anschaffung und der Veräußerung . . . . . . . . . . . . . III. Nämlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anschaffung und Veräußerung in Sonderfällen 1. Rückabwicklung wegen Vertragsstörungen . . . . . . . . . . . . . 2. Leistung an Erfüllungs statt . . 3. Todesfall und vorweggenommene Erbfolge . . . . . . . . . . . . . 4. Veräußerungen im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Veräußerung durch verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Überführung eines Grundstücks in ein Betriebsvermögen a) Überführung in das Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft . . . . b) Überführung in das Gesellschaftsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft . . . . . . 7. Veräußerung von Anteilen an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 4 EStG) . . . .
12.1
12.11 12.12 12.17
12.31 12.32 12.33 12.35 12.40
12.42
12.45
8. Anschaffung durch Entnahme aus einem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anschaffung durch Anwachsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Veräußerungsfrist für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte I. Fristlänge: Zehn Jahre . . . . . . . . II. Rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fristbeginn und Fristende . . . . . IV. Rückwirkung einer außerhalb der Veräußerungsfrist erteilten Genehmigung eines Grundstückskaufvertrages? . . . . . . . . . . D. Steuerfreiheit des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundbesitzes (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) I. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschließliche Nutzung . . . . 2. Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren . . . . . E. Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 EStG) I. Technik der Gewinnermittlung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG) . . . . . . II. Zeitpunkt der Besteuerung . . . .
12.64 12.66
12.81
12.82 12.83
12.84
12.91 12.97 12.99 12.101
12.103 12.107
12.61
Literatur (Auswahl): Beck, Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist, Grundeigentum 2010, 1171; Carlé, Hinweise und Empfehlungen zu privaten Veräußerungsgeschäften, KÖSDI 2003, 13983; Demuth/Strunk, Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte i.S.d.
Schallmoser 1097
Kap. 12 Rz. 12.1 Private Veräußerungsgeschäfte § 23 EStG, DStR 2001, 57; Fleischer, Rente und Nießbrauch bei Grundstücksübertragungen, notar 2015, 144; Forchhammer, Der entgeltliche und unentgeltliche Erwerb eines Waldes im Einkommensteuerrecht, DStR 2015, 977; Hartmann/Meyer, Bedeutung des Vorbehaltsnießbrauchs für private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 EStG – Tücken und Lücken der Besteuerung, FR 2001, 757; Heine, Veräußerung von Mobilheimen oder Tiny-Houses als privates Veräußerungsgeschäft? NWB 2021, 3160; Hermanns, Strategien zur Vermeidung eines privaten Veräußerungsgeschäfts bei der Vermögensauseinandersetzung unter Eheleuten, DStR 2002, 1065; Houben, Verlängerung der Fristen bei der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte und verfassungsgerichtlicher Rückwirkungsbegriff, StuW 2006, 147; Hutmacher, Grundstücksveräußerung als privates Veräußerungsgeschäft, ZNotP 2012, 131; Jachmann-Michel, Berücksichtigung von AfA bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer im Ausland belegenen Immobilie, jurisPR-SteuerR 8/2021 Anm. 2; Kiesow, Zur entgeltlichen Übertragung von Mietimmobilien zwischen Ehegatten, DStR 2013, 2252; Mayer/Ball, Zur Einbeziehung von Neubauten in die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 EStG, FR 1999, 925; Paus, „Spekulationsgeschäfte“ mit teilweise selbst genutzten Wirtschaftsgütern, FR 2013, 498; Perleberg-Kölbel, Steuerfalle Scheidungsimmobilie, FuR 2016, 94; Rosarius, Private Veräußerungsgeschäfte im Immobilienbereich nach dem BMFSchreiben vom 5.10.2000 – Grundstücksübertragungen zwischen Privat- und Betriebsvermögen sowie im Gesellschafts- und Gemeinschaftsbereich, INF 2000, 673; Sagmeister, Private Veräußerungsgeschäfte im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen, DStR 2011, 1589; Schießl, Private Veräußerungsgeschäfte unter aufschiebender Bedingung oder „Zustimmungsvorbehalt“, jM 2015, 298; Schultze/Janssen, Die Freigrenze der privaten Veräußerungsgeschäfte (§ 23 Abs. 3 Satz 6 EStG) beim Verlustrücktrag, FR 2002.568; Seitz, Die steuerliche Behandlung privater Grundstücksveräußerungsgeschäfte – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 5.10.2000, DStR 2000, 1867, DStR 2001, 277; Strahl/Fuhrmann, Verfassungswidrigkeit des Verrechnungsverbots nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, FR 2003, 387; Tiedtke/Wälzholz, Private Veräußerungsgeschäfte gem. § 23 EStG bei ausstehenden Genehmigungen – zugleich eine Anmerkung zu dem BFH-Urteil vom 2.10.2001, IX R 45/99, BStBl. II 2002 S. 10, Stbg 2002, 209; Tiedtke/Wälzholz, Private Veräußerungsgeschäfte (Spekulationsgeschäfte) nach § 23 EStG im Rahmen von Trennungsund Scheidungsvereinbarungen, DStZ 2002, 9; Windeknecht, Veräußerungsgeschäfte bei vermögensverwaltenden Immobiliengesellschaften, NWB 2016, 1066.
A. Gegenstand privater Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 12.1 Nach § 23 EStG werden innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen bestimmter in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannter Wirtschaftsgüter im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen. Ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift liegt vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück (s. Rz. 12.2) oder grundstücksgleiches Recht (s. Rz. 12.4) angeschafft (s. Rz. 12.11 ff.) hat und binnen einer Frist von zehn Jahren (s. Rz. 12.81 ff.) wieder veräußert (s. Rz. 12.11 ff.). Die Veräußerung von Grundstücken aus dem Privatvermögen kann aber auch zu einer gewerblichen Tätigkeit – dem sog. gewerblichen Grundstückshandel – führen, wenn die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist (s. hierzu ausführlich Kap. 11).
1098 Schallmoser
A. Gegenstand privater Veräußerungsgeschäfte
Rz. 12.3 Kap. 12
Unter den Begriff des „Grundstücks“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG fallen – (ganze)
12.2
Grundstücke1;
– Teilflächen von Grundstücken; – Miteigentumsanteile an Grundstücken (Bruchteilseigentum, § 741 BGB); – das Wohnungs- oder Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG; s. Rz. 4.3); – mit dem Grundstück fest verbundene – und daher notwendig zusammen mit dem Grundstück veräußerte – Gebäude (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB, „wesentlicher Bestandteil“ eines „bebauten“ Grundstücks), welche zwar grds. ein gegenüber dem Grundstück eigenständiges Wirtschaftsgut darstellen und steuerrechtlich ggf. auch unterschiedlich behandelt werden müssen2, aber als „Bewertungsfaktor“ in die Berechnung eines Bodenveräußerungsgewinns (gewissermaßen automatisch) einbezogen sind3 (zur Einbeziehung von Gebäuden in den Veräußerungsgewinn s. auch Rz. 12.17); – das selbständige Gebäudeeigentum nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets gem. Art. 231, 233 EGBGB; – der (entgeltliche erworbene und anschließend wieder veräußerte) Restitutionsanspruch4; – die Abtretung des Anspruchs auf Grundstücksübereignung5 und – der Erbschaftskauf (§§ 2371 ff. BGB), soweit Gegenstand des Vertrages ein Wirtschaftsgut i.S.d. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 ist6. Unter den Begriff des „Grundstücks“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG fallen 12.3 nicht – mit dem Grundstück nicht fest verbundene Gebäude (Mobilheim; „Tiny House“)7. Ein solches Gebäude stellt u.E. aber ein „anderes Wirtschaftsgut“ i. Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG dar, dessen Veräußerung innerhalb eines Jahres (bei Selbstnutzung) oder innerhalb von zehn Jahren (bei Nutzung als Einkunftsquelle, bspw. zur Erzielung von Mieteinkünften, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 1 Das gilt natürlich auch für ein im Ausland belegenes Grundstück, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Veräußerung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist, s. BFH v. 6.11.2015 – IX B 54/15, BFH/NV 2016, 194. 2 Siehe BFH v. 30.11.1976 – VIII R 202/72, BStBl. II 1977, 384; Trossen in BeckOK/EStG § 23 Rz. 162; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 87. 3 Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, EFG 2021, 1820, n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21; s.a. Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 41; Trossen in BeckOK/EStG § 23 Rz. 162; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 122. 4 BFH v. 13.12.2005 – IX R 14/03, BStBl. II 2006, 513 = DB 2006, 816 = ZfIR 2006, 686; v. 11.12.2008 – IX B 123/08, BFH/NV 2009, 571. 5 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 87; vgl. auch BFH v. 28.6.1977 – VIII R 30/74, BStBl. II 1977, 827. 6 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 87. 7 Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, EFG 2021, 1820, n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21.
Schallmoser 1099
Kap. 12 Rz. 12.3 Private Veräußerungsgeschäfte
EStG) ebenfalls steuerbar sein kann1. U.E. stellt ein solches Gebäude auch keinen „Gegenstand des täglichen Gebrauchs“ dar, da die insoweit maßgebliche Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auf bewegliche Wirtschaftsgüter (bspw. auf PKW) abzielt. Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne wollte der Gesetzgeber mit der Norm, die gegen „nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht getätigte Verlustgeschäfte“ gerichtet ist2, ersichtlich nicht von der Besteuerung ausnehmen; – die Kaufoption auf ein Grundstück – sie ist ein Wirtschaftsgut i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG3; – Sondernutzungsrechte an einem Grundstück; – Bodenschätze, solange sie nicht abgebaut werden4. Werden sie wirtschaftlich genutzt, gehören sie zu den grundstücksgleichen Rechten (s. Rz. 12.4).
12.4 Unter den Begriff des „grundstücksgleichen Rechts“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG fallen – Erbbaurechte (s. Rz. 5.5), – Mineralgewinnungsrechte, – Bodenschätze, wenn sie wirtschaftlich genutzt werden5, – die nach Art. 196 EGBGB nach Landesrecht als Immobiliarrechte ausgestalteten Rechte wie das Bergrecht oder das Fischereirecht6 und – der Erbschaftskauf (§§ 2371 ff. BGB), soweit Gegenstand des Vertrages ein Wirtschaftsgut i.S.d. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 ist.
12.5 Unter den Begriff des „grundstücksgleichen Rechts“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG fallen nicht – Anteile an einer im Privatvermögen befindlichen Beteiligung an einer Personengesellschaft oder anderen Gesamthandsgemeinschaft, in deren Gesamthandsvermögen sich Grundstücke befinden7. Insoweit ist allerdings die Fiktion des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG zu beachten (s. Rz. 12.61 ff.);
1 Gl.A. Heine NWB 2021, 3160. Insoweit unzutreffend Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, a.a.O., n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21. 2 Vgl. BT-Drs. 17/2249, 54. 3 BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768, zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F.; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 87. 4 BFH v. 18.3.1980 – VIII R 148/78, BStBl. II 1981, 794, zu § 7 Abs. 6 EStG; FG München v. 13.9.2006 – 10 K 5285/04, EFG 2007, 188, rkr.; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 87. 5 Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 41. 6 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89. 7 BFH v. 4.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992, 211 ff. = FR 1991, 15 m. Anm. Schmidt; bestätigt durch BFH v. 10.7.1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997, 678 = ZfIR 1997, 759; BMF v. 20.10.1997 – IV B 3-S 2256-54/97, BStBl. I 1997, 899.
1100 Schallmoser
A. Gegenstand privater Veräußerungsgeschäfte
Rz. 12.10 Kap. 12
– Luftfahrzeuge und Schiffe, auch wenn sie teilweise ähnlich wie Grundstücke behandelt werden bzw. in das Schiffsregister eingetragen sind; sie gehören zu den Wirtschaftsgütern i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG1; – mit dem Grundstück nicht fest verbundene Gebäude (Mobilheim; „Tiny House“). Gebäude auf (ggf. langfristig) angemietetem fremden Grundbesitz sind nicht den grundstücksgleichen Rechten (Erbbaurecht) gleichzusetzen. Ungeachtet des Umstands, dass es an einer gesetzlich angeordneten Gleichstellung mit Grundstücken fehlt, besteht keine vergleichbare Situation: Zwar fallen sowohl beim Erbbaurecht als auch bei Gebäuden auf langfristig angemietetem Grundbesitz das Eigentum am Grundstück und das (zivilrechtliche) Eigentum am Gebäude auseinander. Indes handelt es sich beim Erbbaurecht um ein dingliches Recht, das dem Eigentum angenähert ist; dagegen gewährt die Miete nur einen schuldrechtlichen Anspruch des Mieters auf Gebrauchsüberlassung der Sache. Eine Gleichbehandlung für Zwecke der Veräußerungsgewinnbesteuerung ist daher nicht gerechtfertigt2. Überhaupt nicht unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fällt u.E. das Dauerwohn- 12.6 recht (§ 31 ff. WEG)3, da es sich zivilrechtlich um ein reines Nutzungsrecht in der Form einer Dienstbarkeit handelt und § 23 EStG insoweit an das Zivilrecht anknüpft4. Ein auf Sondernutzungsrechte entfallender Veräußerungsgewinn kann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG gleichwohl steuerpflichtig sein; denn die zehnjährige Frist für die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. Nr. 1 wurde auf alle – ggf. auch nur vorübergehend („… zumindest in einem Kalenderjahr …“) – nutzungsertragbringenden „anderen“ Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG5, die nicht unter § 20 EStG fallen und nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden, ausgeweitet6. Einstweilen frei.
12.7–12.10
1 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89. 2 Gl.A. Nds. FG v. 28.7.2021 – 9 234/17, EFG 2021, 1820, n. rkr., Rev., Az. d. BFH: IX R 22/21; Trossen in BeckOK/EStG § 23 Rz. 167.1; Heine NWB 2021, 3160. 3 Gl.A. s. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89; offen gelassen in BFH v. 11.8.1967 – VI R 67/66, BStBl. III 1967, 685. 4 Vgl. BFH v. 4.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992, 211 ff. = FR 1991, 15 m. Anm. Schmidt; v. 10.7.1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997, 678 = ZfIR 1997, 759; s.a. Herrmann/Heuer/ Raupach/Musil, § 23 EStG Rz. 85. 5 Zu den „anderen“ Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zählt auch das Dauerwohnrecht, s. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 89. 6 § 52a Abs. 11 Satz 1 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008, nunmehr § 52 Abs. 31 Satz 1 EStG.
Schallmoser 1101
Kap. 12 Rz. 12.11 Private Veräußerungsgeschäfte
B. Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten I. Allgemeines
12.11 Die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG durchbricht den Grundsatz, dass Überschüsse aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens steuerlich nicht erfasst werden. Die Steuerbarkeit wird aber nicht generell, sondern nur für den Fall normiert, dass Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsguts innerhalb eines bestimmten Zeitraums stattfinden. II. Begriff der Anschaffung und der Veräußerung
12.12 Unter Anschaffung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts von einem Dritten zu verstehen. Erfasst sind mithin alle entgeltlichen Verträge, die auf den Erwerb des (wirtschaftlichen) Eigentums an einem Grundstück oder grundstücksgleichen Rechts gerichtet sind. Spiegelbildlich hierzu ist Veräußerung die entgeltliche Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums an einem Grundstück oder grundstücksgleichen Recht auf einen Dritten. Eine „Spekulationsabsicht“ (gewissermaßen als subjektives Tatbestandselement des § 23 EStG) ist nicht erforderlich1; die demgegenüber – wie bei allen Einkunftsarten des EStG – erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht wird durch die „Haltefristen“ der Vorschrift (s. Rz. 12.81 ff.) in typisierender Weise objektiviert2. 12.13 Als Verträge, die eine Anschaffung oder Veräußerung zum Gegenstand haben, kommen in Betracht: – Kaufverträge; – Tauschverträge3; – Verträge über die entgeltliche Abtretung von Restitutionsansprüchen4; sie stehen einer entgeltlichen Anschaffung oder Veräußerung gleich; – Verträge, die „Verhältnisse schaffen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen, vor allem, wenn besondere Umstände hinzutreten, die dem Käufer wirtschaftliches Eigentum verschaffen“5. Dies kann bspw. durch bindende wechselseitige Kaufangebote, kombiniert mit Darlehensverträgen und Miet- oder Erbbauverträgen, bewirkt werden, wenn eine Situation geschaffen wird, die dem „Käufer“ faktisch die volle Einfluss- und Nutzungsmöglichkeit für den Grundbesitz 1 Ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH v. 22.4.2008 – IX R 29/06, BStBl. II 2009, 296 = DB 2008, 1409 = NJW 2008, 3087; v. 13.12.2009 – IX B 72/09, BFH/NV 2010, 932. 2 BFH v. 25.8.2009 – IX R 60/07, BStBl. II 2009, 999 = DStR 2009, 2188 = NJW 2010, 175; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 13. 3 BFH v. 13.4.2010 – IX R 36/09, BStBl. II 2010, 792 = FR 2010, 948 m. Anm. Bode = DB 2010, 1566. 4 BFH v. 13.12.2005 – IX R 14/03, BStBl. II 2006, 513 = DB 2006, 816 = ZfIR 2006, 686. 5 Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 37.
1102 Schallmoser
Rz. 12.14 Kap. 12
B. Anschaffung und Veräußerung
einräumt und der „Verkäufer“ das Geld bereits erhält1 (s. Rz. 1.722 ff.). Gleiches gilt bspw. für die Übergabe zu Eigenbesitz, den verabredeten vorzeitigen Bezug des Objekts, den vorzeitigen Übergang von Nutzen und Lasten oder die Berechtigung zur Vornahme erheblicher Aufwendungen auf das Grundstück2; – wirksame, beiderseits bindende Vorverträge3 oder aufschiebend bzw. auflösend bedingte Kaufverträge4, soweit sie sich auf ein konkretes Grundstück beziehen5. Kommt es allerdings später nicht zum Vollzug des Vertrages, z.B. wegen Eintritts der auflösenden Bedingung, und fließt der Kaufpreis dementsprechend nicht, wird § 23 EStG nicht (vollständig) erfüllt; – Die Abgabe eines Meistgebots in Zwangsversteigerungsverfahren durch den Bieter (= Anschaffungsgeschäft) bzw. die Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot an einen Dritten (= Veräußerungsgeschäft)6; – Übertragungen im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen7 (§ 1383 BGB; s. Rz. 12.35 ff.). Auch ein unvollständig beurkundeter und deswegen nach § 313 Satz 1, § 125 BGB formunwirksamer Kaufvertrag über ein Grundstück kann nach § 41 Abs. 1 AO eine für die Berechnung der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgebende Veräußerung sein8. Keine Anschaffung oder Veräußerung i.S.d. § 23 EStG beinhalten – ein schlichtes Angebot auf Abschluss eines Kauf- oder Tauschvertrages9, – die bloße Einräumung eines Vorkaufsrechts10 (dies gilt u.E. auch bei einem solchen mit vorab festgelegtem Preis) oder
1 Vgl. etwa BFH v. 23.1.1991 – IV R 95/90, BStBl. II 1992, 553 = MittRhNotK 1993, 102; v. 15.1.1974 – VIII R 63/68, BStBl. II 1974, 606. 2 Gl.A. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 107. 3 BFH v. 13.12.1983 – VIII R 16/83, BStBl. II 1984, 311 = MittBayNot 1984, 156, für einen Fall mit Bewilligung einer Auflassungsvormerkung und Sicherungshypothek zur Sicherung des Kaufpreises. 4 BFH v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487 = FR 2015, 658 m. Anm. Bode = DNotZ 2015, 769 = MittBayNot 2015, 345. 5 Zur Abgrenzung: BFH v. 15.6.2000 – IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238. 6 BFH v. 28.6.1977 – VIII R 30/74, BStBl. II 1977, 827; v. 29.3.1989 – X R 4/84, BStBl. II 1989, 652; v. 18.12.2015 – IX B 101/15, BFH/NV 2016, 400. 7 BFH v. 28.6.1977 – VIII R 30/74, BStBl. II 1977, 827; v. 29.3.1989 – X R 4/84, BStBl. II 1989, 652; v. 18.12.2015 – IX B 101/15, BFH/NV 2016, 400. 8 BFH v. 15.12.1993 – X R 49/91, BStBl. II 1994, 687. 9 Vgl. Carlé, KÖSDI 2003, 12983 (12987); Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 107; Kuhlmann in Frotscher/Geurts, § 23 EStG Rz. 33; Reich, ZNotP 2000, 375 (382). 10 Vgl. BFH v. 19.10.1971 – VIII R 84/71, BStBl. II 1972, 452 = MittBayNot 1972, 204; s.a. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 107; Musil in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 68.
Schallmoser 1103
12.14
Kap. 12 Rz. 12.14 Private Veräußerungsgeschäfte
der Erwerb eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks im Zuge der Liquidation einer GmbH1; denn der Erwerb kraft Gesetzes oder durch einen aufgrund gesetzlicher Vorschriften ergehenden Hoheitsakt ist keine Anschaffung, sofern nicht im Einzelfall weitere Umstände hinzutreten, die dem Erwerber wirtschaftliches Eigentum vermitteln (zu Beispielen s. Rz. 12.13)2.
12.15 Im Rahmen des § 23 EStG ist es grds. ohne Bedeutung, aus welcher Motivation heraus eine Veräußerung getätigt wird; ein Veräußerungstatbestand liegt mithin auch vor im Falle – eines aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus vorgenommenen Notverkaufs3; – eines Eigentumsverlusts oder -erwerbs im Wege der Zwangsversteigerung (s. Rz. 12.13)4.
12.16 Kein Veräußerungsgeschäft ist demgegenüber der zwangsweise Eigentumsverlust durch – die Enteignung5 eines Grundstücks, denn es fehlt insoweit schon am rechtsgeschäftlichen Charakter6 der Enteignung, oder durch – ein Umlegungsverfahren, wenn der Steuerpflichtige dadurch zu einer art- und funktionsgleichen Ersatzbeschaffung gezwungen ist7. Dann löst der Erwerb des Ersatzgrundstücks keinen neuen Fristlauf aus. Das Ersatzgrundstück tritt als Surrogat hinsichtlich Anschaffungszeitpunkt und Anschaffungskosten an die Stelle des eingetauschten Grundstücks. Etwas anderes gilt, wenn in einem Umlegungsverfahren erheblicher Zusatzgrund gegen Ausgleichszahlung zugewiesen wird8. Steht in einem für § 23 EStG nicht zu berücksichtigenden Zwangstausch eine Zwangsmaßnahme unmittelbar bevor, ist u.E. auch ein der Zwangsmaßnahme zu1 BFH v. 19.4.1977 – VIII R 23/75, BStBl. II 1977, 712. 2 Gl.A. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 107. 3 Ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG v. 9.7.1969 – 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 = BStBl. II 1970, 156; BFH v. 8.4.2003 – IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171; v. 2.5.2000 – IX R 74/96, BStBl. II 2000, 469, jeweils m.w.N.; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 75; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 146. 4 BFH v. 28.6.1977 – VIII R 30/74, BStBl. II 1977, 827; v. 18.12.2015 – IX B 101/15, BFH/NV 2016, 400; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 76; Brandis/Heuermann/ Ratschow, § 23 EStG Rz. 146. 5 BFH v. 23.7.2019 – IX R 28/18, BStBl. II 2019, 701; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 73; Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 57. 6 Im Rahmen des § 23 EStG werden nur Erwerbshandlungen des Steuerpflichtigen besteuert, die wesentlich von seinem Willen abhängen, vgl. BFH v. 19.4.1977 – VIII R 23/75, BStBl. II 1977, 712; v. 13.4.2010 – IX R 36/09, BStBl. II 2010, 792 = FR 2010, 948; v. 23.7.2019 – IX R 28/18, BStBl. II 2019, 701. 7 BFH v. 13.4.2010 – IX R 36/09, BStBl. II 2010, 792 = FR 2010, 948 m. Anm. Bode = DB 2010, 1566; v. 23.7.2019 – IX R 28/18, BStBl. II 2019, 701; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 73; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 148. 8 BFH v. 29.3.1995 – X R 3/92, DB 1997, 1647 = BB 1995, 2096.
1104 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.18 Kap. 12
vorkommender Verkauf/Ankauf aus dem Anwendungsbereich des § 23 EStG auszunehmen. III. Nämlichkeit Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungs- 12.17 frist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden1. Vor diesem Hintergrund unterliegen Wirtschaftsgüter der Besteuerung nach § 23 EStG nur dann, wenn das angeschaffte und das veräußerte Gut identisch sind (sog. Erfordernis der „Nämlichkeit“)2. Hiervon gelten Ausnahmen für – Gebäude (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Bis 1999 wurden selbst hergestellte Gebäude nicht vom Tatbestand des § 23 EStG a.F. erfasst. Bei Errichtung eines Gebäudes nach der Anschaffung des Grund und Bodens fehlte es insoweit an der erforderlichen Identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut3. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in seiner aktuellen Fassung sind in das private Veräußerungsgeschäft nunmehr auch Gebäude, Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, Eigentumswohnungen, Teileigentumseinheiten und Außenanlagen einzubeziehen, wenn sie innerhalb des Zehnjahreszeitraumes errichtet, ausgebaut oder erweitert wurden. In den Veräußerungsgewinn sind ferner Gewinnanteile einzubeziehen, die auf Gebäude(-teile) entfallen, die noch nicht fertiggestellt sind4. – Gesellschaftsanteile an vermögensverwaltenden Personengesellschaften; für diese ist § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG anzuwenden (s. Rz. 12.61 ff.). „Nämlichkeit“ von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut bedeutet Iden- 12.18 tität im wirtschaftlichen Sinn5. Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut (sog. „aliud“) vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls6. Maßgebliche Kriterien sind die Gleich-
1 BFH v. 23.8.2011 – IX R 66/10, BStBl. II 2013, 1002 = DB 2011, 2577 = DStR 2011, 2191. 2 BFH v. 22.5.2003 – IX R 9/00, BStBl. II 2003, 712 = DB 2003, 1605 = DStR 2003, 1249; Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 15. 3 BFH v. 27.8.1997 – X R 26/95, BStBl. II 1998, 135 = ZfIR 1998, 232. 4 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158 Tz. 12; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011, S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 12. 5 BFH v. 6.4.2011 – IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850; v. 3.8.2004 – X R 55/01, BFH/NV 2005, 517; v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode = DB 2013, 2306 = DStR 2013, 1937. 6 BFH v. 27.8.1997 – X R 26/95, BStBl. II 1998, 135; v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode = DB 2013, 2306 = DStR 2013, 1937.
Schallmoser 1105
Kap. 12 Rz. 12.18 Private Veräußerungsgeschäfte
artigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut1.
12.19 Wirtschaftliche Teilidentität (sog. „partielle“ Nämlichkeit) ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts2. Beispiel 1: A und B bilden als Erben ihres verstorbenen Vaters eine Erbengemeinschaft. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge geht auf sie u.a. ein Erbbaurecht (samt dem auf dem Erbbaugrundstück errichteten Wohngebäude) über, das dem Vater bereits vor Jahrzehnten eingeräumt worden war. A und B erwerben nunmehr auch das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück und heben das Erbbaurecht auf. Nach Löschung des Erbbaurechts im Grundbuch veräußern sie das Grundstück kurzfristig an einen Dritten.
Für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist dem Erfordernis der Nämlichkeit zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut im Beispiel 1 (nur) teilweise genügt, wenn ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und nach Löschung des Erbbaurechts kurzfristig lastenfrei weiterveräußert wird. Der Ermittlung des Gewinns aus einem solchen privaten Veräußerungsgeschäft ist nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu legen, der wirtschaftlich gesehen auf das Grundstück im belasteten Zustand entfällt (obwohl es unbelastet veräußert wurde). Der anteilige Veräußerungspreis ist ggf. im Schätzungswege zu ermitteln3. Beispiel 2: Erblasser E hat ein vermietetes Mehrfamilienhaus hinterlassen. Erbe ist der gemeinnützige Verein V. Seinem Sohn S hat E aber einen Nießbrauch am Mehrfamilienhaus vermacht. V und S einigen sich darauf, dass S das Mehrfamilienhaus erwirbt; bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen die Beteiligten, dass das Objekt mit einem Nießbrauch belastet ist.
S möchte das Mehrfamilienhaus sogleich veräußern. Er will wissen, ob sich der Veräußerungsgewinn aus dem „vollen Wert“ – also dem Unterschied zwischen dem (wegen des Nießbrauchs reduzierten) Kaufpreis und dem Verkaufspreis – ermittelt oder ob für die Bemessung des Veräußerungsgewinns die derzeitige Wertminderung durch den Nießbrauch berücksichtigt wird.
1 BFH v. 17.10.1974 – IV R 223/72, BStBl. II 1975, 58; v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode = DB 2013, 2306 = DStR 2013, 1937. 2 BFH v. 21.9.2004 – IX R 36/01, BStBl. II 2006, 12 = DB 2005, 85 = GmbHR 2005, 249; v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode = DB 2013, 2306 = DStR 2013, 1937. 3 BFH v. 12.6.2013 – IX R 31/12, BStBl. II 2013, 1011 = FR 2014, 33 m. Anm. Bode = DB 2013, 2306 = DStR 2013, 1937; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 111; Bode, FR 2014, 35; a.A. – insoweit unzutreffend volle Nämlichkeit annehmend: FG BadenWürttemberg v. 30.9.1992 – 14 K 81/91, EFG 1993, 233, rkr.
1106 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.32 Kap. 12
Im Beispiel 2 ist S im Zeitpunkt der Anschaffung des Mehrfamilienhauses bereits Nießbrauchsberechtigter. Er erwirbt (nur) ein belastetes Grundstück zum geminderten Preis (wie im Beispiel 1); veräußert S das Grundstück innerhalb der ZehnJahres-Frist des § 23 EStG, ist dieser Anschaffung ein geminderter Veräußerungspreis gegenüberzustellen (denn nur insoweit besteht Nämlichkeit). Die Minderung ist ggf. durch Schätzung zu ermitteln; Anhaltspunkt hierfür kann die Minderung des Kaufpreises sein, die schon V und S der Grundstücksübertragung zugrunde gelegt haben. Den Nießbrauch hat A nicht „angeschafft“, sondern durch Gesamtrechtsnachfolge unentgeltlich erworben. Ein Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG liegt hinsichtlich des auf den Nießbrauch entfallenden Wertanteils mangels Anschaffung schon dem Grunde nach nicht vor, es sei denn, Erblasser E hätte das Mehrfamilienhaus weniger als zehn Jahre vor Veräußerung durch S erworben (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Einstweilen frei.
12.20–12.30
IV. Anschaffung und Veräußerung in Sonderfällen 1. Rückabwicklung wegen Vertragsstörungen Die Rückabwicklung eines Grundstücks-Anschaffungsgeschäftes wegen irreparabler 12.31 Vertragsstörungen stellt kein Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar1. 2. Leistung an Erfüllungs statt Die Hingabe eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts an Erfüllungs statt 12.32 kann ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft darstellen. Beispiel: A ist Alleinerbe seines Vaters V geworden. Der Bruder B wurde enterbt und macht seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Da A keine ausreichenden Barmittel zur Verfügung stehen, bietet er B an Erfüllungs statt die Übereignung eines Grundstückes an, das vor acht Jahren gekauft wurde. Der Vorgang unterliegt nach h.M. der Besteuerung nach § 23 EStG2. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das hinzugebende Grundstück aus der Erbmasse stammt oder nicht. Ver-
1 BFH v. 16.6.2015 – IX R 21/14, BFH/NV 2015, 1567; v. 27.6.2006 – IX R 47/04, BStBl. II 2007, 162 = DB 2006, 2272 = NJW 2006, 3743 = ZfIR 2007, 461 = MittBayNot 2007, 166; s. dazu Weber-Grellet, DB 2007, 2740 ff. 2 Vgl. BFH v. 16.12.2004 – III R 38/00, BStBl. II 2005, 554 = ZEV 2005, 315 m. Anm. Hübner – zu Betriebsvermögen; s. ferner BFH v. 15.2.1977 – VIII R 175/74, BStBl. II 1977, 389; ebenso wohl BFH v. 30.7.1998 – X B 92/98, BFH/NV 1999, 173 durch Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil; BFH v. 7.4.1992 – VIII R 59/89, BStBl. II 1992, 809 = FR 1992, 624 m. Anm. Fischer; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 54; Reich, ZNotP 2000, 375 (377); kritisch Wachter, MittBayNot 2000, 162 (167); Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237; Tiedtke/Wälzholz, DStZ 2002, 9.
Schallmoser 1107
Kap. 12 Rz. 12.32 Private Veräußerungsgeschäfte gleichbare Probleme können sich bei der Güterstandsschaukel1 und der Leistung an Erfüllungs statt für ein Barvermächtnis stellen.
3. Todesfall und vorweggenommene Erbfolge
12.33 Der Erbfall ist weder Anschaffung noch Veräußerung. Das Gleiche gilt für eine Schenkung. Eine Anschaffung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt jedoch vor, wenn ein Miterbe sich mit den anderen Miterben dahingehend auseinandersetzt, dass er ein Grundstück aus dem Nachlass gegen Ausgleichszahlung an die übrigen Miterben übernimmt2; für die übertragenden Miterben liegt spiegelbildlich ein Veräußerungsvorgang vor. Dabei kann ein nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen, wenn der Erblasser den Grundbesitz binnen der letzten zehn Jahre vor der Erbauseinandersetzung angeschafft hatte. Ähnliche Probleme können sich im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge ergeben, soweit sich der Übernehmer zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags an andere Angehörige des Übergebers oder an Dritte (Gleichstellungsgeld), zu einer Abstandszahlung an den Übergeber oder zur Übernahme von Verbindlichkeiten des Übergebers verpflichtet3. Beispiel: Sohn S hat von seiner Mutter M im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Immobilie erhalten. Der Übergabevertrag enthält folgende Passage: „Der Übergeber ist auf seine Lebensdauer berechtigt, jederzeit von dem Erwerber einen Geldbetrag bis zu einer Höhe von maximal 50 % des Verkehrswertes des gegenwärtigen Vertragsgegenstandes zum Zeitpunkt der heutigen Übertragung zu verlangen. Das Zahlungsverlangen muss höchstpersönlich gestellt werden und ist nicht übertragbar oder vererblich. (…) Der vorgenannte Geldbetrag ist nach schriftlicher Aufforderung durch den Übergeber in monatlichen Raten von 2.000 u jeweils zum Ersten eines Kalendermonats ohne Beilage von Zinsen zur Zahlung fällig, erstmals zum Monatsersten, welcher auf die schriftliche Aufforderung folgt.“ Das Zahlungsverlangen ist mit einer Sicherungshypothek i.H.v. 150.000 t auf dem Grundstück abgesichert. S will die Immobilie sofort wieder verkaufen. Der mit dem Käufer vereinbarte Kaufpreis beträgt 400.000 t. S will mit Blick auf das vereinbarte Zahlungsversprechen den mit der Sicherungshypothek abgesicherten Betrag in einer Summe an M auszahlen.
Die Veräußerung durch S unterliegt der Besteuerung nach § 23 EStG, wenn dieser die Immobilie entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen teilentgeltlich – nämlich zur Hälfte entgeltlich („… 50 % des Verkehrswertes …“) und zur Hälfte unentgeltlich – angeschafft hat. Dies wäre der Fall, wenn M das Zahlungsverlangen stellt und S sodann den mit der Sicherungshypothek abgesicherten „Abstandsbe-
1 Vgl. dazu Zugmaier/Wälzholz, NWB 2005, Fach 10, S. 1521 ff. 2 Vgl. BMF v. 14.3.2006 – IV B 2-S 2242-7/06, BStBl. I 2006, 253; Risthaus, DB 1999, 1032 (1033); Sauren, DStR 2000, 60 (61). 3 Vgl. Niedenführ in Herrmann/Heuer/Raupach, Sonderband zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, § 23 EStG Rz. R 10; Theilacker, BWNotZ 1997, 101 (112); BMF v. 13.1.1993 – IV B 3-S 2190-37/92, BStBl. I 1993, 80, Tz. 7 ff.
1108 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.35 Kap. 12
trag“ von 150.000 t an M auskehrt1. Dabei spielt es keine Rolle, ob er den Betrag in einer Summe oder, wie ursprünglich geplant, in Raten bezahlt. Ein teilentgeltlicher Erwerbsvorgang läge u.E. selbst dann vor, wenn M das Zahlungsverlangen erst nach einer „Schamfrist“ – etwa von einem (oder zwei) Jahr(en) – erhebt. Im Beispielsfall entstünde dann ein Gewinn in Höhe von 50.000 t, den S versteuern muss. Zahlt S indes den hälftigen Verkehrswert des Objektes i.H.v. 200.000 t (statt lediglich den mit der Sicherungshypothek abgesicherten Betrag i.H.v. 150.000 t) an M aus, stünden dem zur Hälfte entgeltlichen Teil der Übertragung gleich hohe Anschaffungskosten gegenüber. Der Vorgang ist zwar wiederum nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar, ein Gewinn entsteht aber nicht. In diesem Fall wäre es u. E. steuerrechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn M zu einem späteren Zeitpunkt Geldbeträge, die sie nicht für ihren Lebensunterhalt benötigt, im Wege der Schenkung (unter Ausnutzung von Freibeträgen) an S zurückfließen lässt. Der Abschluss eines Erb- und/oder Pflichtteilsverzichts vor dem Tod des Betroffe- 12.34 nen gegen Übertragung eines Grundstücks wird nicht als entgeltliches Rechtsgeschäft betrachtet und erfüllt damit weder die Voraussetzungen der Anschaffung noch der Veräußerung i.S.d. § 23 EStG2. Der Verzicht auf einen bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch im Gegenzug3 gegen eine Grundstücksübertragung wird hingegen ähnlich der Leistung an Erfüllungs statt (s. Rz. 12.32) von der h.M. als entgeltliche Veräußerung i.S.d. § 23 EStG behandelt. 4. Veräußerungen im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen Auch bei der Gestaltung von Scheidungsvereinbarungen sind die Regelungen des 12.35 § 23 EStG im Blick zu behalten. Beispiel4: M und F wollen sich scheiden lassen. Nach Durchführung des Scheidungsverfahrens sind noch vermögensrechtliche Streitigkeiten anhängig, u.a. hinsichtlich des Verbleibs eines vor fünf Jahren erworbenen Mietwohngrundstücks, das beiden je zur Hälfte gehört. In einem Vergleich einigen sich beide, dass F den Grundbesitz übernehmen kann und dafür als Gegenleistung einen Ausgleichsbetrag zu zahlen hat bzw. bestehende Verbindlichkeiten allein übernehmen muss. Wird zwischen Ehegatten Grundeigentum gegen eine Gegenleistung (in Form einer baren Ausgleichszahlung oder der Übernahme von Verbindlichkeiten) wie unter fremden Dritten übertragen oder ein Tausch durchgeführt, ist § 23 EStG anwendbar5. Es gibt insoweit kein 1 So auch BMF v. 13.1.1993 – IV B 3 - S 2190 – 37/92, BStBl. I 1993, 80, Tz. 7. 2 BFH v. 16.3.2001 – IV B 96/00, ZEV 2001, 1075 = BFH/NV 2001, 1113 f.; BFH v. 7.4.1992 – VIII R 59/89, BStBl. II 1992, 809 ff. = FR 1992, 624 m. Anm. Fischer; offen gelassen in BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, BStBl. II 2000, 82 ff. 3 Lässt ein Steuerpflichtiger jedoch seinen Pflichtteilsanspruch schlicht verjähren und erhält er daraufhin ein Grundstück geschenkt, ist dies keine Veräußerung i.S.d. § 23 EStG. 4 Nach BFH v. 30.7.1998 – X B 92/98, BFH/NV 1999, 173; s.a. Sauren, DStR 2000, 60 (61). 5 BFH v. 30.7.1998 – X B 92/98, BFH/NV 1999, 173; ebenso Sauren, DStR 2000, 60 (61).
Schallmoser 1109
Kap. 12 Rz. 12.35 Private Veräußerungsgeschäfte „Ehegattenprivileg“, auch nicht im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren oder Vermögensauseinandersetzungen.
12.36 Wird keine Ausgleichszahlung, sondern ein Grundstück als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks(anteils) – gewissermaßen als Leistung an Erfüllungs statt für den Zugewinnausgleichsanspruch – hingegeben, wird darin nach wohl überwiegender1 (wenngleich nicht unumstrittener2) Auffassung, der die Finanzverwaltung folgt3, ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft gesehen. Gleiches gilt bei Hingabe an Erfüllungs statt gegen Verzicht auf Unterhaltsansprüche. Der BFH4 sieht auch in einem reinen Auseinandersetzungsvertrag im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung eine entgeltliche Vereinbarung. 12.37 Das Problem in den vorstehend geschilderten Sachverhaltsvarianten besteht darin, dass zunächst ein Zugewinnausgleichsanspruch entsteht, zu dessen Erfüllung (§ 364 BGB) oder für dessen Verzicht Leistungen erbracht werden, die als entgeltliche Gegenleistungen gewertet werden, so dass ein Veräußerungstatbestand i.S.d. § 23 EStG verwirklicht wird. Dies lässt sich ggf. durch Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft vermeiden, mit der der Zugewinn für alle Fälle außer bei Beendigung der Ehe durch den Tod ausgeschlossen wird. Eine dahin gehende Vereinbarung vermeidet die Entstehung der Gütertrennung5; ein Zugewinnausgleichsanspruch entsteht mithin nicht6. Vor diesem Hintergrund scheidet u.E. eine Leistung an Erfüllungs statt ebenso aus wie die Bewertung eines Anspruchs, auf den verzichtet oder der erlassen wird. Eindeutige Stellungnahmen aus der Rechtsprechung oder der Rechtslehre zu dieser Gestaltung liegen insoweit jedoch nicht vor.
1 BFH v. 15.2.1977 – VIII R 175/74, BStBl. II 1977, 389 ff.; ebenso wohl BFH v. 30.7.1998 – X B 92/98, BFH/NV 1999, 173 durch Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil; Schmidt/ Kulosa41, § 6 EStG Rz. 140 „Zugewinnausgleichszahlung“; Schmidt/Wacker41, § 16 EStG Rz. 599 m.w.N.; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 54. 2 Reich, ZNotP 2000, 375 (379) will danach unterscheiden, ob die Vereinbarung vor der Scheidung getroffen wird oder danach. Würde die Vereinbarung danach getroffen, so sei ein Zugewinnausgleichsanspruch entstanden, es handele sich um einen Fall der entgeltlichen Leistung an Erfüllungs statt. Vor der Scheidung sei der Zugewinnausgleichsanspruch nicht entstanden, daher gebe es (möglicherweise) keine Gegenleistung i.S.d. § 23 EStG, also keine Veräußerung. Diese Differenzierung übersieht, dass der Zugewinnausgleichsanspruch bei Vereinbarung von Gütertrennung sofort entsteht, nicht erst mit Rechtskraft der Scheidung. Kritisch auch Tiedtke, FR 1977, 539 ff.; Tiedtke, FR 1985, 631 ff.; Wachter, MittBayNot 2000, 162 (167); Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237 ff.; Götz, FR 2003, 127 ff. 3 OFD Frankfurt/Main v. 27.2.2014 – S 2256 A-16-St 224, juris; kritisch Tiedtke/Wälzholz, DStZ 2002, 8 ff. 4 BFH v. 31.7.2002 – X R 48/99, BStBl. II 2003, 282 = DB 2003, 530 = DStR 2003, 457 (zu Betriebsvermögen). Vgl. zu ähnlichen Problemen BFH v. 25.6.2003 – X R 72/98, BStBl. II 2004, 403 = FR 2003, 1071 m. Anm. Weber-Grellet. 5 Vgl. zur modifizierten Zugewinngemeinschaft, insbesondere bei Unternehmerehen, Plate, MittRhNotK 1999, 257 ff., dort auch unter C I.1. und 2. 6 Vgl. auch Hermanns, DStR 2002, 1065 ff.
1110 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.38 Kap. 12
Erbschaftsteuerlich handelt es sich insoweit um einen sog. fliegenden Zugewinnausgleich1, der nicht nach § 5 Abs. 2 ErbStG von der Schenkungsteuer befreit ist. Hermanns2 rät in solchen Fällen dazu, die Übertragung vor Entstehung eines Zugewinnausgleichsanspruchs, also vor Abschluss einer Scheidungsvereinbarung durchzuführen, nämlich als unentgeltliche Übertragung unter Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1380 BGB – ein Gedanke, der indes auch bereits Widerspruch erfahren hat3. Ein Veräußerungsvorgang liegt in den vorstehend geschilderten Sachverhalten nicht 12.38 vor, wenn es sich um eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie handelt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; s. näher Rz. 12.91 ff.). Allerdings besteht hier die Gefahr, dass in Trennungsfällen die Vorschriften über die Eigennutzung nicht (mehr) eingehalten werden4. Denn der Steuerpflichtige (= Veräußerer) muss das Wirtschaftsgut zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Diese Voraussetzung ist (nur) erfüllt, wenn er das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten selbst bewohnt hat. Beispiel: M und F wollen sich scheiden lassen. M hat 2010 eine Eigentumswohnung gekauft, in der zunächst beide Ehegatten gewohnt haben. Im Jahr 2017 haben M und F sich getrennt. M ist ausgezogen. F bewohnt die Wohnung seitdem unentgeltlich allein. Im Jahr 2018 wollen beide eine Scheidungsvereinbarung treffen, nach der F die Wohnung erhält, dazugehörige Verbindlichkeiten übernimmt und auf Zugewinnausgleich verzichtet.
Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung an den getrennt lebenden Ehegatten5 ist keine Eigennutzung i.S.d. Gesetzes (s. Rz. 12.93)6. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG sind in diesem Fall nicht erfüllt, da der Eigentümer M (als künftiger Veräußerer) die Wohnung nicht im maßgeblichen Zeitraum („… zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich … oder im Jahr der Veräußerung (= 2018) und in den beiden vorangegangenen Jahren …“) selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat7.
1 BFH v. 24.8.2005 – II R 28/02, BFH/NV 2006, 63; v. 12.7.2005 – II R 29/02, BStBl. II 2005, 843 = FR 2006, 41 mit Komm. Wachter; kritisch hierzu Wälzholz, FR 2007, 638 (645). 2 Hermanns, DStR 2002, 1065 ff. 3 Hollender/Schlütter, DStR 2002, 1932 ff. 4 Gottwald, MittBayNot 2000, 8 (12) Fn. 38; ebenso Meurer, EStB 2001, 139. 5 Der getrennt lebende Ehegatte, der die Wohnung allein bewohnt, nutzt nur in Höhe seines Miteigentumsanteils selbst zu eigenen Wohnzwecken, im Übrigen wird sie ihm vom getrennt lebenden Partner unentgeltlich zur Nutzung überlassen, vgl. Musil in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 130; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158 Tz. 24; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 24. 6 Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 130; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158 Tz. 22 f.; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 22 f. 7 Etwas anderes würde gelten, wenn M erst am 1.1.2018 ausgezogen wäre und noch im gleichen Jahr die Übertragung der Wohnung auf F stattfindet. Denn nach § 23 Abs. 1 Satz 2
Schallmoser 1111
Kap. 12 Rz. 12.39 Private Veräußerungsgeschäfte
12.39 Abweichend hiervon läge – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Eigentümers M i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG vor, wenn dieser die Wohnung einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt1. In diesem Fall sieht es allerdings die h.M – u.E. mit Blick auf den Gesetzeszweck unzutreffend2 – als schädlich an, wenn das Kind die Wohnung gemeinsam mit dem anderen (ggf. ebenfalls unterhaltsberechtigten) Elternteil oder einem weiteren Angehörigen nutzt3 (s. Rz. 12.93). Abwandlung: Die Eheleute M und F leben seit Anfang 2017 getrennt, F ist aus der Ehewohnung ausgezogen. Sie haben zwei gemeinsame volljährige, noch in der Schulausbildung befindliche Kinder. Dem Ehemann M gehört die bisher zu eigenen Wohnzwecken genutzte, im Jahr 2010 angeschaffte Ehewohnung allein. Auch er zieht Ende 2017 aus der vormaligen Ehewohnung aus und überlässt diese bis zum Abschluss der Scheidungsvereinbarung im Jahre 2018 seinen Kindern unentgeltlich zur Nutzung. Die Beteiligten wollen eine Scheidungsvereinbarung wie im Ausgangsbeispiel treffen.
In der Abwandlung sind die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt, da M die Wohnung unentgeltlich Kindern überlassen hat, die zum Bezug von Kindergeld bzw. zum Abzug des Kinderfreibetrages berechtigen. Die Scheidungsvereinbarung kann in der Abwandlung steuerneutral abgeschlossen werden. 5. Veräußerung durch verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft
12.40 Die Überführung eines Grundstücks des Privatvermögens in das Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft kann bewirkt werden durch
Nr. 1 Satz 3 EStG genügt es, wenn der Veräußerer das Objekt im Veräußerungsjahr noch einen einzigen tag selbst zu Wohnzwecken nutzt, vgl. BFH v. 3.9.2019 – IX R 10/19, BStBl. II 2020, 310. 1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 23; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 23; Obermeier, NWB Fach 3, S. 11450 (11466); Seitz, DStR 2001, 277 (280); Reich, ZNotP 2000, 479 (485). 2 Gl.A. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 49. 3 Nds. FG v. 4.3.2010 10 K 259/08, EFG 2010, 1133 = DStRE 2010, 1241, rkr., zur Nutzung durch den volljährigen und nicht mehr zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Sohn; Hess. FG v. 30.9.2015 – 1 K 1654/14, EFG 2016, 201 = DStRE 2017, 270: zur gemeinsamen Nutzung von ehemaliger Lebensgefährtin und Kindesmutter mit dem unterhaltsberechtigten Kind; FG Bad.-Württ. v. 4.4.2016 – 8 K 2166/14, EFG 2016, 1521 = DStRE 2018, 205, zur Nutzung der Wohnung durch ein i.S.d. § 32 EStG nicht mehr berücksichtigungsfähiges Kind; FG München v. 11.3.2021 – 11 K 2405/19, juris, n. rkr., Rev., Az. des BFH: IX R 11/21: zur gemeinsamen Nutzung von getrennt lebender Ehefrau mit dem gemeinsamen Sohn; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 23; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 130; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 51; zu Recht krit.: Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 49.
1112 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.42 Kap. 12
– einen Kauf („wie zwischen fremden Dritten“). Ein solcher unterliegt innerhalb der Zehnjahresfrist der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG; – Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, also im Wege der offenen Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung. In diesem Fall liegt ein tauschähnliches Geschäft vor: Für das Grundstück werden im Austausch Gesellschaftsrechte hingegeben. Dieser Vorgang unterliegt daher ebenfalls als Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung1; – verdeckte Einlage; ihre steuerrechtliche Behandlung ist in § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG geregelt. Eine verdeckte Einlage ist eine auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Vermö- 12.41 genszuführung zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, die nicht im Wege einer Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung gegen Gewährung von neuen Anteilen erfolgt2. Die verdeckte Einlage wird in verschiedenen einkommensteuerlichen Normen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG) einer Veräußerung gleichgestellt; dies gilt auch im Rahmen des § 23 EStG. Dabei wird der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG bereits mit der verdeckten Einlage selbst, also mit Beurkundung einer Verpflichtung zur Übereignung an die Kapitalgesellschaft verwirklicht3. Auf eine spätere Veräußerung kommt es nicht an. 6. Überführung eines Grundstücks in ein Betriebsvermögen Literatur: Altfelder, Beitrag oder Leistung? FR 2005, 6; Königer/Ziegler, Das Familiensplitting nach dem StVereinfG 2011 – eine schenkung- und ertragsteuerliche Vorteilhaftigkeitsanalyse verschiedener Vermögensarten, FR 2011, 937; Levedag, Einbringung und Einlage von Privatvermögen in vermögensverwaltende und gewerbliche Personengesellschaften, GmbHR 2013, 243.
a) Überführung in das Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft Bei der Überführung eines Grundstücks aus dem Privatvermögen in das Betriebs- 12.42 vermögen einer Mitunternehmerschaft ist zu differenzieren: – Wird das Grundstück in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters eingelegt, richten sich die Rechtsfolgen nach den gleichen Regeln wie bei einer Einlage in das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers. Die Einlage selbst löst noch keine Steuer aus, sondern erst ein Weiterverkauf aus dem Betriebsvermögen (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG). Besteuert wird in diesen Fällen nach § 23 Abs. 3 EStG die Differenz zwischen einem gedachten „Buchwert“ im Privatvermögen und dem Einlagewert.
