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German Pages [173] Year 2021
Rainer Hoffmann
Im Paradies Adam und Eva und der Sündenfall – Albrecht Dürers Darstellungen
Böhlau Verlag Wien Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Umschlagabbildung : Ausschnitt aus: Adam und Eva / Der Sündenfall, 1510, Federzeichnung, Wien, Albertina Korrektorat: Sara Alexandra Horn Scans: Daniel Schneider, Düsseldorf Umschlaggestaltung : Michael Haderer, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52387-9
Für Gertrud
Inhalt
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Der Kupferstich 1504 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Die Gemälde 1507 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Der Holzschnitt 1510 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Federzeichnung 1510 . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Blick in die Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Einführung
Am Anfang war der Sündenfall
Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. / Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, / doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon ißt, wirst du sterben. […] Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? / Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume des Gartens dürfen wir essen; / nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. / Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. / Da sah die Frau, daß es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, und daß der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. (Gen 2,15–17; 3,1–7.)1
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Diese Verse aus der Genesis, dem ersten Buch des Alten Testamentes, sind der entscheidende Kontext für das Betrachten und Interpretieren der Adam-und-Eva-Sündenfall-Werke Albrecht Dürers (1471–1528). Lakonisch berichten die Genesisverse von Gottes Verbot und vom Sündenfall der Ureltern der Menschen, die durch die Schlange zum Übertreten des göttlichen Gebotes verführt wurden. Der Lakonismus der sieben Verse mit dem Bericht von der Verführung und vom Sündenfall Evas und Adams steht im Gegensatz zu den ausführlichen, in sich oft sehr widersprüchlichen und darum sehr interpretationsbedürftigen Erzählungen der Genesiskapitel 2 und 3. Mit den Berichten von der Erschaffung des Gartens Eden samt üppiger Fauna und Flora, von der Erschaffung Adams „aus Erde vom Ackerboden“ (Gen 2,7), der Erschaffung Evas aus einer „Rippe“ Adams (Gen 2,21–22) und von der Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten Eden bilden die beiden Kapitel die konkret anschauliche, hier und da fast schon konkretistisch detaillierte und auch dialogische Rahmenerzählung. In sie ist der Bericht von der Verführung Evas durch die Schlange und vom gemeinsam begangenen Sündenfall der Ureltern als Höhepunkt und als Peripetieereignis der Schöpfungsgeschichte eingefügt.2 Das kurze Sündenfalldrama besteht aus nur zwei Szenen: der Verführung und der folgenden Tat.3 Mit der hinterhältigen, Gott verdächtigenden und Misstrauen zwischen den ersten Menschen und ihrem Schöpfer evozierenden Frage verstrickt die listige Schlange Eva in ein Gespräch, auf das sich Eva einlässt. Sie weist zwar die bösartig-raffiniert insinuierende Behauptung der Schlange, dass sie, Adam und Eva, von den Früchten aller Bäume des Gartens nicht essen dürfen, als Lüge zurück. Doch korrigiert sie die Aussage der Schlange, indem sie ihr gleichzeitig mitteilt, was Gott wirklich gesagt hat. Genau dadurch bietet sie der Schlange die Gelegenheit, Gott frontal anzugreifen und ihn
Einführung
als Lügner zu denunzieren. So weckt die diabolisch-hinterlistig agierende Schlange in Eva sowohl noch mehr Misstrauen gegen den Schöpfer als auch gleichzeitig ganz unmittelbar das Begehren, von den köstlichen Früchten des sich in der Mitte des Gartens Eden wie eine „Augenweide“ präsentierenden Baumes zu essen und „klug zu werden“. Auf die Verlockung, zu werden „wie Gott“, folgt die Tat: das Übertreten des göttlichen Gebotes, der Sündenfall. Eva pflückt eine Frucht vom „Baum der Erkenntnis“, den sie – nach ihren eigenen, Gottes Verbot erweiternden und verschärfenden Worten – nicht einmal berühren darf, isst von ihr, reicht sie weiter an Adam, „ihren Mann, der bei ihr war“, der die Frucht annimmt, von ihr isst und sich so ebenfalls versündigt gegen Gott.4 Der Sündenfallbericht ist für die zahllosen skulpturalen und malerischen Darstellungen des biblischen Geschehens seit frühchristlicher Zeit gleichsam das literarisch-anschaulich inspirierende Vorbild. Aus der Folge der Adam-und-Eva-Erzählungen – Erschaffung Adams, Erschaffung Evas, Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies5 – wird von Anfang an immer wieder der Sündenfall zum bedeutendsten Thema künstlerischen Schaffens.6 Er ist das alles entscheidende Ereignis der Genesis. Mit ihm und seiner Folge, der Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten Eden, beginnt nach jüdisch-christlichem Glauben sowohl die Unheils- wie die Heils- und Erlösungsgeschichte der Menschen und ihrer Welt in der Erwartung des Kommens des Messias und der Wiederkunft Jesu Christi.7 In die illustre, unüberschaubar lange Reihe all jener Künstler, die die Adam-und-Eva-Erzählungen des Alten Testamentes und besonders den Bericht vom Sündenfall des Urelternpaares für ihre Kunstwerke als Thema für phantasievolle Variationen gewählt haben, gehört Albrecht Dürer. Schon sehr früh hat er sich mit der biblischen Geschichte beschäftigt. Unter den 1493 entstandenen Illustrationen zu dem christlichen Tugendspiegel Der Ritter vom
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Einführung
Turn, den der französische Chevalier Geoffroy de La Tour Landry 1371/72 zur Unterweisung seiner Töchter verfasst hat, ist auch ein Holzschnitt Adam und Eva / Der Sündenfall zu sehen (Abb. 1).8 In Dürers späterem Œuvre sind es zwei hochbedeutsame Werke, mit denen er sich auf ungemein künstlerische Weise der Erzählung von diesem letzten Ereignis der eigentlichen Schöpfungsgeschichte widmet. Zunächst mit dem ein Jahr vor seiner zweiten VenedigReise geschaffenen Kupferstich Adam und Eva / Der Sündenfall, der auf einem ins Bild integrierten Cartellino mit Dürers, des Nürnbergers, Namen, seinem Monogramm und der Jahreszahl 1504 signiert ist: Albert(vs) / Dvrer / Noricvs / Faciebat / 1504 / AD. Und dann drei Jahre später mit dem Doppeltafel-Gemälde Adam und Eva; auch dieses, sein „erstes großes Malwerk“9 nach seiner zweiten Italien-Venedig-Reise, hat er entsprechend in ausgesucht schöner Schrift auf Lateinisch ausgezeichnet. Auf einem an einem Ast rechts von Eva präsentierten Täfelchen mit seinem vollen Namen und mit dem weltberühmten AD-Monogramm ist zu lesen: Albert(us) durer aleman(us) faciebat post virginis partum 1507 / AD. Als eine dritte im Kontext dieser Studie zu thematisierende Darstellung des Sündenfalls ist der Holzschnitt Der Sündenfall aus der um 1510 entstandenen Kleinen Passion zu erwähnen; mit dem nächsten, dem 3. Holzschnitt Die Vertreibung aus dem Paradies, werden in der Kleinen Passion auch die Folgen des Sündenfalls durch die machtvolle Gestalt des ein großes Schwert schwingenden Cherubs hochdramatisch inszeniert.10 Aufgrund außergewöhnlicher Besonderheiten erweist sich schließlich auch eine Federzeichnung mit dem Sündenfall gleichfalls aus dem Jahre 1510 als speziell auffallend und beachtenswert, als ein Ausnahmeblatt. Der Lakonismus der biblischen Geschichte steht in deutlichem Gegensatz zu den ausmalenden Bilder-Erzählungen der Werke Dürers. Mit ihren so bemerkenswert eigenwilligen Veränderungen lesen sich Dürers Sündenfallbilder gleichsam als Dürers individuelle Sündenfallerzählungen. Einerseits orientiert er sich an der bib-
Einführung
1: Adam und Eva / Der Sündenfall, 1493, Holzschnitt
lischen Erzählung vom Sündenfall, indem er natürlich die Hauptakteure – Adam, Eva und die Schlange – mal mehr, mal weniger handelnd auftreten lässt. Andererseits weicht er vom Genesistext und von den durch ihn eindeutig evozierten Garten-Eden-Vorstellungen ab; vor allem weicht er bei den Handlungen der Akteure gründlich ab, indem er den Text einfach ignoriert, anders erzählt und entsprechend inszeniert.11 Das zeigt sich – wie im Folgenden ausführlich dargelegt wird – bei den einzelnen Werken unterschiedlich konkret in entscheidenden, aber auch in weniger bedeutenden szenischen Aspekten der Bilder. Es zeigt sich in den fragwürdigen, nicht eindeutig zu deutenden Blicken und Gesten sowohl Evas, die immer als Handelnde auftritt, als auch Adams, der – außer auf der Zeichnung von 1510 – nur durch seine Gebärden präsent ist. Was auf Dürers
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Adam-und-Eva-Bildern zu sehen ist, sind angehaltene Aktivitäten, Momentaufnahmen, erfasste Augenblicke. Auch sie sind „Stillleben“. Da es sich bei den Gesten um stillgestellte, bildlich fixierte Aktionen handelt, kann oft nur – mal mehr, mal weniger, mal nicht überzeugend begründet – gesagt werden, wie die einzelnen Aktionen in einem narrativen Kontext zu sehen, zu beschreiben und wie sie dann aufgrund des jeweils konstatierten Befundes zu interpretieren sind. Sowohl die Vor- und Nachgeschichte wie die Motive der Handlungen Evas und des – auch auf dem Gemälde – statuarisch rein gestischen Verhaltens Adams sind nicht eindeutig zu benennen. Die Darstellungen fallen aus dem Rahmen der bekannten biblischen Sündenfallgeschichte. Sie gehören zu einer anderen, einer fremden Erzählung, deren Autor Albrecht Dürer heißt. Durch die Eigenheiten und Uneindeutigkeiten, die sich in den bibelfremden Details manifestieren, wird das inhaltliche Verständnis der Werke erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. So werden die Interpreten immer wieder mit entsprechenden Problemen konfrontiert und zu oft sehr fragwürdigen Deutungen verleitet.12 Interpretieren von Kunstwerken ist wie Rechnen mit vielen Unbekannten. Dürer scheint eine annähernd textgetreue Darstellung der biblischen Erzählung von der Verführung Evas durch die Worte der Schlange und von Adams und Evas Sündenfall durch die Übertretung des göttlichen Gebotes von Anfang an nicht im Blick gehabt zu haben. War – so lässt sich die Frage zuspitzen – für Dürer der Bezug auf die Genesisgeschichte mehr als nur eine Art Alibizitat, ein willkommener Alibikontext? Sicherlich dürfte die Wahl der biblischen Erzählung zur Inszenierung des bildlichen Rahmens eine Art Vorwand gewesen sein für die Darstellung der großartigen Akte.13 Beim Kupferstich und bei den Gemälden spielt Dürers so intensives, „unendlichen Fleiß und Scharfsinn“14 bezeugendes Bemühen um die Erforschung der idealen Proportionen des schönen
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menschlichen Körpers die zentrale Rolle und findet es seine bildliche Erfüllung.15 Doch geht es auch um Adam und Eva als erste Menschen, die als Gottes Geschöpfe im Paradies Gottes Gebot durch Hochmut missachten und den Sündenfall begehen. Den unterschiedlich eigenwilligen und fragwürdigen Darstellungen des zentralen, alles entscheidenden Ereignisses der Schöpfungsgeschichte und ihrer Bedeutung für die Interpretation der Adam-und-Eva-Kunstwerke Albrecht Dürers gilt in dieser Studie detailliert und konzentriert die ganze Aufmerksamkeit: Wie Dürer auf seinen Bildern Adams und Evas Sündenfall, der im Buch Genesis als Evas Verführung durch die Schlange und als Akt des Pflückens und des gemeinsamen Essens der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis in der Mitte des Paradieses geschildert wird, auf seine ganz eigene Weise zur Anschauung bringt. Um Dürers so andere Adam-und-Eva-Sündenfall-Bilder in ihrer Eigenart deutlicher zu konturieren, wird im letzten Kapitel ein Blick in die Geschichte der Adam-und-Eva-Sündenfall-Darstellungen riskiert. Bei der unendlichen Fülle der Ergebnisse künstlerischer Bemühungen um das so bedeutsame Thema christlichen Glaubens und christlicher Theologie ist ein solcher Rückblick nur bedingt möglich. Doch lässt sich an einer Auswahl von Kunstwerken aus verschiedenen früheren Jahrhunderten aufzeigen, in welch weiträumigem Kontext Dürers Adam-und-Eva-Werke zu sehen sind. So wird speziell der Unterschied zu Dürers Werken in ihrer Eigenart als situative Einzelbilder vor dem Hintergrund szenisch in Bildsequenzen erzählender Adam-und-Eva-SündenfallDarstellungen deutlich sichtbar; z. B. in Gestalt von Miniaturen der Alkuin-Bibel und der Grandval-Bibel aus karolingischer oder von Bronzereliefs an der Bernwardtür des Hildesheimer Doms aus ottonischer Zeit; außerdem geht es um acht venezianische Mosaiken der Genesiskuppel in San Marco aus dem 13. Jahrhundert und um nur eine einzige, jedoch mehrszenische Miniatur der Gebrü-
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Einführung
der Limburg im Stundenbuch des Duc de Berry vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Der Blick richtet sich jedoch auch auf ausgewählte Werke einiger Künstlerzeitgenossen Dürers, die sich ebenfalls gründlich von Bildern früherer Jahrhunderte unterscheiden. Gleichzeitig werden bei einem Vergleich mit Dürers Werken Ähnlichkeiten und gravierende Unterschiede manifest, die die Adam-und-Eva-SündenfallBilder der Renaissancekünstler aufweisen: von Lucas Cranach dem Älteren, Hans Baldung Grien, Raffael, Tizian und Michelangelo. Vor allem aber zeigt sich in den Werken dieser Künstler, in welch erstaunlich unterschiedlicher Weise sie die Genesiserzählung von Adams und Evas Sündenfall oft extrem bibeltextfern bildlich interpretiert haben.
Der Kupferstich 1504
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uf Albrecht Dürers Kupferstich (Abb. 2) erinnern – wie bei seinen anderen Adam-und-Eva-Bildern – nur die drei Akteure an den Wortlaut der Sündenfallerzählung der Genesis: Adam und Eva, das erste Menschenpaar, und die Schlange. Alles andere – sowohl was das Verhalten der Personen als auch den Schauplatz des Ereignisses betrifft – hat mit dem biblischen Bericht vom Paradies nichts oder nur von fern etwas zu tun. Da ist auf dem Stich vordergründig, wenn auch unmittelbar hinter Adam und Eva ein fast schon dschungeldicht und bedrohlich-finster mit hohen Bäumen zugewachsenes Waldstück zu sehen16; und außerdem – rechts im Hintergrund angedeutet – eine landschaftliche Inszenierung mit Gebirgen, wo fern auf der Spitze eines gefährlich schmalen Felsens ein so trittsicherer wie schwindelfreier Steinbock steht und in den Abgrund schaut.17 Mit einem Garten Eden, der doch eher paradiesisch-arkadisch als locus amoenus, hortus deliciarum oder jardin de plaisance zu imaginieren ist, hat der Schauplatz auf dem Kupferstich nicht die geringste Ähnlichkeit. Von dem sich in vier „Hauptflüsse“ teilenden „Strom“, der in Eden entspringt und den Garten bewässert (Gen 2,10–14), ist nicht einmal etwas zu ahnen.18 Gott, der Herr, formte – wie Adam, den ersten Menschen – ebenfalls „aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels“, denen der Mensch Namen geben sollte (Gen 2,19– 20). Auf Dürers Kupferstich haben sie ihren namentlichen und vor allem ihren allegorisch bedeutsamen Auftritt als Maus, Katze, Kaninchen/Hase, Elch/Hirsch, Rind/Ochse/Stier, Steinbock/ Gämse/Ziegenbock, Papagei und Schlange.19 Gott, der Herr, ließ aus dem „Ackerboden“ des Gartens auch „allerlei Bäume wachsen,
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Der Kupferstich 1504
2: Adam und Eva / Der Sündenfall, 1504, Kupferstich
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verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten“ (Gen 2,9) oder – wie Martin Luther übersetzt – „lüstig an zu sehen / vnd gut zu essen“. Auf dem Stich sind sie präsent sowohl als Bergesche, an der Adam sich mit seiner Rechten festhält und die traditionell als der Baum des Lebens identifiziert wird, wie auch als Apfelbaum, der als der Baum der Erkenntnis bezeichnet wird. Dieser Baum erweist sich aber, wie seine Blätter im Gegensatz zu seinen Apfelfrüchten demonstrieren, als ein hybrides Gewächs, nämlich auch als Apfelfeigenbaum. Im Bericht vom Sündenfall der Genesis ist der verlockende Baum, „der in der Mitte des Gartens steht“ und für Eva „eine Augenweide war“, nicht näher in seiner Art benannt. Als einziger Baum in der Verführungsgeschichte der Genesis wird indirekt ein Feigenbaum namentlich genannt (Gen 3,7), dessen Blätter für die Ureltern nach dem Sündenfall sehr nützlich und hilfreich waren. Von ihm nahmen Adam und Eva, als sie unmittelbar nach dem Sündenfall „erkannten, dass sie nackt waren“, Blätter, hefteten sie zusammen und machten sich einen Schurz, um ihre Scham zu bedecken. Auf Dürers Kupferstich handelt es sich in der Tat bei Evas Schambedeckung um Feigenbaumblätter, die – von ihr freilich nicht zusammengeheftet – zu dem Feigenbaumzweig gehören, den Eva mit seiner Frucht, einem Apfel, in ihrer linken Hand gewollt ungewollt so hält, dass seine Blätter ihr Geschlecht verbergen. Bei Adam sind es die – ebenfalls nicht zu einem Schurz zusammengehefteten – gezackten Blätter der Bergesche, neben bzw. vor der er steht und von deren Stamm unten ein Zweig so willkommen wie zufällig herüberwächst, um mit seinen Blättern das membrum virile des ersten Menschen/Mannes zu verhüllen.20 Nicht nur der Schauplatz, sondern auch das auf dem Kupferstich zu sehende und zu erlebende Schauspiel – der Auftritt der drei Akteure, ihr aktives Handeln ober passives Verhalten, ihre Mimik und ihre Gestik – unterscheidet sich wesentlich sowohl vom nüchternen Bericht der Genesiserzählung als auch von der
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durch die Erzählung evozierten Bilderwartung des Lesers und Betrachters. Auf einer Art Lichtung stehen der große, schöne, nackte Adam und die große, schöne, nackte Eva als helle imposante Gestalten vor dem dunklen Walddickicht, das ein wenig belebt wird durch die ruhenden Tiere, speziell jedoch durch den zwischen den Bäumen verweilenden oder vielleicht vorbeiwandernden Hirsch/ Elch. In jener Pracht idealer menschlicher Proportion, um die sich Dürer immer wieder intensiv theoretisch in Abhandlungen und praktisch mit Entwürfen und ausgeführten Zeichnungen bemüht hat – besonders in den Jahren vor dem Kupferstich21 –, stehen Adam und Eva links und rechts neben dem verbotenen Baum der Erkenntnis. In der Mitte des Gartens Eden soll er seinen eminenten Platz haben, hier steht er immerhin in der Mitte des Bildes, das er in fast zwei gleich große Hälften teilt.22 In der thematisch eigentlichen Mitte des Bildes als Darstellung des Sündenfalles ist zwischen Adam und Eva die Schlange zu sehen, die sich elegant um den Stamm und um einen Ast des Baumes der Erkenntnis geschlungen hat. Bei ihrem Auftritt im Paradies stellt sich gleich die Frage, wie sie denn in den Garten Eden, einen Garten der Wonne seligen Daseins, kommen konnte, um Unheil anzurichten, letztlich den Tod zu bringen. Der Garten Eden, in dem selbst Gott, der Herr, „ambuliert“ (Gen 3,8), ist eben offensichtlich kein hortus conclusus, aus dem das Böse ausgeschlossen ist. Im Genesistext tritt die Schlange als sprechendes, dialogfähiges und bösartig verführendes Wesen auf. Gleich nach der gelungenen verbalen Verführung, nach nur zwei Sätzen im Gespräch mit Eva verlässt sie erst einmal den Schauplatz und ist bis zu ihrer Verfluchung durch Gott (Gen 3,14–15) nicht mehr präsent. Dürer jedoch lässt die gekrönte Schlange23, die sich entsprechend selbstbewusst – et in arcadia ego! – des Erfolges ihres heimtückischen Verführungsversuches sicher scheint, nicht als redend verführenden Agent Provocateur auftreten. Vielmehr erweist sie
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sich beim eigentlichen Sündenfall, der Missachtung von Gottes Gebot, als eigenmächtig tätig. Die Schlange ist es, die – auf drei der hier zu thematisierenden Adam-und-Eva-Bildern – den im Alten Testament durch Eva vollzogenen Akt des Pflückens der Frucht vom Baum der Erkenntnis bereits selbst ausgeführt hat.24 Die Schlange hat – falls das Szenario einmal so ausgedeutet werden kann – eine der „köstlichen Früchte“ vom Baum der Erkenntnis abgebissen und bietet sie Eva an.25 Sie kommt Eva gleichsam zuvor und entgegen. Sie hat durch das „Pflücken“ der Frucht und durch den Biss in die Frucht ein Fait accompli geschaffen, den Sündenfall vollzogen. Eva braucht ihn durch das Ergreifen des Apfels aus dem Maul der Schlange nur nachzuvollziehen, zu vollenden. Sie nimmt aber die Frucht noch nicht an, sie berührt sie nur mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand (Abb. 3). Es scheint, als handele es sich erst einmal um ein abwartendes, zögernd vorfühlendes Berühren, auf das das entschiedene Ergreifen und das Essen der Frucht folgen wird. Auf Dürers Kupferstich befindet sich der Sündenfall durch Eva noch in statu nascendi, er deutet sich erst an. Am Auftreten und am Verhalten sowohl der Schlange als auch Evas bei ihrer Begegnung, die etwas irritierend Spielerisches hat26, lässt sich Dürers eigenwillige, befremdend verfremdende Interpretation der biblischen Sündenfallerzählung besonders demonstrieren. Evas Geste auf dem Stich könnte nämlich auch den Eindruck erwecken, als ob sie die Frucht als schmackhaftes Futter der Schlange wie einem vertrauten Tier hinhält, das die Frucht dann auch gern in Empfang nimmt und in sie beißt. In diesem Fall wäre Evas preziöse Geste und Fingerhaltung durchaus plausibel. Ihr so sicherer wie interessierter, ja fast schon liebevoller Blick ist nicht auf Adam gerichtet, der sie seinerseits aufmerksam, aber auch fragend anschaut, sondern auf ihre Hand mit dem Apfel und auf die Schlange. Adam tritt deutlich entschiedener, energischer, doch nicht, wie die Haltung seines linken Armes gern gedeutet wird, fordernd auf.27 Wie sein aufmerksamer Blick auf Evas Gesicht, so
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deutet auch die Schrittstellung seiner Beine an, dass er sich Eva zuwendet, auf sie zugeht, vielleicht sogar ein Gespräch sucht. Adams Aktionen sind nur Reaktionen auf Evas Aktivitäten. Eva erscheint wie in sich und ihre hingebungsvolle Handlung des Nehmens der Frucht versunken, die eine Hinwendung zu Adam ausschließt.28 Vielmehr gleicht sie einem einverständigen, sprachlosen Zwiegespräch mit der Schlange.29 Evas intensiver Blick30 scheint die Deutung ihrer zweideutigen Geste als darreichende Handlung noch mehr zu beglaubigen, jedenfalls zumindest nicht als ganz abwegig zu erweisen.31 Doch passt eine solche Deutung der Geste Evas einfach nicht in den Kontext der Erzäh-
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lung vom Sündenfall. Die meisten Interpreten deuten denn auch mit Recht Evas Geste als Nehmen.32 Die Fragwürdigkeit von Evas so ambivalenter Geste des Griffs zur Frucht im Maul der Schlange wird dadurch nicht weniger problematisch.33 Genauso problematisch sieht es auf dem Stich bei einem weiteren Szenedetail zum Sündenfallmotiv aus. In ihrer Linken hält Eva mehr oder weniger versteckt einen abgebrochenen Zweig eines Feigenbaumes (Abb. 4), dessen Blätter an seiner Spitze wie zufällig ihre Scham bedecken. Der Zweig mit den Feigenblättern hat jedoch nicht nur die Funktion der Schamverhüllung.34 Da ist an dem in der biblischen Erzählung nicht vorkommenden Feigenbaumzweig auch noch eine weitere Frucht, die Eva in der Hand hält und die als Apfel zu identifizieren ist. Ein Feigenbaumzweig mit einem Apfel als Frucht! Dieses hybride Gebilde gibt Rätsel auf. Woher stammt der Zweig? Stammt er von dem hybriden Apfelfeigenbaum im Zentrum des Bildes, unter dem Adam und Eva stehen? Oder vielleicht von einem anderen, ebenfalls hybriden Apfelfeigenbaum unter all den Bäumen im Garten Eden, von denen – wie Eva die Schlange korrigiert (Gen 3,2) – die Ureltern Früchte pflücken und essen dürfen?35 Von welchem Baum der Zweig mit der Frucht eigentlich nur stammen kann, dürfte sich hier sagen lassen. Nämlich – um nicht einen auf dem Stich nicht sichtbaren hybriden Baum im Paradies mit erlaubten Früchten herbeizubemühen – vom Baum der Erkenntnis im Zentrum des Gartens und des Bildes. Bei den Blättern am Zweig mit dem Apfel handelt es sich wie bei den Blättern des Baumes in der Mitte um Feigenbaumblätter. Auch die Frucht in Evas linker Hand gleicht deutlich den Apfelfrüchten des hybriden Baumes wie auch der Frucht im Maul der Schlange und in Evas rechter Hand. Wann und wie könnte Eva den Zweig samt Apfel von dem zentralen Baum abgebrochen und dadurch Gottes Gebot übertreten haben? Offensichtlich schon vor der Verführung durch die Schlange, vor dem eigentlichen Akt des zentralen Sün-
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denfalls, der nach Evas Griff zum Apfel im Maul der Schlange zu erwarten ist und sich ereignen wird. Das ist jedoch mit der Sündenfallerzählung des Alten Testamentes nicht vereinbar. Dann hätte Eva bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Während sich beim zentralen Bildthema der Sündenfall durch das definitive Annehmen oder „Pflücken“ der Frucht aus dem Maul der Schlange nur erst andeutet, wäre er hier schon vollzogen. Eva hätte sich am verbotenen Baum aggressiv vergriffen, den sie – ihren eigenen Worten (Gen 3,3) entsprechend – nach Gottes Gebot nicht einmal
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berühren darf. Sie hätte den Zweig mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis in der Mitte des Paradieses eigenmächtig abgebrochen und insofern den Apfel, auch wenn er vielleicht noch am Zweig hängt, bereits gepflückt. Das „Pflücken“ des Apfels aus dem Maul der Schlange erübrigte sich dann. Warum verbirgt Eva gerade diese Frucht so demonstrativ hinter ihrem Körper? Verbirgt sie den Apfel als Corpus Delicti einer bereits vollendeten Sündenfalltat, im Gegensatz zum noch nicht gepflückten Apfel im Maul der Schlange und in Evas Hand als Corpus Delicti einer künftigen Handlung? Und warum sollte Eva den Apfel am Zweig vor Adam verbergen, dessen ausgestreckter linker Arm mit der halb geöffneten Hand als Geste des Forderns der Frucht interpretiert wird?36 Fordert Adam eindeutig diese sekundäre Frucht? Kann seine Geste nicht vielleicht auch – wie auf dem Holzschnitt und der Federzeichnung – als eine Geste des Argumentierens verstanden werden, mit der er Eva vor dem endgültigen Vollzug des Sündenfalls warnen möchte? Warum sollte Adam, wenn er denn schon fordernd auftreten soll, gerade diesen Apfel so entschieden fordern37 und nicht den Apfel direkt vor ihm im Maul der Schlange und in Evas Hand: Jenen Sündenfallapfel – das eigentliche Corpus Delicti in spe –, den Eva in der Bibel unmittelbar nach dem Pflücken und In-die-Frucht-Beißen an Adam weiterreicht, der damit aufgefordert oder eingeladen wird, ihn zu nehmen und von ihm zu essen, was er dann auch gleich ohne jeden Einwand bereitwillig tut? Warum überhaupt der Zweig und der zweite Apfel; und zwar gleichzeitig mit der zentralen Ereignisszene im Zentrum des Bildes: der Begegnung von Eva und der Schlange mit dem Apfel im Maul, den Eva nur leicht anfasst? Fragen über Fragen. Es sind so gravierende Unentschiedenheiten, Eigenwilligkeiten und Ungereimtheiten durch Abweichungen von der in ihrem Lakonismus eindeutigen biblischen Sündenfallerzählung, die auf Dürers Kupferstich besonders in diesem Doppelmotiv der Gleich-
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zeitigkeit des Ungleichzeitigen sichtbar werden: In der gleichzeitigen Präsenz eines noch bevorstehenden und eines schon vollendeten Sündenfalls, auch wenn Eva noch nicht vom Apfel an dem von ihr selbst abgebrochenen oder „gepflückten“ Zweig gegessen hat. Sichtbar werden die Unstimmigkeiten außerdem sowohl in den fragwürdigen Zwei- oder Mehrdeutigkeiten der Blicke und der einstudiert wirkenden Gesten Adams und Evas als auch in den so gar nicht paradiesischen Inszenierungen des Schauplatzes. All die Fragwürdigkeiten lassen den Kupferstich so rätselhaft problematisch erscheinen, dass ihm – wie Heinrich Wölfflin mit Recht notiert hat – „vom Inhalt […] gar nicht beizukommen (ist)“38. *** Die inhaltlichen Probleme deuten sich bereits in Dürers zahlreichen vor der Ausführung des Stiches entstandenen Studien an, die er für die Sündenfalldarstellungen des Kupferstichs wie auch der Gemälde zum Teil übernommen hat. Zu den Federzeichnungen gehören neben Apollo-, weiblichen und männlichen Akt-, diversen Arm-, Hände- und Früchte- auch Adam-und-Eva-Studien, bei denen das Sündenfallthema andeutungsweise präsent ist.39 An den eindeutigen Adam-und-Eva-Zeichnungen hat sich Dürer jedoch strikt orientiert und sie sozusagen bildgenau – wie auch immer zur darzustellenden Geschichte passend – in einen erzählenden BildKontext übertragen40, indem er z. B. die Haltung der Arme und Hände oder die Stellung der Beine übernommen, doch auch eine Reihe Änderungen durch Ergänzungen und Hinwegnahmen vorgenommen hat.41 Ein detaillierter Vergleich von Dürers Adam-und-Eva-Studie (Abb. 5) aus dem Jahr 1504 mit dem im selben Jahr entstandenen Kupferstich vermag die so gemeinsamen wie gegensätzlichen Verwandtschaftsverhältnisse zu demonstrieren. Im Gegensatz zum Stich mit seinen so fragwürdigen Paradies-Assoziationen deutet auf der Federzeichnung (wie dann auch auf den Adam-und-Eva-
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5: Adam und Eva, 1504, Federzeichnung
Gemälden von 1507) mit dunkel ausgetuschtem Hintergrund nur ein Baumstamm samt Ast ganz am rechten Rand darauf hin, dass der Ort der Begegnung von Adam und Eva der Garten Eden sein könnte. Dass es um Adam und Eva und den Sündenfall geht, signalisieren die Früchte in ihren Händen. Anders als auf dem Stich stehen der nackte Adam auf der rechten und die nackte Eva auf der linken Seite. Außerdem schauen sich beide an, die hier jeweils
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6: Adam, 1504, Konstruktionszeichnung, Federzeichnung
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7: Adam, 1504, Reinzeichnung, Federzeichnung
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in der rechten Hand eine Frucht halten: Adam in der Hand des nach unten Eva entgegengestreckten und Eva in der Hand des seitlich hinter ihren Körper gedrehten Armes, so dass der Apfel ohne Zweig leicht verborgen wird. Der Gestik der rechten Arme auf dem Kupferstich entspricht auf der Zeichnung die Haltung ihrer linken Arme: Eva richtet ihren angewinkelten Arm mit offener leerer Hand Adam entgegen, und Adam hält sich mit seinem erhobenen Arm an dem Ast des Baumes am Rande der Zeichnung fest. Für den Sündenfallkupferstich musste Dürer ganz speziell Evas nur hinweisende oder auch eine Gesprächssituation andeutende Geste ihres linken angewinkelten Armes auf der Zeichnung passend machen.42 Um Evas Handeln anschaulich werden zu lassen, hat Dürer als Ergänzung zu ihrer Geste auf der Zeichnung für den Stich die Variante von Evas Begegnung mit der Schlange gewählt, die sich um den bildzentralen Garten-Eden-Baum windet und den in ihrem Maul gehaltenen Apfel Eva anbietet, die ihn jedoch vorerst mit der rechten Hand nur berührt. Weniger bedeutend, doch beachtenswert ist auch, dass Dürer auf dem Kupferstich den auf der Zeichnung von Eva hinter ihrem Körper verborgenen Apfel durch einen Feigenbaumzweig angereichert hat; sicherlich auch aus Verlegenheit, weil er ein Feigenblatt für die nackte Eva ins Bild bringen musste und so eine Notlösung gefunden werden konnte. Von dieser Notlösung einmal abgesehen, wird durch die Hinzufügung des Zweiges die Frage nach dem Sinn der zweifelhaften Präsenz des zweiten Apfels in Evas linker Hand, der im Genesisbericht nicht vorkommt, im Kontext der Sündenfallerzählung noch verschärft und virulenter. Andererseits hat Dürer die auf der Zeichnung zu sehende Frucht in der Hand von Adams nach unten ausgestrecktem Arm auf dem Kupferstich weggelassen. Sie passt ebenso wenig zum Verhalten Adams in der Erzählung der Genesis wie Evas zweiter Apfel an dem Zweig. Adams nach unten ausgestreckter Arm mit der