1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 6; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 6; Reich, ZNotP 2000, 479 (484). 2 Vgl. dazu allgemein Tiedtke/Wälzholz, DB 1999, 2026 ff. 3 Vgl. das Beispiel bei Reich, ZNotP 2000, 375 (380).
Schallmoser 1113
Kap. 12 Rz. 12.42 Private Veräußerungsgeschäfte
– Wird das Grundstück in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft überführt, ist zu differenzieren: – Liegt der Übertragung ein Kaufvertrag zugrunde, wird durch den Veräußerungsvorgang § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt. – Wird das Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, löst dieser Vorgang als tauschähnliches und damit entgeltliches Rechtsgeschäft ebenfalls den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus1. – Wird das Grundstück ohne Gewährung jeglicher Gegenleistungen eingebracht, liegt ein Einlagevorgang i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG vor; die Einlage löst noch keine Besteuerung nach § 23 EStG aus, sondern erst eine evtl. spätere Veräußerung aus dem Betriebsvermögen heraus innerhalb der Zehnjahresfrist seit Anschaffung. Die Einlage kann aber schenkungsteuerliche Relevanz haben2.
12.43 Für die Beurteilung der Frage, wann von einer Gewährung von Gesellschaftsrechten auszugehen ist, sind das BMF-Schreiben vom 11.7.2011, geändert durch BMFSchreiben vom 26.7.20163, und die hierzu ergangene BFH-Rechtsprechung4 heranzuziehen: – Grundsätzlich gilt: Erhöht sich durch die Übertragung eines Wirtschaftsguts der Kapitalanteil des Einbringenden, liegt insoweit eine Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vor5. Im Einzelnen: – Einbringungen in Personengesellschaften gegen Buchung des gemeinen Werts des eingebrachten Wirtschaftsguts auf einem Gesellschafterkonto sind entgeltliche Vorgänge und führen zur Gewährung von Gesellschaftsrechten, wenn ein Kapitalkonto angesprochen wird, nach dem sich die maßgebenden Gesellschaftsrechte (insb. Gewinnverteilung, Entnahmerechte, Auseinandersetzungsansprüche) richten; das ist im Regelfall das Kapitalkonto I6. Gleiches gilt, wenn der Wert des Wirtschaftsguts sowohl dem Kapitalkonto I als auch teilweise einem weiteren gesellschaftsvertraglich vereinbarten (variablen) Kapitalkonto (z.B. Kapitalkonto II)
1 BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230 = DB 1999, 615 = DStR 1999, 366; BMF v. 29.3.2000 – IV C 2-S 2178-4/00, BStBl. I 2000, 462 ff. = DStR 2000, 820 ff.; vgl. dazu Steinhauff, NWB Fach 3, S. 10888 ff.; Kusterer, DStR 2000, 821 f.; Schulze zur Wiesche, FR 1999, 519 ff.; Daragan, DStR 2000, 573 ff. 2 Vgl. dazu BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 = ZEV 1995, 74 = DNotZ 1995, 300. 3 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, teilw. geändert durch BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684. 4 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = FR 2016, 513; v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607. 5 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, tz I 1. 6 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, tz I 1.
1114 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.44 Kap. 12
gutgeschrieben oder in eine gesamthänderisch gebundene Rücklage eingestellt wird1. – Erfolgt die Übertragung eines Grundstücks gegen Buchung auf einem Darlehenskonto, kann dieses Konto keine Gesellschaftsrechte gewähren; wegen des Erwerbs einer Darlehensforderung durch den übertragenden Gesellschafter liegt aber gleichwohl ein entgeltlicher Vorgang und damit eine Veräußerung vor2. – Eine Gutschrift ausschließlich auf einem Kapitalkonto II ist jedenfalls dann keine Gegenleistung i.S. einer Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern eine Einlage, wenn sich nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten3. – Soweit dem Einbringenden überhaupt keine Gesellschaftsrechte und auch keine sonstigen Gegenleistungen (einschließlich der Begründung einer Darlehensforderung bei Buchung auf einem Darlehenskonto) gewährt werden, liegt mangels Gegenleistung eine verdeckte Einlage vor. Auf gemeinsamen Antrag des Übertragenden oder des Einbringenden und der übernehmenden Personengesellschaft konnte die bisherige (abweichende) Verwaltungsauffassung in den BMF-Schreiben vom 11.7.20114 und vom 11.11.20115, wonach auch eine Buchung auf dem Kapitalkonto II zu einer Gewährung von Gesellschaftsrechten führt, für Übertragungen und Einbringungen bis zum 31.12.2016 weiterhin angewendet werden. Problematisch kann die Beurteilung einer Einlage sein, wenn es auf der Ebene der 12.44 vermögensmäßig beteiligten Gesellschafter an einem Interessengegensatz fehlt; dies gilt insb. für die Fälle der Einmann-GmbH & Co. KG. Hier könnte der alleinige Gesellschafter eine Buchung auf dem Kapitalkonto II ggf. durch Umbuchung rückgängig machen, so dass der ursprünglich als unentgeltlich angenommene Vorgang später nicht mehr gegeben ist. Hier wird die Finanzverwaltung regelmäßig einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO prüfen6. Dem Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs kann ggf. begegnet werden, wenn vor der Einbringung ein weiterer Gesellschafter aus dem Familienkreis mit in das Unternehmen aufgenommen wird.
1 BFH v. 24.1.2008 – IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, tz II 2a zweiter Spiegelstrich i.V.m. BMF v. 26.7.2016 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2016, 684. 2 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, tz I 2. 3 BFH v. 29.7.2015 – IV R 15/14, BStBl. II 2016, 593 = FR 2016, 513; s.a. BFH v. 4.2.2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607. 4 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2-S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314. 6 Vgl. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl. I 2011, 713 = GmbHR 2011, 950, unter II 2 c.
Schallmoser 1115
Kap. 12 Rz. 12.45 Private Veräußerungsgeschäfte
b) Überführung in das Gesellschaftsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
12.45 Wird ein Grundstück des Privatvermögens ohne Gegenleistung in das Vermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft überführt, liegt keine Anschaffung oder Veräußerung, sondern (anteilig) eine unentgeltliche Rechtsnachfolge vor1. Beispiel: Vater, Mutter und Sohn sind an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zu je einem Drittel beteiligt. Der Vater bringt ein 1999 angeschafftes Grundstück des Privatvermögens im Jahre 2008 ohne bare Gegenleistung oder Erhöhung seiner Beteiligung in das Gesamthandsvermögen ein.
Der Vorgang löst keine Besteuerung nach § 23 EStG aus. Die Übertragung ist vielmehr als vollständig unentgeltlich zu behandeln, einschließlich der schenkungsteuerlichen Konsequenzen2.
12.46 Wird ein Grundstück des Privatvermögens gegen Entgelt oder Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (GbR, KG, GmbH & Co KG, OHG) überführt, liegen Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (nur) insoweit vor, als sich die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten erhöht haben3. Bleiben die Beteiligungsquoten aber unverändert, ist in der Einbringung keine Veräußerung zu sehen. Beispiel: Ehegatten bringen ein ihnen je zur Hälfte zustehendes bebautes Grundstück in eine GbR ein, an der sie je zur Hälfte beteiligt sind.
Im Beispielsfall wird der Tatbestand des § 23 EStG nicht verwirklicht, denn die Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück haben sich gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten nicht erhöht; dies gilt auch dann, wenn die GbR Verbindlichkeiten und Grundschulden übernimmt.
12.47 Eine abweichende rechtliche Beurteilung ist mithin geboten, wenn die Beteiligung aufgestockt wird oder Barzahlungen erfolgen: 1 Vgl. Reich, ZNotP 2000, 479 (483), der überzeugend davon ausgeht, dass ein Veräußerungsgewinn bei einer Weiterveräußerung durch die Gesellschaft allen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer allgemeinen Gewinnbeteiligung zuzurechnen ist. 2 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81 = ZEV 1995, 74 = DNotZ 1995, 300. 3 BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205 = FR 2012, 164 m. Anm. Bode = DB 2011, 2752; v. 2.4.2008 – IX R 18/06, BStBl. II 2008, 679 = DB 2008, 1301 = NJW 2008, 3662; v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324 = DB 2004, 2728 = NJW 2005, 1215; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 8. Vgl. dazu auch Gottwald, MittBayNot 2001, 8 (14 f.); Reich, ZNotP 2000, 479 (483 f.).
1116 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.61 Kap. 12
Abwandlung: Der Vater erhält im vorgenannten Sachverhalt für das zu 600.000 t angeschaffte Grundstück 900.000 t von der Gesellschaft ausbezahlt. Im Jahre 2010 entschließen sich alle Gesellschafter, das vom Vater im Jahre 1999 gekaufte und 2008 eingebrachte Grundstück zu 1 Mio. Euro zu verkaufen.
Von dem Gesamtveräußerungsgewinn von 300.000 t sind nur 2/3, also 200.000 t steuerbar. Der Vater ist selbst zu 1/3 an der Gesellschaft beteiligt. Insoweit wird ihm das Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO weiterhin zugerechnet. In diesem Umfang hat daher kein steuerlicher Rechtsträgerwechsel und damit keine Veräußerung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stattgefunden. In Höhe der Anschaffung zu 2/3 wird eine neue Zehnjahresfrist in Gang gesetzt. Für den veräußernden Gesellschafter laufen hinsichtlich seines 1/3-Anteils die bisherigen Spekulationsfristen weiter, als läge eine unentgeltliche Rechtsnachfolge nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Wird das Grundstück von der Gesellschaft mehr als zehn Jahre nach der Anschaffung durch den Vater weiterverkauft, ist der auf den Vater entfallende Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig. Für die anderen Gesellschafter sind der Zeitpunkt der Anschaffung durch die Gesellschaft und die diesbezüglichen anteiligen Anschaffungskosten maßgeblich. Die dargestellten Grundsätze gelten auch, wenn ein Grundstück von der vermögens- 12.48 verwaltenden Personengesellschaft auf einen Gesellschafter übertragen wird1. Verkauft daher die Gesellschaft ein Grundstück entgeltlich an einen Gesellschafter, so ist wiederum in der Höhe der Beteiligungsquote des erwerbenden Gesellschafters der Tatbestand des § 23 EStG nicht erfüllt. Veräußert der übernehmende Gesellschafter später den Grundbesitz weiter, so ist die im Rahmen des § 23 EStG maßgebliche Anschaffung einerseits in der Höhe seiner Beteiligungsquote in der Anschaffung durch die Gesellschaft zu sehen und im Übrigen sind der Zeitpunkt und die Anschaffungskosten im Zeitpunkt seiner Übernahme aus dem Gesamthandsvermögen ausschlaggebend.
12.49–12.60
Einstweilen frei. 7. Veräußerung von Anteilen an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 4 EStG)
Literatur: Schießl, Erwerb der Beteiligung an einer Personengesellschaft und anschließende Veräußerung gesamthänderisch gehaltener Grundstücke – „Mischfall“, DStR 2014, 512.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmit- 12.61 telbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter.
1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 8; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 8.
Schallmoser 1117
Kap. 12 Rz. 12.61 Private Veräußerungsgeschäfte Beispiel 1: A gehört eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds (GbR), die er 1999 erworben hat. Im Jahre 2008 verkauft er sie mit einem Gewinn i.H.v. 20.000 t.
A hat im Beispiel binnen zehn Jahren einen Anteil an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft gekauft und wieder verkauft. Diesen Vorgang fingiert das Gesetz als anteilige Veräußerung der im Gesamthandsvermögen befindlichen Grundstücke. Damit ist der Veräußerungsgewinn im Beispielsfall steuerbar.
12.62 § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG findet auch in sog. Mischfällen Anwendung, wenn eine Personengesellschaft ein Grundstück kauft und der Anteilseigner binnen zehn Jahren nach der Anschaffung durch die Gesellschaft seinen Gesellschaftsanteil veräußert und umgekehrt. Beispiel 2: A ist seit 30 Jahren an einem vermögensverwaltenden Immobilienfonds (GbR) beteiligt. 1999 erwirbt die Gesellschaft mehrere neue Grundstücke. 2008 verkauft A seine Beteiligung. Beispiel 3: Ein vermögensverwaltender Immobilienfonds (GbR) hat einen seit 30 Jahren unveränderten Immobilienbestand. 1999 scheidet ein langjähriger Gesellschafter aus, indem er seinen Anteil an B verkauft. 2008 entschließt sich die Verwaltung des Fonds, drei unrentabel gewordene Grundstücke mit Gewinn zu verkaufen.
Im Beispielsfall 2 ist der Erwerb der neuen Grundstücke dem A nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen; die Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2008 gilt nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter (Grundstücke). A erzielt daher einen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerungsgewinn hinsichtlich der von der GbR im Jahr 1999 neu erworbenen Grundstücke. Im Beispielsfall 3 gilt der Erwerb der Beteiligung durch B als Anschaffung der anteiligen Grundstücke; der Verkauf der Grundstücke aus der Gesamthand der Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung der Beteiligung ist dem B nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen1. Auch B erzielt demnach einen steuerbaren Veräußerungsgewinn hinsichtlich der von der GbR im Jahr 2008 veräußerten Grundstücke. In der Literatur wird diese extensive Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG als über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehend kritisiert2; der BFH sieht sie aber mit Blick auf die bei Gesamthandsgesellschaften anzuwen-
1 Vgl. BFH v. 21.1.2014 – IX R 9/13, BStBl. II 2016, 515 = FR 2014, 616 = DStR 2014, 515; so auch OFD Frankfurt v. 26.10.2012 – S 2256 A-41-St 213, juris; zustimmend Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 241; Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 47; Frotscher/Kuhlmann, § 23 EStG Rz. 8. 2 Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 81; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust/, § 23 EStG Rz. 102; Bachem in Bordewin/Brandt, § 23 EStG Rz. 42; Peter, DStR 1999, 1337 (1339); Stephan, DB 1994, 1588 f.
1118 Schallmoser
B. Anschaffung und Veräußerung
Rz. 12.66 Kap. 12
dende sog. Bruchteilsbetrachtung (s. Rz. 1.809) als konsequent an1. Dieses Ergebnis entspricht auch dem wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalt, in dem ein Miterbe entgeltlich den Erbteil eines anderen Miterben erwirbt und anschließend veräußert (s. Rz. 12.33). Erwirbt der Steuerpflichtige eine Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Per- 12.63 sonengesellschaft und veräußert die Gesellschaft innerhalb der Veräußerungsfrist nach Beitritt ein Grundstück, verwirklicht der beigetretene Gesellschafter der Personengesellschaft den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in eigener Person und nicht „gemeinsam“ mit den anderen Gesellschaftern. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist daher nicht durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Beteiligte betroffen sind2 (s. Rz. 12.110). 8. Anschaffung durch Entnahme aus einem Betriebsvermögen Einer Anschaffung ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG3 die Überführung des Wirt- 12.64 schaftsgutes in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe gleichgestellt4. Auf diese Weise werden die Wertsteigerungen zwischen Entnahme und Veräußerung für zehn Jahre steuerverstrickt. Ist eine Besteuerung der Entnahme im Entnahmezeitpunkt zu Unrecht unterblieben, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung5 die Differenz zwischen Veräußerungspreis und damaligem Buchwert versteuert werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Entnahmegewinn lediglich aufgrund der Freibeträge nach §§ 16 Abs. 4, 14, 18 Abs. 3 EStG steuerfrei geblieben ist.
12.65
Einstweilen frei. 9. Anschaffung durch Anwachsung
Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG können die Teilakte eines privaten Veräußerungsge- 12.66 schäfts („Anschaffung“ und „Veräußerung“) in materiell-rechtlicher Hinsicht auch durch den Erwerb bzw. die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils verwirklicht werden (s. Rz. 12.61). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein Anteilserwerb und damit eine „Anschaffung“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch in der Anwachsung eines Gesellschaftsanteils gesehen werden kann. 1 Vgl. BFH v. 21.1.2014 – IX R 9/13, BStBl. II 2016, 515 = FR 2014, 616 = DStR 2014, 515; Schießl, DStR 2014, 512. 2 BFH v. 21.1.2014 – IX R 9/13, BStBl. II 2016, 515 = FR 2014, 616 = DStR 2014, 515; Schießl, DStR 2014, 512. 3 § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl. I 1999, 402) sind auf Entnahmen vor dem 1.1.1999 nicht anzuwenden. Vgl. BFH v. 18.10.2006 – IX R 5/06, BStBl. II 2007, 179 = BB 2007, 706. 4 Zweck dieser Regelung ist es, den Streit um die Ermittlung des Teilwertes bei einer Entnahme seiner Bedeutung zu berauben, BT-Drucks. 14/23, S. 179 f. Vgl. zur Neuregelung auch Gottwald, MittBayNot 2001, 8 (13 f.). 5 OFD Koblenz v. 21.6.2002, DStR 2002, 1266 = DStR 2003, 1880 f.
Schallmoser 1119
Kap. 12 Rz. 12.66 Private Veräußerungsgeschäfte Beispiel: A ist an der vermögensverwaltenden ABC-GbR beteiligt. Nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der GbR soll unter Fortbestand des Gesellschaftsverhältnisses unter den übrigen Gesellschaftern ein Gesellschafter aus der GbR ausscheiden, wenn sein Gesellschaftsanteil gepfändet wird. Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters soll sein Gesellschaftsanteil den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsergebnis zuwachsen; dem ausscheidenden Gesellschafter ist eine Abfindung zu bezahlen. Im Jahr 2020 wird der Anteil des A an der GbR von Gläubigern gepfändet. Die Gesellschaft wird von B und C fortgesetzt, A erhält eine Abfindung, die von der GbR an die Gläubiger des A ausgekehrt wird. 2021 veräußert die GbR eine in ihrem Gesamthandsvermögen befindliche Immobilie.
Durch das Ausscheiden des Gesellschafters A aus der vermögensverwaltenden GbR gegen Zahlung einer Abfindung ist sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern B und C angewachsen. Der Anwachsungserwerb ist ein Fall des Anteilserwerbs1, wenngleich er nicht im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Übertragung stattfindet, sondern durch das Handeln Dritter (Pfandgläubiger), und die damit einhergehende gesetzliche Rechtsfolge des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgelöst wird. Höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist, ob es sich hierbei um ein „Anschaffungsgeschäft“ der verbleibenden Gesellschafter B und C handelt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG)2. Im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG muss der entgeltliche Erwerb – das „Anschaffungsgeschäft“ – „wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen“3 und mithin Ausdruck einer „wirtschaftlichen Betätigung“ sein4. Vor diesem Hintergrund könnte es zweifelhaft sein, einen Erwerb kraft gesetzlicher Rechtsfolge stets als „Anschaffungsgeschäft“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu werten. U.E. wird man in einem Anwachsungserwerb aber jedenfalls dann – wie im Beispielsfall – ein „Anschaffungsgeschäft“ durch die verbleibenden Gesellschafter erblicken können, wenn in dem bei Gründung der Gesellschaft geschlossenen Gesellschaftsvertrag Regelungen über das Ausscheiden enthalten sind und der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung erhält. Denn in diesem Fall nehmen die Gesellschafter willentlich (vorab) Einfluss auf die Sachverhalte, in denen es zu der den Anteilserwerb auslösenden Rechtsfolge kommt.
1 BFH v. 19.11.2019 – IX R 24/18, BStBl. II 2020, 22. 2 Offen gelassen in BFH v. 19.11.2019 – IX R 24/18, BStBl. II 2020, 22; bejahend Schmidt/ Levedag41, § 23 EStG Rz. 31; wohl auch Bachem in Bordewin/Brandt, § 23 EStG Rz. 115, zur Anwachsung im Zuge der Übernahme der Stammeinlage einer GmbH; verneinend: T. Carlé in Korn, § 23 EStG Rz. 66.2, zum Ausscheiden eines Gesellschafters durch Kündigung. 3 BFH v. 19.11.2019 – IX R 24/18, BStBl. II 2020, 22; v. 13.4.2010 – IX R 36/09, BStBl. II 2010, 792; v. 19.4.1977 – VIII R 23/75, BStBl. II 1977, 712. 4 BFH v. 19.11.2019 – IX R 24/18, BStBl. II 2020, 22; v. 7.12.1976 – VIII R 134/71, BStBl. II 1977, 209.
1120 Schallmoser
C. Veräußerungsfrist
Rz. 12.82 Kap. 12
Allerdings haben die Gesellschafter im Beispielsfall den durch die gesetzliche Rechtsfolge des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgelösten Anwachsungserwerb jeweils einzeln und nicht in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht. Denn dieser Erwerb wurde nicht durch die das Personengesellschaftsverhältnis bestimmende gesamthänderische Bindung (s. § 719 Abs. 1 BGB) geprägt, sondern beruhte auf einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, mit der die Gründungsgesellschafter für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters vorab eine individuelle, d.h. personenbezogene künftige Zuordnung des Anteils des Ausgeschiedenen vereinbart hatten. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist in diesem Fall daher nicht durchzuführen (s. Rz. 12.110)
12.67–12.80
Einstweilen frei.
C. Veräußerungsfrist für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte I. Fristlänge: Zehn Jahre Die Veräußerungsfristen des § 23 Abs. 1 EStG legen den Steuerverstrickungszeit- 12.81 raum fest. Auf die Fristen sind nach § 108 AO die Regelungen der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB anzuwenden; § 108 Abs. 3 AO und § 193 BGB finden keine Anwendung1. Ein Grundstücksveräußerungsgeschäft ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht (mehr) steuerbar, wenn die „Haltefrist“ von zehn Jahren den Erwerbszeitpunkt um einen Tag überschreitet2. II. Rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke Mit Beschluss vom 16.12.20033 hatte der IX. Senat des BFH das BVerfG angerufen, 12.82 weil nach seiner Auffassung die mit dem StEntlG 1999/2000/2002 eingeführte rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Er beanstandete, dass auch Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen wurden, bei denen die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 7.7.20104 die Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre durch das StEntlG 1999/2000/2002 für nichtig erklärt, soweit hierdurch Wertsteigerungen erfasst werden, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 31.3.1999 wegen Ablaufs der früheren zweijährigen Veräußerungsfrist steuerfrei hätten realisiert werden können. Der Gewinn aus vor dem 31.3.1999 getätigten Veräußerungsgeschäften, bei denen die zweijährige Veräuße-
1 FG Köln v. 2.6.1997, EFG 97, 1187, rkr.; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 161. 2 Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 161. 3 BFH v. 16.12.2003 – IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284 = FR 2004, 351 m. Anm. Weber-Grellet. 4 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76.
Schallmoser 1121
Kap. 12 Rz. 12.82 Private Veräußerungsgeschäfte
rungsfrist an diesem Stichtag bereits abgelaufen war, ist mithin nicht steuerbar. Bei Veräußerungen nach dem 31.3.1999, jedoch innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb darf daher nur der ab diesem Zeitpunkt eingetretene Wertzuwachs erfasst werden1. III. Fristbeginn und Fristende
12.83 Die Veräußerungsfrist für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte beginnt mit Ablauf des Tages des rechtsverbindlichen Abschlusses eines obligatorischen Grundstückskaufvertrages; sie endet spiegelbildlich mit Ablauf des Tages des rechtsverbindlichen Abschlusses eines obligatorischen Grundstücksverkaufsvertrages2. Geht das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück bereits zu einem früheren Zeitpunkt über, beginnt bzw. endet die Frist mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (regelmäßig mit dem Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten)3. Folgt demgegenüber der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums – wie häufig – dem Abschluss des schuldrechtlichen Grundstückskaufvertrages nach, bleibt für die Bemessung der Frist der Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses – d.h. der Tag der notariellen Beurkundung – maßgeblich. IV. Rückwirkung einer außerhalb der Veräußerungsfrist erteilten Genehmigung eines Grundstückskaufvertrages?
12.84 Ein privates Veräußerungsgeschäft ist nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar, wenn im Rahmen des notariell beurkundeten Kaufvertrags über ein Grundstück innerhalb der Veräußerungsfrist auf der Käuferseite ein vollmachtloser Vertreter mitwirkt und der Käufer das Rechtsgeschäft außerhalb der Veräußerungsfrist genehmigt4. Denn schon bürgerlich-rechtlich wirkt die erforderliche Genehmigung einer Vertragspartei nur dann auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 184 Abs. 1 BGB); damit steht die Rechtsfolge grundsätzlich zur Disposition der Vertragsparteien. Auch steuerrechtlich wirkt eine solche Genehmigung nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück5.
1 Zur Aufteilung des Wertzuwachses aus einem nach abgelaufener Zweijahresfrist getätigten, steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäfts s. BFH v. 6.5.2014 – IX R 39/13, BStBl. II 2015, 459 = DStR 2014, 1756 ZfIR 2014, 777. 2 Z.B. BFH v. 13.12.1983 – VIII R 16/83, BStBl. II 1984, 311. 3 BFH v. 27.10.1967 – VI R 127/66, BStBl. II 1968, 142; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 92; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 162. 4 BFH v. 2.10.2001 – IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10 = DB 2002, 18 = ZfIR 2002, 154 = MittBayNot 2002, 133. 5 BFH v. 2.10.2001 – IX R 45/99, BStBl. II 2002, 10 = DB 2002, 18 = ZfIR 2002, 154 = MittBayNot 2002, 133.
1122 Schallmoser
C. Veräußerungsfrist
Rz. 12.85 Kap. 12
Keine „Rückwirkung“ entfaltet nach diesen Grundsätzen ferner die außerhalb der Veräußerungsfrist erteilte – vormundschaftsgerichtliche1, nachlassgerichtliche oder familiengerichtliche2 Genehmigung; – Genehmigung nach §§ 1365, 1366 BGB, wenn der Vertragspartner des gebundenen Ehegatten nicht wusste, dass dieser verheiratet ist oder der gebundene Ehegatte wahrheitswidrig behauptet hat, der andere Ehegatte habe bereits der Verfügung über sein Vermögen im Ganzen3 zugestimmt4. Anders ist dies bei einem Veräußerungsgeschäft, das „nur“ unter der aufschieben- 12.85 den Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung steht. Denn auch ein aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft kann tatbestandlich mit seiner Vornahme für die Parteien bindend (s. hierzu Rz. 12.13) sein. Können die Parteien eines solchen „bedingten“ Rechtsgeschäfts die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen und sind sie im Hinblick auf den aufschiebend bedingten Rechtserwerb (Anwartschaftsrecht) zur gegenseitigen Treue und zur Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 160 f. BGB verpflichtet, beginnt bzw. endet die Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erst mit Bedingungseintritt (etwa durch Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung), sondern schon mit Abschluss des obligatorischen (bedingten) Rechtsgeschäfts5. Eine steuerrechtliche „Rückwirkung“ entfaltet nach diesen Grundsätzen ferner6 – die außerhalb der Veräußerungsfrist erteilte Genehmigung nach dem GrStVG, der GVO und dem AEG7; – die außerhalb der Veräußerungsfrist erteilte Genehmigung nach §§ 51, 144 f. BauGB8; – die außerhalb der Veräußerungsfrist erteilte Zustimmung nach §§ 12 WEG, 5 ErbbauRG; – die Genehmigung nach §§ 1365, 1366 BGB, wenn der Vertragspartner des gebundenen Ehegatten wusste, dass dieser verheiratet ist bzw. wahrheitswidrig behaup1 BFH v. 8.2.2000 – II R 51/98, BStBl. II 2000, 318 = ZEV 2000, 242 = ZfIR 2000, 47. 2 Zur bürgerlich-rechtlichen Rückwirkung einer erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung s.a. Staudinger/Veit (2014), § 1829 Rz. 54. 3 Das „Vermögen im Ganzen“ i.S. dieser Vorschriften kann auch der Grundbesitz eines Ehegatten sein. 4 Tiedtke/Wälzholz, Stbg 2002, 209 (216). 5 BFH v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487 = FR 2015, 658 m. Anm. Bode = DNotZ 2015, 769 = MittBayNot 2015, 345. 6 Zu weiteren Fällen bestehender oder fehlender Rückwirkung s. ausführlich Tiedtke/Wälzholz, Stbg 2002, 209. 7 BFH v. 10.2.2015 – IX R 23/13, BStBl. II 2015, 487 = FR 2015, 658 m. Anm. Bode = DNotZ 2015, 769 = MittBayNot 2015, 345. 8 FG München v. 7.11.2019 – 10 K 2075/18, EFG 2020, 1614 = DStRE 2020, 1359, n. rkr., Rev. Az. des BFH: IX R 10/20.
Schallmoser 1123
Kap. 12 Rz. 12.85 Private Veräußerungsgeschäfte
tet hat, der andere Ehegatte habe bereits der Verfügung über sein Vermögen im Ganzen zugestimmt1; – das Handeln aufgrund mündlicher, in grundbuchmäßiger Form nachzureichender Vollmacht (§ 29 GBO).
12.86–12.90 Einstweilen frei.
D. Steuerfreiheit des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundbesitzes (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) I. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
12.91 Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG unterliegen solche Wirtschaftsgüter nicht der Besteuerung, die in der Zeit zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich oder im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen zwei Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Folgendes ist zu beachten: Begünstigt sind – Wirtschaftsgüter, die insgesamt zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, insbesondere Eigentumswohnungen oder Grundstücke mit aufstehendem Haus. Auch der zu einem Gebäude gehörige Grund und Boden wird von der Befreiungsvorschrift erfasst. Begünstigt sind auch Zweit- oder Ferienwohnungen, sofern sie nicht, auch nicht zeitweise, zur Vermietung an Dritte bestimmt sind2, sowie eine Wohnung, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wird. – Begünstigt sind u.E. auch Wirtschaftsgüter, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden, obwohl dies nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (z.B. Baurecht, gemeindliches Ordnungsrecht etc.) als nicht zulässig angesehen wird; denn das Merkmal der „Eignung zum dauerhaften Bewohnen“ ist rein tatsächlich als „Nutzung“ und nicht rechtlich als „zulässige Nutzung“ zu verstehen. „Zu eigenen Wohnzwecken nutzen“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bedeutet mithin „bewohnen“ und nicht „bewohnen dürfen“3. Dieses Ergebnis folgt dem Normzweck der Regelung (Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns
1 Tiedtke/Wälzholz, Stbg 2002, 209 (217). 2 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 21 f.; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 21 f.; Reich, ZNotP 2000, 416, 416. Kritisch hierzu Seitz, DStR 2001, 277 (280). 3 BFH v. 26.10.2021 – IX R 5/21, DStR 2022, 604 = DB 2022, 1107 = FR 2022, 464, zur Wohnnutzung eines baurechtlich nicht dauerhaft bewohnbaren Gartenhauses; Brandis/ Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 51; a.A. FG München v. 15.9.2020 – 2 k 1316/19, EFG 2021, 764, aufgehoben durch BFH v. 26.10.2021 – IX R 5/21, a.a.O; Kirchhof/Seer/ Kube21, § 23 EStG Rz. 6.
1124 Schallmoser
D. Steuerfreiheit (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG)
Rz. 12.92 Kap. 12
bei Aufgabe eines Wohnsitzes wegen eines Arbeitsplatzwechsels)1 und entspricht der Grundsatz in § 40 AO, wonach Besteuerung wertneutral ist und an tatsächliche Gegebenheiten anknüpft2. Nicht begünstigt sind unbebaute Grundstücke; sie unterliegen stets der Besteuerung nach § 23 EStG, denn sie können nicht eigenen Wohnzwecken dienen3. Dies gilt auch dann, wenn ursprünglich eine Wohnbebauung geplant war, die jedoch nicht realisiert werden konnte. Das Gesetz begünstigt die tatsächliche Nutzung, nicht die beabsichtigte Nutzung zu Wohnzwecken. Bei häuslichen Arbeitszimmern ist zu unterscheiden: – Wird eine zu Wohnzwecken genutzte private Immobilie (Haus, Eigentumswohnung) veräußert, in der der Stpfl. ein steuerlich anerkanntes, beruflich – etwa zur Erzielung von Überschusseinkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung – genutztes häusliches Arbeitszimmer (§ 9 Abs. 5 Satz 1, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) unterhalten hat, greift die Begünstigungsnorm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch hinsichtlich des „mitveräußerten“ Arbeitszimmers ein. Denn ein solches Arbeitszimmer ist in die häusliche Sphäre eingebunden und dient damit jedenfalls „auch“ Wohnzwecken (s.a. Rz. 12.100)4.Nicht unter die Begünstigungsnorm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fällt die Veräußerung eines betrieblich (bspw. für die Erzielung von gewerblichen oder freiberuflichen Einkünften) genutzten häuslichen Arbeitszimmers innerhalb der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung. Wird eine zu Wohnzwecken genutzte private Immobilie veräußert, in der der Stpfl. ein betrieblich genutztes Arbeitszimmer unterhalten hat, kommt es hinsichtlich des im (notwendigen oder gewillkürten) Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsguts „Arbeitszimmer“ zu einer Gewinnrealisierung. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG findet insoweit keine Anwendung, vielmehr bestimmt sich der Gewinn nach den maßgeblichen Regelungen in § 13, § 15, § 16 bzw. § 18 EStG. Für die Berechnung des Gewinns ist in diesen Fällen der sich nach Abzug der AfA ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers auch dann maßgeblich, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der betrieblichen Tätigkeit gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der Höhe nach beschränkt war. Eine Gewinnkorrektur im Hinblick auf den nicht abzugsfähigen Teil der AfA kommt insoweit nicht in Betracht5. Die (unentgeltliche) gemeinschaftliche Nutzung einer Wohnung durch den Eigen- 12.92 tümer und seine Familie oder zusammen mit einem Dritten, wie etwa einem nichtehelichen Lebenspartner, ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Eigentü1 Siehe BFH v. 25.5.2011 – IX R 48/10, BStBl. II 2011, 868, unter Rz. 12. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 40 AO Rz. 1. 3 BFH v. 25.5.2011 – IX R 48/10, BStBl. II 2011, 868; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 20; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 20. 4 BFH v. 1.3.2021 – IX R 27/19, juris. 5 BFH v. 16.6.2020 – VIII R 15/17, BStBl. II 2020, 841.
Schallmoser 1125
Kap. 12 Rz. 12.92 Private Veräußerungsgeschäfte
mers1. Demgegenüber ist die Vermietung, also die entgeltliche Nutzungsüberlassung der gesamten Wohnung an einen Angehörigen keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Eigentümers und damit „schädlich“.
12.93 Überlässt ein Steuerpflichtiger einem Dritten, beispielsweise der Mutter, lediglich einen einzelnen Raum seiner Wohnung zur unentgeltlichen Nutzung, ist dies unschädlich, soweit dem Steuerpflichtigen Räume, die den Anforderungen an eine Wohnung genügen, zur Eigennutzung verbleiben. Wird hingegen eine ganze Wohnung den Eltern (als sog. Altenteilerwohnung) oder dem getrennt lebenden Ehepartner zur unentgeltlichen Nutzung überlassen, greift die Besteuerung nach § 23 EStG im Falle einer Veräußerung ein. Die unentgeltliche Nutzungsüberlassung der gesamten Wohnung an einen Angehörigen gilt nur dann als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, wenn es sich bei dem Begünstigten um ein zum Kindergeldbezug/ Kinderfreibetrag berechtigendes Kind handelt2 (s. Rz. 12.39). 12.94 Bei Miteigentümern eines Zwei- oder Mehrfamilienhauses liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nur vor, soweit der verkaufende Eigentümer, der eine Wohnung allein bewohnte, die Wohnung aufgrund eigenen Rechts genutzt hat3. Dies ist der Fall, soweit die bewohnte Fläche dem Miteigentumsanteil des nutzenden Miteigentümers entspricht. Eine schriftliche oder sonst förmliche Nutzungsregelung der Miteigentümer oder gar eine nach § 1010 BGB im Grundbuch eingetragene Regelung ist u.E. nicht erforderlich. 12.95 Bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge ist die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dem Rechtsnachfolger sowohl bei Gesamt- als auch bei Einzelrechtsnachfolge zuzurechnen4. Die Finanzverwaltung geht insoweit zugunsten des Steuerpflichtigen über den Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG hinaus.
1 Sauren, DStR 2000, 60, 62; Paus, INF 1999, 513 (515). 2 Nds. FG v. 4.3.2010 – 10 K 259/08, EFG 2010, 1133 = DStRE 2010, 1241, rkr., zur Nutzung durch den volljährigen und nicht mehr zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Sohn; Hess. FG v. 30.9.2015 – 1 K 1654/14, EFG 2016, 201 = DStRE 2017, 270: zur gemeinsamen Nutzung von ehemaliger Lebensgefährtin und Kindesmutter mit dem unterhaltsberechtigten Kind; FG Bad.-Württ. v. 4.4.2016 – 8 K 2166/14, EFG 2016, 1521 = DStRE 2018, 205, zur Nutzung der Wohnung durch ein i.S.d. § 32 EStG nicht mehr berücksichtigungsfähiges Kind; FG München v. 11.3.2021 – 11 K 2405/19, juris, n. rkr., Rev., Az. des BFH: IX R 11/21: zur gemeinsamen Nutzung von getrennt lebender Ehefrau mit dem gemeinsamen Sohn; BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 23; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 23; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz. 130; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 51; Seitz, DStR 2001, 277 (280); Reich, ZNotP 2000, 479 (485); zu Recht krit.: Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 23 EStG Rz. B 49. 3 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 24; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 24. 4 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 26; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 26; Seitz, DStR 2001, 277 (281).
1126 Schallmoser
D. Steuerfreiheit (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG)
Rz. 12.98 Kap. 12
Im Fall der Veräußerung von Grundbesitz mit unterschiedlich genutzten Wohnun- 12.96 gen auf einem nicht nach dem WEG aufgeteilten Grundstück ist der auf die einzelnen Wohnungen entfallende Veräußerungsgewinn für Zwecke des § 23 EStG nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen aufzuteilen1. Bei gemischt genutzten Gebäuden ist ferner der Grund und Boden entsprechend aufzuteilen2. Eine Aufteilung findet ferner dann statt, wenn sich innerhalb der veräußerten, bislang zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung ein beruflich oder betrieblich genutztes Arbeitszimmer befindet. II. Nutzungsdauer Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich Nutzungsdauer und -intensität zwei Alterna- 12.97 tiven: – Ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (s. Rz. 12.99 ff.) und – Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren (s. Rz. 12.101 ff.). Für beide Alternativen gilt: Der maßgebliche Nutzungszeitraum für die Bestimmung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beginnt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes erst mit der Anschaffung oder Fertigstellung des Gebäudes. Eine vorherige Nutzung zu anderen Zwecken spielt keine Rolle3. Anschaffung oder Fertigstellung meint hier nicht das schuldrechtliche Geschäft, sondern den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Ein Leerstand zwischen Anschaffung und Beginn der Wohnnutzung (etwa wegen 12.98 einer anstehenden Renovierung) und zwischen dessen Ende durch Auszug und der Veräußerung ist unschädlich4, sofern ein Zusammenhang mit der Vorbereitung der Wohnnutzung bzw. dem Verkauf besteht und der Steuerpflichtige seine Selbstnutzungsabsicht darlegen kann.
1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 16 f.; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 16 f.; ebenso Sauren, DStR 2000, 60 (62); Risthaus, DB 1999, 1032 (1034); Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3, 10775 (10779) unter überzeugendem Hinweis auf den Begriff des Wirtschaftsgutes; Paus, INF 1999, 513 (515). 2 Seitz, DStR 2001, 277 (279); Reich, ZNotP 2000, 479 (484 f.); BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 18; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 18. 3 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 19, 25; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 19, 25. 4 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 25; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 25.
Schallmoser 1127
Kap. 12 Rz. 12.99 Private Veräußerungsgeschäfte
1. Ausschließliche Nutzung
12.99 Die Veräußerung von Grundbesitz unterliegt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG nicht der Besteuerung, wenn er in der Zeit zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. In dieser Alternative ist eine Veräußerung auch dann steuerfrei, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht einmal zwei Jahre liegen1. In einem solchen Fall ist ein Steuerpflichtiger sogar bessergestellt, als bei Geltung der „alten“, bis einschließlich 1998 geltenden Rechtslage mit einer „Spekulationsfrist“ von nur zwei Jahren, die keine Befreiungsvorschrift vorsah. 12.100 Das Kriterium der Ausschließlichkeit definiert die Finanzverwaltung2 als (zeitlich) „ununterbrochene“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung3 bezieht sich die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG normierte „Ausschließlichkeit“ nur auf die zeitliche, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts. Beispiel: Der nichtselbständig tätige Arbeitnehmer A schließt im Mai 2013 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung ab. Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten ist am 1.6.2013. Am 1.7.2013 zieht er mit seiner Familie in die Wohnung ein. In der Zwischenzeit hat er die Wohnung renoviert. Unmittelbar nach dem Einzug wird A unerwartet versetzt. Im September 2013 zieht er mit seiner Familie aus, findet bald einen Käufer und schließt am 1.12.2013 einen notariellen Kaufvertrag ab. A hat in der Wohnung ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer gehabt.
Die Veräußerung durch A ist aufgrund der ununterbrochenen (= ausschließlichen) Nutzung der Wohnräume zu eigenen Wohnzwecken insoweit nicht steuerbar. Auf die absolute Dauer des Bewohnens kommt es in dieser Alternative nicht an. Die Rechtsprechung4 lässt insoweit sogar die bloße ernsthafte Absicht des Bewohnens mit den ersten Vorbereitungsmaßnahmen ausreichen, wenn nachweisbar unvorhersehbare Umstände den tatsächlichen Bezug unmittelbar nachfolgend verhinderten; hiernach „nutzt“ der Steuerpflichtige eine von ihm angeschaffte und hinreichend ausgestattete Wohnung bereits dann „zu eigenen Wohnzwecken“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn er damit beginnt, sie zu beziehen. Die Zeit des Leerstands (d.h. der Renovierung) ist unschädlich. Das Unterhalten eines Arbeitszimmers steht der Ausschließlichkeit der Nutzung der gesamten Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nicht entgegen (s. Rz. 12.91).
1 Risthaus, DB 1999, 1032 (1034). 2 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 25; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 25. 3 BFH v. 1.3.2021 – IX R 27/19, BStBl. II 2021, 680 = DStR 2021, 1692 = NJW 2021, 2535; zustimmend Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 55; a.A. Kirchhof/Seer/Kube21, § 23 EStG Rz. 6. 4 BFH v. 18.1.2006 – IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936.
1128 Schallmoser
D. Steuerfreiheit (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG)
Rz. 12.102 Kap. 12
2. Nutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren Die Veräußerung von Grundbesitz unterliegt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 12.101 Alt. 2 EStG nicht der Besteuerung, wenn eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen zwei Jahren vorgelegen hat. Lediglich das mittlere der drei betroffenen Jahre muss ein „volles“ Jahr sein, im ersten und im Veräußerungsjahr genügt eine geringfügige Nutzung (auch nur von einem Tag)1. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes vertritt die Finanzverwaltung2 die Auffassung, das Attribut der ausschließlichen Nutzung beziehe sich auch auf diese Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wobei das Erfordernis der „Ausschließlichkeit“ dahin definiert wird, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ununterbrochen gewesen sein müsse; eine Unterbrechung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist danach schädlich. Die höchstrichterliche Rechtsprechung folgt dem zu Recht nicht3. In der zweiten Alternative ist es andererseits unschädlich, wenn die Wohnung zwi- 12.102 schenzeitlich vermietet worden war, sofern im Übrigen die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind, also anschließend eine ununterbrochene Eigennutzung im Jahr der Veräußerung und den beiden vorausgegangen Jahren stattgefunden hat4. Diese Alternative findet auch auf Fälle Anwendung, bei denen aufgrund einer Nutzungsänderung nach einer Fremdnutzung zusätzliche Räume in die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken einbezogen werden5. Beispiel: Nach einigen Jahren der Vermietung wird Ende Dezember 2012 eine Wohnung erstmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Am 2.1.2014 wird sie veräußert. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken war im Übrigen ununterbrochen. Leerstandszeiten bestanden keine.
1 Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 58; a.A. Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 18: Erstjahr muss volles Kalenderjahr überspannen. 2 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 25; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 25; zustimmend Kirchhof/Seer/Kube21, § 23 EStG Rz. 6. 3 Z.B. BFH v. 26.10.2021 – IX R 5/21, DStR 2022, 604 = DB 2022, 1107 = FR 2022, 464, zur Wohnnutzung eines baurechtlich nicht dauerhaft bewohnbaren Gartenhauses; v. 3.9.2019 – IX R 10/19, BStBl. II 2020, 310 = DStR 2019, 2471 = NJW 2020, 1320; v. 21.5.2019 – IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227; v. 27.6.2017 – IX R 37/16, BStBl. II 2017, 1192 = DStR 2017, 2268 = NJW 2017, 3679 = MittBayNot 2018, 73; gl.A. Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 18; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 57. 4 Kohlrust-Schulz, NWB Fach 3, 10775 (10779). Ebenso BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 25 f.; Reich, ZNotP 2000, 479 (486). 5 Instruktiv Seitz, DStR 2001, 277 (282) mit Beispiel zu Umwidmung eines ehemaligen Arbeitszimmers.
Schallmoser 1129
Kap. 12 Rz. 12.102 Private Veräußerungsgeschäfte
Der Sachverhalt wird von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Alt. 2 EStG erfasst; die Veräußerung ist mithin nicht steuerbar. Denn ein (ganzes) Jahr und zwei Tage (31.12.2012 und 1.1.2014) eigene Wohnnutzung reichen für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG aus1.
E. Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 EStG) I. Technik der Gewinnermittlung (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG)
12.103 Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Veräußerungspreis i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist jede Gegenleistung, die der Veräußerer in Geld oder Geldeswert für das Wirtschaftsgut erhält. – Nicht zum Veräußerungspreis gehört eine im Zusammenhang mit der Veräußerung geleistete Zahlung für die Rücknahme einer Schadensersatzklage für die Freistellung von Schadensersatzansprüchen2. – In den Fällen der Einlage in ein Betriebsvermögen (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG – s. Rz. 12.42 ff.) tritt an die Stelle des Veräußerungspreises „der für den Zeitpunkt der Einlage nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG angesetzte Wert“ (§ 23 Abs. 3 Satz 2 EStG). Das ist in der Regel der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG), ggf. sind es auch lediglich die Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a EStG). – In den Fällen der verdeckten Einlage (§ 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EStG – s. Rz. 12.40 f.) tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der gemeine Wert (§ 23 Abs. 3 Satz 2 EStG); – In den Fällen einer beim Übergeber wegen des Unterschreitens der zehnjährigen Veräußerungsfrist (s. Rz. 12.81) nach § 23 EStG steuerbaren (teil-)entgeltlichen Vermögensübertragung von nicht nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigtem Vermögen (bspw. im Privatvermögen befindliche Immobilie, s. Rz. 1.1013) gegen wiederkehrende Leistungen (insb. Veräußerungsleibrente) sind die Rentenleistungen des Übernehmers in einen Kapitalanteil und einen Zinsanteil aufzuteilen. Der für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG maßgebende Veräußerungspreis entspricht dem Kapitalanteil, der sich nach Abzug des Ertragsanteils der Leibrente (s. die Tabelle zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppel-
1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 25 a.E. Ebenso Seitz, DStR 2001, 277 (281); Reich, ZNotP 2000, 416 (416). 2 BFH v. 6.9.2016 – IX R 44/14, FR 2017, 204 = ZfIR 2017, 415 = EStB 2017, 56 m. Anm. Cornelius.
1130 Schallmoser
E. Ermittlung des Gewinns (§ 23 Abs. 3 EStG)
Rz. 12.104 Kap. 12
buchst. bb EStG) vom Jahresbetrag der Rente ergibt1; dieser ist beim Übergeber der Besteuerung nach § 23 EStG zu unterwerfen. Der Ertragsanteil der Leibrente rechnet beim Übergeber zu den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG). Dem Übernehmer entstehen in Höhe des Barwerts der wiederkehrenden Leistungen Anschaffungskosten, von denen er AfA vornehmen kann, soweit er das übergebene Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung (bspw. aus Vermietung und Verpachtung) einsetzt; den in den laufenden Zahlungen enthaltenen Zinsanteil kann er dann als laufenden Aufwand (Werbungskosten) abziehen. – Wird der Veräußerungspreis in Raten gezahlt, ist dieser bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr in einen Tilgungs- und Zinsanteil aufzuspalten, und zwar auch dann, wenn die Beteiligten eine Verzinsung vertraglich ausgeschlossen hatten. Als „Veräußerungspreis“ i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist der abgezinste Veräußerungsbetrag (Abzinsungssatz 5,5 %, § 12 Abs. 3 Satz 2 BewG) zu erfassen. Der durch Abzinsung ermittelte Zinsanteil rechnet zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)2. Zum Besteuerungszeitpunkt bei Ratenzahlung s. Rz. 12.108. Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Ver- 12.104 mögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können; hierzu gehören auch die Anschaffungsnebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGB). Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB). – Beim unentgeltlichen Erwerb sind die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zugrunde zu legen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). – Wird ein Grundstück veräußert, das aus dem Betriebsvermögen entnommen und ins Privatvermögen überführt worden ist, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert, mit dem das Grundstück bei der Überführung angesetzt worden ist (§ 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG: Teilwert). Entsprechendes gilt für den Fall, in dem das Grundstück anlässlich der Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführt worden ist (§ 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG). Dies gilt auch, wenn bei einer vorangegangenen Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen der Entnahmegewinn nicht zur Einkommensteuer herangezogen worden ist (§ 16 Abs. 4, §§ 14, 14a, § 18 Abs. 3 EStG)3. 1 Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 206. 2 BFH v. 21.10.1980 – VIII R 190/78, BStBl. II 81, 160; v. 18.5.2010 – X R 32–33/01, BStBl. II 11, 675; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz. 205. 3 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 33; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 33.
Schallmoser 1131
Kap. 12 Rz. 12.104 Private Veräußerungsgeschäfte
Bleibt bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen der Entnahmegewinn kraft gesetzlicher Regelung (bspw. nach § 52 Abs. 15 EStG) bei der Besteuerung außer Ansatz, tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme1. – Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG um AfA-Beträge, die der Steuerpflichtige bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus dem Grundstück (§ 21 EStG) abgezogen hat. Abweichendes kann bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer im Ausland belegenen Immobilie gelten: Wurden bei der Ermittlung der erzielten, gemäß DBA freigestellten Einkünfte aus der Vermietung der ausländischen Immobilie deutsche AfA abgezogen, führt dies im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Immobilie nicht zu einer Minderung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, wenn zwar die Ermittlung der nach DBA freigestellten Vermietungseinkünfte unter Abzug der deutschen AfA erfolgt ist, die Einkünfte aber weder für die Ermittlung der Einkünfte der Anleger des Fonds als Steuersatzbemessungsgrundlage relevant waren noch in die körperschaftsteuerliche Ermittlung des Einkommens der Fondsanleger Eingang gefunden haben2. – „Klassische“ Anschaffungsnebenkosten beim Grundstückserwerb sind die Kosten für Beratungsleistungen, Notar-, Makler- und Grundbuchgebühren, der Aufwand für die Besichtigung des erworbenen Grundstücks oder für Zeitungsannoncen3.
12.105 Werbungskosten sind grundsätzlich alle durch ein privates Veräußerungsgeschäft veranlassten Aufwendungen, die weder zu den (nachträglichen) Anschaffungskosten des veräußerten Wirtschaftsguts gehören noch einer vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind oder wegen privater Nutzung unter das Abzugsverbot des § 12 EStG fallen4. Da es sich bei § 23 Abs. 1 EStG um einen sog. gestreckten Steuertatbestand handelt, dessen Verwirklichen mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt, können alle Aufwendungen, die während des insoweit maßgebenden Zeitraums5 angefallen sind, grundsätzlich Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart sein6. Entscheidend ist ferner, dass die Veräußerung letztlich auch steuerbar ist: Aufwendungen, die anfallen, weil der Steuerpflichtige sein Grundstück ver-
1 BMF v. 5.10.2000 – IV C 3-S 2256-263/00 (DE CD), BStBl. I 2000, 1383 = DStR 2000, 1867 = FR 2000, 1158, Tz. 34; OFD Frankfurt/Main v. 21.2.2011 – S 2256 A-13-St 225, juris, Tz. 34. 2 BFH v. 14.7.2020 – VIII R 37/16, BStBl. II 2021, 95 m. Anm. Bleschik, EStB 2021, 18. 3 Schmidt/Levedag41, § 23 EStG Rz. 75. 4 BFH v. 12.12.1996 – X R 65/95, BStBl. II 1997, 603 = DB 1997, 1443. 5 Maßgebend ist der Zeitraum, in dem der Steuerpflichtige zur Veräußerung des Objekts entschlossen war, vgl. BFH v. 16.6.2004 – X R 22/00, BStBl. II 2005, 91 = DB 2004, 1808 = ZfIR 2004, 824. 6 BFH v. 1.8.2012 – IX R 8/12, BStBl. II 2012, 781 = FR 2013, 86 m. Anm. Bode = DB 2012, 2137 = NJW 2012, 3536.
1132 Schallmoser
E. Ermittlung des Gewinns (§ 23 Abs. 3 EStG)
Rz. 12.107 Kap. 12
äußern will, können nicht im Rahmen des § 23 EStG berücksichtigt werden, wenn das Grundstück zwar innerhalb der maßgebenden Veräußerungsfrist hätte veräußert werden sollen, es aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Veräußerung kommt1. Zu den Werbungskosten aus privaten Veräußerungsgeschäften zählen insbesondere:
12.106
– Planungsaufwendungen zur Baureifmachung eines unbebauten Grundstücks (Baugenehmigungsgebühren, Architektenhonorare); diese können abziehbar sein, wenn von Anfang an Veräußerungsabsicht bestanden hat2; – Schuldzinsen (auch Überziehungszinsen und Finanzierungsnebenkosten) aus der Fremdfinanzierung des Grundstückserwerbs3; – Grundbesitzabgaben4; – Notar- und Gerichtskosten, die dem Veräußerer im Rahmen der Veräußerung entstehen5; – Erhaltungsaufwendungen für eine im Rahmen der Veräußerung eines Mietwohngrundstücks vom Verkäufer übernommene Instandsetzung6; – Vorfälligkeitsentschädigungen, die durch die Verpflichtung zur lastenfreien Veräußerung von Grundbesitz veranlasst sind7 (s. Rz. 1.941). II. Zeitpunkt der Besteuerung Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind im Zeitpunkt des Zuflusses 12.107 (§ 11 Abs. 1 EStG) des Veräußerungserlöses zu versteuern. Als Zeitpunkt des Zuflusses gilt der Tag, an dem der Steuerpflichtige über den Veräußerungserlös verfügen kann. Der Eingang einer Zahlung des Käufers auf dem Notaranderkonto führt in der Regel noch nicht zum Zufluss beim Verkäufer; vielmehr ist der Zufluss erst bei Auszahlungsreife anzunehmen8.
1 BFH v. 1.8.2012 – IX R 8/12, BStBl. II 2012, 781 = FR 2013, 86 m. Anm. Bode = DB 2012, 2137 = NJW 2012, 3536. 2 BFH v. 12.12.1996 – X R 65/95, BStBl. II 1997, 603. 3 BFH v. 16.6.2004 – X R 22/00, BStBl. II 2005, 91 = DB 2004, 1808 = ZfIR 2004, 824. 4 BFH v. 16.6.2004 – X R 22/00, BStBl. II 2005, 91 = DB 2004, 1808 = ZfIR 2004, 824. 5 BFH v. 1.8.2012 – IX R 8/12, BStBl. II 2012, 781 = FR 2013, 86 m. Anm. Bode = DB 2012, 2137 = NJW 2012, 3536. 6 BFH v. 14.12.2004 – IX R 34/03, BStBl. II 2005, 343 = FR 2005, 640 m. Anm. Fischer = DB 2005, 585. 7 BFH v. 25.1.2000 – VIII R 55/97, BStBl. II 2000, 458 = FR 2000, 711 m. Anm. Kempermann; v. 6.12.2005 – VIII R 34/04, BStBl. II 2006, 265 = FR 2006, 415 m. Anm. Kempermann = DB 2006, 312 = NJW 2006, 1903. 8 BFH v. 30.1.1986 – IV R 125/83, BStBl. II 1986, 404; FG Brandenburg v. 23.7.1998 – 3 V 1031/98 E, EFG 1998, 1585, rkr.; FG Hamburg v. 21.4.2009 – 2 K 231/08, EFG 2009, 1642, rkr.
Schallmoser 1133
Kap. 12 Rz. 12.108 Private Veräußerungsgeschäfte
12.108 Die Versteuerung nach dem Zuflussprinzip gilt auch für den Fall der Ratenzahlung: – In den Fällen, in denen aus der Veräußerung ein Gewinn des Steuerpflichtigen entsteht, ist die Summe aus Anschaffungs- und Werbungskosten anteilig von der jeweiligen Rate abzuziehen, so dass sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn erst ergibt, wenn die Summe der gezahlten Raten die Summe der Anschaffungsund Werbungskosten überschreitet. Die Steuerpflicht für einen Gewinn kann mithin erst in einem Kalenderjahr eintreten, in dem der Steuerpflichtige mehr erhalten hat, als ihm an Anschaffungs- und Veräußerungskosten entstanden waren. Der übersteigende Betrag ist dann auf die Jahre zu verteilen, in denen er dem Steuerpflichtigen tatsächlich zufließt1. – In den Fällen, in denen aus der Veräußerung ein Verlust des Steuerpflichtigen entsteht, fällt dieser anteilig nach dem Verhältnis der Teilzahlungsbeträge zu dem Gesamtveräußerungserlös in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen der Zahlungszuflüsse an2. – Muss ein bereits vereinnahmter Kaufpreis nach Minderung durch den Käufer teilweise wieder zurückbezahlt werden, ist der Veräußerungsgewinn gleichwohl voll im Jahre der Vereinnahmung des Veräußerungserlöses zu versteuern, wenn die Rückzahlung erst in ein späteres Jahr fällt3.
12.109 Durch ein privates Veräußerungsgeschäft veranlasste Werbungskosten sind – abweichend vom Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG – in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem der Verkaufserlös zufließt4.
1 BFH v. 13.4.1962 – VI 194/61 U, BStBl. III 1962, 306; BMF v. 25.10.2004 – IV C 3-S 2256-238/04, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 50. 2 BFH v. 6.12.2016 – IX R 18/16, DB 2017, 699 = DStR 2017, 653. 3 BFH v. 2.4.1974 – VIII R 76/69, BStBl. II 1974, 540. 4 BFH v. 17.7.1991 – X R 6/91, BStBl. II 1991, 916.
1134 Schallmoser
Kapitel 13 Miet- und Pachtverträge A. Zivilrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen I. Miete, Pacht, Leihe . . . . . . . . . . . II. Arten von Mietverhältnissen . . 1. Wohnraummietverhältnisse . . 2. Geschäftsraummietverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundstücksmietverhältnisse . 4. Mischmietverhältnisse . . . . . . 5. Ferienwohnung . . . . . . . . . . . . III. Inhalt des Mietverhältnisses 1. Das Mietverhältnis und seine Begründung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haupt- und Nebenpflichten a) Vermieter . . . . . . . . . . . . . . . b) Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dauer 1. Beginn der Vertragsdauer . . . . 2. Bestimmte Zeit . . . . . . . . . . . . . 3. Unbestimmte Zeit . . . . . . . . . . V. Wirksamkeitserfordernisse 1. Minderjährige als Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einkommensteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen I. Unbefristete und befristete Vermietung als Vertragsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Voraussetzungen für die steuerrechtliche Berücksichtigung von Mietverträgen unter nahestehenden Personen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der „nahestehenden Personen“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.1 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8
13.9 13.10 13.13 13.15 13.16 13.17
13.18 13.19 13.20
13.41
13.44 13.46
3. Zu den besonderen Voraussetzungen im Einzelnen a) Einkünfteerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . c) Fremdvergleich . . . . . . . . . . d) Kein Gestaltungsmissbrauch aa) Allgemeines . . . . . . . . . bb) Gestaltungsmissbrauch bei Miet- und Darlehensverträgen . . . cc) Gestaltungsmissbrauch im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen, insbesondere im Wege der vorweggenommenen Erbfolge . . . . . . dd) Gestaltungsmissbrauch im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter . . . . . . . . . . . ee) Rechtsmissbrauch bei Mietverträgen mit Unterhaltsberechtigten (1) Rechtsentwicklung . . . (2) Neuere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . ff) Rechtsmissbrauch bei Verträgen zwischen Geschiedenen . . . . . . . . gg) Rechtsmissbrauch bei Verträgen zwischen Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . .
Fleischer/Schallmoser/Küffner
13.61 13.62 13.67 13.81 13.82
13.85
13.88
13.89 13.91 13.93
13.95
1135
Kap. 13 Rz. 13.1 Miet- und Pachtverträge III. Steuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Ferienhausmietverträgen . . . . . . . . . . . 13.111 C. Umsatzsteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Mietund Pachtverträgen . . . . . . . . . . 13.131
I. Gegenstand der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG . . . . . . 13.132 II. Die Option bei der Grundstücksvermietung . . . . . . . . . . . . 13.138
A. Zivilrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen Literatur: Schmidt-Futterer, Mietrecht 15. Aufl. 2022; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Auflage 2021; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl. 2017; Lindner-Figura/ Stellmann, Geschäftsraummiete – Die AGB-Ampel, 2015; Zehelein, Miete in Zeiten von Corona, 2. Auflage 2021; Gies, Beck’sches Formularbuch Mietrecht, 6. Auflage 2020; Leo, Obergerichtliche Rechtsprechung zur Gewerberaummiete im Jahr 2020, NZM 2021, 113; Windorfer, Gestaltung von Untermietverträgen für Gewerberäume, NZM 2021, 209; Börstinghaus, Die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Mietrecht, NZM 2021, 521; Drasdo, Rechtsprechung zur „Pandemiemiete“ Stand 1.7.2021, NZM 2021, 595.
I. Miete, Pacht, Leihe
13.1 Miete, Pacht und Leihe sind die im BGB geregelten Grundformen der schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassungsverträge (kein dinglicher Vertrag wie der Nießbrauch). Sie sind auf die zeitweise Überlassung des Gebrauchs eines Gegenstandes gerichtet. Gegenstand von Kauf, Tausch und Schenkung sind dagegen die Veräußerung eines Gegenstandes. Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) und Pachtvertrag (§§ 581 ff. BGB) unterscheiden sich von der Leihe (§§ 598 ff. BGB) durch die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung. Mietvertrag und Leihe berechtigen nur zum Gebrauch von Sachen, der Pachtvertrag dagegen berechtigt zum Gebrauch und zur Fruchtziehung. Gegenstand des Mietvertrages und der Leihe können lediglich Sachen (§ 90 BGB) sein. Pachtobjekte können Sachen und Rechte sein. Mit der Bestellung eines Wohnungsrechts nach § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB kann wirtschaftlich dasselbe Ergebnis wie bei einem Mietvertrag erzielt werden (s. Rz. 7.15 ff.). Mietverhältnisse unter nahestehenden Personen können u.a. nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn sie nach dem Gesamtbild den Kriterien des Fremdvergleichs entsprechen (näher s. Rz. 13.44 ff.). Jedenfalls die Hauptpflichten der Vertragsparteien müssen klar und eindeutig vereinbart worden sein (und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden)1. 1 Ständige Rechtsprechung, s. zuletzt etwa BFH v. 4.10.2016 – IX R 8/16, BStBl. II 2017, 273 = DStR 2016, 2947 = DB 2017, 39 = ErbStB 2017, 33 m. Komm. Günther = DStRK 2017, 60 m. Hinweis Gehm; Beck’sches Notarhandbuch/Spiegelberger7, § 29 Rz. 195 f.
1136 Fleischer
A. Zivilrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.4 Kap. 13
Die Pacht ist in den §§ 581 bis 597 BGB geregelt, wobei die Vorschriften der §§ 585 13.2 bis 597 BGB nur die Landpacht betreffen. Nach § 581 Abs. 2 BGB sind, soweit nicht die Normen des allgemeinen Pachtrechts nach den §§ 582 bis 584b BGB besondere Regelungen vorgeben, die Vorschriften über den Mietvertrag entsprechend anzuwenden. Die inhaltliche Abgrenzung zwischen Miete (nur Gebrauch) und Pacht (Gebrauch und Fruchtziehung) ist teilweise schwierig. Insbesondere bei der Überlassung von Räumen zum Betrieb eines Unternehmens kann die Abgrenzung (Miete, Pacht oder Unternehmenspacht) problematisch sein. Worauf liegt der Willen der Parteien, der Schwerpunkt des Vertrages? Ein Pachtvertrag liegt dann vor, wenn die überlassenen Räume neben der baulichen Eignung bereits vollständig eingerichtet und ausgestattet sind, so dass die Fruchtziehung durch den Pächter unmittelbar mit Überlassung der Räume beginnen kann1. II. Arten von Mietverhältnissen Die Mietverhältnisse unterscheiden sich, abhängig von Mietgegenstand und Nut- 13.3 zungszweck. Dies hat Einfluss auf die über §§ 535 bis 548 BGB hinaus anzuwendenden Normen (§§ 566, 578 BGB): – Fahrnismiete; – Grundstücksmiete; – Unterfall: Raummiete; – Geschäftsraummiete; – Wohnraummiete. Das Mietrecht des BGB beinhaltet einen Allgemeinen Teil des Mietrechts (§§ 535–548), anschließend die Vorschriften über das Wohnraummietrecht (§§ 549–577a). Hinsichtlich anderer Mietobjekte, etwa Grundstücke oder gewerblich genutzte Räume, arbeitet das Gesetz mit einer Verweisung auf das Wohnraummietrecht (§§ 578 ff.). Auch die Verbraucherrechterichtlinie ist bei Wohnraummiete teilweise anwendbar (§ 312 Abs. 4 BGB)2. Zudem finden die §§ 305 ff. BGB (selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr) bei Vorliegen jeglicher Art von AGB Anwendung3. Soweit Individualabreden4 vorliegen, sind sie nicht anwendbar (§ 305b BGB). 1. Wohnraummietverhältnisse Entscheidend ist die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung. Die Räume 13.4 müssen zu Wohnzwecken für den Mieter selbst vermietet werden. Die tatsächliche Nutzung ist nicht maßgeblich, ebenso wenig wie die Eignung der Räume zu Wohnzwecken. Ob die Räumlichkeiten lediglich als Zweitwohnung oder Ferienwohnung 1 2 3 4
Staudinger/Schaub (2018), Vorbem. 34 ff. zu § 581 BGB. Münchener Kommentar/Wendehorst8, § 312 BGB Rz. 90, 95. Staudinger/Bieder (2019), Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. E 20 ff. Lindner-Figura/Stellmann, Geschäftsraummiete – Die AGB-Ampel, AT Rz. 73 ff.
Fleischer 1137
Kap. 13 Rz. 13.4 Miet- und Pachtverträge
(s. Rz. 13.8) genutzt werden, spielt für die Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Wohnraummietverhältnis keine Rolle. Maßstab für die Einordnung des Mietverhältnisses ist allein der Inhalt der vertraglichen Regelungen und nicht ein tatsächlicher Gebrauch.1 Grundsätzlich unterfallen alle Arten von Wohnraummietverhältnissen den §§ 549 bis 577a BGB. Ausnahmen sind in § 549 Abs. 2 und 3 BGB aufgeführt. Kein Wohnraummietverhältnis liegt vor, wenn zum Wohnen geeignete und letztlich zu Wohnzwecken genutzte Räume nicht zum eigenen Wohnen, sondern zur Weitervermietung angemietet werden. Der zu Wohnzwecken geschlossene (eigenständige) Untermietvertrag ist ein Wohnraummietvertrag2. Bei Miete der Räume durch eine juristische Person handelt es sich um gewerbliche Miete, da hierbei durch den Mieter keine Wohnzwecke verfolgt werden können. 2. Geschäftsraummietverhältnisse
13.5 Mietverhältnisse über Räume, die zu Geschäftszwecken vermietet worden sind (z.B. Büros, Praxen, Fabrikationshallen, Ladenräume, Garagen, zum Wohnen bestimmte, jedoch vom Mieter lediglich – gewerblich oder nicht gewerblich – weitervermietete Räume), begründen ein Geschäftsraummietverhältnis. Entscheidend ist auch hier nicht die tatsächliche Nutzung, sondern allein die ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zwischen den Parteien bezüglich des Nutzungszwecks. 3. Grundstücksmietverhältnisse
13.6 Grundstück ist eine Bodenfläche, die im Grundbuch als selbständiges Grundstück eingetragen ist. Auch die Vermietung von Grundstücksteilen (z.B. Außenwand, Dach) ist Grundstücksmiete. Sind vermietete Räume vorhanden (§ 578 Abs. 2 BGB), greifen die Bestimmungen über die Wohnraum- und Geschäftsraummiete. 4. Mischmietverhältnisse
13.7 Mischmietverhältnisse sind Mietverhältnisse, die sich nach dem Vertragszweck auf Räume beziehen, welche sowohl zu Wohnzwecken als auch zu anderen Zwecken dienen sollen. Die Beteiligten haben die Möglichkeit zu wählen, ob sie ihr Rechtsverhältnis, das unterschiedliche Nutzungszwecke verfolgt, in einem Vertrag oder in mehreren Verträgen regeln wollen. Bei von den Beteiligten gewollter Einheitlichkeit beurteilt sich die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses nach dem überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss3. Im Zweifel ist der gesamte Vertrag als Wohnraummiete zu qualifizieren. Ein Mietvertrag über Garage und Wohnung kann
1 Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. 29 zu § 535 BGB. 2 vgl. Wichert, Homeoffice in der Mietwohnung, MietRB 2021, 315. 3 BGH v. 9.7.2014 – VIII ZR 376/13, MDR 2014, 1017 = NJW 2014, 2864 = NZM 2014, 626.
1138 Fleischer
A. Zivilrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.8 Kap. 13
gesonderte Vertragsverhältnisse beinhalten. Dies liegt dann ausgesprochen nahe, wenn hinsichtlich der Garage eine vom Wohnraummietrecht abweichende Kündigungsfrist vereinbart worden ist. Ein gesondertes Garagenmietverhältnis kann isoliert gekündigt werden1. Der über eine Wohnung und eine Garage geschlossene einheitliche Mietvertrag wird durch die Veräußerung der Wohnung und der Garage an verschiedene Erwerber nicht in mehrere Mietverhältnisse aufgespalten; vielmehr treten die Erwerber in den einheitlichen Mietvertrag ein. Ihr Verhältnis bestimmt sich nach den Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft2. 5. Ferienwohnung Die Vermietung von Zweitwohnungen, Wochenendwohnungen, Ferienwohnungen 13.8 oder von Räumen in Beherbergungsbetrieben ist Wohnraummiete, da diese nicht begriffsnotwendig die Überlassung von Räumen als Lebensmittelpunkt beinhaltet3. Ferien- oder Zweitwohnungen, sofern sie nicht zum vorübergehenden Gebrauch vermietet sind (§ 549 Abs. 2 Nr. 1), sind nur unter den Voraussetzungen des § 573 kündbar. Bei langfristigen Mietverhältnissen dieser Art ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ein vorübergehender Gebrauch i.S.d. § 549 Abs. 2 Nr. 1 vorliegt. Allein aus dem Umstand, dass der vermietete Wohnraum nicht den Lebensmittelpunkt des Mieters bildet, kann nicht auf einen vorübergehenden Gebrauch geschlossen werden. Sofern §§ 573 ff. anwendbar sind, ist deren Normzweck zu berücksichtigen, so dass ein berechtigtes Interesse des Vermieters auch in einer Situation bestehen kann, die zur Kündigung einer den Lebensmittelpunkt bildenden Wohnung nicht berechtigen würde4. Der Reisevertrag i.S.d. §§ 651a ff. BGB besteht zwischen Reisendem und Reiseveranstalter und hat die Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen (§ 651a Abs. 3 BGB) zum Gegenstand (Pauschalreise). Ein Reiseunternehmer kann auch als Reisevermittler (§§ 651v; 651w regelt verbundene Reiseleistungen) tätig werden. §§ 651b, 651c bestimmen genauer, unter welchen Umständen er trotz Vermittlerklausel zum Reiseveranstalter wird. Bucht der Reisende dagegen die einzelnen Elemente der Reise selbst, schließt er also selbst den Beherbergungsvertrag und den Beförderungsvertrag ab, so spricht man von einer Individualreise. Die Individualreise wird von den Vorschriften der §§ 651a ff. BGB nicht berührt. Für die vom Individualreisenden abgeschlossenen Verträge enthält das BGB keine spezifischen Vertragstypen; sie folgen eigenen Regelungen, z.B. dem Werkvertrags- oder dem Mietrecht5. Der Beförderungsvertrag ist Werkvertrag6.
1 BGH v. 4.6.2013 – VIII ZR 422/12, NJW-RR 2013, 1355 = NZM 2013, 726. 2 BGH v. 28.9.2005 – VIII ZR 399/03, MDR 2006, 380 = NJW 2005, 3781 = ZMR 2006, 30. 3 Grüneberg/Weidenkaff81, § 549 BGB Rz. 6. 4 Münchener Kommentar/Häublein8, § 573 BGB Rz. 18. 5 Münchener Kommentar/Tonner8, Vor § 651a BGB Rz. 15 ff. 6 Münchener Kommentar/Tonner8, Anh. § 651y BGB Rz. 1.
Fleischer 1139
Kap. 13 Rz. 13.8 Miet- und Pachtverträge
Die §§ 481 bis 487 BGB regeln den Erwerb eines Teilzeit-Wohnrechts, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungsverträge und Tauschsystemverträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern i.S.d. §§ 13 und 14 BGB. Erfasst sind als Nutzungsobjekt nur Wohngebäude und zur Übernachtung gedachte bewegliche Sachen. Es handelt sich in der Regel um einen Rechtskauf (§§ 453, 433 ff. BGB). Das Nutzungsrecht an der Unterkunft kann obligatorisch ausgestaltet sein, z.B. Mietvertrag oder wohl richtig Typenkombinationsvertrag mit mietvertraglichem Element1. III. Inhalt des Mietverhältnisses 1. Das Mietverhältnis und seine Begründung
13.9 Der Mietvertrag kommt zustande, wenn sich die Parteien über Gegenstand, Dauer und Höhe der Miete geeinigt haben. Es ist nicht erforderlich, dass der Vermieter Eigentümer des Mietgegenstandes ist (Beispiel: Untermiete). Der Mietvertrag setzt weiterhin voraus, dass für die Überlassung des Gebrauchs ein Entgelt, die Miete, zu entrichten ist (§ 535 Abs. 2 BGB), regelmäßig eine Geldleistung. Es können aber auch Sach- oder Dienstleistungen (z.B. Naturalien, Hausmeisterdienste, Zahlung der Betriebskosten)2 als Miete vereinbart werden, auch einmalige Geldzahlungen. Miete liegt auch vor, wenn der Verkäufer nach Verkauf eines Grundstücks gegen Kaufpreisermäßigung wohnen bleibt3. Wird die Miete deutlich unter der Marktmiete angesetzt, ist dennoch ein (Gefälligkeits-)Mietverhältnis anzunehmen, wenn der Mieter nicht nur die durch den Gebrauch verursachten Betriebs- und Reparaturkosten zu tragen hat.4 Fehlt eine Einigung über die Betriebskosten, ist dies mit der Miete abgegolten (§§ 535 Abs. 1 Satz 3, 556 BGB). Zur Indexmiete bei Wohnraummiete s. § 557b BGB, bei Geschäftsraummiete § 2 Preisklauselgesetz5. Für den Vertragsabschluss gelten, abgesehen von der Formvorschrift des § 550 BGB (s. Rz. 13.20 ff.) keine Besonderheiten. 2. Haupt- und Nebenpflichten a) Vermieter
13.10 Hauptpflicht des Vermieters ist es, dem Mieter den Gebrauch der Sache während der Mietzeit zu gewähren (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Münchener Kommentar/Franzen8, § 481 BGB Rz. 4 f. BGH v. 4.5.1970 – VIII ZR 179/68, MDR 1970, 1004. Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. 29 zu § 535 BGB Rz. 86. BGH v. 25.4.2018 – VIII ZR 176/17, MDR 2018, 1052 = NJW 2018, 2472 = NZG 2018, 1100 = MittBayNot 2019, 37. 5 Zu Indexmieterhöhung s. BGH v. 26.5.2021 – VIII ZR 42/20, MDR 2021, 997 = NJW-RR 2021, 1096 = MietRB 2021, 258. 1 2 3 4
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A. Zivilrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.12 Kap. 13
Der Vermieter hat dem Mieter die Mietsache in einem gebrauchsfähigen Zustand zu überlassen (§ 535 Abs. 1 Satz 1: Gebrauchsüberlassungspflicht). Gebrauchserhaltungspflicht: Der Vermieter hat dem Mieter die einmal eingeräum- 13.11 te Gebrauchsmöglichkeit während der Mietzeit zu erhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), d.h. – die Sache für die Dauer der Mietzeit dem Mieter zu belassen, – die Mietsache in dem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten (Instandhaltungsund -setzungspflicht, § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er hat die erforderlichen Erhaltungs- und Reparaturarbeiten vorzunehmen, einschließlich der Beseitigung der Abnutzungen der Mietsache, welche durch den vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters verursacht worden sind. Abnutzungen hat der Mieter nicht zu vertreten (§ 538 BGB). Sie sind durch die Miete abgegolten. Bei Geschäftsraummiete kann individualvertraglich die Instandhaltungs- und -setzungspflicht auf den Mieter übertragen werden; anders wohl bei einer formularvertraglichen Regelung.1 Bei Wohnraummiete ist letzteres unwirksam, individualrechtlich mit Einschränkungen2. Werden Schönheitsreparaturen (sie unterfallen § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) formularmäßig auf den Mieter abgewälzt, ist dies in beiden Arten des Mietverhältnisses unwirksam3. Nebenleistungs- und Schutzpflichten des Vermieters: Hat der Vermieter für die 13.12 Erhaltung der Mietsache zu sorgen, hat er dem Mieter auch die auf die Mietsache gemachten Aufwendungen zu ersetzen (Aufwendungsersatz, § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB). Der Vermieter muss die Wegnahme von Einrichtungen dulden (§ 539 BGB), die der Mieter mit der Mietsache verbunden hat, auch wenn sie in das Eigentum des Vermieters übergegangen sind (§§ 946 f., §§ 93 f. BGB). Für den Vermieter bestehen aufgrund des Mietvertrages auch die allgemeinen Schutzpflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB, z.B. Schutz der Sachen des Mieters, Verkehrssicherungspflicht, Bereitstellung nötiger Wasseranschlüsse4.
1 Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. zu § 535 BGB Rz. 145 ff.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid15, § 535 BGB Rz. 76 ff. 2 Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. zu § 535 BGB Rz. 150 ff. 3 Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. zu § 535 BGB Rz. 101 ff.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid15, § 535 BGB Rz. 95 ff.; Siegmund, MietRB 2021, 122; Graf von Westphalen, NZM 2021, 409. 4 Schmidt-Futterer/Eisenschmid15, § 535 Rz. 102 f.
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Kap. 13 Rz. 13.13 Miet- und Pachtverträge
b) Mieter
13.13 Hauptleistungspflicht des Mieters ist die Verpflichtung zur Leistung des vereinbarten Entgelts (§ 535 Abs. 2 BGB)1. Wird die Miete deutlich unter der Marktmiete angesetzt (Gefälligkeitsmiete), liegt ein Mietvertrag vor, solange die Miete noch ernstlich als Entgelt gedacht ist2. Regelungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete finden sich in §§ 558c, 558d BGB3. Mietzahlungen über Wohnraum werden regelmäßig und üblicherweise – wie §§ 556b Abs. 1 und 579 Abs. 2 BGB dispositiv vorgeben – monatlich im Voraus geleistet, ebenfalls üblicherweise Nebenkostenvorauszahlungen. Lasten hat der Vermieter zu tragen (§ 535 Abs. 1 Satz 3 BGB), ebenso die Betriebskosten (§ 556 Abs. 1 Satz 1 BGB)4. Anderes gilt für die Heiz- und Warmwasserkosten (s. Heizkostenverordnung). Die Mietpreisbremse für Wohnräume ist in § 556d BGB geregelt. Ein Mietendeckel wurde in Berlin eingeführt, ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig5. Üblicherweise wird eine Mietsicherheit (§ 566a BGB) vereinbart6. 13.14 Nebenleistungs- und Schutzpflichten des Mieters: Der Mieter darf den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht überschreiten. Er ist z.B. nicht befugt, die Mietsache anders als vertraglich festgelegt zu gebrauchen, z.B. Nutzung Wohnung als Büro (Einhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs). Eine Untervermietungserlaubnis berechtigt einen Mieter nicht zur Überlassung der Wohnung an Touristen7. Den Mieter trifft die Obhuts- und Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Mietsache. Der Vermieter kann für die Dauer der Mietzeit nicht selbst der Sache die erforderliche Obhut zukommen lassen (Obhut und Sorgfalt). Dem Mieter obliegt außerdem eine Duldungspflicht bezüglich gewisser Maßnahmen des Vermieters, z.B. Instandhaltungsarbeiten: § 242 BGB; für die (Wohn-)Raummiete: §§ 554 Abs. 1, 578 Abs. 2 BGB (Duldung von Maßnahmen des Vermieters).
1 Zu Miete trotz Lockdown s. Mettler, MietRB 2021, 57 (88); Volkmann/Semmelmayer, DB 2021, 499; zur Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung BGH v. 12.1.2022 – XII ZR 8/21. 2 Staudinger/von Emmerich (2021), Vorbem. 41 zu § 535 BGB; zur Ermittlung der ortsüblichen Miete i.S.d. § 21 Abs. 2 EStG und zum Vorrang des örtlichen Mietspiegels s. BFH v. 22.2.2021 – IX R 7/20, BStBl. II 2021, 479 = DStR 2021, 1044 = FR 2021, 701 m. Anm. Kanzler sowie Anm. Jungen/Köster. 3 Siehe auch BFH v. 22.2.2021 – IX R 7/20, DB 2021, 993. 4 Meyer-Abich, NZM 2021, 625; Zehelein, NZM 2020, 1001. 5 BVerfG v. 25.3.2021 – 2 BvF 1/20, 2 BrL 4/20, 2 BrL 5/20, BVerfGE 157, 223 = ZfIR 2021, 366 m. Anm. Discher/Adler; Riecke/Agatzy, MietRB-Blog 19.4.2021, 18:21 Uhr. 6 Zur Mietpreisbremse: Abramenko, MietRB 2015, 214 (276); Steuerliche Aspekte der Betriebskostenabrechnung: Trinks/Heine, NJW 2016, 1429; Die Umsatzsteuer in der Betriebskostenabrechnung: Schütz, NZM 2014, 417; Zivilrechtliche Rechtsprechung zu Betriebskosten: Meyer-Abich, NZM 2021, 625. 7 BGH v. 8.1.2014 – VIII ZR 210/13, MDR 2014, 268 = NJW 2014, 622; Grüneberg/Weidenkaff81, § 540 BGB Rz. 7; s.a. Heilmann, Risiken der Untervermietung für Mieter und Vermieter, NZM 2016, 74.
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A. Zivilrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.17 Kap. 13
Der Mieter hat nach Beendigung der Mietzeit dem Vermieter die Mietsache zurückzugeben, § 546 Abs. 1 BGB (Rückgabepflicht). IV. Dauer 1. Beginn der Vertragsdauer Die Vertragsdauer des Mietvertrages beginnt, sofern nichts anderes vereinbart ist, 13.15 mit dem Abschluss des Mietvertrages. Üblicherweise legen die Beteiligten aber im Mietvertrag den vertragsgemäßen Beginn fest1. Im Mietvertrag kann auch ein rückwirkender Mietbeginn bestimmt werden. Hierbei handelt es sich zu Beweiszwecken um eine Klarstellung dafür, was die Beteiligten schon zuvor mündlich oder konkludent vereinbart hatten. Für die Übergabe (tatsächliche Gebrauchsüberlassung) kann ein fester Termin oder eine bestimmte Zeitspanne festgelegt werden (z.B. „Die Übergabe erfolgt zwischen dem 1.2.2014 und dem 31.5.2014“). Dann muss der Vermieter dem Mieter den konkreten Übergabetag eine bestimmte Zeit vor der verbindlichen Übergabe mitteilen. Die gewählte Zeitspanne für die Übergabe darf nicht über Gebühr lang sein. Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch (§ 535 Abs. 1 BGB) nicht oder nicht rechtzeitig überlassen, gelten die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörung und das außerordentliche fristlose Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB2. 2. Bestimmte Zeit Die Beteiligten können die Beendigung des Mietverhältnisses durch Bestimmung 13.16 eines Endtermins regeln (Zeitmietvertrag, § 542 Abs. 2 BGB). Liegen die Voraussetzungen des § 549 Abs. 2 und 3 BGB nicht vor, ist bei Wohnraummietverhältnissen eine Befristung nur unter den Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 BGB möglich3. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen (zu weiteren damit verbundenen zivil- und steuerrechtlichen Implikationen s. Rz. 13.41 f.). Ein Mietverhältnis auf Lebenszeit einer Person kann nach § 544 Satz 2 BGB nicht ordentlich gekündigt werden. 3. Unbestimmte Zeit Die Beteiligten können ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit vereinbaren oder 13.17 es unterlassen, eine Mietzeit zu bestimmen (§ 542 Abs. 1 BGB). Beachten die Beteiligten die Schriftform des § 550 BGB nicht (s. Rz. 13.22), besteht ein Mietverhältnis mit unbestimmter Dauer, aber Mindestlaufzeit von einem Jahr. Das unbefristete 1 Zöll in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Kap. 9 Rz. 4. 2 Münchener Kommentar/Häublein8, Vor § 536 BGB Rz. 7, dies gilt wohl auch bei „Bezugsfertigkeit“ für den Mietbeginn, Zöll in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Rz. 11: Hinweis für die Praxis. 3 Staudinger/Rolfs (2021), § 575 BGB Rz. 16 ff.
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Kap. 13 Rz. 13.17 Miet- und Pachtverträge
Mietverhältnis kann mit den gesetzlichen Fristen (§§ 573c, 573d, 580a BGB) gekündigt werden, § 564 Abs. 2 BGB. Für die Kündigung des Wohnraummietverhältnisses sind die Beschränkungen der §§ 573, 574 BGB zu beachten1. Dieser Bestandsschutz umfasst auch Zweit- und Ferienwohnungen2. Die Kündigungsschutzvorschrift des § 573 BGB gilt für Wohnraummietverhältnis jeder Art auf unbestimmte Zeit. Auch die Zweitwohnung hat grundsätzlich den Kündigungsschutz des § 573 BGB, auch langfristig angemietete Ferienhäuser, wenn nicht vorübergehender Gebrauch bezweckt ist (§ 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB), insbesondere bei Wochenend- und Ferienwohnung für den Urlaub3. Die Fristenregelung in § 573c BGB ist zwingendes, nicht abdingbares Recht. V. Wirksamkeitserfordernisse 1. Minderjährige als Vertragspartner
13.18 Willenserklärungen von Personen, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Geschäftsunfähige, § 104 Nr. 1 BGB) sind nichtig (§ 105 BGB), unabhängig davon, auf welcher Seite des Vertrages diese auftreten. Ein mit einem Geschäftsunfähigen abgeschlossener Mietvertrag ist daher unwirksam. Eine nachträgliche Heilung des Mietvertrages im Wege der Genehmigung ist nicht möglich. § 105a BGB findet keine Anwendung. Mietverträge, die mit einem Minderjährigen (beschränkt geschäftsfähige Personen zwischen sieben und 18 Jahren, §§ 2, 106 BGB) geschlossen werden, sind nur wirksam, wenn der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen hierbei vertritt, der gesetzliche Vertreter dem Vertragsschluss im Einzelfall oder generell zugestimmt oder der Minderjährige selbst mit Eintritt seiner Volljährigkeit den Mietvertrag genehmigt. Anderenfalls ist der Mietvertrag schwebend unwirksam. Des Weiteren bedarf der Mietvertrag der Genehmigung durch das Familiengericht, wenn der Miet- oder Pachtvertrag länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit fortgelten soll (§§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 BGB)4. Dies gilt nicht im Falle des § 566 BGB (Kauf bricht nicht Miete). Ohne Genehmigung ist der Vertrag schwebend unwirksam. Ist ein Mietvertrag ohne die erforderliche familiengerichtliche Genehmigung geschlossen worden, ist der Vertrag im Einzelfall gegebenenfalls für die ohne die Genehmigung zulässige Dauer wirksam, wenn anzunehmen ist, dass ihn die Beteiligten auch mit dieser (kürzeren) Dauer geschlossen hätten5. 2. Scheingeschäft
13.19 Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben 1 2 3 4 5
Zur Eigenbedarfskündigung: Mettler, MietRB 2016, 49. Staudinger/Rolfs (2021), § 573 BGB Rz. 106, § 574 BGB Rz. 8. Grüneberg/Weidenkaff81, § 573 BGB Rz. 2. Änderung ab 1.1.2023, s. Rz. 7.39. Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Kap. 5 Rz. 44.
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A. Zivilrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.21 Kap. 13
wird. Daher ist ein Mietvertrag, dessen Rechtsfolgen die Beteiligten einverständlich nicht eintreten lassen wollen, unwirksam (Praxisbeispiele sind Scheinmietverträge zugunsten Angehöriger1). Durch den Scheinvertrag wird i.d.R. der wirklich gewollte Mietvertrag, der andere Bedingungen enthält, verdeckt. Von praktischer Bedeutung sind etwa die (zur Umgehung der Mieterschutzvorschriften) als Geschäftsraummietverträge deklarierten Wohnraummietverhältnisse und die zur Umgehung eines Zweckentfremdungsverbots als Wohnraummietverträge deklarierten Geschäftsraummietverhältnisse. Wird in einem Mietvertrag zum Schein ein anderer Nutzungszweck (als der tatsächlich gewollte) vereinbart, so gilt der wirklich gewollte Mietzweck. Daher kommt tatsächlich ein Wohnraummietvertrag zustande, wenn der Vermieter die Räume zwar formal als Büroräume vermietet und vom Mieter die Anmeldung eines Gewerbes sowie die Vorlage eines Gewerbescheins verlangt, sich mit dem Mieter aber gleichwohl einig ist oder zumindest weiß, dass der Mieter die Räumlichkeiten als Wohnung (und nicht als Büro) nutzen wird2. Andererseits gelten aber die Vorschriften der Geschäftsraummiete, wenn die Vertragsparteien lediglich zum Schein und zur Umgehung eines gemeindlichen Zweckentfremdungsverbots einen Wohnraummietvertrag schließen. Das Umgehungsgeschäft (der Geschäftsraummietvertrag) ist ernsthaft gewollt und damit kein Scheingeschäft (§ 117 Abs. 2 BGB)3. Verstöße gegen das WoBinG, Zweckentfremdungsverbote und Steuergesetze führen nicht zur Nichtigkeit des Mietvertrages (keine Verbote i.S.d. § 134 BGB). 3. Form Der Mietvertrag ist grundsätzlich formfrei. Er kann auch konkludent abgeschlos- 13.20 sen oder geändert werden. So nimmt der BGH einen konkludenten Beitritt eines Ehegatten als weiteren Mieter in den von seinem Ehepartner mit dem Vermieter abgeschlossenen Mietvertrag an, wenn der Ehegatte im eigenen Namen Willenserklärungen gegenüber der Hausverwaltung abgibt, die Wohnung jahrelang alleine nutzt, Mietzahlungen leistet und Schönheitsreparaturen ausführt4. Ausnahme: Ein Mietvertrag über Wohnräume, sonstige Räume (§ 578 Abs. 2 BGB) 13.21 oder über ein Grundstück (§ 578 Abs. 1 BGB) bedarf dann der Schriftform (§ 126 BGB), wenn er für länger als ein Jahr (maßgeblich ist der vertragsgemäße Beginn, s. Rz. 13.15) geschlossen wird (§§ 550 Satz 1, 578 BGB). Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter für eine längere Zeit als ein Jahr auf sein Recht zur Kündigung verzichtet. Die Form ist auch bei Verträgen zu beachten, bei denen die vereinbarte
1 BGH v. 18.9.2013 – VIII ZR 297/12, MDR 2013, 1335 = NJW-RR 2014, 11 = ZfIR 2014, 106. 2 Staudinger/Artz (2021), § 549 BGB Rz. 15, 51. 3 Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Kap. 5 Rz. 49. 4 BGH v. 11.7.2005 – VIII ZR 255/04, MDR 2006, 84 = NJW 2005, 2620 = ZMR 2005, 781.
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Kap. 13 Rz. 13.21 Miet- und Pachtverträge
Kündigungsfrist so bemessen ist, dass der Vertrag erst auf einen Zeitpunkt nach Ablauf des ersten Vertragsjahres gekündigt werden kann.
13.22 Die Formvorschrift ist zwingend1. Die Nichtbeachtung der Schriftform nach § 550 BGB bewirkt keine Unwirksamkeit des ganzen Vertrages, sondern (nur) dass der Vertrag als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt und ordentlich (§§ 542 Abs. 1, 573, 580a BGB) gekündigt werden kann, aber frühestens nach einem Jahr nach Überlassung des Mietobjektes (§ 550 Satz 2 BGB). § 550 BGB will nach ständiger Rechtsprechung des BGH in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückerwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag ersehen kann. Darüber hinaus dient § 550 BGB dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien sicherzustellen und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. 13.23 Unter dem Formzwang stehen alle Vereinbarungen, die den Mietvertrag betreffen und aus denen sich nach dem Willen der Beteiligten der Mietvertrag zusammensetzt. Z.B. muss sich Beginn und Ende der Mietzeit in hinreichend bestimmter Weise (zumindest abstrakt) aus der Vertragsurkunde ergeben2. Wird eine Partei vertreten, ist ein die Vertretung kennzeichnender Zusatz notwendig oder die Vertretung muss auf andere Weise hinreichend bestimmbar sein und sich aus den Umständen ergeben3. Ob Vertretungsmacht bestand, ist nicht Frage der Schriftform, sondern der Wirksamkeit des Vertrages. Soll in einem Mietvertrag, der wegen seiner Laufzeit der Schriftform des § 550 BGB bedarf, ein Mieterwechsel herbeigeführt werden, muss die schriftliche Vereinbarung zwischen dem früheren und dem neuen Mieter eine hinreichend deutliche Bezugnahme auf den Mietvertrag enthalten, wenn die Schriftform gewahrt bleiben soll. Die für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme erforderliche Zustimmung des Vermieters kann formlos erfolgen4. Regelfall ist die Unterzeichnung einer Urkunde durch alle Vertragsparteien (§ 126 Abs. 2 BGB). Besteht die Vertragsurkunde aus mehreren Seiten, muss die erforderliche Einheit (§ 126 Abs. 2 BGB) durch körperliche Verbindung der Blätter oder in sonst geeigneter Weise kenntlich gemacht werden5. Anlagen müssen zweifelsfrei zugeordnet werden können, z.B. Bezeichnung in der Haupturkunde so genau, dass zweifelsfreie Zuordnung möglich ist6. Das Schriftformerfordernis besteht auch für formbedürftige Vertragsänderungen (wesentliche Punkte).
1 Staudinger/von Emmerich (2021), § 550 BGB Rz. 2. 2 BGH v. 24.7.2013 – XII ZR 104/12, MDR 2013, 1211 = NJW 2013, 3361 = ZMR 2014, 22. 3 BGH v. 23.1.2013 – XII ZR 35/11, MDR 2013, 395 = NJW 2013, 1082 = DStR 2013, 990 = ZfIR 2013, 357; Grüneberg/Weidenkaff81, § 550 BGB Rz. 10. 4 BGH v. 30.1.2013 – XII ZR 38/12, MDR 2013, 394 = NJW 2013, 1083 = DStR 2013, 1441 = ZfIR 2013, 324; Grüneberg/Weidenkaff81, § 550 BGB Rz. 4. 5 Staudinger/von Emmerich (2021), § 550 BGB Rz. 29. 6 KG v. 11.3.2021 – 8 U 1106/20, MietRB 2021, 294.
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B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.41 Kap. 13
Der Mietvertrag bedarf der notariellen Beurkundung, wenn er Teil eines zusam- 13.24 mengesetzten Vertrages ist1, z.B. Kauf des Grundstücks und vorgeschalteter Mietvertrag, Einräumung eines Vorkaufsrecht- oder Ankaufsrecht. Der Formverstoß gegen § 311b Abs. 1 BGB macht das gesamte Vertragswerk einschließlich des Mietvertrages nichtig (§ 125 Satz 1 BGB, § 550 BGB ist nicht anwendbar), wenn nicht im Einzelfall aus § 139 BGB oder aus der Vereinbarung einer salvatorischen Klausel ein anderer Wille zu folgern ist2. Im Zweifel sind ein Mietvertrag, der ein Ankaufsoder ein Vorkaufsrecht enthält, und sämtliche mit einem Grundstücksgeschäft rechtlich zusammenhängende Verträge notariell zu beurkunden3. Die Praxis verwendete Schriftformheilungsklauseln4 (mietvertragliche Verpflich- 13.25 tung auf Heilung des Formmangels hinzuwirken und Kündigungsrecht erst, nachdem entsprechende Bemühungen erfolglos geblieben sind). Der BGH5 hat klargestellt, dass Schriftformheilungsklauseln, unabhängig davon, ob individuell vereinbart oder als AGB, unwirksam sind. Vorgeschlagene Ersatzstrategien helfen nicht6. Die Gesetzesinitiative des Landes NRW zur Änderung7 wurde in einer Stellungnahme der Bundesregierung abgelehnt8.
13.26–13.40
Einstweilen frei.
B. Einkommensteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen I. Unbefristete und befristete Vermietung als Vertragsgegenstand Unter dem Begriff der „Vermietung und Verpachtung“ i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 13.41 EStG wird gemeinhin eine „zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung gegen Entgelt“ verstanden9; ein gewisses „zeitliches Moment“ ist daher dem steuerrechtlichen Begriff dem Grunde nach immanent. Eine vom Vermieter ausdrücklich gewählte zeitliche Begrenzung seiner Vermietungstätigkeit kann gleichwohl mit Blick auf die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht steuerrechtlich problematisch sein (s. Rz. 1.851). Denn (nur) bei einer auf Dauer angelegten Vermietung von Wohngebäuden ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, 1 Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Kap. 6 Rz. 141; OLG Stuttgart v. 28.7.2014 – 5 U 40/14 m. Anm. Grziwotz, MietRB 2015, 82. 2 Münchener Kommentar/Bieber8, § 550 BGB Rz. 4; Staudinger/von Emmerich (2021), § 550 BGB Rz. 6. 3 Lindner-Figura in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann4, Kap. 6 Rz. 154: Hinweis für die Praxis. 4 Allg. zu Schriftformklauseln: Staudinger/von Emmerich (2021), § 550 BGB Rz. 69. 5 BGH v. 27.9.2017 – XII ZR 114/16, MDR 2017, 1351 = NJW 2017, 3772 = BB 2017, 2689, 2761 = ZfIR 2018, 10 m. Anm. Bin´kowski/Mönig. 6 Staudinger/von Emmerich (2021), § 550 BGB Rz. 71. 7 BR-Drucks. 469/199. 8 Neumann, ZMR 2020, 174. 9 Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz. 50.
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Kap. 13 Rz. 13.41 Miet- und Pachtverträge
letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (s. Rz. 1.813). Vor diesem Hintergrund verzichtet die Rechtsprechung nur im Falle einer solchen „dauerhaften“ Vermietung auf eine gesonderte Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen durch eine sog. Überschussprognose (zu Einzelheiten s. Rz. 1.823).
13.42 Im Gegenzug kann das Fehlen einer ausdrücklich vertraglich vereinbarten zeitlichen Begrenzung des Mietverhältnisses mit Blick auf eine gewünschte Selbstnutzung oder einen geplanten Verkauf des Immobilienobjekts aber auch zivilrechtlich problematisch sein. Denn der Vermieter setzt sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen oder ggf. zu veräußern. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt. In diesem Fall wäre dann eine bspw. auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Vermieters nicht zulässig1. 13.43 Vor diesem Hintergrund muss bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen sorgsam ermittelt (und ggf. auch Rechtsrat eingeholt) werden, welche Dispositionen der Vermieter hinsichtlich des Immobilienobjekts künftig erwägt und welche zivil- und steuerrechtlichen Konsequenzen insoweit in Betracht gezogen werden müssen. II. Besondere Voraussetzungen für die steuerrechtliche Berücksichtigung von Mietverträgen unter nahestehenden Personen Literatur (Auswahl): Fuhrmann, Verträge zwischen nahen Angehörigen – Grenzfälle der Gestaltungspraxis, KÖSDI 2005, 14784; Günther, Gestaltungsmissbrauch bei Einkünften mit Grundstücken, EStB 2019, 64; Hamdan/Hamdan, Die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, DStZ 2008, 113; Heuermann, Irritationen über einen alten Rechtsgrundsatz – Verträge zwischen nahestehenden Personen ohne zivilrechtliche Wirksamkeit? DB 2007, 1267; Heuermann, Formunwirksame Verträge zwischen nahestehenden Personen, StBp 2007, 223; Heuermann, Vermieten als unangemessenes Gestalten durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene, StuW 2004, 124; Heuermann, Vermieten als angemessenes Gestalten, BB 2003, 1465; Pezzer, Steuerliche Gestaltungen und ihre Grenzen bei Vermietung und Verpachtung unter nahen Angehörigen, DStR 1995, 1853 (1898); Pezzer, Ungelöste Grundsatzfragen in der Rechtsprechung zur Vermietung an volljährige unterhaltsberechtigte Kinder, StuW 1994, 341; Pottenstein/Geck, Das Stuttgarter Modell: Steuerrechtliche und zivilrechtliche Risiken, DStR 2005, 1425 (1471); Schimpfky, Steuerorientierte Gestaltung der Nachfolge bei privatem Immobilienvermögen, ZEV 2013, 662; Schoor, Gestaltungsempfehlungen bei Mietverträgen zwischen Angehörigen, StuB 2004, 952; Schoor, Mietverträge zwischen nahen Angehörigen, StBp 2004, 292; Spindler, Neuere Tendenzen in der steuerrechtlichen Beurteilung von Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen, DB 1997, 643; Thürmer, Wohnungsvermietung an ein unterhaltsberechtigtes Kind, DB 2003, 1 BGH v. 21.1.2009 – VIII ZR 62/08, MDR 2009, 498 = NJW 2009, 1139 = Grundeigentum 2009, 575.