Der Kupferstich 1504
Frucht in der Hand ist sowohl auf der Adam-und-Eva-Zeichnung wie auch auf den Adam-Zeichnungen aus dem Jahre 1504 (Abb. 6 und 7) als Geste des an Eva Darreichens, zumindest des Herzeigens der Frucht zu verstehen. Durch das Wegnehmen der Frucht erhält die identische Armgeste auf dem Kupferstich sicherlich eine andere Bedeutung. Ob jedoch aus der Geste des Anbietens auf den Zeichnungen auf dem Stich eine Geste des Forderns wird43, bleibt die Frage. Was Dürer im Gegensatz zu den variierten Gesten merkwürdigerweise nicht von der Zeichnung in den Kupferstich übernommen hat, ist der Blickkontakt zwischen Adam und Eva. Von Blickkontakt kann zweifellos die Rede sein, auch wenn Eva ihren Kopf leicht geneigt hat. Die angedeutete Neigung scheint auf Evas anders gesenkte Kopfhaltung auf dem Kupferstich hinzudeuten, die jeden Blickkontakt mit Adam ausschließt. Eine Aktion wie der gemeinsam begangene Sündenfall, bei dem – in der Genesis – Eva den Apfel, den sie vom Baum der Erkenntnis gepflückt und von dem sie gegessen hat, gleich an Adam weiterreicht, damit auch er davon esse, kann ohne gegenseitiges Anschauen oder gemeinsames Schauen auf die gereichte Gabe nicht durchgeführt werden. Dürer hat aber diese bedeutende Situation auf dem Kupferstich nicht entsprechend dargestellt, wie es die zentrale Geste von Evas rechter Hand zu erkennen gibt, die als ein Darreichen der Frucht an Adam nicht zu interpretieren ist. Evas Blick, der auf ihre Hand mit dem von ihr leicht berührten Apfel im Maul der Schlange, nicht aber auf Adam gerichtet ist, und ihre ganze Körperhaltung mit dem hinter den Rücken gedrehten linken Arm und dem verborgenen Apfel an einem Zweig in Evas Hand signalisieren keinerlei Hinwendung zu Adam.44
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Der Kupferstich 1504
8: Adam und Eva, 1507, Gemälde, Madrid, Museo del Prado
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ei aller Gegensätzlichkeit sind der Kupferstich und die herrlichen Adam-und-Eva-Gemälde (Abb. 8) durchaus vergleichbar.45 Doch die Unterschiede sind beachtlich, wie – unmittelbar auffallend – an dem ganz anderen, alles andere als paradiesischen Schauplatz bzw. so minimalistisch ausgestatteten Bühnenbild für den großen Auftritt der Protagonisten zu erkennen ist, aber auch an der anderen Haltung Adams und Evas, an der Stellung ihrer Beine und Füße, an den Handlungsgesten der Arme und Hände, vor allem aber an ihrem lebendigen Augenspiel, ihren erotischen Blicken. Die wunderschöne nackte, durch unendlich langes, leicht wehendes Haar besonders ausgezeichnete Eva, die „der herr mit vnuergleichlichem scheyn gezieret“46, deutet mit ihrer Geste der linken Hand – im Gegensatz zur Geste der rechten Hand Evas auf dem Kupferstich – eindeutig das Nehmen an, das Ergreifen einer Frucht, eines Apfels (Abb. 9). Er hängt an einem Zweig mit Blättern, den die Schlange von dem neben Eva am rechten Rand des Bildes stehenden Baum der Erkenntnis abgerissen hat. Nachdem – wie auf dem Stich – auch hier das kurze, Eva verführende Gespräch mit der Schlange bereits stattgefunden haben dürfte, bietet die um einen Ast des Baumes gewundene Schlange den Zweig mit der Frucht, den sie im Maul hält, mit fixierendem Blick Eva an (Abb. 10). Wie auf dem Stich hat die bunte Schlange auch hier im Gegensatz zum Text der Genesis eigenmächtig gehandelt, ist Eva zuvorgekommen, erspart Eva den Griff zum Apfel im Baum und bringt die verführerisch köstliche Frucht am Zweig gleich mit. Mit der offenen linken Hand und doch auch festem
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Die Gemälde 1507
10: Eva, 1507, Detail
9: Eva, 1507, Gemälde, Madrid, Museo del Prado
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12: Adam, 1507, Detail
11: Adam, 1507, Gemälde, Madrid, Museo del Prado
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Die Gemälde 1507
Griff ergreift sie den Apfel. Doch sie „pflückt“ ihn noch nicht mit dem abgerissenen Zweig aus dem Maul der Schlange und insofern dann auch nicht vom Baum mit den verbotenen Früchten. Bemerkenswert ist auf dem Gemälde, dass es sich bei dem randständigen Baum im Unterschied zum zentralen Baum der Erkenntnis auf dem Kupferstich nicht um ein Hybridgewächs, einen Apfelfeigenbaum, handelt, sondern – wie auch an den Blättern des Zweiges zu erkennen ist – um einen Apfelbaum. Adam (Abb. 11), nicht weniger wunderschön und ebenfalls mit leicht wehenden Haaren, schaut mit verzücktem Blick auf Eva, die ihrerseits leicht nach rechts in Richtung Adam zu blicken scheint. In der linken Hand hält er mit spitzen Fingern einer gezierten Geste wie beiläufig und abwartend unentschieden einen Zweig, den Eva von einem Ast des Baums der Erkenntnis über die Rahmen der Gemälde zu Adam hinüberreicht. An dem Zweig hängt das Prachtexemplar eines Apfels, den Adam präsentiert (Abb. 12). Diesen im Alten Testament nicht erwähnten zweiten Apfel nimmt Adam – anders als in der Bibel den von Eva gereichten Apfel der Verführung – nicht an und isst auch nicht von ihm. Wenn Adam den Apfel von dem Zweig pflückte, nähme er ihn – anders als Eva – direkt vom Baum der Erkenntnis. Von dem Ast, den Eva mit ihrer rechten Hand hält, bzw. von dem Zweig, den Adam in der linken Hand hält, wachsen hochwillkommen Blätter, die der Ureltern Scham bedecken. Die beiden Protagonisten werden vor dunklem Hintergrund und auf steiniger ausgetrockneter Erde ohne alle Reminiszenzen an paradiesische Flora, Fauna und Landschaft als Schauplatzkulisse gezeigt.47 Evas Geste des Ergreifens der Frucht, die sie, ohne hinzuschauen und die angriffig blickende Schlange zu beachten, ausführt, wirkt so, als wolle sie den Akt des Ungehorsams gegen Gott einfach nur so nebenbei, einfach – um es einmal so zu formulieren – lässig mit links vollziehen. Bei ihrem wie selbstverständlich und leichtsinnig ausgeführten Griff nach hinten links zur Schlange mit
Die Gemälde 1507
dem Apfel schenkt sie dem – in der biblischen Sündenfallerzählung – Akt des bewussten Pflückens nicht jene Aufmerksamkeit, die er unbedingt verdient.48 Er wird zur Nebensache, zur Belanglosigkeit. Er hat – wie Evas Begegnung mit der Schlange auf dem Kupferstich – etwas irritierend Spielerisches. So aber verliert der alles entscheidende Akt seinen Sinn als unheilvolle Tat, seine ganze biblische Bedeutung als der Sündenfall, als die Ursünde. Das Pflücken des Apfels spielt hier – wie sich auch im auffallend abseitig positionierten Baum der Erkenntnis zeigt – nur eine Nebenrolle bei der Präsentation der wunderbaren Adam-und-Eva-Akte. *** Auf zwei Federzeichnungen – einer Konstruktions- und Reinzeichnung von 1506, ein Jahr vor den Gemälden – hat Dürer Evas mögliche Armhaltungen gleichsam einstudiert (Abb. 13 und 14). Auf dem Gemälde weisen Evas rechter, leicht angewinkelter Arm und die rechte Hand Ähnlichkeiten mit der Haltung von Evas rechtem Arm auf der Reinzeichnung auf. Sie hält auf dem Gemälde mit einer preziösen Geste den Ast, von dem der von Adam ebenfalls mit einer gezierten Geste gehaltene Zweig mit dem Apfel zu ihm hinüberwächst. Ganz ähnlich hält sie auf der Reinzeichnung einen Zweig an einem neben ihr emporwachsenden hohen Ast des Baumes fast schon neckisch affektiert mit gespreizten spitzen Fingern unten zwischen Daumen und Zeigefinger. Doch im Unterschied zum linken Arm auf dem Prado-Gemälde, den Eva angewinkelt hat, um mit der Hand den Apfel vom Zweig im Maul der Schlange zu ergreifen, hat sie auf den Zeichnungen mal den rechten, mal den linken Arm – entsprechend der Haltung beim Pflücken einer Frucht von einem Baum – hoch über den Kopf erhoben und hält in der Hand eine Frucht. Beide Zeichnungen gleichen sich sowohl in der Geste des erhobenen, eine nicht an einem Zweig hängende Frucht in der Hand haltenden Armes und in der Blickrichtung des Kopfes. Evas Blick folgt nicht
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Die Gemälde 1507
13: Eva, 1506, Konstruktionszeichnung, Federzeichnung
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14: Eva, 1506, Reinzeichnung, Federzeichnung
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der Geste des Arms mit dem Apfel, sondern richtet sich am Oberarm vorbei in eine unbestimmte hohe Ferne. Insofern nimmt Evas Blick auf beiden Studien die Art und Weise, mit der Eva auf dem Gemälde den Griff zum Apfel nicht beachtet, gleichsam vorweg.49 *** Bei beiden bisher thematisierten Adam-und-Eva-Werken Albrecht Dürers, dem Kupferstich und den Gemälden, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Auftritt Adams und Evas vor oder nach dem Sündenfall zu situieren ist. Dass sich diese Frage überhaupt aufdrängt, hat mit dem Text der Genesis zu tun, der zwei Varianten des göttlichen Gebotes bietet. Einerseits im Wortlaut, wie Gott, der Herr, selbst das Verbot gegenüber Adam – „dem Menschen“ (Gen 2,16) – ausspricht; und andererseits, wie Eva bei der Verführung durch die Schlange Gottes Gebot mit einer Ergänzung wiedergibt, die das Verbot deutlich erweitert und verschärft. Der Schöpfer verbietet Adam nur, Früchte vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu pflücken und von ihnen zu essen: „Sobald du davon ißt, wirst du sterben.“ (Gen 2,17) Eva fügt in ihrer Antwort an die Schlange noch hinzu, dass die Ureltern die „köstlichen Früchte“ des Baumes in der Mitte des Paradieses nicht einmal berühren dürfen: „Gott hat gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.“ (Gen 3,3) Wenn Evas Formulierung des Verbotes mit Blick auf Dürers Adam-und-Eva-Werke verbindlich wäre, hätte der Sündenfall bereits stattgefunden. Denn Eva berührt auf dem Stich wie auf den Gemälden (und auch auf dem Holzschnitt) die Frucht im Maul der Schlange bzw. an einem von der Schlange vom Baum der Erkenntnis abgebrochenen, im Maul gehaltenen und Eva präsentierten Zweig. Im Sinne der Formulierung des an Adam gerichteten göttlichen Verbotes wäre der Sündenfall jedoch noch nicht vollzogen. Eva greift nur an die Frucht, sie ergreift und pflückt sie
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nicht50, und die Ureltern essen nicht von ihr. Erst wenn Eva die Frucht gepflückt hätte und – was als seine direkte Folge mit dem Pflücken eine Einheit bildet – Eva und Adam von ihr gegessen hätten, wäre Gottes Gebot missachtet und die Ursünde begangen worden. Da die meisten Interpreten der Meinung sind, dass für Dürers Adam-und-Eva-Bilder das Verbot in Gottes eigener Kurzfassung entscheidend ist, hat sich für sie der Sündenfall noch nicht ereignet oder sind Adam und Eva gerade im Begriff, ihn zu begehen.51 Sowohl auf dem Stich als auch auf den Gemälden ist der Sündenfall mal mehr, mal weniger präsent, doch nur bildthematisch angedeutet, nicht als vollzogen bildlich inszeniert, indem gezeigt wird, dass Adam und Eva eine gepflückte Frucht in den Händen halten, von ihr essen oder gegessen haben.52 Dass Adams und Evas Auftritt vor dem Sündenfall zu situieren ist, demonstriert auf eklatante Weise ihre blendende Erscheinung. Sie erscheinen auf dem Kupferstich und den Gemälden noch „im Zustand paradiesischer Schönheit und Unschuld“53. Sie werden „als Paradebeispiel der Schönheit der Schöpfung im Urzustand vor dem Sündenfall“ gezeigt.54 Für die Interpretation, dass Adam und Eva vor dem Sündenfall zu sehen sind, spricht auch, dass Dürer im Bildprogramm seiner Adam-und-Eva-Werke den für die Sündenfallerzählung wesentlichen Vers nicht visualisiert hat. Der Vers Gen 3,7 benennt die Wende der Schöpfungsgeschichte durch den Vollzug des Sündenfalls: „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ So nüchtern undramatisch sich dieser Vers liest, so dramatisch erweist er sich in seiner fundamentalen wie weitreichenden Bedeutung. Was mit Adam und Eva in diesem „Da“, in diesem Augenblick des Sündenfalls, geschieht, ist das Erschrecken durch das Begreifen ihres Tuns und das Erkennen ihrer Nacktheit: ihrer Begrenztheiten, ihres Ausgeliefertseins, ihrer Endlichkeit, ihrer Sterblichkeit. In Adams und Evas Aussehen und Verhalten, ihren zurückhaltenden Emotionen, ihrem Gesichtsausdruck und in ihren
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Gesten ist auf dem Stich wie auf den Gemälden von den fatalen Folgen ihres sündhaften, ihres letztlich revolutionären, weltstürzenden Handelns, mit dem die Zeit im Garten Eden endet und die Welt- und Menschheitsgeschichte beginnt, nichts zu bemerken.55 Noch gingen ihnen nicht die Augen auf und erkannten sie nicht, dass sie nackt waren. Noch sind sie nicht aus dem Paradies vertrieben. Noch ruhen Adam und Eva in ihrer paradiesischen Schönheit in sich selbst. Doch lassen sich auf den Adam-und-Eva-Bildern auch Hinweise auf die Zeit nach dem Sündenfall erkennen. Die heillosen Folgen des Sündenfalls, der Vertreibung aus dem Paradies, dürften auf den Gemälde-Tafeln in dem so steinigen wie ausgetrockneten, unfruchtbaren Erdboden angedeutet sein, auf dem Adam und Eva stehen und der nicht nach einem blühenden Garten Eden aussieht.56 In all ihrer paradiesisch herrlichen Schönheit stehen Adam und Eva bereits auf dem steinigen Boden ihrer zukünftigen Weltrealität, wie Gott, der Herr, sie mit seinen an Eva und Adam gerichteten Worten drastisch benennt: Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. / Unter Schmerzen gebierst du Kinder. / Du hast Verlangen nach deinem Mann; / er aber wird über dich herrschen. Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. / Unter Mühsal wirst du von ihm essen / alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln läßt er dir wachsen, / und die Pflanzen des Feldes mußt du essen. Im Schweiße deines Angesichts / sollst du dein Brot essen, / bis du zurückkehrst zum Ackerboden; / von ihm bist du ja genommen. / Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück. (Gen 3,17–19)
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Auch auf dem Kupferstich erinnert der etwas weniger steinige Erdboden nicht gerade an hortensisch gepflegte, paradiesische Verhältnisse eines Gartens Eden vor dem Sündenfall oder wenigstens an ein Naturparadies. Er erinnert schon eher an ein Stück des von Adam nach der Vertreibung aus dem Paradies zu bearbeitenden „verfluchten Ackerbodens“. Und auch das dschungeldichte, finstere Urwaldstück deutet auf jene nach der Vertreibung aus dem Garten Eden beginnende Weltzeit, in der Adam und Eva und alle Menschen alle Tage ihres irdischen Lebens „unter Mühsal“ verbringen und ihre Felder bestellen müssen.57 Entsprechend präsentieren sich bei Dürer auf dem Schauplatz des Paradieses der Baum der Erkenntnis und der Baum des Lebens mit ihren Stämmen samt einigen Ästen als gar nicht paradiesisch junge und schöne, Eva verlockende „Augenweide“ (Gen 3,6), sondern als sehr gewöhnlich und aus krummem Holze gewachsen.58 Auf die Nach-Sündenfall-Welt der „Dornen und Disteln“ sollen auch die ruhig auf dem Erdboden liegenden oder stehenden bzw. gehenden Tiere auf dem Kupferstich hindeuten, die zusammen mit Adam und Eva die Szene beleben.59 Sie sollen sinnbildlich die vier Temperamente repräsentieren – entsprechend der antiken, im Mittelalter hochgeachteten und allegorisch angereicherten Lehre der Ärzte Hippokrates (um 460–375 v. Chr.) und Galenus (129–199 n. Chr.) von den vier den Charakter der Menschen wesentlich bestimmenden Körpersäften. So soll der Elch das Temperament melancholischen Trübsinns, der Hase das Temperament sanguinischer Sinnlichkeit, die Katze das Temperament cholerischer Grausamkeit, der Ochse das Temperament phlegmatischer Schwerfälligkeit vertreten.60 Vor dem Sündenfall sollen die konstitutiven Elemente in Adam und Eva noch in schönster prästabilierter Harmonie gleichwertig beieinander und gleichgewichtig miteinander präsent sein. Doch durch das diabolische, alles chaotisch durcheinander werfende Wirken der böswilligen Schlange bzw. durch das von ihr initiierte sündige Handeln der Ureltern wird der
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mit der Schöpfung gottgegebene Ordo zerstört. Mit dem Sündenfall gibt es dann keine Säfteverträglichkeit und keine glückliche Ausgeglichenheit der Temperamente mehr. Adam und Eva verlieren ihr paradiesisch seelisches Gleichgewicht.61 Auf Albrecht Dürers Kupferstich von 1504 und auf seinen Gemälden von 1507 sind Adam und Eva in einer In-suspenso-Situation der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen dargestellt, in der Situation des Schon-und-noch-nicht und des Noch-und-schonnicht-mehr. Durch den Kontakt mit der Schlange und das Berühren der Frucht in ihrem Maul wird der Sündenfall im Paradies durch Eva zwar schon initiiert, doch noch nicht durch das „Pflücken“ der Frucht aus dem Maul der Schlange und durch das mit Adam gemeinsame Essen der Frucht vollzogen. So sind Adam und Eva noch und schon nicht mehr im Paradies.
Der Holzschnitt 1510
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ramatischer stellt sich die In-suspenso-Situation auf Dürers letzten, 1510 entstandenen Adam-und-Eva-Werken dar: auf dem 2. Holzschnitt der Kleinen Passion und auf einer Federzeichnung. Sie thematisieren den Sündenfall der Ureltern auch insofern auf jeweils ganz besondere Weise, als sich auf ihnen die erotische Komponente, die sich bereits auf dem Kupferstich und mehr noch auf den Gemälden zeigt, wesentlich deutlicher manifestiert. Der Schauplatz des Holzschnitts mit seinem finster undurchdringlichen Walddickicht und diversen Tieren – Dachs, Wisent, Löwe – gleicht auffallend dem Szenebild des Kupferstiches (Abb. 15).62 Adam und Eva, über deren Köpfen an einem Ast zwei verführerisch köstliche Äpfel gleichsam als weitere Corpora Delicti hängen, sind jedoch nicht wie auf dem Kupferstich in naher Distanz rechts und links des Baumes der Erkenntnis in der Mitte abgebildet oder wie auf den Gemälden gemeinsam rechts des Baumes am rechten Bildrand. Mittig im Vordergrund stehen sie nackt ohne Feigenblatt eng umschlungen Körper an Körper links des fast schon uralten, stämmig-knorrigen Apfelbaumes beieinander und blicken einander intensiv an. Eva legt ihren rechten Arm auf Adams Schulter und um seinen Nacken. Adam fasst mit seinem linken Arm Eva um den Rücken. Sie stehen, freilich – besonders Eva – nicht in so auskomponierter körperlich paradiesischer Idealität63, vor dem Stamm des Baumes, um den sich die mächtige Schlange gewunden hat, die in ihrem Maul eine der stattlichen Früchte anbietet, nach der Eva gerade greift.64 Die Geste Evas, die hier – anders als beim Kupferstich – ihren Blick nicht konzentriert auf die gekrönte Schlange mit der Frucht
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Der Holzschnitt 1510
15: Adam und Eva / Der Sündenfall, 1510, Kleine Passion, Holzschnitt 2
Der Holzschnitt 1510
16: Adam und Eva, 1510, Detail
richtet, könnte jedoch durchaus – wie beim Kupferstich – auch gesehen und gedeutet werden, als reiche Eva, die Adam anschaut, während des Gespräches mit ihm die Frucht spielerisch so nebenher der Schlange. Mit aufgerissenem Maul und weit geöffneten Augen scheint die Schlange gierig in den Apfel zu beißen, als hätte sie schon lange auf diese so schmackhafte Gabe gewartet (Abb. 16). Freilich ist eine solche Deutung – wie bei der ähnlichen Geste Evas auf dem Kupferstich – im Kontext der Sündenfallerzählung nicht möglich. Beim Holzschnitt erweist sich die Problematik als noch problematischer. Die Aggressivität, mit der hier – in eklatantem Gegensatz zur handzahmen Schlange auf dem Stich – die Schlange den Apfel zwischen den Zähnen festhält,
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Der Holzschnitt 1510
17: Adam und Eva, 1510, Detail
passt auch keinesfalls zur Annahme, dass die Schlange die Frucht Eva als Gabe anbietet, nach der sie greift. Ein verführerischer Akt sähe ganz anders aus. Eva müsste, schaute sie denn hin, vor dem Greifen nach der Frucht in einem so bedrohlich aufgesperrten und zubeißenden Maul der bösartig blickenden Schlange doch eher zurückschrecken.65 So sieht es aus, als wolle Eva – ähnlich ihrer Geste auf dem Gemälde – ohne Hinzuschauen mit links die Frucht aus dem Maul der Schlange nehmen und gleichzeitig mit aufmerksamem Blick auf Adam ihn für seine Zustimmung zur Annahme des Apfels bewegen. Vielleicht berät sie sich darum noch mit dem skeptisch-fragend blickenden Adam (Abb. 17), der sie wohl – wie die
Der Holzschnitt 1510
18: Adam und Eva, 1510, Kleine Passion, Holzschnitt 3
Bewegung seines rechten Armes signalisiert – warnen oder seine Bedenken angesichts der noch bevorstehenden Sündenfalltat Evas äußern möchte.66 Eva gibt der Versuchung noch nicht nach, belässt es beim berührenden Halten der Frucht. Sie vollzieht den Sündenfall noch nicht, indem sie den Apfel anstatt vom Baum der Erkenntnis aus dem Maul der Schlange „pflückt“67. Ähnlich wie im Bericht der Genesis erzählt wird, in dem Eva, von der Schlange ver-
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Der Holzschnitt 1510
führt, gleich nach ihrem Gespräch die Frucht einfach vom Baum pflückt, so wird es sich hier nach dem wie auch immer geführten Zwiegespräch der Ureltern, von dem in der Bibel nichts zu lesen ist, ebenfalls gleich ereignen.68 Der Holzschnitt zeigt eine hochakute Situation. Die Entscheidung und der Vollzug des Sündenfalls durch die Ureltern stehen unmittelbar bevor.69 Und dass er sich ereignen wird, demonstriert der folgende Holzschnitt 3 der Kleinen Passion, auf dem als Konsequenz des vollzogenen Sündenfalls die Vertreibung aus dem Paradies dargestellt ist (Abb. 18).
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nter den so denkwürdigen Adam-und-Eva- bzw. Sündenfalldarstellungen Albrecht Dürers erweist sich die Federzeichnung von 1510 (Abb. 19) als die denkwürdigste, als ein Ausnahmeblatt. Ganz anders als auf dem Kupferstich, den Gemälden und dem Holzschnitt ist der Auftritt der Ureltern inszeniert. Die unmittelbar auffallende Änderung betrifft die Darstellung des nackten Adam und der nackten Eva a tergo; vor allem der mehr als nur stattlich ausgestalteten Eva mit ihrem insgesamt kräftigen Körperbau, besonders mit den mächtigen Oberschenkeln und dem prächtig ausgestellten Gesäß, das sich buchstäblich in den Vordergrund drängt.70 Hier geht es Dürer – wie auch schon beim Holzschnitt71 – nicht um die paradiesisch idealen Proportionen des weiblichen und männlichen Körpers, wie sie sowohl für den Kupferstich als auch für die Gemälde darstellungsbestimmend waren. Auch insofern handelt es sich bei der Präsentation der Ureltern auf der Federzeichnung um „eine völlig neue und singuläre Situation“72 und unterscheidet sich das Blatt auffällig von den anderen Bildern. Doch der entscheidende inhaltliche Unterschied, durch den sich das Werk besonders auszeichnet, offenbart sich im außergewöhnlichen Auftreten, im Verhalten und Handeln Adams und Evas. Er wird deutlich sichtbar bei einem vergleichenden Blick auf den Kupferstich und die Gemälde, speziell jedoch auf den Holzschnitt der Kleinen Passion, der ebenfalls 1510 entstanden ist.73 Der Holzschnitt zeigt Adam und Eva, wie sie sich in ihrer Situation der Verführung noch entschlossen unentschlossen anschauen und der Sündenfall durch Evas entschiedenes Ergreifen und „Pflücken“ der
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Die Federzeichnung 1510
19: Adam und Eva / Der Sündenfall, 1510, Federzeichnung, Wien, Albertina
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Frucht aus dem Maul der Schlange erst noch stattfinden muss – und auch sehr bald stattfinden wird. Auf der Zeichnung dagegen – anders auch als auf dem Kupferstich und den Gemälden – hat er bereits stattgefunden. Die Frucht, die von den Ureltern gemeinsam in den Händen gehalten wird, wird nicht nur berührt, sondern wurde wohl – wie auch immer – von Eva vom Baum der Erkenntnis in der Mitte des Paradieses gepflückt.74 Insofern sind Adam und Eva nach dem Sündenfall zu sehen. Der Sündenfall hat stattgefunden, auch wenn Adam und Eva noch nicht von der Frucht gegessen haben. Mit dem Pflücken der Frucht bildet – Gen 3,6 entsprechend – das unmittelbar darauf folgende Essen der Frucht eine Einheit: „Eva nahm von den Früchten des Baumes und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.“ Der Akt der Übertretung von Gottes Gebot ist schon vollzogen. Doch Adam und Eva sind auch noch vor dem Sündenfall zu sehen. Dürer teilt, was als Einheit zu sehen ist, in die zwei Phasen des Schon-gepflückt und des Noch-nicht-gegessen. Die Art und Weise, wie Adam seine Hand von oben auf den Apfel legt (Abb. 20) und wie er mit ernstem Blick Eva anschaut (Abb. 21), deutet darauf hin, dass er auch hier – wie auf dem Holzschnitt – noch zögert. Er scheint Bedenken signalisieren und Eva und sich selbst vor der definitiven Ausführung des Sündenfalls noch bewahren zu wollen.75 Freilich erweist sich Adams nicht gerade energischer Eingriff in Evas Aktion als so zurückhaltend, dass anzunehmen ist, er werde nichts Entscheidendes bewirken und der letzte Akt des Sündenfalls stehe unmittelbar bevor: das von Gott den Ureltern unter Todesdrohung verbotene Essen der Frucht. Außerdem überspielen Adams und Evas intime Nähe, ihr inniges Umarmen und Einanderzugewandtsein sowohl die nachdenklich einen Einspruch und Vorbehalte andeutende Geste Adams als auch seinen ernsten Blick. Wie auf dem Holzschnitt umarmen sich Adam und Eva, die auf einer Art Lichtung vor einem Waldstück mit Hirsch und
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Löwe stehen76, auch auf der Zeichnung. Doch noch viel inniger. Sie scheinen sich sogar einen Kuss geben zu wollen, von dem im Bericht der Genesis ebenso wenig etwas zu lesen ist wie von einer Umarmung. Adam und Eva halten gemeinsam die gepflückte Frucht in den Händen, die sie als Zeichen ihres gegenseitigen Einverständnisses – oder ihrer Liebe – zu präsentieren scheinen und von der sie im nächsten Augenblick essen dürften. Die merkwürdige Zweideutigkeit der auf der Federzeichnung besonders akuten In-suspenso-Situation von schon nach und noch vor dem Sündenfall wird noch mehr betont durch die außergewöhnliche Präsenz der listigen Schlange. Anders als auf dem Kupferstich, den Gemälden und dem Holzschnitt ist sie nicht als
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21: Adam und Eva, 1510, Detail
aktive Agentin anwesend, die eine verbotene Frucht im Maul Eva anbietet, sondern mit dem nackten armlosen Oberkörper einer Frau als interessierte Zuschauerin, die auf das sündig gewordene Urelternpaar blickt (Abb. 22). Die Schlangenfrau hat ihr Werk der Verführung vollbracht, ihr Ziel erreicht: Eva hat die Frucht gepflückt.77 Doch der nächste, der endgültige Akt – Evas und Adams gemeinsames Essen der Frucht – muss noch folgen. Dass er folgen wird, ahnt die Schlange nicht nur. Sie ist davon überzeugt und wartet einfach ab. So beobachtet sie in souveräner Ruhe Adam und Eva. Sie hat sich über ihnen um den Baum der Erkenntnis geschlungen, beugt sich verführerisch-schön mit nackten Brüsten78 hinunter und schaut gekrönten Hauptes wie eine Fürstin so aufmerksam wie selbstzufrieden auf das von ihr erfolgreich verführte Urelternpaar, das auch den letzten Schritt zur Vollendung des Sündenfalls noch vollziehen wird.79 Adam und Eva beachten die Schlange nicht. Sie sind ganz bei sich Die Zeichnung ist vor allem ein Ausnahmeblatt, weil sie auffallend deutlicher als die anderen Adam-und-Eva-Werke Dürers, die bereits erheblich vom Bibeltext abweichen, als ganz eigenes Ge-
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22: Adam und Eva, 1510, Detail
gen-Bild oder als ganz eigene Gegen-Erzählung zum Genesisbericht verstanden werden kann, was sich im Auftritt und Verhalten der Ureltern zeigt. Um diese These anschaulich näher zu begründen, sind die entscheidenden Referenzverse aus dem Buch Genesis als Interpretationsfolie zu zitieren (Gen 3,7–13.23): Eva nahm von seinen [des Baumes] Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. / Als sie Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten, versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen
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des Gartens. / Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du? / Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. / Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, daß du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? / Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen. / Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen. […] Gott, der Herr, schickte ihn [den Menschen] aus dem Garten Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war.
Ein detaillierter Vergleich von Dürers Federzeichnung mit den konkret geschilderten Paradiesereignissen der Begegnung Adams und Evas mit Gott, dem Herrn, im Garten Eden nach dem Sündenfall offenbart das ganze Ausmaß der Abweichungen von der biblischen Geschichte. Gottes Gebot ist missachtet worden, der Apfel wurde gepflückt, und insofern hat – wie bereits ausgeführt – der Sündenfall schon stattgefunden. Adam und Eva erkennen zwar, dass sie nackt sind, doch sie erschrecken nicht. Und sie schämen sich – genau wie vor dem Sündenfall (Gen 2,25) – voreinander ihrer Nacktheit nicht. Feigenblätter, um sich einen Schurz zu machen und ihre Blöße zu bedecken, heften sie nicht zusammen und brauchen sie nicht. Sie – so scheint es – nehmen ihre Nacktheit wie selbstverständlich an. Darum verstecken sich Adam und Eva – sich ihrer Nacktheit schämend – auch nicht „unter den Bäumen des Gartens“ Eden und dürften sie auch keine Furcht vor einer Begegnung mit Gott im Paradies haben. So selbstbewusst wie sie sich in Szene setzen, haben sie sicherlich auf Gottes verhörende Fragen keine selbstverleugnenden, ausweichend-feigen Antworten parat, mit denen in der Genesis Adam seiner Frau und Eva der Schlange die Schuld für ihr sündiges Handeln geben. So sind bei den Ureltern auch
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keine Anzeichen gegenseitiger Entfremdung zu sehen. Sie gehen nicht auf Distanz zueinander. Im Gegenteil. Sie stehen in provokanter nackter Körperlichkeit innig umarmt und wie miteinander einverstanden beieinander. Hand in Hand präsentieren sie gemeinsam die Frucht vom Baum der Erkenntnis.80 Zu dem Ausnahmeblatt, das sich aufgrund des sich deutlich vor der Hintergrundschraffur abzeichnenden Urelternpaares, der Baumstämme, der Schlange und des Hirsches durch „eine irritierend changierende Transparenz“ auszeichne, bemerkt Berthold Hinz: „Die auffällig datierte und signierte Zeichnung ist Dürers letzte Einlassung auf das für ihn lange Zeit wichtige Thema Adam und Eva. Hier ist eine völlig neue und singuläre Situation formuliert: Sündenfall ‚von hinten‘, wodurch der Betrachter, anstatt Zeuge des repräsentativen menschheitsgeschichtlichen Falls zu sein, zum Beobachter einer intimen Paarbeziehung wird. Adam und Eva haben sich – eng umschlungen – bereits frei entschieden, ein Paar zu sein, was sie mit dem gemeinsam ergriffenen Apfel zu besiegeln scheinen.“81 Gerade weil Dürer das Adam-und-Eva-Sündenfall-Thema so wichtig war und ihn über viele Jahre intensiv beschäftigt hat, sind nicht nur seine „singulären“ und eigenwillig abweichenden bildlichen Deutungen der Genesiserzählung auf der Federzeichnung so besonders interessant. Über Hinz’ Kommentar, der auch den sexuell-erotischen Aspekt für die Deutung der Zeichnung artikuliert, geht diese Studie noch hinaus. Durch Adams und Evas Auftritt mit der gemeinsam demonstrierten Präsentation der Frucht vom verbotenen Baum wird der Betrachter hier nicht nur Zeuge einer „intimen Paarbeziehung“, sondern auch „Zeuge des repräsentativen menschheitsgeschichtlichen Falls“. Bei der „völlig neuen und singulären Situation“ geht es um mehr als nur um die beachtenswerte Singularität der freien Entscheidung der Ureltern, „ein Paar zu sein“.