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B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.45 Kap. 13
1012; Tiedtke/Möllmann, Zivilrechtliche Wirksamkeit als Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, DStR 2007, 1940.
1. Allgemeines Miet- und Pachtverträge unter nahestehenden Personen (in der Rechtsprechung 13.44 vielfach auch als „nahe Angehörige“ bezeichnet) sind häufig durch persönliche Belange und familiäre Rücksichtnahme geprägt; sie werden – ebenso wie andere Vertragsgestaltungen1 – nach ständiger Rechtsprechung steuerrechtlich nur dann berücksichtigt, wenn – sie der Erzielung von Einkünften dienen2, – sie bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart sind – sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen3 und – ihr Abschluss nicht einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.v. § 42 AO darstellt4. Begründet wird diese Rechtsprechung, die das BVerfG wiederholt gebilligt hat5, mit 13.45 der Notwendigkeit, den steuerlich relevanten Bereich (z.B. der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) von dem privaten bzw. familiären Bereich zu trennen6. Während bei Vertragsverhältnissen zwischen Fremden aufgrund des natürlichen Interessengegensatzes eine privat veranlasste Gestaltung regelmäßig ausscheidet, liegt bei Vereinbarungen zwischen nahestehenden Personen eine Verwurzelung im pri-
1 Zu Arbeitsverträgen z.B. BFH v. 10.3.1993 – I R 118/91, BStBl. II 1993, 604 = DB 1993, 1599; zu Schenkungs- und Darlehensvereinbarungen z.B. BFH v. 18.12.1990 – VIII R 1/88, BStBl. II 1991, 911 = DB 1991, 1099; zu Gesellschaftsverträgen z.B. BFH v. 5.6.1986 – IV R 53/82, BStBl. II 1986, 798 = GmbHR 1986, 403 = DB 1986, 2213, jeweils m.w.N. 2 BFH v. 25.1.1994 – IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11. 3 Ständige Rechtsprechung BFH v. 19.6.1991 – IX R 306/87, BStBl. II 1992, 75 = FR 1992, 272 m. Anm. Drenseck; v. 25.5.1993 – IX R 17/90, BStBl. II 1993, 834; v. 3.3.2004 – X R 14/01, BStBl. II 2004, 826 = NJW 2004, 2997 = DStR 2004, 854 = ZEV 2004, 250; v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 = DB 2006, 2216 = ZEV 2006, 519 = NJW 2006, 3743; v. 21.11.2013 – IX R 26/12, BFH/NV 2014, 529 = BB 2014, 736, zum Fremdvergleich bei Beteiligung einer GbR; v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006; v. 4.10.2016 – IX R 8/16, BStBl. II 2017, 273 = DStR 2016, 2947 = DB 2017, 39 = ErbStB 2017, 33 m. Komm. Günther = DStRK 2017, 60 m. Hinweis Gehm; v. 11.7.2017 – IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422, zur Abwicklung eines Mietverhältnisses nach Einweisung der Mieter (Eltern) in ein Pflegeheim. 4 BFH v. 14.1.1992 – IX R 33/89, BStBl. II 1992, 549 m.w.N. 5 Z.B. BVerfG v. 20.11.1984 – 1 BvR 1406/84, HFR 1985, 283; v. 27.3.1985 – 1 BvR 1415/84, HFR 1987, 92; v. 16.7.1991 – 2 BvR 768/90, HFR 1992, 23. 6 Z.B. BFH v. 13.11.1986 – IV R 322/84, BStBl. II 1987, 121 = DStR 1987, 123; v. 10.8.1988 – IX R 220/84, BStBl. II 1989, 137 = NJW 1989, 1631; v. 27.11.1989 – GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160 = NJW 1990, 853 = DB 1990, 301 = ZMR 1990, 223.
Schallmoser 1149
Kap. 13 Rz. 13.45 Miet- und Pachtverträge
vaten Bereich immer nahe1. Nur wenn der jeweilige Vertrag die unter Rz. 13.44 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt, ist stets sichergestellt, dass die Vereinbarung und die dementsprechend erbrachten Leistungen nicht privat – z.B. als Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG) – veranlasst sind2. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder gegen die besondere Schutzgarantie von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) liegt darin ebenso wenig wie eine Beschränkung der Vertragsfreiheit3. Auch nahestehende Personen können ihre Rechtsverhältnisse untereinander so gestalten, dass sie für sie steuerlich möglich günstig sind; das Vereinbarte muss jedoch den hierfür geltenden, nachstehend erläuterten Grundsätzen (Handeln mit Einkünfteerzielungsabsicht, zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, kein Missbrauch) entsprechen. Hierauf ist bei der Abfassung von Miet- und Pachtverträgen ein besonderes Augenmerk zu richten. 2. Begriff der „nahestehenden Personen“
13.46 Der Begriff der „nahestehenden Personen“ ist gesetzlich nicht definiert. Nach allgemeiner Ansicht4 ist der darunter zählende Personenkreis einerseits enger als derjenige der in § 15 AO genannten „Angehörigen“, andererseits weiter als derjenige der „nächsten Angehörigen“ i.S.d. § 58 Nr. 5 AO5. Maßgebend ist insoweit weniger eine bestimmte verwandtschaftliche Nähe i.S.d. bürgerlichen Rechts, sondern ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis6.
1 Z.B. BFH v. 18.12.1990 – VIII R 137/85, BFH/NV 1991, 518; v. 22.1.1991 – VIII R 321/83, BFH/NV 1991, 667. 2 Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 4 EStG Rz. E 850 f. m.w.N. 3 BFH v. 18.12.1990 – VIII R 290/82, BStBl. II 1991, 391 = DB 1991, 1096. 4 Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 126; Bordewin, DB 1996, 1359; Schoor, INF 1996, 110. 5 Siehe dazu BMF v. 24.7.1987, BStBl. I 1987, 664, 676. 6 BFH v. 11.7.2017 – IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422; v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006; v. 19.11.2014 – VIII R 23/11, juris; v. 9.10.2013 – IX R 2/13, BStBl. II 2014, 527 = DStRE 2014, 610 = DB 2014, 1056; v. 22.1.2013 – IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067; v. 1.12.2004 – X R 4/03, BFH/NV 2005, 549, einschränkend BFH v. 31.5.2001 – IX R 78/98, BStBl. II 2001, 756, zu einem Vertrag zwischen getrennt lebenden Ehegatten, und v. 9.5.2017 – IX R 1/16, BStBl. II 2018, 94, zu einer Zuwendung unter Freunden; offen gelassen für geschiedene Eheleute in BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214; v. 8.2.1995 – X S 7/94, BFH/NV 1995, 782; v. 31.5.2001 – IX R 78/98, BStBl. II 2001, 756 = FR 2001, 1185 m. Anm. Fischer. FG Rheinland-Pfalz v. 17.10.1996 – 4 K 2565/95, EFG 1997, 284, rkr. wendet die Grundsätze über die steuerliche Anerkennung von Mietverträgen zwischen Ehegatten nicht auf Verträge zwischen geschiedenen Ehegatten an.
1150 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.48 Kap. 13
Nach der Rechtsprechung zählen zu den „nahestehenden Personen“: –
Ehegatten1,
13.47
auch wenn sie – bei fehlenden gegenläufigen Interessen – getrennt le-
ben2, – Eltern und minderjährige3 oder volljährige4 Kinder, – Großeltern und Enkel5, – Schwiegereltern und Schwiegerkinder6, – Geschwister7, – Verschwägerte8, – Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG9 und – Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft10 sowie ggf. deren Eltern11. Die Grundsätze der Rechtsprechung zu nahestehenden Personen gelten darüber hinaus auch für Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft, die von einer nahestehenden Person beherrscht wird12. Verlobte wurden in der Rechtsprechung des BFH bislang nicht als nahestehende 13.48 Personen behandelt13, was angesichts der Rechtsprechung zu nichtehelichen und eingetragenen Lebenspartnern (s. Rz. 13.47) u.E. nicht mehr haltbar ist. Offen geblieben ist, ob die für nahestehende Personen geltenden Rechtsprechungsgrundsätze
1 BFH v. 27.11.1989 – GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160 = NJW 1990, 853 = DB 1990, 301 = ZMR 1990, 223; v. 10.4.1990 – VIII R 289/84, BStBl. II 1990, 741 = NJW 1990, 3039. 2 BFH v. 27.11.1989 – GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160 = NJW 1990, 853 = DB 1990, 301 = ZMR 1990, 223; v. 10.4.1990 – VIII R 289/84, BStBl. II 1990, 741 = NJW 1990, 3039. 3 BFH v. 15.4.1986 – IX R 52/83, BStBl. II 1986, 605 = DStR 1986, 573 = NJW 1987, 343 = MittBayNot 1986, 281; v. 25.11.1986 – IX R 51/82, BFH/NV 1987, 159. 4 Z.B. BFH v. 11.7.2017 – IX R 42/15, BFH/NV 2017, 1422; v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/ NV 2016, 1006; v. 25.5.1993 – IX R 17/90, BStBl. II 1993, 834; v. 5.2.1988 – III R 216/84, BFH/NV 1988, 553; v. 25.5.1976 – IV R 226227/71, BStBl. II 1976, 561. 5 BFH v. 18.12.1990 – VIII R 138/85, BStBl. II 1991, 581 = DB 1991, 1097. 6 BFH v. 5.2.1988 – III R 234/84, BFH/NV 1988, 628; v. 31.10.1989 – VIII R 293/84, BFH/ NV 1990, 759. 7 BFH v. 7.5.1996 – IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196 = DB 1996, 1755 = NJW 1996, 3167. 8 BFH v. 7.5.1996 – IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196 = DB 1996, 1755 = NJW 1996, 3167; vgl. auch BFH v. 7.10.1986 – IX R 167/83, BStBl. II 1987, 322 = BB 1987, 880. 9 Drüen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 21 EStG Rz. B 185 f.; Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 126. 10 BFH v. 26.9.2007 – IX B 115/07, BFH/NV 97, 2235. 11 BFH v. 22.1.2013 – IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067. 12 BFH v. 22.1.2013 – IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067; v. 22.4.2002 – IX B 186/01, BFH/NV 2002, 1155. 13 BFH v. 17.1.1985 – IV R 149/84, BFH/NV 1986, 148.
Schallmoser 1151
Kap. 13 Rz. 13.48 Miet- und Pachtverträge
auch auf Vereinbarungen zwischen Onkel bzw. Tante und Neffe bzw. Nichte1 oder zwischen Stiefmutter und Stiefsohn anzuwenden sind2.
13.49–13.60 Einstweilen frei. 3. Zu den besonderen Voraussetzungen im Einzelnen a) Einkünfteerzielungsabsicht
13.61 Bei Miet- und Pachtverträgen zwischen nahestehenden Personen kann eine verbilligte Miete eine besondere Rolle spielen: – Fehlte mit Blick auf eine gegenüber dem Marktniveau deutlich herabgesetzte Miete die Einkünfteerzielungsabsicht, unterstellte die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung ein nicht steuerbares Verhalten (sog. „Liebhaberei“); das Mietverhältnis wurde dann steuerlich überhaupt nicht berücksichtigt. Einen solchen Fall hatte der BFH etwa angenommen, wenn der Steuerpflichtige sein mit hohen Kosten aufwendig umgebautes Einfamilienhaus jahrelang an seinen Sohn zu einem Mietzins vermietet, der nicht einmal ein Drittel der von dem Finanzamt anerkannten Werbungskosten erreicht3. Diese Rechtsprechung ist durch die Neuregelungen in § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011, geändert m.W.v. VZ 2021 durch das JStG 2020 (s. dazu nachfolgend sowie Rz. 1.832 ff.) weitgehend überholt. – Nach der ab VZ 2021 geltenden Rechtslage sind drei Bereiche zu unterscheiden: (1) Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken mindestens 66 v.H. der ortsüblichen Miete, wird die Vermietungstätigkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 als entgeltlich fingiert. Der Steuerpflichtige kann die mit der Vermietung verbundenen Aufwendungen in voller Höhe abziehen. (2) Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 v.H. der ortsüblichen Miete, ist die (zivilrechtlich einheitlich) Vermietungstätigkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 1 stets in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Soweit der Stpfl. unentgeltlich nutzen lässt, ist seine Tätigkeit nicht steuerbar und seine damit zusammenhängenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehbar. Soweit er entgeltlich und auf Dauer vermietet, typisiert das Gesetz die Einkünfteerzielungsabsicht und die Aufwendungen sind (anteilig) abziehbar. (3) Im Schwellenbereich zwischen 50 v.H. und 65,9 v.H. der Marktmiete gibt es dagegen keine gesetzliche Fiktion; es gelten die (von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten) allgemeinen Regeln. Danach ist die Einkünfteerzielungsabsicht des Stpfl. mit Hilfe einer Überschussprognose zu prüfen. Ist die Prognose
1 Vgl. hierzu Bordewin, DB 1996, 1359. 2 Für eine Anwendung auf diesen Personenkreis: Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 126. 3 BFH v. 25.1.1994 – IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11.
1152 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.62 Kap. 13
positiv, ist die Vermietungstätigkeit als (voll)entgeltlich anzusehen; die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Aufwendungen sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar. Ist die Prognose negativ, ist die Vermietungstätigkeit in eine entgeltliche und in eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung aufzuteilen; die anteilig auf den entgeltlichen Teil entfallenden Aufwendungen sind als Werbungskosten abziehbar (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG n.F.; s. Rz. 1.835). – Zur Rechtslage vor dem 1.1.2021 s. Rz. 1.834). Von einem (gänzlichen) Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht kann im Einzelfall aber ausgegangen werden, wenn es dem Vermieter von vornherein nicht um die entgeltliche Überlassung der Wohnung, sondern um die Gewährung von „Naturalunterhalt“ an eine nahestehende Person in Form der Gestellung von Wohnraum geht und er mithin im Interesse der Versorgung dieses Angehörigen handelt1. b) Zivilrechtliche Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung Steuerrechtlich anerkannt werden Miet- und Pachtverträge (wie auch andere Ver- 13.62 tragsgestaltungen zwischen nahestehenden Personen) überdies nur dann, wenn sie zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind2; auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass nur ernsthaft vereinbarte Verträge der Besteuerung zugrunde gelegt werden3 und dass die Vertragsbeziehungen tatsächlich nicht im privaten Bereich (§ 12 EStG) wurzeln4. Die zivilrechtliche Wirksamkeit ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal; vielmehr ist das Außerachtlassen zivilrechtlicher Wirksamkeitsanforderungen lediglich ein Indiz (Beweisanzeichen) gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung und gegen einen (für die steuerrechtliche Anerkennung erforderlichen) vertraglichen Bindungswillen5; denn die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses darf nicht zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbständigt werden, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses zur Folge hat6. Lassen daher die sich nahe stehenden Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, führt dieses Beweisanzeichen nicht allein und ausnahmslos dazu, dass das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen wäre7. Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird allerdings verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere
1 BFH v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006. 2 Vgl. z.B. BFH v. 19.6.1991 – IX R 306/87, BStBl. II 1992, 75 = FR 1992, 272 m. Anm. Drenseck = ZMR 1992, 166. 3 Eingehend hierzu BFH v. 1.2.1973 – IV R 49/68, BStBl. II 1973, 307 = DStR 1973, 247 = NJW 1973, 2093. 4 BFH v. 9.7.1987 – IV R 95/85, BStBl. II 1988, 245 = DStR 1987, 800 = NJW 1988, 1343. 5 BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 = DB 2006, 2216 = ZEV 2006, 519 = NJW 2006, 3743; v. 27.2.2007 – IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20 = FR 1996, 18 m. Anm. Pezzer = ZEV 2007, 345 = NJW 2007, 2656. 6 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 = FR 1996, 18 m. Anm. Pezzer. 7 Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz. 127.
Schallmoser 1153
Kap. 13 Rz. 13.62 Miet- und Pachtverträge
bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann1. Wirken die Vertragsparteien, nachdem sie die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften erkannt haben, andererseits auf die Behebung des formalen Mangels hin und dokumentieren sie auf diese Weise, dass sie den wirtschaftlichen Erfolg bestehen lassen wollen, schwächt dies die mögliche Indizwirkung wieder ab2.
13.63 Eine indizielle Bedeutung kann dem Merkmal der zivilrechtlichen (Un-)Wirksamkeit bspw. zukommen bei – der Beteiligung von Minderjährigen3; – der schwebenden Unwirksamkeit von Verträgen4; – einer vertraglich vereinbarten, steuerrechtlich unzulässigen „Rückwirkung“ eines Leihvertrages5.
13.64 Keine Bedeutung kommt demgegenüber – der fehlenden Schriftform eines Mietverhältnisses zu6.
13.65 Unbeschadet des Umstands, dass Miet- und Pachtverträge keiner besonderen Form bedürfen, empfiehlt es sich gleichwohl, solche Verträge auch unter nahestehenden Personen schriftlich abzuschließen; denn der Steuerpflichtige hat im Falle der Geltendmachung von Werbungskostenüberschüssen die Darlegungslast für das Vorliegen eines entsprechenden Vertrages. Zudem kann auch die – notwendige – Prüfung, ob der jeweilige Vertrag dem sog. Fremdvergleich (s. dazu Rz. 13.67 ff.) standhält, zuverlässig nur anhand der in einem schriftlichen Vertrag vereinbarten Modalitäten vorgenommen werden. 13.66 Zivilrechtlich unwirksame Scheingeschäfte (§ 117 Abs. 1 BGB) sind für die Besteuerung unerheblich (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsparteien über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind, 1 BFH v. 12.5.2009 – IX R 46/08, BStBl. II 2011, 24 = FR 2009, 1067 m. Anm. Bode = DB 2009, 1627; v. 22.2.2007 – IX R 45/06, BStBl. II 2011, 20 = FR 1996, 18 m. Anm. Pezzer = ZEV 2007, 345 = NJW 2007, 2656; vgl. auch BMF v. 23.12.2010, BStBl. I 2011, 37, Tz. 2, zu Darlehensverträgen; Tiedtke/Möllmann, DStR 2007, 1940 (1942). 2 Heuermann, DB 2007, 1267. 3 Da Mietverträge für diese nicht lediglich rechtliche Vorteile bringen, bedürfen sie zur zivilrechtlichen Wirksamkeit und damit zur steuerrechtlichen Anerkennung der Vertretung des Minderjährigen durch einen Ergänzungspfleger, der vom Vormundschaftsgericht bestellt wird, vgl. §§ 1693, 1909 Abs. 1 BGB; s. hierzu BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 = DB 2006, 2216 = ZEV 2006, 519 = NJW 2006, 3743; s.a. BMF v. 23.12.2010, BStBl. I 2011, 37, Tz. 10, zu Darlehensverträgen. 4 Vgl. BFH v. 7.6.2006 – IX R 4/04, BStBl. II 2007, 294 = DB 2006, 2216 = ZEV 2006, 519 = NJW 2006, 3743; s.a. Heuermann, DB 2007, 1267. 5 Vgl. BFH v. 10.10.2000 – IX R 11/97, BFH/NV 2001, 586, zu einer (grds. mit steuerlicher Wirkung möglichen) zeitlich begrenzten, leihweisen Überlassung einer Wohnung an den minderjährigen Sohn zur Weitervermietung an Dritte. 6 BFH v. 31.7.2007 – IX R 8/07, BFH/NV 2008, 350; v. 10.5.2006 – IX R 35/05, BFH/NV 2006, 1648; v. 19.10.1999 – IX R 80/97, BFH/NV 2000, 429.
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B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.68 Kap. 13
was bereits daran offenkundig werden kann, dass sie die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben1. Zwar ist in der Rechtsprechung des BFH bislang noch kein Mietvertrag zwischen nahestehenden Personen abschließend als Scheingeschäft beurteilt worden2. Allerdings hat der BFH bspw. in einem Fall3, in dem einer unterhaltsbedürftigen Mutter nach Zahlung der vereinbarten Miete an ihren Sohn monatlich lediglich 365 DM für den Lebensunterhalt verblieben sein sollen, dem FG aufgegeben, im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob nicht ein Scheingeschäft vorliege. Ferner hat er in einer weiteren Entscheidung4 darauf hingewiesen, dass ein Mietverhältnis gem. § 41 Abs. 2 AO für die Besteuerung unerheblich ist, wenn der Vermieter dem Mieter die Miete im Vorhinein zur Verfügung stellt oder die Miete nach Eingang auf seinem Konto alsbald an den Mieter zurückzahlt, ohne hierzu aus anderen – z.B. unterhaltsrechtlichen – Rechtsgründen verpflichtet zu sein. c) Fremdvergleich Miet- und Pachtverträge zwischen nahestehenden Personen sind ferner am sog. 13.67 Fremdvergleich zu messen. Hiernach ist ein solcher Vertrag steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn er sowohl nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen (Gestaltung) als auch hinsichtlich seiner tatsächlichen Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Rechtsgrundlage für den Fremdvergleich ist das aus § 12 EStG abzuleitende Gebot der Abgrenzung zwischen Einkunftserzielung und privater bzw. familiärer Sphäre5. Allerdings rechtfertigen die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs es nicht, anstelle der im Vertrag tatsächlich vereinbarten Leistung der Besteuerung eine höhere Gegenleistung unter Hinweis darauf zugrunde zu legen, dass eine solche unter fremden Dritten gefordert (und erbracht) worden wäre6. Häufig scheitern Miet- und Pachtverträge zwischen nahestehenden Personen bei 13.68 diesem Prüfungsschritt, weil die getroffenen Vereinbarungen unter Abweichung von dem zwischen Fremden Üblichen durch persönliche Belange und familiäre Rücksichtnahme geprägt sind. Für die Beurteilung eines solchen Vertrages im Rahmen des Fremdvergleichs ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend7; dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede, lediglich geringfügige Ab-
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BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216 = DB 1989, 808. Offen gelassen z.B. in BFH v. 14.1.1992 – IX R 33/89, BStBl. II 1992, 549. BFH v. 19.12.1995 – IX R 85/93, BStBl. II 1997, 52. BFH v. 28.1.1997 – IX R 23/94, BStBl. II 1997, 655. Vgl. Pezzer, DStR 1995, 1899. BFH v. 31.5.2001 – IX R 78/98, BStBl. II 2001, 756 = FR 2001, 1185 m. Anm. Fischer. Ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006; v. 9.10.2013 – IX R 2/13, BStBl. II 2014, 527 = DB 2014, 1056; v. 27.7.2004 – IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699.
Schallmoser 1155
Kap. 13 Rz. 13.68 Miet- und Pachtverträge
weichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus1.
13.69 Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines Miet- und Pachtvertrages nach Maßgabe des sog. Fremdvergleichs ist, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien wie das Überlassen einer konkret bestimmten Miet- oder Pachtsache und die Höhe des zu entrichtenden Entgelts (§ 535 BGB) stets klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden2. So kann z.B. ein Mietvertrag der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, wenn die Höhe der Miete3 oder die Art der Mietentrichtung4 als Hauptpflicht des Mieters nicht klar geregelt worden sind. Dasselbe gilt z.B. dann, wenn bei der Vermietung einer möblierten Wohnung ein Mietvertrag über eine unmöblierte Wohnung ohne Hinweis auf die Möblierung abgeschlossen wird und somit unklar bleibt, ob die Möblierung unentgeltlich oder gegen zusätzliches Entgelt überlassen wird5. Mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen ist ein Miet- und Pachtvertrag ferner dann, wenn statt der vereinbarten unbaren Zahlung des Mietzinses ersatzweise eine laufende „Verrechnung“ des Mietzinsanspruches mit Unterhaltsansprüchen der als Mieter auftretenden nahestehenden Person vorgenommen wird, ohne dass die Höhe der Gegenansprüche endgültig feststeht oder zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen eine Abrechnung der noch offenen (Gegen-)Forderungen vorgenommen wird6. Dabei ist hervorzuheben, dass die Rechtsprechung Mietverträge mit unterhaltsberechtigten Angehörigen durchaus auch dann anerkennt, wenn der Angehörige die Miete aus dem Barunterhalt der Eltern zahlt (s. Rz. 13.89 ff.); in diesem Fall muss aber die Höhe des Unterhalts fest vereinbart sein und der Unterhalt (ebenso wie die im Vorhinein fest vereinbarte Miete) tatsächlich geleistet werden7. Selbst eine Verrechnung von Ansprüchen ist zulässig, wenn sie von feststehenden Beträgen ausgeht und zu festen Terminen durchgeführt wird8. Nicht die gleichzeitige Vereinbarung von Miete und Unterhalt und deren Verrechnung erscheint danach steuerrechtlich problematisch, sondern eine davon abweichende tatsächliche Durchführung.
1 BFH v. 7.5.1996 – IX R 69/94, BStBl. II 1997, 196; vgl. hierzu auch BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 = DB 1995, 2572 m. Anm. Spindler = FR 1996, 18 m. Anm. Pezzer. 2 BFH v. 20.10.1997 – IX R 38/97, BStBl. II 1998, 106. 3 BFH v. 28.3.1995 – IX R 14/93, BFH/NV 1995, 964. 4 BFH v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006; v. 9.2.1993 – IX R 86/90, BFH/NV 1993, 592. 5 BFH v. 27.6.1995 – IX R 90/93, BFH/NV 1996, 29. 6 BFH v. 16.2.2016 – IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006. 7 BFH v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224 = FR 2000, 204 m. Anm. Fischer = NJW 2000, 758 = ZfIR 2000, 146; v. 17.12.2002 – IX R 18/00, BFH/NV 2003, 749. 8 BFH v. 19.10.1999 – IX R 30/98, BStBl. II 2000, 223; v. 19.10.1999 – IX R 80/97, BFH/NV 2000, 429, jeweils zu Mietverträgen mit Kindern; BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214, zu einem Mietverhältnis mit der geschiedenen Ehefrau.
1156 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.81 Kap. 13
Demgegenüber muss die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages zwi- 13.70 schen nahestehenden Personen nicht unbedingt daran scheitern, dass Nebenpflichten (z.B. Regelungen über die Nebenkosten) nicht eindeutig vereinbart oder exakt durchgeführt werden1. Dementsprechend schließt auch eine lediglich mündliche Abrede über die Nebenkosten nicht notwendigerweise die Anerkennung eines Mietverhältnisses aus2. Fehlt allerdings jegliche Vereinbarung zu den Nebenkosten (ohne dass eine sog. Bruttomiete vereinbart ist), so kann dies ein schwerwiegendes Indiz dafür sein, dass der Mietvertrag dem sog. Fremdvergleich nicht standhält. Bei der Prüfung von Mietverträgen unter nahestehenden Personen am Maßstab des 13.71 Fremdvergleichs kann für die Auslegung ursprünglich unklarer Vereinbarungen die spätere tatsächliche Übung der Parteien herangezogen werden. Weisen ein mit Fremden geschlossener Mietvertrag und ein Mietvertrag mit nahestehenden Personen nach ihrem Inhalt oder in ihrer Durchführung gleichartige Mängel auf, so verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht; die Mängel des Vertrages deuten dann nicht ohne weiteres auf eine private Veranlassung des Leistungsaustauschs hin3. Einstweilen frei.
13.72–13.80
d) Kein Gestaltungsmissbrauch aa) Allgemeines Stellt der Abschluss eines Miet- und Pachtvertrages oder ggf. eines in Zusammen- 13.81 hang mit einer Grundstücksüberlassung gewährten Darlehensvertrages einen Gestaltungsmissbrauch dar, kann er steuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Eine Umgehung i.S. dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist4. Allerdings macht das Bestreben, Steuern zu sparen, (allein) eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen5; denn auch nahestehenden Personen steht es grundsätzlich frei, ihre Rechtsverhältnisse steuerlich möglichst günstig zu gestalten6. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung
1 BFH v. 17.2.1998 – IX R 30/96, BStBl. II 1998, 349; Spindler, KFR Fach 3 § 21 EStG, 3/98, 144. 2 BFH v. 15.10.1996 – IX R 6/95, BFH/NV 1997, 285. 3 BFH v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699. 4 Vgl. z.B. BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214 m.w.N.; s. allg. Günther, EStB 2019, 64. 5 BFH v. 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272. 6 BFH v. 12.7.1988 – IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942; v. 12.9.1995 – IX R 54/93, BStBl. II 1996, 158; v. 26.3.1996 – IX R 51/92, BStBl. II 1996, 443.
Schallmoser 1157
Kap. 13 Rz. 13.81 Miet- und Pachtverträge
zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreicht werden soll1. Nach diesen, auch unter dem Regime der Neufassung des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 20082 fortgeltenden Grundsätzen ist bei Mietverträgen zwischen nahestehenden Personen jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine unangemessene, das Steuergesetz umgehende Gestaltung vorliegt. bb) Gestaltungsmissbrauch bei Miet- und Darlehensverträgen
13.82 Bei Mietvertragsgestaltungen kommt ein Gestaltungsmissbrauch insbesondere dann vor, wenn die Vertragsparteien durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreicht haben, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung kommt. Auch im Bereich von Darlehensvereinbarungen wird der Abschluss gegenläufiger, sich wirtschaftlich neutralisierender Geschäfte als rechtsmissbräuchlich erachtet. 13.83 Die Rechtsprechung hat es bspw. als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn – vier einander nahestehende Personen, von denen zwei in Haushaltsgemeinschaft leben und die gemeinsam und planmäßig mehrere in sich abgeschlossene Wohneinheiten errichtet und sich gegenseitig zum Teileigentum übertragen haben, sich drei dieser Wohnungen wechselseitig zur eigenen Nutzung vermieten3. Entscheidend dabei war, dass alle Personen auf beiden Seiten beteiligt waren und die betreffenden Wohnungen ausschließlich innerhalb dieses geschlossenen Personenkreises hergestellt und auf Dauer wechselseitig zu jeweils eigenen Wohnzwecken vermietet wurden (sog. „Poolvermietung“); – Eheleute die Einliegerwohnung in ihrem Zweifamilienhaus zur Betreuung ihres Kleinkindes an die Eltern der Ehefrau vermieten, die am selben Ort weiterhin über eine größere Wohnung verfügen4: Zwar bleibt es einem Steuerpflichtigen grundsätzlich überlassen, ob und an wen er eine zweite Wohnung seines Hauses vermietet. Die Vermietung einer Einliegerwohnung an nahestehende Personen muss jedoch einwandfrei von einer unter Verwandten üblichen unentgeltlichen Beherbergung abzugrenzen sein. Wenn sich die Mutter der Klägerin im Hause der Kläger aufgehalten hat, um deren Kleinkind unentgeltlich zu betreuen, so hätte es nahe gelegen, ihr auch die dafür benötigte Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Nach Darstellung der Kläger war der Mietvertrag auf Wunsch der Eltern der Klägerin so abgeschlossen worden, damit die Kläger keine
1 2 3 4
BFH v. 16.1.1992 – V R 1/91, BStBl. II 1992, 541 m.w.N. BGBl. I 2007, 3150. BFH v. 22.1.2013 – IX R 18/12, BFH/NV 2013, 1094. BFH v. 14.1.1992 – IX R 33/89, BStBl. II 1992, 549.
1158 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.84 Kap. 13
finanzielle Einbuße gegenüber einer Fremdvermietung erleiden sollten. Diese altruistische Motivation der Eltern lässt sich aber – so der BFH – nur aus dem nahen Verwandtschaftsverhältnis erklären; sie bilde keinen i.S.d. § 42 AO hinreichenden wirtschaftlichen Grund für die gewählte Gestaltung; – Eltern einer minderjährigen Tochter einen Geldbetrag schenken, die Tochter den Eltern anschließend in Höhe des geschenkten Betrages ein Darlehen gewährt und die Eltern – entsprechend ihrem Gesamtplan – mit dem Darlehen ein Hausgrundstück kaufen; diese unangemessene Gestaltung sei nur vor dem Hintergrund der Schaffung von Werbungskosten (Zinsen für das „Darlehen“ der Tochter) verständlich1; – Eltern auf ihre beiden Töchter ein Grundstück übertragen und die grundstücksbezogenen Darlehensverbindlichkeiten des Vaters kreuzweise durch die Töchter übernommen werden2; – ein Ehegatte seine ideelle Hälfte eines in der Ehewohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers zur ausschließlichen Nutzung an den anderen Ehegatten vermietet3; gleiches gilt für entsprechende mietvertragliche Vereinbarungen einer Ehegattengrundstücksgemeinschaft4. Die Rechtsprechung hat es nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn – eine Mutter ihren minderjährigen Kindern einen Geldbetrag schenkt, der sodann zeitnah dem Vater zur Finanzierung der Anschaffung eines Grundstücksanteils als Darlehen gewährt worden ist, der Vater sodann die Hälfte des Grundstücks auf die Mutter übertragen und diese einen Betrag in die Renovierung des Gebäudes investiert hat, der dem Wert ihres Anteils entspricht5. – ein Steuerpflichtiger sein Haus zu fremdüblichen Bedingungen an seine Eltern vermietet und selbst ein Haus seiner Eltern unentgeltlich zu Wohnzwecken nutzt; darin liege auch kein Fall einer missbräuchlichen sog. „Überkreuzvermietung“6. – ein Ehegatte dem anderen seine an dessen Beschäftigungsort belegene Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu fremdüblichen Zwecken vermietet7.
1 BFH v. 26.3.1996 – IX R 51/92, BStBl. II 1996, 443. 2 BFH v. 29.8.2007 – IX R 17/07, BStBl. II 2008, 502 = DB 2008, 269 = ZEV 2008, 247 = NJW 2008, 1615. 3 Schl.-Holst. FG v. 8.10.1999 – III 99/99, EFG 2001, 640, rkr. (s. nachfolgend BFH v. 1.2.2000 – IX B 154/99, BFH/NV 2000, 945). 4 FG München v. 8.10.2008 – 10 K 1573/07, EFG 2009, 153 = DStRE 2009, 750, rkr. 5 BFH v. 19.2.2002 – IX R 32/98, BStBl. II 2002, 674 = FR 2002, 935 m. Anm. Fischer. 6 BFH v. 14.1.2003 – IX R 5/00, BStBl. II 2003, 509 = DStR 2003, 460 = DB 2003, 643 = NJW 2003, 1342. 7 BFH v. 11.3.2003 – IX R 55/01, BStBl. II 2003, 627 = FR 2003, 775 m. Anm. Fischer = DB 2003, 1416 = NJW 2003, 2557.
Schallmoser 1159
13.84
Kap. 13 Rz. 13.85 Miet- und Pachtverträge
cc) Gestaltungsmissbrauch im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen, insbesondere im Wege der vorweggenommenen Erbfolge
13.85 Auch bei der Prüfung von Grundstücksübertragungen fragt die Rechtsprechung stets danach, ob eine Gestaltung gewählt worden ist, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Grundsätzlich gilt: – Jeder kann über sein Eigentum, z.B. auch zum Zweck der vorweggenommenen Erbfolge, frei verfügen. – Es ist wirtschaftlich nicht geboten, ein Wohngrundstück zu übertragen, in dem der Übertragende selbst nicht wohnt. Auch die Übertragung eines vom Übertragenden selbst bewohnten Objekts bei gleichzeitiger Rückanmietung ist grundsätzlich nicht als Missbrauch zu beurteilen. Denn der Übertragende kann die Wohnung ohne jede Auflage oder Einschränkung übertragen, oder aber sich eine Nutzungsmöglichkeit, sei es dinglich gesichert, sei es lediglich schuldrechtlich, vorbehalten1. Das Recht, die übertragene Wohnung weiter als Mieter nutzen zu können, ist insoweit einem schuldrechtlich vorbehaltenen Nutzungsrecht vergleichbar.
13.86 Als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde von der Rechtsprechung bspw. – der entgeltliche Verzicht auf ein dinglich gesichertes Wohnungsrecht, verbunden mit einer Mietvereinbarung über die bislang aufgrund des Wohnungsrechts genutzte Wohnung2; denn insoweit wollen die Vertragsparteien durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreichen, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung kommt.
13.87 Nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde von der Rechtsprechung – die Aufhebung eines unentgeltlichen Wohnungsrechts und die Vereinbarung eines Mietvertrages an demselben Objekt, wenn dies vor dem Hintergrund notwendiger umfangreicher Reparaturarbeiten geschieht, die vor allem den Mietern zugutekommen und an deren Kosten diese sich durch (erhöhte) Mietzahlungen beteiligen3; – die Übertragung eines Grundstücks von der Mutter auf den Sohn mit anschließender Rückanmietung4; im entschiedenen Fall hatte eine 64 Jahre alte Mutter ihrem Sohn ein Einfamilienhaus verkauft, die Kaufpreisforderung ohne eine Tilgungsvereinbarung gestundet, sie durch eine Hypothek sichern und ferner verzinsen lassen. Der Sohn hatte ihr dann das übertragene Haus auf 30 Jahre vermietet.
1 Vgl. BFH v. 11.11.1988 – III R 268/84, BStBl. II 1989, 872, sowie v. 19.12.1995 – IX R 35/94, BFH/NV 1996, 598. 2 BFH v. 25.7.1995 – IX R 66/93, BFH/NV 1996, 123. 3 BFH v. 21.10.1997 – IX R 57/96, BStBl. II 1998, 108 = DB 1998, 501 = ZfIR 1998, 226. 4 BFH v. 26.11.1996 – IX R 51/94, BVH/NV 1997, 404.
1160 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.88 Kap. 13
– die Übertragung des Eigentums an einer von zwei Eigentumswohnungen auf einen nahen Angehörigen verbunden mit einer gleichzeitigen wechselseitigen Vermietung dieser Wohnungen1. Im dem vom BFH entschiedenen Fall gehörte der Mutter des Klägers ein Zweifamilienhaus; diese bewohnte die Erdgeschosswohnung, während die Wohnung im Obergeschoss an den Kläger vermietet war. Die Eigentümerin teilte das Haus in zwei Eigentumswohnungen auf und übertrug die von ihr genutzte Erdgeschosswohnung teilentgeltlich auf ihren Sohn. Dieser vermietete nunmehr die Erdgeschosswohnung an seine Mutter und nutzte weiterhin die Wohnung im Obergeschoss aufgrund des bestehenden Mietvertrages. – die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, verbunden mit der gleichzeitigen Vereinbarung über die (teil-)entgeltliche Nutzungsüberlassung einer Wohnung in dem übertragenen Haus zwischen den Eltern (als den früheren Eigentümern) und dem Sohn (als dem neuen Eigentümer)2; – die gleichzeitige Vereinbarung eines Nießbrauchs und eines Mietvertrages im Rahmen einer teilentgeltlichen Vermögensübertragung, wenn das dingliche Nutzungsrecht lediglich zur Sicherung des Mietverhältnisses vereinbart und nicht tatsächlich ausgeübt wird3. dd) Gestaltungsmissbrauch im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter In einem Komplex zahlreicher Verfahren hat sich der BFH eingehend mit der Frage 13.88 befasst, ob Mietverträge unter Angehörigen steuerrechtlich als Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO zu beurteilen sind, wenn der Mieter das Grundstück zuvor gegen wiederkehrende Leistungen auf den Vermieter übertragen hat4. In drei Leitentscheidungen hat er folgende Grundsätze aufgestellt: – Der Abschluss eines solchen Mietvertrages allein stellt keinen Gestaltungsmissbrauch dar5; im entschiedenen Fall hatte der Kläger von seinem Vater ein Zweifamilienhaus übertragen bekommen, im Gegenzug seinen Eltern im Obergeschoss des Hauses ein Wohnungsrecht eingeräumt und sich zur lebenslangen Zahlung von monatlich 400 DM verpflichtet. Wie im Übertragungsvertrag vorgesehen, schloss der Kläger mit seinen Eltern einen Mietvertrag, nach dem sie Miete von monatlich 500 DM zu zahlen hatten. Nach Auffassung des BFH sind die Eigentumsübertragung und die anschließende Vermietung zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig von1 BFH v. 12.9.1995 – IX R 54/93, BStBl. II 1996, 158 = DB 1996, 74 = NJW 1996, 1623. 2 BFH v. 19.12.1995 – IX R 35/94, BFH/NV 1996, 598. 3 BFH v. 3.2.1998 – IX R 38/96, BStBl. II 1998, 539 = DB 1998, 965 = NJW 1998, 3143 = ZfIR 1998, 312. 4 Siehe hierzu ausführlich Heuermann, StuW 2004, 124. 5 BFH v. 10.12.2003 – IX R 12/01, BStBl. II 2004, 643 = FR 2004, 714 m. Anm. Fischer = DB 2004, 793 = NJW 2004, 2119 = ZfIR 2004, 391.
Schallmoser 1161
Kap. 13 Rz. 13.88 Miet- und Pachtverträge
einander zu beurteilen. Es sei unerheblich, ob das Eigentum unentgeltlich, gegen einen in einem Betrag geleisteten Kaufpreis, gegen Kaufpreisraten oder gegen Versorgungsleistungen übertragen worden sei. Dass die Versorgungsleistung im Wesentlichen der Miete entspreche, bedeute keinen Gestaltungsmissbrauch. Auch ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag sei zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. – Ein Gestaltungsmissbrauch liegt auch dann nicht vor, wenn der frühere Eigentümer auf die Ausübung eines ihm im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und stattdessen später mit dem neuen Eigentümer einen Mietvertrag schließt. Ersetzen die Vertragspartner eine bisher gewährte unentgeltliche Nutzungsüberlassung durch eine entgeltliche, so stellen sie eine Rechtslage her, die sie bereits beim Eigentumsübergang hätten herstellen können und deren Herstellung zu einem späteren Zeitpunkt nicht anders beurteilt werden kann1. – Demgegenüber liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einer Miete in Höhe der dauernden Last vereinbart wird2. In diesem Fall hatte der Kläger von seiner Mutter ein Gebäude übertragen bekommen, an dem zugleich ein unentgeltliches Wohnungsrecht für die Mutter eingetragen worden war. Später verzichtete die Mutter auf das Wohnungsrecht; der Kläger verpflichtete sich, an sie ab diesem Zeitpunkt anstelle des Wohnungsrechts einen Betrag von monatlich 400 DM als dauernde Last zu zahlen. Gleichzeitig schlossen der Kläger und seine Mutter einen Mietvertrag, nach dem sie an ihn eine Miete von 400 DM zu zahlen hatte. Die Rechtsprechung sieht hierin einen Gestaltungsmissbrauch, weil die Vertragsparteien durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreicht haben, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung kommt. Die Parteien haben zwar wechselseitige Zahlungspflichten begründet; diese gleichen sich aber aus und verändern die Position der unentgeltlich nutzenden Mutter tatsächlich und wirtschaftlich nicht. Der strittige Werbungskostenüberschuss und die dauernde Last sind daher nicht zu berücksichtigen. ee) Rechtsmissbrauch bei Mietverträgen mit Unterhaltsberechtigten (1) Rechtsentwicklung
13.89 Mietverträge mit unterhaltsberechtigten Angehörigen, insbesondere mit studierenden Kindern, stellen häufig ein Problem dar.3 In seiner früheren Rechtspre1 BFH v. 17.12.2003 – IX R 60/98, BStBl. II 2004, 646 = FR 2004, 721 m. Anm. Fischer = DB 2004, 795 = ZfIR 2004, 388. 2 BFH v. 17.12.2003 – IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648 = FR 2004, 718 m. Anm. Fischer = DB 2004, 796 = ZfIR 2004, 390; vgl. hierzu auch schon BFH v. 25.7.1995 – IX R 66/93, BFH/NV 1996, 123. 3 Siehe dazu ausführlich Thürmer, DB 2003, 1012.
1162 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.90 Kap. 13
chung1 war der BFH bei einer Vermietung an volljährige Kinder, die die Miete aus dem von den Eltern geleisteten Barunterhalt zahlen mussten, noch regelmäßig von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung i.S.d. § 42 AO ausgegangen. Diese Rechtsprechung war zu Recht auf Kritik gestoßen2. Insbesondere wurden auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht; die bisherige Rechtsprechung sei mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil der Anknüpfungspunkt für die Annahme des Missbrauchs allein in der neben dem Mietverhältnis bestehenden Familienbeziehung bestehe3. Aufgrund dieser Einwände hatte der IX. Senat des BFH seine Rechtsprechung zu dieser Frage eingeschränkt. So hat er mit Urteil vom 28.3.19954 – im Anschluss an die Rechtsprechung des X. Senats des BFH5 – entschieden, dass kein Missbrauch i.S.d. § 42 AO vorliege, wenn Eltern ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine ihnen gehörende Wohnung vermieten und das Kind neben den Unterhaltsleistungen – aus einer Schenkung der Eltern – über eigene Mittel verfügt, aus denen es die Miete zahlen kann. Die Finanzverwaltung hatte auf die Entscheidung, die der früheren Verwaltungsregelung widersprach, zunächst noch mit einem sog. Nichtanwendungserlass reagiert6. Nach ihrer Auffassung seien die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung i.S.v. § 42 AO auch dann erfüllt, wenn die Unterhaltsberechtigten die Mietzahlungen allein aus der Substanz des zugewendeten Kapitalvermögens bestreiten können; bei einer derartigen Gestaltung sei davon auszugehen, dass die Eltern mit der Geldschenkung den Unterhaltsanspruch des Kindes im Voraus erfüllten. Mit Urteil vom 19.12.19957 hat der BFH sodann unter ausdrücklicher Abgrenzung 13.90 gegenüber seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass es grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich sei, wenn ein unterhaltsverpflichteter Sohn seiner Mutter den Unterhalt in Geld auszahlt und wegen der Überlassung einer ihm gehörenden Wohnung einen Mietvertrag mit der Mutter abschließt. Den maßgebenden Unterschied zu dem Fall der Vermietung an ein unterhaltsberechtigtes Kind sieht der BFH darin, dass Kinder nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet sind, den Eltern den Unterhalt in Form einer Geldrente zu gewähren und sie daher – anders als umgekehrt die Eltern gegenüber den Kindern – von sich aus nicht bestimmen können, in welcher Weise sie den Unterhalt gewähren; insbesondere könnten sie die Eltern nicht auf eine (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs durch Überlassen einer Wohnung verweisen8. Konsequenterweise hat der BFH mit Urteil vom 28.2.19979 zusätzlich entschieden, dass keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 1 Vgl. BFH v. 23.2.1988 – IX R 157/84, BStBl. II 1988, 604; v. 14.6.1988 – IX B 157/87, BFH/ NV 1990, 97. 2 Drenseck, FR 1988, 337; Reiner, KFR Fach 2, § 42 AO, 8/88, 211; Bordewin, RWP 1988, 1171, SG 1.3. 3 Pezzer, StuW 1994, 341; Pezzer, DStR 1995, 1900 f. 4 BFH v. 28.3.1995 – IX R 47/93, BStBl. II 1996, 59 = DB 1995, 1546 = NJW 1995, 2184. 5 BFH v. 23.2.1994 – X R 131/93, BStBl. II 1994, 694 = DB 1994, 1550 = NJW 1994, 2640. 6 BMF v. 22.1.1996, BStBl. I 1996, 37. 7 BFH v. 19.12.1995 – IX R 85/93, BStBl. II 1997, 52 = DB 1996, 1449 = NJW 1996, 2390. 8 Vgl. auch Anm. KE in DStR 1996, 1084. 9 BFH v. 28.1.1997 – IX R 27/95, BStBl. II 1997, 599 = DB 1997, 1545 = NJW 1997, 2542.
Schallmoser 1163
Kap. 13 Rz. 13.90 Miet- und Pachtverträge
AO vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger eine Wohnung an seine volljährige Tochter und deren Ehemann vermietet, auch wenn die Tochter unterhaltsberechtigt ist. Zum einen liege hier nicht nur ein Mietvertrag mit der unterhaltsberechtigten Tochter, sondern auch mit dem nicht unterhaltsberechtigten (und im Streitfall auch nicht unterstützten) Schwiegersohn vor; dieses Mietvertragsverhältnis könne nicht getrennt und mithin nur insgesamt als nicht rechtsmissbräuchlich beurteilt werden. Zum anderen könne ein unterhaltsverpflichteter Vater gegenüber seiner verheirateten Tochter gem. § 1612 Abs. 1, 2 Satz 1 BGB auch die Art der Unterhaltsleistung nicht bestimmen, sondern sei zur Zahlung des Unterhalts in Form einer Geldrente verpflichtet. (2) Neuere Rechtsprechung
13.91 Mit den Urteilen vom 19.10.19991 hat der IX. Senat des BFH schließlich unter ausdrücklicher Änderung der Rechtsprechung gegenüber seinem Urteil vom 23.2.19882 entschieden, dass ein Mietvertrag, den Eltern mit ihrem unterhaltsberechtigten Kind schließen, nicht rechtsmissbräuchlich ist, weil das Kind die Miete aus dem Barunterhalt der Eltern zahlt3. Dabei hat er sich maßgebend von folgender Erwägung leiten lassen: Es stehe den Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB frei, ihrem unterhaltsberechtigten Kind Barunterhalt zu gewähren, von dem es die Kosten einer Wohnung bestreiten könne, oder aber ihm Wohnraum unmittelbar zu überlassen. Die Entscheidung der Eltern, die dem familiären Bereich zuzuordnen sei, sei grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen. Sie könne nicht darauf überprüft werden, ob sie (überwiegend) aus steuerlichen oder außersteuerlichen Erwägungen getroffen worden sei mit der Folge, dass im ersteren Fall die Unterhaltszahlung in bar steuerrechtlich wie eine Naturalleistung zu behandeln wäre; auf diese Weise würde nämlich mittelbar das Recht der Eltern gem. § 1612 Abs. 2 BGB eingeschränkt. 13.92 Der IX. Senat des BFH hat seine neue Rechtsprechung – z.B. mit Urteil vom 17.12.20024 – ausdrücklich bestätigt. Er hat allerdings mit Beschluss vom 16.1.20035 klargestellt, dass Wohnräume im Haus der Eltern, die keine abgeschlossene Wohnung bilden, nicht mit steuerrechtlicher Wirkung an volljährige unterhaltsberechtigte Kinder vermietet werden können. Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung übernommen6. 1 BFH v. 19.10.1999 – IX R 30/98, BStBl. II 2000, 223 = DB 2000, 124 = ZfIR 2000, 149; v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224 = FR 2000, 204 m. Anm. Fischer = NJW 2000, 758 = ZfIR 2000, 146. 2 BFH v. 23.2.1988 – IX R 157/84, BStBl. II 1988, 604. 3 BFH v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224 = FR 2000, 204 m. Anm. Fischer = NJW 2000, 758 = ZfIR 2000, 146; v. 17.12.2002 – IX R 18/00, BFH/NV 2003, 749. Zur Verrechnung von Ansprüchen bei Mietverträgen mit Kindern s. BFH v. 19.10.1999 – IX R 30/98, BStBl. II 2000, 223 = DB 2000, 124 = ZfIR 2000, 149; v. 19.10.1999 – IX R 80/97, BFH/NV 2000, 429; s. hierzu ferner Spindler, ZfIR 2000, 150. 4 BFH v. 17.12.2002 – IX R 58/00, BFH/NV 2003, 750. 5 BFH v. 16.1.2003 – IX B 172/02, BStBl. II 2003, 301. 6 Siehe H 21.4 EStH 2012.