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Adams und Evas so intime Selbstdarstellung – gerade auch als eigenwilliger Auftritt a tergo – wirkt, als sagten sie Nein zu Gottes Verbot und Ja zu ihrer Missachtung des Wortes Gottes, als sei sogar für sie der Sündenfall kein Sündenfall. Wie ihr nachdenkliches, inniges Anblicken anzudeuten scheint, sind Adam und Eva „die Augen aufgegangen“. Doch in einem ganz anderen Sinn des Erkennens, als es in der Genesis (Gen 3,7) vom erschreckenden Erkennen ihrer Nacktheit unmittelbar nach dem Pflücken und Essen der Frucht vom verbotenen Baum im Paradies berichtet wird: „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ Adams und Evas so selbstbewusst frei wirkender Auftritt und besonders ihr gegenseitiges Anschauen lässt an die verführenden Worte der hinterlistigen Schlange denken, die im kurzen Gespräch mit Eva den Ureltern prophezeit (Gen 3,5): „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ An noch ein anderes Erkennen ist angesichts der Begegnung Adams und Evas als möglicherweise konnotiert zu erinnern; an jenes Erkennen, das im Vers Gen 4,1 zur Sprache kommt: „Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain.“ In Adams intensivem Blick auf Eva offenbart sich dieses „Erkennen“. Und auch wenn Evas Gesicht, ihre Augen und ihr Blick nicht zu sehen sind, kann die Innigkeit ihrer Hinwendung und ihre umarmende Nähe zu Adam doch so verstanden werden, dass auch Eva Adam, ihren Mann, erkennt und die Begegnung Adams und Evas auf Dürers Federzeichnung in einem umfassenden Sinn mit den Worten gedeutet werden kann: Sie erkennen einander. Adams und Evas – wie auf dem Holzschnitt – fast schon leichtfüßig zu nennender Auftritt erweckt auf ganz eigene Weise den Eindruck, als sagten sie nicht nur Ja zum gemeinsam begangenen Sündenfall, sondern als akzeptierten sie auch seine radikale Folge: die Vertreibung aus dem Paradies. Gott, der Herr, braucht sie aus
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dem Paradies nicht zu vertreiben. Sie verlassen zu ihrer Zeit aus eigener Entscheidung, erhobenen Hauptes und von Angesicht zu Angesicht einander zugewandt in herzlicher Umarmung den Garten Eden. Gemeinsam gehen sie nach dem Sündenfall den aufrechten Gang.82 Der hier vorgetragene Versuch einer Auslegung der Adam-undEva-Sündenfall-Darstellung auf Dürers Federzeichnung mag vielleicht mit Rücksicht auf Dürers (Bibel-)Glauben einigermaßen oder auch sehr gewagt und bei dieser unfertigen Zeichnung als Überinterpretation erscheinen. Aber mit all den detaillierten Indizienhinweisen zu dem außergewöhnlichen Auftritt der Ureltern in einer vom Bericht der Genesis extrem abweichenden bildlichen Inszenierung des Sündenfalls dürfte eine solche Deutung durchaus überzeugend zu begründen sein. Bei allem Ausnahmestatus der Federzeichnung, die den Bibeltext fundamental umdeutet, ist jedoch nicht anzunehmen, dass Dürer die Erzählung vom Sündenfall der ersten Menschen und damit indirekt auch die kirchliche Glaubenslehre von der alle Menschen betreffenden Erbsünde grundsätzlich in Frage stellt. Was auch immer den Künstler zu dieser so exzeptionellen Darstellung des Adam-und-Eva-Sündenfall-Textes motiviert haben mag, dürfte kaum zu eruieren sein. Es gibt jedenfalls keinen Grund, an Dürers bibeltreuem Glauben zu zweifeln. Allein schon die große Anzahl an Werken vor allem zu neutestamentlichen oder auch kirchlich-christlichen Themen – Geburt Jesu Christi, sein Wirken, seine Passion, Auferstehung und Himmelfahrt, Leben und Verherrlichung der Jungfrau und Gottesmutter Maria, Heilige und die Herrlichkeit der communio sanctorum in der Gegenwart des Dreieinigen Gottes83 – bezeugen eindrucksvoll, welche Bedeutung die Heilige Schrift und der christliche Glaube für Dürers Leben und Kunst hatten. 1526, zwei Jahre vor seinem Tod, hat Dürer seine Bibeltreue noch einmal schriftlich dokumentiert. Der ausführliche program-
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matische Begleittext zu den beiden letzten großen Gemälden – Vier Apostel –, die den Heiligen Johannes und Petrus, Markus und Paulus neutestamentliche Verse zuordnen, wird eingeleitet mit zwei gekürzt zitierten Versen vom Ende der Apokalypse: „Dann Gott will nit zu seinem wort gethon, noch dannen genommen haben.“84 In der ausführlichen Fassung der Geheimen Offenbarung (Offb 22,18–19) ist zu lesen: „Ich bezeuge jedem, der die prophetischen Worte dieses Buches hört: Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. / Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten dieses Buches, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht.“ Angesichts der so rigoros ausschließenden Forderung nach einem wortwörtlichen Verständnis des unantastbaren Textes der Heiligen Schrift erscheint die Federzeichnung mit ihrer so außerordentlich bibelfernen, freien bildlichen Interpretation des Berichtes der Genesis vom Sündenfall der Ureltern im Paradies umso mehr als ein Ausnahmeblatt – wie auch auf ihre je eigene Weise die drei anderen Adam-und-Eva-Sündenfall-Bilder Albrecht Dürers Ausnahmewerke sind: der Kupferstich, die Gemälde, der Holzschnitt.
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23: Adam und Eva, Grandval-Bibel, um 840, London, British Library
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arstellungen der Genesiserzählungen von Adam und Eva erweisen sich nicht nur als ein weites, sondern als ein unüberschaubar weites Feld.85 In den folgenden, nicht systematisch umfassenden kunstgeschichtlichen Ausführungen soll am Beispiel einer Reihe bedeutender Kunstwerke zum Adam-und-Eva-Sündenfall-Thema aus früheren Zeiten gezeigt werden, in welch großer Kunsttradition Albrecht Dürers Werke zu sehen sind, aber auch wie sie, die erheblich vom Genesistext abweichen, sich in ihrer Eigenart deutlich von älteren Darstellungen unterscheiden. Zusätzlich werden sie in diesem kunsthistorischen Kontext bei einem Blick in Dürers eigene Epoche Werken einiger Künstlerzeitgenossen der Renaissance gegenübergestellt und mit ihnen verglichen. *** Der primäre Unterschied von Dürers Adam-und-Eva-SündenfallBildern zu früheren Darstellungen besteht darin, dass es sich bei ihnen um situative Standbilder handelt. Dagegen führen die hier zuerst thematisierten Werke aus dem 9., 11., 13. und 15. Jahrhundert mit ihren Bildersequenzen den Sündenfall der Ureltern als ein Schauspiel wechselnder Szenen auf, wobei die Inszenierungen der Ereignisse mal mehr, mal weniger dem Drehbuch der biblischen Erzählung folgen oder sie in künstlerischer Freiheit thematisch anreichern und phantasievoll ausmalen.86 An zwei Miniaturbuchmalereien aus karolingischer Zeit lässt sich die szenische Darbietung des alles entscheidenden Ereignisses der Schöpfungsgeschichte so exemplarisch wie anschaulich aufzeigen. Es handelt sich um Blätter aus der um 840 im Kloster Saint
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24: Adam und Eva, Alkuin-Bibel, um 840, Bamberg, Staatsbibliothek
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Martin in Tours, Frankreich, verfassten Grandval-Bibel (Abb. 23) und aus der etwa um dieselbe Zeit im Kloster Marmoutier bei Tours entstandenen Alkuin-Bibel (Abb. 24).87 In einer Sequenz von acht bzw. elf illuminierten Miniaturen ausgesuchter Einzelszenen, die in vier Bildstreifen aufeinander folgen, wird die Geschichte von Adam und Eva dargestellt, wie sie in der Genesis am Ende und als Höhepunkt der großen Erzählung von der Erschaffung des Himmels und der Erde durch Gott überliefert ist (Gen 2,4b– 3,24). Die Reihe der Bilder beginnt mit der Erschaffung Adams und Evas, der ersten Menschen, durch Gott und endet mit Schilderungen des Lebens der Ureltern auf Erden, wohin sie im Genesistext (3,23–24) durch Gott selbst, auf den Miniaturen aber durch einen Engel des Herrn aus dem Paradies vertrieben werden. Von außerordentlicher Bedeutung ist, dass bei der Erschaffung Adams und Evas und den folgenden Ereignissen im Gegensatz zur Bibel Jesus Christus als Schöpfergott auftritt.88 Ganz anders als auf späteren Darstellungen, in denen Gottvater als Schöpfer erscheint (z. B. bei Michelangelo in der Sixtina), ist Jesus Christus als Schöpfergott hier in eher jugendlicher Gestalt und mit Heiligenschein zu sehen, wie auch die Erzengel, die Adam und Eva aus dem Paradies vertreiben. Im Zentrum der Bilderfolgen, die sich sowohl in der künstlerischen Darstellung als auch in der Auswahl der Motive und in szenischen Einzelheiten auffallend unterscheiden, figuriert der Sündenfall Adams und Evas.89 Merkwürdigerweise wird auf beiden Blättern die entscheidende Situation nicht illustriert: Die Verführung Evas durch das den Sündenfall inspirierende und auslösende Kurzgespräch, in das die listige Schlange Eva erfolgreich verwickelt. Auch Evas unmittelbar nach dem Gespräch mit der Schlange vollzogener Sündenfall durch das selbstbewusst eigenhändige Pflücken der verbotenen Frucht direkt vom Baum der Erkenntnis in der Mitte des Gartens Eden wird nicht gezeigt.
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25: Grandval-Bibel, Detail
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Eva nimmt auf beiden Blättern – wie dann auch bei Dürer – die Frucht aus dem Maul der Schlange, die den zentralen Baum vom Stamm bis ins Blattwerk komplett okkupiert hat und Eva durch ihre verführerisch-vergiftenden Einflüsterungen die verbotene
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Frucht ja bereits gleichsam insinuiert, schmackhaft gemacht und somit schon überreicht hat. Auf dem Blatt der Grandval-Bibel werden Adam und Eva von Gott, dem Herrn, gleich nachdem sie von ihrem Schöpfer zueinander geführt wurden, gemeinsam mit imperativer Geste auf den verbotenen Baum und seine Früchte aufmerksam gemacht (Abb. 25). Doch Eva greift gleich in der folgenden Szene zur Frucht im Maul der Schlange (Abb. 26). Neben Eva mit der Schlange sind in einer eigenen Szene Eva und Adam zu sehen, die – anders als in der Bibel erzählt, wo nur von einer einzigen Frucht die Rede ist – jeweils von einer Frucht essen. Dabei fällt auf, dass Eva – warum auch immer – mit der linken Hand noch eine preziös zwischen Daumen und Zeigefinger gehaltene dritte Frucht zu Adam hinüberreicht. Auf dem Blatt der Alkuin-Bibel (Abb. 27) gibt Eva mit der Linken Adam eine Frucht, während sie gleichzeitig mit der Rechten noch eine zweite Frucht aus dem Maul der Schlange „pflückt“. Auch hier dürften Adam und Eva anschließend von je einer eigenen Frucht essen und die Ursünde vollenden. „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ So heißt es in Gen 3,7 unmittelbar nachdem Adam und Eva von der Frucht gegessen hatten. Mit entsprechenden Illustrationen zeigen weitere Miniaturen der Grandval- und der Alkuin-Bibel die Situationen, die sich in der biblischen Geschichte aus dem Sündenfall und durch das Erkennen ihrer Tat für Adam und Eva ergeben. Adam und Eva bedecken ihre Nacktheit und verstecken sich – so Gen 3,8 – „vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens“ (Abb. 28). Gott aber ruft sie zu sich und stellt sie zur Rede. Auf ihre Tat angesprochen, gibt Adam Eva und Eva der Schlange die Schuld, und wie Adam Eva so macht Eva die Schlange mit ensprechender Geste für die Verführung und ihr Tun verantwortlich (Abb. 29, 30).
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Doch der göttlichen Verurteilung entgehen sie nicht. Den Menschen kündigt Gott zur Strafe für ihre Sünde aus Ungehorsam und Hochmut nur Unheil an, ein Leben mit „Schmerzen“ und in „Mühsal“ auf Erden, dem „verfluchten Ackerboden“, von dem die Menschen „genommen“ sind und zu dem sie „zurückkehren“ werden: „Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück.“ (Gen 3,19) Auf dem Alkuin-Blatt (Abb. 31) vollstreckt ein mächtiger, in liturgische Gewänder gekleideter Engel mit Heiligenschein und mit einem hoch erhobenen Schwert Gottes Willen und drängt Adam und Eva aus dem Paradies. Sie sind in kurze Gewänder gehüllt und a tergo zu sehen. Aufgrund des problema-
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tischen materialen Zustandes des Blattes sind – anders als bei der eindrucksvollen Gestalt des groß beflügelten Engels, der seinen Blick auf Adam und Eva richtet – bei ihnen keine Details mehr zu erkennen.90 Adam und Eva sind nur noch als Schemen präsent. Auch wenn die Miniatur mit der Vertreibungsszene auf dem Blatt der Grandval-Bibel ebenfalls erhebliche Beschädigungen an Gesicht und Oberkörper Evas aufweist, so ist die Inszenierung des Geschehens auch in Details und darstellerischen Besonderheiten zu erkennen (Abb. 32). Adam und Eva richten den Blick des Erschreckens zurück auf den großbeflügelten, in einen Festornat gekleideten, nicht mit einem Schwert bewaffneten, sondern mit einem Hoheitsstab auftretenden Engel, der sie mit majestätischer Geste und strengem Blick aus dem Paradies weist.91 Der Blick auf
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29: Alkuin-Bibel, Detail
30: Grandval-Bibel, Detail
den Engel ist gleichzeitig ein Blick zurück zum verlorenen Paradies. Doch ist hier von einem Paradies oder einem Garten Eden nichts mehr zu sehen.92 Der Engel und das Urelternpaar erscheinen vor einem farblich zweigeteilten Hintergrund: einem bläulichen unteren und einem hellen, der sich über der fernen Horizontlinie erhebt.93 Der Hintergrund wirkt wie ein weiter leerer
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31: Alkuin-Bibel, Detail
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Raum, der auch das kleine Stück Erde umgibt, auf das Adam und Eva zugehen. Wie der Engel in dem Raum weniger zu stehen als zu schweben scheint, scheinen Adam und Eva aus ihm zu entschweben und gerade den festen Erdboden zu betreten, wohin zu gehen sie der Engel handgreiflich auffordert. Sie verlassen – so lässt sich die Szene vielleicht deuten – die jenseitige Sphäre des verlorenen Paradieses, an das nichts mehr erinnert, und treten ein in die diesseitige Sphäre der Erde mit dem von Gott verfluchten Ackerboden (Gen 3,17), die vor dunklem Hintergrund sichtbar wird.94 Wie von Gott, dem Herrn, angekündigt, beginnt für Adam gleich die mühselige Feldarbeit. Auf dem unteren Bildstreifen der beiden Blätter (Abb. 23 und 24) bearbeitet er mit einer großen Hacke den Ackerboden95, der auf dem Blatt der Grandval-Bibel jedoch bereits reichlich mit nicht gerade kleinen, vielfarbig blühenden Gewächsen ausgestattet ist. Wie jene „Dornen und Disteln“, die Gott in seiner Strafpredigt Adam für sein Erdenleben samt mühevoller Feldarbeit angekündigt hat, sehen sie wirklich nicht aus. Schon eher erwecken sie den Eindruck, als sei Adams Feld- oder Gartenarbeit schon sehr erfolgreich gewesen und habe er bereits so etwas wie einen Ziergarten angelegt.96 Eva, die etwas erhöht auf einem Erdhügel nicht sitzt, sondern mit roten, weißen und blauen Blütenblumen zu ihren Füßen gleichsam thront, reicht Kain, ihrem Erstgeborenen, die Brust und schaut zum arbeitenden Adam (Abb. 33).97 Zwei schlanke Baumstämme mit Astgabeln, in die ein nach oben gebogener Ast gelegt ist, stehen rechts und links von Eva und werden von einer weit ausschwingenden Girlande aus Blumenblütenblättern geschmückt. Das ganze, eine Laube mit Baldachin andeutende Gebilde umgibt Eva und zeichnet sie wie mit einem umfassenden Nimbus aus.98 Mehr noch als die auf dem Blatt der Grandval-Bibel auf einem Erdhügel thronende Eva lactans lässt die Eva auf der Miniatur der Alkuin-Bibel, die ungemein eindrucksvoll mit ihrem Sohn auf
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einem hohen Thronstuhl sitzt (Abb. 34)99, an Darstellungen der thronenden, manchmal auch gekrönten Maria mit ihrem Sohn Jesus auf dem Schoß denken, den sie stillt oder als den kindlichen Christus, den Erlöser, präsentiert. Doch ist Eva, die Mutter der Ursünde, auf den Darstellungen der Buchminiaturen noch nicht im Verständnis späterer typologischer Exegese mit Blick auf das Neue Testament als Präfiguration der Maria, der Mutter des Gottessohnes und Erlösers Jesus Christus zu verstehen. Eva wird auf den Buchmalereien zwar auch durch Sublimation als Auserwählte gezeigt, aber als „Mutter aller Lebendigen“, wie sie in Gen 3,20 genannt wird.100 Die Auserwählung manifestiert sich auf dem Blatt der Alkuin-Bibel nicht nur in Evas fast schon majestätischer Inthronisation, sondern ganz besonders in der Segenshand Got-
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tes, des Herrn, die sich über Eva aus einer Wolke zeigt. Sie zeigt sich jedoch nicht nur über Eva auf ihrem Thron, sondern auch noch auf der linken Seite des unteren Bildstreifens über Adam (Abb. 24), der seinen Acker kultiviert. Der Segen dürfte auch Kain, dem Brudermörder, gelten, der immerhin nicht nur Abels mit einem Heiligenschein ausgezeichneten Leichnam sorgfältig in Tücher gewickelt und für die Beerdigung vorbereitet hat, sondern auch noch für den von ihm ermordeten Bruder ein Grab aushebt. In der zweifachen Benedictio-Geste offenbart sich, dass Gott, der Herr, auch nach der Verurteilung der Ureltern und nach ihrer Vertreibung aus dem Garten Eden ins Elend irdischen Daseins noch bei ihnen und all ihren Nachkommen sein wird, selbst wenn sie, wie Kain, einen Brudermord begehen.
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*** Zwei Jahrhunderte später wurde Adams und Evas Sündenfall in Gestalt einer Sequenz von vier Bildfeldern auf dem linken Flügel der fast fünf Meter hohen, 1015 in Bronze gegossenen Bernwardtür des Hauptportals des Hildesheimer Doms dargestellt (Abb. 35).101 Auf den insgesamt acht Bildern des linken Flügels ist von oben nach unten der Beginn der Menschheitsgeschichte als Beginn der Unheilsgeschichte das Thema: von der Erschaffung Adams und Evas durch den Schöpfer, als der auch hier nicht Gottvater, sondern der mit einem Kreuznimbus ausgezeichnete Jesus Christus erscheint102, über den Sündenfall der Ureltern bis zum Mord, den Kain an Abel, seinem Bruder, begeht. Dagegen ist in aufsteigender Linie auf den acht Bildfeldern des rechten Flügels die Lebensgeschichte Jesu als Beginn der Heilsgeschichte zu sehen: von der Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria (Lk 1,26–38) über die Passion Jesu bis zur Begegnung Christi, des Auferstandenen, mit Maria von Magdala (Joh 20,11–18). Die ersten beiden Reliefs zeigen die Erschaffung des Menschen durch den Schöpfer und die Szene, wie er Eva zu ihrer ersten Begegnung mit Adam begleitet. Einander anlächelnd gehen sie mit ausgestreckten Armen aufeinander zu, um gemeinsam im Paradies zu leben. Doch unmittelbar folgt auf dem dritten Bild – ohne die in der Genesis ausführlich erzählte Verführung Evas durch die listige Schlange – der Sündenfall (Abb. 36). Weder wird gezeigt, wie Eva – der Bibel entsprechend – eine Frucht vom Baum der Erkenntnis pflückt und von ihr isst, noch wie sie diese Frucht an Adam weiterreicht, er sie annimmt und ebenfalls von ihr isst. Hier sind dagegen gleich mehrere Äpfel in ein Geben-und-Nehmen involviert, das wie ein munteres Spiel mit Früchten wirkt. Adam hält in der rechten Hand bereits einen Apfel, den Eva ihm gereicht hat. Wie Evas Körperstellung andeutet, steht sie der Schlange zugewandt gegenüber, aus deren Maul sie den Apfel genommen hat. Adam streckt jedoch auch noch den linken Arm aus, um eine
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35: Bernwardtür, 1015, Hildesheimer Dom, Bronze
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zweite Frucht zu erhalten, die ihm Eva, sich halb zu ihm umdrehend, mit dem ausgestreckten rechten Arm schon entgegenreicht. Eva selbst hält in der linken Hand eine weitere Frucht. Auch sie wird bald einen zweiten Apfel in Empfang nehmen, denn die Schlange im Baum links von Eva reckt sich gebieterisch fordernd weit nach vorn in Richtung Eva und reicht ihr noch eine im Maul gehaltene Frucht hin. Und am Baum hängen noch mehr Äpfel. „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz.“ (Gen 3,7) Adam und Eva haben erkannt, dass sie gesündigt und ihre paradiesische Unschuld verloren haben. Vom schlechten Gewissen getrieben versuchen sie zwar, sich nach dem Sündenfall unter den Bäumen des Gartens Eden vor dem Schöpfer zu verbergen, dessen Verbot, von den Früchten des Baumes in der Mitte des Paradieses zu essen, sie aus Ungehorsam und Hochmut missachtet haben. Doch der Schöpfer ruft Adam bei seinem Namen und stellt ihn und Eva zur Rede. Wie auf den Miniaturen der karolingischen Bibeln, so wird diese Episode aus der Erzählung vom Sündenfall der Ureltern auch auf dem Bildfeld der
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37: Bernwardtür, Hildesheimer Dom, Detail
Bernwardtür dargestellt, doch deutlich dramatischer (Abb. 37). Die herrscherliche Geste des Schöpfers, der Adam und Eva mit vorgebeugtem Körper, mit ausgestreckter Hand und ausgestrecktem Zeigefinger ins Verhör nimmt, ahmen sie gleichsam nach; auch sie strecken bei ihren Ausreden, mit denen sie alle Schuld von sich weisen, ihre Hände und Finger aus: Adam zeigt auf Eva und Eva auf die Schlange, die als feuerspeiender Drache gegen Eva wütet. Doch der Schöpfer hält nichts von den Ausredemanövern der Ureltern. Adam und Eva werden schuldig gesprochen und verurteilt. Die höchste Strafe wird verhängt: die Vertreibung aus dem Paradies. Mit derselben herrischen Geste, mit der der Schöpfer Adam und Eva beim Verhör zur Rechenschaft zieht, weist sie der großbeflügelte und mit einem Schwert bewaffnete Cherub aus dem Garten Eden (Abb. 38). Dabei tragen sie nicht einmal jene „Röcke aus Fellen“, die ihnen in der Bibel der gnädige Gott selbst angefertigt und in die er sie eigenhändig gekleidet hat (Gen 3,21), bevor er selbst sie aus dem Paradies vertreibt (Gen 3,23–24). Das Paradies ist offensichtlich als ein kunstvoll mit Mauern umschlos-
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38: Bernwardtür, Hildesheimer Dom, Detail
sener hortus conclusus imaginiert, der jedoch auch über eine große, architektonisch mit Säulenbögen, Fenstern und einem Turm ausgestattete und durchgestaltete Toranlage verfügt.103 Adam verlässt bereits den Garten Eden. Eva jedoch, die so erschrocken wie ungläubig-fragend zum Engel zurückschaut, bleibt noch einmal stehen und hat die rechte Hand an das Gesicht gelegt. Ihre Geste und ihr Blick scheinen anzudeuten, dass sie das Unfassbare, das sich im Augenblick ereignet, noch nicht begriffen hat und dass sie auch nicht so recht wahrhaben will, was mit ihr und Adam geschieht. Das sechste Bildfeld auf dem rechten wie auf dem linken Flügel wird in der Mitte unten dominiert von einem gewaltigen Löwenkopf, in dessen Maul ein großer Ring zum Öffnen des schweren Tores eingefügt ist. Um ihn herum ist auf dem linken Flügel die erste Szene zu Adams und Evas Leben auf der Erde figuriert (Abb. 39). Adam hat in der Kultivierung der Felder schon erstaunliche agrarische Fortschritte gemacht; offensichtlich beherrscht er – wie der professionell erzogene Weinstock vor ihm zeigt – die Kulturtechnik des Weinbaus.104 Was nicht verwundert. Denn
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der große Engel, der mit Heiligenschein und mit einem kreuzgekrönten Stab in der linken Hand über Adam erscheint und ihn mit ausgestreckter Segenshand anspricht, dürfte als der Erzengel Michael zu verstehen sein. Von ihm heißt es in der apokryphen, nichtkanonischen Schrift Vita Adae et Evae, dass er von Gott, dem Herrn, zu Adam gesandt wurde, um ihm „verschiedene Samen“ zu bringen und ihm zu zeigen, „wie er die Erde bearbeiten und anbauen soll, damit sie Früchte hätten“.105 Adam unterbricht seine Feldarbeit und blickt mit hocherhobener Hacke zum Erzengel auf.106 Durch seine Gegenwart und speziell durch die Geste seiner ausgestreckten Segenshand erinnert der Erzengel an die beiden Segenshände Gottes auf den Miniaturen der Alkuin-Bibel zur Adam-und-Eva-Sündenfall-Erzählung (Abb. 24). Wie auf dem karolingischen Blatt wird auch auf Bernwards Bronzetür aus ottonischer Zeit und – wie noch zu zeigen ist – auf Mosaiken in San Marco, Venedig, der heilsgeschichtliche Gedanke thematisiert: Auch nach der Vertreibung aus dem Paradies lässt Gott seine Geschöpfe nicht allein, sorgt sich um sie und erleichtert ihnen das mühselige Leben auf dem verfluchten Ackerboden, zu dem er sie nach ihrem Sündenfall verurteilt hat. Ebenfalls wie auf den Blättern der Alkuin-Bibel (Abb. 34) und, wenn auch weniger markant, der Grandval-Bibel (Abb. 33) erscheint auf der Bronzetür eine thronende Eva. Ihre hoheitsvolle Erscheinung als ihren Erstgeborenen stillende Mutter, die liebevoll auf das Kind schaut, füllt die ganze rechte Seite des Bildfeldes. Allein schon durch diese Raumpräsenz wird Eva in besonderer Weise ausgezeichnet. Weitere Elemente des Bühnenbildes dieser Inszenierung einer Inthronisation zeichnen Evas Auftritt noch mehr aus. Zwar erinnern die beiden schlanken Baumstämme, die Eva seitlich einrahmen – der rechte senkrecht hochwachsend und der ebenfalls hochgewachsene kunstvoll raumfüllend gebogene linke –, noch an den einfachen Laubenbogen mit Ästen und Girlande, unter dem Eva auf dem Blatt der Grandval-Bibel auf einem Erd-
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hügel thront. Doch bei aller Improvisation der Throngestaltung: Das faltenreiche Tuch, das weiträumig zwischen den Bäumen aufgespannt ist, kann als Baldachin über Eva oder auch als hoher Rückwandvorhang hinter ihrem Thron verstanden werden.107 Die hügelähnliche Erhöhung, auf der Evas Thron gleichsam thront, dient als Postament, wodurch Eva mit ihrem Kind noch erhabener in Erscheinung tritt.108 Mit kunstvoll gearbeiteten Schneckenornamenten ist der Thronsockel so zahlreich verziert, dass er wie von einem Teppich bedeckt wirkt, der sich vor Evas Thron ausbreitet.109 Die Ornamente schmücken auch Evas Sitzkissen, das an den Seiten die Form jener typischen, oft doppelten Kissenrollen annimmt, wie sie immer wieder auf Bildern mit der thronenden Madonna zur Thronausstattung gehören.110 Eva erscheint als Gegenbild zu jener Eva, die als Erste – von der listigen Schlange verführt – den Sündenfall durch Hochmut und Ungehorsam gegen Gott begangen hat. Für die dann gemeinsam vollzogene Ursünde wurden Eva und Adam vom Schöpfergott zu
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einem Leben auf Erden „unter viel Mühsal“ (Gen 3,16–17) verurteilt und aus dem Garten Eden vertrieben (Gen 3,24). Während in Adams Auftritt als Feldarbeiter mit einer großen Hacke auf dem „verfluchten Ackerboden“ (Gen 3,17) die von Gott verhängte Strafe noch zu erkennen ist, zeigt sich von einer Verurteilung und von Strafen für die Ursünde bei der thronenden Eva, der liebevollen Mutter mit Kind, nichts.111 Die Umwertung der verurteilten und als Strafe für ihre Sünde gegen Gott aus dem Garten Eden vertriebenen Eva hin zur Eva gleichsam als Hoher Frau ist im Kontext der heilsgeschichtlichen Typologie-Theologie zu verstehen. Diese spezielle Exegese der biblischen Schriften stellt – dem Apostel Paulus (1 Kor 15, 21–22) folgend – Adam, durch den „der Tod gekommen ist“, Christus gegenüber, den von den Toten auferstandenen Erlöser, durch den „alle lebendig gemacht werden“. Auch Eva und Maria werden als Typus und Antitypus gesehen.112 Durch Eva – „die Mutter aller Lebendigen“ (Gen 3,20) –, die Nein zu Gottes Gebot gesagt hat, indem sie die Frucht vom verbotenen Baum gepflückt und den Sündenfall im Paradies begangen hat, ist der Tod über alle Lebendigen gekommen. Durch Maria aber und ihr Ja zu Gabriels Botschaft – „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38) – ist das Heil in die Welt gekommen und sind die Menschen durch Marias Sohn Jesus erlöst worden. Auf den Adam-und-Eva-Miniaturen der karolingischen Buchmaler ist Eva zwar auch als Thronende ausgezeichnet, doch in ihrer Bedeutung als Urmutter aller Menschen. Eine Präfiguration im Sinne einer Eva-Maria-Typologie ist für diese Darstellungen nicht anzunehmen113, im Gegensatz zum Bildprogramm der Bernwardtür. Auf ihr ist das Verhältnis von Eva und Maria nicht nur konnotiert, sondern auf überzeugende Weise inszeniert. Eva auf dem Bildfeld des linken Türflügels wird auf dem entsprechenden Bildfeld des rechten Türflügels Maria, der Mutter des Erlösers, gegenübergestellt (Abb. 40). Die Szene mit der aus dem Para-
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40: Bernwardtür, Hildesheimer Dom, Detail
dies ins Elend des Erdenlebens verbannten, hier jedoch in mehr oder weniger hoheitlichem Ambiente thronenden Mutter Eva, die ihr Kind stillt, weist in heilsgeschichtlicher Perspektive bereits sehr weit voraus. In ihr leuchtet als Vorschein künftiger Erlösung gleichsam das Licht des Heils nur auf. Was sich im Bild der thronenden Eva nur angedeutet offenbart, erscheint in der thronenden Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß als Erfüllung, als Heilsereignis. Dargestellt ist das Heilsereignis als das Erscheinen der Heiligen Drei Könige oder „Sterndeuter aus dem Osten“, wie es im Matthäus-Evangelium berichtet wird (Mt 2,1–12). Geführt von einem Stern sind sie nach Betlehem gekommen, um dem „neugeborenen König der Juden“ zu huldigen. Als der Stern „über dem Ort, wo das Kind war“, stehenblieb, „wurden sie von sehr großer Freude erfüllt“: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm.“ Auf dem Bild der Bernwardtür sind die königlich gekrönten Besucher aus
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dem Morgenland gerade in das Haus eingetreten, über dem der Stern von Betlehem leuchtet und in dem Maria sie empfängt. Im Vergleich zur Szene mit der thronenden Eva stellt sich die Szene mit der thronenden Maria, dem Jesuskind und den drei Königen wesentlich erhabener dar: als ein triumphales Ereignis. Der Schauplatz für den Auftritt der heiligen Personen ist weniger ein Haus als vielmehr so etwas wie ein weiträumiger mit überwölbenden Bögen ausgestatteter Audienzsaal, den zwei Säulen mit kunstvoll ausgestalteten Kapitellen eingrenzen. Maria, die mit einem Heiligenschein gekrönte Gottesmutter, blickt von ihrem hohen Thron den drei Königen aus dem Morgenland entgegen, die mit ihren Gaben gekommen sind und von denen der mittlere hinauf zum Stern von Betlehem weist. Mit ihrem Besuch in Betlehem, ihren Gaben und ihrer Huldigung gegenüber dem Jesuskind und seiner Mutter Maria bezeugen sie die Menschwerdung Gottes in Jesus. Marias deutlich erwachsen wirkender Sohn Jesus, den sie auf ihrem Schoß hält, präsentiert den Weisen aus dem Morgenland ein mit seiner linken Hand auf dem Knie senkrecht aufgestelltes Buch: das Neue Testament. Das bedenkenswerte Detail der ostentativen Buchpräsentation dürfte als Hinweis auf die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel zu verstehen sein, der mit seinen Fragen und Antworten die versammelten Schriftgelehrten „über sein Verständnis“ der Heiligen Schriften des Alten Testamentes in Erstaunen versetzt (Lk 2,41–50). Genauso wie später dann die frommen Gläubigen in der Synagoge von Nazaret ungläubig staunen, als Jesus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens in Galiläa aus dem Buch des Propheten Jesaja einige Verse vorliest, die so beginnen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; / denn der Herr hat mich gesalbt.“ Und dann hinzufügt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ (Lk 4,16–22)114 Das Alte Testament erfüllt sich im Neuen Testament, durch Gottes Offenbarung in Jesus Christus.115
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*** Wieder zwei Jahrhunderte später wurde ein ungemein eindrucksvoller mittelalterlicher Bilderzyklus zur Genesiserzählung von Adams und Evas Sündenfall geschaffen: In der Genesiskuppel des westlichen Atriums von San Marco in Venedig mit den Mosaiken zum göttlichen Sechstagewerk der biblischen Schöpfungsgeschichte. Im äußeren Kreis der Darstellungen aus dem 13. Jahrhundert wird der Sündenfall als ein Ereignis in acht Szenen detailliert und umfassend sowohl dem Bibeltext entsprechend als auch wesentlich von ihm abweichend aufgeführt: Von Evas Verführung durch die Schlange bis zur Vertreibung der Ureltern durch Gott aus dem Paradies.116 Im Gegensatz zu den Miniaturen der Grandval- und der Alkuin-Bibel und auch zur Bildersequenz der Bernwardtür wird auf den Mosaiken in San Marco auch die Verführungsszene gezeigt
41: Adam und Eva / Der Sündenfall, Mosaik, San Marco, Genesiskuppel, 13. Jh., Venedig, Detail
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(Abb. 41). Die nackte Eva und der nackte Adam stehen vor Feigenbäumen mit großen grünen Blättern. Eva blickt nach rechts zur Schlange, die in einem blau belaubten Baum mit geöffnetem Maul erscheint. Wie in der Bibel geschrieben steht, kommt es zu einer eindeutigen Begegnung der Schlange mit Eva, die mit erhobenem Zeigefinger kritisch aufmerksam zur bösartigen Schlange aufblickt und auf ihre provozierenden Fragen und Behauptungen antwortet. Neben Eva und der Dialogszene steht – ihr den Rücken zuwendend – Adam mit ausgestrecktem Zeigefinger; er schaut nicht auf Eva und die Schlange, sondern wie unbeteiligt von der Szene weg in Gedanken nach links in die Ferne.117 Die Sündenfallszene (Abb. 42) zeigt im Gegensatz zu den Grandval- und Alkuin-Bibel-Miniaturen und zur Bernwardtür keine Schlange, die in ihrem Maul Eva eine Frucht anbietet, sondern nur Eva, die – wie in der Genesis erzählt – selbstbewusst nach einer Frucht am verbotenen Baum in der Mitte des Paradieses, einem Feigenbaum, greift und sie dann auch pflückt. Da-
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43: Adam und Eva / Der Sündenfall, Mosaik, San Marco, Genesiskuppel, 13. Jh., Venedig, Detail
neben ist noch einmal Eva zu sehen. Sie hat Adam die Frucht gereicht, von der sie selber wohl bereits gegessen hat. Adam hat die Frucht angenommen und führt sie zu seinem Mund, isst aber noch nicht von ihr. Er scheint noch zu zögern, wie sein fragender Blick und sein ernster Gesichtsausdruck andeuten. So glaubt Eva offensichtlich, ihn zum Biss in die Feige mit Nachdruck ermunternd verführen zu müssen. Durch die fordernden Gesten ihrer Arme, durch ihre zu Adam erhobene Hand mit den ausgestreckten Fingern und durch ihren strengen bis fixierenden Blick auf Adam wirkt Evas Auftritt sehr entschieden.