1164 Schallmoser
B. Einkommensteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.95 Kap. 13
ff) Rechtsmissbrauch bei Verträgen zwischen Geschiedenen Häufig werden im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen Regelungen über 13.93 die weitere Nutzung der bisherigen ehelichen Wohnung oder solcher Grundstücke getroffen, die einem oder beiden ehemaligen Ehegatten gehören. Auch in diesen Fällen stellt sich die Frage der steuerrechtlichen Beurteilung solcher Vereinbarungen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Abschluss eines Mietvertrages mit einem geschiedenen Ehegatten und die Verrechnung der Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen1. Denn im Regelfall kann der geschiedene Ehegatte nur eine Geldrente verlangen (§ 1585 Abs. 1 BGB); lediglich in Ausnahmefällen kommt eine Kapitalabfindung (§ 1585 Abs. 2 BGB) oder eine andere Form des Unterhalts in Betracht. Ein Anspruch des Unterhaltsverpflichteten, ihm aus besonderen Gründen zu gestatten, auf andere Weise Unterhalt zu gewähren (wie er nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber Verwandten in gerader Linie gegeben ist), oder ein einseitiges Bestimmungsrecht wie für Eltern hinsichtlich des Unterhalts ihrer Kinder (§ 1612 Abs. 2 BGB) besteht gegenüber dem geschiedenen Ehegatten gerade nicht. Da der Unterhaltsverpflichtete mithin grundsätzlich zur Leistung von Barunterhalt in voller Höhe verpflichtet ist, ist der Abschluss eines Mietvertrages regelmäßig angemessen; die Verrechnung der Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt ist zulässig2. Der überlassende Ehegatte kann auch nicht darauf verwiesen werden, dem geschiedenen Ehegatten eine Wohnung unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Schließen die geschiedenen Ehegatten hingegen keinen Mietvertrag, sondern über- 13.94 lässt ein Ehegatte dem anderen eine Wohnung im Rahmen einer Unterhaltsvereinbarung zur künftigen Nutzung mit den gemeinsamen Kindern, so erzielt der überlassende Ehegatte keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung3. gg) Rechtsmissbrauch bei Verträgen zwischen Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften Zweimal hatte der BFH sich bislang mit der Vermietung von Wohnraum an Partner 13.95 einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu befassen4. In beiden Fällen hatte der Eigentümer die Wohnung zur Hälfte an den mit ihm in dem gemeinsamen Haushalt lebenden nichtehelichen Partner vermietet. In beiden Fällen hat der BFH den Mietverträgen keine steuerrechtliche Bedeutung beigemessen, ohne sie allerdings ausdrücklich als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 42 AO zu bezeichnen. Solange die Lebensgemeinschaft bestehe, gehe ein Mietvertrag über einen Teil der Wohnung des Partners steuerrechtlich ins Leere. Nicht ein zivilrechtlicher Vertrag, sondern die persönliche Beziehung (die „innere Bindung“) der Partner sei Grundlage des gemeinsamen Wohnens. Aus dem wirtschaftlichen Aspekt der Lebensgemeinschaft er1 2 3 4
BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214. BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92, BStBl. II 1996, 214. BFH v. 17.3.1992 – IX R 264/87, BStBl. II 1992, 1009. BFH v. 8.8.1990 – IX R 122/86, BStBl. II 1991, 171 und v. 30.1.1996 – IX R 100/93, BStBl. II 1996, 359.
Schallmoser 1165
Kap. 13 Rz. 13.95 Miet- und Pachtverträge
gebe sich, dass beide Partner nach ihren Kräften finanziell zur gemeinsamen Lebensführung beitrügen, wozu auch das Wohnen gehöre. Die als „Mietzins“ erklärten Zahlungen des einen Partners seien daher als Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung zu werten1.
13.96–13.110 Einstweilen frei. III. Steuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Ferienhausmietverträgen Literatur: Kreft, Verlustnutzung bei vermieteten Ferienwohnungen: Ein ewiger Streitpunkt mit der Finanzverwaltung, GStB 2012, 205; Thürmer, Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Ferienwohnungen, Festschrift Spindler 2011, 833; Wüllenkemper, Ferienwohnung: Totalüberschussprognose bei geringfügiger Selbstnutzung, EFG 2012, 1264; Hutmacher, Ferienobjekte (Ferienhäuser und -wohnungen) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, ZNotP 2014, 130; Neufang, Vermietung von Ferienwohnungen, StB 2017, 248; Graw, Prüfung der ortsüblichen Auslastung von Ferienwohnungen, HFR 2020, 886; Pieske-Kontny, Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung einer Ferienwohnung, StBp 2020, 327.
13.111 Bei der Gestaltung von Ferienhausmietverträgen wird das Interesse des Eigentümers der Ferienimmobilie regelmäßig dahingehen, evtl. entstehende Verluste steuerlich nutzen zu können. Werden im Rahmen der Ferienhausvermietung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, wird der Steuerpflichtige bestrebt sein, eine Überschussprognose zu „vermeiden“. Denn selbst in nachgefragten Ferienregionen belegene Ferienimmobilien haben regelmäßig eine schwächere, zumeist auch eine unsichere Renditeerwartung als dauerhaft zu Wohnzwecken vermietete Objekte in vergleichbar guter Lage. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob eine Ferienwohnung mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet wird, aus steuerrechtlicher Sicht von strategischer Bedeutung. Die Rechtsprechung unterscheidet danach, ob das Objekt ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten wird oder ob sie von dem Steuerpflichtigen (auch) selbst genutzt wird bzw. er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat (s. Rz. 1.817 ff.). 13.112 Nur wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige die Ferienwohnung ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereithält und sie im Übrigen nicht selbst nutzt, ist – soweit nicht die ortsübliche Vermietungszeit erheblich unterschritten wird – ohne weitere Prüfung vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen (s. Rz. 1.818 f.). Vor diesem Hintergrund ist bereits bei der Investitionsentscheidung in eine Ferienimmobilie die weitere Nutzung sorgsam zu bedenken: – Ist beabsichtigt, die Ferienimmobilie ausschließlich an wechselnde Feriengäste zu vermieten und in der übrigen Zeit hierfür bereit zu halten und sie im Übrigen nicht selbst zu nutzen, kann das Objekt mit einem höheren Fremdmittelanteil finanziert werden. Denn die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen wird 1 BFH v. 30.1.1996 – IX R 100/93, BStBl. II 1996, 359 = DB 1996, 917; s.a. H 21.4 EStH 2015.
1166 Schallmoser
C. Umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.131 Kap. 13
insoweit typisierend unterstellt. Ob die Ferienwohnung in Eigenregie vermietet oder mit der Vermietung ein Dritter beauftragt wird, spielt insoweit keine Rolle. Allerdings ist zu beachten, dass im Fall der Inanspruchnahme eines Vermittlers der Vermittlungsvertrag eine Selbstnutzung der Wohnung ausschließen muss1. Denn eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ist schon dann erforderlich, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat – unabhängig davon, ob, wann und in welchem Umfang er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht (s. Rz. 1.821)2. – Ist beabsichtigt, die Ferienimmobilie (auch) selbst zu nutzen, kann das Objekt nur in einem Umfang fremdfinanziert werden, der eine positiv verlaufende Überschussprognose (zu Einzelheiten s. Rz. 1.822 f.) erwarten lässt. Andernfalls wird die Finanzverwaltung die Vermietungstätigkeit des Steuerpflichtigen (zu Recht) als Liebhaberei steuerrechtlich unbeachtet lassen3. Führt eine nach diesen Grundsätzen durchzuführende Überschussprognose nicht 13.113 zu einem „Totalüberschuss“ bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, bestünde eine mögliche Handlungsalternative auch in der „Flucht“ in die Gewerblichkeit4, da bei einer im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durchzuführenden Gewinnprognose ein Gewinn aus der Veräußerung der Immobilie oder der Aufgabe des Gewerbebetriebs zu berücksichtigen ist5.
13.114–13.130
Einstweilen frei.
C. Umsatzsteuerrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Miet- und Pachtverträgen Die Vermietung oder Verpachtung6 (Nutzungsüberlassung) eines im Inland bele- 13.131 genen Grundstücks stellt einen in Deutschland umsatzsteuerbaren Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar. Die Nutzungsüberlassung ist – ebenso wie die Lieferung (s.o. Rz. 1.1200 ff.) – grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit, § 4 Nr. 12 UStG. 1 Diesem Aspekt ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da vorformulierte Vertragsbedingung in Vermittlungsverträgen häufig eine Selbstnutzung durch den Eigentümer außerhalb der Saison vorsehen. 2 BFH v. 16.4.2013 – IX R 26/11, BStBl. II 2013, 613 = FR 2013, 999 m. Anm. Bode = DB 2013, 1639. 3 Wüllenkemper, EFG 2012, 1264. 4 Zu den Voraussetzungen der Annahme einer gewerblichen Vermietung s. Rz. 1.402; Finanzverwaltung H 15.7 (2) EStH 2015 „Ferienwohnung“; Pfirrmann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 21 EStG Anm. 72. 5 Zu den Vor- und Nachteilen der Prognose im Bereich des § 15 EStG einerseits und des § 21 EStG andererseits s. Kreft, GStB 2012, 205; s.a. Finanzverwaltung H 15.3 EStH 2015 „Totalgewinn“. 6 Die Begriffe „Vermietung“ und „Verpachtung“ sind richtlinienkonform nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 Buchst. l MwStSystRL auszulegen. Daher können beispielswiese auch dingliche Nutzungsrechte von § 4 Nr. 12 UStG erfasst sein.
Schallmoser und Küffner 1167
Kap. 13 Rz. 13.132 Miet- und Pachtverträge
I. Gegenstand der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG
13.132 Nach § 4 Nr. 12 UStG sind Umsätze – aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), – der Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung aufgrund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrages oder Vorvertrages (§ 4 Nr. 12 Buchst. b UStG) und – der Bestellung, der Übertragung und der Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Buchst. c UStG) steuerfrei. Der Begriff des Grundstücks i.S.d. § 4 Nr. 12 UStG entspricht dabei dem Grundstücksbegriff i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG. Insoweit wird auf die Ausführungen in Rz. 1.1208 ff. verwiesen.
13.133 Von der Steuerbefreiung ausgenommen, und somit stets umsatzsteuerpflichtig, sind nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die – Vermietung und Verpachtung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält (s. hierzu auch Rz. 13.134), – die Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge (s. hierzu auch Rz. 13.135), – die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen und – die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und Betriebsvorrichtungen, selbst wenn diese wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks sind (s. hierzu auch Rz. 4.354). – Nach der Rechtsprechung ist die Vermietung aber insgesamt steuerfrei, wenn die Vermietung des Gebäudes und der Betriebsvorrichtung(en) als einheitliche Leistung zu qualifizieren ist. Das ist der Fall, wenn die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen nicht prägend ist1 (s. hierzu auch Rz. 13.135).
13.134 In Anlehnung an § 9 Abs. 2 AO ist eine Vermietung nicht mehr kurzfristig, wenn sie länger als sechs Monate dauert2. Bei der Vermietung von Wohn- und Schlafräumen ist dabei auf die aus den äußeren Umständen ableitbare Absicht des Vermieters abzustellen. Als Anhaltspunkte können die vereinbarte Vertragsdauer, die kurzfristige Kündbarkeit des Mietvertrages3 und die tatsächliche Verweildauer des Mieters dienen4. Bei Campingplätzen dagegen kommt es auf die tatsächliche Nutzungsüber-
1 Vgl. dazu BFH v. 7.5.2014 – V B 94/13, BFH/NV 2014, 1242; FG Düsseldorf v. 8.7.2016 – 1 K 1397/13 U, MwStR 2016, 918. 2 Vgl. BFH v. 27.10.1993 – XI R 69/90, BFH/NV 1994, 744; EuGH v. 12.2.1998 – Rs. C-346/95 – Blasi, UR 98, 189; Abschn. 4.12.3 Abs. 2 Satz 1, Abschn. 4.12.9 Abs. 1 Satz 2 UStAE. 3 BFH v. 15.1.1996 – V R 6/95, UR 1997, 181. 4 Bunjes/Heidner20, § 4 Nr. 12 UStG Rz. 42.
1168 Küffner
C. Umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.136 Kap. 13
lassung an1. Eine Beherbergungsleistung liegt nicht vor bei der halbstündigen oder stundenweisen Überlassung möblierter Wohnräume an Prostituierte zu Zwecken der Prostitutionsausübung, sofern keine die Prostitution fördernden Zusatzleistungen erbracht werden.2 Eine Steuerpflicht erwächst aber, wenn über die reine Vermietungsleistung hinaus zusätzliche Leistungen erbracht werden, die der einheitlichen Gesamtleistung ein anderes Gepräge als einer Vermietung geben.3 Soweit die Vermietung von Abstellplätzen Nebenleistung4 zu einer steuerfreien 13.135 Grundstücksüberlassung ist, ist auch die Parkplatzüberlassung steuerfrei5. Voraussetzung ist, dass es sich um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt, die Parkplatzüberlassung mit der steuerfreien Vermietung eng verbunden ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Mietflächen Teil eines Gebäudekomplexes sind und von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet werden.6 Unerheblich ist, ob die Parkplatzüberlassung auf Grundlage einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass dies im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs geschieht. Ebenfalls von der Steuerbefreiung umfasst werden weitere Leistungen, die typischer- 13.136 weise als Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung auftreten (z.B. Mietnebenkosten)7. Hierzu zählen insbesondere die Lieferung von Wärme, die Versorgung mit (Warm-)Wasser, die zentrale Reinigung von Treppen und Fluren sowie deren Beleuchtung und die Überlassung von Waschmaschinen, und dergleichen zur Nutzung durch die Mieter8. Dies gilt nach nunmehr einhelliger Auffassung9 im Falle langfristiger Vermietung und Verpachtung auch für mitvermietete oder mitverpachtete Einrichtungsgegenstände. Voraussetzung ist freilich auch hier, dass es dem Mie-
1 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – XI R 51/06, BStBl. II 2009, 63; Abschn. 4.12.3 Abs. 2 Satz 1, Abschn. 4.12.9 Abs. 1 Satz 2 UStAE. 2 BHF v. 24.9.2015 – V R 30/14, BStBl. II 2017, 132; Abschn. 4.12.9 Abs. 1 Satz 3 UStAE. 3 BHF v. 17.12.2014 – XI R 16/11, BStBl. II 2015, 427. 4 BFH v. 29.3.2017 – XI R 20/15, BFH/NV 2017, 1195: Die grundsätzlich gem. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtige Vermietung von Grundstücksflächen zum Zwecke des Abstellens von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen an einen Kfz-Händler stellt eine Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung von Grundstücksflächen zum Zwecke der Errichtung von Verkaufseinrichtungen (Unterstände, Wohnwagen, Bürocontainer) dar. 5 Vgl. EuGH v. 13.7.1989 – Rs. C-173/88 – Henriksen, UR 1991, 42; Abschn. 4.12.2 Abs. 3 Satz 4 UStAE. 6 BFH v. 10.12.2020 – V R 41/19, BFH/NV 2021, 949: Dabei ist es ohne Bedeutung, ob andere (externe) Mieter von Stellplätzen Zugang zu der Tiefgarage haben, ohne das Mietwohngebäude betreten zu müssen. 7 BFH v. 9.12.1993 – V R 38/91, BStBl. II 1994, 585. 8 Vgl. BFH v. 15.1.2009 – V R 91/07, BStBl. II 2009, 615; EuGH v. 11.6.2009 – Rs. C-572/07 – Tellmer Property, UR 2009, 1260; v. 27.9.2012 – Rs. C-392/11 – FFW, UR 2012, 964; Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE. Keine Nebenleistungen zur Grundstücksvermietung sind hingegen die Lieferung von Heizöl und -gas, Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 5 UStAE; vgl. zum Ganzen aber das anhängige Verfahren mit dem Az. BFH V R 15/21. 9 BFH v. 11.11.2015 – V R 37/14, BStBl. II 2017, 1259; BMF v. 8.12.2017, BStBl. I 2017, 1664; Abschn. 4.12.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE.
Küffner 1169
Kap. 13 Rz. 13.136 Miet- und Pachtverträge
ter vorrangig um die Raumnutzung geht und die Inventarüberlassung bloße Nebenleistung ist. Tritt das Interesse an der Raumnutzung hinter das Interesse an der Inventarnutzung zurück, greift § 4 Nr. 12 UStG nicht. Daneben bleibt die Überlassung von Betriebsvorrichtungen nach Auffassung der Finanzverwaltung als selbständige Leistung unverändert steuerpflichtig1. Ob die Finanzverwaltung künftig hieran für Fälle, in denen die Betriebsvorrichtungen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Immobilie zwingend erforderlich sind und diese erst betriebs- und benutzungsfähig machen, festhalten wird, bleibt in Ansehung des beim EuGH anhängigen Verfahrens2 abzuwarten. Der BFH ist sich unsicher, ob die (auch vom EuGH entwickelten) Grundsätze zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes Vorrang vor einem unionsrechtlichen3 oder nationalen4 Aufteilungsgebot haben. Für den Rechtsanwender ist die umsatzsteuerrechtliche Einordnung häufig schwierig, wenn er es mit mehreren Leistungen bzw. einem Leistungsbündel zu tun hat. In der folgenden Übersicht sind die unterschiedlichen Beurteilungsmöglichkeiten dargestellt:
Mehrere Leistungen bzw. Leistungsbündel
Eine Leistung
Zwei Einzelleistungen
Jede Leistung gesondert zu beurteilen
Einheitliche Leistung
Gepräge durch eine Leistung
1 2 3 4
Haupt- und Nebenleistung
Leistung sui generis
Abschn. 4.12.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE verweist ausdrücklich auf Abschn. 4.12.10 UStAE. BFH v. 26.5.2021 – V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316. Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG.
1170 Küffner
C. Umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.140 Kap. 13
Unter die Steuerbefreiung fallen grundsätzlich auch Abstandszahlungen, mit der 13.137 eine Partei des Mietvertrags die vorzeitige Auflösung des Vertrags begehrt1. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Abstandszahlung folgt dabei der Behandlung der Miete. Sofern eine steuerpflichtige Vermietung vorlag, ist auch die Abstandszahlung umsatzsteuerpflichtig. II. Die Option bei der Grundstücksvermietung Nach § 9 Abs. 1 UStG kann der Unternehmer bei der Vermietung eines Grundstücks 13.138 an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichten. § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG schränkt die Optionsmöglichkeit bei der Vermietung jedoch dahingehend ein, dass eine Option nur zulässig ist, wenn der Mieter beabsichtigt, das Grundstück ausschließlich für Umsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (sog. Abzugsumsätze). Maßgeblich ist dabei die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts. Eine ggf. erfolgte, unzutreffende Steuerfestsetzung beim Mieter hat keinen Einfluss auf die Optionsmöglichkeit des Vermieters2. § 9 Abs. 2 UStG gilt nach § 27 Abs. 2 UStG jedoch nicht für sog. Altgebäude3. Wird 13.139 das Altgebäude nachträglich jedoch derart umfassend saniert oder umgebaut, dass nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen4 ein neues Wirtschaftsgut entsteht, gilt das Gebäude nicht mehr als Altgebäude5. Sofern kein Altgebäude vorliegt, ist die Option somit dem Grunde nach ausgeschlos- 13.140 sen, wenn der Mieter auch steuerfreie Umsätze tätigt, die den Vorsteuerabzug ausschließen (sog. Ausschlussumsätze). Mieter mit Ausschlussumsätzen sind regelmäßig Banken (§ 4 Nr. 8 UStG), Versicherungen (§ 4 Nr. 10 UStG), Ärzte und andere Heilberufe (§ 4 Nr. 14 UStG), Träger der Sozialversicherung (§ 4 Nr. 15 UStG), Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime (§ 4 Nr. 16 UStG) oder auch Privatschulen (§ 4 Nr. 21 UStG). Bei mehreren hintereinander geschalteten Vermietungsumsätzen sind alle Umsätze entlang der Kette relevant für die Beurteilung der Ausschließlichkeit6. Steht am Ende (oder in der Mitte) eine steuerfreie Grundstücksvermietung, färbt dies regelmäßig auf alle anderen Umsätze in der Kette ab7. Bei einer Organschaft, bei der die Organgesellschaft Mieterin ist, kann es zu einem Ausschluss der Optionsmöglichkeit auch dann kommen, wenn die Organgesellschaft selbst zwar nur steuerpflichtige Ausgangsumsätze, die Organträgerin allerdings schädliche steuerfreie Ausgangsumsätze hat. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung im Einzelfall. 1 Vgl. EuGH v. 15.12.1993 – Rs. C-63/92 – Lubbock Fine, BStBl. II 1995, 480; Abschn. 4.12.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE. 2 Vgl. BFH v. 11.3.2009 – XI R 71/07, BStBl. II 2010, 209. 3 Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 5 UStAE. 4 Vgl. H 7.3 zu R 7.3 EStR. 5 Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 6 UStAE. 6 Vgl. BFH v. 21.4.1993 – XI R 55/90, BStBl. II 1994, 266. 7 Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 1 Bsp. 1 UStAE.
Küffner 1171
Kap. 13 Rz. 13.141 Miet- und Pachtverträge
13.141 Entgegen dem Wortlaut soll eine ausschließliche Verwendung für Abzugsumsätze auch dann vorliegen, wenn der Mieter das Grundstück nur geringfügig für Ausschlussumsätze verwendet. Eine geringfügige Verwendung durch den Mieter ist anzunehmen, wenn die Verwendung für Ausschlussumsätze nicht mehr als 5 % beträgt (sog. Bagatellgrenze)1. 13.142 Beispiel2: Unternehmer V vermietet ein zu seinem Unternehmen gehörendes Grundstück an Unternehmer Z, der das Grundstück wiederum an den Arzt A vermietet. a) A betreibt in den gemieteten Räumlichkeiten seine Arztpraxis, in der er ausschließlich steuerfreie Heilbehandlungen i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erbringt. b) A betreibt in den gemieteten Räumlichkeiten eine Praxis für Schönheitschirurgie, mit der er ausschließlich steuerpflichtige Umsätze erzielt. An fünf Wochenenden im Jahr vermietet A die Praxis an eine private MTA-Schule (S), die die Räumlichkeiten für Unterrichtseinheiten nutzt (steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 21 UStG). c) A betreibt in den gemieteten Räumlichkeiten eine Praxis für Schönheitschirurgie, mit der er ausschließlich steuerpflichtige Umsätze erzielt. Jeden Mittwoch vermietet A die Praxis an einen Unfallchirurg U, der in den Räumlichkeiten steuerfreie Heilbehandlungen erbringt. In Variante a kann V nicht zur Umsatzsteuerpflicht seiner Vermietung an Z optieren. Denn Z vermietet das Grundstück seinerseits an A, der die gemieteten Räumlichkeiten ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Z kann gegenüber A somit nicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichten. Die Vermietung des Z an A ist steuerfrei. Dies schlägt wiederum auf die Vermietung des V an Z durch, da Z das Grundstück somit ebenfalls für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen (steuerfreie Vermietung an A). In Variante b ist eine steuerpflichtige Vermietung von V an Z und von Z an A dagegen möglich. Zwar schlägt die steuerfreie Vermietung des A an S grundsätzlich auf die vorangehenden Stufen durch. Allerdings verwendet A die Praxis nur an 10 von 365 Tagen (ca. 3 %) im Jahr (geringfügig) zur Erbringung von Ausschlussumsätzen. Z kann deshalb gegenüber A steuerpflichtig vermieten. Die Vermietung von A an S ist dagegen zwingend steuerfrei, da S die Räumlichkeiten ausschließlich für Ausschlussumsätze verwendet. In Variante c sind dagegen alle Vermietungen steuerfrei, da A seine Praxisräume an 52 Tagen, und somit nicht nur geringfügig (ca. 14 %), für Ausschlussumsätze verwendet.
13.143 Zudem ist auch bei dem Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG eine Teiloption zulässig3. Aus Sicht der Finanzverwaltung kommt es darauf an, dass sich die Option auf abgrenzbare Grundstücksteile bezieht. Als abgrenzbare Grundstücksteile gelten Gebäude, Gebäudeteile, einzelne Stockwerke und auch einzelne Räume. Maßgeblich soll sein, dass der jeweilige Gebäudeteil eindeutig bestimmbar ist, das heißt baulich abgrenzbar4. Folglich kommt eine Option hinsichtlich einzel-
1 2 3 4
Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 3 UStAE. Vgl. die Beispiele in Abschn. 9.2 Abs. 1 und Abs. 3 UStAE. Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 1 Satz 4 UStAE; vgl. allgemein zur Teiloption: Rz. 1.830 ff. Vgl. BFH v. 20.4.2014 – V R 27/13, UR 2014, 698.
1172 Küffner
C. Umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.145 Kap. 13
ner Teilflächen eines Raumes nicht mehr in Betracht1. Der jeweilige Gebäudeteil muss vom Mieter jedoch wieder ausschließlich für Abzugsumsätze verwendet werden. Bei der Beurteilung ist jeder Gebäudeteil gesondert zu betrachten2. Demgegenüber ist eine rein quotale Option nach dem Verhältnis der vom Mieter erbrachten Abzugs- zu den Ausschlussumsätzen wohl nicht zulässig3.
13.144
Beispiel4: Unternehmer V vermietet ein zu seinem Unternehmen gehörendes Grundstück an den Arzt A. Der Arzt betreibt in den Räumlichkeiten (2 Stockwerke) eine Praxis für Schönheitschirurgie. A erbringt sowohl steuerfreie (§ 4 Nr. 14 UStG) als auch steuerpflichtige Leistungen. Der Anteil der steuerfreien Leistungen am Gesamtumsatz des A beträgt 50 %. a) A nutzt beide Stockwerke zur Erbringung von steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen. b) A nutzt das EG ausschließlich für die Erbringung von steuerfreien Heilbehandlungen. Im OG erbringt A nur steuerpflichtige Leistungen. In Variante a kann V nicht zur Umsatzsteuerpflicht optieren, da A die Räumlichkeiten nicht ausschließlich zur Erbringung von Abzugsumsätzen verwendet. Auch die Bagatellgrenze kommt nicht in Betracht. In Variante b ist eine Option hingegen möglich. Die Option ist jedoch auf das OG zu beschränken, da nur dieses ausschließlich für Abzugsumsätze verwendet wird.
Der Vermieter muss das Vorliegen der Voraussetzungen für die Option gem. § 9 13.145 Abs. 2 Satz 2 UStG gegenüber den Finanzbehörden nachweisen, insbesondere auch die unschädliche Verwendung durch den Mieter. Als Nachweis genügt eine Bestätigung des Mieters oder auch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag5. Die Parteien sollten deshalb im Fall einer steuerpflichtigen Vermietung im Mietvertrag vereinbaren, dass der Mieter das Grundstück ausschließlich für Abzugsumsätze verwenden darf. Verwendet der Mieter das Grundstück dennoch für Ausschlussumsätze, macht er sich schadenersatzpflichtig. Der Schaden des Vermieters besteht in diesem Fall regelmäßig in einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG. Klausel für die Umsatzsteueroption im Gewerbemietvertrag § [x] Umsatzsteueroption (1) Der Vermieter verzichtet nach § 9 UStG für die Vermietung der gegenständlichen Mietsache auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG (Umsatzsteueroption). Dem Mieter ist bekannt, dass eine solche Umsatzsteueroption nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG zulässig ist.
1 Vgl. BFH v. 20.4.2014 – V R 27/13, UR 2014, 698; s.a. Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 3, Abschn. 9.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE; OFD Frankfurt v. 3.8.2016, DStR 2016, 1545. 2 BFH v. 20.7.1988 – X R 6/80, BStBl. II 1988, 915. 3 Vgl. Zugmaier/Grimm, NWB 2013, 3060; anders hingegen bei der Veräußerung eines Grundstücks, s.o. Rz. 168. 4 Vgl. die Beispiele in Abschn. 9.2 Abs. 1 und Abs. 3 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 9.2 Abs. 4 Satz 3 UStAE.
Küffner 1173
Kap. 13 Rz. 13.145 Miet- und Pachtverträge
(2) Der Mieter verpflichtet sich vor diesem Hintergrund, 1. das angemietete oder gepachtete Objekt ausschließlich für Umsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug beim Mieter nicht ausschließen; 2. dem Vermieter jährlich nachzuweisen, dass er das Mietobjekt ausschließlich für Umsätze nutzt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Hierzu genügt die Bescheinigung durch einen Steuerberater; 3. den Vermieter unverzüglich über solche Umstände in Kenntnis zu setzen, die die Zulässigkeit der Umsatzsteueroption des Vermieters betreffen. Das gilt insb. für Feststellungen der Finanzbehörden, die im Rahmen von bei dem Mieter oder Untermieter durchgeführten Betriebsprüfungen getroffen werden; 4. dem Vermieter auf Anforderung hin unverzüglich sämtliche bei ihm bestehende Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung der dem Vermieter obliegenden, gegenüber den Finanzbehörden zum Nachweis der Zulässigkeit der Umsatzsteueroption bestehenden Nachweispflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG erforderlich sind. (3) Der Vermieter ist zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, wenn der Mieter seine Pflicht nach Abs. 2 Nr. 1 verletzt. (4) Die Parteien sind sich darüber einig, dass sich die Nettomiete um einen Betrag erhöht, der der Umsatzsteuer auf die von der Nettomiete im Einzelnen erfassten Positionen entspricht, wenn der Mieter gegen seine Pflicht aus Abs. 2 Nr. 1 verstößt. Die Mieterhöhung tritt mit Wirkung für den laufenden Abrechnungszeitraum, in den die erstmalige Pflichtverletzung fällt, ein. Einer gesonderten Erklärung bedarf es für die Mieterhöhung nicht. (5) Eine vollständige oder teilweise Untervermietung der Mietsache durch den Mieter ist nur zulässig, wenn der Mieter seinerseits eine Umsatzsteueroption gegenüber dem Untermieter erklärt und zudem dem Untermieter sämtliche Verpflichtungen des § [x] dieses Vertrages auferlegt. Der Untermietvertrag ist zu Gunsten des Vermieters so auszugestalten, dass dem Vermieter in Ansehung seiner eigenen Umsatzsteueroption unmittelbare Ansprüche gegen den Untermieter zustehen. Der Mieter haftet uneingeschränkt für die Einhaltung dieser Vorgaben durch den Untermieter gegenüber dem Vermieter. (6) Verstößt der Mieter gegen seine Pflichten aus § [x] dieses Vertrages, ist er zum Ersatz sämtlicher dem Vermieter hierdurch entstehender Schäden, insbesondere solcher, die aus einer Korrektur des Vorsteuerabzugs des Vermieters entstehen, verpflichtet. Dies gilt entsprechend für den Untervermietungsfall bei Pflichtverletzungen des Untermieters. (7) Schadenersatzansprüche des Vermieters verjähren nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Bestandskraft desjenigen Steuerbescheides, mit dem die zuständige Finanzbehörde des Vermieters die durch das steuerschädliche Verhalten des Mieters oder Untermieters bedingte Unzulässigkeit der Umsatzsteueroption feststellt.
1174 Küffner
C. Umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsaspekte
Rz. 13.146 Kap. 13
Die Ausübung der Option bei der Vermietung ist formfrei möglich. Regelmäßig er- 13.146 folgt die Option durch mietvertragliche Vereinbarung (Miete zzgl. Umsatzsteuer). Es empfiehlt sich, neben der Angabe von Miete und Umsatzsteuer auch sämtliche weiteren Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG in den Mietvertrag mit aufzunehmen. Hierdurch erfüllt der Mietvertrag die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rechnung, so dass der Mieter unmittelbar aus dem Mietvertrag den Vorsteuerabzug geltend machen kann1.
1 Neben dem Mietvertrag muss der Mieter noch Leistungsbelege (Kontoauszüge oder Quittungen) vorlegen, aus denen sich Angaben zum jeweiligen Leistungsabschnitt (z.B. Monat) ergeben, vgl. BFH v. 7.7.1988 – V B 72/86, BStBl. II 1988, 913; vgl. Abschn. 14.1 Abs. 2 UStAE.
Küffner 1175
Stichwortverzeichnis Bearbeiterin: Rechtsanwältin Anne Pohl Zahlenangaben entsprechen den Randzahlen. Zahlen mit dem Zusatz „M“ geben Muster-Nummern an und folgen auf die Angabe der Randzahl.
Abbruchkosten – AfaA 1.912 – Herstellung 1.883 – Werbungskostenabzug 1.971 Abfärbetheorie – Anteilsmodell, Bauträgerkaufvertrag 3.266 – atypisch stille Gesellschaft 4.312 – Familien-KG 8.67 – Gewerbesteuer 1.1060, 1.1063 – Mischnachlass 4.306 – Photovoltaik-Anlage 10.50 – Schenkung 4.308 Abfindung – Ausschluss, Familien-KG 8.42, 8.45 – Besteuerung, Erbbaurechtsübertragung 5.118 Abflussprinzip 12.107 Abgeschlossenheitsbescheinigung – Dauerwohnrecht 6.11 – Wohnungsbegriff 4.245 – Wohnungseigentum 4.16 Abnahme – Abnahmereife 3.70 – Fiktion 3.129 – Formulierungsvorschlag 3.157 M 41 – Gemeinschaftseigentum 4.171 M 61 – Vollmacht 3.149 – Wohnungseigentum 3.149 Abschlagszahlungsverordnung 3.33 Abtretung – Gewährleistungsansprüche gegen Vorverkäufer 2.177 – Grundstücksübereignungsanspruch 1.1101 – Kaufvertragsgestaltung, Pfändung des Kaufpreisanspruchs 2.434, 2.441 M 36 – Kaufvertragsgestaltung, Pfändung von Rückgewähransprüchen 2.448, 2.452 M 37 – Restitutionsanspruch, Besteuerung 12.13 AfA 1.881 – Bemessungsgrundlage 1.882 – Betreutes Wohnen 1.886
– Dauerwohnrecht 6.25 – Denkmalschutzobjekt, Wohnungseigentum 1.887, 4.278 – entgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 7.103 – Erbbauberechtigter 5.91, 5.110 – Erbbaurecht, Grundstückseigentümer 5.70 – Erbbaurecht, Restvolumen bei Grundstückserwerb 5.123 – Erbbaurecht, Zeitverkürzung 5.2 – Erhöhung des Abschreibungsvolumens 1.915 – Ferienwohnungsvermietung 1.823 – Gebäude im Umlaufvermögen 1.521 – Gebäude zu Wohnzwecken 1.885 – Grundstückseinbringung in Personengesellschaft 1.916 – Grundstücksübertragung gegen Versorgungsleistungen 1.918 – Kaufpreisaufteilung auf Grundstück und Gebäude 1.505 – Mittelstands-AfA 10.45 – Neubau zu Wohnzwecken 1.885 – Photovoltaik-Anlage 10.47 – Rentenbarwert 1.918 – Sanierungsobjekt, Wohnungseigentum 1.892, 1.906, 3.278 – Step-Up 9.18 – teilentgeltlicher Erwerb 1.881 – Vorbehaltsnießbrauch 7.125 – Windkraftanlage 10.153 ff. – Wohnungseigentum 4.276 AfA – degressive – Betreutes Wohnen 1.886 – Ferienwohnung, Wohnzweck 1.885 – Neubau zu Wohnzwecken 1.885 – Pflegegebäude 1.885 AfA – erhöhte – Baudenkmal, begünstigte Maßnahmen 1.896, 1.907, 3.278 – Baudenkmal, Bescheinigung 1.901 – Baudenkmal, Herstellungs-/Anschaffungskosten 1.898
1177
Stichwortverzeichnis – Ensembleschutz 1.896 – Sanierungsgebiet 1.887, 3.278 – städtebauliches Entwicklungsgebiet 1.887 – Wohnungsbau 1.905 AfA – lineare 1.884 AfaA – Abbruch 1.912, 1.971 – Erwerb ohne Abbruchsabsicht 1.914 AGB-Kontrolle – Bauträger, Bürgschaft 3.83 – Bauträger, Verzugseintritt 3.89 – Bauträgervertrag, Abnahmefiktion 3.129 – Bauträgervertrag, Änderungsvorbehalte 3.118 – Bauträgervertrag, Haftungsbeschränkung 3.138 – Bauträgervertrag, Kaufpreisänderung 3.130 M 39a, 3.130 M 39b – Bauträgervertrag, Leistungsverweigerungsrechte 3.131 – Bauträgervertrag, Sachmängelhaftung 3.112 – Bauträgervertrag, Schadenspauschalierung 3.137 – Bauträgervertrag, von Vorleistung abhängige Auflassung 3.134, 3.136 – Erbbaurecht, Heimfallregelung 5.45 – Generalübernehmermodell 3.231 – Gewährleistungsbeschränkung bei neuhergestellten Sachen 2.171 – Kardinalpflichten 3.117 – Maklerklauseln 2.333 – Sanierungsobjekt, Einschränkung von Käuferrechten 3.133 Altbau – Bauträgerhaftung 3.271 – Begründung von Wohnungseigentum 4.7 – Gewährleistungsausschluss 2.173 – Grunderwerbsteuer, Bemessungsgrundlage 4.393 – Wohnungseigentum, Vertragsverhältnisse 4.168 Altenteilerwohnung – Angehörige 1.755 – Vermeidung Gewinnrealisierung 1.553 Altlasten – Bundesbodenschutzgesetz/-Verordnung 2.187 – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 – Sanierungspflicht 2.187, 2.191 M 24
1178
Anbauten – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 Angehörige – Altenteilerwohnung 1.755 – Baumaßnahmen auf Elterngrundstück 1.527 – Begriff der nahestehenden Person 13.46 – doppelte Haushaltsführung 13.84 – Familienheim, Steuerbefreiung 4.416 – Familien-KG 8.62 – Gestaltungsmissbrauch 13.81 – Grunderwerbsteuerbefreiungen 1.1142 – Grundstücksübertragung 13.85 – Kaufverträge zwischen nahestehenden Personen 1.1382 – Kinder 13.89 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 13.95 – Nießbrauchbestellung 7.80 – Poolvermietung 13.83 – Rückanmietung 13.87 – Scheidungsfolgenvereinbarung 13.93 – Scheingeschäft 13.66 – Überkreuzvermietung 13.84 – verbilligte Miete 1.832, 13.61 – Vermietung, Einkünfteerzielungsabsicht 13.61 – Vermietung, Fremdvergleich 13.1, 13.67 – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung 1.1010 – zivilrechtliche Wirksamkeit von Verträgen 13.62 Anliegerkosten – Begriff 2.280 – Bescheidslösung 2.286 – Fälligkeit 2.283 – Grundstückskauf, Kostentragung 2.276 Annex-Sondereigentum – Abgeschlossenheitsbescheinigung 4.16 – Freiflächensondereigentum 4.11 – Gemeinschaftsordnung 4.46 Anschaffungskosten – Abgrenzung zum Erhaltungsaufwand 1.945 – AfA-Bemessungsgrundlage 1.612, 1.881 – als anschaffungsnaher Aufwand 1.959 – Ausgleichszahlung an Kommune 1.895 – Baudenkmal 1.898 – Bauherrenerlass 3.302 – dinglich belastetes Grundstück 5.129 – Erbbauberechtigter 5.87, 5.102 – Erbbaurechtserwerb 5.115
Stichwortverzeichnis – Erbbauverpflichteter 5.102 – erhöhte AfA, Baudenkmal 1.896, 1.907, 3.278 – erhöhte AfA, Sanierungsgebiet 1.887, 3.278 – Erschließungskosten 1.964 – Instandsetzungsarbeiten 1.959 – Kaufpreis, Aufteilung 2.207 – Kulturgüter, Steuerbegünstigung 1.910 – Modernisierungsarbeiten 1.959 – Privates Veräußerungsgeschäft 12.104 – Sofortabzugsverbot 11.75 – unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 7.89, 7.91 – Vorbehaltsnießbrauch 7.121 Anschaffungsnahe Herstellungskosten 1.960 Anschaffungsnaher Aufwand – Abgrenzung Herstellungskosten/ Erhaltungsaufwand 1.945 – als Anschaffungs- oder Herstellungskosten 1.959 – Kodifizierung 1.960 – Maßnahmen außerhalb des Dreijahreszeitraums 1.962 – Modernisierungsmodell 1.959 – Rechtsanwendungsfragen 1.961 – Rechtsprechung 1.943, 1.959 – üblicherweise jährlich anfallende 1.963 – Unterschreiten der 15 %-Grenze 1.962 – Verwaltungspraxis, frühere 1.943 Anteilstausch – Grundstückseinbringung in Kapitalgesellschaft 1.611 Anteilsübertragung – GmbH auf Familienstiftung 9.221 – KG 9.106 M 78 Anteilsvereinigung – Grunderwerbsteuer 1.1108, 1.1385 Anwachsung – Anwachsungsmodell 9.58 – eines Gesellschaftsanteils 12.66 – Grunderwerbsteuer 1.1102 Arbeitgeber – Grundstücksveräußerung an Arbeitnehmer 1.661 Arbeitnehmer – Grundstückserwerb, verbilligter 1.661 Arbeitszimmer – Anteil an eigengenutzter Wohnung, Veräußerungsgeschäft 12.91, 12.96
– berufliche/betriebliche Nutzung 12.91 – Freiberufler 1.647 Arglist – Gewährleistungsansprüche 2.157 – Gewährleistungsausschluss 2.173 Asset deal – Grundstückskauf 2.28 – Haftung für Steuerschulden 1.573 Atypische stille Gesellschaft – statt Schenkung, Abfärbetheorie 4.312 Auflassung – Aussetzung des Vollzugs 2.114 – Bankbürgschaft 2.135 – Bauträgerkaufvertrag 2.113, 3.134, 3.136, 3.136 M 40 – Bauträgerkaufvertrag, Abhängigkeit von Vorleistung 3.134 – Bedingungsfeindlichkeit 2.111 – Besitzverschaffung 2.145 – Beurkundung 2.113 – beurkundungsrechtliche Lösung 2.114, 2.116 M 14 – Bewilligungslösung 2.114, 2.118 M 15 – Eigentum, wirtschaftliches 2.146 – Eigentumsübergang 2.111 – Erbbaurecht 2.112 – Finanzierungsbestätigung 2.134 – gemeindliches Vorkaufsrecht 2.215 – Grundbucheintragung 2.145 – grundbuchrechtliche Lösung 2.114, 2.118 M 15 – Insolvenz 2.142 – Kopierlösung 2.114 – Mängelhaftung 2.153 – materiell-rechtliche Lösung 2.113 – Pfändung des Übereignungsanspruchs 2.426 – Räumung beweglicher Sachen 2.148 M 20 – Sondereigentum, Miteigentümergemeinschaft 4.5 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 2.145 – Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Vermietung 2.149 ff. – Verwahrungsanweisung 2.137 M 17 – Vorleistungsrisiko 2.133 – Zug um Zug 3.136 Aufteilungsplan – Bauausführung 4.26 M 44 – Wohnungseigentum 4.8
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Stichwortverzeichnis Ausbeutegrundstück – aktuelle BFH-Rspr. 1.694 – Dienstbarkeiten 1.689 – Einkommensbesteuerung 1.686 – Einlage in Betriebsvermögen 1.692 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Kaufvertrag Bodenschatzveräußerung 1.698 M 4 – landwirtschaftliches Betriebsvermögen, Abgrenzung 1.690 – selbständige Wirtschaftsgüter 1.691 – Veräußerung 1.681 Ausbeutevertrag – Abgrenzung von Veräußerung 1.684, 1.699 – steuerliche Behandlung 1.686 Ausgliederungsmodell – gewerblich tätige Personengesellschaft 1.1064 – Photovoltaik-Anlage 10.65, 10.93
Bankbürgschaft – Kaufabwicklung 2.135 Bauabzugssteuer 1.1031 – Bauträgerkaufvertrag 3.168 – Begriff des Leistungsempfängers 3.168 – Begriff des Unternehmers 2.80, 3.170 – Steuerabzug 1.1038 – Tatbestand 1.1032 – Wohnungseigentümergemeinschaft 4.280 Baubetreuungsvertrag – Generalübernehmermodell 3.221 Baudenkmal – AfA, erhöhte 1.896, 1.907, 3.278 f. M 41b – Bauträgerkaufvertrag 3.344 M 43 – Bescheinigung 1.901 – einzelne Baumaßnahmen 1.905 – Ensembleschutz 1.896 – Erhaltungsaufwand 1.908 – erhöhte AfA, begünstigte Maßnahmen 1.887, 4.278 – Erwerbsfälle 1.905 – Grundsteuerbegünstigung, Kulturgut 1.1341 – Neubau 1.897 – Nießbrauch 7.271 – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 – öffentliche Zuschüsse 1.900 – Sonderausgabenabzug 1.906 – Wiederaufbau 1.897
1180
– Wohnungseigentum, AfA 1.887, 4.278 Baugenehmigung – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 – Rechtsmängel 2.159 Bauherrengemeinschaft – vermögensverwaltende GbR 8.17 Bauherrenmodell – Bauherrenerlass 1.942, 3.302 – Qualifikation der Aufwendungen 1.503, 1.960 Bauland – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.554 Baulasten – Hinweispflicht des Notars 2.167 – Rechtsmängel 2.159 – Verzeichnis, Einsichtnahme 2.167 Baumaßnahmen – Abgrenzung Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.947 – Ineinandergreifen 1.957 Bauplatzverkauf – Bauplatzkauf 1.349 M 1 – MaBV, Anwendbarkeit 3.4 Bausparvertrag – Abschlussgebühren 1.942 Bauvertrag – Belastungsvollmacht 1.580 M 3 – Gesetzentwurf 3.1, 3.9 – Koppelung mit Kaufvertrag, Grunderwerbsteuer 1.1125 Belehrungspflicht – Grundstücksverkauf 1.541 Bergrecht – private Veräußerungsgeschäfte 12.4 Berherbergungsbetrieb – Investitionszulage 1.1002 Besitz – Verbrauchervertrag 2.91 M 13 Betreutes Wohnen 4.33 – degressive AfA, Wohnzweck 1.886 – Gemeinschaftseinrichtungen 4.33 – Kostentragung 4.37 M 46 – Nutzungsbeschränkung 4.34 M 45 Betriebsaufgabe – Gewerbesteuer 1.1062 – gewerblicher Grundstückshandel 1.626 Betriebsaufspaltung – Grundstücksüberlassung durch Gesellschafter, Gewerbesteuer 1.1062 – Nießbrauchsvorbehalt 7.214