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Wie auf den ersten beiden Adam-und-Eva-Mosaiken verdient auch in der dritten Szene, die nach dem Sündenfall spielt, das außerordentlich sprechende Mienen- und Augenspiel der Akteure ganz besondere Beachtung (Abb. 43). Eva und Adam haben von der Frucht gegessen und unmittelbar erkannt, was sie getan haben und dass sie nackt sind. Darum verdecken sie, die auf den vorhergehenden Szenen immer nackt auftreten, ihre Nacktheit mit großen Feigenbaumblättern. Sie verbergen sich vor Gott „unter den Bäumen des Gartens“, weil sie „Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten“ (Gen 3,8) und eine Begegnung mit ihm fürchten. Von Eva aufmerksam beobachtet, holt sich Adam noch ein paar Blätter vom Feigenbaum. Er könnte aber auch mit der rechten Hand nur einige Blätter des Feigenbaumes vorsichtig beiseiteschieben, um nach dem Schöpfergott zu schauen. Sein Gesichtsausdruck mit dem hellwachen, aber auch erschrocken wirkenden Blick verrät seine innere Anspannung. Adam ist gleichsam blickendes Hören oder hörendes Blicken. Er ist ganz Aufmerksamkeit, ganz Erwartung. Er scheint bereits Gottes, des Herrn, Stimme mit der Unheil andeutenden Frage zu vernehmen: „Wo bist du?“ (Gen 3,9). In der nächsten Szene tritt zum ersten Mal in der Erzählung vom Sündenfall Gott, der Herr, auf (Abb. 44). Es kommt jedoch noch nicht zur schicksalhaften Begegnung von Adam und Eva mit Gott, der sie ins Verhör nimmt. Wie auf allen Mosaiken der Genesiskuppel erscheint Christus auch hier als jugendlicher Schöpfergott.118 Er ist in fürstliche Gewänder gekleidet und mit Hoheitsinsignien ausgezeichnet: mit Kreuznimbus, mit dem von einem Kreuz gekrönten dreifarbigen – schwarz-gold-rot – Herrscherstab und mit einem Armband oder Armreif in denselben Farben.119 Er blickt und weist mit der Hand in Richtung der Ureltern, von denen er ja weiß, wo sie sich aufhalten. Doch Adam und Eva, die ihre Blöße mit reichlich Blättern bedecken, versuchen noch, sich zu verstecken. Eva steht eng zwischen zwei größeren Bäumen
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und schielt hinüber zu Adam, der sich hinter einer schlanken Palme, an der er sich festhält, mit seinem stattlichen Körper mehr schlecht als recht verbirgt. So kommt es denn wohl auch zum Blickkontakt zwischen dem sehr streng blickenden Christus, der speziell auf Adam mit dem Finger weist, und dem sehr erschrocken wirkenden Adam, der – wie die Auf-dem-Sprung-Stellung seiner Beine verrät – offensichtlich glaubt, der entscheidenden Begegnung mit Gott und dem Verhör zu seinem und Evas Sündenfall noch entkommen zu können. Doch alles Verstecken hilft nichts, und alle Fluchtversuche können nur scheitern, genauso wie alle verbalen Ausflüchte. Von Christus, der hier – anders als in der Bibel erzählt (Gen 3,8) – im Paradies nicht spazieren geht, sondern wie auf einem Richterstuhl thront, werden Adam und Eva zur Rede gestellt (Abb. 45). „Hast du“, wird Adam gefragt, „von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?“ Und so wie Adam in der Bibel alle
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Schuld und Verantwortung feige von sich weisend antwortet, Eva habe ihm eine Frucht von dem verbotenen Baum gegeben, von der er dann auch gegessen habe, so antwortet er auf dem Genesismosaik mit der Geste seiner rechten Hand und dem ausgestreckten Zeigefinger, der auf Eva hinweist, die neben ihm steht. Eva wird ebenfalls von Gott, dem Herrn, ins Verhör genommen und gefragt: „Was hast du da getan?“ Auch sie schiebt alle Schuld von sich. Die Schlange, antwortet sie, habe sie verführt, „und so habe ich gegessen“ (Gen 3,11–13). Und Eva deutet mit ihrem erhobenen rechten Arm hinauf zum Baum, in dem jedoch – im Gegensatz zu anderen Darstellungen dieser Verhörsituation – keine Schlange zu sehen ist.120 Mit ihren Ausreden erreichen Adam und Eva nichts. Auf dem sechsten Mosaik der Adam-und-Eva-Sündenfall-Darstellungen in der Genesiskuppel von San Marco thront Christus, der Schöpfer-
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gott, als Richter in der Mitte der Szene. Er richtet sich wie in der Genesiserzählung auch auf dem Mosaik zuerst und hier sogar ausschließlich an die Schlange (Abb. 46). Weil sie Eva verführt hat, sei sie „verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.“ (Gen 3,14) So windet sich die böse blickende grüne Schlange mit heller Unterseite von oben aus einem hochgewachsenen, früchtetragenden und nur aus großen grünen Blättern
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bestehendem Gebüsch mit offenem Maul und gespaltener roter Zunge hinunter in den Staub des Erdbodens.121 Adam und Eva, die auf dem Boden vor dem goldenen Richterthron des Schöpfergottes knien, werden hingegen nicht wie im Genesistext vom Schöpfergott mit einer sein Urteil begründenden und detailliert ihr zukünftiges mühseliges Erdendasein schildernden Strafpredigt angeredet. Ohne nützliche Feigenblätter wieder nackt, wie Gott sie erschaffen hat, warten sie mit vor dem Körper gefalteten Händen ihre Scham verbergend in demütiger Haltung auf Gottes endgültiges Urteil: auf ihre Verurteilung zum Verlust des Paradieses und zum Leben voller Elend und Schmerzen auf Erden mit dem Tod am Ende: „Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück.“ (Gen 3,19) Gott, der Herr, wollte aber den als „Abbild Gottes“ (Gen 1,27) aus „Erde vom Ackerboden“ geformten und durch göttlichen „Lebensatem“ zu einem „lebendigen Wesen“ beseelten Menschen (Gen 2,7) nicht nackt aus dem Paradies vertreiben. Darum „machte er Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit“ (Gen 3,21).122 Das Mosaik, auf dem dieses göttlich-barmherzige Ereignis dargestellt ist (Abb. 47), zeigt rechts neben Christus Adam, der bereits in ein langes tunikaähnliches Gewand mit kurzen Ärmeln gekleidet ist. Links von Christus, der in der Mitte stehend auch hier mit Kreuznimbus, kreuzbekröntem Herrscherstab und dem dreifarbigen Armband als Hoheitszeichen auftritt, ist Eva zu sehen. Sie ist gerade dabei, sich ebenfalls ein tunikaähnliches Gewand anzuziehen, wobei sie wohl gewisse Probleme hat. Aus dem Paradies sind ihr ja keine Gewänder bekannt. Die Geste des Schöpfers, der seine rechte Hand zu Eva ausstreckt, könnte vielleicht so gedeutet werden, als wolle er sie zwar nicht, wie es in der Heiligen Schrift heißt, „bekleiden“, so doch ihr beim Anlegen des mit vielen Fransen ausgestatteten Gewandes behilflich sein.123 So energisch Gott, der Herr und Schöpfer des Himmels und der Erde, mit seinem Urteil und den drastischen Strafmaßnahmen
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Adam und Eva für ihren Ungehorsam und Hochmut ein Leben im Elend auf Erden ankündigt, so fürsorglich kümmert er sich um sie, indem er sie bekleidet. Und so entschieden handgreiflich Gott selbst auf dem Mosaik der Genesiskuppel (Abb. 48) die Ureltern mit beiden Händen durch das Tor des Paradieses hinausdrängt, so vorsorgend hat er ihnen stellvertretend für alle Haus- wie Außerhausarbeiten die für den Anfang notwendigen Arbeitsgeräte als Starthilfe in das mühevolle Leben auf Erden mitgegeben: Eva eine Spindel für die – wie Gott es mit der Einkleidung der Ureltern vorgemacht hat – Herstellung lebensnotwendiger Bekleidung und Adam eine Hacke für die Arbeit auf dem Feld zum Anbau lebensnotwendiger Nahrung.124 Adam und Eva brauchen aufgrund der überlebenspraktischen Mitgift nicht ganz bei null anzufangen. Entsprechend entschlossen blickt Adam erhobenen Hauptes nach vorn in die ungewisse Zukunft seines Daseins auf Erden, während Eva noch eher ratlos fragend auf Adam zurückblickt.125 Auf der Szene daneben, die auf die Vertreibung unmittel-
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48: Adam und Eva / Der Sündenfall, Mosaik, San Marco, Genesiskuppel, 13. Jh., Venedig, Detail
bar folgt und Adam und Eva auf Erden zeigt, sieht es gar nicht so elend aus, wie es Gottes Strafgericht den Ureltern angekündigt hat. Zwar ist Adam – jetzt in ein ärmelloses, arbeitspraktisches Gewand gekleidet – mit anstrengender Feldarbeit beschäftigt, wobei aber die wie Blumen wirkenden Gewächse auf dem Acker schon nicht mehr als die von Gott in seiner Strafpredigt angesagten „Dornen und Disteln“ zu verstehen sind. Eva, die hinüber zu Adam schaut, thront vornehm gekleidet und mit krönendem Kopfschmuck auf einem kunstvoll gearbeiteten Stuhl mit Kissen und hält ihren Spindelstock wie ein Zepter in der rechten Hand. Doch, anders als auf dem Grandval- und Alkuin-Blatt und der Bernwardtür, hält sie noch kein Kind auf dem Schoß.126 *** Und wieder zweihundert Jahre später wird die Erzählung von Adams und Evas Sündenfall im Paradies auf wunderbar einmalige Weise dargestellt: auf der Miniatur Das Paradies mit dem Sünden-
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fall (1411/12–1416) der Gebrüder Limburg im Stundenbuch Les Très Riches Heures du Duc de Berry (Abb. 49).127 Zwar wird die Sündenfallerzählung auch hier in vier einzelnen Szenen dargestellt, aber nicht in Gestalt separater Bilder, sondern konzentriert auf einem einzigen Bild. Der wahrhaft paradiesische Schauplatz ist ein runder, von Mauern umgebener hortus conclusus mit prächtigen Baumgruppen, mit einer den Garten Eden überragenden, extrem filigranen Fiale und mit einem nicht weniger hohen und filigranen Tor. Der Turm erhebt sich über einem Brunnen in der Mitte, der an die dem Paradies Wasser spendenden Ströme erinnert (Gen 2,10–14). Feinmalerei vom Feinsten. Entsprechend grazil treten auch die dramatis personae auf: die den Baum umschlingende Schlange als verführerische Frau mit nackten Brüsten und langen goldenen Haaren, die nackte, schlanke und auffallend hellhäutige Eva ebenfalls mit langem goldenen Haar und der pointiert nackte Adam. Eva ist die Agierende. Sie lässt sich auf der ersten Szene bereitwillig von der Schlange gleich noch einen zweiten Apfel aus dem überreich mit Früchten gesegneten Baum reichen. Die zweite Szene zeigt Eva mit nur noch einem Apfel, den sie Adam, der auf dem Boden kniet, anbietet. Adam, der zu Eva emporblickt und in dessen Gesicht und Blick noch Bedenken und Zögern zum Ausdruck kommen, scheint, wie die Geste seiner linken Hand andeutet, erst einmal eine Annahme der verbotenen Frucht verweigern zu wollen. Auf der ersten Szene der rechten Seite ist nicht Jesus Christus zu sehen, sondern Gottvater in majestätischer Erscheinung. Mit schneeweißem, langem Haupthaar, das einer Allongeperücke gleicht, und onduliertem Rauschebart ist er in einen allumfassenden blauen Mantel gekleidet. Glanzvoller strahlen kann kein goldener Heiligenschein als der grandiose Ausnahmenimbus, der Gottes Haupt umgibt. Von seinem Strahlenkranz gehen auch immens viele Strahlen aus, die auf Adam und Eva gerichtet sind und sie in die göttliche Gloriole mit einbeziehen. Ihre Scham bede-
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49: Gebrüder Limburg: Das Paradies mit dem Sündenfall, 1411/12–1416, Miniatur, Stundenbuch Les Très Riches Heures du Duc de Berry, Chantilly, Musée Condé
ckend stehen sie nackt vor Gottvater, der sie wegen ihrer Ursünde mit ernstem Blick und deutlichen Gesten zur Rede stellt und zum sofortigen Verlassen des Paradieses verurteilt. Während auch hier Adam mit ausgestrecktem Finger auf Eva als die Schuldige und Verantwortliche für die Verführung und den Sündenfall zeigt, weist Eva nicht auf die Schlange, die sie verführt hat. Anders als in der Genesis berichtet, macht Gott den Ureltern keine „Röcke aus Fellen“, um sie damit zu bekleiden (Gen 3,21). Ihnen wird auch nicht – wie auf der Bernwardtür – durch einen Engel im Auftrag
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Gottes agrarpraktische Hilfestellung geleistet, und sie erhalten auch – wie auf dem San-Marco-Mosaik – bei der Vertreibung aus dem Paradies keine Handwerkszeuge mit auf den Weg, um ihnen das Leben auf Erden am Anfang ein wenig zu erleichtern. Ein gewaltiger, den ganzen Torraum ausfüllender, mit sechs großen Flügeln ausgestatteter und vollständig roter Seraph-Erzengel ohne Schwert hat Adam an den Schultern gepackt und drängt ihn zusammen mit Eva aus dem Garten Eden. Irgendwie muss es ihnen noch gelungen sein, Feigenblätter – woher auch immer – zu bekommen, um ihre Scham zu bedecken. So werden sie nicht vollständig nackt hinaus in eine Welt vertrieben, die lebensfeindlicher nicht dargestellt werden kann. Auf dem Blatt des Stundenbuches gleicht die Erde, die das Paradies wie ein schmaler Landstreifen umgibt, einer bergigen Wüste en miniature, als hätten die Künstler den Beginn des Schöpfungsberichtes bildlich zitieren wollen: „Die Erde aber war wüst und leer.“ (Gen 1,2) Auf der vom Meer umspülten Erde werden Adam und Eva ausgesetzt, wo sie, ganz allein auf sich gestellt, sehen müssen, wie sie mit dem Leben fertigwerden. Anders als es auf den karolingischen Miniaturen, auf der Bernwardtür oder auf den Mosaiken von San Marco durch die Gegenwart des Schöpfers und Erlösers Jesus Christus, durch die thronende Eva oder durch die am Himmel erscheinende Segenshand Gottes bildlich thematisiert ist, sind auf dem Blatt des Stundenbuches der Gebrüder Limburg für den Duc de Berry keine heilsgeschichtlichen Aspekte oder Perspektiven zu erkennen. *** Ein Jahrhundert später hat Albrecht Dürers Künstlerzeitgenosse und Landsmann aus Kronach in Franken Lucas Cranach der Ältere (1472–1553) seine außerordentliche Vorliebe für das zu seiner Zeit sehr begehrte Thema „Adam und Eva und der Sündenfall“ demonstriert. Über fünfzig entsprechende Gemälde wurden von ihm und in seiner enorm produktiven Werkstatt geschaffen.128
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Zwei große mit 1530 datierte und signierte Gemälde schildern die ganze Geschichte von Adams und Evas Erschaffung bis zu ihrer Vertreibung aus dem Paradies. Auf dem Gemälde Paradies (Abb. 50) im Kunsthistorischen Museum, Wien129, ist eine horizontweite paradiesische Landschaft zu sehen mit früchtetragenden Bäumen, blühenden Sträuchern, von Bäumen bewachsenen Felsformationen, einem Wasserfall, kleinen Seen mit Schwänen und Reihern, mit Pferden, Einhörnern, Rehen, Schwarzbären, einem Hasen, einem Hund, Pfauen und anderem Geflügel. Und in die mit Flora und Fauna überreich gesegnete Landschaft hat Cranach noch alle Adam und Eva betreffenden Ereignisse inszeniert, wie sie in den ersten Kapiteln der Genesis erzählt werden. Über dem weiten Schauplatz leuchtet am blauen Himmel in einem mächtigen Wolkenkranz vor sonnenhellem Hintergrund das Antlitz Gottvaters. Wie die bildzentrale Szene des Gemäldes unten im Vordergrund anzeigt, ist der Sündenfall Adams und Evas das Hauptthema des Bildes. Bei der Szene geht es nicht um eine Situation vor dem Sündenfall, nicht um „das Verbot Jehovas an Adam und Eva“130, vom Baum der Erkenntnis in der Mitte des Paradieses eine Frucht zu pflücken und von ihr zu essen, sondern um die Situation nach dem Sündenfall. Gottvater hat die Ureltern in flagranti erwischt; Eva hält noch einen Zweig mit einem Apfel in der linken Hand, um mit seinen Blättern ihre Blöße zu bedecken. Gott stellt Adam und Eva, die sich an den Händen halten, zur Rede und – so wird es in der Bibel erzählt – verurteilt sie zu einem Leben voller Mühsal auf Erden und zum Tod am Ende. Speziell auf Eva scheint die äußerst strenge Rede mit dem endgültigen Urteil keinen besonderen Eindruck zu machen, obwohl sie sich doch mit Adam nach dem Sündenfall und dem Begreifen ihrer Tat angstvoll und voller Scham hinter einem Busch vor Gott versteckt hatte. Dass gerade diese Situation auf dem Gemälde mit dem Titel Paradies so exponiert im Vordergrund in Szene gesetzt ist, weist darauf hin,
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50: Lucas Cranach d. Ä.: Paradies, 1530, Wien, Kunsthistorisches Museum
dass es Cranach primär um den Sündenfall der Ureltern geht und dabei speziell um die für das Sündenfallgeschehen entscheidende Situation; Gott macht seine Drohung an Adam wahr: „[…], denn sobald du davon ißt, wirst du sterben.“ (Gen 2,17) In der oberen Hälfte des Bildes wird der Verlauf des Sündenfalls in drei Szenen dargestellt: die Verführung Adams und Evas durch die Schlange, ihr Sichverstecken vor Gott hinter einem Busch und die Vertreibung aus dem Paradies durch einen Cherub. Als vierte gehört die Szene mit Adams und Evas Verurteilung durch Gott zu ihnen. Haben die drei Szenen fast schon Miniaturformat, so noch mehr die beiden auch noch chronologisch nicht einander zugeordneten und marginalisierten Szenen der Erschaffung Adams131 ganz rechts in einem Waldeswinkel und der Erschaffung Evas mehr im Hintergrund und hinter einem kleinen Feigenbaum.132 In der Verführungsszene hält Adam bereits einen Apfel an seinen Mund, den Eva ihm gereicht und von dem sie bereits gegessen haben dürfte, zögert aber noch, ebenfalls von ihm zu essen, wie
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sein bedenklicher Blick auf Eva und sein nachdenkliches Kratzen am Kopf zeigen. Eva, die ihn zu ermuntern scheint, hält in ihrer Rechten hinter dem Rücken noch eine weitere Frucht versteckt.133 Und die Schlangenfrau, die mit ihrem nackten Oberkörper und ihrem frisierten Kopf auffallend Eva gleicht, streckt ihren Arm mit einem dritten Apfel Eva entgegen. Eva hat den Sündenfall bereits vollzogen, und Adam wird ihn gleich vollziehen. Und dass sie die Ursünde dann begangen haben, ergibt sich aus der nächsten Szene, die voraussetzt, dass sie erkannt haben, dass sie Gottes Gebot missachtet haben und nackt sind. Doch sich hinter einem Gebüsch zu verstecken, hilft ihnen nicht, sie werden von Gottvater entdeckt, verhört, zur Rechenschaft gezogen, verurteilt und aus dem Paradies gewiesen. Durch einen hinter ihnen herrennenden Cherub mit erhobenem Schwert werden sie ohne die von Gott genähten „Röcke aus Fellen“ (Gen 3,23) aus dem Garten Eden verjagt. Cranach d. Ä. inszeniert die Vertreibung aus dem Paradies nicht – wie z. B. auf dem Mosaik von San Marco oder der Gebetbuch-Illustration der Gebrüder Limburg134 zu sehen ist – als souveränen hoheitlichen Akt, sondern als Jagdszene. Entsprechend entsetzt und angsterfüllt fliehen Adam und Eva vor dem grandios beflügelten Engel aus dem Paradies. Bei den meisten seiner Adam-und-Eva-Sündenfall-Werke konzentriert sich Cranach auf die entscheidende Szene des gemeinsamen Sündenfalls. Dabei spielt er so gut wie alle möglichen Variationen des bedeutenden Themas auf immer wieder überraschende Weise durch, auch wenn bei der Fülle der Bilder szenische Wiederholungen nicht ausbleiben konnten. Als Konstante ist das auch bei Dürers Werken zu beachtende Motiv des Zögerns oder des Bedenkens präsent, das wohl die meisten Adam-und-Eva-Sündenfall-Gemälde Cranachs wie ein Leitmotiv bestimmt und durch das sie sich vom Text der Bibel grundsätzlich unterscheiden. In der Genesis kennt Eva keine Bedenken, sie pflückt die Frucht, isst von ihr, reicht sie weiter an Adam, der sie ohne zu zögern annimmt
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und ebenfalls von ihr isst. Bei Cranach treten die Ureltern gern mit Nachdenken signalisierenden Gesten auf; so hält Eva entweder die vom Baum gepflückte Frucht erst noch zögernd an die Wange, oder sie reicht Adam den Apfel nur halbherzig; Adam und Eva halten den Apfel in ihren Händen, schauen vor sich hin oder gemeinsam auf die Frucht und scheinen sich zu fragen, ob sie nun von dem Apfel essen oder nicht essen und somit den Sündenfall definitiv vollziehen oder nicht vollziehen sollen135, wie z. B. auf dem durch „seinen motivischen Reichtum und seine außerordentlich hohe malerische Qualität“ ausgezeichneten Gemälde Adam und Eva im Paradies (1526).136 Das Bild (Abb. 51) zeigt seinem Titel entsprechend das Urelternpaar beim Sündenfall in einer paradiesischen Landschaft, wie sie wohl zu imaginieren ist: unter blauem Himmel, mit hellem Horizont, einer Quelle, mit grünem Rasen, prächtigem Baumbewuchs und vielen – auch wenn der Löwe angriffig böse blickt – friedlich beieinander stehenden, grasenden, trinkenden oder ruhenden Tieren. In aller paradiesischen Abundanz und Pracht präsentiert sich in der Mitte zwischen Adam und Eva der Baum der Erkenntnis als Apfelbaum mit seiner überreichen Fülle – wie es in der Bibel heißt – an „köstlich“ zu essenden Früchten wie eine „Augenweide“ (Gen 3,6). Eva, die sich mit der linken Hand an einem Ast des Baumes festhält, hat gerade einen vom Baum gepflückten Apfel Adam in die rechte Hand gereicht, wobei sie ihre rechte Hand als Akt milden Zuspruchs auf die Frucht gelegt hat. Während beide ruhig abwartend den Apfel gemeinsam in der Hand halten und auf ihn schauen, kratzt sich Adam – wie auf dem Gemälde in Wien (Abb. 50) – noch mit der linken Hand am Kopf und überlegt, ob er denn die verbotene Frucht von Eva wirklich annehmen und von ihr essen soll. Für seine Adam-und-Eva-Tafeln hat auch Lucas Cranach d. Ä. – wie Dürer – den dunklen, abstrakten Hintergrund und außerdem den steinigen Boden gewählt, auf dem die Ureltern stehen.
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51: Lucas Cranach d. Ä.: Adam und Eva im Paradies, 1526, London, Courtauld Institute of Art Gallery
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Bei den entsprechenden Werken in Warschau und Besançon manifestiert sich auf besondere Weise, dass sich Cranach bei Dürers Kupferstich (1504) und den Madrider Doppeltafeln (1507) „nicht nur Anregungen“ geholt hat, sondern offenbar in „einen künstlerischen Wettstreit“ mit dem Nürnberger eingetreten zu sein scheint.137 Wie Dürers Adam-und-Eva-Gemälde im Prado besteht auch Cranachs großformatiges Werk in Besançon aus zwei Tafeln, bei denen die Trennungslinie durch den Baum in der Mitte zwischen Adam und Eva verläuft (Abb. 52). Auch wenn bestimmte Bildelemente der Gemälde „überzeugend mit einer konkreten Beeinflussung durch Dürer erklärt werden (können)“138, so unterscheidet sich Cranachs Werk thematisch doch fundamental von Dürers Prado-Tafeln.139 Bei Dürer ist der Sündenfall nicht das Hauptthema der Darstellung, worauf der ganz am rechten Bildrand stehende Baum der Erkenntnis mit der Schlange, die Eva einen Apfel anbietet, bereits hinweist; doch vor allem Evas gleichgültiger Griff zur Frucht, der nicht darauf hindeutet, dass sie den Apfel aus dem Maul der Schlange nehmen und den Sündenfall vollziehen wird. Dagegen signalisiert bei Cranach der bildzentrale Baum mit der Schlange zwischen Adam und Eva die Bedeutung des Sündenfalls, auch wenn er nicht durch Früchte oder Blätter als Apfel- oder Feigenbaum zu identifizieren ist; so lässt sich auch nicht sagen, woher Adams und Evas Äpfel und die Zweige mit den Blättern, die ihre Blöße bedecken, stammen. Es ist jedoch vor allem Evas außergewöhnlicher Auftritt, in dem sich der Sündenfall manifestiert. Eva, mit überwältigender Haarfülle ausgestattet, hat sich von der Schlange, die sich ihr von einem Ast mit fixierendem Blick und züngelnder roter Zunge entgegenstreckt, inspirieren und zum Sündenfall verführen lassen. Offensichtlich hat sie nach dem verhängnisvollen Gespräch nicht gezögert, einen Apfel, die verbotene Frucht – wie und wo auch immer – zu pflücken, von ihr auch gleich zu essen und so ihrerseits die Ursünde bereits zu begehen.140
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52: Lucas Cranach d. Ä.: Adam und Eva, um 1508/10, Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie
Doch dann kommen, so scheint es, Eva Bedenken. Ihr gehen, wie es in der Bibel heißt (Gen 3,7), die Augen auf und über ihr Tun nachdenkend schaut sie eher vor sich hin, als dass sie in eine bestimmte Richtung nach außen auf den Betrachter blickt. Ihr nachdenklicher Blick geht nach innen. Sie unterbricht ihre Aktion und
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hält inne. Entsprechend hält sie auch den angebissenen Apfel absichtslos in Richtung Adam. Sie reicht ihm den Apfel nicht. Sie will ihn nicht zum Essen der Frucht bewegen. Dafür müsste sie sich ihm aktiv zuwenden, ihn aufmerksam anschauen und auch ansprechen.141 Adam schaut dagegen ernst und fragend auf Eva. In der Hand des linken nach unten ausgestreckten Armes hält er selbst an einem Zweig einen Apfel, von dem er noch nicht gegessen hat und auf den er mit zwei Fingern der rechten Hand entschieden hinweist. Adam, der sonst immer wieder mit diversen Gesten angesichts von Evas Vorhaben oder Aktivitäten zögernd reagiert und Bedenken äußert, scheint hier mit seinem deutlichen Fingerzeig Eva darauf aufmerksam machen zu wollen, dass der Akt des Sündenfalls noch nicht endgültig vollzogen ist. *** LAPSVS HVMANI GENERIS – so steht es plakativ in Großbuchstaben auf einer Tafel, die über Adam und Eva auf dem ClairObscur-Holzschnitt mit dem Sündenfall hängt, den Hans Baldung Grien (1484/85–1545) im Jahr 1511 geschaffen hat (Abb. 53).142 Das Waldszenario143, vor dem Adam und Eva stehen, erinnert ebenso an Dürers Kupferstich Adam und Eva 1504 (Abb. 2) wie an seinen Holzschnitt Sündenfall der Kleinen Passion 1510 (Abb. 15), der – wie bei Baldung – außerdem das nackte Urelternpaar Körper an Körper geschmiegt beieinander zeigt. Obwohl der Holzschnitt Baldungs unter dem Titel Der Sündenfall figuriert, wird nicht gezeigt, wie Adam und Eva ihn ausführen. Die wesentlichen Elemente der biblischen Erzählung vom Sündenfall werden nicht dargestellt: weder wird die in der Genesis geschilderte Verführung Evas durch das Gespräch mit der hinterlistigen Schlange noch die entscheidenden Momente, da Eva die Frucht vom Baum pflückt und von ihr isst und wie sie die Frucht an Adam weiterreicht, der sie einfach annimmt, ebenfalls von ihr isst und so den Sündenfall endgültig vollzieht.
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Dürers und Baldungs Holzschnitte unterscheiden sich wesentlich. Während z. B. auf dem Blatt der Kleinen Passion die Schlange als Evas Verführerin am Geschehen aktiv und bildzentral beteiligt ist, indem sie Eva einen im Maul festgebissenen Apfel anbietet, den Eva nur berührt, aber noch nicht annimmt144, ist die Schlange bei Baldung nicht mehr in die Handlung involviert. Um den Stamm des großen Baumes auf der rechten Seite geschlungen, starrt sie bedrohlich fauchend und die Ureltern fixierend von oben auf sie hinab. Die Schlange inszeniert sich als aggressive Zuschauerin.145 Wie sie Eva, die bereits eine Frucht gepflückt hat, erfolgreich verführt haben könnte, kann nur spekuliert werden; ebenso wie über den Sinn ihrer so bösartig wirkenden Anwesenheit auf dem Bild. In der Bibel kommt die Schlange nach dem Gespräch mit Eva sowohl bei Evas gemeinsam mit Adam begangenem Sündenfall als auch bei den folgenden Szenen der Begegnung der Ureltern mit Gott im Garten Eden nicht mehr vor; jedenfalls wird sie erst wieder bei ihrer Verfluchung durch Gottes Urteilsspruch erwähnt. Ihrerseits nehmen Adam und Eva auf Baldungs Holzschnitt die sich so aufdringlich in Szene setzende Schlange nicht zur Kenntnis. Viel zu sehr sind sie mit sich und ihrer Sündenfallsituation beschäftigt. Steht der Sündenfall auf Dürers Holzschnitt der Kleinen Passion unmittelbar bevor, so hat er bei Baldung erst begonnen. Eva – auch sie wie Eva auf Cranachs Doppelgemälde (Abb. 52) mit überwältigender, bis zu den Oberschenkeln reichender und mächtig wehender Haarpracht – hat vom verbotenen Baum eine Feige an einem Zweig gepflückt. Insofern hat sie den Sündenfall bereits initiiert, doch wurde er noch nicht vollzogen. Während sie mit dem Feigenbaumblatt146 an dem Zweig in der Rechten ihre Blöße zu bedecken versucht, reicht sie mit ihrer linken Hand Adam – ohne ihn anzuschauen – in einer nicht gerade entschieden oder gar imperativ, sondern eher teilnahmslos wirkenden Geste die Frucht; ob sie von der Frucht schon gegessen hat oder nicht, ist nicht zu
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53: Hans Baldung Grien: Der Sündenfall, 1511, Holzschnitt, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett
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entscheiden. In diesem Anbieten der verbotenerweise gepflückten Frucht – des Corpus Delicti, ihres Sündenfalls – an Adam besteht Evas einzige Handlung. Adam beachtet Evas Geste nicht.147 Vielmehr greift er, der Körper an Körper halb verdeckt hinter Eva steht, mit seiner linken Hand an Evas linke Brust. Gleichzeitig streckt er – ohne hinzuschauen – seinen sehr langen und fast wie ein Ast des Baumes aussehenden rechten Arm148 wie nebenher in das Blattwerk des Baumes der Erkenntnis hinauf, unter dem er mit Eva steht, um nach einer Feige zu greifen, die er jedoch gerade erst leicht berührt. Erinnert Evas Anbieten der Frucht an Adam von fern noch an ihre Handlung in der Genesiserzählung, so gehören die dargestellten Momente der Gesten Adams, der – dem „Grundmotiv des sexualisierten Sündenfalls“ entsprechend149 – gleichzeitig Evas Brust und die Frucht im Baum berührt150, nicht zum biblischen Szenario. Wie auf Dürers Adam-und-Eva-Werken das Motiv des In- suspenso, des Schon-und-noch-nicht der Sündenfallsituation, eine bedeutende Rolle spielt151, so auch auf Baldungs Holzschnitt. Bereits in den Vollzug des Sündenfalls involviert, führen Adam und Eva ihn noch nicht aus. Sie scheinen – auch das ein Aspekt, der bei Dürer zu konstatieren ist152 – vor dem endgültigen Vollzug noch einmal gemeinsam innezuhalten und sich selbstbewusst zu präsentieren. Dieser Moment ihrer Selbstdarstellung vor dem Sündenfall könnte als das Hauptmotiv des nicht überzeugend schlüssig zu deutenden Bildes verstanden werden.153 Bildbeherrschend in der Mitte und im Vordergrund der Szene auf steinigem Boden stehend, treten Adam und Eva gleich einem miteinander und mit ihrem Handeln einverstandenen Paar auf, wie es sowohl Adams intime Berührung, die Eva nicht zurückweist und die ihr – wie ihr Lächeln anzudeuten scheint – offensichtlich sogar behagt, als auch sein Eva zugeneigter Kopf und die sich überkreuzenden, sich gleichsam umarmenden Arme der Ureltern suggerieren.