Stichwortverzeichnis – Verpachtung von Grundstücken an Kapitalgesellschaft 1.573 Betriebsausgaben – Betriebsgrundstücke 1.800 Betriebsergebnis 1.1471 Betriebsgrundstück – Abfärbetheorie 4.308 – Abschreibungen auf Gebäude 1.800 – Anlagevermögen 1.521, 1.575 – Anteilstausch zwecks Grundstückseinbringung 1.611 – Arbeitszimmer 1.647 – Aufteilung in Wohnungseigentum, Erbauseinandersetzung 4.305 – Aufwand 1.800 – Ausbeutegrundstücke 1.690 – Betriebsvorrichtungen 1.574 – Bewertung 1.1438 – eigenbetriebliche Nutzung 1.576 – Einbringung, Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1122 – Einbringung, in Mitunternehmerschaft zwecks Veräußerung 1.627 – Einbringung, landwirtschaftliche Flächen in GmbH & Co. KG 5.79 – Einbringung, Landwirtschaftsbetrieb in GmbH & Co. KG 1.557 – Einlage aus Privatvermögen 12.40 – Einlage in Mitunternehmerschaft 12.42 – Einlage in vermögensverwaltende Personengesellschaft 12.45 – Entnahme 1.577, 12.64 – Entnahme, Steueranspruch 1.548 – Entnahme, unentgeltliche Erbbaurechtsbestellung 5.73 – Entnahme, Vermeidung durch Erbbaurechtsbestellung 5.2, 5.77 – Erbbaurechtsbestellung 1.556, 5.72, 5.106 – Erbbaurechtsbestellung an bebautem Grundstück 5.106 – Freiberufler 1.641 – gemischt genutzte Gebäude 1.509 – gemischt genutzte Grundstücke 4.304 – geringwertige Teile, Eigennutzung 1.576 – Gewerbesteuerkürzung 1.1066 – GmbH-Anteil, Grundstückshandel 1.609 – Grundbuchangaben 1.572 – Grundsteuer 1.1330 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69
– land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.550 – laufende Einkünfte, Besteuerung 1.800 – selbstgenutzte Wohnung 1.803 – Teilwertabschreibung 1.800 – Überführung auf GmbH & Co. KG 1.577 – Überführung in Sonderbetriebsvermögen 1.577 – Überlassung an Angehörige zu Wohnzwecken 1.558 – Übertragung auf GmbH & Co. KG, Freiberufler 1.648 – Umlaufvermögen 1.521, 1.575 – Veräußerung 1.572 – Veräußerung an Arbeitnehmer 1.661 – Veräußerung, bebautes Erbbaurecht 5.114 – Veräußerung, Gewinnrücklage 1.577 – Veräußerung, Rückstellung für Rückabwicklung 1.579 – Vorbehaltsnießbrauch 7.203 – Wohnungs-/Teileigentum 4.302 – Zuwendungsnießbrauch 7.195 Betriebskosten – Kostenverteilungsschlüssel 4.58 Betriebsvermögen – Abfärbetheorie 4.308 – Arbeitszimmer, Freiberufler 1.647 – Erbfall, Freiberufler 1.650 – gewillkürtes, gemischt genutzte Gebäude 1.513 – notwendiges, Freiberufler 1.642 – notwendiges, Gebäude 1.512 – Verschonungsregelung 1.1418 Betriebsvorrichtungen – einkommensteuerliche Behandlung 1.507 – Grundstücksbegriff, Grunderwerbsteuer 1.1115 Beurkundung – Auflassung 2.113 – Grundstückskauf 2.7 – Maklerklauseln 2.303 – Verwahrungsanweisung 2.261 Beurkundungspflicht – Baubetreuungsvertrag 3.222, 3.251 – Bauträgerkaufvertrag 3.9 – bedingte Rechte 2.9 – Beweiszweck 2.10 – Durchführungsvertrag 2.17 – GbR 2.23 – gemischte Verträge 2.13
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Stichwortverzeichnis – Grundstückskaufvertrag 2.7 – Heilung 2.24 – Mietvertrag 2.19 – Nebenabreden 2.12 – Reichweite 2.10 f. – Treuhandverträge 2.25 – Vorvertrag 2.22 – zusammengesetzte Verträge 2.14 ff. Bewegliche Sachen – Besitzkonstitut 2.56 M 11 – Besitzübergabe 2.41 – Besitzübergang, Einigung 2.41 f., 2.42 M9 – Checkliste, Mitverkauf 2.35 – Grunderwerbsteuer 2.33, 2.38 – Insolvenz, Vormerkungsschutz bzgl. beweglicher Sachen 2.47 ff., 2.54 M 10, 2.56 M 11 – Kaufpreisaufteilung bei Mitverkauf 2.38, 2.207 – Kaufvertrag, Regelungen 2.42 M 9 – Mitverkauf 2.33, 2.42 M 9 – Mitverkauf, Verbrauchsgüterkauf 2.43 ff. Bewertung – bebaute Grundstücke 1.1435 – Betriebsergebnis 1.1471 – Betriebsvermögen 1.1470 – Bodenrichtwert 1.1432 – Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht 6.20 – Erbbaurecht 1.1449, 5.191 ff. – Erbbaurecht/Erbschaft- und Schenkungsteuer 5.197 – Erbbaurecht/Grunderwerbsteuer 5.205 ff. – Erbbaurecht/Grundsteuer 5.210 f. – Erbschaftsteuer, Bewertungsabschlag 1.1390 – Ertragswertverfahren 1.1438 – Gebäude auf fremdem Grund und Boden 6.35 – Grundsteuerwert 1.1333 ff., 4.411 – Kapitalgesellschaftsanteile 1.1470 – Kapitalisierungsfaktor 1.1473 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.550, 1.1451 – Missbrauchsbegrenzung 1.1427 – Nachweis niedrigeren Verkehrswerts, Schenkung 1.1434, 1.1437, 1.1447 – unbebaute Grundstücke 1.1432 – Verfahren 1.1435 – Vergleichswertverfahren 1.1436 – Wertuntergrenze 1.1472
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– Wohnungseigentum 4.241 ff., 4.252 Bewertungsgesetz – Neuregelung 1.1330 – Reform 5.191 ff. – Verfassungswidrigkeit 1.1330 Bilanzierung – Erbbaurecht 5.130 – Rechnungsabgrenzung, Erbbaurechtsvorauszahlung 5.90 Bodenrichtwert – Bewertung, Erbschaft-/Schenkungsteuer 1.1420 Bodenwert – Gebäude auf fremdem Grund und Boden 6.35 Bruchteilsgemeinschaft – Photovoltaik-Anlage 10.65, 10.67 – vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.1 Bruchteilsnießbrauch 7.129, 7.155 Bundesbodenschutzgesetz – Haftung für Altlasten 2.187, 2.175 M 21 Bürgschaft – Anspruchsverjährung 3.86 – Bauträgerkaufvertrag 3.62, 3.71 – Bedingung/Befristung 3.77 – Fälligkeitsmitteilung 3.78 – Inhaltskontrolle 3.83 – Kosten 3.75 – Reduzierung nach Baufortschritt 3.76 – Sicherungsumfang 3.78, 3.82 – Vereinbarung 3.71 – Vermischung mit anderen Sicherheiten 3.76 – Vertragserfüllung 3.72 – Verwahrung durch Notar 3.74
Campingplatz – Investitionszulage 1.1002 Cash-GmbH 1.1423 Damnum 1.943 Darlehen – Angehörige, aus zuvor geschenkten Geldbeträgen 13.83 – Anschaffungsgeschäfte 1.935 – Damnum 1.943 – Ehegatten, Nicht-Eigentümer-Darlehen 1.937 – Ehegattendarlehen 1.936
Stichwortverzeichnis – Finanzierung sofort abziehbarer Aufwendungen, Schuldzinsenabzug 1.931 – fortgeführtes, Anschaffungskosten der neuen Immobilie 1.939 – Gestaltungsmissbrauch bei nahestehenden Personen 13.82 – Herstellungsfälle 1.934 – nachträgliche Schuldzinsen 1.939 – Surrogationsbetrachtung bei Veräußerung 1.939 – tatsächliche Verwendung 1.931, 1.934 – Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung/Verpachtung 1.931, 1.939 – Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 Dauernde Lasten – Abgrenzung zu Leibrenten 1.1005 – Grunderwerbsteuer 1.1119 – Nießbrauchsrecht, Ablösung 7.174 – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung 1.1010 – Zeitrente, AfA-Erhöhung 1.918 Dauernutzungsrecht – wirtschaftliches Eigentum 6.2 f. Dauerwohnrecht – Abgeschlossenheitsbescheinigung 6.11 – Abgrenzung zum Erbbaurecht 5.6 – AfA-Berechtigung 6.25 – Bauverpflichtung und Bestellung eines Dauernutzungsrechts 6.103 M 68 – Bedingung/Befristung 6.64 – Beendigung/Erlöschen 6.15, 6.63 – Belastungsobjekt 6.6 – Bestellung, gewerblicher Grundstückshandel 1.619 – Bewertung 6.20 – Bruchteilsberechtigung 6.13 – Checkliste 6.100 ff. – Dauernutzungsrecht, Bestellung 6.103 M 68 – dinglicher Inhalt 6.102 M 67 – Eigenbedarf 6.78 – Eigenheimzulage 1.1045 – Eigentumsähnliche Dauerwohnrechte 6.102 M 67 – entgeltliche Einräumung 6.26 – Entstehung 6.9 – Erbschaftsteuer 6.33 – Grundbuch 6.12 – Grundbucheintragung 6.67 – Grunderwerbsteuer 4.392, 6.31
– Grundstücksbegriff, Grunderwerbsteuer 1.1115 – Heimfall 6.23, 6.62, 6.74 ff. – Insolvenz des Berechtigten 6.77, 6.82 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.558 – Lastentragung 6.68 f. – Laufzeit 6.60 – Mieterschutz 6.79 – Mindestdauer, steuerliche 6.60 – Muster, eigentumsähnliches Dauerwohnrecht 6.102 M 67 – Nießbrauch 7.12 – Nutzungsregelungen 6.68 f. – privates Veräußerungsgeschäft 6.26, 12.1 – Rechtskauf 6.8 – schuldrechtliche Vereinbarungen 6.85, 6.102 M 67 – Sicherheitsleistung 6.73 – Sondernutzungsrecht 4.392 – Übertragbarkeit 6.7, 6.10 – unentgeltliche Einräumung 6.25 – Veräußerbarkeit 6.63 – Veräußerung 6.27, 6.90 ff. – Vererblichkeit 6.7, 6.63 – Vermietung durch den Berechtigten 6.15 – Verpfändung 6.86 – Versicherungen 6.72 – Vorbehalt 6.24 – Wiederaufbau 6.72 – wirtschaftliches Eigentum 6.1 – Zustimmungserfordernisse 6.65 Dienstbarkeiten – Abgrenzung zu Erbbaurecht 5.5 – Ausbeutegrundstück 1.689 – Erlöschen, durch Heimfall des Erbbaurechts 5.18 – Grunderwerbsteuer 1.1119 – Rangrücktritt, Sicherung 5.18 – Rechtsmängel 2.159 – Unverpfändbarkeit 5.21 Disquotale Überschussverteilung – Familien-KG 8.62, 8.69 Doppelhaushälfte – Begründung von Wohnungseigentum 4.43 – Gemeinschaftsordnung 4.45 M 48 – Gemeinschaftsordnung, Änderung 4.111 M 58 Doppelnießbrauch – Familien-KG 8.38
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Stichwortverzeichnis Drei-Objekt-Grenze – Abschirmwirkung durch GmbH 1.603 – Anteilsmodell, Bauträgerkaufvertrag 3.266 – Begriff des Objekts 11.46 – Begriff gewerblicher Grundstückshandel 11.1 – bei Personengesellschaften 1.601 – Doppelhäuser 11.44, 11.47 – Erbbaurecht 5.105 – ererbte Grundstücke 11.51 – Freigrenze 11.15 – Indizwirkung 11.42 – Nachhaltigkeit 11.15 – Realteilung 11.50 – Teilauseinandersetzung einer Gemeinschaft 11.50 – unbebaute Grundstücke 11.47 – Unterschreiten 11.43 – Veräußerungsabsicht 11.42
Ehegatten – Begriff der nahestehenden Person 13.46 – Gebäudeerrichtung auf Miteigentumsgrundstück 1.523 – Gestaltungsmissbrauch 13.81 – Grundstückskaufvertrag 2.74 – Grundstückstausch 1.1147 – Grundstücksübertragungen, Grunderwerbsteuer 1.1154 – Mietvertrag 13.46 – Mitberechtigungsnießbrauch 7.223 – Nießbrauchsberechtigung 7.31, 7.223 – Pachtvertrag 13.46 – Scheidungs-/Trennungsfolgen, private Veräußerungsgeschäfte 12.35 – Zweitwohnungssteuer 1.1345 Eigengenutzte Immobilien – Arbeitszimmeranteil, Veräußerungsgeschäft 12.96 – Betriebsgrundstücke 1.576 – Gewerbesteuerfreiheit 1.1061 – Miteigentum, Veräußerungsgeschäft 12.94 – Nutzungsdauer vor Veräußerung 12.97 – Nutzungsüberlassung, schädliche bei Veräußerungsgeschäft 12.92 – private Veräußerungsgeschäfte 12.38, 12.91 – Rechtsnachfolge, Veräußerungsgeschäft 12.95
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– Wohnung im Betriebsvermögen 1.803 – Wohnungseigentum 4.301 Einbringung – Betriebsgrundstück in GmbH & Co. KG 1.577 – durch Anteilstausch 1.611 – Geschäftsveräußerung, Umsatzbesteuerung 1.1241 – Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1122 – in Kapitalgesellschaft 11.48, 12.40 – in Mitunternehmerschaft zwecks Veräußerung 1.627, 1.916 – in Vermögensverwaltungsgesellschaft, AfA 1.917 – landwirtschaftliche Flächen in GmbH & Co. KG 5.79 – Landwirtschaftsbetrieb in GmbH & Co. KG 1.557 – privates Grundstück in vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.76 Einfamilienhaus – Ertragswertverfahren 1.1438 – Sachwertverfahren 1.1442 Einheits-GmbH & Co. KG 9.26 – Umsatzsteuer 9.67 – Vorteile 9.38 Einkommensteuer – Anbauten 1.504 – Anspruchsentstehung, Zeitpunkt 1.547 – Bauabzugsteuer, Bauträgerkaufvertrag 1.1031, 3.168 – Bauträgerkaufvertrag 3.301 – Belehrungspflicht des Anwalts/Notars 1.541 – Betriebsvorrichtungen 1.507 – Damnum 1.943 – Erhaltungsaufwendungen 1.945, 1.964 – Finanzierungsaufwendungen, Bauträgerkaufvertrag 1.931, 3.302 – Gebäudeteile 1.504 – gemischt genutzte Gebäude 1.504 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Ladenanlage 1.508 – Leibrentenvereinbarung 9.72 – Mietereinbauten 1.504 – nicht selbständige Wirtschaftsgüter 1.504 – Schaufensteranlage 1.508 – Scheinbestandteil 1.504 – selbständige Wirtschaftsgüter 1.504 – Steuerstundungsmodell 3.341
Stichwortverzeichnis – Vorbehaltsnießbrauch 9.73 – wesentliche Bestandteile 1.505 – Zubehör 1.504 Einkünfte aus Gewerbebetrieb – Abfärbetheorie 1.1060, 1.1063 – Bauabzugsteuer, Bauträgerkaufvertrag 3.168 – Betriebsausgaben 1.800 – GmbH & Co. KG 9.49 – Grundstücksentnahme 1.577 – Grundstücksverkauf 1.572 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Nutzung von Betriebsgrundstücken 1.800 – Photovoltaik-Anlage 10.16, 10.50 – Schuldzinsenabzug 1.804 – Steuerstundungsmodell 3.341 – Vermietungseinkünfte 1.800 – Versorgungsrente 1.1007, 1.1012 Einkünfte aus Kapitalvermögen – Grundstückserwerb durch Gesellschafter 1.671 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 Einkünfte aus Land-/Forstwirtschaft – Betriebsausgaben 1.800 – Entnahme von Grundstücken 1.550 – Erbschaftsteuer 1.1451 – gewerblicher Grundstückshandel 1.554 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Nutzung von Betriebsgrundstücken 1.800 – Schuldzinsenabzug 1.804 – Veräußerungsgewinn, Vermeidung 1.552 – Vermietungseinkünfte 1.800 – Versorgungsrente 1.1007, 1.1012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – Grundstücksveräußerung an Arbeitnehmer 1.661 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit – Betriebsausgaben 1.800 – Grundstücksveräußerung/-entnahme 1.641 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Nutzung von Betriebsgrundstücken 1.800 – Schuldzinsenabzug 1.804 – Vermietungseinkünfte 1.800 – Versorgungsrente 1.1007, 1.1012
Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung 1.807 – Ausbeutegrundstück, Veräußerung/ Verpachtung 1.681 – Dauerwohnrecht 6.26 – einheitliche/gesonderte Feststellung 8.82 – Erbbaurechtsbestellung, entgeltliche 5.64 – Erbbauzinsvorauszahlung, Verteilung 5.67 – Ermittlung 1.807 – Gewerbesteuer 1.1063 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Kaution 1.970 – Liebhaberei 1.810 – Miteigentümergemeinschaft 13.83 – Miteigentumsanteil, Vermietung 1.834 – Nießbrauch, Zurechnung 7.4, 7.94 – Schuldzinsenabzug, Wechsel der Einkunftsart 1.805 – Sicherungsnießbrauch 7.152 – Steuerstundungsmodell 3.341 – Überkreuzvermietung, Miteigentümer 13.83 – verbilligte Miete 1.814, 1.832, 13.61 – Vorbehaltsnießbrauch 7.123 – Wohnungseigentum 4.271, 4.354 – Zurechnung, Nießbrauch 7.4 Einkünfteerzielungsabsicht – Ankaufsrecht 1.865 – auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit 1.813 – Bauherrenmodell 1.825 – Bedeutung 1.810 – befristete Vermietung 1.851 – besonderer Wohnwert 1.861 – Beweislast 1.811 – Familien-KG 8.85 – Ferienwohnung 1.817 – Fremdfinanzierung 1.815 – Fremdfinanzierung, Missverhältnis zu Einnahmen 1.862 – Fremdvergleich 1.814 – Immobilienfonds, geschlossene 1.863 – Liebhaberei 1.810 – Mietkaufmodell 1.825 – Mietvertrag 13.61 – Pachtvertrag 13.61 – Rückkaufgarantie 1.826 – Totalüberschuss 1.810 – Verkaufsgarantie 1.826
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Stichwortverzeichnis – Verlustzuweisungsgesellschaft 1.864 – Vermietung an Angehörige 1.814, 13.61 – Vermietung, verbilligte 1.832 – Versorgung von Angehörigen 13.61 – Wohnungsleerstand 1.854 Einkunftsarten – Einkünfte aus Kapitalvermögen 1.671 – Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung 1.681, 1.807 – Grundstückskauf 1.500 – Wechsel, Schuldzinsenabzug 1.805 Einlage – Ausbeutegrundstück 1.692 – in Kapitalgesellschaft 12.40 – in Personengesellschaft aus Privatvermögen 12.42 – in Vermögensverwaltungsgesellschaft 12.45 – verdeckte 12.40 Einnahmen-Überschuss-Rechnung – Anschaffungskosten, Sofortabzugsverbot 11.75 – Vermietungseinkünfte 1.807 Einzugsermächtigung – Bauträgerkaufvertrag 3.68 Elektrizitätsversorgung – Grundstückskauf, Kostentragung 2.281 Eltern – Begriff der nahestehenden Person 13.46 Energieausweis 2.196 ff. – Garantie 2.201 – Investitionspflichten 2.205 – Muster 2.206 M 25 – Ordnungswidrigkeit 2.200 – verpflichtender 2.196 – Verzicht des Käufers 2.199 – Vorlage 2.204 – Wohnungseigentum 2.203 Energieversorgung – Grundstückskauf, Kostentragung 2.281 Ensembleschutz 1.896 Enteignung – private Veräußerungsgeschäfte 12.16 Entnahme – aus Betriebsvermögen 12.64 – aus Betriebsvermögen, Freiberufler 1.641 – Betriebsgrundstück, Nießbrauchsbestellung 7.195 – Erbbaurechtsbestellung, entgeltliche 5.72 – Erbbaurechtsbestellung, unentgeltliche 5.73
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– land-/forstwirtschaftliches Vermögen 1.552 – Vermeidung durch Erbbaurechtsbestellung 5.2 Erbauseinandersetzung – Aufteilung in Wohnungseigentum 4.310 – gewerblicher Grundstückshandel 4.314 – Grunderwerbsteuer 1.1151 – private Veräußerungsgeschäfte 12.33 Erbbaurecht – Abgrenzung zu Dienstbarkeiten 5.5 – Abgrenzung zum Dauernutzungsrecht 5.6 – Bauwerk, Begriff 5.26 – Bauwerk, Zulässigkeit 5.31 – Bedarfsbewertung 5.312 – Beleihbarkeit 5.6 – Bewertung 5.191 ff. – Checkliste 5.316 – Eigentumsübergang 2.111 – Eigentumsverhältnisse 5.9, 5.68, 5.97 – Erbbaurechtsvertrag 5.361 M 65 – Erbbauzins, verbilligter 5.219 – Erbbauzins, Vollstreckung 5.56 – Erbbauzinsreallast 5.54 – Erbbauzinsreallast, versteigerungsfest 5.60 – Erschließungskosten 5.135 – erstmaliger Erwerb, entgeltliche Anschaffung 1.727 – Erwerb, Beurkundungspflicht 2.451 – Gebäude, Eigentumsübergang 5.9 – Grunderwerbssteuerbefreiung 5.271 f. – Grunderwerbsteuer 1.1115 – Heimfall, Besteuerung 5.254 – Heimfall, Entschädigung 5.47 – Heimfall, Gründe 5.35, 5.41 – Heimfall, Inhaltskontrolle 5.45 – Insolvenz des Berechtigten 5.58 – Mindestinhalt 5.24 – Nießbrauch 7.12 – Recht zur Bauwerkserrichtung 5.8 – Sachenrechtsbereinigung 5.10, 5.56 – Steuerbefreiungen 5.311 – teilentgeltliche Einräumung 5.219 – Untererbbaurecht 1.729 – Veräußerbarkeit 5.5 – Vererblichkeit 5.5 – Verkehrssicherungspflicht 5.39 – Zwangsversteigerung 5.56 – Zwangsvollstreckung 5.56
Stichwortverzeichnis Erbbaurecht – Bestellung 5.361 M 65 – bauliche Veränderungen 5.33 – Bauwerk 5.26 – Bebauungspflicht 5.32 – Bedingung, auflösende/aufschiebende 5.16 – Befristung 5.17 – Belastungen 5.53 – Berechtigter 5.29 – Besichtigungsrecht 5.32 – Beurkundungspflicht 5.23 – Dauer 5.15 – dingliche Einigung 5.7 – dinglicher Inhalt 5.22, 5.30, 5.49 – durch Vorerben 5.17 – Eintrittsverpflichtung im Weiterverkaufsfall 5.340 – Entstehung 5.7 – Erbbaurechtsvertrag 5.361 M 65 – Erbbauzins 5.54 – Erbbauzins, Vollstreckung 5.56 – Erbbauzinsreallast 5.54 – Erneuerungsvorrecht 5.51 – gewerblicher Grundstückshandel 1.619 – Grundbucheintragung 5.7 – Grundstück 5.8, 5.12 – Heimfall 5.47 – Heimfall, Erlöschen von Dienstbarkeiten 5.18 – Heimfall, Gründe 5.35, 5.41 – Heimfall, Inhaltskontrolle 5.45 – Instandhaltungspflicht 5.34 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 5.79 – Lastentragung 5.38 – Nutzungsbeschränkung 5.32 – Rangbeschaffung, Misslingen 5.19 – Rangstelle 5.18 – Rechtskauf 5.23, 5.338 – Sicherungshypothek 5.18 – Veräußerungsbeschränkung 5.53 – Vermietungsbefugnis 5.36 – Versicherungen 5.37 – Vorkaufsrechte 5.52 – Wertsicherung, Erbbauzinsreallast 5.59 – Wertsicherungsklausel 5.55 – Wiederaufbau 5.37 – Zwangsvollstreckungsunterwerfung 5.57 Erbbaurecht – Besteuerung – Abfindungszahlungen 5.118 – AfA-Berechtigung 5.70, 5.110
– Anschaffungskosten 5.87, 5.102 – Anschaffungskosten, AfA 5.91 – Anschaffungskosten, Erbbaurechtserwerb 5.115 – Anschaffungskosten, Gebäude 5.92 – Aufhebung 5.250 – Bestellung an bebautem Betriebsgrundstück 5.106 – Bestellung an bebautem Privatgrundstück 5.96 – Bewertung, erbschaftsteuerliche 5.191 f. – Bewertung, grunderwerbsteuerliche 5.191 f. – Bewertung, grundsteuerliche 5.191 ff. – Bilanzierung 5.130 – Checkliste 5.316 – entgeltliche Einräumung an Betriebsgrundstück 5.72 – entgeltliche Einräumung an unbebautem Privatgrundstück 5.64 – Entnahme 5.73 – Erbbauzins, Aufteilung in Gebäude-/ Bodenanteil 5.109 – Erbbauzins, verbilligter 5.219 – Erbbauzinsvorauszahlung, Verteilung 5.67, 5.72, 5.88, 5.99 – Erschließungskosten 5.135 – Gewerbesteuer 5.145 – gewerblicher Grundstückshandel 1.619 – Grunderwerbsteuer 5.241 – Grundsteuer 5.310 – Heimfall/Erlöschen 5.118 – Nacherwerb des Grundstücks, Restabschreibungsvolumen 5.123 – privates Veräußerungsgeschäft 5.98, 5.111 – Rechnungsabgrenzung, Veräußerung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks 5.128 – Schuldzinsenabzug 5.71 – Sonderausgaben 5.94 – Steuerbefreiung 5.225 f. – Umsatzbesteuerung 1.1289, 5.306 – unbebautes Grundstück, wirtschaftliches Eigentum 5.68 – unentgeltliche Einräumung an unbebautem Privatgrundstück 5.62 – Veräußerung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks 5.128 – Veräußerung, bebautes Erbbaurecht 5.111
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Stichwortverzeichnis – Werbungskosten 5.88 Erbbaurecht – Veräußerung 5.362 M 66 – Auflassungsvormerkung 5.334 – Betriebsvermögen 5.114 – Fälligkeitsregelung 5.336 – private Veräußerungsgeschäfte 1.727, 12.4 – Privatvermögen 5.111 – Spekulationsgeschäft 5.111 – teilentgeltliche Einräumung 5.219 – Übertragung 2.111 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1200, 1.1289 – Veräußerbarkeit 5.5 – Vertragseintritt des Erwerbers 5.340 – Vertragsmuster, Verkauf eines Erbbaurechts 5.362 M 66 – Zustimmung 5.333 Erben – Erbteilveräußerung, Grunderwerbsteuer 1.1103, 1.1151 – Erbverzicht 12.34 Erbengemeinschaft – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1156 Erbschaft – Ausschlagung, Vorbehaltsnießbrauch 7.123 – Erbauseinandersetzung, Grunderwerbsteuer 1.1151 – Grunderwerbsteuer 1.1150 – Mischnachlass 4.306 – Nießbrauch 7.12 – Sozietät/Praxis 1.644 – Veräußerung 1.1103, 1.1151 – Verzicht 12.34 Erbschaftsteuer – Auflagenschenkung 1.1386 – Dauerwohnrechtsübertragung 6.33 – Doppelbesteuerung 1.1372 – Familienheim 1.1399 ff., 4.417 – gemischte Schenkung 1.1392 – Gesellschaftsanteile, Erwerb 1.1385 – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1385 – Mitberechtigungsnießbrauch 7.223 – Nießbrauch, Wegfall 7.226 – Pflichtteil 1.1395 – Rechtsentwicklung 1.1360 – Reform 2016 1.1364, 1.1411, 8.104 – Schenkung 1.1385 – Steuerpflicht 1.1364, 4.413 – Stundung 1.1383
1188
– Verschonungsregelung für Betriebsvermögen 1.1418 – vollentgeltliches Rechtsgeschäft 1.1382 – Vorbehaltsnießbrauch 7.215 – Wohnsitz/Aufenthalt 1.1367 ff. – Wohnungsunternehmen 1.1406 ff. Erbverzicht – private Veräußerungsgeschäfte 12.34 Ergänzungspfleger – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.196 – Nießbrauchsbestellung, steuerliche Anerkennung 7.83 – vermögensverwaltende GbR 8.19 Erhaltungsaufwand 1.945 – Ausgleichszahlung an Kommune 1.895 – Baudenkmal 1.906, 1.946, 1.1473 – Baumaßnahmen nach dem 31.12.2003 1.960 – bautechnisches Ineinandergreifen 1.957 – Beurteilung einzelner Aufwendungen 1.957 – Erschließungs-/Anliegerkosten 1.966 – Erweiterung eines Gebäudes 1.950 – Funktionsänderung 1.949 – Herstellung eines neuen Gebäudes 1.948 – Instandsetzung 1.957, 1.959 – Kodifizierung 1.960 – Kulturgüter, Steuerbegünstigung 1.910 – Maßnahmen außerhalb des Dreijahreszeitraums 1.962 – Modernisierung 1.957, 1.959 – nachträgliche Erschließungskosten 1.965 – Nießbrauch 7.41 – Nutzungsänderung 1.949 – nutzungsbezogene Beiträge 1.969 – Rechtsprechung 1.945, 1.959 – Sanierungsgebiet 1.674, 1.946, 1.964 – Sofortabzug 1.946 – Übersicht 1.950 – üblicherweise jährlich anfallende Arbeiten 1.963 – Unterschreiten der 15 %-Grenze 1.962 – Verbesserung des Gebrauchswerts 1.955 – Verbesserung eines Gebäudes 1.953 – Verwaltungspraxis 1.945, 1.952 – Werbungskostenabzug 1.976 – Zweiterschließung 1.968 Erschließungsanlage – Errichtung, anwendbare Vertragsregelungen 3.4
Stichwortverzeichnis Erschließungskosten – Abgabenschuldner 2.282 – Anschaffungskosten 1.964 – Anschaffungskosten/Erhaltungsaufwand 1.964 – Ausbauzustandslösung 2.285 – Begriff 2.280 – Bescheidslösung 2.285 – Erbbauberechtigter 5.135 – Erbbaurecht, Grundstückseigentümer 5.138 – Erhaltungsaufwand 1.965 – Ersetzung/Modernisierung von Einrichtungen 1.965 – erstmalige 1.964 – Grunderwerbsteuer 3.307 – Grundstückskauf 2.276 – Leibrente, Kaufvertrag 1.757 M 5 – nachträgliche 1.965 – Nießbrauch 7.41 – Privatweg 1.966, 1.968 – Satzungsänderung 1.967 – Umgestaltung öffentlicher Anlagen 1.966 – Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Werbungskostenabzug 1.965 – Werterhöhung Grundstück 1.968 – Zweiterschließung 1.968 Ertragswertverfahren – bebaute Grundstücke 1.1438 – Bewertung von Betriebsvermögen 1.1470 – Bewertungsschema 1.1441 – Gebäude auf fremdem Grund und Boden, Reform 6.35 Erwerb von Todes wegen – Familienheim 4.416 – Grunderwerbsteuer 1.1150 – Grundstücksveräußerung, Einbeziehung in Drei-Objekt-Theorie 11.51 – private Veräußerungsgeschäfte 12.33 – Steuerpflicht 4.413 Erwerbermodell – Bauherrenerlass 3.302 Erwerbszweitwohnung 1.1345 Existenzgründer – Verbraucherschutz 2.86
Fahrlässigkeit – Gewährleistungsansprüche 2.157 Fälligkeitsmitteilung 2.5, 2.227, 2.233 ff., 2.240 ff., 2.231 M 27, 2.239 f. M 28, 2.242 M 29
Familienheim – Betriebsgrundstück, entgeltliche Erbbaurechtsbestellung 5.80 – Erbschaftsteuerbefreiung 1.1399 ff. – Erwerb von Todes wegen 1.1404 f., 4.419 – gemischt genutztes Grundstück 4.418 – Steuerbegünstigung 4.416 Familien-KG, vermögensverwaltende – Abfärbetheorie 8.67 – Abfindungsausschluss 8.42, 8.45 – Buchführungs- und Bilanzierungspflicht 8.29 – disquotale Überschussverteilung 8.62, 8.69 – Doppelnießbrauch 8.38 – Einbringung in vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.76 – Einkünfteerzielungsabsicht 8.85 – Einkünftezurechnung 8.81 – Familiensplitting 8.60 – Feststellungsbescheid 8.82 – fiktives Kapitalkonto 8.71 – generationsübergreifende Erhaltung von Familienvermögen 8.25, 8.60, 8.114 – Gewerbesteuerpflicht 8.28 – gewerbliche Tätigkeit 8.67, 8.79 – Grunderwerbsteuer 8.91 – Handelsregisteranmeldung 8.50 – Handelsregistereintragung 8.26 – IHK-Mitgliedschaft 8.28 – Liquidationswert 8.43 – Minderjährige 8.110 – nahestehende Person 8.62 – negatives Kapitalkonto 8.71 – Nießbrauch, Grundstück 8.37 – Nießbrauch, KG-Anteil 8.35 – Personenzusammenschlüsse, Steuerrecht 8.63 – Pflichtteilergänzungsansprüche 8.39, 8.45 – private Vermögensverwaltung 8.65 – Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts 8.110 – Rentenerlass 8.33 – Schenkungsfreibeträge 8.60 – steuerliche Anerkennung 8.61 – Steuerstundungsmodell 8.75 – Umsatzsteuer 8.97 – unentgeltliche Übertragung eines Personengesellschaftsanteil 8.105 – Versorgungsleistungen 8.34
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Stichwortverzeichnis – Vertragsgestaltung 8.40, 8.113, 8.109 M 70 – Vorbehaltsnießbrauch 8.80, 8.96, 8.114 – Zebragesellschaft 8.83 – Zuwendungsnießbrauch 8.114 Familienpool – vermögensverwaltende GbR 8.8 Familiensplitting 8.60 Familienstiftung 9.221 – Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts 9.223 – Stiftungssatzung 9.224 Familienvermögen, generationsübergreifende Erhaltung 8.25, 8.60, 8.114 Ferienwohnung – Ausland 1.676 – ausschließliche Fremdvermietung 1.817 – degressive AfA 1.885 – Einkünfteerzielungsabsicht 1.817 – Liebhaberei 1.818, 13.112 – Normal-AfA 1.823 – ortsübliche Vermietungszeit 1.819, 13.112 – private Veräußerungsgeschäfte 12.91 – Prognoserechnung 1.823, 13.112 – Rechtsprechung 1.817 – Rentabilitätsmaßnahmen 13.111 – Schuldzinsen, krasses Missverhältnis 1.823 – teilweise Selbstnutzung 1.817, 1.820 – Totalüberschuss 1.822 – Überschussprognose 1.819, 1.822 – verbilligte Miete 1.832 – Vermietung, steuerliche Vertragsgestaltung 13.111 – Vermietung, Vertragsform 13.8 – Zweitwohnungssteuer 1.972 Feuchtigkeit – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 Finanzierungsaufwendungen 1.931 – Bauherrenerlass 3.302 – Damnum 1.943 – Ehegatten, Nicht-Eigentümer-Darlehen 1.937 – Ehegattendarlehen, gemeinsames 1.936 – fortgeführtes Darlehen, Anschaffungskosten der neuen Immobilie 1.939 – Gebühren, Bausparvertrag 1.942 – Gebühren, Notar 1.942 – Schuldzinsen 1.931, 1.939 – tatsächliche Darlehensverwendung 1.931
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– Umwidmung von Darlehen 1.932 – Veranlassungszusammenhang 1.931, 1.939 – Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 – Werbungskostenabzug 1.931, 3.302 Finanzierungsbestätigung – Kaufabwicklung 2.134 Fischereirecht – private Veräußerungsgeschäfte 12.4 Forderungssicherungsgesetz – Bauträgerkaufvertrag 3.1, 3.31 Formwechsel – Grunderwerbsteuer 1.1123 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.102 M 75 Freiberufler – Arbeitszimmer, Betriebsvermögen 1.647 – Erbfall 1.644, 1.650 – Grundstücksveräußerung/-entnahme 1.641 – Personengesellschaft 1.649 – Übertragung von Betriebsvermögen auf GmbH & Co. KG 1.648 – Verbrauchereigenschaft 2.81 Freigebige Zuwendung – Kaufpreisstundung 1.1383 Fremdvergleich – nahestehende Person 13.67
Garantie – Verbrauchsgüterkauf 2.201 Gastronomie – Investitionszulage 1.1002 Gasversorgung – Grundstückskauf, Kostentragung 2.281 GbR – Anteilsveräußerung 2.23 – Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts 8.6, 9.6 – Grundstückshandel, Zurechnung bei Gesellschaftern 11.54 – Grundstückskaufvertrag 2.76 M 12 – Nießbrauchsberechtigung 7.10 – Rechtsfähigkeit 4.124 – Teilauseinandersetzung 1.600 – Vertretungsregelung 8.11 f. GbR, vermögensverwaltende – Bauherrengemeinschaft 8.17 – Ergänzungspfleger 8.19 – familiengerichtliche Genehmigung 8.20 – Familienpool 8.8
Stichwortverzeichnis – Haftungsbeschränkung 8.14 – Immobilienfonds 8.17 – Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz 8.21 – Vertragsgestaltung 8.10 – Vertretungsregelung 8.11 f. – Vollmacht 8.13 – Widerrufs- oder Rücktrittsklausel 8.24 Gebäude – Anlagevermögen 1.521 – Betriebsvermögen 1.514 – gewillkürtes Betriebsvermögen 1.513 – notwendiges Betriebsvermögen 1.512 – notwendiges Privatvermögen 1.511 – Privatvermögen 1.514 – selbständige Wirtschaftsgüter 1.504 – Umlaufvermögen 1.521 Gebäude – auf fremdem Grund und Boden – Bewertung, Reform 6.35 – Ehegattengrundstück 1.523 – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Gebäudeerrichtung durch Angehörige 1.527 – Grunderwerbsteuer 1.1115 – Veräußerung, Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 Gebäude – gemischt genutzte – Bewertung 1.1435 – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Zuordnung zu den Vermögensarten 1.509 Gebäudeeigentum, selbständiges – private Veräußerungsgeschäfte 12.2 Gebäudeenergiegesetz 2.195 ff. Gebäudeerweiterung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.950 Gebäudeherstellung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.947 Gebäudeteile – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Photovoltaik-Anlage 10.4 Gebäudeversicherung – Dauerwohnrechtsbestellung 6.72 – Erbbaurechtsvertrag 5.37 Gebäudewert – Gebäude auf fremdem Grund und Boden 6.35 Gebrauchswert 1.953
Gebrauchtimmobilie – Gewährleistungsausschluss 2.173 Geldwäschegesetz – Verpflichtungen 2.26 f. Gemeinschaftsordnung – Änderung 4.106, 4.111 M 58 – Änderung, Anpassungsverpflichtung 4.112 – Änderung, gesetzliche Öffnungsklausel 4.113 – Änderung, Öffnungsklausel 4.109, 4.111 M 58 – Änderung, Vereinbarung 4.108 – Annex-Sondereigentum, Begründung 4.46 – bauliche Maßnahmen 4.32 – Begriff 4.31 – Beschlusssammlung 4.66 – Betreutes Wohnen 4.33 f., 4.37 M 46 – Betriebskostenverteilung 4.58 – Doppelhaushälfte 4.43, 4.45 M 48 – Duplex-Garage 4.46 – Duplex-Parker 4.48 M 49 – gemischte Nutzung 4.38, 4.40 M 47, 4.40 M 47 – Geschosswohnungsbau 4.32 – Gewährleistungsansprüche 4.180 ff. M 62 – Hausgeldbeträge 4.61, 4.198 – Hinzuerwerb einer Fläche 4.123 – Instandhaltung, Kostenverteilung 4.44 – Kostentragung, Gemeinschaftseigentum 4.35, 4.37 M 46 – Kostenverteilungsschlüssel 4.35, 4.58 – Lastentragung bei gemischter Nutzung 4.41 – Mehrheitsbeschluss 4.64 – Mehrheitsvereinbarung 4.110 – Modernisierung 4.32 – Nachhaftung des Veräußerers 4.201 – Notrufeinrichtung 4.35, 4.37 M 46 – Öffnungsklausel 4.31, 4.55 – Regelungsschwerpunkte 4.32 – Reihenhaus 4.43, 4.45 M 48 – Sondernutzungsrechte, Aufhebung 4.120 – Sondernutzungsrechte, Begründung 4.46 – Sondernutzungsrechte, Veräußerung 4.114 – Sondernutzungsrechte, Zuweisung 4.46 – Stellplatzsondereigentum 4.48 M 49 – Stimmrecht 4.63, 4.65
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Stichwortverzeichnis – Stimmrecht, Unterteilung von Wohnungseigentum 4.93 – Umwandlung Wohnungseigentum in Teileigentum 4.42, 4.103, 4.105 M 57 – Veräußerungsbeschränkung 4.56 – Verwalter 4.67 f. – Verwalterbestellung 4.67 – Wohnungseigentümergemeinschaft 4.124 Generalüberholung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.950 Generalübernehmermodell – Beurkundung 3.222, 3.251 – Grunderwerbsteuer 3.252 – Haftung, Privatverkäufer 3.251 – Inhaltskontrolle 3.231 – MaBV, Anwendbarkeit 3.226, 3.19 M 38 – Vertragsgestaltung 3.233 f. Generalunternehmer – Bauabzugssteuer 1.1032 Gesamthandsgemeinschaft – Anteilsveräußerung, Vermögensverwaltungsgesellschaft 12.61 – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1156 – Grundstückseinlage aus Privatvermögen 12.42 – Grundstücksentnahme 12.64 Gesamtrechtsnachfolge – eigengenutzte Immobilien, Veräußerung 12.95 Geschäftsbesorgungsvertrag – Bauträgervertrag 3.2 Geschäftsführer – Sozialversicherungspflicht 9.173 Geschäftsgrundstück – Bewertung 1.1435 Geschäftsveräußerung – Grundstücksübertragung 1.1248 – Musterklausel, vorsorgliche Option 1.1256 M 7 – Steuerbarkeit 1.1241, 1.1252 – Unternehmensfortsetzung 1.1244 – Voraussetzungen 1.1244 – vorsorgliche Option 1.1252 Geschäftsveräußerung, Umsatzsteuer 1.581, 1.1241 – Unternehmensfortführung 1.1248, 8.99 – Veräußerung Wohnungs-/Teileigentum 4.353 – Voraussetzungen 1.1244
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– vorsorgliche Option 1.1252, 1.1256 M 7, 8.99 Geschosswohnungsbau 4.32 Gesellschafterwechsel – Freiberufler-Personengesellschaft 1.649 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – Kernpunkte 9.6 ff. – Reform 8.6 Gestaltungsmissbrauch – gewerblich geprägte GmbH & Co. KG 9.55, 9.137 – gewerblicher Grundstückshandel 11.71 – Grundstücksübertragungen durch vorweggenommene Erbfolge 13.85 – kurzfristige Gestaltungen 1.595 – Mietverträge mit nahestehenden Personen 13.81 – Pachtverträge mit nahestehenden Personen 13.44 Gewährleistungsanspruch – Abnahme, Gemeinschaftseigentum 3.149, 4.171 M 61 – Abtretung 2.177 – Ausschluss 2.169 – Bauträgerkaufvertrag, Inhaltskontrolle 3.112, 3.137 – Erwerb von Wohnungseigentum 4.168, 4.171 M 61 – Minderung 2.156 – Nacherfüllung 2.155 – Verbrauchsgüterkauf 2.168 – Verjährung 2.158 – Verschulden 2.157 – Wohnungseigentumserrichtung 3.158 Gewerbebetrieb – Abfärberegelung 1.1060, 1.1063 – Betriebsgrundstück, Grundsteuer 1.1330 – Übertragung, Haftung für Steuerschulden 1.573 Gewerbesteuer – Abfärbetheorie 1.1060, 1.1063 – Ausgliederungsmodell 1.1064 – Ausschließlichkeitsgebot, Gewerbesteueranrechnung 1.1068 – Bemessungsgrundlage 1.1062 – Betriebsaufgabe 1.1062 – Einzelunternehmen 1.1061 – Erbbauberechtigter 5.146 – Erbbaurecht, Grundstückseigentümer 5.153
Stichwortverzeichnis – Familien-KG 8.28 – Grundstücke im Sonderbetriebsvermögen 1.1061 – Grundstücksüberlassung an Kapitalgesellschaft 1.1061 – Grundstücksüberlassung an Personengesellschaft 1.1061 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.168 – Kürzung 1.1066, 9.61 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke, Entnahmegewinn 1.554 – Mitunternehmeranteilsveräußerung, Grundstückshandel 1.627 – private Vermögensverwaltung 1.1061 – Steuerpflicht 1.1060 – Veräußerungsgewinn 1.1062 – Veräußerungsgewinn, Grundstückshandel 1.1062 – Veräußerungsgewinn, Obergesellschaft 1.1062 – Verhältnis zur Grundsteuer 1.1330 – Vermietungseinkünfte 1.1063 – vermögensverwaltende Personengesellschaft 1.1061, 9.61 – Verpachtung eines Gewerbebetriebs 1.1065 Gewerblicher Grundstückshandel – Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung 11.1, 11.41 – Annahme einer Mitunternehmerschaft 1.598 – Anschaffungskosten, Sofortabzugsverbot 11.75 – Anteilstausch zwecks Grundstückseinbringung 1.611 – Anteilsveräußerung, Grundstücks-/ Personengesellschaft 11.48 – bauunternehmerische Tätigkeit 11.14 – bedingte Veräußerungsabsicht 11.41 – Beendigung 1.626 – Beratungsgefahren 1.628 – Bescheidberichtigung 1.622 – Besteuerung 11.73 – Betriebsaufgabe 1.626 – Checkliste 1.632 – Durchhandelsfälle 11.3 – eigengenutzte Immobilien 11.55 – Einbeziehung abgeschlossener Tatbestände 1.622 – Einbringung in Mitunternehmerschaft zwecks Veräußerung 1.627
– Einschaltung von Zwischenpersonen 11.71 – Erbbaurechtsbestellung 1.619, 5.105, 5.113, 11.50 – Erbbaurechtsbestellung an bebautem Grundstück 5.69, 5.105 – Erbbaurechtsbestellung an Betriebsgrundstücken 5.77 – Erbbaurechtsbestellung an unbebautem Grundstück 5.69 – Erbengemeinschaft 4.314 – Erwerb von Todes wegen 11.51 – Familien-KG 8.67, 8.79 – Fünfjahreszeitraum 11.52 – Gestaltungsmissbrauch 11.71 – Gewerbesteuer, Veräußerungsgewinn 1.1062 – Gewinnerzielungsabsicht 11.12 – Großobjekte 11.14 – Grundstückseinbringung in Kapitalgesellschaft 11.48 – Herstellungsfälle 11.3 – Indizien 1.592 – Kapitalgesellschaft, Abschirmwirkung 1.603 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.554 – Mitunternehmeranteilsveräußerung, Gewerbesteuer 1.627 – Nachhaltigkeit 11.14 – Schaubild 1.593 – Selbständigkeit 11.11 – Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr 11.31 – unbebaute Grundstücke 11.47 – unbedingte Veräußerungsabsicht 11.44 – Veräußerung, bebautes Erbbaurecht 5.113 – Veräußerungsabsicht, Widerlegung 11.45 – Verlustverwertung 1.625 – Vermeidung von Zusatztätigkeiten 1.616 – Vermeidung, Einschaltung einer GmbH 1.603 – Vermeidung, Erbbaurecht 5.2 – Vermeidung, Verteilung auf mehrere Personen 1.594 – Vermeidung, Vertragsgestaltung 1.591 – Vermeidung, vorherige Teilauseinandersetzung 1.600 – Wohnungseigentum, Aufhebung vor Veräußerung 1.614
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Stichwortverzeichnis – Zurechnung von Verkäufen einer GbR 11.54 – Zurechnung von Verkäufen einer Kapitalgesellschaft 11.31 – zurückliegende Verkäufe 11.55 Gewinnerzielungsabsicht – gewerblicher Grundstückshandel 11.12 Gewinnrücklage – Veräußerung von Betriebsgrundstücken 1.577 GmbH – Abschirmwirkung, Grundstückshandel 1.603 – Anteilseinbringung in GmbH & Co. KG 9.105 M 77 – Anteilsübertragung 9.196, 9.263 M 81 – Geschäftsanteilsabtretung 9.263 M 81 – Gründung 9.97 M 71 – Satzung ImmobilienverwaltungsGmbH 9.188 M 80 GmbH & Co. KG – Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG 9.105 M 77 – Einbringung, Betriebsgrundstücke 1.577 – Einbringung, Landwirtschaftsbetrieb 1.557 – GmbH-Gründung 9.97 M 71 – Grundstückeinbringung gegen Mitunternehmeranteil 1.916 – KG-Anteilsübertragung 9.106 M 78 – vermögensverwaltende Immobilien GmbH & Co. KG 9.49 – Vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 GmbH & Co. KG, gewerblich geprägte – Änderungen im Gesellschafterbestand 9.62 – Anteilsübertragung KG 9.106 M 78 – Anwachsung 9.58 – Beendigung der gewerblichen Prägung 9.136 – Betriebsvermögen 9.52 – Einbringung der Immobilien 9.19 – Einbringung GmbH-Anteile 9.105 M 77 – Einbringung von land-/forstwirtschaftlichen Flächen 5.79 – Einheits-GmbH & Co. KG 9.3, 9.26 – Einkommensteuer 9.49, 9.140 – erweiterte Gewerbesteuerkürzung 9.61 – Gesellschaftsvertrag ImmobilienGmbH & Co. KG 9.99 M 72 – gewerbliche Prägung 9.16, 9.52
1194
– Grunderwerbsteuer 9.62 – Grundstückseinbringung in die Immobilien-GmbH & Co. KG mit Kapitalerhöhung 9.102 M 75 – Grundstücksverwaltungsgesellschaft 9.1 – Gründung GmbH 9.97 M 71 – Gründung GmbH & Co. KG 9.98 f., 9.99 M 72 – Komplementär-GmbH 9.51 – Konten 1.696, 9.25 – Publizitätspflicht 9.42, 9.142 – Realteilung 9.112 – Registeranmeldung GmbH & Co. KG 9.101 M 74 – Registeranmeldung KG-Anteilsübertragung 9.107 f. M 79 – Registeranmeldung VerwaltungsGmbH 9.100 M 73 – Registeranmeldung, Kapitalerhöhung durch Sacheinlage 9.102 M 75, 9.104 M 76 – Rentenerlass 9.72 – steuerliches Privatvermögen 9.136 – Stufenplan 9.22 – Vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 – Versorgungsleistungen 9.72 – Vorbehaltsnießbrauch 9.73 GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer – Verbrauchereigenschaft 2.83 Grundbesitzwert – bebaute Grundstücke, Erbschaft-/ Schenkungsteuer 1.1435 – Grunderwerbsteuer 1.1122 – Nachweis niedrigeren Verkehrswerts, Schenkung 1.1434, 1.1437, 1.1447 – unbebaute Grundstücke, Erbschaft-/ Schenkungsteuer 1.1432 Grundbucheintragung – Erbbaurecht 5.7 – Erbbaurecht, Rangstelle 5.18 – Nießbrauchsbestellung, steuerliche Anerkennung 7.151 Grunddienstbarkeit – Abgrenzung zu Erbbaurecht 5.5 – Ausbeutegrundstück 1.689 – Erlöschen, durch Heimfall des Erbbaurechts 5.18 – Grunderwerbsteuer 1.1119 – Rangrücktritt, Sicherung 5.18 – Rechtsmängel 2.159 – Unverpfändbarkeit 5.21
Stichwortverzeichnis Grunderwerbsteuer – Abtretung von Übereignungsansprüchen 1.1101 – Änderung des Gesellschafterbestandes 1.1105 – Anteilsvereinigung 1.1108 – Anwachsung 1.1102 – Ausbeutegrundstück, Veräußerung 1.698 M 4 – Auseinandersetzung mit Grundstücken 1.1101, 1.1122 – Bauträger, Anteilsmodell 3.265 – Bauträger, Stundungsmodell 3.262 – Bauträger, Tauschmodell 3.259 – Bauträgervertrag 3.304 – Begründung, Wohnungs-/Teileigentum 4.386 – Bemessungsgrundlage 1.1118, 3.304, 4.393 – Bemessungsgrundlage, Übersicht 1.1126 – Dauerwohnrechtsübertragung 6.31 – Doppelbelastung mit Umsatzsteuer 3.305 – Einbringung von Grundstücken 1.1101, 1.1122 – Erbbaurecht 1.1115, 5.241 – Erbbaurecht, Bewertung 5.205 ff. – Erbteilveräußerung 1.1103, 1.1151 – Erhöhung durch Maklerprovision 2.341 ff. – Erschließungskosten 3.307 – Erwerbsvorgang, Rückgängigmachung 1.1165 – Familien-KG 8.91 – Formwechsel 1.1123 – Gebäude auf fremdem Grund und Boden 1.1115 – Gegenleistung, Minderung 1.1165 – Generalübernehmermodell 3.252 – GmbH & Co. KG 9.62 – Grundstücksbegriff 1.1115 – Grundstückstausch 1.1101 – Immobilienleasing 1.1114 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.169 – Kaufpreisaufteilung 2.207 – Kaufpreisaufteilung in Gebäude und Grund und Boden 1.505 – Keller-/Garagenmodell 4.392 – Koppelung mit Bauvertrag 1.1125 – mitverkaufte bewegliche Sachen 2.39 – Nutzungsrechte 1.1115 – Nutzungsrechte, Bewertung 1.1124
– – – – –
Preisnachlass wegen Abzinsung 3.308 Rückauflassung 1.1165 Sanierungsgebäude 3.304 Schenkung unter Auflage 1.1101 Sondernutzungsrechte, dinglich gesicherte 4.392 – Spaltung 1.1104, 1.1122 – steuerbare Vorgänge, Übersicht 1.1100 – Treuhandverhältnis 1.1114 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1101, 1.1200 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 1.1141 – Veräußerung, Wohnungs-/Teileigentum 4.381 – Veräußerungsvorgang, Benennungsrecht 1.1112 – Verschmelzung 1.1104, 1.1122 – Vertragsübernahme 1.1165 – Verwertungsbefugnis 1.1113 – Wohnungs-/Teileigentum 1.1115 – Wohnungserbbaurecht 4.391 – Zwangsversteigerungserwerb 1.1101 – Zwischenerwerb 1.1112 Grunderwerbsteuer – Befreiungen – Erbauseinandersetzung 1.1141 – Erwerb von Todes wegen 1.1150 – Freigrenze 1.1143 – Gesamthandsgemeinschaften 1.1156 – Grundstückstausch zwischen Ehepaaren 1.1147 – Miteigentümergemeinschaft 1.1156 – Schenkung 1.1150 – Schenkungsvorgänge 1.1385 – Treuhandverhältnis, Auflösung 1.1154 – Übersicht zu § 3 GrEStG 1.1142 – Übertragungen zwischen Angehörigen 1.1154 – Übertragungen zwischen Ehegatten 1.1154 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 1.1141 Grundpfandrecht – Abtretung zwecks Vollstreckungsschutz 2.448, 2.452 M 37 – Rechtsmängel 2.159 – Treuhandauflagen 2.227 – Übernahme durch Käufer 2.166 Grundsteuer – Bemessungsgrundlage 1.1333 ff. – Berechnung 1.1339 – Besonderer Hebesatz 1.1338 – Bewertung 1.1333 ff.