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Die Bedeutung ihrer Selbstdarstellung offenbart sich in den nachdenklichen Blicken Adams und Evas. Sie sind entsprechend der Situation des Innehaltens beim Vollzug des Sündenfalls nach innen gerichtet, was sowohl Evas leicht geneigter Kopf als auch Adams intensiver Gesichtsausdruck signalisieren. Doch Adams und Evas ernste Blicke sind auch nach außen auf den Betrachter der Sündenfallszene gerichtet. Die sprechende Geste ihrer Blicke, die in Verbindung mit der über Adam und Eva hängenden großen Inschrifttafel zu verstehen ist, soll den Beobachter der Szene darauf aufmerksam machen, um was es hier letztlich geht: um Adams und Evas Sündenfall als Sündenfall der Menschheit, den LAPSVS HVMANI GENERIS.154 *** Auf drei Adam-und-Eva-Sündenfall-Werke von Dürers prominenten Renaissance-Künstlerzeitgenossen Raffael, Tizian und Michelangelo ist – als Kontrastbilder zu Dürers ganz anderen Darstellungen – hier noch aufmerksam zu machen. Bei einem kunstgeschichtlichen Tema con variazioni wie dem so unendlich oft dargestellten Sündenfall stellt sich für die Interpreten immer wieder die grundsätzliche Frage, wie weit – bei aller künstlerischen Freiheit – das Thema „Adam und Eva und der Sündenfall“ anders imaginiert und bildlich variiert werden kann, wenn es überhaupt noch etwas mit dem biblischen letztlich alles entscheidenden Ereignis des Beginns der Welt- und Menschheitsgeschichte zu tun haben soll. Auch auf den drei Adam-und-Eva-Kunstwerken der italienischen Künstler gibt das brisante Problem der mal mehr, mal weniger bedeutsamen Abweichungen vom Text der Heiligen Schrift bei so unterschiedlichen Darstellungen des Sündenfalls zu denken. Eines der vier rechteckigen Bildfelder an der Decke der Stanza della Segnatura, die Raffael (1483–1520) in den Jahren 1508–1511 mit Fresken ausgemalt hat, zeigt Adam und Eva beim Sünden-
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54: Raffael: Adam und Eva / Der Sündenfall, Fresko, 1508–1511, Vatikan, Stanza della Segnatura (Gewölbe), Detail
fall – anders als bei Dürer – im üppig grünen Paradiesgarten Eden mit himmlischem Goldhintergrund (Abb. 54). Die Schlange, die sich mit ihrem langen Leib um den Baum der Erkenntnis geschlungen hat, tritt in Gestalt einer erwachsenen Frau mit nacktem Oberkörper auf. Sie und die blonde verführerisch-aufreizend nackte Eva schauen aus dem alles überwölbenden grünen Blätterdach der Bäume mit lockend-fixierendem Blick auf Adam hinab, der – auf einer Erderhöhung sitzend – seinerseits zu den beiden
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55: Tizian: Adam und Eva / Der Sündenfall, um 1550, Madrid, Museo Nacional del Prado
sich ähnelnden Frauen emporblickt. Zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hält Eva eine von ihr selbst gepflückte oder von der im Hintergrund agierenden Schlangenfrau erhaltene Frucht, die sie Adam präsentiert und wie eine Köstlichkeit anbietet. Mit seiner erhobenen Rechten macht er eine Geste, die zweifach zu deuten ist: als wolle Adam entweder noch ernsthaft
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Bedenken äußern oder von Eva die Paradiesfrucht des Sündenfalls bereitwillig annehmen.155 Raffael inszeniert die Verführung Adams zum Sündenfall durch die von der assistierenden Schlange bereits verführte, zu ihrer Handlung inspirierte und verführerisch präsente Eva. In bemerkenswert einmaliger Gestalt erscheint die Schlange auf Tizians (1488/90–1576) Sündenfall (um 1550): Als Putto mit Babykopf, auf dem entsprechend kleine, leicht nach hinten gebogene Hörner zu sehen sind, und mit in zwei Schwänze geteiltem Schlangenleib (Abb. 55).156 Was auch immer Tizian mit dieser Metamorphose der Schlange in ein neckisch-gehörntes Putto-Schlangenteufelchen intendiert haben mag: Dass die Schlange als pausbäckiger Putto erscheint, bedeutet, dass die für das Alte und Neue Testament und den jüdischen wie christlichen Glauben so bedeutende Erzählung der Genesis vom alles entscheidenden Ereignis des Sündenfalls, der die Menschen aus dem Paradies himmlischer Gottesnähe ins Elend irdischer Gottesferne stürzt, ins NiedlichNaive transformiert wird.157 Ein Putto, ein „kleiner Junge“, wäre selbst als gehörntes Teufelchen mit Schlangenleib nicht in der Lage, wie die listige Schlange der Genesis Eva durch bösartig-raffinierte und hinterhältig insinuierende, Gott, den Herrn, verdächtigende Worte zum Vollzug des Sündenfalls zu verführen. Diese Verharmlosung widerspricht der Identifizierung der Schlange mit dem Teufel als Widersacher Gottes in der christlichen Tradition, wie sie sich in künstlerischen Darstellungen manifestiert, die die Schlange als teuflisch-satanisches Ungeheuer zeigen, z. B. als Drache158 oder Echse.159 Vom zentralen Baum der Erkenntnis reicht der Schlangen-Putto, der auf seine Aktion und auf Adam blickt, Eva mit der rechten Hand einen Apfel an einem Zweig mit Blättern, den sie mit der Linken ergreift.160 Adam, der, unter einem Feigenbaum sitzend, zur verführerischen Eva und zum Schlangen-Putto aufschaut und ihr Handeln genau beobachtet, legt seine linke Hand leicht an Evas rechte Schulter und Brust; er scheint auch
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56: Michelangelo: Adam und Eva / Der Sündenfall / Die Vertreibung aus dem Paradies, Deckenfresko, 1508–1512, Vatikan, Sixtinische Kapelle, Detail
auf diesem Gemälde noch vorsichtig Bedenken signalisieren zu wollen.161 Bei Michelangelo (1475–1564) kennt Adam auch nicht die geringsten Bedenken (Abb. 56). Auf der Freskodarstellung des Sündenfalls im vierten Spannbogen des 1508–1512 geschaffenen Deckengewölbes der Sixtina präsentieren sich Adam und Eva und die Schlangenfrau als ungemein athletische Figuren in imposanter Nacktheit.162 Die sexuell-erotisch hoch aufgeladene Szene wirkt wie ein Picknick im Freien unter heiterem Himmel. Die drei Teilnehmer verhalten sich ungezwungen, als ginge es um eine muntere Feigenpflückaktion. Der machtvoll auftretende, nackte Adam, der im Genesisbericht von Eva die von ihr gepflückte verbotene Frucht gereicht bekommt und annimmt, bedient sich hier zielstrebig gleich selbst. Mit energischem Griff an einen Ast des Baumes richtet er sich entschlossen auf und greift mit der rechten Hand nach einer Feigenfrucht im verbotenen Baum ganz nah am Kopf der Schlange. Als kümmerte ihn Gottes Todesandrohung nicht, holt sich Adam aus eigener Initiative bedenkenlos selbst eine Frucht vom Baum, der hier nicht in der Mitte des Paradieses steht,
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sondern an seiner Grenze bzw. am Rande des Schauplatzes, der einer vom üppigen Blattwerk des Feigenbaumes gebildeten Laube gleicht. Dagegen wird Eva – wie Adam mit wuchtigem MichelangeloKörper ausgestattet –, die in der Bibel die Frucht nach dem Gespräch mit der Schlange vom Baum pflückt, nicht aktiv und initiativ. Sie pflückt keine Frucht. Sie lässt sich bedienen. Ohne ein Aufstehen auch nur anzudeuten, lässt sich die auf felsigem Boden lasziv liegende Eva von der Schlange Feigenfrüchte reichen. Aus ihrer Liegeposition heraus nimmt sie mit der erhobenen linken Hand gleich mehrere Früchte aus der ihr weit entgegengestreckten Hand der Schlange, zu der sie mit entschiedenem, fast schon forderndem Blick aufschaut. Wäre da nicht der Schlangenkörper, man könnte beim Anblick der Schlange meinen, eine mit Eva verwandte Person sei einfach mal so in den Feigenbaum geklettert, pflückte und verteilte als Mitglied des Trios nun seine Früchte. Nicht als schlanke Schlange, sondern als muskulös breitschultrige Frau erscheint sie. Bis zur Hüfte zeigt sich die Schlange als Frau von opulenter Statur. Von den Oberschenkeln an, mit denen sie den Baumstamm umfasst, verwandeln sich ihre beiden Beine in zwei lange Schlangenschwänze, die mit Schlangenwürgegriff den Baumstamm vollständig umschlingen, sich unten hinter dem Baum – wie auch immer – wohl wieder vereinen und als nur ein Schlangenschwanz am Fuße des Baumes wieder sichtbar werden. An den Sündenfall der Genesis erinnert das Fresko nur sehr von fern. So verweisen der felsige Untergrund und der in der Mitte zwischen den Ureltern und dem Feigenbaum mit der Schlange aufragende Baumstumpf hinter Eva an die von Gott als Folge des Sündenfalls angedrohten Konsequenzen: an die Vertreibung aus dem Paradies, an das Leben auf „verfluchtem Ackerboden“ (Gen 3,17) mit dem Tod am Ende. Was der Baumstumpf als Memento mori – et in arcadia ego! – symbolisch signalisiert, demonstriert eindrucksvoll die Nachbarszene. Michelangelos außerordentlich
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eigenwillige idyllische Sündenfallinszenierung, die der Sündenfallerzählung der Genesis in keiner Weise entspricht, wird noch außergewöhnlicher dadurch, dass sie gleichzeitig direkt neben dem Sündenfall die Vertreibung der Ureltern aus dem Paradies zeigt. Vor einer leeren weiten Landschaft werden Adam und Eva von einem gewaltigen Cherub in rotem Gewand, der über ihnen angeflogen kommt und bereits sein Schwert bedrohlich an Adams Nacken hält, aus dem Garten Eden vertrieben. Während Adam auf diesen Angriff mit abwehrenden Gesten reagiert, duckt sich Eva hinter Adam weg, hält die verschränkten Arme wie zum Schutz vor ihren Oberkörper und an ihren Kopf und blickt bösartig zurück zum Paradies. Im Gegensatz zur eher jugendlichen Eva des Sündenfalls wirkt ihr Gesicht schon sehr alt. Ihr wird das ganze Ausmaß ihrer gemeinsam mit Adam begangenen bösen Tat bewusst. Sie begreift ihre Situation. Und sie ahnt, was kommt. So sorglos unbekümmert Adam und Eva sich im Paradies der Früchte bedienten bzw. sie sich reichen ließen, so entsetzt zeigt sich Eva. In ihrem angsterfüllten Blick offenbart sich, dass sie verstanden hat, dass Gott es mit seiner in Gen 3,14–19 formulierten drastischen Strafpredigt ernst gemeint hat. In ihrem Blick spiegelt sich jenes Adam und Eva unmittelbar nach dem Sündenfall erschütternde Erkennen und Erschrecken: „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ (Gen 3,7) Dieses Nacktsein meint mehr als nur ein Unbekleidetsein. Adam und Eva sind von Gott aus dem Paradies in die Welt geworfen und dem Dasein zum Tode ausgeliefert. Mit dem Augenblick des Pflückens oder Annehmens und des Essens der verbotenen Frucht des Paradieses ist für Adam und Eva das Paradies das verlorene Paradies.163
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Zitiert nach: Bibel 2000. – Welche Bibel Dürer in seinem Besitz hatte, ist nicht nachgewiesen, wie mir freundlicher- und dankenswerterweise Dr. Thomas Eser vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg in einer Mail vom November 2019 mitgeteilt hat. Dürer hat sicherlich den etwas eigenwilligen Adam-und-Eva-Text und die dazugehörenden Illustrationen von Michael Wolgemut, seinem Nürnberger Lehrer, und Wilhelm Pleydenwurff (Erschaffung Adams und Evas, Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies auf Blatt V, VI und VII) der Weltchronik (Liber Chronicarum) des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel gekannt, die bei Anton Koberger 1493 publiziert wurde. Vertraut dürfte er mit dem Thema auch durch entsprechende Kunstwerke gewesen sein. Wie konkret-handgreiflich Gott, der Herr, zu Werke geht, zeigt nicht nur die Erschaffung Adams „aus Erde vom Ackerboden“ (Gen 2,7) oder die Erschaffung Evas aus einer „Rippe“ Adams (Gen 2,21–22), sondern auch der Hinweis auf Gottes menschenfreundlich eigenhändiges Tun: Gott, der Herr, der Schöpfer des Himmels und der Erde, schneidert selbst noch schnell „Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit“, bevor er selbst sie wegen ihrer Sünde aus dem Garten Eden verjagt (Gen 3,21–24). Als sei Gott im Paradies als Jäger, Kürschner und Schneider tätig gewesen. – Vgl. zu den hier nur angedeuteten Problemen beim Verständnisversuch der biblischen Adam-und-Eva-Erzählung die umfassenden und detaillierten Darstellungen zur Interpretationsgeschichte der so phantasievollen wie phantastischen, speziell theologischen Ausdeutungen des Eva-und-Adam-Mythos und seiner „Wandlungen“ durch die Jahrhunderte sowohl bei Flasch 2004 als auch bei Greenblatt 2018. Zur ausführlichen Exegese der „Paradieserzählung“ vgl. Gertz 2018, S. 80 ff.; und speziell zur „Erzählung vom Sündenfall“ S. 129 ff. Es ist wohl anzunehmen, dass Eva zuerst einmal eine einzige Frucht und nicht gleich mehrere Früchte pflückte. Im Genesistext (Gen 2 und 3) der deutschen Einheitsübersetzung kommt – wie auch bei Luther – das Wort „Paradies“ nicht vor; es ist von „Garten“, „Eden“ oder „Garten in/von Eden“ die Rede, während es in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der Bibel, und in
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der Vulgata, der lateinischen Übersetzung der Bibel, παράδεισος bzw. paradisus heißt. Der hebräischen Deutung des Namens „Eden“ folgend, wird das Paradies im griechischen und lateinischen Text zusätzlich auch als παράδεισος της τρυφης bzw. paradisus voluptatis oder locus voluptatis ausgezeichnet: als „Garten der Wonne“ (vgl. Gen 2,8.10.15; 3,23.24). Auch diese nicht uninteressante Bedeutungsvariante kommt in der Einheitsübersetzung nicht vor. Vgl. zu Gen 2,8 den Kommentar in: Bibel 2000; auch LThK 3, Sp. 657. – In der Schedelschen Weltchronik (1493, Blatt VII) heißt es, dass Adam und Eva, nachdem sie „von der frucht des verpotten holzes […] geessen het“, aus „dem paradeis des wolusts in das ertreich der verfluchung außgeworffen“ wurden. Zur Sündenfalldarstellung heißt es im RDK 1, Sp. 127: „Am frühesten nachweisbar ist die Darstellung des Sündenfalls. Sie kommt schon am Ausg. 2. Jh. unter den Wandmalereien der ‚zweiten‘ Katakombe von S. Gennaro in Neapel vor und bleibt die einzige Szene des A.-und-E.Zyklus, die im Bilderkreis der Katakomben vorkommt.“ Zur Bildgeschichte der biblischen Adam-und-Eva-Erzählungen vgl. LCI 1, Sp. 41–70; speziell zum Sündenfall Sp. 54 ff. und zur Schlange LCI 4, Sp. 75 ff. Vgl. auch – reich bebildert – Esche 1957. Die Holzschnitte der Basler Ausgabe des „Ritters vom Turn“ sind „in ihrer Zuweisung an Dürer weitgehend akzeptiert“; vgl. Michael Roth in: Nürnberg 2012, S. 40. Schoch/Mende/Scherbaum haben den „Ritter vom Turn“ als Werk Dürers in SMS III, S. 50 ff., aufgenommen; vgl. auch bei Hütt 1970, Band 2, 1304. Hier wird der Holzschnitt nicht weiter thematisiert. Vgl. Winkler 1957, S. 199. Mit seinen sehr hoch gestellten Flügeln, dem hoch erhobenen Schwert und dem energischen Griff an Adams Rücken erinnert der Cherub (s. Abb. 18) deutlich an den Engel der Vertreibungsszene in Schedels Weltchronik von 1493, Blatt VII. Dürers vom Genesistext erheblich abweichende Sündenfalldarstellungen erreichen freilich nicht die Ausmaße wie Hans Baldungs Inszenierungen des LAPSVS HVMANI GENERIS, wie auf der Inschrifttafel von Baldungs Holzschnitt Der Sündenfall (1511) geschrieben steht. Zu dem Holzschnitt ausführlicher im letzten Kapitel „Blick in die Geschichte“ mit Abbildung. Auf problematische Deutungen in der neueren Literatur zu Dürers Adam-und-Eva-Werken wird im Verlauf der Studie in den Anmerkungen detailliert hingewiesen. Zu den Gemälden schreibt Strieder 1981, S. 174: „Es geht Dürer diesmal
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ausschließlich um die Figuren. Das Beiwerk ist auf das Notwendigste beschränkt. Auf eine Deutung des Geschehens durch die Beifügung von Symbolen ist verzichtet.“ – Für Winzinger (1971, S. 75) ist „das Thema“ der Adam-und-Eva-Tafeln „eigentlich nur ein Vorwand“. – So auch Schoch (SMS 2001, I, S. 112): „Dürers klassizistisch-distanzierte Auffassung verweist auf einen künstlerischen Diskurs, der sich unübersehbar in den Vordergrund drängt und den religiösen Stoff als bloßen Vorwand erscheinen lässt. Das erste Menschenpaar gab Dürer die Gelegenheit, die Idealfiguren von Mann und Frau beispielhaft in Szene zu setzen. Er stellte sie als klassische, nach dem Kanon des Vitruv proportionierte und konstruierte Aktfiguren dar: Adam variiert die kontrapostische Haltung des ‚Apoll vom Belvedere‘, Eva das Haltungsschema der ‚Venus Medici‘.“ – Schuster, der Dürers berühmte drei Meisterstiche (MELENCOLIA I, Ritter, Tod und Teufel, Hieronymus im Gehäuse) durch den Kupferstich Adam und Eva / Der Sündenfall zu einem Vier-Temperamente-Meisterstiche-Quartett ergänzt (vgl. 1991, S. 331 ff.), bemerkt (ebd., S. 336): „Nicht eigentlich auf die Darstellung des Sündenfalls mit seinen erotischen Implikationen, sondern auf diese göttliche Vollkommenheit der Stammeltern zielt auch Dürers ‚Adam und Eva‘-Stich in seinen idealen Proportionsfiguren.“ – Und Schauerte (2020, S. 61 ff.) schreibt zum Stich, dem „wohl einflussreichsten Werk, das der Künstler geschaffen hat“: „Seine klare und präzise Komposition zielt unverkennbar darauf ab, einen gültigen Maßstab für die Darstellung des nackten menschlichen Körpers zu bieten – bei kaum einem anderen Werk ist Dürer so sehr ‚Lehrer‘. Was dem Blatt aber seine herausragende Autorität verleiht, ist – vor allem beim Adam – der so offensichtliche Rückgriff auf die Formensprache der Antike.“ Vgl. Hinz in: Wien 2003, S. 264. „Adam- und Eva-Gestalten sind aus den zahlreichen Vorstudien […] zwischen 1500 und 1504 hervorgegangen, bilden so die Quintessenz aller Bemühungen um den schönen Körper […].“ So Rebel (1996, S. 194) zum Kupferstich. – Zu den vorbereitenden Proportionsstudienaspekten des Stiches wie der Gemälde vgl. Schoen 2001, S. 38 ff.; Hinz in: Wien 2003, S. 254 ff. Als ein „paradiesisches Waldesdunkel“, als das es Metzger (in: Wien 2019, S. 222) sieht, kann dieses dschungeldicht zugewachsene Waldstück nicht bezeichnet werden. Auch von „paradiesische(r) Idylle“ kann hier nicht die Rede sein; vgl. Appuhn 1985, S. 88. Das Tier wird auch als „Ziegenbock“ identifiziert; vgl. Bonnet 2001, S. 166, und 2014, S. 33; bzw. als „Bergziege“ bei Grebe 2013, S. 68; oder – mit Hinweis auf den im 2. Jh. auf Griechisch verfassten Physiologus
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Nr. 41: „Von der Gazelle“ – als „Gämse“; so Hinz in: Wien 2003, S. 256. Folgt man den Abbildungen der Tiere im Duden-Bildwörterbuch, so kann – wenn hier von Kleinigkeiten mal abgesehen wird – diese Benennung durchaus ebenso zutreffen wie „Steinbock“, nur dass der Steinbock wesentlich längere, aber ebenfalls leicht nach hinten gebogene Hörner trägt. Im Physiologus wird der Gämse ein „scharfer Blick“ attestiert: „Das Tier mustert von fern her alle, die zu ihm herankommen, und erkennt, ob sie in böser Absicht kommen oder in guter Gesinnung.“ Als „Abbild der Weisheit Gottes“ verweise es auf Gott bzw. den Erlöser, der „alles sieht, was geschieht“. Ob Dürer bei seinem in den Abgrund schauenden Steinbock an diese Allegorisierung gedacht hat, darf offenbleiben. – Auch Greenblatt (2018, S. 179 f.) bezeichnet das Tier als „Gämse“, die „offensichtlich bereit zum Sprung“ sei; vielleicht auf den doch wohl auch für eine Gämse sehr weit unterhalb zu sehenden bewaldeten Felsvorsprung? – Sowohl Bonnets Interpretation des Tieres als Ziegenbock in „prekärem Gleichgewicht am Rande eines felsigen Abgrundes“ als auch in Anlehnung an den Ritt/Flug von Hexen auf Ziegenböcken als „Sinnbild für die fleischlichen Begierden des Menschen“ kann nicht überzeugen. – Ebenfalls kann Warncke (1987, S. 312) nicht überzeugen: „Mühsam klettert dort oben [auf „kargen Felsenhöhen“] ein Steinbock und fristet in solch unwirtlicher Gegend seine geplagte Existenz. Unser Blick erschaut hier also die Folgen des Sündenfalles, das menschliche Leben in der Mühsal von Arbeit, Sorge und ständiger Existenzgefährdung.“ Ganz sicher „klettert“ der Steinbock nicht „mühsam“, er steht vielmehr auf der Spitze des Felsens fest und sicher und schaut in die Tiefe. Felsiges Hochgebirgsgelände ist übrigens der heimische Lebensraum von Steinböcken, in dem sie keine „geplagte Existenz“ fristen. Auch wenn es hier und da selbst bei so staunenswert trittsicheren Steinböcken zu tödlichen Abstürzen kommt, so kann Dürers Steinbock nicht einfach als Sinnbild „ständiger Existenzgefährdung“ bezeichnet werden. – Ähnlich phantasievoll sieht es auch Bark (1994, S. 36), die in dem Tier eine „Bergziege“ erkennt, die sich „von kantigem, steilem Felsen gefährlich weit zu saftigem Grün hinunter (beugt)“; und dann fragt Bark: „Sollte hier ebenfalls eine Warnung enthalten sein, die die körperliche Begierde als gefährlich darstellt?“ – Auf Abbildungen in Hartmann Schedels Weltchronik (1493) zur Erschaffung Adams und Evas, zum Sündenfall und zur Vertreibung aus dem Paradies (Blatt V, VI und VII) weist die (mit einer früchtetragenden Palme, einem Apfelbaum und den vier Paradiesflüssen deutlich paradiesischer gestaltete) Landschaft wie bei Dürers Kupferstich ebenfalls (mal ferner, mal näher zum Geschehen) Felsformationen auf. Auf dem Sündenfallblatt scheint in ganz eigen-
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williger Darstellung als skulptiertes Felsengebilde ein mächtiger, über den Abgrund ragender Schädel nicht eines Steinbockes, sondern eines Mufflons mit den charakteristisch gedrehten Hörnern zu sehen zu sein. Wie paradiesische Landschaften in großräumiger Ausführung oder konzentriert um Adam und Eva vorzustellen sind, zeigen die zahlreichen Gemälde Lucas Cranachs d. Ä. Vgl. dazu im letzten Kapitel „Blick in die Geschichte“ mit Abbildungen. Die Tiere werden in der Forschung aus welchen Gründen auch immer anders identifiziert. – Auf zwei Adam-und-Eva- bzw. Sündenfalldarstellungen aus dem Jahre 1510 sind noch ein Löwe und ein Damwild (Abb. 19), ein Dachs, ein Löwe und ein Wisent (Abb. 15) zu sehen: auf einer Zeichnung in der Albertina, Wien, bzw. auf dem Holzschnitt 2 der Kleinen Passion; vgl. SMS II, S. 288 ff. – Zur vielfach übernommenen allegorischen Deutung und Bedeutung der Tiere vgl. speziell Panofsky 1995, S. 114. So direkt in vollständiger Nacktheit wie auf zwei Studien konnte Dürer auf dem Stich, der ja vielfach reproduziert unters Volk gebracht werden sollte und wurde, das Urelternpaar nicht der Öffentlichkeit präsentieren. Eine sehr frei interpretierende, stark sexuell-erotisch konnotierte Studie mit dem nackten Urelternpaar ist wohl um 1495 entstanden; vgl. Bonnet 2014, S. 65, Abb. 9. Außerdem ist noch auf eine Federzeichnung-Vorstudie zum Kupferstich (wie dieser aus dem Jahr 1504) mit frontal dargestellten nackten Figuren hinzuweisen; sie fällt durch Besonderheiten auf, die in variierter Form auf dem Stich wie auch auf den Gemälden zu sehen sind; vgl. zu dieser Zeichnung (Abb. 5) den begleitenden Text. Vgl. zu Dürers Adam-und-Eva-Zeichnungen bei Bonnet 2014 weitere Abbildungen S. 15, 16, 24–28. Vgl. auch Hinz (in: Wien 2003, S. 258– 261) zu Dürers Adam-und-Eva-Konstruktions- bzw. Reinzeichnungen. Dürers Kupferstich wie auch seine Adam-und-Eva-Tafeln in Madrid werden aufgrund bestimmter Details als eine Art Vor-Bilder gesehen für Lucas Cranachs d. Ä. Gemälde Adam und Eva, 1510, in Warschau und Besançon; vgl. Frankfurt 2007b, S. 360 ff.; Brüssel 2010, S. 198 f.; Düsseldorf 2017, S. 144 f. Zur gekrönten Frauenkopf-Schlange vgl. RDK 1937, 1. Band, Sp. 137: „Im spätesten Mittelalter wird der Frauenkopf der Schlange häufig mit einer Krone versehen.“ – Gekrönt tritt die Schlange bei Dürer auch auf dem Holzschnitt (Abb. 15) und der Zeichnung von 1510 (Abb. 19) auf; aber nicht auf den Prado-Tafeln, doch bereits 1493 auf der Sündenfallillustration zum „Ritter vom Turn“; Abb. 1. Das Motiv, dass es die Schlange ist, die eine Frucht vom Baum gepflückt
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bzw. abgebissen hat, die sie im Maul hält und Eva anbietet und die von Eva auch angenommen und an Adam weitergereicht wird, ist bereits auf Bibelillustrationen aus dem 9. Jh. zu sehen. Vgl. zu karolingischen Bibeln im letzten Kapitel mit Abbildungen. Vgl. RDK 1, Sp. 136: „Häufig wird der Sündenfall mit der Versuchung so kombiniert, daß E. mit der Schlange spricht bzw. von ihr (d. h. aus ihrem Maul) einen Apfel nimmt und gleichzeitig einen zweiten an A. weiterreicht.“ Für Mende (Baldung Grien 1978, S. 45, Nr. 19) ist die Schlange bei Dürer sogar „mehr neckisches Beiwerk“, während sie „bei Baldung als Dritter im Bunde bedrohliche Dimension (gewinnt)“. Mendes Bemerkung bezieht sich zwar auf die Schlange, doch kennzeichnet er mit ihr insgesamt die gar nicht bedrohlich wirkende Sündenfallszenerie, wie sie auf Dürers Stich und den Gemälden zu sehen ist. Beim Holzschnitt der Kleinen Passion sieht es anders aus, nämlich auch eher bedrohlich. Warncke (1987, S. 310) sieht diese Geste Adams in Parallele zur Haltung von Evas linkem Arm und linker Hand, in der sie einen Apfel an einem Zweig hinter ihrem Rücken hält: „Dabei ist Evas linker Arm für den Betrachter das Pendant des linken Armes von Adam. Beider Aktion aber ist völlig entgegengesetzt. Während Adam fordernd die Hand ausstreckt, dreht Eva ihre Hand mit der bereits empfangenen Frucht so krampfhaft und gewaltsam von Adam weg, daß alle Armmuskeln angespannt sind. Sie verbirgt also die Frucht so entschieden vor ihm, wie er sie andererseits entschieden fordert. All diese Eigentümlichkeiten der Komposition heben Adams aktive Position überdeutlich heraus, zumal auch ein gewisser Gegensatz zum biblischen Text besteht, denn dort wird gesagt, daß Eva Adam von der Frucht gibt (Gen 3,6). Im Zentrum des Bildes ist hier der Schlüssel zu seinem Verständnis.“ Einige der hier vorgetragenen Beobachtungen und ihre daraus abgeleitete Interpretation erweisen sich jedoch als fragwürdig. Da ist z. B. zu fragen, ob denn überhaupt und von wem denn Eva den zweiten Apfel an dem Zweig „empfangen“ haben könnte. Wohl kaum von der Schlange. Hat Eva ihn nicht vielleicht eigenhändig vom Baum abgebrochen? Zweifellos verbirgt Eva Arm und Hand mit der Frucht energisch und entschieden hinter ihrem Körper, aber „krampfhaft und gewaltsam“ und warum? Zwar besteht sicherlich ein „gewisser Gegensatz zum biblischen Text“, den Warncke in „Adams aktiver Position“ erkennt. Im Genesisbericht vom Sündenfall erscheint Eva als die Handelnde. Sie spricht mit der Schlange, sie pflückt die Frucht, sie isst zuerst von ihr und sie reicht Adam die angebissene Frucht, der sie dann einfach entgegennimmt und ebenfalls von ihr isst. Adam erweist sich beim biblischen Sündenfall
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in der Tat als ausgesprochen passiv, während er auf dem Stich an der Aktion mehr oder weniger beteiligt ist. Doch die „Verlagerung der aktiven Handlung auf Adam“, in der Warncke (ebd.) den entscheidenden Aspekt für die Interpretation des Stiches sieht, findet nicht statt. Dafür gibt es auf dem Stich keine Indizien. Adam blickt auf Eva, aber er handelt nicht. Er präsentiert sich, stellt sich demonstrativ in Positur und setzt sich allein durch eine nicht gerade „entschieden“ wirkende Geste der linken Hand mit eigenwilliger Fingerhaltung in Szene. Eva dagegen hat gehandelt und handelt. Sie greift – wie auch immer verhalten – zur Frucht im Maul der Schlange, die sie konzentriert beobachtet, während sie Adam nicht beachtet. Und sie versteckt die zweite, von ihr vom Baum an einem Zweig gepflückte Frucht so „entschieden“ hinter ihrem Körper, dass sich die Frage stellt, ob Adam sie eigentlich sehen kann, um sie fordern zu können. All diese Unstimmigkeiten und Fragwürdigkeiten der Interpretation lassen es nicht zu, dass es auf dem Stich um „die Verlagerung der aktiven Handlung auf Adam“ geht und „im Zentrum des Bildes […] hier der Schlüssel zu seinem Verständnis“ zu erkennen ist. Der von Warncke versuchte Indizienbeweis, soll „der theologischen Auffassung des Sündenfallgeschehens“ entsprechen, „wie sie in der Formulierung des Erbsündedogmas beim Hl. Augustin erscheint“. Doch dafür sind die angenommenen Indizien nicht tragfähig genug, dafür haben sie keine Beweiskraft. So kann Warnckes Resümee (ebd., S. 313) zu Dürers Kupferstich nicht überzeugen: „Das Blatt erweist sich jetzt als eine rein mit bildimmanenten Mitteln gestaltete erbauliche theologische Abhandlung, die auf Augustin beruht, aber keineswegs eine Illustration seines Textes ist, überhaupt keinen Text ins Bild setzt, sondern eigenständig argumentiert.“ Sicherlich zeigt sich das Verhältnis der Ureltern als distanziert, aber wie Wölfflin (1984, S. 125) „ein frostiges Nebeneinander“ von Adam und Eva zu konstatieren, geht dann doch an der Konfiguration der beiden Personen vorbei. Hinz (2006, S. 40) charakterisiert die Beziehung Adams und Evas so: „Es erscheint ein gleichsam klinisches Verhältnis von Mann und Frau.“ Für Bonnet (2014, S. 33) „scheint“ in Evas „überraschenderweise über ihre linke Schulter wie von einem sanften Windstoß fortgeweht[em]“ Haar „ihre einzige Reaktion auf Adams fragende Zuwendung“ zu erkennen zu sein. Abgesehen davon, dass ein „sanfter Windstoß“ eine solche Haarfülle nicht in fast waagerechte Position wehen könnte, dürfte die Bewegung der Haare Evas körperlich-seelische Reaktion auf Adams Zuwendung anzuzeigen kaum in der Lage sein. Außerdem bliebe zu fragen, welche Art von Reaktion damit angezeigt werden soll. Dass „Er-
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regung suggeriert“ sein könnte, wie Bonnet fragt, ist bei der so auffällig in sich ruhenden Eva eher nicht anzunehmen. Es dürfte sich bei Evas wehendem Haar um ein bildkompositorisches Detail handeln. Nicht jedes Detail ist mit Bedeutung aufgeladen oder aufzuladen. Zum Blick der Eva auf dem Stich heißt es bei Schoen (2001, S. 56), dass er „ihrer Hand folgt“ bzw. dass Eva „versonnen auf die Schlange (blickt)“. Bei Hinz (in: Wien 2003, S. 254) ist Eva „die Schlange mit dem Apfel musternd“ zu sehen. Für Wolf (in: Kiel 2004, S. 74) blickt Eva „versonnen und leise lächelnd auf die Frucht“. – Zu Bonnets Deutung von Evas Blick s. Anm. 33. So auch Greenblatt (2018, S. 179): „[…], doch Evas Gesten sind fein und zweideutig, es könnte auch sein, dass sie, umgekehrt, das Tier füttert.“ – Für Rebel (1996, S. 194 f.) scheint es jedoch ganz eindeutig, dass Eva auf dem Kupferstich der Schlange die Frucht reicht: „Gerade überreicht Eva also den Apfel der Versuchung. Vom Baum der Erkenntnis, der das Bild halbiert, Adam und Eva sowohl trennt wie zusammenführt, ringelt sich die Schlange der Versuchung herab, beißt in den dargebotenen Apfel und stigmatisiert ihn so zum Punkt aller künftigen Gegensätze.“ Wie die so spezielle, gar nicht in den Kontext der Verführungserzählung passende Geste dann zu deuten wäre, oder was sich Dürer bei dieser fragwürdigen Umdeutung gedacht haben mag, sagt Rebel nicht. Warum soll Eva ausgerechnet der sie verführenden Schlange den Apfel reichen? – Auch für Feulner (in: Frankfurt 2013, S. 148) stellt sich die nicht eindeutige Situation, wenn auch anders, als eindeutig dar: „Es ist der Moment kurz vor dem verhängnisvollen Biss, der die Menschheit ins Unheil führen sollte. Eva reicht Adam gerade den Apfel, den sie auf Anraten der Schlange vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat.“ Hier stellen sich einige Fragen: Ob Eva wirklich den Apfel eigenhändig vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat oder nicht doch die Schlange, die die vom Baum abgebissene Frucht im Maul hält und Eva anbietet; ob Eva den Apfel aus dem Maul der Schlange nimmt und „gerade“ Adam reicht, den sie dabei nicht einmal anschaut; wer und wann zuerst den „verhängnisvollen Biss“ in den Apfel auf dem Stich ausführen wird; und ob die raffiniert bösartige Verführung Evas durch die Schlange als bloßes „Anraten“ qualifiziert werden kann. Einige Beispiele seien genannt: Bei Schoen (2001, S. 56) „entnimmt“ Eva den Apfel dem Maul der Schlange; bei Schneider (SMS II, S. 288) „empfängt“ Eva den Apfel von der Schlange; bei Schauerte (in: Osnabrück 2003, S. 111) gibt die Schlange „Eva die Frucht in die Hand“; bei Schauerte (2012, S. 130) bietet Eva Adam den „von der Schlange empfangenen“ Apfel an; bei Eichler (1999, S. 85) nimmt Eva „von der