1195
Stichwortverzeichnis – Erbbaurecht 5.310 – Erbbaurecht, Bewertung 5.210 f. – Erhebungsturnus 1.1338 – Erlass 1.1341 – Fortschreibungen 1.1336 – Gewerbesteuerkürzung 1.1066 – Grundsteuerwert 4.411 – Haftungsschuldner 1.1340 – Hebesatz 1.1339 – Nießbrauch 1.1340 – Steuerschuldner 1.1338 – Verhältnis zur Gewerbesteuer 1.1330 – Wohnungs-/Teileigentum 4.411 Grundsteuerwert 1.1333 ff. – bebaute/unbebaute Grundstücke 1.1335 – Bemessung Grundsteuer 4.411 Grundstück – Begriff, Grunderwerbsteuer 1.1115 – Begriff, Umsatzsteuer 1.1204 – Ehegattengrundstück 1.523 – Einbringung gegen Mitunternehmeranteil 1.916 – Einlage in Personengesellschaft 12.42 – Einlage in vermögensverwaltende Personengesellschaft 12.45 – Entnahme aus Betriebsvermögen 12.64 – Erbbaurechtsbestellung 5.11 – Land-/Forstwirtschaft, Übertragungsgestaltung 1.552 – Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 7.309 M 69 – Überlassung an Angehörige zu Wohnzwecken, Gestaltung 1.581 – verdeckte Einlage in Kapitalgesellschaft 12.40 Grundstück – bebautes – Bewertung, Erbschaft-/Schenkungsteuer 1.1435 – Bewertungsverfahren 1.1435 – Erbbaurechtsbestellung 5.9 Grundstück – Erwerb – Ausbeutegrundstück 1.681 – Bauträger, Anteilsmodell 3.265 – Bauträger, Stundungsmodell 3.261 – Bauträger, Tauschmodell 3.257 – Belehrungspflicht, Steuerfolgen 1.541 – Einkunftsarten 1.500 – gemischt genutzte Gebäude 1.509 – Gesellschaftsverhältnis, verdeckte Gewinnausschüttung 1.671 – Grunderwerbsteuer 1.1100
1196
– Land-/Forstwirtschaft, Vertragsgestaltung 1.552 – langfristiges Angebot, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Mietshauskauf 1.371 M 2 – Rückgängigmachung, Grunderwerbsteuer 1.1165 – selbständige Wirtschaftsgüter 1.504 – Steueranspruch, Entstehen 1.547 – teilentgeltlicher, AfA 1.881 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Veräußerungsvollmacht, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Versorgungsrente 1.1004 – Vertragsübernahme, Grunderwerbsteuer 1.1168 – Verwertung auf eigene Rechnung 1.1114 – Wohnungseigentum, vermietetes 4.202 ff. Grundstück – gemischt genutztes – Abfärbetheorie 4.308 – Aufteilung in Wohnungseigentum, Erbauseinandersetzung 4.305 – Bewertung 1.1431 – Erbfall 4.304 – Erwerb 1.509 – Familienheim 4.416 Grundstück – Tausch – gegen Gesellschaftsanteile 12.40, 12.42 – Grunderwerbsteuer 1.1101 – privates Veräußerungsgeschäft 12.13 – zwischen Ehegatten 1.1147 Grundstück – unbebautes – Bewertung, Erbschaft-/Schenkungsteuer 1.1432 – Drei-Objekt-Grenze 11.47 – Erbbaurechtsbestellung 5.8 – private Veräußerungsgeschäfte 12.91 Grundstück – Veräußerung – Ablaufschema 2.4 f. – an Arbeitnehmer 1.661 – Ausbeutegrundstück 1.681 – Bedingung, privates Veräußerungsgeschäft 12.13 – Freiberufler, Betriebsvermögen 1.641 – Gesellschaftsverhältnis, verdeckte Gewinnausschüttung 1.671 – Grunderwerbsteuer 1.1100 – Grundstückseinlage in Kapitalgesellschaft 12.40
Stichwortverzeichnis – Grundstückseinlage in Personengesellschaft 12.42 – langfristiges Angebot, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Leibrente 1.757 M 5 – Mietshauskauf 1.371 M 2 – Notverkauf 12.15 – private Veräußerungsgeschäfte 12.12 – Rückabwicklung, private Veräußerungsgeschäfte 12.31 – Rückgängigmachung, Grunderwerbsteuer 1.1165 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Veräußerungsvollmacht, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Versorgungsrente 1.1004 – Vertragsübernahme, Grunderwerbsteuer 1.1168 – Verwertung auf eigene Rechnung 1.1114 – Vorkaufsrecht 2.215, 12.14 – Vorvertrag, privates Veräußerungsgeschäft 12.13 Grundstücksgemeinschaft – Anteilsveräußerung, gewerblicher Grundstückshandel 11.49 – Teilauseinandersetzung, Drei-ObjektGrenze 11.50 Grundstückshandelsgesellschaft – Beteiligungserwerb 1.617 Grundstückslieferung, Umsatzsteueroption 1.1213 – Erbbaurecht 5.307 – Grundstücksvermietung 13.131 – Musterklausel, ausgeübte Option 1.1240 M 6 – Musterklausel, vorsorgliche Option 1.1256 M 7 – Rechnung 1.1274 – Steuerschuldnerschaft 1.1274 – vorsorgliche 1.1252 – Wohnungs-/Teileigentum 1.1283 Grundstückstauschmodell 3.258 Grundstücksumsätze, Umsatzsteuer – Bemessungsgrundlage 1.1271 – Geschäftsveräußerung 1.1241 – Grundstücksvermietung 13.131 – Musterklauseln, Option 1.1240 M 6, 1.1256 M 7 – Rechnungsausstellung 1.1274 – Steuerbefreiung 1.1200
– Steuerschuldnerschaft 1.1274 – Wohnungs-/Teileigentum 1.1283 Grundstücksvermietung – Option 13.138 ff. – Umsatzsteuer 13.131 Grundstücksverwaltungsgesellschaft 9.1 – gewerblich geprägte GmbH & Co. KG 9.16 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.146 – Satzung ImmobilienverwaltungsGmbH 9.188 M 80 – Vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 Gütergemeinschaft – Errungenschaftsgemeinschaft 2.72 – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1156 – Grundstückskaufvertrag 2.72 – Grundstückstausch zwischen Ehepaaren 1.1149 – Nießbrauchsberechtigung 7.33 Gutglaubensschutz – Insolvenz 2.50
Haftungsbeschränkung – vermögensverwaltende GbR 8.14 Hausanschlusskosten – Begriff 2.280 – Fälligkeit 2.283 Hausbauverordnung – Bauträgerkaufvertrag 3.4 Hausbock – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 Hausgeldansprüche 4.61, 4.198 Haushaltsnahe Dienstleistung – Wohnungseigentum 4.279 Hausmeisterwohnung – Wohnungseigentumsanlage 4.131 Hausschwamm – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 Herstellungskosten 1.881 – Abgrenzung zum Erhaltungsaufwand 1.947 – Abrisskosten 1.883, 1.912, 1.971 – AfA-Berechnung 1.883 – als anschaffungsnahe Herstellungsaufwendungen 1.959 – Anwendungsschreiben 1.950 – Ausgleichszahlung an Kommune 1.895 – Baudenkmal 1.898 – Baumaßnahmen nach dem 31.12.2003 1.960 – bautechnisches Ineinandergreifen 1.957 1197
Stichwortverzeichnis – Beurteilung einzelner Aufwendungen 1.957 – erhöhte AfA, Baudenkmal 1.896, 1.907, 3.278 – erhöhte AfA, Sanierungsgebiet 1.887, 3.278 – Erweiterung eines Gebäudes 1.950 – Funktionsänderung 1.949 – handelsrechtlicher Begriff 1.947 – Herstellung eines neuen Gebäudes 1.948 – Instandsetzung 1.959 – Kodifizierung 1.960 – Maßnahmen außerhalb des Dreijahreszeitraums 1.962 – Modernisierung 1.959 – Nutzungsänderung 1.949 – Rechtsprechung 1.945, 1.959 – Übersicht 1.950 – üblicherweise jährlich anfallende Arbeiten 1.963 – unentgeltlicher Zuwendungsnießbrauch 7.91 – Unterschreiten der 15 %-Grenze 1.962 – Verbesserung des Gebrauchswerts 1.955 – Verbesserung eines Gebäudes 1.953 – Verwaltungspraxis 1.945, 1.952 – Vorbehaltsnießbrauch 7.123 Hofübergabe 1.552 Hotel – Investitionszulage 1.1002
IHK-Mitgliedschaft – Familien-KG 8.28 Immissionen – Offenbarungspflicht des Verkäufers 2.179 Immobilien GmbH & Co. KG 9.49 – Satzung ImmobilienverwaltungsGmbH 9.188 M 80 Immobilienfonds – Steuerstundungsmodell 1.866 – Verlustverrechnungsbeschränkungen 1.863 – Verlustzuweisungsgesellschaft 1.864 – vermögensverwaltende GbR 8.17 Immobilienleasing – Grunderwerbsteuer 1.1114 Immobilienverwaltungs-GmbH – Ergänzungspfleger 9.196 – Errichtung 9.146 – Familienstiftung 9.221 – formwechselnde Umwandlung 9.169
1198
– Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts 9.158 ff. – Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht 9.197 ff. – Gewerbesteuer 9.168 – GmbH-Anteilsübertragung 9.196, 9.263 M 81 – Grunderwerbsteuer 9.169 – Grundstücksverwaltung 9.146 – Körperschaftsteuer 9.154 – Nießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen 9.212 – Rentenerlass 9.208 – Satzung 9.152, 9.188 M 80 – Sozialversicherungspflicht, Geschäftsführer 9.173 – stille Beteiligung an GmbH-Anteilen 9.219 – Streubesitzdividende 9.157 – Teileinkünfteverfahren 9.148 – Veräußerungsrente 9.208 – Versorgungsrente 9.209, 9.221 – Vorteile der Gesellschaftsform 9.178 – Zuwendungsnießbrauch 9.196 Indizien – Drei-Objekt-Grenze 11.42 – Einkünfteerzielungsabsicht 13.62 – Vermietung, verbilligte 13.61 Insolvenz – Bauträger, Kettenverkauf 3.191 – Dauerwohnrechtsberechtigter 6.77, 6.82 – Erbbaurecht 5.58 – Erbbaurecht, Heimfallregelung 5.46 – gutgläubiger Erwerb 2.50 ff. – Schutz mitverkaufter beweglicher Sachen 2.47 ff., 2.54 M 10, 2.56 M 11 – Schutz vorgemerkter Rechte 2.47 – Verfügungsbefugnisse 2.50 ff. – Vollmachterteilung durch Schuldner, Fortgeltung 2.366 – Vollmachterteilung zugunsten des Schuldners 2.373 – Vormerkung, Löschungsvollmacht 2.139 M 18 Insolvenzverwalter – Bestellungsurkunde 2.351, 2.353 M 32 – Eigenerwerb eines Massegrundstücks 2.356 – Einzelvertretungsbefugnis 2.354 – Selbstkontrahierungsverbot 2.356 – Verbraucherschutz, Anwendbarkeit 2.85
Stichwortverzeichnis – Vertretungsbefugnis, Nachweis 2.352 – Vollmacht 2.375 Instandhaltung – Dauerwohnrecht 6.68 f. – Erbbaurecht 5.34 – Kostenverteilungsschlüssel 4.35, 4.58 – Rücklage 4.273, 4.383 – Wohnungseigentum 4.273, 4.383 Instandsetzung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.953 – Kostenverteilungsschlüssel 4.35, 4.58 Inventarliste – Kaufvertrag, Regelungen 2.35 – Verbrauchervertrag, Muster 2.91 M 13 Investitionsabzug – Photovoltaik-Anlage 10.40 Investitionszulage 1.1001 – Hotel 1.1002 – Laufzeit 1.1003 – Nießbrauch 7.272
Jugendherberge – Investitionszulage 1.1002 Kapitalgesellschaft – Abschirmwirkung, Grundstückshandel 1.603 – Anteilstausch zwecks Grundstückseinbringung 1.611 – Anteilsvereinigung, Grunderwerbsteuer 1.1108, 1.1385 – Grundstückseinlage aus Privatvermögen 12.40 – Grundstücksentnahme 12.64 – Grundstückserwerb durch Gesellschafter 1.671 – Grundstücksüberlassung durch Gesellschafter, Gewerbesteuer 1.1061 Kapitalisierungsfaktor 1.1473 Kapitalkonto – Buchung eingebrachter Grundstücke 9.56 – Familien-KG 8.71 – GmbH & Co. KG 9.25 Kardinalpflichten, Bauträgerkaufvertrag 3.117 Kaufleute – Bauträgerkaufvertrag 3.17 – Verzicht auf MaBV 3.19 M 38
Kaufvertrag – Bauträger – Abnahme 3.157 M 41 – Abnahme Gemeinschaftseigentum 3.149, 3.157 M 41 – Abnahmefiktion, Inhaltskontrolle 3.129 – Abnahmereife 3.70 – Abnahmevollmacht 3.149 – Abschlagszahlungen 3.31 – Abschlagszahlungen, Rücktrittsrechte 3.65 – Abschlagszahlungsverordnung 3.4 – AGB-Kontrolle 3.111 – Änderungsvorbehalt Bauträgervertrag 3.123 M 39, 4.165 M 60 – Änderungsvorbehalt, Inhaltskontrolle 3.118 – Änderungsvorbehalt, Klausel 3.130 M 39a, 3.130 M 39b – Angebot, Annahme 3.145 – Annahmefrist des Bauträgers 3.145 – Bauabzugssteuer 3.168 – Baubeschreibung 3.141 – Baugenehmigung 3.65 – Bauplatzverkauf 1.349 M 1, 3.4 – Beurkundung 3.9 – Eigenheimzulage 1.1043 – Eigentumserwerbsanspruch des Bauträgers 3.65 – Einzugsermächtigung 3.68 – Entgegennahme von Leistungen, Voraussetzungen 3.64 – Errichtung von Wohnungseigentum 4.19 – Erschließungsanlage, Errichtung 3.4 – Erschließungskosten 3.42 M 38a – Fälligkeitsmitteilung, Notarhaftung 3.78 – Fälligkeitsregelungen 3.88 – Fälligkeitsvoraussetzungen 3.65 – Forderungssicherungsgesetz 3.1, 3.31 – Freistellungsbestätigung 3.65 – Genehmigungen, Einholung 3.65 – Generalübernehmermodell 3.221 – geringfügige Werkleistungen 3.3 – gewerberechtliche Schutzvorschriften 3.1 – gewerbliche Tätigkeit 3.15 – Globalbürgschaft 3.87 – Grundbuchhandlungen, erforderliche 3.65 – Grunderwerbsteuer 3.304 – Grunderwerbsteuer, Anteilsmodell 3.265 – Grunderwerbsteuer, Stundungsmodell 3.262
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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Grunderwerbsteuer, Tauschmodell 3.259 Grundpfandrechte, Freistellung 3.65 Grundstückstausch 3.257 Haftung, Sanierungsmodelle 3.271 Haftungsbeschränkung, Inhaltskontrolle 3.138 Hausbauverordnung 3.4 Insolvenzfestigkeit, Verkaufskette 3.191 Kaufleute 3.17 Kaufpreisänderung, Inhaltskontrolle 3.130 M 39a, 3.130 M 39b Kettenkaufvertrag 3.191 Koordinierungspflicht 3.163 Leistungsverweigerungsrechte 3.131 Löschungsvollmacht 2.139 M 18, 3.65 M 38b MaBV, Anwendbarkeit 3.3, 3.62, 3.19 M 38, 3.229 M 41a MaBV, Anwendungsbereich 3.1 Mängelrechte, Wohnungseigentum 3.158 mehrere Vertragsgegenstände 3.67 Mehrhausanlagen 4.19 Muster, Eigentumswohnung 3.343 M 42 Muster, Sanierungsobjekt 3.344 M 43 Nachzüglerverkauf 3.36, 3.139, 3.144, 3.159 öffentliche Lasten, Kostentragung 2.276 Prospekthaftung 3.8 Raten, Anzahl 3.66 Raten, Schlusszahlung 3.70 Ratenlieferungsvertrag 3.2 Ratenplan, Bautenstand 3.33, 3.71 Ratenplan, Nichteinhaltung 3.66 Ratenplan, Sanierungsobjekt 3.274 Rechtsnatur 3.1 Rücktrittsrecht 3.65 Rücktrittsrecht, nachträgliche Vereinbarung 3.161 Sachmängelhaftung, Inhaltskontrolle 3.112 Sanierung, Vertragsmuster 3.344 M 43 Sanierungsmodelle 3.268 ff. Sanierungsobjekt, Einschränkung von Käuferrechten 3.133 Schadenspauschalierung, Inhaltskontrolle 3.137 Schiedsgutachter-/gerichtsklausel 3.167 Sicherheit für Vertragserfüllung 3.35 Sicherheiten, mehrere 3.76 Sonderwünsche 3.160 steuerliche Behandlung 3.301
1200
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Steuerstundungsmodell 3.341 Stundungsmodell 3.261 Tausch mit dem Bauträger 3.257 Teilung, Mehrhausanlage 4.19 Teilzahlungsgeschäft 3.2 Umsatzbesteuerung 3.321 Unbedenklichkeitsbescheinigung 3.65 Verbraucherschutz 3.6 verdeckter 3.221, 3.19 M 38 Verjährung, Bürgschaftsansprüche 3.86 Verjährung, Zahlungsanspruch 3.90 Vertrag über teilsanierte Altbauwohnung 3.344 M 43 – Vertrag, noch zu errichtende Eigentumswohnung 3.343 M 42 – Vertragsabschluss 3.145 – Vertragsgestaltung 3.61 – Vertragstypen 3.2 – Verzicht auf Anwendung der MaBV 3.19 M 38 – Verzicht auf Schutzvorschriften 3.17 – Verzugseintritt 3.88 – vollständige Fertigstellung, Begriff 3.70 – Vorkaufsrecht, Negativattest 3.65 – Vorlageanweisung Auflassung Zugum-Zug 3.136, 3.136 M 40 – Vorleistung des Käufers 3.71, 3.80 f. M 38c – Vormerkung 3.65 M 38b – Wohnungseigentum, Abnahme 3.149, 3.157 M 41 – Zahlstellenklausel 3.69 – Zug um Zug, Auflassung 3.134, 3.136 – Zwangsvollstreckungsunterwerfung 3.164 Kaufvertrag – Grundstück – Abtretung von Gewährleistungsansprüchen 2.177 – Abwicklung, Notaranderkonto 2.6 – Abwicklung, Schema 2.4 – AGB, Gewährleistungsausschluss 2.168 – Altbauten, Gewährleistungsausschluss 2.173 – Altlasten 2.179, 2.187, 2.191 M 24 – Altlastenverdacht, Käufer trägt Risiko 2.191 M 24 – Auflassung, beurkundungsrechtliche Lösung 2.116 M 14 – Auslandsbeteiligung 2.136 – Bankbürgschaft 2.135 – Beurkundung 2.7, 2.113, 2.339
Stichwortverzeichnis – bewegliche Sachen, Besitzkonstitut 2.56 M 11 – bewegliche Sachen, Besitzübergang 2.54 M 10 – bewegliche Sachen, Eigentumsübergang 2.41 – bewegliche Sachen, Mitverkauf 2.12, 2.33, 2.42 M 9 – Eigenerwerb des Insolvenzverwalters, Massegrundstück 2.356 – Eigentumsübergang 2.111, 2.116 M 14 – Eigentumsübergang, Verbrauchervertrag 2.91 M 13, 2.317 M 31 – Energieausweis 2.195, 2.206 M 25 – Energieversorgung, Kostentragung 2.281 – Erbbaurecht 2.112 – Erschließungskosten, Grunderwerbsteuer 3.307 – Erschließungskosten, Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Fälligkeitsmitteilung 2.233, 2.239 M 28 – Fälligkeitsvoraussetzung, Zwangsversteigerung 2.417 M 35 – Fälligkeitsvoraussetzungen, Vorkaufsrecht 2.215, 2.220 – Finanzierungsbestätigung 2.134 – Gebäudeenergiegesetz 2.195 – gemischte Verträge 2.13 – Genehmigungen 2.224 – Grundbucherklärungen, Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Grundpfandrechte, Übernahme durch den Käufer 2.166 – Grundstücksbezeichnung, unrichtige 2.29 – Grundstückskaufvertrag, Bodenschatzveräußerung 1.698 M 4 – Haftung für zwischen Vertragsschluss und Übergabe entstehende Sachmängel 2.184 M 22 – Haftung, Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Hinweis auf Verzugseintritt 2.242 M 29 – Insolvenz, Schutz vorgemerkter Rechte 2.47 – Insolvenz, Vertretungsbefugnisse 2.352 – Insolvenz, Vormerkungsschutz beweglicher Sachen 2.47 – Inventarliste 2.37, 2.91 M 13 – Kaufpreisfälligkeit: Räumung 2.231 M 27
– Kein Haftungsausschluss, Geltung gesetzlicher Rechtsfolgen 2.175 M 21 – Lastenfreistellung 2.227 – Löschungsvollmacht 2.138 f., 2.139 M 18 – Löschungsvormerkung 2.459 – Mietervorkaufsrecht 2.165 – Mietverträge, Übernahme 2.164 – Miteigentumsanteile, Vorkaufsrecht 2.219 – Mitverkauf beweglicher Sachen 2.47 ff., 2.42 M 9 – Mitverkauf beweglicher Sachen, Verbrauchsgüterkauf 2.33, 2.90 – Nebenpflichten 2.193 – Notaranderkonto 2.6, 2.136, 2.261 – Notarvollmacht für Zwangsversteigerungsverfahren 2.415 M 34 – öffentliche Beiträge 2.276 – Pfändung von Rückgewähransprüchen 2.448, 2.452 M 37 – Räumung, Kaufpreisfälligkeit 2.230 – Räumung, Mitverkauf beweglicher Sachen 2.148 M 20 – Räumungsklausel 2.231 M 27 – Rechtsmängel, Ausschluss 2.160 – Renovierungspflicht 2.193 – Rückabwicklung, private Veräußerungsgeschäfte 12.31 – Rücktrittsrecht, Verkäufer 2.139 M 18 – Schuldanerkenntnis 2.314 – selbstgenutzte Immobilie, Räumung 2.230 f., 2.231 M 27 – Stellplatznutzung 2.31 M 8 – Teilfläche 2.210 – Telekommunikationsanschluss 2.281 – Treuhandauflagen 2.227 – Typen 2.27 – Urkundseingang, Insolvenzverwalter 2.353 M 32 – Verbraucherschutz 2.79 – Verbrauchervertrag, Muster 2.91 M 13 – Verbrauchsgüterkauf 2.43 ff. – Vertretungsbefugnis, Insolvenzverwalter 2.351, 2.353 M 32 – Verwahrungsanweisung 2.137 M 17 – Vollmachten, Geltung im Insolvenzfall 2.367 – Vollstreckungsschutz durch Grundpfandrechtsabtretung 2.452 M 37 – Vorkaufsrecht 2.215
1201
Stichwortverzeichnis – – – –
Vorkaufsrechtszeugnis 2.217 M 26 Vorleistungsrisiko, Verkäufers 2.133 Vorvertrag, Beurkundungspflicht 2.22 Vorvertrag, privates Veräußerungsgeschäft 12.13 – Waldgrundstück, Erwerber „kauft“ Risiko mit 2.186 M 23 – Zubehör 2.42 M 9 – Zubehörveräußerung 2.33 – ZVG-Kosten 2.416 f., 2.417 M 35 Kaufvertrag – Immobilien – Angebot, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Ausbeutegrundstück 1.698 M 4 – Ausbeutevertrag 1.699 – Bauplatzkauf 1.349 M 1 – Belehrungspflicht, Steuerfolgen 1.541 – Benennungsrecht, Grunderwerbsteuer 1.1112 – Betriebsgrundstück 1.580 M 3 – Betriebsvermögen, Verstrickung 1.572 – Beurkundung, Teilflächenverkauf 1.698 M 4 – Bodenschatzveräußerung 1.686, 1.698 M4 – Erbteilsveräußerung, Grunderwerbsteuer 1.1103, 1.1151 – Erschließungskosten, Grunderwerbsteuer 3.307 – Erschließungskosten, Kostentragung 1.371 M 2 – gewerblicher Grundstückshandel, Vermeidung 1.591 – Grunderwerbsteuer 1.1101 – Grundsteuer, Steuerschuldner 1.1338 – Kauf auf Leibrente 1.757 M 5 – Koppelung mit Bauvertrag, Grunderwerbsteuer 1.1125 – Land-/Forstwirtschaft, Veräußerungsgewinn 1.552 – Mietshauskauf 1.371 M 2 – Musterklausel bei ausgeübter Kaution 1.1240 M 6 – Musterklausel für eine vorsorgliche Option 1.1256 M 7 – nahe Angehörige 1.1382 – Räumung in der Immobilie vorhandener beweglicher Sachen 2.148 M 20 – Rückabwicklung, private Veräußerungsgeschäfte 12.31 – Rückabwicklung, Rückstellungen 1.579
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– Rückgängigmachung, Grunderwerbsteuer 1.1165 – Rücktrittsrecht, vertragliches 1.754 – Schuldzinsenabzug, Erhaltung 1.939 – Steueranspruch, Entstehen 1.547 – Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Veräußerungsvollmacht, Grunderwerbsteuer 1.1114 – Versorgungsrente 1.1004 – Vertragsaufhebung 1.752 – Vertragsübernahme, Grunderwerbsteuer 1.1168 – Vorvertrag 1.751 – Vorvertrag, privates Veräußerungsgeschäft 12.13 – wesentliche Bestandteile 2.33 Kaufvertrag – Kaufpreis – Auflassung, Käuferinsolvenz 2.142 – Auflassungsvormerkung 2.214 – Aufteilung in Gebäude und Grund und Boden 1.505 – Aufteilung nach Grund/Boden, Gebäude und beweglichen Sachen 2.33, 2.207 – Bankbürgschaft 2.135 – Fälligkeit, Räumung 2.231 M 27 – Fälligkeitsmitteilung 2.233, 2.239 M 28 – Fälligkeitsvoraussetzungen 2.213 – Fälligkeitsvoraussetzungen, Kontrolle 2.233 – Fälligkeitsvoraussetzungen, Zwangsversteigerung 2.416 f., 2.417 M 35 – Fälligkeitszinsvereinbarung 2.240 – Finanzierungsbestätigung 2.133 – Genehmigungen 2.224 – Lastenfreistellung 2.227 – Miteigentumsanteile, Vorkaufsrecht 2.219 – Notaranderkonto 2.6, 2.136, 2.261 – Pfändung des Anspruchs 2.434 – Pfändung des Auflassungsanspruchs, Vertragsgestaltung 2.426 – Pfändung des Kaufpreisanspruchs, Notaranderkonto 2.434 – Räumung 2.230 f., 2.231 M 27 – Sanierungsgenehmigung 2.224 – Stundung 1.1383 – Treuhandauflagen 2.227 – variabler Kaufpreis 2.210 – Verbrauchervertrag 2.91 M 13
Stichwortverzeichnis – Verzug 2.240 – Vorkaufsrecht 2.215 – Vorleistungsrisiko des Verkäufers 2.133 – Vorvertrag 2.22 Kaufvertrag – Leistungsstörungen – Abtretung von Gewährleistungsansprüchen 2.177 – AGB, Verwendung gegenüber Verbraucher 2.170 – Altbauten, Gewährleistungsausschluss 2.173 – Altlasten 2.179, 2.187, 2.191 M 24 – Arglist 2.157 – Baulasten, Hinweispflicht des Notars 2.167 – Fahrlässigkeit 2.157 – Gewährleistungsbeschränkung bei neuhergestellten Sachen 2.171 – Grundpfandrechte, Übernahme durch den Käufer 2.166 – Mangelbegriff 2.153 – Mietverträge, Übernahme 2.164 – Minderung 2.156 – Nacherfüllung 2.155 – Offenbarungspflicht bei Sachmängeln 2.179 – Rechtsfolgen 2.154 – Rechtsmangel, Ausschluss 2.160 – Rücktrittsrecht 2.156 – Sachmangel zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang 2.181 – Verbrauchsgüterkauf 2.43 ff. – Verjährung 2.158 – Verschulden 2.157 Kaution – Musterklausel bei ausgeübter Kaution 1.1240 M 6 – Verwendung für Schönheitsreparaturen 1.970 Keller- und Garagenmodell 4.247, 4.392 Kettenverkauf, Insolvenz des Bauträgers 3.191 Kfz-Stellplatz 2.30 f., 2.31 M 8 KG – Anteilsübertragung 9.106 M 78 – Nießbrauchsberechtigung 7.10 – vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 Komplementär-GmbH 9.51 Körperschaftsteuer – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.154 Kostenverteilungsschlüssel 4.35, 4.58
Land-/Forstwirtschaft – Abgrenzung zu Ausbeutegrundstück 1.690 – Ausbeutegrundstück, Abgrenzung zu Betriebsvermögen 1.690 – Betrieb, Einbringung in GmbH & Co. KG 1.557 – Erbbaurechtsbestellung 1.556 – gewerblicher Grundstückshandel 1.554 – Grundstück, Baulandausweisung 1.554 – Grundstück, Bewertung 1.550 – Grundstück, Einbringung in GmbH & Co. KG 5.79 – Grundstück, Entnahme 1.552 – Grundstück, Überlassung an Angehörige zu Wohnzwecken 1.558 – Grundstück, Zuordnung zum Betriebsvermögen 1.550 – Hofübergabe 1.552 – Spekulationsfrist 1.555 – Stückländereien 1.554 – Veräußerungsgewinn, Vermeidung 1.552 – Wohnteil, Zuordnung zum Privatvermögen 1.552 Lasten – Dauerwohnrecht 6.68 f. – Erbbaurechtsvertrag 5.38 – Nießbrauch 7.41 – öffentliche 2.276 – Vorbehaltsnießbrauch 7.129 Lastenfreistellung – Kaufvertrag 2.227 – Kostentragung, Zwangsversteigerung 2.416 f., 2.417 M 35 Leasing – Grunderwerbsteuer 1.1114 Leerstand – Einkünfteerzielungsabsicht 1.854 – Grundsteuer 1.1342 Leibrente – Abgrenzung zu dauernden Lasten 1.1005 – Barkaufpreis/Gesamtkaufpreis 1.757 M5 – betriebliche Versorgungsrente 1.1008 – Einkommensteuer 9.51 – Ertragsanteil, Besteuerung 1.1005 – Jahressteuergesetz 2008 1.1011 – Kaufvertrag 1.757 M 5 – Korrespondenzprinzip 1.1005 – Preisklauselgesetz 1.760, 1.757 M 5 – private Versorgungsrente 1.1004
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Stichwortverzeichnis – Reallast 1.757 f. M 5 – Sonderausgabenabzug des Zahlenden 1.1007 – überhöhte 1.1007 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Verfallklausel 1.762, 1.757 M 5 – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen 1.1011 – Verrentung des Kaufpreises 1.759, 1.757 M 5 – Wertsicherungsklausel 1.760, 1.757 M 5 – Wohnungsrecht 1.763, 1.757 M 5 – Zeitrente, AfA-Erhöhung 1.918 – Zwangsvollstreckungsunterwerfung 1.757 M 5 Leistung an Erfüllung statt – private Veräußerungsgeschäfte 12.32 Liebhaberei – Begriff 1.810 – Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung 1.810, 13.111 – Ferienwohnungsvermietung 1.817, 13.111 – Mietvertrag mit nahestehenden Personen 13.61 – Photovoltaik-Anlage 10.75 – Steuerstundungsmodell 3.341 – Überschussprognose 1.822 Lohnsteuer – Bauabzugsteuer, Bauträgerkaufvertrag 3.168 – Grundstücksveräußerung an Arbeitnehmer 1.661 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 Löschungsvollmacht – Rücktrittsrecht, Löschungsvollmacht 2.139 M 18 – Vormerkung 2.138
Mahnung – Kaufabwicklung 2.240, 2.242 M 29 Makler- und Bauträgerverordnung – Abnahmereife 3.70 – Abschlagszahlungen, Bautenstand 3.62 – Abschlagszahlungen, Rücktrittsrechte 3.65 – Baugenehmigung 3.65 – Bürgschaft 3.62 – Eigentumserwerbsanspruch des Bauträgers 3.65
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– Einzugsermächtigung 3.68 – Entgegennahme von Leistungen, Voraussetzungen 3.64 – Fälligkeitsvoraussetzungen 3.65 – Freistellungsbestätigung 3.65 – Genehmigungen, Einholung 3.65 – Generalübernehmermodell 3.226 – Gewerberecht 3.1 – Globalbürgschaft 3.87 – Grundbuchhandlungen, erforderliche 3.65 – Grundpfandrechte, Freistellung 3.65 – Löschungsvollmacht 2.139 M 18, 3.65 M 38b – mehrere Vertragsgegenstände 3.67 – Raten, Anzahl 3.66 – Raten, Schlusszahlung 3.70 – Ratenplan, Bautenstand 3.71 – Ratenplan, Nichteinhaltung 3.66 – Rücktrittsrechte 3.65 – Sicherheiten, mehrere 3.76 – Unbedenklichkeitsbescheinigung 3.65 – vollständige Fertigstellung, Begriff 3.70 – Vorkaufsrecht, Negativattest 3.65 – Vorleistung des Käufers 3.71, 3.80 f. M 38c – Vormerkung 3.65 M 38b – Zahlstellenklausel 3.69 – zwingende Anwendung 3.5 Maklerklausel – Belehrungspflicht des Notars 2.332 – Beurkundungsverfahren 2.339 – deklaratorische Tatsachenbestätigung 2.310, 2.313 M 30 – drohende Ausübung, Vorkaufsrechts 2.328 – Einbeziehung in Synallagma 2.336 – Entrichtung mit Kaufpreis 2.336 – Erhöhung der Grunderwerbsteuer 2.341 ff. – Erwerbszweck 2.299 – Fälligkeit 2.337 – Hinwirkungspflicht des Verkäufers 2.331 – Inhaltskontrolle 2.333 – konstituive 2.314 ff. – Schuld-/Vertragsübernahme durch Käufer 2.326 – Sicherung des Verkäufers 2.338 – Textform 2.294 – Typen 2.295, 2.310 – Überwälzungsvereinbarung 2.303 ff.
Stichwortverzeichnis – unechter Vertrag zugunsten Dritter 2.315, 2.317 M 31 – Vertrag zugunsten Dritter 2.315, 2.329 – Wissenserklärung 2.313 M 30 – Zwangsvollstreckungsunterwerfung 2.334, 2.338 Mehrhausanlage – Begründung von Wohnungseigentum 4.19 – Haftungsregelung 4.59 M 53 – Wohnungseigentümerversammlung 4.65 Mietereinbauten – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 Mietervorkaufsrecht 3.269, 4.204 Mietvertrag – Begründung 13.9 – Durchführung, tatsächliche 13.69 – Einkünfteerzielungsabsicht 13.61 – Formerfordernisse 13.20 ff., 13.62 – Fremdvergleich 13.67 – Gestaltungsmissbrauch bei nahestehenden Personen 13.81 – Mieterpflichten 13.13 f. – Mietverhältnisse, Arten 13.3 – mit Minderjährigen 13.18, 13.63 – nahestehende Person 13.44, 13.69 – Scheingeschäft 13.19, 13.66 – steuerrechtliche Gestaltung 13.41 – Übergang, Nießbrauch 7.46, 7.159 – Überkreuzvermietung 13.83 – Übernahme durch Käufer 2.164 – verbilligte Miete 13.61 – Verbraucherrichtlinie 13.3 – Vergleichsmiete 13.5 – Vermieterpflichten 13.10 ff. – Vertragsdauer 13.15 – Vertragsgegenstand 13.1 – Vorkaufsrecht 2.165 Mietwohngrundstück – Bewertung 1.1438 Minderjährige – Beteiligungen 8.110 – familiengerichtliche Genehmigung 7.39, 8.111 f. – Familien-KG 8.113 – Haftungsbegrenzung 8.21 – Mietvertragspartner 13.18, 13.63 – Nießbrauchsbestellung, steuerliche Anerkennung 7.80 – Rechtsmissbrauch bei Vermietung 13.89
– Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts 7.39, 8.110 – zivilrechtlich wirksamer Mietvertrag 13.62 Minderjährigenhaftungsbegrenzungsgesetz 8.21 Mineralgewinnungsrecht – Ausbeutegrundstück, Veräußerung 1.681 – Grundstücksbegriff, Grunderwerbsteuer 1.1115 – private Veräußerungsgeschäfte 12.4 Miteigentümergemeinschaft – Begründung von Wohnungseigentum 4.5 – Nachteile gegenüber Gesamthand bei Vermögensverwaltung 8.4 – Rechtsformvergleich 8.9 – Sondernutzungsrechte, Begründung 4.46 – Überkreuzvermietung 13.83 – vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.4 – Wohnungseigentum, Begründung 4.5 Miteigentumsanteil – Ehegatten, Gebäudeerrichtung 1.523 – eigengenutzte Immobilien, Veräußerung 12.94 – Erwerb, Beurkundungspflicht 2.7 – Grundstückstausch zwischen Ehepaaren 1.1147 – ideeller, Nießbrauch 7.12 – Nichtausübung von Vorkaufsrechten 2.219 – private Veräußerungsgeschäfte 12.2 – Scheidungsfolgen, private Veräußerungsgeschäfte 12.35 – wirtschaftliches Eigentum 1.529 – Wohnungseigentum 4.18 Miterben – Erbauseinandersetzung, Grunderwerbsteuer 1.1151 – Erbteilveräußerung, Grunderwerbsteuer 1.1103, 1.1151 Mittelstands-AfA 10.45 Mitunternehmerschaft – Annahme, Grundstückshandel 1.598 – Grundstücke im Sonderbetriebsvermögen 1.573 – Grundstückseinlage aus Privatvermögen 12.42 – Grundstückseinlage in vermögensverwaltende Personengesellschaft 12.45
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Stichwortverzeichnis – Grundstücksentnahme aus Betriebsvermögen 12.64 – Photovoltaik-Anlage 10.21, 10.50 – Versorgungsrente 1.1004 – Versorgungsrente, Abzugsbeschränkung 1.1012 Modernisierung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.953 – anschaffungsnahe Aufwendungen 1.959 – Modernisierungsmodell 1.959 – Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1.960 – Rechtsanwendungsfragen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1.961 Muster – Dauerwohn-/Dauernutzungsrecht – Bauverpflichtung und Bestellung eines Dauernutzungsrechts 6.103 M 68 – Eigentumsähnliche Dauerwohnrechte 6.102 M 67 Muster – Erbbaurecht – Abnahme 3.157 M 41 – Änderungsvorbehalt Bauträgervertrag 3.123 M 39 – Bauträgerkaufvertrag, Belehrung zu MaBV 3.229 M 41a – Bauträgerkaufvertrag, Bürgschaft 3.81 M 38c – Bauträgerkaufvertrag, Kaufpreisanpassung 3.130 M 39a – Bauträgerkaufvertrag, Umsatzsteuerklausel 3.130 M 39b – Bauträgervertrag über teilsanierte Altbauwohnung 3.344 M 43 – Bauträgervertrag, auflösend bedingte Vormerkung 3.65 M 38b – Bauträgervertrag, Denkmaleigenschaft 3.279 M 41b – Bauträgervertrag, Erschließungskosten 3.42 M 38a – Bauträgervertrag, noch zu errichtende Eigentumswohnung 3.343 M 42 – Erbbaurechtsvertrag 5.361 M 65 – Verkauf eines Erbbaurechts 5.362 M 66 – Verzicht auf Anwendung der MaBV 3.19 M 38 – Vorlageanweisung Auflassung Zug-um-Zug 3.136, 3.136 M 40
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Muster – Kaufvertrag – Grundstück – Altlastenverdacht, Käufer trägt Risiko 2.191 M 24 – Auflassung, beurkundungsrechtliche Lösung 2.116 M 14 – Auflassung, grundbuchrechtliche Lösung 2.118 M 15 – Auflösend bedingte Vormerkung 2.144 M 19 – Besitzkonstitut hinsichtlich der beweglichen Sachen 2.56 M 11 – Einigung, Besitzübergang hinsichtlich der beweglichen Sachen 2.54 M 10 – Energieausweis 2.206 M 25 – Fälligkeitsmitteilung, deklaratorisch 2.239 M 28 – Fälligkeitsvoraussetzung bei Zwangsversteigerungsverfahren 2.417 M 35 – Haftung beim Verbrauchervertrag 2.91 M 13 – Haftung für zwischen Vertragsschluss und Übergabe entstehende Sachmängel 2.184 M 22 – Hinweis auf Verzugseintritt 2.242 M 29 – Kaufpreisfälligkeit: Räumung 2.231 M 27 – Kein Haftungsausschluss, Geltung gesetzlicher Rechtsfolgen 2.175 M 21 – Löschung der Vormerkung 2.132 M 16 – Löschung Vormerkung unter Vorbehalt von Zwischenverfügungen 2.407 M 33 – Maklerklausel, unechter Vertrag zugunsten Dritter 2.317 M 31 – Maklerklausen, Wissenserklärung 2.313 M 30 – Mitverkauf beweglicher Sachen 2.42 M9 – Notarvollmacht für Zwangsversteigerungsverfahren 2.415 M 34 – Räumung in der Immobilie vorhandener beweglicher Sachen 2.148 M 20 – Rücktrittsrecht, Löschungsvollmacht 2.139 M 18 – Stellplatznutzung 2.31 M 8 – Urkundseingang, Insolvenzverwalter 2.353 M 32 – Verwahrungsanweisung 2.137 M 17 – Vollstreckungsschutz als unechter Vertrag zugunsten Dritter 2.441 M 36
Stichwortverzeichnis – Vollstreckungsschutz durch Grundpfandrechtsabtretung 2.452 M 37 – Vorkaufsrechtszeugnis 2.217 M 26 – Waldgrundstück, Erwerber „kauft“ Risiko mit 2.186 M 23 Muster – Kaufvertrag – Immobilien – Bauplatzkauf 1.349 M 1 – Grundstückskaufvertrag, Bodenschatzveräußerung 1.698 M 4 – Kauf auf Leibrente 1.757 M 5 – Kaufvertrag über Betriebsvermögen 1.580 M 3 – Mietshauskauf 1.371 M 2 – Musterklausel bei ausgeübter Kaution 1.1240 M 6 – Musterklausel für eine vorsorgliche Option 1.1256 M 7 Muster – Nießbrauch – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69 Muster – Personengesellschaft – Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG 9.105 M 77 – Gesellschaftsvertrag ImmobilienGmbH & Co. KG 9.99 M 72 – GmbH-Geschäftsanteilsabtretung 9.263 M 81 – GmbH-Gründung 9.97 M 71 – Grundstückseinbringung in die Immobilien-GmbH & Co. KG mit Kapitalerhöhung 9.102 M 75 – KG-Anteilsübertragung 9.106 M 78 – Registeranmeldung der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage 9.104 M 76 – Registeranmeldung der KG-Anteilsübertragung 9.107 M 79 – Registeranmeldung ImmobilienGmbH & Co. KG 9.101 M 74 – Registeranmeldung VerwaltungsGmbH 9.100 M 73 – Satzung ImmobilienverwaltungsGmbH 9.188 M 80 – Vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 Muster – Wohnungseigentum – Abnahme, Gemeinschaftseigentum 4.171 M 61 – Bauausführung, Abweichung vom Aufteilungsplan 4.26 M 44 – Bauträgervertrag-Änderungsvorbehalt, Änderungsvollmacht 4.165 M 60
– Betreutes Wohnen, Kostentragung 4.37 M 46 – Betreutes Wohnen, Nutzungsbeschränkung 4.34 M 45 – Doppelhaushälften bzw. Reihenhäuser, Gemeinschaftsordnung 4.45 M 48 – Duplex-Parker, Stellplatzsondereigentum 4.48 M 49 – Gemeinschaftsordnung, Änderung 4.111 M 58 – Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Bindung Rechtsnachfolger 4.180 M 62 – Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Wahrnehmung durch WEG 4.182 M 63 – Mehrhausanlage, Haftungsregelung 4.59 M 53 – Sondereigentumsfähige Räume, Tausch 4.100 M 56 – Sondernutzungsrechte, Zuweisung I 4.50 M 50 – Sondernutzungsrechte, Zuweisung II 4.52 M 51 – Sondernutzungsrechte, Zuweisung III 4.54 M 52 – Teileigentum, Nutzungsart 4.40 M 47 – Umwandlung, Wohnungseigentum/ Teileigentum 4.105 M 57 – Unterteilung von Wohnungseigentum 4.95 M 55 – Versammlungsprotokoll WEG 4.190 M 64 – Verwalter, Kompetenzen 4.68 M 54 – Wohnungseigentümergemeinschaft, Bezeichnung 4.126 M 59
Nachbar – Zerwürfnis, Offenbarungspflicht 2.179 Nacherbe – Erbbaurechtsbestellung des Vorerben 5.17 Nachzüglerverkauf 3.36, 3.139, 3.144, 3.159 Nahestehende Person – Altenteilerwohnung 1.755 – Baumaßnahmen auf Elterngrundstück 1.527 – Begriff 13.46 – doppelte Haushaltsführung 13.84 – Familienheim, Steuerbefreiung 4.416 – Familien-KG 8.62
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Stichwortverzeichnis – Grunderwerbsteuerbefreiungen 1.1142 – Grundstücksübertragung 13.85 – Kaufverträge zwischen nahestehenden Personen 1.1382 – Kinder 13.89 – Liebhaberei 13.61 – Neffe 13.48 – nichteheliche Lebensgemeinschaft 13.95 – Nießbrauchbestellung 7.80 – Onkel 13.48 – Poolvermietung 13.83 – Relevanz nicht marktgerechten Verhaltens 1.836, 13.61 – Rückanmietung 13.87 – Scheidungsfolgenvereinbarung 13.93 – Scheingeschäft 13.66 – steuerliche Anerkennung von Verträgen 13.81 – Stiefkinder 13.48 – Überkreuzvermietung 13.83 – Überschussprognose 1.833 f. – Unterschreiten der ortsüblichen Marktmiete 1.814, 1.832, 13.61 – verbilligte Miete 1.541, 1.832, 13.61 – Verlobte 13.48 – Vermietung, Einkünfteerzielungsabsicht 13.61 – Vermietung, Fremdvergleich 13.67 – Vermietung, Gestaltungsmissbrauch 13.81 – Vermietung, Hauptleistungspflichten, Durchführung 13.69 – Vermietung, Nebenleistungspflichten 13.70 – Vermietung, Rechtslage ab VZ 2012 1.832 – Vermietung, Rechtslage ab VZ 2021 13.61 – Vermietung, Rechtslage vor VZ 2012 1.832, 1.833 f. – Vermietung, Rechtslage vor VZ 2021 13.61 – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung 1.1010 – zivilrechtliche Wirksamkeit von Verträgen 13.62 Nämlichkeit, privates Veräußerungsgeschäft – Begriff 12.18 – partielle 12.19 Nebenpflichten, Kaufvertrag 2.193 ff.