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Schlange den Apfel entgegen“; bei Wolf (in: Kiel 2004, S. 74) „nimmt Eva von der Schlange die verbotene Frucht entgegen“; bei Schiener (2011, S. 53) „greift“ Eva „nach dem Apfel im Maul der Schlange“; bei Metzger (in: Wien 2019, S. 222) „legt“ die Schlange den Apfel Eva „in die Hand“. Bonnet (2014, S. 32) bezeichnet Evas Geste auf dem Stich als „ambivalente Geste“: „Nun präsentiert Eva in ihrer Rechten die verbotene Frucht, und zwar in einer ambivalenten Geste, die zweifach gelesen werden kann: als Entgegennehmen aus dem Maul der Schlange oder als Entgegenhalten in Richtung Adams. Die Geste bleibt umso offener, als Evas Blick sich weder auf Adam noch direkt auf die Frucht richtet. […] Adam scheint Eva konzentriert anzublicken, während ihr Blick weniger deutlich zu fassen ist, sich am Kopf der Schlange vorbei im Unbestimmten verliert.“ Diese Deutung ist nicht so recht nachvollziehbar; weder was den Blick der Eva betrifft, der sich nicht im „Unbestimmten“ verliert, sondern auf ihre Hand, den Apfel und den Kopf der Schlange gerichtet ist; noch was ihr „Entgegenhalten“ oder Anbieten (vgl. Vetter 1966, S. 161) der im Maul der Schlange festgebissenen Frucht in Richtung Adams angeht, den Eva bei diesem „Entgegenhalten“ genauso wenig, wie doch zu erwarten wäre, anschaut, wie Adam seinen Blick auf diese Geste richtet. Mit dem Überreichen einer Gabe ist immer ein gegenseitiges Anblicken verbunden oder ein gemeinsamer Blick auf die Gabe; erst recht bei dieser verhängnisvollen Gabe. – Schoch sieht und deutet Evas Geste anders (SMS I, S. 110): „Unterstützt von der Schlange, hat Eva eine verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis, einem Feigenbaum, gepflückt und reicht sie Adam, der sich mit argumentierender Gebärde noch gegen die Freveltat zu wehren scheint.“ Hier stellen sich einige Fragen: Wie denn die „Unterstützung“ durch die Schlange bei Evas Pflücken der verbotenen Frucht vom Baum konkret ausgesehen haben könnte, falls Eva sie – wie auch immer – wirklich vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat, was aus dem Bild nicht ersichtlich ist; warum sich dann die Frucht, in die Eva noch nicht gebissen hat, erst einmal im Maul der Schlange sozusagen deponiert befindet, bevor Eva sie – was anzunehmen ist – aus dem Maul der Schlange nimmt, um von ihr eventuell zu essen und sie dann Adam zu reichen, dass er sie annehme und von ihr esse. Fast wortgleich Schoch bereits in: Nürnberg 2000, S. 82, nur dass da noch nicht die so problematische Formulierung „unterstützt von der Schlange“ steht, sondern adäquater „verführt von der Schlange“. Wie das z. B. auf Cranachs d. Ä. Adam-und-Eva-Gemälde (um 1510) im Nationalmuseum Warschau der Fall ist. Auf dem Adam-und-Eva-
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Gemälde (um 1508/10) im Musée des Beaux-Arts in Besançon zeigt Cranach d. Ä. eine Eva mit einem senkrecht gehaltenen Apfelbaumzweig, von dem eins der dürftigen Blättchen mehr schlecht als recht ihre Scham bedeckt und dessen Apfel Eva in der Linken unter der Brust hält; gleichzeitig hat Eva auch noch einen Apfel vom Baum gepflückt, den sie in ihrer Rechten Adam präsentiert. Schauerte (in: Osnabrück 2003, S. 112) sieht es so: Eva halte in ihrer linken Hand eine Frucht, „die nicht von dem fatalen Baum stammt und die Eva dem Zugriff Adams entzieht“, der sich jedoch nach jener Frucht wirklich nicht „reckt“, wie sein souveräner Auftritt demonstriert. Sie versinnbildliche all jene Früchte der Bäume im Garten Eden, von denen zu essen – nach Evas Rede (Gen 3,2) – den Ureltern erlaubt war. – Auf den Adam-und-Eva-Gemälden gehört übrigens der Zweig, den Adam in seiner linken Hand hält und an dem ein zweiter Apfel hängt, zweifellos zum verbotenen Baum, an dem die Schlange Eva erscheint und ihr an einem Zweig im Maul einen Apfel darreicht, den Eva ergreift; s. Abb. 8. Wie für Warncke 1987, S. 310 (s. Anm. 27), Bonnet 2014, S. 33, und Schoen 2001, S. 56, Adams Geste des linken, nach unten ausgestreckten Armes als „fordernd“ zu bezeichnen ist, so ist sie auch für Noll (2009, S. 238) „kaum anders als ‚heischend‘ zu charakterisieren“. – Dass Adam, wie Schauerte behauptet (in: Osnabrück 2003, S. 112), „bei alldem“, nämlich bei der „Unterredung“ Evas mit der Schlange und der darauf folgenden Verführung Evas „der Schrift zufolge […] nicht zugegen war“, entspricht gerade nicht dem Genesistext, wo es heißt: Eva „gab auch ihrem Mann, der bei ihr war (kurs. R. H.), und auch er aß“ (Gen 3,6). – Schoen (2001, S. 96 bzw. S. 252, Anm. 136) spielt oder spekuliert ebenfalls mit dem Gedanken, dass Adam und Eva „in der entscheidenden Szene“ nicht beieinander waren, weil jetzt Eva von der Seite Adams „gewichen sein (mag), wodurch sie sich schuldig machte“. Der biblische Bericht vom Sündenfall lasse „in diesem Punkt viel Freiraum für Spekulationen“. Der Bericht lässt aber gerade keinen Freiraum für Spekulationen; er ist eindeutig, wie Gen 3,6 beweist. So ist es auch nicht sinnvoll, sich z. B. über „Adams Motivation, seiner Frau in ihrem Ungehorsam gegenüber Gott zu folgen“, spekulativ Gedanken zu machen; oder darüber, „welche Intention Eva mit der Verführung ihres Mannes verfolgt“. Hintergründiges Psychologisieren wird dem Text der Bibel, in dem es beim Handlungsverhältnis der Ureltern nicht um Intentionen oder Motivationen geht, nicht gerecht. Sowohl dem Genesistext als auch Dürers Adam-und-Eva-Darstellungen wird ebenfalls nicht gerecht, wenn die Umstände des Sündenfalls phantasievoll erzählerisch
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detailliert ausgemalt werden und eben behauptet wird, dass Eva bei der Versuchung durch die Schlange im Garten Eden allein und Adam abwesend war. Zur Tradition dieser legendären Vorstellungen in apokryphen Texten (beginnend mit der apokryphen Vita Adae et Evae als Hauptquelle) ausführlich Noll 2009, S. 233 ff. – Eine Eva ohne Adam zeigt Hans Baldung Grien auf seiner frühesten Zeichnung Eva unter dem Baum des Paradieses (1510) zum Thema. Hinz bezeichnet diese Eva als „eine ikonographisch eigene, weil isoliert sündenfällige“. Vgl. Hinz in: Frankfurt 2007a, S. 207 f., in seinem Beitrag „Baldung und Dürer – Nackte Figuren und ihre Bildgelegenheiten“ für den Ausstellungskatalog. Zu Baldungs Zeichnung ausführlich Carrasco 2019, S. 50 ff., mit Abbildung. Schon Wölfflin (1984, S. 128) fragt sehr entschieden: „[…], und was soll eigentlich diese energisch heischende Hand?“ – Die Antwort kennt Grebe (2013, S. 68); für sie „greift“ Adam „nach der verborgenen Frucht in Evas Hand“. Vgl. Wölfflin 1984, S. 125; auch Wölfflins weitere, sehr kritische Anmerkungen in dem Abschnitt sind durchaus beachtenswert; z. B. wenn er schreibt: „In der Tat, der Stich ist ein Kunstwerk, wo das formale Motiv lange bereit war, ehe es für den bestimmten Stoff ‚Adam und Eva‘ zurechtgemacht wurde.“ – Wie sehr Wölfflins Hinweise zutreffen, bestätigen diverse Interpretationen des Kupferstiches. Panofsky (1995, S. 114) notiert: „Wie der Stich Weihnachten [ebenfalls von 1504] mit voller Absicht ein Perspektive-Modell ist, ebenso ist der Sündenfall ein Modell menschlicher Schönheit.“ Panofsky bezeichnet den Stich, der in den meisten Fällen neutral mit Adam und Eva benannt wird, dessen Titel eigentlich (wie alle Adam-und-Eva-Werke Dürers) Adam und Eva und der Sündenfall lauten müsste, immer nur als Sündenfall. Doch war es nach Panofsky Dürers „Hauptanliegen“, „dem nördlichen Publikum zwei klassische Beispiele des nackten menschlichen Körpers vorzustellen, so vollkommen wie möglich in den Proportionen und in der Stellung“. – Auch Schoen (2001, S. 56) hebt hervor: „Es sind nicht die spezifische Art des Sündenfalls oder die vorausweisenden Folgen, die hier inszeniert werden, sondern es ist die Idealität der Körper. Adam und Eva befinden sich im gottesebenbildlichen Zustand ante culpam, und diesem verlorengegangenen Zustand gilt hier Dürers gestalterisches Interesse. Themenbedingte Vollkommenheit der Körper und die Herausforderung, diese Idealität formal zu (re)konstruieren, durchdringen sich im Stich so intensiv und konsequent, wie niemals wieder in seinem Werk.“ – Ganz ähnlich Bonnet (2014, S. 33): „Noch waltet also die göttliche Harmonie, und das Paar trägt alle Züge des Idealen, Göttlichen. Noch
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sind Adam und Eva göttliche Entwürfe, Kreaturen in Harmonie mit Gott und den Gesetzen der Schöpfung, lebende Modelle der Gattung ‚Mensch vor dem Fall‘, noch sind sie nicht aus vergänglichem Fleisch und Blut.“ – Was diesen speziellen Aspekt der Gestaltung des idealen Bildes von Adam und Eva betrifft, so sind sich wohl die meisten Forscher einig und haben sie keine Probleme, dem Stich wenigstens vom formalen „Inhalt […] beizukommen“. Doch ist die Darstellung von Adam und Eva immer auch inhaltlich im Kontext der Sündenfallerzählung als beachtenswerte, das Bildthema mitbestimmende Rahmen- oder Hintergrunderzählung zu sehen und zu deuten. – Was andere Aspekte oder Details angeht, so erweisen sich die Deutungsversuche des Stiches als erheblich problematisch und unterschiedlich. Das vielleicht beste Beispiel dafür ist ein Passus bei Bonnet (2014, S. 33); da wird auf die Uneinigkeit der Forscher bei der Deutung des Geschehens auf dem Stich hingewiesen und auf die nach Meinung Bonnets „absichtlich jede Eindeutigkeit“ vermeidende Bildinszenierung Dürers, der „stattdessen eine spannungsvolle Ambivalenz“ in das Bild einbringe. Bei dieser „absichtlich jede Eindeutigkeit“ vermeidenden Bildinszenierung Dürers verwundert es dann nicht, dass sich unter Dürer-Forschern keine Einigkeit bei der Deutung einstellen will. – Wolf (2010a, S. 117) bemerkt zu den Uneindeutigkeiten bei Dürer, „dass eines der Kernanliegen der Renaissance auch zu seinem wurde: die Enigmatik, die Mehrdeutigkeit der Bildinhalte, die Dunkelheit der Aussage. Sein ganzes Schaffen hindurch hat Dürer mit Rätselbildern das detektivische Gespür der Interpreten und die Lust der Exegese herausgefordert.“ – Die von Bonnet angesprochenen absichtlichen Uneindeutigkeiten oder Fragwürdigkeiten werden von ihr förmlich aufgelistet, indem sie eine stattliche Reihe von Frageoder „scheint“-Sätzen ausformuliert, in denen sich die ganze Ratlosigkeit bei der Deutung des Stiches dokumentiert und die hier im Einzelnen nicht diskutiert werden können. Dennoch formuliert Bonnet zu Recht ein Resümee: „Es ist ein Augenblick der Spannung, des Innehaltens, des Schwebens zwischen dem idealen, paradiesischen, gottgegebenen Zustand und dem Fall ins menschlich verschuldete, sündhafte, vergängliche irdische Schicksal.“ Lässt sich und in welchem Sinne ließe sich hier von „menschlich verschuldete[m]“ Schicksal sprechen? Waren Adam und Eva, obwohl ausdrücklich als „Menschen“ geschaffen (Gen 2,7), vor dem Sündenfall im Vollsinn des Wortes Menschen, so dass sie menschlich hätten schuldig werden können? Da sind freilich Genesisexegeten, speziell Sündenfalltheologen gefragt. Ist es möglich, Dürers Kupferstich, bei dem er – wie Bonnet bemerkt – „absichtlich jede Eindeutigkeit“ vermieden hat (mit welch eindeutiger Absicht eigentlich?),
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als „ein Manifest seines Glaubens und seiner persönlichen Auslegung eines alttestamentarischen Textes“ zu bezeichnen (Bonnet 2014, S. 31)? Sollte eine Auslegung des Bibeltextes und ein Manifest des Glaubens nicht immer soweit möglich an Eindeutigkeit nichts zu wünschen lassen? Auch stellt sich die Frage: welchen Glaubens? Eines Glaubens an Gottes creatio ex nihilo mit Adam und Eva und dem Sündenfall als entscheidendem Ende der Schöpfungsgeschichte und Beginn der Menschheitsgeschichte? Bonnet (2014, S. 31, und bereits 2001, S. 158) betont vor allem auch, dass Dürer beim Kupferstich „zum ersten Mal die Darstellung des Sündenfalls aus dem erzählerischen Kontext der Genesis gelöst und das Ureltern-Paar geradezu monumental in seiner gottgegebenen Verfasstheit, der ursprünglichen Blöße, inszeniert“ hat; vgl. auch Bonnet/Kopp-Schmidt (2010, S. 110) zu den Adam-und-Eva-Gemälden, wo es heißt, Dürer habe „Adam und Eva aus dem Erzählzusammenhang der Genesis herausgelöst“. So auch Carrasco (2019, S. 24) und Schoen (2001, S. 55, 115), der Dürers „wesentliche Leistung“ darin erkennt, „die Ersten Menschen erstmals außerhalb eines heilsgeschichtlichen Kontextes gestaltet zu haben“. Dürer hat jedoch auf seinen Adam-und-EvaSündenfall-Werken die Initiatorin des Sündenfalls, die Schlange mit dem Apfel im Maul, immer als Hinweis auf den Genesis- bzw. Sündenfallkontext unübersehbar und nicht nur als schmückendes Beiwerk präsent sein und mitwirken lassen. Doch abgesehen davon, falls Dürer diese „wesentliche Leistung“ wirklich hätte erbringen wollen, so wäre ihm die Verwirklichung seiner Intention nicht geglückt; sie konnte auch nicht gelingen. Der im Alten Testament berichtete Sündenfall ist „außerhalb eines heilsgeschichtlichen Zusammenhangs“ (vgl. Carrasco 2019, S. 24) nicht darzustellen. Der Sündenfall ist Heilige Schrift, Altes Testament, Genesistext. Und auch Adam und Eva, die Stammeltern, sind Altes Testament und außerhalb des „heilsgeschichtlichen Kontextes“ der Genesiserzählung nicht zu gestalten. Ohne jede bibeltextliche Konnotation der zur Heilsgeschichte gehörenden Paradiesereignisse um Adam und Eva im Bild selbst und dann natürlich auch im Bildtitel wären sie nicht mehr Adam und Eva, sondern nur ein ideal schönes Menschenpaar. Was Dürer „geleistet“ hat, ist nicht, Adam und Eva außerhalb des heilsgeschichtlichen Kontextes der biblischen Erzählung vom Sündenfall dargestellt zu haben. Seine Leistung besteht vielmehr darin, versucht zu haben, Adam und Eva in ihrer „gottgegebenen Verfasstheit“ paradiesischer Schönheit im zweifellos sehr frei gestalteten Bild-Motiv-Kontext des Sündenfallberichtes auf eminente Weise auszuzeichnen, auszugestalten. – In ihrer idealen Erscheinung „als Abbild Gottes“ zitieren Adam und Eva auf Dürers Kupferstich und den Ge-
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mälden gleichsam das erste Kapitel des ersten Buches des Alten Testamentes, das der sog. „priesterschriftlichen“ Tradition des Genesistextes zuzuordnen ist. Im Gegensatz zum zweiten und dritten Kapitel, die mit ausführlich konkreten Erzählungen von der Erschaffung Adams „aus Erde vom Ackerboden“ (Gen 2,7) bzw. Evas aus Adams „Rippe“ (Gen 2, 22–23) zur „jahwistischen“ Überlieferung gehören, heißt es im ersten Kapitel ohne Berichte vom Sündenfall und von der Vertreibung aus dem Paradies kurz und bündig (Gen 1,26–27): „Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. […] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; / als Abbild Gottes schuf er ihn. / Als Mann und Frau schuf er sie.“ Zu den beiden Erzählungen von der Erschaffung des Menschen aus unterschiedlichen Traditionen, die sich „bei genauerem Hinsehen“ als „unvereinbar“ (S. 26) erweisen, vgl. auch Flasch 2004, S. 17–27. – Am Ende des sechsten Schöpfungstages, an dem als letztes Werk der Mensch von Gott erschaffen und als Herr über die Schöpfung inthronisiert wurde, sah sich der Schöpfer nicht nur sein Werk dieses Tages an, sondern „alles, was er gemacht hatte“ (Gen 1,31), „das ganze Werk der Schöpfung“, das er „vollendet“ hatte (Gen 2,3). Und er sah (Gen 1,31): „Es war sehr gut.“ Genau das trifft in besonderer Weise auf Adam und Eva zu: „Einmall hat der schopfer dӳe menschen gemacht, wie sie müsen sein, […].“ So hat es Dürer im „Entwurf zum Ästhetischen Exkurs“ formuliert (vgl. Rupprich III, S. 272). Als Künstler-Schöpfer oder „von got begabt meyster“ (vgl. Rupprich III, S. 293, Z. 268), der sich geradezu verzweifelt darum bemüht hat zu erkennen, „waz dy schonheit sey“, war Dürers Anspruch, es Gott, dem Schöpfer, wenn auch nicht gleichzutun, so doch wenigstens durch das Schaffen von Kunstwerken wie den Adam-und-Eva-Kupferstich oder die Adamund-Eva-Gemälde so gut und so schön wie möglich nachzutun: Adam und Eva im Erzählzusammenhang der Genesis und Heilsgeschichte gerade auf wahrhaft eminente Weise auszuzeichnen und zu präsentieren: als die Krönung des göttlichen Schöpfungswerkes. Zum Selbstverständnis Dürers als Künstler-Schöpfer vgl. Hoffmann 2014, S. 79 ff. – In diesem Zusammenhang ist es sicherlich interessant zu wissen, dass das „bonus“ der lateinischen Vulgata bzw. das „gut“ der deutschen Bibelübersetzung der Verse „Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,9 u. a.) bzw. „Es war sehr gut“ (Gen 1,31) in der Übersetzung der Septuaginta dem griechischen Wort καλός (καλός λίαν) entspricht, dessen primäre Bedeutung „schön“ ist. Das „gut“, „sehr gut“ des Genesistextes kann also mit „schön“, „sehr schön“ konnotiert werden. – Wie Bonnet verweist auch Schoen öfter auf die Uneindeutigkeiten der Adam-und-Eva-Werke Dürers; z. B. auf S. 115: „Seine Bilder öffnen sich dem Betrachter, der vor
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ihnen zu Überlegungen über Ursprung und Ziel des Menschseins angeregt wird, wobei sie sich jedoch einer eindeutigen Interpretation verschließen.“ Gerade weil sich Dürers Werke eindeutigen Interpretationen verschließen, scheint es doch sehr problematisch zu sein, mit Blick auf die Adam-und-Eva-Bilder „den Standpunkt Dürers innerhalb des Sündenfalldiskurses zu beleuchten“ (Schoen 2001, S. 14). Vermitteln Dürers so fragwürdige Bilder wirklich Erkenntnisse über seinen „Standpunkt“ innerhalb des alles andere als einfachen, vielmehr komplex spekulativen Diskurses der Sündenfall- und Erbsündetheologie, wie sie – von Paulus im Römerbrief (Kap. 5) initiiert – vor allem von Augustinus entscheidend entwickelt und dann in der Scholastik weiter spezifiziert wurde? – Eines der sehr strittigen dogmatisch-bibeltheologischen Probleme ist die Frage nach der jeweiligen Schuld Adams und Evas. Schoen, für den sich diese Frage „bei Dürers Tafeln zuvorderst stellt“ (2001, S. 94), weist – auch im Hinblick auf den Stich und den Holzschnitt – Adam die „Hauptschuld“ oder „Hauptverantwortung“ zu; (vgl. ebd., S. 51, 96, 98, 109, 115). Er folgt mit seiner problematischen, den Adamund-Eva-Bildern Dürers nicht entsprechenden Hauptschuldthese den nicht weniger problematischen Ausführungen Warnckes von 1987, der ähnlich argumentiert und z. B. beim Kupferstich in der zentralen „Verlagerung der aktiven Handlung auf Adam“ den „Schlüssel zu seinem Verständnis“ sieht; mehr zu Warncke hier in Anm. 27. – Noll (2009, S. 238–248) widmet der Frage nach der „jeweiligen Schuld der Ureltern“ (S. 243) ein zehnseitiges Kapitel. Bei allem Aufwand sowohl an Hinweisen mit ausführlichen lateinischen Zitaten aus Werken mittelalterlicher Theologen (z. B. Bonaventura, Thomas von Aquin, Johannes He rolt) und Verweisen auf andere anonyme oder namentlich bekannte Adam-und-Eva-Werke (z. B. von Baldung, Altdorfer, Murner) wird nicht ersichtlich, was diese kunsthistorischen und spekulativ theologischen Kontextversuche mit Dürers Adam-und-Eva-Werken konkret zu tun haben könnten. Mit Blick auf Dürers Werke stellt sich die Frage nach der „jeweiligen Schuld der Ureltern“ nicht. Warum eigentlich in der Theologie? – Zu dieser Frage: „Wer hatte die größere Schuld, Eva oder Adam?“, vgl. Flasch 2004, S. 84 f. Entsprechende Abbildungen bei Bonnet 2014, S. 76–89. Das Verfahren Dürers bei der Komposition des Kupferstiches ist vergleichbar dem Verfahren bei der Komposition des Stiches Herkules am Scheidewege (um 1498); dazu Wölfflin 1943, S. 128: „Wie in einem Kaleidoskop sind die von Haus aus fremden Elemente zum Bilde zusammengemischt, es ließen sich auch andere Kombinationen denken, jedenfalls ist es aber unwahrscheinlich, daß die darzustellende Ge-
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schichte genau auf diese Figuren gepaßt habe. Dürer verfolgte seine artistischen Interessen, die Klarheit der Erzählung mochte dabei immerhin einen Knick bekommen.“ – Nur von einem „Knick“ zu sprechen, ist noch sehr vornehm zurückhaltend formuliert. Mit seiner aus heterogenen Elementen „zusammengestückten Komposition“ (Winkler 1957, S. 95) oder „erstaunlich eklektischen Art und Weise“ (Anzelewsky 1983, S. 74) lässt der Herkules alle Versuche, eine in sich konsistente Deutung zu bieten, immer wieder als fraglich erscheinen. Auch ihm ist – um noch einmal Wölfflin (1984, S. 125) zu zitieren – „vom Inhalt […] gar nicht beizukommen“. Vgl. zum Herkules ausführlicher Hoffmann 2019, S. 148–151. Sehr ausführlich thematisiert Hinz (2006, S. 39–50) die „figürliche Genese des Kupferstiches“ am Beispiel sowohl der hier angesprochenen Federzeichnungen als auch einiger Figuren aus Dürers „Proportionslehre“. Was den Kupferstich angeht und die für die Darstellung aus den Vorzeichnungen übernommenen Gesten und Haltungen der Protagonisten, bemerkt er auf S. 40: „Die getrennt erarbeiteten Posen schlagen, kaum abgemildert, sichtlich in die endgültige Paar-Szene durch.“ – Ganz ähnlich zu „Dürers Prinzip der erzählerischen Umsetzung mathematischer Ergebnisse“, das „auch dem Kupferstich ‚Adam und Eva‘ zugrunde (liegt)“, Grebe 2013, S. 69. – Hinz (S. 46) behandelt auch die Federzeichnungen Adam und Eva (um 1495; bei Winkler 1937, II, Nr. 148) in Paris und Mann und Weib in teuflischer Umklammerung bzw. Nacktes Paar mit geflügeltem Teufel (um 1495; bei Winkler 1937, II, Nr. 158) in Bremen. Die Zeichnungen können hier unberücksichtigt bleiben, denn sie haben mit dem eigentlichen Thema, dem Sündenfall, der anderen Vorzeichnungen und den Adam-und-Eva-Werken (Stich, Gemälde, Holzschnitt, Zeichnung) so gut wie nichts gemein. Gute Abbildungen bei Bonnet 2014, S. 64 f. Hier wird freilich vorausgesetzt, dass die Adam-und-Eva-Zeichnung vor oder wie auch immer gleichzeitig mit dem Kupferstich entstanden ist. – Eine so gut wie identische Eva-Figur hat Dürer noch drei Jahre nach dem Kupferstich, also im Jahr der Gemälde 1507, gezeichnet (Abb. 24 bei Bonnet 2014, S. 83). Vgl. dazu Anm. 27 und 36. Der Adam-und-Eva-Stich erinnert – wie bereits angedeutet – aufgrund seiner Uneindeutigkeiten an Dürers frühen Kupferstich Herkules am Scheidewege von 1498 und an andere „rätselhafte Stiche“ mit ihren „unklaren Bildinhalten“; vgl. Grebe 2013, S. 65 f. Grebe (S. 117) verweist außerdem auch auf den Kupferstich Ritter, Tod und Teufel von 1513, mit dessen „Inhalt“ schon Heinrich Sebastian Hüsgen seine „Schwierigkei-
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ten“ hatte und den er darum in seinem 1778 zusammengestellten Verzeichnis der Kupferstiche Dürers „unter die Rubrik ‚Fantasie-Stücke‘“ eingeordnet hat, wie unter anderen auch Die Hexe, Die vier Hexen, Die große Fortuna, Die Melancolie. Für Schoen (2001, S. 53) „darf der Stich quasi als Vorformulierung zu dem Gemäldepaar betrachtet werden“, vor allem weil „die Idealität der Figuren vor dem Sündenfall vergleichbar inszeniert ist“. So in der Schedelschen Weltchronik 1493, Blatt VII. Zum dunklen Hintergrund der Tafeln heißt es bei Schoen (2001, S. 76– 80): Einerseits könne das Dunkel im Vorausblick auf die Vertreibung und ihre Folgen (Mühsal des leidvollen menschlichen Lebens auf der von Gott verfluchten Erde mit dem Tod am Ende) verstanden werden; andererseits im Rückblick auf die creatio ex nihilo der Welt; das Dunkel des Bildhintergrundes sei zu definieren „als das ‚Nichts‘, aus dem der Mensch geschaffen wurde“. Freilich ist ganz konkret in Gen 2,7 zu lesen: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem.“ – Für Bonnet/KoppSchmidt (2010, S. 110) entwerfen „der schwarze, undefinierte Grund und der dürre Boden […] eine düstere Vorstellung vom Paradies“. Der dunkle Hintergrund und der steinig-dürre Boden dürften jedoch nicht mit Paradiesvorstellungen Dürers in Verbindung zu bringen sein. Der für die Adam-und-Eva-Gemälde gewählte dunkle Hintergrund beruht auf einer bewussten künstlerischen Entscheidung, nämlich um die Figuren profilierter, ja eklatanter in Erscheinung treten zu lassen. Mit Blick auf die Eva-Federzeichnungen von 1506 und die Gemälde schreibt Hinz (in: Wien 2003, S. 259): „Die von Dürer schon seit einiger Zeit bevorzugte schmale dunkle Foliierung nackter Figuren […] mündete in der Tat – monumentalisiert – in die Prado-Tafeln.“ Schoen (2001, S. 34) bemerkt zu Evas Aktion auf dem Gemälde: „Eva entnimmt gerade von dieser [der Schlange] den Apfel, ohne jedoch der ‚Verführerin‘ oder der schicksalhaften Handlung besondere Aufmerksamkeit zu widmen.“ – Auch auf dem Holzschnitt (Abb. 15) stellt sich – wenn auch weniger deutlich – Evas Geste des Nehmens der Frucht aus dem Maul der Schlange dar, als geschehe dieser Akt nur so nebenher, als eine Art Begleitaktion zur intensiven, auch körperlichen Kontaktbegegnung mit Adam. Zu anderen bemerkenswerten Aspekten dieser Studien vgl. Hinz in: Wien 2003, S. 259 ff.; auch Koschatzky/Strobl 1971, S. 220 ff. Selbst die Frucht an dem vom Baum der Erkenntnis abgerissenen Zweig, den Eva auf dem Stich mit ihrer Linken leicht hinter ihrem Körper verborgen in der Hand hält, hat sie noch nicht gepflückt. Der
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Apfel hängt noch an dem Zweig. Für Grebe (2013, S. 68) hat Eva die „verborgene Frucht“ freilich bereits „selbst gepflückt“. Adam hingegen auf dem Gemälde berührt nicht einmal die Frucht an dem ihm von Eva gereichten Zweig des Baumes. So z. B. Schoen 2001, S. 56, 71, 79 und öfter. Ähnlich Schiener (2011, S. 53) zum Stich: „Technisch meisterhaft stellt Dürer Adam und Eva kurz vor dem Sündenfall dar.“ So z. B. auch Eberlein 2011, S. 66; Feulner in: Frankfurt 2013, S. 148; Grebe 2013, S. 68. – Bonnet/KoppSchmidt (2010, S. 110) schreiben mit Blick auf die Gemälde, der Sündenfall stehe erst noch bevor, „da beide Früchte noch unberührt sind“. Dass beide Früchte noch unberührt sind, stimmt jedoch gerade nicht; es gilt nur für den von Adam an einem Zweig gehaltenen Apfel; Eva hat den ihr von der Schlange an einem Zweig entgegengereichten Apfel doch eindeutig berührt und mit der linken Hand fest ergriffen. – Wie bereits für Scherbaum (in: Schweinfurt 1999, S. 146) ist auch für Bonnet (2014, S. 32) die Tatsache, dass auf dem Stich „die nicht eindeutig bestimmbaren verbotenen Früchte noch nicht angebissen (sind)“, der Beweis dafür, dass „der Sündenfall also noch bevor(steht)“. – Zum Sündenfall bemerkt Schoen (2001, S. 96): „Der bevorstehende Sündenfall, den Dürer gestaltet, ist in erster Linie menschlichen Ursprungs, denn der Schlange kommt nicht der aktive Part der Verführerin zu.“ Wie das bereits auf den Bibeltext nicht zutrifft, wo die Schlange im Paradies mit ihrer direkten Anrede an Eva die Verführung beginnt, so auch nicht auf Dürers Adam-und-Eva-Bilder (mit Ausnahme der Zeichnung von 1510), auf denen immer die Schlange den von ihr selbst vom Baum „gepflückten“ Apfel in ihrem Maul Adam und Eva anbietet und somit den Sündenfall, Evas Berühren und das eventuelle Pflücken und Essen der verbotenen Frucht, als „aktiver Part“ verführerisch initiiert. – Zum Problem des „Menschlichen“ bei Adam und Eva im Kontext der Sündenfallgeschichte vgl. Anm. 38. Wie das z. B. auf Werken Cranachs d. Ä. zu beobachten ist (s. Abb. 52) oder auf Dürers Federzeichnung von 1510 (s. Abb. 19); dazu ausführlicher im entsprechenden Kapitel. Vgl. Winkler 1957, S. 164. Vgl. Feulner in: Frankfurt 2013, S. 148. – Dass sich Adam und Eva jedoch bereits wie eigentlich erst nach dem Sündenfall zeigen, nämlich mit den ihre Scham bedeckenden Blättern, spricht nicht gegen die Vorsündenfalldeutung; diese Darstellung hat „moralische“ Gründe. Erst auf dem 3. Holzschnitt der Kleinen Passion mit der Vertreibung aus dem Paradies zeigt sich Adam erschrocken blickend angesichts des zum Schlag hoch erhobenen Schwertes, mit dem der übermächtige Cherub
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die Vertreibung der Ureltern aus dem Paradies als endgültig exekutiert; vgl. SMS II, S. 290 f.; s. Abb. 18. Vgl. z. B. dazu Noll 2009, S. 251; Noll weist mit Recht auch darauf hin, dass diese Interpretation des so „auffällig dürre(n) und steinige(n) Boden(s)“ nicht ganz unproblematisch und „nur mit Vorbehalt“ möglich ist. Der hl. Georg und der hl. Eustachius auf den Seitenflügeln des Paumgartner-Altares (1500–1502) stehen ebenfalls auf einem solchen Boden. Vgl. dazu Schoen (2001, S. 112): „Die unheilschwangere, bedrohliche und unwirtliche Natur ist zugleich (gemäß Gen 3,17–24) der Lebensraum der Stammeltern nach dem Fall.“ Rebels (1996, S. 195) Sicht auf den Schauplatz des Sündenfalls auf dem Stich ist einfach zu positiv, gleichsam zu paradiesisch-unschuldig: „Die Schönheit ‚zwischen‘ Mann und Frau erfährt ihre Ergänzung und Erläuterung durch den Raum, der die Figuren umfängt. Im Bild liegt er als Folie hinter den Protagonisten. Der Raum ist das Paradies: dunkel erfüllt von Wachstum, Artenvielfalt, Geborgenheit. Alles steht, liegt, wächst, lebt und gedeiht in Zuordnung auf das erste Menschenpaar.“ Papagei und Steinbock spielen in dem Ensemble der auf dem Stich präsenten Tiere eine jeweils eigene und allegorisch unterschiedlich gedeutete Rolle; vgl. dazu z. B. Schoen 2001, S. 114; SMS 2001, I, S. 110. Panofsky (1991, S. 113 f.) hat diese allegorische Sicht der Tierwelt auf dem Stich in seine Interpretation eingeführt. Sie ist so gut wie zum common sense geworden; vgl. Schuster 1991, I, S. 333; Rebel 1996, S. 195; Schoen 2001, S. 113; SMS 2001, I, S. 110; Osnabrück 2003, S. 113; Bonnet 2014, S. 32. Panofsky (1995, S. 114) zitiert eine Bemerkung Hildegards von Bingen zur Körpersäftelehre: „Wäre der Mensch im Paradiese geblieben, so hätte er keine schädlichen Stoffe in seinem Körper.“ Panofskys (vgl. ebd., S. 113) besondere Aufmerksamkeit gilt dem Verhältnis zwischen der Katze, „die sich zum Sprung duckt“, und der Maus; in ihm soll „die gespannte Beziehung zwischen Adam und Eva“ bildlich zumindest angedeutet sein. Das kann nicht überzeugen. Denn das Verhältnis der Katze und der Maus auf dem Stich ist doch eher ein friedliches Gegenüber, wie Wölfflin (1984, S. 129) schon notiert hat: „Katze und Maus liegen friedlich zu Füßen des ersten Menschenpaares.“ Die langestreckt auf dem Boden ruhende, mehr als nur korpulente Katze macht einen dösenden oder gar schlafenden Eindruck. Zum raubtierhaften Sprung hat sie sich wirklich nicht mit angespannten Muskeln „geduckt“, und anstelle weit geöffneter und konzentriert auf die Beute gerichteter Augen haben ihre so gut wie geschlossenen Augen ihre potentielle Beute
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nicht scharf im Blick. – Nicht einmal ein „aufmerksames Lauern“ deutet der Schwanz der Katze an, wie Bonnet (2014, S. 33) meint. – Auch ein „nervöses Zucken des Schwanzes“, das Vetter (1966, S. 161) bei der „behäbig hingelagerten Katze“ mit „blinzelnden Augen“ konstatieren zu können glaubt, ist nicht zu erkennen. – Warncke (Warncke 1987, S. 312) sieht es noch viel dramatischer und beängstigender: „Wie eine Schlange nämlich ringelt die Katze ihren Schwanz um Evas rechtes Bein. Diese nervöse, zuckende Bewegung zeigt uns die innere Unruhe des Tieres, die im nächsten Augenblick in die Eruption einer mörderischen Aktion umschlagen kann. Vor Augen wird uns geführt, welche Vorsicht wir dem nur scheinbar sanften Tier entgegenzubringen haben, das hier als Symbol der Negativität ausgewiesen ist.“ – Auch bei Schuster (1991, I, S. 333) wie bei Bark (1994, S. 35) „lauert“ die Katze „bereits auf die Maus ihr gegenüber“. So geht Schuster noch weit über Panofskys Interpretation des Verhältnisses von Katze und Maus bzw. von Mann und Frau hinaus: „Das Verhältnis dieser beiden Tiere ist aber nicht nur, wie Panofsky zu Recht bemerkte, ein ironisch-satyrisches Aperçu auf das zukünftige Verhältnis zwischen Mann und Frau nach dem Sündenfall. […] im Verhältnis der beiden Tiere (zeigt sich) vielmehr weit allgemeiner das erste Anzeichen der drohenden Herrschaft des Todes, die mit Adams Biß vom Apfel und dem daraus resultierenden Zerfall des paradiesischen Harmoniezustandes in die sünd- und krankheitsbefallenen Temperamente anhebt.“ – Für Christof Metzger (in: Wien 2019, S. 224) wird die Katze „nach dem Sündenfall den ersten Mord [?] der Weltgeschichte begehen, nämlich an der vor ihr auf dem Boden kauernden Maus“. – Greenblatt (2018, S. 180) sieht es ähnlich: „Und uns ist klar, kaum ist die verbotene Frucht verzehrt, wird die [noch „dösende“] Katze aufspringen und die arme Maus verschlingen. Aber noch ist, wie der ausgesetzte Sprung der Gämse im Hintergrund [s. Anm. 17], auch alles andere in der Schwebe.“ – Was das dargestellte aggressionslos-friedliche Gegenüber von Katze und Maus im Vordergrund des Bildes betrifft, so lässt es eher an die berühmte paradiesische Friedensvision des Propheten Jesaja (Jes 65,17–25) denken, in der es um die Utopie der Erschaffung „eines neuen Himmels und einer neuen Erde“ geht. Zu allen diese Welt eines neuen Paradieses auszeichnenden Merkmalen gehört auch, dass in ihr „Wolf und Lamm zusammen weiden“. Zweifellos eine ganz andere Welt, eine undenkbare, unvorstellbare Situation: Ein Wolf, der Gras frisst? Eine Katze, die das Mausen lässt? 62 Zur Kleinen Passion vgl. auch Appuhn 1985, S. 88. 63 Dass der vollbärtige Adam und Eva auf dem Holzschnitt schon eher alt aussehen und nicht in paradiesischer Schönheit und herrlich wie
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am ersten Tag erscheinen, bedeutet nicht, dass sie nach dem Sündenfall dargestellt sind. – Schoen (2001, S. 51) erkennt im „Profil“ von Evas Körper jedoch bereits „deutlich die Folgen des Übertritts“, womit genauer körperliche Spuren von Evas Mutterschaften gemeint sein sollen. Dabei verweist Schoen auf Gen 3,16 mit Gottes Strafandrohung gegen Eva: „Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. / Unter Schmerzen gebierst du Kinder.“ – Bark (1994, S. 40) schreibt zur Eva des Holzschnittes: „Aber auch hier ist Evas Weiblichkeit durch die schwellenden Oberschenkel, das üppige Gesäß und den schweren, schwanger wirkenden Leib betont.“ Für Panofsky (1995, S. 191 f.) wird am Sündenfall des Holzschnittes eine „Atmosphäre von Sympathie und menschlicher Freundlichkeit […] am intensivsten fühlbar“. Adam und Eva „umfangen einander in einer Umarmung von noch paradiesischer Unschuld“, jedoch „während sie der Versuchung nachgeben“. Er fügt hinzu: „Ihrem Glücklichsein ist keine Dauer beschieden, aber ihre liebevollen Gebärden teilen der Szene eine beglückende Note von Zuneigung und Zärtlichkeit mit […]“; bei dieser Darstellung des Sündenfallgeschehens handele es sich um eine „beinahe idyllische Auslegung der Tragödie der Menschheit“. Hier hat Dürer wohl schlicht und einfach nicht aufgepasst. Quandoque bonus dormitat Durerus! So ähnlich auch Noll 2009, S. 240; Schoen 2001, S. 51; Schneider in: SMS II, S. 288. Vgl. auch Schneider in: SMS II, S. 288; das ganze Verhalten Adams und Evas lasse „darauf schließen, daß die gemeinsame Annahme des Apfels noch nicht entschieden ist“. Für Noll (2009, S. 240) hat der Sündenfall bereits stattgefunden. Es handele sich bei dem Holzschnitt nämlich „keineswegs um eine ‚realistische‘ Situationsschilderung in dem Sinne, daß Adam und Eva angesichts der Schlange und des Apfels momentan über die Annahme dieser verführerischen Gabe miteinander verhandeln, um schließlich eine mehr oder weniger einvernehmliche Entscheidung darüber zu treffen. Die Szene ist durchaus nicht wörtlich zu nehmen, sondern als die bildkünstlerische Umsetzung einer Handlungsfolge zu verstehen, als eine Konfiguration, die in großartiger und vollkommen stimmiger Verdichtung ein Geschehen in der Zeit in eins zusammenzieht. Gezeigt wird in bezug auf Adam (und nur in bezug auf ihn, nicht in bezug zugleich auf die Schlange!) keine fragende, noch irgend zögerliche Eva vor ihrem Fall (erst im Begriff zu sündigen steht Eva in bezug auf die Schlange), sondern eine schmeichelnde Frau, die den – zuvor von der Schlange empfangenen und bereits gekosteten – Apfel nun ihrem Mann
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schmackhaft zu machen sucht.“ Wenn für Noll „die Szene durchaus nicht wörtlich zu nehmen (ist)“, kann er bei seiner Deutung durchaus einfach gegen jede Bildevidenz behaupten, dass Eva den Apfel, den sie Adam mit „schmeichelnden“ Worten schmackhaft machen will, „zuvor von der Schlange empfangen und bereits gekostet“ hat. Dann wäre der Sündenfall bereits vollzogen, und dann stünde Eva nicht mehr nur „im Begriff zu sündigen“. Das aber passt nicht zu dem „Gezeigt wird“, mit dem der Satz eröffnet wird. Gezeigt wird, was Evas Geste betrifft, lediglich Evas Griff zum und an den Apfel im Maul der Schlange, aus dem Eva ihn noch nicht „empfangen“ bzw. entgegengenommen und von dem sie auch noch nicht „gekostet“ hat, nicht gekostet haben kann; außerdem wird gezeigt, dass die Ureltern wie auch immer im Gespräch sind – ob mit einer „schmeichelnden“ Eva, ist nicht festzustellen. Wenn, was tatsächlich zu sehen ist, also sozusagen der sichtbare Wortlaut eines Bildes nicht wörtlich genommen und respektiert wird, sind willkürliche Interpretationen des Werkes jederzeit möglich. Dadurch wird jedoch die eigentliche Aussage von Kunstwerken – wie hier des Holzschnittes – gravierend verfälscht. Für Scherbaum (in: Schweinfurt 1995, S. 26) findet der Sündenfall bereits „in diesem Moment“ statt: „Eva hat die Frucht von unten her gerade ergriffen. Die Schlange scheint ihre Zähne zu lockern, die Übergabe der Frucht, Dreh- und Angelpunkt der Szene – Wendepunkt innerhalb der Geschichte – erfolgt in diesem Augenblick.“ Ob „lockern“ die bildadäquate Bezeichnung des dargestellten Beißverhaltens der Schlange ist, ist ebenso zu fragen wie, ob Eva, deren Gesicht nicht zu sehen ist, Adam „schmeichelnd (anblickt)“ und ob Adam wirklich „inmitten gemeinsam abwägender Überlegungen“ mit Eva so neutral nichtssagend „in ausladend erzählerischer Geste (verharrt)“. Für Hinz (in: Wien 2003, S. 404) wird „Evas Kehrseite, mehr als je zuvor, mit geradezu fetischistischer Hingabe betont, nämlich durch zusätzliche Konturierung“. – „Geradezu penetrant“ biete sich Eva auf der Zeichnung „von hinten dar“, bemerkt Rasmussen (1983, S. 136) in seinem Aufsatz, in dem er auch Dürers „auffallend häufig(e)“ Darstellungen weiblicher Rückenakte thematisiert und Dürer in Anspielung an die antike Aphrodite Kallipygos als „‚kallipygophil‘“ bezeichnet. – Vgl. dazu auch Bark 1994, S. 39 f. Auch auf dem Holzschnitt zeigt sich Eva von betont stattlicher Statur; s. Abb.15. Vgl. Hinz ebd. Zum Verhältnis von Zeichnung und Holzschnitt der Kleinen Passion vgl. bei Hinz ebd. – Für Noll (2009, S. 241) ist die Federzeichnung
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„höchstwahrscheinlich im Hinblick auf den Holzschnitt entstanden“. Dafür sind beide Werke jedoch viel zu unterschiedlich: durch den ganz anderen Auftritt der Akteure und ihr ganz anderes Agieren. Hier nicht – wie auf Dürers anderen Sündenfallbildern – aus dem Maul der Schlange. Vgl. dazu auch Vetter (1966, S. 153), der die Szene auf der Zeichnung als einen „gemeinsamen Spaziergang“ der Ureltern „in der Beschaulichkeit des Paradieses“ beschreibt. – Bei Noll (2009, S. 241) „gestikuliert“ Adam jedoch „schon nicht mehr abwehrend oder argumentierend“. Dass die Bäume der Lichtung so blattlos kahl und ohne Früchte zu sehen sind, dürfte damit zu tun haben, dass es sich bei der Zeichnung um eine Skizze handelt. Bei Schoen (2001, S. 51) heißt es: „Entscheidend für die Interpretation ist jedoch, daß Adam und Eva der Zeichnung gemeinsam die verbotene Frucht von der (weiblichen) Schlange entgegengenommen haben und den Fall der Menschheit somit partnerschaftlich verursachen. Die Umbewertung im Holzschnitt, in dem Eva allein nach dem Apfel greift, ist äußerst interessant.“ So verhält es sich freilich nicht; vielmehr dürfte oder könnte Eva die Frucht auch hier allein vom Baum gepflückt haben, die sie jetzt Adam zeigt oder reicht, der seine Hand auf die Frucht legt, die Eva in ihrer Hand hält. Durch diese Handlung zeigt er seine „partnerschaftliche“ Teilnahme am „Fall der Menschheit“. Dazu auch Noll 2009, S. 242, Anm. 58. Was vor der gemeinsamen Handlung des dargestellten partnerschaftlichen Haltens der Frucht passiert ist, zeigt die Zeichnung nicht und kann darum auch nicht als „entscheidend für die Interpretation“ des Bildes deklariert werden; dabei handelte es sich um Interpretation am Bild vorbei. So wäre z. B. zu klären, wie denn die Schlange – ohne Schlangenkopf und -maul, sondern nur mit dem Kopf einer Frau und auch ohne Arme – Adam und Eva die Frucht entgegengereicht haben könnte, die von den Ureltern gemeinsam „entgegengenommen“ worden sein soll. Sicherlich nicht aus dem Mund der Schlangenfrau. Die elegant aussehende Schlangenfrau erweckt hier nicht den Eindruck, in dieser Weise irgendwie involviert gewesen zu sein; genau so wenig, wie sie im biblischen Text bei Evas Pflücken der Frucht vom Baum beteiligt war. Hier tritt sie nur als schöne Verführerin auf. Über den aktuellen Darstellungen vorausgegangene Vorgänge, ihren Verlauf und ihre Relevanz kann ebenso wenig spekuliert werden wie über eventuell folgende Entwicklungen. – Gern ist mit Blick auf Dürers Adamund-Eva-Bilder von der Verführung Adams durch Eva die Rede bzw. vom erotisch-sexuellen Verfallensein Adams, der Evas weiblichen Reizen willenlos erliege. Zur Zeichnung schreibt Noll (2009, S. 241 f.), für den
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ihr „Hauptakzent“ „ganz auf der Verführung des Mannes (liegt)“: „Rein durch die Körpersprache, durch Haltung und Gestik – und damit umso drastischer –, wird die sinnliche Bestrickung des Mannes durch seine Frau als Ursache für dessen Fall anschaulich gemacht.“ Doch – so wäre, was die Zeichnung angeht, zu fragen – wie steht es um die „Bestrickung“ Evas durch Adam, wie sie sich in ihrer Gestik, ihrer Körpersprache und Haltung vielleicht noch anschaulicher zeigt? Etwa darin, wie sie Adam umarmt und seinen Kopf zu sich heranzuziehen scheint, möglicherweise sogar zu einem Kuss. – Zu Evas Geste sowohl auf dem Holzschnitt als auch auf der Zeichnung heißt es bei Schoen (2001, S. 49 f.): „Evas einer Arm ist um den Hals Adams gelegt, während dieser sie an ihrer Taille umfaßt. Allerdings ist es üblicherweise der Mann, der seinen Arm schützend und führend um die Schultern der Frau legt, so daß die verkehrte Situation hier den Mann als willenlos den weiblichen Reizen Erlegenen zeigt.“ Wenn Eva – anders als „üblicherweise“ – hier auch aktiv wird, dann kann das zweifellos nur als Willensaktion ihrerseits interpretiert werden. Eva will etwas von Adam. Auf dem Holzschnitt sucht sie durch ihre körperliche Annäherung und ihre Umarmung das volle Einverständnis Adams zum Pflücken und Essen der verbotenen Frucht und somit zum gemeinsamen Sündenfall, das Adam ihr seinerseits jedoch durch seine Umarmung und intime Annäherung seines Körpers an Evas Leib bereits signalisiert. Auf der Zeichnung hat der Sündenfall stattgefunden, vom verbotenen Baum wurde der Apfel schon gepflückt, den Adam und Eva gemeinsam in ihren Händen halten. Dieser Geste entsprechen Adams und Evas gemeinsame Umarmung und das innige Beieinander ihrer Körper. Dabei erweckt gerade der noch leicht zögernde Adam weder auf dem Holzschnitt noch auf der Zeichnung durch seine aufrechte Haltung, seinen selbstbewusst aufmerkenden Blick, die Geste seiner Hand und nicht einmal durch seine Evas Körper beherrscht umfassende Umarmung in irgendeiner Weise den Eindruck, den Reizen Evas ausgeliefert oder gar „willenlos“ erlegen zu sein. Vgl. RDK 1937, 1. Band, Sp. 137: „Die altchristliche Kunst kennt nur ihre [der Schlange] einfache Tiergestalt. Erst später wird sie zu einem phantastischen Ungeheuer oder mit menschlichen Zügen durchsetzt: ein Menschenkopf, oft auch mit menschlichem, meist weiblichem Oberkörper und mit Schlangenleib.“ – Mit einem weiblichen Oberkörper, der auch über Arme verfügt, haben z. B. Dürers Künstlerzeitgenossen Lucas Cranach d. Ä. und Michelangelo die Schlange gemalt; s. Abb. 50 und 56. Auf Dürers erster Holzschnitt-Illustration zum Adam-und-Eva-Motiv für das Erbauungsbuch „Der Ritter vom Turn“ ist die Schlange nicht
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mit nacktem Oberkörper, sondern nur mit dem gekrönten Kopf einer Frau dargestellt; s. Abb. 1. – Mit dem Motiv Schlange mit Frauenkörper befindet sich Dürer in einer langen Tradition; vgl. dazu LCI 4, Sp. 76; Carrasco 2019, S. 193 ff. Soweit das zu überschauen ist, dürfte es auch sonst bei Adam-und-EvaKunstwerken eine solche Darstellung des Urelternpaares nicht geben. Vgl. Hinz in: Wien 2003, S. 404. Hinz’ Deutung, dass sich Adam und Eva bereits entschieden haben, „ein Paar zu sein, was sie mit dem gemeinsam ergriffenen Apfel zu besiegeln scheinen“, bestätigt die hier vertretene Annahme, dass die Zeichnung die Ureltern nach dem Sündenfall zeigt. „Der Mensch entdeckte in sich ein Vermögen, sich selbst eine Lebensreise [oder: Lebensweise] auszuwählen.“ So deutet Immanuel Kant in der Schrift Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (A7) den Vers Gen 3,7, in dem es heißt, dass Adam und Eva nach dem Sündenfall die Augen aufgegangen sind. Bei der mit Bezug auf Berthold Hinz’ Interpretation präsentierten Deutung von Dürers Zeichnung können auch Kants interessante Überlegungen mitgelesen werden. Wenn Hinz z. B. schreibt, dass Adam und Eva „sich bereits frei entschieden (haben), ein Paar zu sein“, dann haben sie – eben mit Kant – ihr „Vermögen“, für „sich selbst eine Lebensreise [oder: Lebensweise] auszuwählen“, nicht nur entdeckt, sondern bereits aktiviert. Und was den aufrechten Gang betrifft, der Dürers Adam und Eva attestiert wird, sei noch auf eine Formulierung Kants hingewiesen (A4): „Der erste Mensch“, in dem „die Vernunft bald anfing, sich zu regen“ (A5), „konnte also stehen und gehen; er konnte sprechen, ja reden, d. i. nach zusammenhängenden Begriffen sprechen, mithin denken.“ Vgl. Kant 1971, Band 9, S. 85–102. Zu all diesen christlichen Motiven unter dem Aspekt von Putten-Präsenzen im Werk Albrecht Dürers ausführlich in Hoffmann 2019, S. 41–116. Vgl. zu Dürers Verständnis der Heiligen Schrift bei Wiederanders 1976, S. 124 f.: „Wohl am besten kann man die Bedeutung der Schrift den Aposteltafeln ablesen.“ Der Adam-und-Eva-Artikel umfasst im LCI knapp dreißig Spalten. – Vgl. Esche 1957, S. 7: „Adam und Eva gehören zu den ältesten Gestalten der christlichen Kunst. Ihre Geschichte hat im Abendland so weitverzweigte Sinnverknüpfungen, so vielfältige Darstellungen gefunden, daß sie im Rahmen dieser Reihe nicht erschöpfend behandelt werden können.“ – In einem einzelnen Kapitel einer thematisch anders konzipierten Studie erst recht nicht. Vgl. LDK 1987, Band I, S. 34: „Am häufigsten wurde das A. u. E.Thema in szenischer Form behandelt, als Illustr.zyklus zum bibl. Text
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oder in Einzelszenen (bes. Sündenfall). Während im MA die sachliche Wiedergabe der Handlung überwiegt, tritt seit der Renaissance das psycholog. Element, die emotionale Reaktion der Beteiligten in den Vordergrund.“ Was die hier ausgewählten mittelalterlichen Werke angeht, so trifft diese Unterscheidung jedenfalls nicht zu; hochemotionale Reaktionen der Beteiligten sind auf ihnen nicht zu übersehen. Vgl. zur Grandval-Bibel: Mütherich/Gaehde 1976; zur Alkuin-Bibel: Fischer 1957; Suckale-Redlefsen 2004. – Ähnliche Adam-und-Eva-Darstellungen mit der Erschaffung, dem Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradies und den Ureltern auf Erden zeigen auch Miniaturen der Vivian-Bibel (auch Erste Bibel Karls des Kahlen genannt) um 845 (Paris, Bibliothèque nationale) und eine Bibel der Abtei San Paolo fuori le Mura, Rom, die um 870 in Anlehnung an die Bibeln von Tours in Reims entstanden ist. Vgl. Brandt 2016, S. 95 ff., mit Abbildungen. Vgl. Mütherich/Gaehde 1976, S. 74, wo es zur Grandval-Bibel heißt: „Die Darstellung des Schöpfergottes als Christus, als das präexistente ‚Wort‘ entsprechend dem Evangelium des Johannes (1:1), folgt einer Lehre, die schon durch die Kirchenväter verbreitet worden war.“ Auch auf den Adam-und-Eva-Bildern der bronzenen Bernwardtür des Hildesheimer Doms und der Mosaiken in der Genesiskuppel von San Marco in Venedig tritt Jesus Christus als Schöpfergott auf. Vgl. ausführlicher zu diesem besonderen Aspekt in Anm. 118 und 126. Es werden hier nur die Sündenfallminiaturen thematisiert; andere Bilder (z. B. zur Erschaffung Adams und Evas) bzw. wichtige künstlerisch technische oder konzeptionelle Aspekte der Bilder (z. B. die Hintergrundgestaltung auf dem Grandval-Blatt) werden nicht oder nur angedeutet kommentiert. Auf Anfrage zum Zustand der Miniatur zur Vertreibung der Ureltern aus dem Paradies hat mir Frau Dr. Gude Suckale-Redlefsen am 15.12.2020 in einer Mail freundlicher- und dankenswerterweise geschrieben: „Leider ist das Silber etwas verlaufen und so schwarz geworden, dass die Details nicht mehr zu erkennen sind. Abgesehen von der Oxydation gibt es keine anderen Farbreste mehr.“ An der Krönung des Stabes fällt auf, dass es sich nicht um ein Kreuzzeichen (wie z. B. beim Schöpfer-Christus in der Genesiskuppel von San Marco, Venedig; s. Abb. 44, 46, 47) handelt, sondern wohl um eine Lilie, eine Fleur-de-Lys. Auch sonst erinnern auf beiden Blättern nur die Bäume von fern an hortensisch-paradiesische Verhältnisse. Die auf der hier gezeigten Abbildung bläuliche Färbung der unteren Hälfte des Hintergrundes ist auch auf der Abbildung zu sehen, die The
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British Library in ihrem Artikel zur Grandval-Bibel präsentiert; http:// www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Add_MS_10546&index=0. Vgl. Mütherich/Gaehde 1976, S. 73 f. Mit einer gleichen Hacke ist auf dem Blatt der Alkuin-Bibel auch noch Kain zu sehen, der für seinen von ihm erschlagenen Bruder Abel ein Grab schaufelt. In Mütherich/Gaehde 1976, S. 74, werden die Gewächse als Dornen und Disteln identifiziert. Dass Eva auf der Miniatur, was die Darstellung ihres Körpers betrifft, nicht gerade vorteilhaft geglückt ist und auch Kain als Säugling schon ziemlich alt aussieht, sei nur angemerkt. Das Naiv-Primitive der Malerei der Miniaturen zeigt sich hier auf besonders eklatante Weise. Schon im spätantiken Ashburnham-Pentateuch vom 6./7. Jh. (Bibliothèque nationale, Paris) ist eine solche Eva-Darstellung gleich zweimal zu sehen; wie für die Grandval-Bibel war sie vorbildlich auch für die leicht variierten Darstellungen der Eva in späteren Buchminiaturen; z. B. in der San-Paolo-Bibel, Rom, und in der Vivian-Bibel, Paris, und außerdem auch für die Darstellung der stillenden Eva auf der bronzenen Bernwardtür des Hildesheimer Doms, s. Abb. 39. Vgl. Brandt 2016, S. 95 ff., mit Abbildungen. Der Thronstuhl ist so hoch, dass Evas Füße nicht bis auf den Boden reichen. – Auf einem der Initialbilder des Drogo-Sakramentars (um 850, Metz) ist eine ganz ähnliche thronende Madonna zu sehen, deren Füße jedoch bis hinunter auf den Boden reichen; Abb. in LCI 1971, Sp. 87–88. Vgl. dazu Brandt in Anm. 113. Vgl. zu den Bildfeldern Brandt 2016; Butzkamm 2004; Gallistl 1990. Vgl. Brandt 2016, S. 19: „Der Kreuznimbus macht deutlich, dass nicht Gottvater als Schöpfer gezeigt werden soll, sondern der göttliche Logos, das in Christus menschgewordene Wort des Vaters, von dem der Prolog des Johannesevangeliums sagt, dass alles durch dieses Wort geworden ist.“ Zu Christus als Schöpfer hier ausführlicher in Anm. 118 und 126. Vgl. Brandt 2016, S. 39; das Tor sei verschlossen, so dass Adam selbst es öffnen müsse, bevor er mit Eva vom Cherub aus dem Garten Eden hinaus ins Erdendasein vertrieben wird. – Die Darstellungen der Vertreibung auf den Mosaiken in San Marco und der Buchmalerei der Brüder Limburg zeigen ein bereits geöffnetes Tor, durch das Adam und Eva vom Schöpfer selbst oder von einem großen Engel handgreiflich aus dem Garten Eden gewiesen werden; s. Abb. 48 und 49. Vgl. Brandt 2016, S. 46. Vgl. Brandt 2016, S. 46. Aus dem Vita-Text in der Übersetzung von Paul
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Rießler zitiert nach: https://de.wikisource.org/wiki/Leben_Adams_ und_Evas. 106 Die in Richtung Engel erhobene Hacke und auch der Blick Adams sehen ziemlich aggressiv aus, sind aber nicht als irgendwie abwehrend feindliche Aktion zu deuten. Detailabbildungen bei Brandt 2016, S. 46. 107 Brandt 2016, S. 43, bezeichnet das Tuch als Baldachin; Gallistl 1990, S. 38, als Sonnensegel. – Mit dieser Ausstattung weist die Szene der Bernwardtür – wie indirekt auch immer – voraus auf Gemälde mit der Madonna und dem Kind auf einem Thron mit Baldachin wie z. B. auf Raffaels Gemälde mit dem sprechenden Titel Madonna del Baldacchino (1504) in der Galleria Palazzo Pitti, Florenz; oder nur mit einem Rückwandvorhang, der von Engeln gehalten wird wie z. B. auf der Thronenden Maria (1394) von Niccolò di Pietro in den Gallerie dell’Academia, Venedig; oder mit einem Rückwandvorhang, der über den Rahmen des Bildes in himmlische Höhen hinaufreicht oder vielleicht sogar aus ihnen herabfällt, als sei der göttliche Himmel selbst der alles überwölbende Baldachin; z. B. auf Giovanni Bellinis Madonna mit den Bäumchen (1487) in den Gallerie dell’Accademia, Venedig; oder auch – doch sozusagen in himmlischer Fülle – auf Lorenzo Lottos Thronender Madonna mit dem Jesuskind und Heiligen (1546) in San Giacomo dall’Orio, Venedig. – Auf ein speziell gemeinsames Detail sei noch hingewiesen: Auch der rechte Baumstamm auf der Eva-Darstellung der Bernwardtür endet in einer Astgabel, an der das Tuch befestigt ist; bei der GrandvalBibel-Eva enden beide Baumstämme in einer Astgabel, in die sowohl der überwölbende Ast als auch die Girlande gelegt ist; s. Abb. 33. 108 Was hier nur angedeutet scheint, gehört auf Gemälden der Renaissance zur Inszenierung; z. B. ist auf Giovanni Bellinis sog. Pala di San Giobbe (1480–1485) in den Gallerie dell’Accademia, Venedig, Marias Thron auf einem Stufenpostament positioniert; auf Lorenzo Lottos Thronender Madonna mit dem Jesuskind und Heiligen (1546) in San Giacomo dall’Orio, Venedig, dagegen auf einem stattlichen Steinblockpostament; auf einem zusätzlich durch Stufen noch erhöhten Postament und direkt vor einem riesigen Sockel einer übermächtigen himmelhohen Säule thront die Madonna mit dem Jesuskind auf Tizians Gemälde für den Pesaro-Altar (1503) in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari, Venedig. 109 Brandt 2016, S. 43, bezeichnet diesen Unterbau als „Hügel“. Das entspricht sowohl dem Schauplatz der Szene mit dem unmittelbar neben Eva Feldarbeit verrichtenden Adam als auch der Eva-Darstellung auf dem Blatt der Grandval-Bibel, wo Eva in der Tat neben dem arbeitenden Adam auf einem Erdhügel unter einer Art Laube thront. 110 Z. B. zeigt eine Buchillustration aus dem 11. Jh. in einem Codex von
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1050 des Museo Archeologico Nazionale von Cividale del Friuli, Italien, die Gottesmutter Maria mit dem Kind auf einem mit einer solchen Kissenrolle ausgestatteten Thron; oder ein romanisches Fresko aus dem dritten Viertel ebenfalls des 11. Jh.s in der Stiftskirche der Benediktinerabtei in Lambach, Oberösterreich. Auf einem San-Marco-Mosaik dient ein Sitzpolster dieser Art dem thronenden Christus; s. hier Abb. 45. Zum göttlichen Strafenkatalog gehört auch die Ankündigung an Eva: „Du hast Verlangen nach deinem Mann; / er aber wird über dich herrschen.“ (Gen 3,16) Auch davon ist bei der erhöht über Adam thronenden Eva nichts angedeutet, schon eher das Gegenteil. Mit dem bedeutenden Unterschied, dass es für Adam – anders als für Eva, die z. B. auf der Bernwardtür so „vor-bildlich“ mit Blick auf Maria, die Mutter des Erlösers, dargestellt wird – ähnliche Visualisierungen kaum oder nicht gibt. So Michael Brandt freundlicher- und dankenswerterweise auf eine Anfrage in einer Mail im Dezember 2020: „Beim Ashburnham-Pentateuch schließe ich eine typologische Konnotation aus, ebenso bei den unmittelbar daran anknüpfenden Buchmalern der karolingischen Bibeln.“ Von diesen Darstellungen in Richtung hin zu einer Eva-MariaTypologie zu denken, liege zwar nahe, aber „definitiv vollzogen“ wurde das typologische Thema erst im Bildprogramm der Hildesheimer Bernwardtür. Dass die Schrift erfüllt werde, kommt als Topos in den Evangelien und Apostelbriefen immer wieder vor. Auch Christus als Schöpfergott hält auf dem Bildfeld der Bronzetür beim Verhör der Ureltern im Paradies ein Buch in der rechten Hand; s. Abb. 37. Vgl. Büchsel 1991; Demus 1993, S. 195 ff.; Vio 2001, S. 248 ff.; Wolters 2014, S. 73 ff.; Büchsel/Kessler/Müller 2014. – Hier geht es nur um eine kurze Nacherzählung der auf den einzelnen Mosaiken dargestellten Situationen oder Ereignisse des Sündenfalls, doch nicht – bis auf wenige Ausnahmen – um eine detaillierte Ausdeutung einzelner Bildmotive, die mit unterschiedlichen und komplexen Traditionen in Verbindung zu bringen sind: mit „der hebräischen, der gnostischen, der alexandrinisch-patristischen, der ägyptischen und der westlichen Kultur“ (Demus 1993, S. 196). Zu Adams Auftritt, speziell zum Zeigegestus seiner rechten Hand und zur Richtung seines Blickes auf die Bäume links neben ihm, vgl. Büchsel in: Büchsel/Kessler/Müller 2014, S. 114. Zu den Genesis-Mosaiken vgl. Niero in: Demus 1993, S. 196, bzw. in: Vio 2001, S. 254: „Die gnostischen Strömungen, typisch für das mittel-
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orientalische ägyptische Christentum des 1. bis 3. Jahrhunderts, zeigen sich darin, daß der Schöpfungsakt nicht Gottvater, sondern vielmehr dem Sohn zugeschrieben wird; dieser ist apollinisch, als bartloser Jüngling dargestellt, da er zu den Äonen zählt.“ – Wie auch immer sich die theologiegeschichtlichen Zusammenhänge und Filiationen zum Thema Schöpfergott in frühchristlicher Zeit darstellen mögen: Dass die Erschaffung des Himmels und der Erde und auch der ersten Menschen Adam und Eva hier (wie auf den Miniaturen und der Bernwardtür) nicht Gottvater, sondern dem Sohn zugeordnet wird, kann durchaus überraschen; immerhin beherrscht Michelangelos übermächtiger Gottvater mit wuchtigem Haupthaar und wehendem Rauschebart als Schöpfer das gewohnte Schöpfungsszenario. Doch heißt es bereits am Anfang des Johannesevangeliums von Jesus Christus als „Wort“ Gottes: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh 1,1–3) Und außerdem wurde der erste Teil der johanneischen Formulierung in das Glaubensbekenntnis, wie es als christliches Credo gebetet und gesungen wird, so gut wie wortgleich übernommen. Von Jesus Christus, dem Sohn Gottes – „eines Wesens mit dem Vater“ –, wird gesagt: „Durch Ihn ist alles geschaffen.“ Doch andererseits wird im ersten Vers des Credos Gottvater als der Schöpfer genannt: „Ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.“ Wenn beide, Vater und Sohn, „eines Wesens“ sind und es bei Johannes heißt „[…] und das Wort war Gott“, sind beide Aussagen des Glaubensbekenntnisses bildlich darzustellen. Auch sonst weisen in der Genesiskuppel die von Christus, Heiligen oder Engeln als Hoheitszeichen gehaltenen Stäbe dieselbe Dreifarbigkeit auf wie die von Christus an beiden Handgelenken getragenen Armbänder; z. B. bei der „Erschaffung des Menschen“; vgl. Vio 2001, S. 257. Dass einfach vergessen wurde, die Schlange ins Bild zu bringen, dürfte kaum anzunehmen sein. Aber sollte die Schlange absichtlich weggelassen worden sein, um die feigen gegenseitigen Schuldzuweisungen als unverantwortlich zu markieren und ins Leere laufen zu lassen? – Auf den meisten Darstellungen dieser Sündenfallszene ist die Schlange anwesend; wie z. B. auf den Miniaturen der Grandval- wie der Alkuin-Bibel und der Bernwardtür. Niero (in: Vio 2001, S. 258) identifiziert dieses Gewächs als „eine große Mandragore mit neun Früchten“. In der Vulgata lautet der Vers: „Fecit quoque Dominus Deus Adam et uxori eius tunicas pellicias et induit eos.“ Vgl. zu dieser Szene Niero in: Vio 2001, S. 266. Gott habe bereits Adam
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in eine „Adelstunika“ gekleidet, die auf Adams „Würde“ verweise, obwohl doch Adam kurz zuvor durch Gottes Strafverkündigung all seiner paradiesischen Würde gleichsam entkleidet wurde. Dagegen sei der Schöpfer gerade dabei, Eva persönlich mit einer ärmellosen Tunika zu kleiden, die mit einem „Tierfell“ als Innenfutter ausgestattet ist. Hier ist es der Schöpfergott selbst, der Adam und Eva eine praktische Mitgift auf den Weg ins Erdendasein mitgegeben hat. Das erinnert an die Erscheinung des Erzengels Michael auf dem Bildfeld der Bernwardtür, der in Gottes Auftrag Adam Hilfestellung leistet bei der mühseligen Feldarbeit, die Erde fruchtbar zu machen; s. Abb. 39. Ähnlich wie Eva auf dem Bild der Bernwardtür, die auf den Engel verständnislos zurückblickt; s. Abb. 38. – Ganz anders hat Dürer die Vertreibung Adams und Evas auf dem Blatt 3 der Kleinen Passion dargestellt. Die Ureltern sind nicht von Gott im Paradies bekleidet worden; nackt werden sie von einem mächtigen Engel mit erhobenem Schwert aus dem Paradies in eine elende Zukunft und in ein schreckliches Leben vertrieben, so dass Adam nur sehnsüchtig und angsterfüllt zurück zum übermächtigen Engel und zum verlorenen Paradies schauen kann; hilfreiches Arbeitsgerät wurde ihnen schon gar nicht mit auf den Weg gegeben; s. Abb. 18. Dass auf den Mosaiken der Genesiskuppel Christus sowohl als Schöpfer des Himmels und der Erde als auch der Menschen erscheint, gleichzeitig aber auch durch seine Kreuzinsignien als der am Kreuz gestorbene und auferstandene Erlöser Jesus Christus, verleiht dem Zyklus eine ganz besondere christozentrische Bedeutung im Sinne einer Soteriologie, der Theologie von der Erlösung durch Jesus Christus. Im Panorama der Schöpfungsgeschichte wird von Anbeginn an die ganze Schöpfung im Zeichen des Kreuzes, der Erlösung und der Auferstehung oder eben im Namen Jesu Christi gesehen. Wie sehr die Schöpfung und die Weltund Menschheitsgeschichte als Unheils- wie Heilsgeschichte im Zeichen des Kreuzes steht, demonstriert die letzte Szene des Zyklus vom Sündenfall. Im großen „Baum des Lebens“ (Gen 3,22), vor dem der Schöpfer-Christus steht und die Ureltern durch das Tor des Paradieses hinaus ins Erdenleben drängt, leuchtet vor dem grünen Hintergrund der Blätter des Baumes ein großes goldenes Kreuz als Zeichen der Erlösung, des Heiles. So steht die Vertreibung aus dem Paradies bereits im Zeichen der Rückkehr ins Paradies, wie es dann ebenfalls in der thronenden Eva – auch ohne Kind auf dem Schoß – zumindest angedeutet wird. Die Geschichte der Menschheit stellt sich aus christlicher Sicht als Kreislauf dar: Vom Himmel durch die Welt zum Himmel. Vorausgesetzt natürlich, man befindet sich nach dem durch Jesus Chris-
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tus exekutierten Weltgericht, wie es Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle so grandios inszeniert hat, auf der richtigen Seite. Zum Baum des Lebens mit dem integrierten Kreuz ausführlich Niero in: Vio 2001, S. 266 ff.: „In ihrer Gesamtheit will die Darstellung offenbar gemäß der katholischen Lehre auf das Mysterium der Erlösung verweisen, die Hoffnung für Adam und Eva.“ – Mit seinen Kreuzinsignien weist der Schöpfer-Christus Ähnlichkeiten mit dem vom Tode Auferstandenen auf, wie er z. B. auch von Dürer dargestellt wurde: mit kreuzförmigem Lichtstrahlennimbus und mit kreuzbekröntem Triumphstab, dessen Fahne noch zusätzlich durch ein Kreuz ausgezeichnet ist. Zu Dürers Auferstehung-Holzschnitt 12 der Großen Passion von 1510 und zu einer Federzeichnung ebenfalls von 1510 mit der Auferstehung Christi vgl. Hoffmann 2019, S. 68 ff., mit Abbildungen. Vgl. Nijmegen 2005, S. 196 f. Vgl. Brüssel 2010, S. 186. Das zweite, sehr ähnlich inszenierte, ebenfalls mit Paradies betitelte Gemälde befindet sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Wie es in der Kurzbeschreibung der Dokumentation zu Cranachs Gemälde des Digital Cranach Archive heißt. Dass hier der von Gott aus Erde geformte erste Mensch Adam als sitzender Knabe dargestellt ist, der durch den Atem Gottes noch belebt und beseelt werden soll, entspricht der Miniatur der Alkuin-Bibel; s. Abb. 24. Auf dem zweiten Paradies-Gemälde in Dresden geht es sozusagen geordneter zu. Diese Geste kommt bei Cranachs Adam-und-Eva-Sündenfall-Darstellungen auch sonst vor; z. B. auf dem Gemälde Adam und Eva (1533) in der Gemäldegalerie, Berlin. Sie erinnert aber auch an Eva auf Dürers Kupferstich von 1504, die ebenfalls hinter ihrem Rücken in der linken Hand einen Zweig mit einem Apfel versteckt, dessen Feigenblätter ihre Scham bedecken; s. Abb. 2. Zu Dürers Einfluss auf Cranachs Adamund-Eva-Sündenfall-Bilder vgl. z. B. Brüssel 2010, S. 186; Düsseldorf 2017, S. 142 ff.; Frankfurt 2007b, S. 360 ff. Vgl. Abb. 48 und 49. Zu diesem Cantus-firmus-Motiv vgl. z. B. Cranach-Werke in Münster, Westfälisches Landesmuseum; Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie; Magdeburg, Kulturhistorisches Museum; Besançon, Musée des Beaux-Arts; Wien, Kunsthistorisches Museum; Warschau, Nationalmuseum; Abbildungen in den Ausstellungskatalogen Frankfurt 2007b, S. 360 ff.; Düsseldorf 2017, S. 142 ff.; Brüssel 2011, S. 186. Vgl. Frankfurt 2007b, S. 366.