1208
Nettonießbrauch 7.41 – Nießbrauchsvorbehalt 7.309 M 69 Neubau – Gewährleistungsausschluss 2.171 Neue Bundesländer – Investitionszulage 1.1001 – private Veräußerungsgeschäfte 12.2 – Sachenrechtsbereinigung 5.10 Nichteheliche Lebensgemeinschaft – rechtsmissbräuchliche Verträge 13.95 Nießbrauch – Abgrenzung zum Wohnungsrecht 7.14, 7.160 – Ablösung 7.168 – an Dauerwohnrecht 7.12 – an Erbbaurechten 7.12 – an Erbteil 7.12 – an Grundstück 8.37 – an ideellem Miteigentum 7.12 – an Kapitalgesellschaftsanteil 9.136 – an KG-Anteil 8.35, 9.106 M 78 – an Teilfläche 7.12 – an Wohnungs-/Teileigentum 7.12 – Angehörigenverträge, steuerliche Anerkennung 7.80 – Arten 7.9 – aufschiebend bedingter 7.10 – Befugnisse des Berechtigten 7.7, 7.40 – Betriebsaufspaltung 7.214 – Bruchteilsnießbrauch 7.129, 7.155 – Duldungspflicht 7.7 – Erhaltungsaufwand 7.41 – Erlöschen 7.131 – Erschließungskosten 7.41 – GbR/KG als Berechtigte 7.10 – Gesamtberechtigung 7.33 – Gestaltungsmissbrauch 7.76 – Grundbuchvollzug, fehlender 7.151 – Grundsteuer, Haftungsschuldner 1.1340 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt 7.309 M 69 – Lastentragung 7.41 – Mitberechtigungsnießbrauch 7.223, 7.230 ff. – Nettonießbrauch 7.41 – Nießbrauchsvorbehalt 7.309 M 69 – obligatorisches Nutzungsrecht 7.158 – Pfändbarkeit 7.48 – Pflichtteilsergänzung 7.53 – Quotennießbrauch 7.18, 7.129, 7.154, 7.301
Stichwortverzeichnis – Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Schenkung an den Ehegatten 7.230 ff. – Schenkung unter Auflage, Besteuerung 1.1381 – schuldrechtlicher 7.151, 7.159 – Schuldzinsenabzug 7.41 – Sicherungsnießbrauch 7.152 – Übergang von Mietverhältnissen 7.47, 7.159 – Vererblichkeit, faktische 7.10 – Vermächtnisnießbrauch 7.163 – Wohnrecht 7.160 – Wohnungseigentum, Stimmrecht 7.45 – Wohnungsrecht 7.218 – zugunsten Minderjähriger 7.81 Notar – Bauträgerkaufvertrag 3.9 – Belastungsvollmacht 1.580 M 3 – Belehrungspflicht, Maklerklauseln 2.332 – Belehrungspflicht, Steuerfolgen 1.541 – Beurkundungsverfahren, Maklerklausel 2.339 – drohende Ausübung des Vorkaufsrechts, Maklerklausel 2.328 – Entwurfsübersendung, Bauträgerkaufvertrag 3.10 – Fälligkeitsmitteilung 2.227, 2.233, 2.240, 2.231 M 27, 2.239 f. M 28, 2.242 M 29 – Gebühren 1.942 – Haftung, Spekulationsfrist 1.716 – Hinweispflicht, Baulasten 2.167 – Prüfung der Vertretungsbefugnis 2.351 – Verbrauchervertrag 1.571 – Verwahrung, Bauträgerbürgschaft 3.74 – Verwahrungsanweisung 2.137 M 17 – Vollmacht für Zwangsversteigerungsverfahren 2.415 M 34 – Vorlageanweisung Auflassung Zug um Zug 3.136 – Zentralnotar 3.13 Notaranderkonto – Bauträgerkaufvertrag, Schlussrate 3.76 – berechtigtes Sicherungsinteresse 2.261 – Geldwäsche 2.136 – Pfändung des Kaufpreisanspruchs 2.442 – Schutz des Verkäufers bei Auslandsgeschäften 2.136 f., 2.137 M 17 – Treuhandauflagen 2.267 – Verwahrungsanweisung 2.262, 2.137 M 17
Notargebühren – Werbungskostenabzug 1.942 Notverkauf – private Veräußerungsgeschäfte 12.15 Nutzungsbezogene Beiträge 1.969 Nutzungsrecht – Ablösung 7.168 – Baumaßnahmen auf fremdem Grund 1.528 – Grunderwerbsteuer 1.1115 – Sicherung durch Nießbrauchsrecht 7.152 – Verpfändung 5.21 Nutzungsüberlassung – schädliche bei Veräußerungsgeschäft 12.38, 12.92
Öffentliche Lasten – Grundstückskauf, Kostentragung 2.276 ff. Öffnungsklausel – eintragungspflichtige Beschlüsse 4.188 – Gemeinschaftsordnung, Änderung 4.113 – gesetzliche 4.113 – Sondernutzungsrecht, Begründung 4.55 – vertragliche 4.109 f. Pachtvertrag – Einkünfteerzielungsabsicht 13.61 – Fremdvergleich 13.67 – Gestaltungsmissbrauch bei nahestehenden Personen 13.81 – nahestehende Person 13.44, 13.69 – steuerrechtliche Gestaltung 13.41 – umsatzsteuerliche Behandlung 1.1200 – Vertragsgegenstand 13.2 Personengesellschaft – Abfärbetheorie 1.1060, 1.1063 – Änderung des Gesellschafterbestandes, Grunderwerbsteuer 1.1105 – Anteilsveräußerung, gewerblicher Grundstückshandel 11.48 – Anteilsveräußerung, Vermögensverwaltungsgesellschaft 12.61 – Anteilsvereinigung, Grunderwerbsteuer 1.1108, 1.1385 – Anwachsung, Grunderwerbsteuer 1.1102 – Anwachsungserwerb 12.66 – Auseinandersetzung mit Grundstücken, Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1122 – Einbringung von GmbH-Anteilen in eine GmbH & Co. KG 9.105 M 77
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Stichwortverzeichnis – Einbringung von Grundstücken, Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1122 – Gesellschaftsvertrag ImmobilienGmbH & Co. KG 9.99 M 72 – gewerblich geprägte 1.1060, 1.1063 – gewerblicher Grundstückshandel 1.599 – GmbH-Geschäftsanteilsabtretung 9.263 M 81 – GmbH-Gründung 9.97 M 71 – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1156 – Grundstückseinbringung in die Immobilien-GmbH & Co. KG mit Kapitalerhöhung 9.102 M 75 – Grundstückseinlage aus Privatvermögen 12.42 – Grundstückseinlage in vermögensverwaltende Personengesellschaft 12.45 – Grundstücksüberlassung durch Gesellschafter, Gewerbesteuer 1.1061 – KG-Anteilsübertragung 9.106 M 78 – Satzung ImmobilienverwaltungsGmbH 9.188 M 80 – vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 – Versorgungsrente 1.1004 Personengesellschaft, vermögensverwaltende – Bruchteilseigentum 8.1 – Familien-KG 8.25 – GbR 8.5 – Miteigentum 8.4 – vermögensverwaltende KG 8.109 M 70 – vorweggenommene Erbfolge 8.3 Pfändung – Auflassungsanspruch 2.426 – Grundpfandrechtsabtretung 2.452 M 37 – Kaufpreisanspruch 2.434 – Kaufpreisanspruch, Notaranderkonto 2.442 – Rückgewähransprüche, Vertragsgestaltung 2.448 – unechter Vertrag zugunsten Dritter 2.441 M 36 Pflegegebäude – degressive AfA 1.885 Pflichtteilsanspruch – Abgeltung durch Grundstücksübertragung 12.32 – Erbschaftsteuer 1.1395 Pflichtteilsergänzungsanspruch – Familien-KG 8.39, 8.45
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Pflichtteilsverzicht – private Veräußerungsgeschäfte 12.34 Photovoltaik-Anlage – Abfärbetheorie 10.50 – Auf-Dach-Anlage 10.4 – Ausgliederungsmodell 10.65, 10.93 – Bruchteilsgemeinschaft 10.65, 10.67 – einkommensteuerliche Beurteilung 1.504 – Gebäudebestandteil 10.4 – Gefahren 10.125 – gemischt genutzte 10.110 – gewerbliche Einkünfte 10.16, 10.50 – gewerbliche Mitunternehmerschaft 10.21, 10.50 – Investitionsabzug 10.40 – kleine PV-Anlagen 10.80 – Liebhaberei 10.75, 10.80 – Mittelstands-AfA 10.45 – Personengesellschaft 10.21, 10.50 – Scheinbestandteil 10.5 – Steuervorteile 10.10 – Stromspeicher 10.70, 10.120 f. – Umsatzsteuer 10.90 – Unternehmer 10.90 – Wirtschaftsgut 1.504 Poolvermietung 13.83 – Preisklauselgesetz 1.759, 1.757 M 5 Private Vermögensverwaltung – Abgrenzung zum gewerblichen Grundstückshandel 11.1, 11.41 – Gewerbesteuerfreiheit 1.1061 Privates Veräußerungsgeschäft – Abflussprinzip 12.107 – Abtretungsvertrag über Restitutionsansprüche 12.13 – Angebot zum Erwerb nach Fristablauf 1.722 – Anschaffungsfiktion 12.64 – Anschaffungsgeschäfte 12.12 – Anschaffungskosten 12.104 – Anteilsveräußerung, Vermögensverwaltungsgesellschaft 12.61 – Anwachsung 12.66 – bebautes Erbbaurecht 5.111 – Begriff 12.2 – Belehrungspflicht des Anwalts/Notars 1.544 – Dauerwohnrecht, Veräußerung 6.27, 12.6 – eigengenutzte Immobilien 12.38, 12.91 – Enteignung 12.16
Stichwortverzeichnis – Erbauseinandersetzung 12.33 – Erbbaurecht, entgeltliche Anschaffung 1.727 – Erbbaurecht, erstmalige Einräumung 1.727 – Erbbaurecht, Veräußerungsgewinn 1.729 – Erbbaurechtsbestellung an bebautem Grundstück 5.98 – Erbbaurechtsbestellung, langfristige 5.68 – Erbverzicht 12.34 – Ersatzbeschaffung 12.16 – Erwerb von Todes wegen 12.33 – Ferienwohnungen 12.91 – Fischereirecht 12.4 – Gestaltungsempfehlungen 1.711 – Gewinnermittlung 12.103 – Grundstückseinlage in Kapitalgesellschaft 12.40 – Grundstückseinlage in Personengesellschaft 12.42 – Grundstückseinlage in Vermögensverwaltungsgesellschaft 12.45 – Grundstücksentnahme aus Betriebsvermögen 12.64 – grundstücksgleiche Rechte 12.4 – Grundstücksverkauf, Einkunftsarten 1.500 – Identität des Wirtschaftsguts 12.17 – Kauf 12.13 – Leistung an Erfüllungs statt 12.32, 12.35 – Nämlichkeit 12.17 – neuerrichtete Gebäude auf vorhandenem Grundstück 12.17 – Nießbrauchsrecht, Ablösung 7.168 – Notverkauf 12.15 – Pflichtteilsanspruch, Grundstücksübertragung 12.32 – Pflichtteilsverzicht 12.34 – Rückabwicklung der Veräußerung 12.31 – Rücktrittsrecht, vertragliches 1.754 – Scheidungsfolgenvereinbarung 12.13 – Scheidungsvereinbarungen 12.35 – Streckung des Veräußerungsgewinns 1.717 – Tausch gegen Gesellschaftsanteile 12.40, 12.43 – Umlegung/Enteignung 12.16 – unbebaute Grundstücke 12.91 – Untererbbaurecht 1.729 – Unterhalt, Anspruchsverzicht 12.36
– verdeckte Einlage in Kapitalgesellschaft 12.40 – Vermeidung, Erbbaurecht 5.2 – Vertragsaufhebung 1.752 – Vorkaufsrecht 12.14 – Vorvertrag 1.751, 12.13 – vorweggenommene Erbfolge 12.33 – Werbungskosten 12.105 – wirtschaftliches Eigentum 12.13 – Wohnungseigentum 4.281, 12.1 – Zuflussprinzip 12.107 – Zugewinnausgleich 12.36 – Zugewinngemeinschaft, modifizierte 12.37 – Zwangsversteigerung 12.15 Privates Veräußerungsgeschäft – Frist 12.81 – Beginn und Ende 12.83 – Haltefrist 12.81 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.955 – rückwirkende Verlängerung 12.82 – Rückwirkung von Genehmigungen 12.84 Privatvermögen – Abfärbetheorie 4.308 – Ausbeutegrundstück 1.690 – Einbringung gegen Mitunternehmeranteil 1.916 – Erbbaurechtsbestellung an bebautem Grundstück 5.96 – Erbbaurechtsbestellung, entgeltliche 5.64, 5.96 – Erbbaurechtsbestellung, unentgeltliche 5.62 – GmbH-Anteil, Grundstückshandel 1.610 – Grundstückseinlage in Kapitalgesellschaft 12.40 – Grundstückseinlage in Personengesellschaft 12.42 – Grundstückseinlage in vermögensverwaltende Personengesellschaft 12.45 – Grundstücksentnahme aus Betriebsvermögen 12.64 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke 1.550 – notwendiges, Gebäude 1.511 – Veräußerung, bebautes Erbbaurecht 5.111 Prospekthaftung – Bauträgerkaufvertrag 3.8
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Stichwortverzeichnis Publizitätspflicht – GmbH & Co. KG 9.42, 9.142 – Transparenzregister 9.46
Ratenlieferungsvertrag – Bauträgerkaufvertrag 3.2 Ratenplan – Sanierungsgebiet 3.274 Räumung – Kaufabwicklung 2.230 – Kaufpreisfälligkeit 2.230 f., 2.231 M 27 – Kaufvertrag über selbstgenutzte Immobilie 2.231 M 27 Reallast – Erbbauzins 5.54 – Erbbauzins, Wertsicherung 5.59 – Erbbauzinsreallast, versteigerungsfest 5.60 – Leibrenten, Sicherung 1.757 f. M 5 Realteilung – Einbeziehung in Drei-Objekt-Grenze 11.50 – GmbH & Co. KG 9.112 – nach Sondereigentumsaufhebung, Grunderwerbsteuer 4.315 – Teilbetriebsausgliederung 9.127 Rechnungsabgrenzungsposten – Erbbauzinsvorauszahlung 5.90 – Veräußerung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks 5.128 Rechnungsausstellung – Umsatzsteuer 1.630, 1.1274 Rechtsanwalt – Belehrungspflicht, Steuerfolgen 1.541 Rechtskauf – Dauerwohnrecht 6.8 – Erbbaurecht 5.23, 5.338 Rechtsmangel – Abtretung von Gewährleistungsansprüchen 2.177 – Altbauten, Gewährleistungsausschluss 2.173 – Ausschluss 2.160 – Baubeschränkungen 2.159 – Baugenehmigung 2.159 – Baulasten 2.159, 2.167 – Begriff 2.153 – Dienstbarkeiten 2.159, 2.163 – eingetragene Rechte 2.159 – Gewährleistungsbeschränkung, neuhergestellte Sachen 2.171
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– Grundpfandrechte 2.166 – Miet-/Pachtverträge 2.159 – Vorkaufsrechte 2.162, 2.165 Rechtsnachfolge – eigengenutzte Immobilien, Veräußerung 12.95 Registeranmeldung – Immobilien-GmbH & Co. KG 9.101 M 74 – Kapitalerhöhung durch Sacheinlage 9.102 M 75, 9.104 M 76 – KG-Anteilsübertragung 9.107 f. M 79 – Verwaltungs-GmbH 9.100 M 73 Reihenhaus – Begründung von Wohnungseigentum 4.43, 4.45 M 48 – Gemeinschaftsordnung 4.45 M 48 – Gemeinschaftsordnung, Änderung 4.111 M 58 Reinvestition – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke, Entnahme 1.552 Renovierungspflicht, Kaufvertrag 2.193 ff. Rente – zur Ablösung von Nießbrauchsrechten 7.288 Rentenbarwert – AfA 1.918 Rentenerlass 8.33, 9.58, 9.208 Restitutionsanspruch – Abtretung, Besteuerung 12.13 Rückanmietung 13.87 Rückstellungen – Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags 1.579
Sachenrechtsbereinigungsgesetz 5.10 – Erbbauzins, Vollstreckung 5.56 Sachmangel – Abtretung von Gewährleistungsansprüchen 2.177 – Altbauten, Gewährleistungsausschluss 2.173 – Altlasten 2.179, 2.187, 2.191 M 24 – Bauträgerkaufvertrag, AGB-Kontrolle 3.112 – Begriff 2.153 – Gewährleistungsbeschränkung bei neuhergestellten Sachen 2.171 – Haftungsausschluss 2.174 f., 2.175 M 21
Stichwortverzeichnis – Haftungsausschluss, Waldgrundstück 2.185 f., 2.185 M 23 – Haftungsausschluss, Wohnimmobilien 2.183 f., 2.184 M 22 – Haftungsbegrenzung 2.168 – Offenbarungspflicht 2.179 – zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang 2.181, 2.184 M 22 Sachwertverfahren – bebaute Grundstücke 1.1442 – Bewertung, Erbschaft-/Schenkungsteuer 1.1442 Sanierung – Abgrenzung von Erhaltungsaufwand/ Herstellungskosten 1.945, 1.953 Sanierungsgenehmigung 2.224 f. Sanierungsmodell – AfA, erhöhte 1.887, 3.278 f. M 41b – Baubeschreibung 3.271 – Bauträgerhaftung 3.271 – Bauträgerkaufvertrag 3.344 M 43 – Grunderwerbsteuer 3.304 – Mietervorkaufsrecht 3.269 – Ratenplan, MaBV 3.274 – Sonderausgabenabzug, Eigennutzung 1.906 – Wohnungseigentum, AfA 1.896, 4.278 Satzung – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.152, 9.188 M 80 Schaufensteranlage – einkommensteuerliche Behandlung 1.508 Scheidung – Gebäudeerrichtung auf Miteigentumsgrundstück 1.525 Scheidungsfolgenvereinbarung – eigengenutzte Immobilien 12.38 – private Veräußerungsgeschäfte 12.13, 12.35 – rechtsmissbräuchliche Verträge 13.93 Scheinbestandteil – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Photovoltaik-Anlage 10.5 – Windkraftanlage 10.152 Scheingeschäft – gewerblicher Grundstückshandel, Gestaltungsmissbrauch 11.72 – Mietvertrag 13.19, 13.66 Schenkung – Abfärbetheorie 4.308 – Arten 1.1384
– Familienheim 4.416 – Grunderwerbsteuer 1.1150 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt 7.309 M 69 – Kaufpreisstundung 1.1383 – Kaufverträge zwischen nahen Angehörigen 1.1382 – Nießbrauchsmitberechtigung des Ehegatten 7.223 – Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Steuerpflicht 4.414 Schenkung – gemischte – Erbbauzins, verbilligter 5.219 – Versorgungsleistungen 1.1392 Schenkung – mittelbare – unter Nießbrauchsvorbehalt 7.164 Schenkung – unter Auflage 1.1386 – Bemessungsgrundlage, Minderung 1.1388 – Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1150 Schenkungsteuer – Beteiligung Minderjähriger 8.110 – Erbbaurechtsbestellung, unentgeltliche 5.62 – Erbbauzins, verbilligter 5.219 – familiengerichtliche Genehmigung 8.111 f. – Familienheim 4.416 – Freibeträge, Familien-KG 8.60 – gemischte Schenkung 1.1392 – Gesellschaftsanteile, Erwerb 1.1385 – Grunderwerbsteuer, Befreiung 1.1385 – Kaufpreisstundung 1.1383 – niedrigerer Verkehrswert 1.1434, 1.1437, 1.1447 – Nießbrauchsmitberechtigung des Ehegatten 7.223 – Nießbrauchsverzicht 7.227 – Schenkung unter Auflage 1.1386 – vermögensverwaltende KG 8.113 Schiedsklausel – Bauträgerkaufvertrag 3.167 Schönheitsreparaturen 1.970 – Verwendung der Kaution 1.970 Schubladenlöschung 2.427, 2.431 Schuldanerkenntnis 2.314 Schuldzinsen – Abschlussgebühren, Bausparvertrag 1.942 – Bauherrenerlass 3.302 – Betriebsgrundstücke 1.804
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Stichwortverzeichnis – Ehegatten, Nicht-EigentümerDarlehen 1.937 – Ehegattendarlehen, gemeinsames 1.936 – Erbbaurecht 5.71 – Ferienwohnungen, Vermietung 1.817, 13.111 – fortgeführtes Darlehen, Anschaffungskosten der neuen Immobilie 1.939 – gemischt genutzte Grundstücke 1.933 – nachträgliche 1.939 – Nießbraucher 7.41 – Notargebühren 1.942 – tatsächliche Darlehensverwendung 1.931 – Umwidmung von Darlehen 1.932 – Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 – Werbungskostenabzug 1.931, 3.301 Selbständige – Verbrauchereigenschaft 2.81 Selbstkontrahierungsverbot – Beleihungsvollmacht des Insolvenzschuldners 2.358 – Insolvenzverwalter 2.357 Sicherungshypothek – Erbbaurecht, zur Sicherung von Dienstbarkeit 5.18 Sicherungsnießbrauch 7.152 Solaranlage – Einkommensteuerrecht 1.504 Sonderausgabenabzug – Baudenkmal, Objektbeschränkung 1.909 – Eigengenutzte Wohnung, Baudenkmal/Sanierungsgebiet 1.906 – Erbbauzins 5.94 – Kulturgut 1.910 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung 1.1010 – Versorgungsrente 1.1004 Sonderbetriebsvermögen – Einbringung, Betriebsgrundstücke 1.577 – Gewerbesteuerpflicht 1.1061 – Grundstückseinlage aus Privatvermögen 12.42 – Steuerverstrickung 1.573 Sondereigentum – Abnahme 3.149, 3.157 M 41 – Annex-Sondereigentum 4.11 ff. – Erwerb, Beurkundungspflicht 2.7 – Wohnungseigentum – Begründung 4.11
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Sondernutzungsrechte des Wohnungseigentümers – Aufhebung 4.120 – Begründung 4.46 ff. – Dauerwohnrecht 4.392, 12.6 – Duplex-Parker, Stellplatzsondereigentum 4.48 M 49 – Erbbaurecht 4.391 – nachträgliche Begründung 4.117 – private Veräußerungsgeschäfte 12.3 – Veräußerung 4.114 – Zuweisung 4.50 M 50, 4.52 M 51, 4.54 M 52 Sonderwünsche – nach Beurkundung des Bauträgerkaufvertrags 3.160 Sozialversicherungspflicht, Geschäftsführer 9.173 ff. Spaltung – Grunderwerbsteuer 1.1104 Step-Up – gewerblich geprägte GmbH & Co. KG 9.18, 9.22, 9.52 – Stufenplan 9.22 Steuerberatung – Belehrungspflicht des Anwalts/Notars 1.541 Steuerbescheid – Berichtigung 1.622 Steuerschulden – Haftung, Unternehmenskauf 1.573 Steuerschuldner – Gewerbesteuerpflicht 1.1060 – Grundsteuer 1.1338 – Umsatzsteuer 1.1274, 1.1274 Steuerstundungsmodell – Anlegerstruktur 3.342 – Bauträgerkaufvertrag 3.341 – Familien-KG 8.75 – Immobilienfonds 1.866 – Liebhaberei 1.810, 3.341 – Übersicht 3.264 Stille Beteiligung – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.219 Stille Reserven – Arbeitszimmer, Freiberufler 1.647 – Betriebsgrundstücke von Freiberuflern 1.644 – Erbbaurechtsbestellung an bebautem Grundstück 5.107
Stichwortverzeichnis – Veräußerung, bebautes Erbbaurecht 5.114 Streubesitzdividende 9.157 Strohmann – gewerblicher Grundstückshandel, Gestaltungsmissbrauch 11.72 Stückländereien – Grundstücke, Zuordnung zum Betriebsvermögen 1.551 Stufenplan 9.22 ff. Stuttgarter Modell 7.294
Tausch – Anteilstausch zwecks Grundstückseinbringung 1.611 – Bauträgerbeteiligung 3.257 – gegen Gesellschaftsanteile 12.40, 12.43 – Grunderwerbsteuer 1.1101 – Grundstückstausch zwischen Ehepaaren 1.1147 – private Veräußerungsgeschäfte 12.13 Tausch mit Bauträger – Anteilsmodell 3.265 – Grunderwerbsteuer 3.259, 3.262 – Grundstücksmodell 3.258 – Stundungsmodell 3.261 Teilbetriebsausgliederung 9.127 f. Teileigentum – Abfärbetheorie 4.308 – atypisch stille Gesellschaft 4.312 – Aufteilung, gemischt genutzte Grundstücke 4.304 – Bauträgerkaufvertrag 3.65 – Benutzungsregelung 4.311 – betriebliche Nutzung 4.302 – Bewertung 4.241 ff. – bewertungsrechtlicher Entstehungszeitpunkt 4.244 – Einkommensbesteuerung bei Betriebsvermögen 4.302, 4.332 – Einkommensbesteuerung bei selbstbewohntem Privateigentum 4.301 – Einkommensbesteuerung bei vermietetem Privateigentum 4.271, 4.331 – Erbauseinandersetzung 4.307, 4.310 – Ertragswertverfahren 1.1438, 4.251 – Gewerbesteuer bei Betriebsvermögen 4.332 – Gewerbesteuer bei Privatvermögen 4.331 – Grunderwerbsteuer 1.1115, 4.381 – Grunderwerbsteuer, Begründung 4.385
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Grundnutzung 4.31 Grundsteuer 4.411 Keller- und Garagenmodell 4.247, 4.392 Lastentragung 4.41 Mindestanforderungen 4.245 Nutzungsart 4.40 M 47 Sachwertverfahren 1.1442 Sondernutzungsrechte, Grunderwerbsteuer 4.392 – Umsatzsteuer 4.351 – Umwandlung in Wohnungseigentum 4.42, 4.114, 4.105 M 57 – Veräußerung, Gewinnrealisierung 4.303 Teileinkünfteverfahren 9.148 Teilfläche – Erbbaurechtsbestellung 5.12 – Kaufpreisausgleichung 2.210 – Nießbrauch 7.12 Teiloption – Grundstückslieferung 1.1230 Teilungserklärung 4.161 Teilwertabschreibung – Betriebsgrundstücke 1.800 Teilzahlungsgeschäft – Bauträgerkaufvertrag 3.2 Telekommunikationsanschluss – Grundstückskauf, Kostentragung 2.281 Testamenstvollstrecker – Verbraucherschutz, Anwendbarkeit 2.85 Totalüberschuss 1.810 Treuhand – Auflösung, Grunderwerbsteuer 1.1154 – Grunderwerbsteuer 1.1114 Treuhandauflagen 2.227 – Notaranderkonto 2.267
Überkreuzvermietung
13.83 Umlaufvermögen – Betriebsgrundstücke 1.575 – Gebäude 1.521 – Gebäude, einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Gewerbesteuer 1.1061 Umlegungsverfahren – private Veräußerungsgeschäfte 12.16 Umsatzsteuer – Bauträgerkaufvertrag, Gewerberaum 3.322 – Bauträgerkaufvertrag, Wohnraum 3.321 – Befreiung 1.1200, 9.63, 13.131 ff.
1215
Stichwortverzeichnis – Bemessungsgrundlage, Behandlung der Grunderwerbsteuer 1.1271 – Dauerwohnrechtsübertragung 6.32 – Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer, Bauträgerkaufvertrag 3.305 – Entstehung bei Grundstückslieferung 1.1271, 1.1276 – Erbbaurecht, Veräußerung 1.1200 – Erbbaurechtsbestellung 1.1289, 5.306 – Erhaltungsaufwendungen 1.1286 – Familien-KG 8.97 – Gebäude auf fremdem Grund und Boden, Veräußerung 1.1200, 1.1209 – Geschäftsveräußerung 1.581, 1.1241 – Geschäftsveräußerung, vorsorgliche Option 1.1256 M 7 – GmbH & Co. KG 9.63 – grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge 1.1101 – Grundstücksbegriff 1.1204 – Grundstückskaufvertrag 1.1201, 13.132 – Grundstückslieferung, Option 1.1213 – Leistungen der Eigentümergemeinschaft 1.1284, 4.355 – Option 13.138 ff. – Photovoltaik-Anlage 10.90 – Rechnung 1.1274, 1.1280 – Steuerschuldner 1.1274 – Veräußerung Miteigentumsanteil 1.1202, 1.1283, 4.351 – Vermietung, Teileigentum 4.354 – Vermietung, Wohnungseigentum 4.354 – Verzicht auf Befreiung 1.1213, 4.354 – Wohnungs-/Teileigentum, Veräußerung 1.1283 Umsatzsteueroption – GmbH & Co. KG 9.64 – Grundstückslieferung 1.1213, 1.1239 – Grundstückslieferung, Teiloption 1.1230 – Option gegenüber Bruchteilsgemeinschaft 1.1239 – Option, Musterformulierung 1.1240 M 6, 1.1256 M 7 Umwandlung – Grunderwerbsteuer 1.1101, 1.1104, 1.1122 Unbedenklichkeitsbescheinigung – Auflassungsvoraussetzungen 2.145 – Grunderwerbsteuer 1.1141
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Unbenannte Zuwendung – Nießbrauchsmitberechtigung des Ehegatten 7.223 Unterhaltsleistung – Verbot der steuerlichen Berücksichtigung 7.176 Unterhaltsverzicht – private Veräußerungsgeschäfte 12.36 Unterhaltszahlung – Versorgungsrente, überhöhte 1.1007 Unternehmenskauf – Haftung für Steuerschulden 1.573 Unternehmensnachfolge – Vorbehaltsnießbrauch 7.203 – Werbungskosten 1.970, 1.977 – Zuwendungsnießbrauch 7.195, 7.209
Veranlagung – Berichtigung 1.622 Veräußerungsgewinn – Betriebsgrundstücke 1.577 – Erbbaurecht 1.727 – erbbaurechtsbelastetes Grundstück 5.128 – Gewerbesteuer 1.1062 – gewerblicher Grundstückshandel 11.73 – gewerblicher Grundstückshandel, Gewerbesteuer 1.1062 – land-/forstwirtschaftliche Grundstücke, Entnahme 1.552 – Obergesellschaft 1.1062 – privates Veräußerungsgeschäft 12.103 – Ratenzahlung, Spekulationsfrist 1.717 – Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 Veräußerungsrente 9.208 Verbraucherkredit – Verbraucherrechterichtlinie 13.3 Verbraucherschutz, Bauträgervertrag 3.6 Verbrauchervertrag 2.79 ff. – Checkliste der Besonderheiten 2.90 – EuGH-Rechtsprechung 2.81 – Existenzgründer 2.86 – GbR 2.82 – Haftung 2.91 M 13 – öffentliche Hand 2.89 – Stellvertretung 2.84 – Unternehmerbegriff 2.80 – Verbraucherbegriff 2.80 – Vertragsmuster 2.91 M 13 Verbrauchsgüterkauf – Mitverkauf beweglicher Sachen 2.43 ff. – Sachmängelhaftung 2.168
Stichwortverzeichnis – Verbrauchervertrag, Besonderheiten 2.79 Verdeckte Einlage – private Veräußerungsgeschäfte 12.40 Verdeckte Gewinnausschüttung – Auslandsferienimmobilie 1.676 – Grundstückserwerb durch Gesellschafter 1.671 – nicht kostendeckende Vermietung 1.675 Verfallklausel 1.761, 1.757 M 5 Verfügungsbefugnis – Insolvenz 2.50 ff. – Insolvenz, Löschungsvollmacht 2.139 M 18 – Nachweis durch Insolvenzverwalter 2.351 Vergleichswertverfahren – bebaute Grundstücke 1.1426 – Bewertung, Erbschaft-/Schenkungsteuer 1.1435 Verjährung – Gewährleistungsansprüche 2.158 Verkehrssicherungspflicht – Erbbaurecht 5.39 Verlustverrechnungsbeschränkungen – Immobilienfonds 1.863 Verlustvortrag – Grundstückshandel 1.625 Vermächtnisnießbrauch 7.163 Vermietung/Verpachtung – Ausbeutegrundstück 1.681 – Einnahmen 1.870 – Gewerbesteuer 1.1063 – Nießbrauch 7.4 – Nutzung von Betriebsgrundstücken 1.800 – Sonderausgabenabzug 1.906 – Überkreuzvermietung, Miteigentümer 13.83 – Werbungskosten 1.873 – Wohnungs-/Teileigentum, Umsatzbesteuerung 4.354 – Wohnungsleerstand, Grundsteuer 1.1342 Vermietung/Verpachtung an Angehörige – doppelte Haushaltsführung 13.84 – Einkünfteerzielungsabsicht 1.814, 13.61 – Fremdvergleich 1.814, 13.67 – Gestaltungsmissbrauch 13.81 – Grundstücksübertragung 13.85 – Hauptleistungspflichten, Durchführung 13.69 – Kinder 13.89 – Liebhaberei 13.61 – Nebenleistungspflichten 13.70
– nichteheliche Lebensgemeinschaft 13.95 – Poolvermietung 13.83 – Rechtsentwicklung bei Verträgen mit Unterhaltsberechtigten 13.89 – Rechtslage ab VZ 2012 1.832 – Rechtslage ab VZ 2021 13.61 – Rechtslage vor VZ 2012 1.832, 1.833 f. – Rechtslage vor VZ 2021 13.61 – Relevanz nicht marktgerechten Verhaltens 1.836, 13.61 – Rückanmietung 13.87 – Scheidungsfolgenvereinbarung 13.93 – Scheingeschäft 13.66 – steuerliche Anerkennung 13.81 – Toleranzgrenze 1.833 f. – Überkreuzvermietung 13.83 – Überschussprognose 1.833 f. – Unterhaltsberechtigte Angehörige 13.89 – Unterschreiten der ortsüblichen Marktmiete 1.814, 1.832, 13.61 – verbilligte Miete 1.541, 1.832, 13.61 – zivilrechtliche Wirksamkeit 13.62 Vermietung/Verpachtung, verbilligte – Aufteilungsgebot 1.834 – Einkünfteerzielungsabsicht, fehlende 1.833 f. – Indizien 1.832 – Rechtslage ab VZ 2012 1.832 – Rechtslage ab VZ 2021 13.61 – Rechtslage vor VZ 2012 1.832, 1.833 f. – Rechtslage vor VZ 2021 13.61 – Relevanz nicht marktgerechten Verhaltens 1.836, 13.61 – Überschussprognose 1.833 f. – Unterschreiten der ortsüblichen Marktmiete 1.834 – Unterschreiten der ortsüblichen Marktmiete, Toleranzgrenze 1.833 f. – verdeckte Gewinnausschüttung 1.675 – Werbungskostenabzug, Begrenzung 1.814, 1.836 Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen – Altenteilerwohnung 1.755 – begünstigte Leistungen 1.1012 – nicht begünstigte Leistungen 1.1013 – private Immobilie 1.1013 – Rechtslage bis 31.12.2007 1.1004 – Verwaltungsansicht 1.1015 Vermögensverwaltung, private 8.65, 9.54
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Stichwortverzeichnis Vermögensverwaltungsgesellschaft – Anteilsveräußerung 12.61 – Anteilsveräußerung, gewerblicher Grundstückshandel 11.48 – Ausschließlichkeitsgebot, Gewerbesteueranrechnung 1.1068 – Gewerbesteuerkürzung 1.1066 – Gewerbesteuerpflicht 1.1061 – Grundstückseinbringung 1.917 – Grundstückseinlage in Personengesellschaft 12.45 – Verrentung des Kaufpreises 1.757 f. M5 Verschmelzung – Grunderwerbsteuer 1.1104 Verschonungsregelung für Betriebsvermögen – Cash-GmbH 1.1423 – Optionsverschonung 1.1422 – Regelverschonung 1.1418 Versorgungsleistungen – begünstigte Leistungen nach 31.12.2007 1.1012 – betriebliche Versorgungsrente 1.1004, 1.1008 – Familien-KG 8.34 – gemischte Schenkung 1.1392 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.209, 9.221 – private Versorgungsrente 1.1004 – Veräußerungsrente 1.1004, 1.1007 – Vermögensübertragung gegen 1.1011 – Zeitrente, AfA-Erhöhung 1.918 – zur Ablösung von Nießbrauchsrechten 7.281 Versorgungsrente 9.209 Versteigerungsverfahren 2.401 Vertrag zugunsten Dritter – echter 2.439 – Pfändung des Kaufpreisanspruchs 2.442 – unechter 2.440 – Vollstreckungsschutz 2.441 M 36 Vertragserfüllungsbürgschaft 3.72 Vertragserfüllungssicherheit 3.35 Vertragsstrafe – Erbbaurechtsvertrag 5.51 Vertretungsbefugnis – Insolvenzverwalter 2.351 Verwahrungsanweisung, Notar 2.137 M 17
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Vollmacht – Beleihungsvollmacht des Insolvenzschuldners 2.358 – durch Insolvenzschuldner 2.367 – durch Insolvenzverwalter 2.377 – Übergang auf Insolvenzverwalter 2.375 – Veräußerungsvollmacht, Grunderwerbsteuer 1.1114 – zugunsten Insolvenzschuldner 2.373 Vorbehaltsnießbrauch – Ablösung 7.168 – AfA 7.125, 7.129 – AfA, Fortführung 7.132 – Begriff 7.121 – bei mittelbarer Grundstücksschenkung 7.164 – Betriebsaufspaltung 7.214 – Betriebsgrundstück 7.203 – Checkliste, Vermietung durch Nießbraucher 7.88 – Einkommensteuer 9.73 – Erbschaftsteuer 7.215 – gewerblich geprägte GmbH & Co. KG 9.73 – GmbH-Geschäftsanteilsabtretung 9.263 M 81 – Grunderwerbsteuer 7.241 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Nettonießbrauch 7.41 – privates Veräußerungsgeschäft 7.165 – Rechtsprechung 9.78 f. – Rückvermietung 7.301 – Tod des Nießbrauchers 7.167 – Umsatzsteuer 7.251 ff. – Vermietungseinkünfte, Zurechnung 7.125, 7.129 – vermögensverwaltende KG 8.80, 8.96, 8.114 – Werbungskostenabzug 7.125 – Wohnungsrecht 7.218 Vorerbe – Erbbaurechtsbestellung 5.17 Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 Vorkaufsrecht – drohende Ausübung, Maklerklausel 2.328 – Erbbaurechtsvertrag 5.52 – gemeindliches, Ausschluss 2.118 M 15
Stichwortverzeichnis – gemeindliches, Negativbescheinigung 2.215 – Grundstückskauf, Beurkundungspflicht 2.7 – Kaufpreisfälligkeit 2.215 – Mietervorkaufsrecht 2.200, 3.269 – Miteigentumsanteile 2.219 – Naturschutz 2.221 – private Veräußerungsgeschäfte 12.14 – Vorkaufsrechtszeugnis 2.217 M 26 Vormerkung – Abtretung des Vormerkungsanspruchs 2.130 – Akzessorietät 2.128 – Antragstellung 2.129 – Auflassung 2.126 – auflösend bedingte 2.146, 2.144 M 19 – Bewilligungsgrundsatz 2.127 – Erbbaurechtserwerb 5.334 – Insolvenz 2.47, 2.142 – Kaufpreisfälligkeit 2.214 – Löschung 2.131 f., 2.346, 2.132 M 16, 2.407 M 33 – Löschungsvollmacht 2.138 f., 2.139 M 18 – Löschungsvormerkung, sofort vollziehbare 2.459 – relative Unwirksamkeit von Verfügungen 2.404 – Verfügungen des Eigentümers 2.127 – Verzicht 2.126 – Vorleistungsrisiko des Verkäufers 2.133 – Wirkung 2.127 – Zwangsversteigerungsverfahren 2.401 Vorsteuer – umsatzsteuerbefreite Vorgänge 1.1200 – Wohnungs-/Teileigentum, Umsatzbesteuerung 1.1283, 4.351 Vorvertrag – Beurkundungspflicht 2.22 – private Veräußerungsgeschäfte 1.751, 12.13 Vorweggenommene Erbfolge – Erbbaurechtsbestellung 5.2 – gemischte Schenkung 1.1392 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Grundstücksübertragung gegen Versorgungsleistungen, AfA-Erhöhung 1.918
– private Veräußerungsgeschäfte 12.33 – Sicherungsnießbrauch 7.152 – vermögensverwaltende Personengesellschaft 8.3 – Versorgungsrente 1.1004, 1.1008 – Vorbehaltsnießbrauch 7.121, 7.309 M 69 – Zuwendungsnießbrauch 7.91
Werbungskosten – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Abflussprinzip 1.973 abgekürzter Vertragsweg 1.908 Abrisskosten 1.883, 1.912, 1.971 Abschreibungen 1.881 AfA, degressive 1.885 anschaffungsnaher Aufwand 1.945 Bauherrenerlass 1.943, 3.302 Beseitigung von Schäden 1.957, 1.970 Damnum 1.943 Erbbauzinsvorauszahlung, Verteilung 5.88 Erhaltungsaufwand 1.976 Erschließungskosten 1.945, 1.964 Finanzierungsaufwand 1.931 Finanzierungskosten 3.301 Gebühren, Bausparvertrag 1.942 Gebühren, Notar 1.942 Gestaltungsmissbrauch durch Vermietung 13.67 Instandsetzungsrücklage 4.273, 4.383 Investitionszulage 1.1001 nachträgliche 1.975 nutzungsbezogene Beiträge 1.969 privates Veräußerungsgeschäft 12.105 Renovierungsaufwand 1.976 Schönheitsreparaturen 1.970 Schönheitsreparaturen, Verwendung der Kaution 1.970 Übersicht 1.873 Vandalismus 1.970, 1.977 verbilligte Miete 1.832 vergebliche 1.979 Vermietung an Angehörige, verbilligte 1.814, 13.67 Vermietung und Verpachtung 1.873 vorabentstandene 1.974 Vorbehaltsnießbrauch 7.125, 7.309 M 69 Vorfälligkeitsentschädigung 1.940 Wohnungseigentum, Vermietung 4.271, 4.354 Zweiterschließung 1.968 Zweitwohnungssteuer 1.972
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Stichwortverzeichnis Werkleistungen – Bauträgerkaufvertrag 3.3 Wertfortschreibung – Grundsteuer 1.1336 Wertsicherungsklausel – Erbbauzins 5.55 – Erbbauzinsreallast 5.59 – Leibrente 1.759, 1.757 M 5 Wertuntergrenze 1.1472 Wesentliche Bestandteile – einkommensteuerliche Behandlung 1.506 – Mitverkauf 2.33 Wesentliche Betriebsgrundlagen – Betriebsveräußerung, Umsatzbesteuerung 1.1241 Wiederkauf – Grundstückskauf, Beurkundungspflicht 2.9 Wiederkehrende Bezüge und Leistungen 1.1004 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Leibrentenkaufvertrag 1.757 M 5 – Rechtslage bis 31.12.2007 1.1004 – Rechtslage nach 31.12.2007 1.1010 – Vermögensübertragung und Mietvertrag zwischen Angehörigen 1.1006 – Zeitrente 7.293 – zur Ablösung von Nießbrauchsrechten 7.281 Windkraftanlagen – Abnahme 10.156 – AfA 10.153 – Betriebsvorrichtung 10.150, 10.163 – Mittelstands-AfA 10.154, 10.159 ff. – Rückstellung 10.158 – Scheinbestandteil 10.152 – WKA-Modell 10.162 ff. – Zuwegung 10.157 Wirtschaftliche Einheit – Ausbeutegrundstück 1.691 – Betriebsgrundstücke 1.574 Wirtschaftliches Eigentum – Baumaßnahmen auf fremdem Grund 1.523 – Dauernutzungsrecht 6.2 f. – Dauerwohnrecht 6.1, 6.22 – Erbbaurechtsbestellung an unbebautem Grundstück 5.68 – Miteigentum 1.529
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– private Veräußerungsgeschäfte 12.13 Wirtschaftsgüter – Aufteilung bei Grundstücksverkauf 1.504 WKA-Modell – Investitionsabzug 10.163 – Mittelstands-AfA 10.165 f. – Steuerstundungs-Modell 10.169 Wohnteil – Grundstücke, Zuordnung zum Privatvermögen 1.550 – Versorgungsrente 1.1005 Wohnung – AfA, Wohnzweck 1.885 – Leerstand 1.854 – Mietkauf 1.825 – Vermietung an Angehörige 13.67 – Vermietung, verbilligte 1.814 – Zweitwohnungssteuer 1.1347 Wohnungsbau – erhöhte AfA 1.905 Wohnungseigentum – Abgeschlossenheitsbescheinigung 4.16 – Abnahme, Gemeinschaftseigentum 4.171 M 61 – AfA 4.276 – Altbauwohnung, Vertragsverhältnisse 4.168 – Annex-Sondereigentum 4.11 ff., 4.46 – Annex-Sondereigentum, Begründung 4.46 – Aufteilungsplan 4.8 – Bauabzugssteuer 4.280 – Bauausführung, Abweichung vom Aufteilungsplan 4.26 M 44 – Bauherrenerlass 1.942, 3.302 – Bauherrenmodell 1.503, 1.906 – Baulandmobilisierungsgesetz 4.2 – Bauträgervertrag 3.65, 3.149 – Bauträgervertrag, Änderungsvorbehalt, Änderungsvollmacht 4.165 M 60 – Bauträgervertrag, Mängelrechte 3.158 – Betreutes Wohnen 4.33 – Betreutes Wohnen, Kostentragung 4.37 M 46 – Betreutes Wohnen, Nutzungsbeschränkung 4.34 M 45 – Bewertung 4.241 ff. – Bewertung Grundsteuer 4.252 – bewertungsrechtlicher Entstehungszeitpunkt 4.244
Stichwortverzeichnis – Denkmalschutzobjekt, Sonder-AfA 1.887, 1.906, 4.278, 4.301 – Doppelhaushälften bzw. Reihenhäuser, Gemeinschaftsordnung 4.45 M 48 – Duplex-Parker, Stellplatzsondereigentum 4.48 M 49 – Eigenheimzulage 4.301 – Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung 4.271 – Einräumung, Umsatzsteuerbefreiung 1.1200 – Energieausweis 2.195, 2.206 M 25 – Ertragswertverfahren 1.1438 – Erwerb eines vermieteten Objekts 4.202 ff. – Gemeinschaftsordnung, Änderung 4.111 M 58 – gemischte Nutzung 4.38, 4.41 – Geschosswohnungsbau 4.32 – Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Bindung Rechtsnachfolger 4.180 M 62 – Gewährleistung, Gemeinschaftseigentum, Wahrnehmung durch WEG 4.182 M 63 – Gewährleistungsrecht 4.168 – Gewerbesteuer 4.332 – Grunderwerbsteuer 1.1115, 4.381 – Grundnutzung 4.31 – Grundsteuer 4.411 – haushaltsnahe Dienstleistung 4.279 – Hausmeisterwohnung 4.131 – Instandhaltungsrücklage 4.273, 4.383 – Keller- und Garagenmodell 4.247, 4.392 – Mehrhausanlage, Errichtung 4.19 – Mehrhausanlage, Haftungsregelung 4.59 M 53 – Nießbrauch 7.12 – privates Veräußerungsgeschäft 12.2, 12.91 – Sachwertverfahren 1.1442 – Sanierungsobjekte, Sonder-AfA 1.896, 1.906, 4.278, 4.301 – Sondereigentum, Einräumung 4.11, 4.99 – Sondereigentumsfähigkeit einzelner Räume 4.99 f. – Sondernutzungsrechte 4.46, 4.114 – Sondernutzungsrechte, Grunderwerbsteuer 4.392 – Teileigentum, Nutzungsart 4.40 M 47
– Umwandlung in Teileigentum 4.103, 4.105 M 57 – Unterteilung 4.91, 4.95 M 55 – Veräußerung, Grundstückshandel 1.614 – Vereinigung 4.96 – Werbungskosten 4.272 – Wohnungseigentumsgrundstück 4.121 Wohnungseigentum – Begründung – Abgeschlossenheitsbescheinigung 4.16, 4.245 – Aufteilungsplan 4.8, 4.25 f. – Doppelhaushälfte 4.43, 4.45 M 48 – einseitige Willenserklärung 4.7 – Genehmigung 4.17 – Grunderwerbsteuer 4.384 – Mehrhausanlage 4.19 – Sondereigentumsfähigkeit 4.11 – sukzessive 4.19 – vertraglich 4.5 Wohnungseigentum – Besteuerung – Ertragswertverfahren 1.1438 – Familienheim 1.1398, 4.416 – gemischt genutzte Grundstücke 4.304 – Gewerbesteuer 4.332 – Grunderwerbsteuer 1.1115, 4.381 – Grunderwerbsteuer, Sondernutzungsrechte 4.392 – Grundsteuer 4.411 – im Betriebsvermögen 4.302, 4.332 – im Privatvermögen, selbstbewohnt 4.301 – im Privatvermögen, vermietet 4.271, 4.331 – Sachwertverfahren 1.1442 – Umsatzsteuer 1.1283, 4.351 – unbenannte Zuwendungen 4.413 – Vermietung und Verpachtung 4.271, 4.354 Wohnungseigentum – Veräußerung – Abnahme 3.149, 3.157 M 41 – Abnahme, Gemeinschaftseigentum 4.171 M 61 – Abnahmevollmacht 3.149 – Bauträgerkaufvertrag mit Änderungsvorbehalt 4.165 M 60 – Beschlüsse der Eigentümerversammlung 4.188 – Gewährleistungsansprüche 4.168 – Gewährleistungsansprüche, Abnahme 4.171 M 61 – Gewerbesteuer 4.332 – Gewinnrealisierung 4.303
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Stichwortverzeichnis – Grunderwerbsteuer 4.381 – Mieterschutz bei Umwandlung in Eigentum 4.202 ff. – Nachhaftung des Veräußerers 4.201 – privates Veräußerungsgeschäft 4.281, 12.1 – Teilungserklärung 4.161 – Umsatzsteuer 1.1241, 4.351 – Vertragsgegenstand, Bezeichnung 4.161 – Zustimmung des Verwalters 4.183, 4.186 Wohnungseigentum – Verwaltung – Abnahmevollmacht 3.149 – Beschlusssammlung 4.66 – Betriebskosten 4.58 f. – Gemeinschaftsvermögen 4.132, 4.200 – Hausgeldansprüche 4.61, 4.198 – Kostenverteilungsschlüssel 4.35, 4.58 – Mehrhausanlagen 4.19, 4.58 – Reparaturrücklage, steuerliche Behandlung 1.508 – Steuerpflichten des Verwalters 4.442 – Stimmrecht 4.63 – Stimmrecht, Nießbraucher 7.45 – Umsatzsteuerausweis 4.356 – Verwalterabrechnung 4.441 – Verwalterbestellung 4.67 – Verwalterkompetenzen 4.67 f., 4.131 – Verwaltervergütung 4.60 – Verwalterzustimmung 4.183 – Verwaltungsvermögen 4.132 Wohnungseigentümergemeinschaft – Bauabzugssteuer 4.280 – Betriebskostenverteilung 4.58 – Bezeichnung im Rechtsverkehr 4.126 M 59 – Eigentümerversammlung 4.62 – Einpersonen-Eigentümergemeinschaft 4.135 – Gemeinschaftsvermögen 4.200 – Gewährleitungsansprüche, Gemeinschaftseigentum 4.180 M 62, 4.182 M 63 – Grundbuchfähigkeit 4.129 f. – Haftungsverfassung 4.133 – haushaltsnahe Dienstleitungen 4.279 – Instandhaltungsrücklage 4.273, 4.383 – Instandsetzung 4.174 – Rechtsfähigkeit 4.124, 4.128, 4.134 – Stimmrecht, Nießbraucher 7.45 – Umsatzsteueroption 1.1284, 1.1287 – umsatzsteuerpflichtige Leistungen 1.1284, 4.355
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– Veräußerungsbeschränkung, Aufhebung 4.56 f. – Versammlungsprotokoll 4.190 M 64 – Verwalter 4.67 – Verwaltungskompetenz 4.128 – Verwaltungspflicht 4.174 – Werdender Wohnungseigentümer 4.134 – Zerwürfnis, Offenbarungspflicht 2.179 Wohnungseigentümerversammlung – eintragungspflichtige Beschlüsse 4.188 – Ladung 4.62 – Mehrheitsbeschluss 4.64 – Stimmrecht 4.63 – Versammlungsprotokoll 4.190 M 64 Wohnungserbbaurecht 4.391 Wohnungsleerstand – Einkünfteerzielungsabsicht 1.854 – Grundsteuer 1.1342 Wohnungsrecht – Abgrenzung zum Nießbrauch 7.14 – Leibrentenkaufvertrag 1.762, 1.757 M 5 – Verzicht, Gestaltungsmissbrauch 13.86 – Vorbehaltsnießbrauch 7.218 Wohnungsunternehmen 1.1406 ff.
Zebragesellschaft
8.83 Zentralnotar 3.12 Zubehör – Besitzkonstitut 2.56 M 11 – Besitzübergang, Einigung 2.54 M 10 – Eigentumsübergang 2.41 – einkommensteuerliche Behandlung 1.504 – Grunderwerbsteuer 2.38 – Insolvenz, Vormerkungsschutz 2.47 ff. – Kaufpreisaufteilung bei Mitverkauf 2.38, 2.207 – Kaufvertrag, Regelungen 2.42 M 9 – Mitverkauf 2.33, 2.42 M 9 – Räumung 2.40 Zuflussprinzip 12.107 Zugewinnausgleich – Gebäudeerrichtung auf Miteigentumsgrundstück 1.525 – private Veräußerungsgeschäfte 12.36 Zugewinngemeinschaft – modifizierte, Gestaltung im Rahmen der Einkommensbesteuerung 12.37 Zug-um-Zug – Auflassung nach vollständiger Kaufpreiszahlung 3.134, 3.136 – Kauf, Ablaufschema 2.4
Stichwortverzeichnis – Verbrauchervertrag 2.90 – Vorleistungsrisiko, Vermeidung 2.133 – Vormerkung, Löschungsvollmacht 2.133, 2.139 M 18 – wirtschaftliches Eigentum 2.146 Zuwendungsnießbrauch – Ablösung 7.172 – AfA 7.91, 7.97, 7.103 – Anschaffungs-/Herstellungskosten 7.91 – entgeltlicher 7.89, 7.96 – Familien-KG 8.114 – Gegenleistung, Besteuerung 7.102 – Grundstücksschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt und Rückforderungsrecht 7.309 M 69 – Immobilienverwaltungs-GmbH 9.196 – Schenkungsteuer 7.229 – teilentgeltlicher 7.90, 7.104 – Umsatzsteuer 7.257 ff. – unentgeltlicher 7.89, 7.91 – Vermietungseinkünfte, Zurechnung 7.94 – vermögensverwaltende KG 8.114 – Werbungskostenabzug 7.92, 7.100 – wiederkehrende Leistungen 7.100 Zwangsversteigerung – Beitritt weiterer Gläubiger 2.394 – Beschlagnahmezeitpunkt 2.396 – Drittwiderspruchsklage 2.405 – Einstellung 2.401 – Einstellung, Anregung 2.411 – Erbbaurecht 5.56 – Erlöschen der Vormerkung 2.409 – Grunderwerbsteuer 1.1101 – Kaufvertrag, Fälligkeitsvoraussetzungen 2.415 M 34 – Kaufvertrag, Lastenfreistellungskosten 2.415 f. M 34 – Kaufvertrag, ZVG-Kosten 2.415 f. M 34 – Notarvollmacht 2.415 M 34 – private Veräußerungsgeschäfte 12.13 – relatives Veräußerungsverbot 2.409 – Versteigerung hinderndes Recht 2.400 – vormerkungswidrige Verfügungen 2.404
– Wertersatzanspruch des vormerkungsberechtigten Käufers 2.410 Zwangsvollstreckung während Kaufvertragsabwicklung – Abtretungsmodell 2.436 – echter Vertrag zugunsten Dritter 2.439 – Grundstückskauf 2.426 – Kaufvertragsgestaltung 2.430 – Löschungsvormerkung, sofort vollziehbare 2.459 – Notaranderkonto 2.179, 2.431, 2.442, 2.457 – Pfändung des Auflassungsanspruchs 2.426 – Pfändung des Kaufpreisanspruchs 2.434, 2.442 – Pfändung des Kaufpreisanspruchs, Notaranderkonto 2.442 – Pfändung von Rückgewähransprüchen 2.448, 2.452 M 37 – Schubladenlöschung 2.179, 2.427, 2.431 – unechter Vertrag zugunsten Dritter 2.440 f., 2.441 M 36 – Vollstreckungsschutz 2.441 M 36 Zwangsvollstreckungsunterwerfung – Bauträgerkaufvertrag 3.164 – Erbbaurecht 5.57 – Maklerklauseln 2.334, 2.338 – Verbrauchervertrag, Muster 2.91 M 13 Zweifamilienhaus – Ertragswertverfahren 1.1438 – Sachwertverfahren 1.1442 Zweiterschließung – Erschließungskostenbeiträge 1.968 Zweitwohnungssteuer – Bemessungsgrundlage 1.1343 – Erwerbszweitwohnung 1.1345 – Nießbrauch 7.273 – Rechtsgrundlage 1.1343 – Satzungserfordernisse 1.1346 – Werbungskosten bei Ferienwohnung 1.972 – Werbungskostenabzug 1.972 – Wohnungsbegriff 1.1347
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