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Vgl. Frankfurt 2007b, S. 360; Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S. 152 f. Vgl. dazu ebd., S. 360. Vgl. hier das Kapitel über die Dürer-Bilder in Madrid. Der zweite Apfel, den Eva – ihn unter der linken Hand fast ganz verbergend – an ihren Körper hält, gehört zu dem Zweig, dessen bescheidene Blätter als nützliches Requisit zur Bedeckung von Evas Blöße dienen. 141 Adam und Eva wenden sich nicht, wie es in Frankfurt 2007b, S. 360, heißt, „einander zu“; Adams Blick auf Eva kann wohl „fixierend“ genannt werden; Eva jedoch „fixiert“ den Betrachter des Gemäldes nicht; auch nicht auf Cranachs Adam-und-Eva-Tafel im Nationalmuseum, Warschau; vgl. ebd., S. 362. 142 Vgl. zu dem Holzschnitt die extensiven Ausführungen in: Frankfurt 2007a mit den Texten von Bodo Brinkmann und in der enzyklopädischen Monographie zum Sündenfall bei Hans Baldung Grien von Julia Carrasco (2019). Und zu Baldungs Adam-und-Eva-Darstellungen in seinem graphischen Werk Matthias Mende in: Baldung Grien 1978. – Aus den neun von Carrasco ausführlich thematisierten Adam-und-EvaSündenfall-Werken Baldungs wurde hier für den selektiven „Blick in die Geschichte“ nur der Einzelblattholzschnitt Der Sündenfall von 1511 ausgewählt. Er markiere, so Carrasco (S. 286) „einen Meilenstein schöpferischer Innovation und Souveränität innerhalb des Œuvres, der sich auf technische Virtuosität, inhaltliche Komplexität und konzeptuellen Anspruch gründet“. 143 Vgl. zur Waldkulisse Carrasco 2019, S. 67: „Der Wald unterlag in der Frühen Neuzeit unterschiedlichen Konnotationen, die ihn sowohl zum positiven Ideal eines ursprünglichen Naturidylls als auch zum negativen Symbol eines bedrohlichen, außerzivilatorischen Seinsbereichs bestimmten.“ 144 Vgl. hier das Kapitel „Der Holzschnitt“. 145 Ganz anders, nämlich überhaupt nicht aggressiv, sondern ruhig, selbstbewusst und ihres Erfolges sicher, zeigt sich die ebenfalls als Zuschauerin anwesende gekrönte Schlange mit dem nackten Oberkörper einer Frau ohne Arme auf Dürers Zeichnung von 1510; s. Abb. 19. Wie auf Baldungs Holzschnitt wird auch auf Dürers Federzeichnung die Schlange von Adam und Eva nicht beachtet. 146 Dass es sich hier um einen Feigenbaum handelt, ist an den Blättern zu erkennen. 147 Brinkmann notiert (in: Frankfurt 2007a, S. 162) dagegen, dass Adam die Frucht „fixiert“; dafür müsste er seinen Kopf und seinen Blick Evas Hand mit der Feige doch wohl entschiedener zuwenden. – Evas Geste erinnert an die Geste Evas auf Cranachs Besançoner Gemälde, die ihre
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Sündenfallaktivitäten unterbricht und den schon angebissenen Apfel in Gedanken nur so wie nebenbei mit der Rechten hinüber zu Adam reicht (s. Abb. 52). Außerdem lässt sie an die Geste der Eva auf Dürers Prado-Tafeln denken, die ebenfalls – wie bei Baldung – ihre Linke wie unbeteiligt zur Frucht im Maul der Schlange im Baum über ihr erhebt; vgl. dazu im Kapitel „Die Gemälde“ mit Abb. 9. Vgl. Carrasco 2019, S. 68. Vgl. Brinkmann in: Frankfurt 2007a, S. 162. Dieses Grundmotiv des sexualisierten Sündenfalls ist auf dem Holzschnitt zweifellos gegeben; doch nicht so demonstrativ wie auf anderen Adam-und-Eva-Bildern Baldungs; z. B. auf dem Holzschnitt von 1519 oder auf den beiden Tafelbildern von 1524/25 und um 1525; s. Abb. bei Carrasco 2019, S. 122, Abb. 43; S. 153, Abb. 68; S. 176, Abb. 80. – So gut wie vollständig hat Jan Gossaert (1478– 1532) Adam-und-Eva-Darstellungen auf die drastische Darstellung sexueller Aktivitäten der Ureltern reduziert. Wäre da nicht der verführerische Apfel und auch einmal die Schlange als Requisiten und Indizienhinweise mit im Spiel, gäbe es keinen Grund, den Feder- und Kreidezeichnungen jeweils den Titel Adam und Eva zu geben. Mit dem Sündenfall, wie er in der Genesis erzählt wird, haben sie nichts zu tun. Vgl. Abb. bei Carrasco 2019, S. 71–73, Abb. 24–26. – Flasch (2004, S. 47) bemerkt: „Und erst im Laufe des 19. Jahrhunderts konnten Adam und Eva völlig frei gestaltet und umgestaltet werden. Eva wurde das Bild beliebiger Schönheit und/ oder Verdorbenheit; […]. Gleichzeitig wurden Adam und Eva frei für die individuell-künstlerische Gestaltung. Jetzt [da die Kirchen die „Deutungshoheit über das erste Menschenpaar“ verloren hatten] konnte man mit dem Motiv spielen, auch darüber spotten.“ Doch zeigt sich bereits im 16. Jh. (auch schon früher) und nicht nur in Gossaerts, sondern auch in Cranachs, Dürers, Altdorfers, Baldungs, Tizians oder Michelangelos Werken mal mehr, mal weniger deutlich bis drastisch ein sehr freier Umgang mit dem Adam-und-Eva-Sündenfall-Thema. Zum konnotativen Verhältnis von Brust und Frucht (d. h. vor allem Apfel) und der Bedeutung des Griffs an beide vgl. Carrasco 2019, S. 70 ff. Vgl. hier die entsprechenden Ausführungen in den Kapiteln zu Dürers Werken. Speziell auf Dürers Federzeichnung von 1510; vgl. hier das entsprechende Kapitel. Gewisse Ähnlichkeiten weisen Baldungs und Dürers Werke vor allem in der Selbstpräsentation der Ureltern auf, die sich jeweils wie ein miteinander einverstandenes Paar selbstbewusst in Szene setzen. Gravierende Unterschiede zeigen sich eklatant schon im Auftritt der Ureltern, die bei Baldung nackt frontal und bei Dürer nackt a tergo zu sehen sind.
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Für Carrasco (2019, S. 73) zeigt Baldungs Holzschnitt „weder eine Momentaufnahme noch eine narrative Abfolge der Sündenfall-Ereignisse, sondern ist vielmehr als zeichenhafte Erläuterung der Ursache des Falls zu verstehen“. Und zur Ursache des Sündenfalls heißt es in Carrascos „Fazit“ (ebd., S. 97): „Im Einklang mit damals gängigen Vorstellungen inszenierte der Künstler den Sündenfall als Exempel der Weibermacht, indem er den Übertritt des göttlichen Gebots durch Adam ursächlich auf Evas sinnliche Überredung ihres wollüstigen Partners zurückführte. Mit der szenischen Gestaltung als erotische Verführung des Mannes durch die Frau verlieh Baldung dieser Vorstellung einen bildlich sinnfälligen Ausdruck, bei dem die menschliche Sexualität nicht wie oftmals angenommen das Wesen der Ursünde, sondern das Mittel darstellt, welches zum Gebotsübertritt verleitet.“ Baldungs Holzschnitt zeige (ebd., S. 73) „in visuell sinnfälliger Weise die kausalen Zusammenhänge der Ursünde auf: Der Griff nach der Brust als Ausdruck wollüstiger Begierde führt zum Griff nach der Frucht als dem Zeichen des Sündenfalls: Aus triebhaftem Begehren heraus ließ Adam sich durch die sinnliche Verführung Evas zur Ursünde überreden, wonach folglich die Wollust des Menschen für seinen abschließend vollzogenen Fall verantwortlich ist.“ – Da stellen sich doch einige Fragen. Hat Baldung auf dem Holzschnitt die Vorstellungen von der verführerischen Weibermacht wirklich konkret „inszeniert“, indem er „den Sündenfall als Exempel der Weibermacht“ anschaulich dargestellt hat, die er in Eva und ihrer erotisch sexuellen Überredungskunst repräsentiert sieht und die so stark ist, den „wollüstigen Partner […] ursächlich“ zum „Übertritt des göttlichen Gebots“ zu bewegen? Eva steht Adam nicht gegenüber, sondern ihn halb verdeckend vor ihm. Sie schaut ihn nicht an. So setzt sie sich auch nicht verführerisch in Szene, indem sie ihren prächtigen Körper präsentiert. Dass in Baldungs „Inszenierung des Sündenfalls als erotische Versuchung“ die in der Weibermacht-Thematik präsente Vorstellung „von der moralischen und sexuellen Zügellosigkeit des listigen Weibes“ zum „bildlich sinnfälligen Ausdruck“ komme (ebd., S. 80), ist bei der so souverän sich darstellenden Eva und der so unaufgeregt gezügelten „körperlichen Intimität des Urelternpaares“ nicht zu konstatieren. Diese Deutung geht am Bild vorbei und wird ihm oktroyiert. Bei Baldung bietet sich Eva nicht an, wie sich z. B. Eva auf dem Holzschnitt Der Sündenfall (1513) von Albrecht Altdorfer (um 1480–1538) mit eindeutigen Gesten und verführerischer Kopf- und Körperhaltung in fast schon prostituierender Absicht anbietet (s. ebd., S. 70, Abb. 23). – Auf Baldungs Holzschnitt soll durch Evas erotische Verführung in Adam „triebhaftes Begehren“ erregt werden, damit er seinerseits auf-
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grund dieser Erfahrung als Evas „wollüstiger Partner“ den Sündenfall begeht und vollendet. Doch tritt Adam auf dem Holzschnitt wirklich als „wollüstiger Partner“ auf, der seine Partnerin entsprechend unbeherrscht bedrängt und ihr zügellos auf den Leib rückt, nur weil er an Evas Brust greift? Adam sieht doch vielmehr sehr beherrscht aus, und es geht hier – und das bei Baldung! – durchaus sehr gesittet zu. Als „wollüstig“ lassen sich vielmehr Adams Auftritte auf anderen Werken Baldungs qualifizieren; ganz extrem auf dem Holzschnitt von 1519, wo Adam als finster teuflische Gestalt wie ein rabiater Vergewaltiger auftritt (ebd., Abb. 43). Stellt sich auch bei anderen Bildern Baldungs immer wieder die Frage, was sie denn mit der Genesiserzählung von Adam und Eva und ihrem Sündenfall – selbst wenn die Schlange im Baum, ein Apfel in Evas Hand zu sehen ist und sie sogar mit Adam und Eva tituliert sind – überhaupt noch zu tun und gemein haben, dann ganz besonders bei diesem Holzschnitt oder extrem makaber bei dem Gemälde Eva, die Schlange und der Tod von 1524/25 (ebd., S. 152 ff., Abb. 68), auf dem der Tod als bei lebendigem Leibe teilverweste Gestalt mit triumphierender Geste und Totenkopfgrinsen an Eva aggressiv herantritt und sie heftig mit einer Hand angreift; bei Brinkmann (in: Frankfurt 2007a, S. 174 f.) ist das Bild mit Eva, die Schlange und der Tod als Adam benannt. Baldungs Adam-und-Eva-Sündenfall-Werke sind eher Dokumente seiner „seltsamen Phantasien“ (so Brinkmann im Titel) oder seines mehr als nur „oftmals eigentümlich anmutende[n] Zugang[s] zum Sujet des Sündenfalls“ (Carrasco 2019, S. 288). – Als Folge von Adams Griff an Evas Brust soll sich sein Griff an die Frucht im Baum der Erkenntnis ergeben. Da Eva durch das auf dem Holzschnitt nicht dargestellte Pflücken der Frucht ihrerseits die Ursünde bereits begangen hat, wie die Frucht in ihrer Hand demonstriert, drängt sich die Frage auf, was denn für sie die „Ursache“ oder das „Mittel“ gewesen sein könnte, das sie „zum Gebotsübertritt verleitet“ hat. Auch die „Wollust des Menschen“? Jene Wollust, die ihr vielleicht seit ihrer Erschaffung eigen war, die durch die Einflüsterungen der hinterlistigen Schlange in ihr erweckt wurde und durch die sie sich zur Ursünde verführen ließ, eine Frucht vom Baum der Erkenntnis in der Mitte Paradieses zu pflücken? Oder nicht vielleicht doch der Ungehorsam gegen Gottes Gebot aus einer ganz anderen Wollust, zu der sie durch die listige Schlange im Paradies verführt wurde: zur Wollust des Hochmuts? Das entspräche sowohl dem Genesistext als auch der die theologische Exegese der biblischen Erzählung entscheidend mitbestimmenden Deutung des Sündenfalls durch Aurelius Augustinus (354–430). In seinem Werk Vom Gottesstaat hat er den Hochmut und den aus der Verachtung von Gottes Gebot und aus „bö-
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sem Willen“ folgenden Ungehorsam für den Sündenfall der Ureltern verantwortlich gemacht: „Hochmut ist der Anfang aller Sünde.“ Vgl. Augustinus 1955, Band 2, S. 187 ff. bzw. 14. Buch, Kapitel 13–15. – Wie dem auch immer mit den doch ziemlich spekulativen Überlegungen sei: All diese Fragen und Probleme, auf die sich einen Reim zu machen nicht so recht gelingen will, ergeben sich aus der fragwürdigen sexuellen Konnotierung und der im Laufe der Jahrhunderte entsprechenden Deutung des Sündenfalls durch Exegeten, Theologen und Künstler; wie eben besonders demonstrativ bei Baldung; vgl. bei Carrasco die Abbildungen 43, 68, 80, 110 und 116. – Im Text des Genesisberichtes von Adams und Evas Sündenfall gibt es für diese Sexualisierung keinen Anhaltspunkt. Der Lakonismus des Alten Testamentes spricht eine eindeutige Sprache. In den wenigen Versen des Genesistextes vom Vollzug des Sündenfalls (Gen 3,1–6) ist Sexualität nicht einmal angedeutet. Der den Bericht vom Sündenfall abschließende Vers – „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ (Gen 3,7) – betrifft bereits die Zeit nach dem Sündenfall, auch wenn Adam und Eva noch nicht durch Gott aus dem Garten Eden vertrieben wurden. Im Kommentar der Jerusalemer Bibel, der die deutsche Einheitsübersetzung begleitet, heißt es zu dem Vers: „Das Erwachen der Begierde ist ein erstes Zeichen für die tiefe Störung, die durch die Sünde in die Harmonie der Schöpfungsordnung eingebrochen ist.“ Diese Bemerkung verweist darauf, dass „aus christlich-theologischer Sicht ein kausaler Zusammenhang zwischen Sexualität und Ursünde in der Form (bestand), dass die Konkupiszenz eine der Konsequenzen des paradiesischen Gebotsübertritts bedeutete […]“ (Carrasco 2019, S. 74). – Es geht hier übrigens nicht darum zu bestreiten, dass Baldungs Darstellung im weiten Kontext der nur zu gut dokumentierten Weiberlist- oder Weibermachtthematik (Carrasco 2019, S. 77 ff.) wie auch immer gesehen und ikonographisch verstanden werden kann, sondern nur um die Frage, ob und wie weit diese Thematik in Baldungs Holzschnitt „in visuell sinnfälliger Weise“ präsent ist und als entsprechend präsent interpretiert werden kann. Carrasco (2019, S. 81) deutet Adams und Evas Blicke ganz im Sinne ihrer Interpretation des Sündenfalls und der sexuellen Wollust als seine Ursache. Im „Dialog mit dem Bildrezipienten“ werde durch „die Blicke der Stammeltern“ „die Aussage ihrer Gesten“ bestätigt, mit denen dem Betrachter „demonstrativ und erläuternd“ vorgeführt werde, „dass die Triebhaftigkeit des Menschen zum Vollzug des Sündenfalls führte: Weil Adam Eva begehrte und ihrer sinnlichen Verführung erlag, ließ er sich zur Ursünde hinreißen und stürzte seine Nachkommen ins Verderben.“ In den von ihren Blicken „unterstützten“ Gesten Adams und Evas sei,
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so Carrasco in ihrem „Fazit“ zu Baldungs Holzschnitt (ebd., S. 97 f.), „eine Warnung vor der Macht der Libido und ihren fatalen Konsequenzen“ formuliert, die „für den Betrachter in der Interaktion mit der Darstellung persönlich erfahrbar“ werde: „Durch das Bild wird er sowohl mit der Verführung als auch mit ihren Folgen unmittelbar konfrontiert und erlebt somit am eigenen Leibe die Diskrepanz zwischen Lust und Sittlichkeit, die auf die Botschaft der Mäßigung hinausläuft. Über ihren theologischen Gehalt hinaus erlangt die Sündenfall-Geschichte in Baldungs Darstellung damit eine vorwiegend moralisierende Bedeutung.“ Werden hier – diese Frage sei erlaubt – bei allem Respekt vor wirkungsästhetischen Überlegungen zum Appellcharakter von Kunstwerken nicht doch ihre Möglichkeiten gewaltig überschätzt, nämlich den Betrachter – ob männlich oder weiblich – „sowohl mit der Verführung als auch mit ihren Folgen“, die ihm durch „Interaktion mit der Darstellung“ von Adams und Evas Sündenfall „persönlich erfahrbar“ werden sollen, „unmittelbar“ zu konfrontieren und ihn „die Diskrepanz zwischen Lust und Sittlichkeit“ „am eigenen Leibe“ erleben zu lassen? Vgl. De Vecchi 2002, S. 154 ff.; Buck/Hohenstatt 1998, S. 42 ff., Abb. 51, 57. Kaminski 1998, S. 98, Abb. 104. – Im LCI (4, Sp. 75–81) figuriert die Schlange mit gehörntem Puttokopf auf Tizians Gemälde unter dem „Sondertypus“ der „Schlange mit Cupido-Kopf“ und wird als „Hinweis auf den in der Renaiss. betonten erot. Gehalt der Szene“ verstanden; als weitere Beispiele für diesen Typus wird auf Werke von Marten de Vos, Hendrik Goltzius und Cornelis Cornelisz van Haarlem verwiesen. – Tizians Gemälde weist deutliche Ähnlichkeiten mit Raffaels Sündenfallfresko auf, besonders was die Konfiguration der Akteure betrifft; s. Abb. 54. Peter Paul Rubens (1577–1640) hat Tizians Gemälde Adam und Eva 1628/29 kopiert; Museo Nacional del Prado, Madrid; vgl. dazu den Vergleich der Bilder von Jeremy Wood in: München 2009, S. 208 ff.; und Glang-Süverkrüb 1985, S. 117–128; auch sie spricht (S. 121) mit Blick auf Tizians Schlange von einem „Putto“, aus dem bei Rubens „ein kleiner Kobold mit satyrhaften Zügen geworden (ist)“. Auch durch satyrhafte Koboldisierung wird die biblische Schlange nicht weniger verharmlost. Vgl. z. B. hier die Abbildungen mit den Adam-und-Eva-SündenfallDarstellungen der Bernwardtür des Hildesheimer Doms. Abb. 36 zeigt neben der Schlange, die mit ihrem Maul Eva die verbotenen Früchte reicht, auch einen über der Szene erscheinenden Drachen, der als Teufel zu deuten ist und der die Schlange gleichsam als Erfüllungsgehilfin in seinem Namen handeln lässt. Auf dem Bildfeld der Bernwardtür (Abb.
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37) mit der Szene, die darstellt, wie Gott die Ureltern verhört (Gen, 3, 11–13), zeigt einerseits Gott mit Fingern auf Adam und Eva als die Sünder; Adam andererseits weist – sich exkulpierend – auf Eva als die für den Sündenfall Verantwortliche und Eva ihrerseits auf die Schlange als die einzig Schuldige, die als feuerspeiender Höllendrache ihr zu Füßen liegt. Vgl. Brandt 2016, S. 29 ff. – Der Sündenfallexegese des hl. Augustinus in De genesi ad litteram / Über den Wortlaut der Genesis entsprechend, konnte der Teufel „nur durch die Schlange verführen“, die „eines fremden, nämlich des teuflischen Geistes“ („alieno spiritu, id est diabolico“) war. Vgl. Augustinus 1961/64, II. Band, 11. Buch, 2. und 3. Kapitel, S. 174 ff. Wie z. B. als eine am Baum hoch aufgerichtete Basilisken-Echse mit langem stützendem Schwanz und mit frisiertem Frauenkopf auf Der Sündenfall (1470) des Hugo van der Goes (um 1440–1482); Kunsthistorisches Museum, Wien. Merkwürdig scheint hier, dass Eva nur auf ihren Griff zum Apfel blickt, den sie aus der Hand der Putto-Schlange entgegennimmt, aber „nicht bemerkt, wer ihr diesen reicht“. So Glang-Süverkrüb 1985, S. 117 f. Es bleibt jedoch zu fragen, ob Eva nicht doch – was sinnvoller wäre – den ziemlich weit nach vorn gestreckten Kopf des Putto im Blick haben könnte, auch wenn von Blickkontakt zwischen Eva und Putto nicht die Rede sein kann. Vgl. Glang-Süverkrüb 1985, S. 118 f.; Adam, der die „Tragweite“ von Evas Tun erfasst habe, versuche Eva noch „zu warnen“. Vgl. De Vecchi 2001, S. 141 ff. – Dass Adam sich selbst am Baum der Erkenntnis bedient und sich eine Frucht pflückt, um wie Eva eine Frucht zu bekommen, oder gar als Erster vor Eva mit dem Pflücken der Früchte beginnt und er ihr und nicht – wie in der Bibel zu lesen ist – sie ihm den Apfel reichen kann, ist z. B. auch auf Bildern von Jan Gossaert (1478– 1532) und Domenichino (1581–1641) dargestellt. Heißt es im Vers Gen 3,23 von Gott, dem Herrn, noch, dass er Adam aus dem Paradies „schickte“: „emisit eum Dominus Deus de paradiso voluptatis“, so in Gen 3,24, dass er ihn „hinauswarf, vertrieb, verstieß, verbannte“: „eiecitque Adam“. – Etwa ein Jahrhundert vor Michelangelo hat Masaccio (1401–1428) für die Brancacci-Kapelle von Santa Maria del Carmine, Florenz, ein ähnliches Fresko mit der Vertreibung aus dem Paradies geschaffen (1426) mit einem vom Himmel herabfliegenden Engel samt Schwert und die von Entsetzen über den Verlust des Paradieses gepackten Ureltern: Adam, der sein Gesicht vor Verzweiflung hinter seinen Händen verbirgt, und Eva, die mit erhobenem Kopf das ganze Elend nur so herausschreit.
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Bibliographie
Die Publikationen werden jeweils nach dem Erscheinungsjahr der benutzten Ausgabe abbreviatorisch mit Autornamen und Jahreszahl, bei Ausstellungskatalogen mit Ortsnamen und Jahreszahl oder mit Siglen zitiert. Aachen 2021 Dürer war hier – Eine Reise wird Legende. Katalog zur Ausstellung Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen (18. Juli bis 24. Oktober 2021). Herausgegeben von Peter van den Brink. Petersberg: Michael Imhof 2021. AKL Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Herausgegeben von K. G. Saur. München/Leipzig: Saur 1992 ff. Albertina 1971 Die Dürer Zeichnungen der Albertina. Herausgegeben von Walter Koschatzky und Alice Strobl. Salzburg: Residenz 1971. Anzelewsky 1971 Anzelewsky, Fedja: Albrecht Dürer – Das malerische Werk. Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft 1971. Anzelewsky 1983 –: Dürer-Studien – Untersuchungen zu den ikonographischen und geistesgeschichtlichen Grundlagen seiner Werke zwischen den beiden Italienreisen. Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft 1983. Anzelewsky 1991 –: Albrecht Dürer – Das malerische Werk. 2., neubearbeitete Auflage. Band 1: Textband; Band 2: Tafelband. Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft 1991.
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Abbildungsnachweise
Abbildung 1: Dürer 1970, Band 2, S. 1304; Abb. 2: Eichler 1999, S. 66, mit Bildausschnitten Abb. 3, 4; Abb. 5: Wien 2003, S. 255; Abb. 6: Wien 2003, S. 258; Abb. 7: Wien 2003, S. 260; Abb. 8: Strieder 1981, S. 167, mit Bildausschnitten Abb. 9–12; Abb. 13: Wien 2003, S. 259; Abb. 14: Wien 2003, S. 261; Abb. 15: SMS II, S. 289, mit Bildausschnitten Abb. 16, 17; Abb. 18: SMS II, S. 290; Abb. 19: Dürer 2003, S. 405, mit Bildausschnitten Abb. 20, 21, 22; Abb. 23: AKG 5291411 mit Bildausschnitten Abb. 25, 26, 30, 32, 33; Abb. 24: Staatsbibliothek Bamberg, Foto Gerald Raab; mit Bildausschnitten Abb. 27, 28, 29, 31, 34; Abb. 35: Dommuseum Hildesheim, Foto Florian Monheim; mit Bildausschnitten Abb. 36–40; Abb. 41: AKG 4450773; Abb. 42: Vio 2001, S. 264; Abb. 43: Vio 2001, S. 265; Abb. 44: Vio 2001, S. 266; Abb. 45: AKG 1042182; Abb. 46: AKG 1042181; Abb. 47: Vio 2001, S. 268; Abb. 48: Büchsel/Kessler/Müller 2014; Abb. 49: AKG 376290, Foto Erich Lessing; Abb. 50: AKG 39540, Foto Erich Lessing; Abb. 51: Frankfurt 2007b, S. 367; Abb. 52: Frankfurt 2007b, S. 361; Abb. 53: Frankfurt 2007a, S. 161; Abb. 54: De Vecchi 2002, S. 151; Abb. 55: Kaminski 1998, S. 98; Abb. 56: De Vecchi 2001, S. 141, 146 f.